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Stochastische Analysis Karl-Theodor Sturm

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Stochastische Analysis

Karl-Theodor Sturm

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Literatur:

• I. Karatzas, S. Shreve: Brownian Motion and Stochastic Calculus. 2nd ed. Springer’91

• D. Revuz, M. Yor: Continuous Martingales and Brownian Motion, 2nd ed. Springer’94

• W. Hackenbroch, A. Thalmaier: Stochastische Analysis, Teubner ’91

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Inhaltsverzeichnis

0 Einfuhrung 7

0.1 Analysis und ODEs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

0.2 Stochastische Analysis und stochastische Differentialgleichungen . . . . . . 7

0.3 Die Idee des Ito-Integrals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

0.4 Stochastische DGl und partielle DGl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

1 Filtrationen und Stoppzeiten 11

1.1 Stoch. Prozesse (Wiederholung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

1.2 Filtrationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

1.3 Adaptierte Prozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

1.4 Progressiv messbare Prozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

1.5 Stoppzeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

1.6 Treffer- und Eintrittszeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

1.7 Die T -Vergangenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

1.8 Treffer-Verteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

2 Martingale in stetiger Zeit 21

2.1 Definitionen und elementare Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

2.2 Maximalungleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

2.3 Regulierungsresultate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

2.4 Konvergenzsatze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

2.5 Optional Sampling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

3 Stetige Semimartingale und quadratische Variation 29

3.1 Stetige Semimartingale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

3.2 Die Doob-Meyer Zerlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

3.3 Quadratische Variation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

3.4 Stetige L2-beschrankte Martingale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38

4 Stochastische Integration 41

4.1 Das Lebesgue-Stieltjes-Integral . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

4.2 Das Ito-Integral fur Elementarprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

4.3 Das Ito-Integral fur vorhersagbare, messbare Prozesse . . . . . . . . . . . 47

4.4 Erweiterung durch Lokalisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

4.5 Ito-Differentiale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56

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Inhaltsverzeichnis

5 Ito-Formel und Anwendungen 595.1 Die Ito-Formel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 595.2 Exponentielle Martingale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 645.3 Levy’s Charakterisierung der BB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 655.4 Bessel-Prozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67

6 Brownsche Martingale 716.1 Zeitwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 716.2 Lokale Martingale und zeittransformierte BBen . . . . . . . . . . . . . . . 766.3 Darstellung als stochastische Integrale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 786.4 Der Satz von Girsanov . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 826.5 Die Novikov-Bedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 866.6 Wiener-Raum und Cameron-Martin-Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . 886.7 Große Abweichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89

7 Stochastische Differentialgleichungen 917.1 Starke Losungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 917.2 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 997.3 Lokale Losungen, Maximallosungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1027.4 Schwache Losungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1047.5 Schwache Losungen und Losungen des Martingalproblems . . . . . . . . . 1077.6 Die starke Markov-Eigenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1107.7 SDG und PDG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1117.8 Feller-Eigenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1147.9 Die starke Markov Eigenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123

8 BB und Dirichlet-Problem fur den Laplace-Operator 1278.1 BB als starker Markov-Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1278.2 Die Mittelwerteigenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1288.3 Randregularitat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1308.4 Stochastisches Randverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134

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0 Einfuhrung

0.1 Analysis und gewohnliche Differentialgleichungen

Die Erfindung der Analyis (= Differential- und Integralrechnung) durch Newton (1643-1727) und Leibniz (1646-1716) loste den Siegeszug der Mathematik bei der Beschreibungvon Naturphanomenen und okonomischen Zusammenhangen aus und fuhrte zur Mathe-matisierung von Physik, Chemie, Biologie, Technik, Okonomie, . . .Gewohnliche Differentialgleichungen dienen der Modellierung von Phanomenen der rea-len Welt: dyt = b(t, yt) dt. Der Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung erlaubtaquivalente Formulierung in differentieller und integreller Form:

yt = b(t, yt) bzw. yT = y0 +T∫0

b(t, yt) dt

0.2 Stochastische Analysis und stochastischeDifferentialgleichungen

Die Stochastische Analysis hat die Beschreibung von Naturphanomenen zum Ziel, diestochastischen (= nicht deterministischen) Einflussen unterworfen sind.Dies geschieht z.B. mittels stochastischer Differentialgleichungen der Form

dYt = b(t, Yt) dt + σ(t, Yt) dMt. (0.1)

Formal fuhrt das zuYt = b(t, Yt) + σ(t, Yt)Mt. (0.2)

b(t, Yt) bezeichnet hier den Einfluss des (deterministischen)”Signals“, σ(t, Yt)Mt den

Einfluß des (stochastischen)”Rauschens“.

Fur (Mt)t≥0 wahlt man ein stetiges Martingal (also einen stochastischen Prozeß ohneerkennbare Signalkomponente), typischerweise die Brownsche Bewegung (BB).Problem: fur solche (Mt) ist fast keine Trajektorie differenzierbar! Es gibt keine pfad-weise stochastische Differentiation! (Lediglich eine Art

”stochastische Differentiation im

distributiven Sinne“ im Rahmen des sog. Malliavin-Kalkuls, von Paul Malliavin ab 1978entwickelt.)Ausweg: Wir vergessen die differentielle Interpretation (0.2) und definieren (0.1) mittelsder folgenden integralen Version

YT = Y0 +

T∫

0

b(t, Yt) dt +

T∫

0

σ(t, Yt) dMt (0.3)

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0 Einfuhrung

Hierzu mussen wir stochastischen Integralen der FormT∫0

Xt dMt eine Bedeutung geben

(fur (Mt)t Martingal, (Xt)t ”messbarer“ stochastischer Prozeß ).

Das geht! Ito Integral (Kyoshi Ito).

• R. Paley, N. Wiener, A. Zygmund (1933): (Xt) deterministisch, (Mt) BB

• K. Ito (1942,44): (Xt) stochastisch, (Mt) BB

• H. Kunita, S. Watanabe (1967): (Xt) stochastisch, (Mt) Martingal

0.3 Die Idee des Ito-Integrals

Definition 0.3.1. Yt(ω) =T∫0

Xt(ω) dMt(ω) als L2-Limes der Approximationen

Y∆(n)T (ω) =

ti∈∆(n)

Xtk−1(ω) · (Mtk∧T (ω)−Mtk−1∧T (ω)) (0.4)

fur Partitionen ∆(n) von [0,∞[ mit Feinheit |∆(n)| → 0.

Fur eine große Klasse von (Mt) und (Xt) existiert dieser Limes und es gilt:

• (Yt)t ist stetiges Martingal

• E(Y 2t ) = E

t∫0

X2s d〈M〉s

mit 〈M〉 = Quadratische Variation von M = (Mt)k (z.B. 〈M〉t = t fur BB).

Achtung: Diese Eigenschaften gelten nicht, falls man in (0.4) Xtk−1durch Xtk

(rucklaufiges Ito-Integral) oder 12(Xtk−1

+ Xtk) (Stratonovich-Integral) ersetzt!Allerdings gilt fur das Ito-Integral nicht df(Mt) = f ′(Mt) dMt (das gilt fur klassischeIntegrale und fur das Stratonovich-Integral), sondern die Ito-Formel

df(Mt) = f′(Mt) dMt +

1

2f

′′(Mt) d〈M〉t

(Kettenregel fur stochastische Integrale)

0.4 Stochastische DGl und partielle DGl

Sei (Mt)t die d-dim BB mit infinitesimalem Erzeuger 12∆ = 1

2

d∑i=1

∂2

∂x2i

und (Yt)t die Losung

der SDGl dYt = b(Yt)dt + σ(Yt) dMt.Dann hat (Yt)t folgenden infinitesimalen Erzeuger

L =1

2

d∑

i,j=1

aij(x)∂2

∂xi∂xj+

d∑

i=1

bi(x)∂

∂xi

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0.4 Stochastische DGl und partielle DGl

mit b (Drift-Vektor) wie oben und a = σσ∗ (Diffusionsmatrix), d.h. aij(x) =d∑

k=1

σik(x) ·σjk(x).Es gilt also

limt→0

1

t(Exf(Yt)− f(x)) = (Lf)(x).

⇒ Partielle DGl lassen sich mit Hilfe stochstischer DGl losen!

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1 Filtrationen und Stoppzeiten

Im folgenden sei stets vorgegeben ein Wahrscheinlichkeits-Raum (Ω,F ,P).

1.1 Stoch. Prozesse (Wiederholung)

Definition 1.1.1. Sei (E, E) ein Messraum. Eine Familie X = (Xt)t≥0 heißt stochas-tischer Prozess (auf (Ω,F ,P) mit Werten in (E, E)), falls

∀ t ≥ 0 : Xt : Ω→ E ist F-messbar

(genauer: F/E-messbar), d.h. eine Zufallsvariable. t ∈ [0,∞[ wird als Zeit interpretiert,E als Zustandsraum (meist E = Rd und E = B(Rd)).Fur fixes ω ∈ Ω heißt die Abbildung

X•(ω) : R+ → E, t 7→ Xt(ω)

Trajektorie.Wir verwenden folgende aquivalente Interpretationen:

X : R+ × Ω→ E, (t, ω) 7→ Xt(ω)

X : Ω→ ER+ , ω 7→ X•(ω) (zufalliges Auswahlen von Trajektorien).

Definition 1.1.2. Zwei stochastische Prozesse X, Y (auf dem selben W.-Raum (Ω,F ,P)mit dem selben Zustandsraum (E, E)) heißen

• Modifikationen voneinander, fallsP(Xt = Yt) = 1 fur alle t ≥ 0.

• ununterscheidbar, falls P(Xt = Yt fur alle t ≥ 0) = 1, mit anderen WortenP(X• = Y•) = 1.

Bemerkung 1.1.3. Ununterscheidbar ⇒ Modifikation voneinander!Umkehrung gilt i.A. nicht!(

z.B. Ω = [0, 1], P = λ1, Xt(ω) = 0, (∀t, ω) und Yt(ω) :=

1 , falls t = ω

0 , sonst

)

Lemma 1.1.4. Seien fast alle Trajektorien von X, Y rechtsseitig stetig. Dann gilt: Un-unterscheidbar ⇐⇒ Modifikation voneinander.

Beweis. Ubung.

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1 Filtrationen und Stoppzeiten

1.2 Filtrationen

Definition 1.2.1. Eine Familie (Ft)t≥0 heißt Filtration (=Filtrierung) falls∀0 ≤ s ≤ t <∞ : Fs,Ft σ-Algebren auf Ω sind mit Fs ⊂ Ft ⊂ F .

Intuitiv: Ft enthalt die bis zum Zeitpunkt t ∈ [0,∞[ verfugbare Information. (ErlaubtUnterscheidung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.)

Definition 1.2.2. (Ω,F ,Ft, P ) heißt filtrierter Wahrscheinlichkeits-Raum oder sto-chastische Basis. Man setzt:

• Ft+ =⋂s>tFs,

• Ft− = σ(Fs : s < t),

• F0− = ∅, Ω und

• F∞ = σ(Ft : t ≥ 0) = σ(Ft+ : t ≥ 0) = σ(Ft− : t ≥ 0).

Offenbar gilt Ft− ⊂ Ft ⊂ Ft+.

Definition 1.2.3. (Ft) heißt rechtsstetige Filtration, falls Ft = Ft+ (∀t ≥ 0).

Beispiel 1.2.4. Stets ist (Ft+)t≥0 eine rechtsstetige Filtration.

Definition 1.2.5. Der filtrierte Wahrscheinlichkeits-Raum (Ω,F ,Ft,P) heißtvollstandig, wenn F0 alle (F ,P)-Nullmengen enthalt.Eine Menge A ⊂ Ω heißt (F ,P)-Nullmenge, falls ∃A′ ⊂ F mit A′ ⊃ A und P(A′) = 0.

Bemerkungen 1.2.6.

(i) Ist (Ω,F ,Ft, P ) vollstandig, so ist jeder der Wahrscheinlichkeits-Raume (Ω,Ft,P)vollstandig.

(ii) Umkehrung gilt nicht!Es gibt i.A. mehr (F ,P)-Nullmengen als (F0,P)-Nullmengen.

(iii) Man erhalt einen vollstandigen filtrierten Wahrscheinlichkeits-Raum durch Aug-mentieren: Ersetze F und Ft durch F ′ = σ(F ∪N ) bzw. F ′

t = σ(Ft ∪N ) mitN = Menge der (F ,P)-Nullmengen.

(Hinweis: Statt (F , P )-Nullmengen verwenden manche Autoren bei obiger Definition(F∞, P )-Nullmengen.)

Definition 1.2.7. Der filtrierte Wahrscheinlichkeits-Raum (Ω,F ,Ft,P) genugt denublichen Bedingungen (bzw. ist ein standard-filtrierter Wahrscheinlichkeits-Raum), fallser vollstandig ist und die Filtration (Ft) rechtsstetig ist.

Bemerkung 1.2.8. Standard-Erweiterung:

(i) Augmentieren: Ft′ und F ′,

(ii) Rechte Limiten (F ′t+) ⇒ (Ω,F ′

t+,F ′, P ) standard filtrierter Wahrscheinlichkeits-Raum.

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1.3 Adaptierte Prozesse

1.3 Adaptierte Prozesse

Definition 1.3.1.

(i) Gegeben: Stochastischer Prozess X auf (Ω,F , P ) mit Werten in (E, E).FX

t := σ(Xs : s ≤ t)

heißt die von X erzeugte Filtration.

(ii) X heißt an eine vorgegebene Filtration (Ft)t≥0 adaptiert, falls

FtX ⊂ Ft(∀ t ≥ 0)

oder, mit anderen Worten, falls Xt Ft-messbar (∀ t ≥ 0) ist.

Beispiele 1.3.2.

(i) (Xt) ist an (FXt ) adaptiert. (Trivial)

(ii) Sei f ∈ L1(Ω,F ,P) und (Ft)t≥0 gegeben.

Sei weiter Xt := E(f |Ft)Dann ist (Xt)t≥0 an (Ft)t≥0 adaptiert.

Bemerkung 1.3.3. Oft bezeichnet man die von einem Prozess X erzeugte Filtra-tion (FX

t ) mit (F0t ) und ihre Standard-Erweiterung dann mit (Ft).

(iii) Gegeben: (Xt)t≥0 und (Yt)t≥0 ununterscheidbar, (Xt)t≥0 an (Ft) adaptiert und(Ω,F ,Ft,P) vollstandig ⇒ (Yt)t≥0 an (Ft) adaptiert.

(Achtung: Hier reicht nicht, daß (Ω,Ft,P) vollstandig ist!)

1.4 Progressiv messbare Prozesse

Definition 1.4.1. Ein Prozess X heißt progressiv messbar bzgl. einer Filtration (Ft)t,falls fur alle t ≥ 0 : die Abbildung

X : [0, t]× Ω→ E, (s, ω) 7→ Xs(ω) messbar bzgl. B([0, t])⊗Ft ist.

Proposition 1.4.2. Sei X ein stochastischer Prozess mit Werten im topologischenRaum E, rechtsstetig (d.h. alle(!) Trajektorien t 7→ Xt(ω) sind rechtsstetig) (oder links-stetig), und adaptiert an (Ft)t≥0. Dann ist X progressiv messbar.

Beweis. Sei X rechtsstetig, t > 0 fix. Wir approximieren X durch X(n) mit

X(n)s (ω) := X(k+1)t2−n(ω) fur s ∈ ]kt2−n, (k + 1)t2−n], k = 0, 1, . . . , 2n − 1

und X(n)0 (ω) := X0(ω).

Dann ist X(n) : (s, ω) 7→ X(n)s (ω) messbar bzgl. B([0, t])⊗Ft.

Wegen Rechtsstetigkeit:

limn→∞

X(n)s (ω) = Xs(ω) fur alle (s, ω) ∈ [0, t]× Ω.

⇒ X : [0, t]× Ω→ E ist B([0, t])⊗Ft-messbar.

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1 Filtrationen und Stoppzeiten

1.5 Stoppzeiten

Definition 1.5.1. Eine Abbildung T : Ω→ [0,∞] heißt Stoppzeit bzgl. (Ft), falls ∀t ≥ 0:

T ≤ t ∈ Ft,

wobei T ≤ t := ω ∈ Ω : T (ω) ≤ t.Sie heißt schwache Stoppzeit (oder Optionszeit) bzgl. (Ft), falls ∀ t ≥ 0

T < t ∈ Ft.

Bemerkungen 1.5.2.

(i) Jede Stoppzeit ist schwache Stoppzeit, denn

T < t =⋃

n

T ≤ t− 1

n

∈Ft− 1

n⊂Ft

∈ Ft

(ii) T ist schwache Stoppzeit bzgl. (Ft) ⇐⇒ T ist Stoppzeit bzgl. (Ft+).

(iii) (Ft) rechtsstetig ⇒ Jede schwache Stoppzeit ist Stoppzeit.

Beispiel 1.5.3. Jede”konstante Zeit“ T ≡ t0 ist eine Stoppzeit.

(iv) T ist Stoppzeit ⇐⇒ Xt = 1[0,T [(t) ist adaptiert, (denn Xt = 0 = T ≤ t).

Proposition 1.5.4.

(i) Mit S und T sind auch S ∧ T, S ∨ T, S + T (schwache) Stoppzeiten.

(ii) Mit Tn (schwache) Stoppzeit (∀n ∈ N) ist auch supn

Tn eine (schwache) Stoppzeit

und infn

Tn eine schwache Stoppzeit.

(Denn:

sup

nTn ≤ t

=⋂

n

Tn ≤ t und

infn

Tn < t

=⋃

n

Tn < t.)

(iii) Jede schwache Stoppzeit T laßt sich monoton durch Stoppzeiten Tn mit endlichemWertebereich approximieren:

Tn :=

(k + 1)2−n auf k2−n ≤ T < (k + 1)2−n , k = 0, 1, . . . , 4n,

+∞ sonst.

⇒ Tnn→∞→ T, Tn ≥ Tn+1 > T und Tn > T auf T <∞.

Proposition 1.5.5 (Galmarino’s Test). Sei Ω = C(R+, Rd) (oder Ω = D(R+, Rd) =ω : R+ → Rd cadlag), Xt(ω) = ω(t) und Ft = Ft

X . Dann gilt:

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1.6 Treffer- und Eintrittszeiten

(i) T ist (schwache) Stoppzeit genau dann, wenn ∀ t ≥ 0, und ∀ω, ω′ ∈ Ω gilt:

(T (ω) ≤(<)

t) und ∀s ≤ t : Xs(ω) = Xs(ω′) ⇒ T (ω) = T (ω′).

Ist T Stoppzeit, dann gilt

(ii) A ∈ FT ⇐⇒ (ω ∈ A,∀s ≤ T (ω) : Xs(ω) = Xs(ω′), T (ω) = T (ω′)⇒ ω′ ∈ A).

(iii) f ist FT -messbar ⇐⇒ f(ω) = f(ωT ) mit ωT (s) = ω(s ∧ T (ω)).

(iv) FT = σ(XTs : s ≥ 0).

1.6 Treffer- und Eintrittszeiten

Definition 1.6.1. Sei (Xt) ein an (Ft) adaptierter Prozeß und A ⊂ E.

TA(ω) := inft ≥ 0 : Xt(ω) ∈ A Eintrittszeit von A

T ∗A(ω) := inft > 0 : Xt(ω) ∈ A Trefferzeit von A

(jeweils mit inf ∅ := +∞.)

Bemerkungen 1.6.2.

(i) Fur Γ ⊂ R+ × Ω

DΓ(ω) := inft ≥ 0 : (t, ω) ∈ Γ Debut von Γ

Somit fur A ⊂ E : TA = DX−1(A).

(ii) (Ω,F ,Ft,P) genuge den ublichen BedingungenDebut-Theorem: Fur jedes progressiv messbare Γ ⊂ R+×Ω ist DΓ eine Stoppzeit.Korollar: X progressiv messbar ⇒ TA ist Stoppzeit ∀A ∈ E .

(iii) Jede Stoppzeit ist eine Eintrittszeit:wahle Xt := 1[0,T [(t) und A := 0⇒ TA = T .

Satz 1.6.3. Sei X = (Xt)t≥0 adaptiert (an vorgegebene Filtration (Ft)t) und rechtsstetig(d.h. E ist topologischer Raum und alle Trajektorien X•(ω) sind rechtsstetig).

(i) T ∗A = TA schwache Stoppzeit (∀A offen ⊂ E)

(ii) Ist X sogar stetig und E metrisierbar, so istTA Stoppzeit (∀A ⊂ E abgeschlossen)und TA schwache Stoppzeit (∀A Fσ-Menge, d.h. A =

⋃n

An mit An abgeschlossen).

(iii) (ohne Beweis) Genugt (Ω,F ,Ft, P ) den ublichen Bedingungen, so ist TA Stoppzeit(∀A ∈ E = B(E))

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1 Filtrationen und Stoppzeiten

Beweis.

(i) Stets ist TA ≥ t = Xs 6∈ A : ∀s ∈ [0, t[ und T ∗A ≥ t = Xs 6∈ A : ∀s ∈]0, t[.

Daher bei offenem A und rechtsstetigem X:

TA ≥ t = T ∗A ≥ t = Xs /∈ A : ∀s ∈ [0, t[∩Q

=⋂

s∈[0,t[∩Q

Xs /∈ A ∈ Ft

⇒ TA ist schwache Stoppzeit.

(ii) Fur A abgeschlossen

TA > t = Xs 6∈ A : ∀s ∈ [0, t]= ω : d(Xs(ω), A) > 0,∀s ∈ [0, t]

=⋃

n∈N

ω : d(Xs(ω), A) ≥ 1

n,∀s ∈ [0, t]

[wegen Stetigkeit von Xs(ω) und damit von s 7→ d(Xs(ω), A)]

=⋃

n∈N

ω : d(Xs(ω), A) ≥ 1

n,∀s ∈ [0, t] ∩ Q

=⋃

n∈N

s∈[0,t]∩Q

d(Xs(·), A) ≥ 1

n

∈ Ft

Ist A =⋃

An mit An abgeschlossen (⇒ TAn Stoppzeit), so ist TA = infn

TAn

schwache Stoppzeit (siehe Proposition 1.5.4).

Beispiele 1.6.4. Ω = C(R+, Rd), X Koordinatenprozess (d.h. Xt(ω) = ω(t)) und Ft =FX

t .Sei ∅ 6= A ⊂ Rd offen.⇒ T ∗

A ist schwache Stoppzeit, aber keine Stoppzeit.⇒ Ft 6= Ft+

Intuitive Begrundung (Genaueres siehe Ubung ”Galmarino’s Test”):Wahle ω mit ω(0) 6∈ A und ω(t) ∈ A fur ein t > 0, d.h. fur t0 = T ∗

A(ω) gilt: 0 < t0 <∞.Wegen Stetigkeit ist ω(t0) = ∂A.Definiere neuen Pfad ω′ ∈ Ω durch ω′(t) = ω(t∧ t0). Offenbar ω′ 6∈ A(∀t ≥ 0) und damitT ∗

A(ω′) = +∞. Nun gilt:ω(t) = ω′(t) ∀t ≤ t0⇒ ∀Γ ∈ Ft0 : ω ∈ Γ ⇐⇒ ω′ ∈ Γ (Galmarino)Aber offensichtlich ist ω ∈ T ∗

A ≤ t0 und ω′ 6∈ T ∗A ≤ t0

⇒ T ∗A ≤ t0 6∈ Ft0 ⇒ T ∗

A keine Stoppzeit.⇒ (Ft) nicht rechtsstetig.

Weitere Beispiele fur (schwache) Stoppzeiten:

16

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1.7 Die T -Vergangenheit

A, B ⊂ E disjunkt, T0 := 0, n ∈ N0

T2n+1 = inft ≥ T2n : Xt ∈ AT2n+2 = inft ≥ T2n+1 : Xt ∈ B(z.B. A = Rd \B, schlecht bei BB, dann fast sicher Tn = T1 ∀n)

Keine (schwache) StoppzeitLetzte (oder vorletzte etc.) Austrittszeit aus ALA = supt ≥ 0 : Xt ∈ A.Denn (intuitiv): Ist LA(ω) = t so weiß ω das zum Zeitpunkt t (und auch unmittelbardanach) noch nicht!! (sondern erst am Ende seiner Tage.)

1.7 Die T -Vergangenheit

Definition 1.7.1. Fur Stoppzeit T sei

FT = A ∈ F∞ : A ∩ T ≤ t ∈ Ft fur alle t ≥ 0

die σ-Algebra der T -Vergangenheit.Analog laßt sich fur schwache Stoppzeiten T definieren

FT+ = A ∈ F∞ : A ∩ T < t ∈ Ft fur alle t ≥ 0

Beides sind tatsachlich σ-Algebren (Beweis wie im diskreten Fall). Jede Stoppzeit Tist FT -meß bar, jede schwache Stoppzeit FT+-meß bar. FT besteht aus den Ereignissen,die bis zum zufalligen Zeitpunkt T eintreten. Stets ist FT ⊂ FT+. Fur T ≡ t ist FT = Ft

und FT+ = Ft+.

Bemerkungen 1.7.2. Wie im diskreten Fall gelten folgende Eigenschaften:

(i) S ≤ T ⇒ FS ⊂ FT

(ii) FS∧T = FS ∩ FT

(iii) E(·|FS∧T ) = E(E(·|FS)|FT )

(iv) Tn schwache Stoppzeit (∀n ∈ N), T = infn

Tn (T ist also eine schwache Stoppzeit).

Dann gilt⋂nFTn+ = FT+

Kurze Wiederholung: Sei Gt := Ft+. Dann gilt:T schwache Stoppzeit bzgl. (Ft) ⇐⇒ T Stoppzeit bzgl. (Gt) und FT+ = GT .

Satz 1.7.3. Sei X progressiv messbar und T eine Stoppzeit.

(i) XT : T <∞ → E, ω 7→ XT (ω)(ω) ist FT -messbar.

(ii) Der gestoppte Prozeß XT : (t, ω) 7→ XT (ω)∧t(ω) ist progressiv meßbar. (sowohlbzgl. (Ft)t als auch bzgl. (Ft∧T )t≥0).

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1 Filtrationen und Stoppzeiten

Beweis.

(i) T ist FT -messbar ⇒ fur fixes t ≥ 0 gilt:

T ∗ : T ≤ t → [0, t]× Ω, ω 7→ (T (ω), ω)

ist Ft ∩ T ≤ t/B([0, t])⊗Ft-messbar, denn fur B ∈ B([0, t]) und A ∈ Ft gilt:

T ∗ ∈ B ×A ∩ T ≤ t = T ∈ B ∩A ∩ T ≤ t ∈ Ft

Progressive Messbarkeit von X : R+×Ω→ E bedeutet B([0, t])⊗Ft/E-Messbarkeitvon X auf [0, t]× Ω.⇒ Ft ∩ T ≤ t/E-Messbarkeit von XT = X T ∗ auf T ≤ t.Das gilt ∀t ≥ 0⇒ XT ist FT /E-messbar auf T <∞.

(ii) Fur fixes t ≥ 0 gilt:Tt : Ω→ [0, t]× Ω, ω 7→ (T (ω) ∧ t, ω) ist Ft∧T /B([0, t])⊗Ft-messbar⇒ T ∗

t : [0, t]× Ω→ [0, t]× Ω ist B([0, t])⊗Ft∧T -messbar.Da X progressiv messbar ist, gilt:XT = X T ∗

t : [0, t]× Ω→ E, (s, ω) 7→ XTs (ω) ist B([0, t])⊗Ft∧T /E-messbar

1.8 Treffer-Verteilung

Korollar 1.8.1. Sei X progressiv messbar und T eine schwache Stoppzeit. Dann defi-niert

νT (C) = P(XT ∈ C, T <∞) (∀C ∈ E)

ein Maß νT auf (E, E).Speziell fur T = TA heiß t νT ”

Trefferverteilung “. Ist T <∞ f.s., so ist νT ein Wahr-scheinlichkeitsmaß , namlich das Bildmaß νT = XT (P) = PXT

= P X−1T .

Beweis. Sei P∗(C) = P(C∩T <∞)⇒ P∗ Maß auf (Ω,F) bzw. aquiv. auf (Ω∗, Ω∗∩F)mit Ω∗ := T <∞ ⊂ Ω. Auf Ω∗ ist XT FT+-messbar, also F-messbar.⇒ νT = P∗ X−1

T ist Maß .

Satz 1.8.2. Sei X stetig und T = TA mit A ⊂ E abgeschlossen. Dann sind die Ver-teilungen von T und XT , also P(T ∈ ·) und νT (·) = P(XT ∈ ·, T < ∞), durch dieendlich-dimensionalen Verteilungen von X festgelegt.

Beweis. Wir zeigen die Behauptung fur νT . Es genugt z.z. νT (C) ist (∀C ⊂ E abge-

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1.8 Treffer-Verteilung

schlossen) durch die endlich-dimensionalen Verteilungen festgelegt. Hierfur gilt

νT (C)

= P [XT ∈ C ∩ T <∞]= P [∃t ∈ R+ : ∀s ∈ [0, t[: Xs /∈ A und XT ∈ A ∩ C]= P

[∃k ∈ N : ∀n ≥ k : ∃t ∈ Q+ : ∀s ∈ [0, t[: Xs /∈ B1/n(A), Xt ∈ B2/n(A ∩ C)

]

= P

k∈N

n≥k

t∈Q+

s∈Q+∩[0,t[

Xs /∈ B1/n(A) ∩ Xt ∈ B2/n(A ∩ C)

Beispiel 1.8.3. Sei X die d-dim. standard BB (d.h. P = Wiener Maß , E = Rd, X0 = 0),x ∈ Rd, r2 > |x|2. Tx := T∂Br(x) = T ∗

∂Br(x). Dann ist

(i) E(Tx) = r2−|x|2

d und

(ii) νT0(·) das zu 1 normierte Oberflachenmaß σr auf ∂Br(0).

Beweis. (ii) Sei C eine Borel-Teilmenge von ∂Br(0) und A eine orthogonale d × d-Matrix. Aufgrund der Rotationsinvarianz der BB gilt:

νT (C) = P(XT ∈ C) = P((A X)T ∈ C)

= P(XT ∈ A−1C) = νT (A−1C)

⇒ νT ist rotationsinvariant und normiert ⇒ Beh.Fur jede beschrankte oder nicht-negative Borel-Funktion f auf Rd folgt:

E(f(XT∂Br(0))) =

∂Br(0)

f(y)σr( dy)

(i) Offenbar ist T∂Br(0) = T ∗∂Br(0) < ∞ (z.B. wegen das Satzes vom iterierten Loga-

rithmus).Nun ist Mt := |Xt − x|2 − d · t− |x|2 ein Martingal mit M0 = 0.⇒ |Xt∧T − x|2 − d · (t ∧ T )− |x|2 ist Martingal⇒ d ·E(t ∧ T ) = E(|Xt∧T − x|2)− |x|2 ≤ r2 − |x|2 (∀t)⇒ d ·E(T ) ≤ r2 − |x|2Umgekehrt folgt aus dem Lemma von Fatou und der Stetigkeit von X:

d ·E(T ) = limt→∞

E(|Xt∧T − x|2)− |x|2 ≥ E( limt→∞|Xt∧T − x|2)− |x|2 = r2 − |x|2

Mit aanderen Worten: Fur die in x startende BB (Xt,Px) gilt:

Ex(T0) =r2 − |x|2

d

Im Falle d = 1: Seien a, b ≥ 0, Br(x) =]− a, b[, T = T−a,b

⇒ E(T ) = a · b

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2 Martingale in stetiger Zeit

Stets vorgegeben: Filtrierter Wahrscheinlichkeitsraum (Ω,F ,Ft,P), E = R1.

2.1 Definitionen und elementare Eigenschaften

Definition 2.1.1. Ein stochastischer Prozess X = (Xt)t≥0 heißt Submartingal (bzgl.(Ft)), falls

• X an (Ft) adaptiert

• R-wertig mit E(X+t ) <∞ (∀t ≥ 0)

∀0 ≤ s < t : E(Xt|Fs) ≥ Xs f.s. (2.1)

X heißt Supermartingal, falls −X ein Submartingal ist.Es heißt Martingal, falls es sowohl Sub- als auch Supermartingal ist.Ein Sub-/Supermartingal X mit E(|Xt|) < ∞ (∀t ≥ 0) heißt integrierbares Sub-/Supermartingal bzw. L1-Sub-/Supermartingal.Jedes (Sub-)Martingal X bzgl. (Ft) ist auch ein (Sub-)Martingal bzgl. der von ihm er-zeugten Filtration (FX

t ), sowie bzgl. jeder Filtration (Gt) mit FXt ⊂ Gt ⊂ Ft.

Ebenso bzgl. der augmentierten Filtration (Ft), denn E(·|Ft) = E(·|Ft) f.s.I.A. ist jedoch fur Gt ⊃ Ft der Prozess X kein (Sub-)Martingal mehr bzgl. (Gt).Die Submartingal-Ungleichung (2.1) bedeutet: ∀0 ≤ s < t,∀A ∈ Fs :

A

Xt dP ≥∫

A

Xs dP

Beispiel 2.1.2. (trivial)Sei Ft ≡ F (∀t ≥ 0). Dann gilt: (Xt) Submart. ⇔ ∀s ≤ t : X+

t ∈ L1 und Xs ≤ Xt f.s.

Faustregel: Martingale Beschreiben faire Spiele,Supermartingale beschreiben realistische Spiele:E(Xt|Fs): was ich aus jetziger Sicht zukunftig erwarten darfXs: was ich jetzt habe.

Proposition 2.1.3 (Standardbeispiele). Sei X die d-dim. BB und Ft = FXt . Fur x, y ∈

Rd bezeichne x · y das kanonische Skalarprodukt. Dann sind Martingale:

(i) y ·Xt fur y ∈ Rd, insbesondere die Koordinatenprozesse Xit fur i = 1, . . . , d.

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2 Martingale in stetiger Zeit

(ii) |Xt|2 − d · t

(iii) exp(y ·Xt − 12 |y|2t) fur y ∈ Rd

Beweis. (i) Sei Yt = y ·Xt und s < t.

E(Yt|Fs) = y ·E( (Xt −Xs)︸ ︷︷ ︸unabhangig von Fs

|Fs)

︸ ︷︷ ︸=0

+y ·E( Xs︸︷︷︸messbar bzgl. Fs

|Fs) = y ·Xs = Ys

(ii) E(|Xt|2|Fs) = E(|Xt −Xs|2 + 2Xs · (Xt −Xs) + |Xs|2|Fs) = (t− s) + 0 + |Xs|2

(iii) Sei Y = exp(y ·Xt − |y|2

2 t)

E(Yt|Fs) = e−|y|2

2t ·E(ey(Xt−Xs) · eyXs |Fs)

= e−|y|2

2t · ey·Xs ·E(ey·(Xt−Xs))︸ ︷︷ ︸

ey2/2·(t−s)

= Ys

denn sei Zt eine in 0 startende d-dim. BB:

E(ey·Zt) =

∫ey·z dPZt( dz)

=

Rd

eyz · (2πt)−d/2 · e− z2

2t dz

= e|y|2

2t

Rd

(2πt)−d/2 · e−(z−yt)2

2t dz

= e|y|2

2t

Bemerkung 2.1.4. (i) Seien X, Y Martingale. Dann sind X +Y, X−Y, αX ebenfallsMartingale (∀α ∈ R)

(ii) Seien X, Y Submartingale. Dann sind X +Y, X∨Y, αX Submartingale (∀α ≥ 0)

(iii) Sei X ein Martingal und ϕ : R → R konvex (oder X ein Submartingal und ϕ :

R→ R konvex und isoton) und E(|ϕ(Xt)|) <∞ (∀t ≥ 0).Dann ist (ϕ(Xt))t≥0 Submart.(z.B. (X+

t )t≥0).

(iv) Sei X ein Martingal ⇐⇒ X ist ein L1-Submartingal mit t 7→ E(Xt) konst.

Beweis. a), b) trivial. c) Jensend)

”⇐“E(Xt −Xs|Fs) ≥ 0 und E(Xt −Xs = 0)

”⇒“E(Xt −Xs|Fs) = 0.

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2.2 Maximalungleichungen

2.2 Maximalungleichungen

Satz 2.2.1 ((Maximalungleichung)). Sei (Xt)t≥0 ein Submartingal, T ⊂ [0,∞[ abzahlbar(oder X rechtsstetiges Submartingal, T = [0,∞[) und X∗(ω) = sup

t∈TXt(ω). Dann gilt

(i) λ ·P(X∗ ≥ λ) ≤ supt∈T

E(X+t )

(ii) Ist sogar X ≥ 0 oder X ein Martingal, dann gilt ∀p > 1:

‖X∗‖p ≤p

p− 1supt∈T‖Xt‖p

Lemma 2.2.2. Fur a < b ⊂ R gilt unter obigen Voraussetzungen:

(b− a) ·E(DT (a, b, X(ω))) ≤ supt∈T

E((Xt − b)+)

Hierbei

DT (a, b, X(ω)) = supn ∈ N0 : ∃t1 < t2 < · · · < t2n ∈ T :

Xt1(ω) > b, Xt2(ω) < a, Xt3(ω) > b, . . . , Xt2n(ω) < a= Anzahl der absteigenden Uberquerungen von [a, b] durch X0(ω)|T .

Beweis von Satz und Lemma: Aussage bekannt fur T endlich. Wahle isotone Folge(Tn) mit Tn endlich,

⋃Tn = T . Die Behauptungen folgen mit dem Satz von der mono-

tonen Konvergenz.

2.3 Regulierungsresultate

Satz 2.3.1. Sei (Xt)t ein (Ft)t-Submartingal mit Xt ∈ L1 (∀t ≥ 0).

(i) Dann ∃Ω∗ ∈ F ,P(Ω∗) = 1 : ∀ω ∈ Ω∗ :

∀t ≥ 0 existiert Xt+(ω) = limsցt,s∈Q

Xs(ω) und

∀t > 0 existiert Xt−(ω) = limsրt,s∈Q

Xs(ω).

(Fur ω /∈ Ω∗ setze man Xt±(ω) = lim supXs(ω).)

(ii) Dann sind Xt+, Xt− ∈ L1 und ∀t ≥ 0 :

E(Xt+|Ft) ≥ Xt f.s. (∗)

und ∀t > 0:

E(Xt|Ft−) ≥ Xt− f.s. (∗∗)

Dabei gilt Gleichheit in (∗) (bzw. (∗∗)), falls t 7→ E(Xt) rechts- (bzw. links-)stetigist.Insbesondere, falls X ein Martingal ist.

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2 Martingale in stetiger Zeit

(iii) (Xt+)t≥0 ist ein Submartingal bzgl. (Ft+) (und (Xt−)t≥0 eines bzgl. (Ft−).)Ist (Xt) ein Martingal, so sind beides Martingale (bzgl. der jeweiligen Filtration).

(iv) Fast jede Trajektorie von (Yt) = (Xt+) ist rcllcadlag

, d.h.:

Y (ω) : t 7→ Yt(ω) ist rechtsstetig(rc)

(cad)

und besitzt linke Limiten(ll)

(lag)

Beweis. (i) Wir zeigen ∃Xt−. Es gilt:

ω : limsրt,s∈Q

Xs(ω) existiert nicht fur ein t > 0

=⋃

n∈N

ω : lim

sրt,s∈QXs(ω) existiert nicht fur ein t ∈ [0, n]

=⋃

n∈N

a,b∈Q,a<b

ω : lim inf

sրt,s∈QXs(ω) ≤ a < b ≤ lim sup

sրt,s∈Q

fur ein t ∈ [0, n]

⊂⋃

n∈N

a,b∈Q,a<b

ω : U[0,n]∩Q(a, b, X(ω)) = +∞

.

Nun ist

E(U[0,n]∩Q(a, b, X(ω))

)≤ 1

b· sup

t∈[0,n]∩Q

E((Xt − b)+)

=1

bE((Xn − b)+) <∞

⇒ P(ω : U(U[0,n]∩Q(a, b, X(ω))

)= +∞) = 0

⇒ P(ω : limsրt,s∈Q

Xs(ω) existiert nicht fur ein t > 0) = 0.

(ii) Fixiere t ≥ 0 und (tn)n∈−N ∈ Q mit tn ց t fur n→ −∞.Dann ist (Xtn)n∈−N ein Submartingal bzgl. (Ftn)n∈−N (

”rucklaufiges Submartin-

gal“) mit

supn

E(|Xtn |) ≤ 2 · supn

EX+tn − inf

nEXtn

≤ 2 ·EX+tn −EXt <∞

⇒ Xt+ ∈ L1, Xtn → Xt in L1.Aus Xt ≤ E(Xtn |Ft) folgt daher Xt ≤ E(Xt+|Ft).Ferner (wegen L1-Konvergenz) E(Xt+) = limn→∞ E(Xtn), und falls t 7→ E(Xt)rechtsstetig, folgt E(Xt) = E(Xt+).⇒ Xt = E(Xt+|Ft).(∗∗) analog: Xtn ≤ E(Xt|Ftn)⇒ E(Xt−|Ftn) ≤ E(Xt|Ftn)⇒ Xt− ≤ E(Xt|Ft−).

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2.4 Konvergenzsatze

(iii) Fixiere s < t und sei sn eine Folge mit t > sn ց s. Dann giltXsn ≤ E(Xt|Fsn) ≤ E(E(Xt+|Ft)|Fsn) = E(Xt+|Fsn)⇒ Xs+ ≤ E(Xt+|Fs+).

(iv) Rechtsstetig klar, linke Limiten wegen (i), angewandt auf das Submartingal (Xt+).

Korollar 2.3.2. Sei X rechtsstetiges Submartingal bzgl. (Ft).

(i) Dann ist es Submartingal bzgl. (Ft+) und bzgl. dessen Augmentierung.

(ii) Fast jede Trajektorie ist cadlag.

Korollar 2.3.3. Sei X (Sub-)Martingal bzgl. (Ft), welche die ublichen Bedingungenerfullt, und sei t 7→ E(Xt) rechtsstetig (z.B. konstant, falls X Martingal).Dann ∃ Modifikation Y von X mit cadlag- Trajektorie und Y ist (Sub-)Martingal bzgl.(Ft).

Beweis. Wahle Yt = Xt+ von vorhin. Bleibt zu zeigen: (Yt) ist Modifikation von (Xt),d.h.

∀t ≥ 0 : P(Yt = Xt) = 1.

Nun gilt aber nach (ii) aus vorigem Satz:

E(Xt+|Ft) = Xt f.s.

und wegen Ft = Ft+:E(Xt+|Ft) = Xt+ f.s.

2.4 Konvergenzsatze

Satz 2.4.1 (Submartingal-Konvergenz). Sei (Xt) rechtsstetiges Submartingal mit

supt

E(X+t ) <∞.

Dann ∃X∞ := limt→∞

Xt f.s.

Korollar 2.4.2. Sei (Xt)t rechtsstetiges, nicht-negatives Supermartingal. Dann existiertX∞ = limXt f.s.

Satz 2.4.3. Sei (Xt)t rechtsstetiges, nicht-negatives Supermartingal (oder rechtsstetigesMartingal). Dann sind aquivalent:

(ii) limt→∞

Xt existiert in L1.

(iii) ∃X∞ ∈ L1 : X∞ = limt→∞

Xt f.s. mit

(Xt)t∈[0,∞] ist Submart. (bzw. Mart.) bzgl. (Ft)t∈[0,∞].

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2 Martingale in stetiger Zeit

(i) Xt : t ∈ [0,∞[ ist gleichgradig integrierbar.

Bemerkungen 2.4.4. (1) Die Aussagen sind erfullt, falls supt ‖Xt‖p < ∞ furein p > 1. In diesem Fall X∞ ∈ Lp und Xt → X∞ in Lp.

(2) Die Implikationen (i) ⇒ (ii) ⇒ (iii) gelten bereits fur rechtsstetige Submar-tingale.

(3) Ist X rechtsstetiges Martingal, so ist ferner aquivalent zu (i), (iii):

(iv) ∃X∞ ∈ L1 : ∀t ≥ 0 : Xt = E(X∞|Ft).

Bemerkung 2.4.5. Yt : t ∈ I gleichgradig integrierbar :⇐⇒

supt∈I

E(|Yt| · 1|Yt|>M)M→∞−→ 0.

2.5 Optional Sampling

Satz 2.5.1. Seien X rechtsstetiges Submartingal bzgl. (Ft) und S, T beschrankte Stopp-zeiten mit S ≤ T . Dann gilt

E(XT |FS) ≥ XS f.s.

Beweis. Sei t0 ≥ T und zunachst X ≥ 0(⇒∈ L1). Approximiere S und T durch Stopp-zeiten Sn, Tn ≤ t0 mit endlichem Wertebereich, Sn ց S, Tn ց T .⇒ XSn → XS , XTn → XT .Nun gilt (Doob Lemma): XSn ≤ E(Xt0 |FSn)⇒ XSn

: n ∈ N gleichgradig integrierbar (denn E(Xt0 |FSn) ist gleichgradig inte-grierbar)⇒ XSn → Xs in L1, analog XTn → XT in L1.Ferner gilt∫A

XSn dP ≤∫A

XTn dP ∀A ∈ FSn ⇒ ∀A ∈ FS ⊂⋂nFSn

⇒∫A

XS dP ≤∫A

XT dP ∀A ∈ FS

⇒ Behauptung fur Xt ≥ 0.

⇒ analog: Behauptung fur X(n)t = Xt ∨ (−n)

⇒ Behauptung fur beliebiges Xt mit monotoner Konvergenz.

Korollar 2.5.2. Sei X rechtsstetig, adaptiert, integrierbar. Aquivalent sind

(i) X ist Martingal.

(ii) ∀ beschranten Stoppzeiten T ist E(XT ) = E(X0).

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2.5 Optional Sampling

Beweis. ”⇒ ” Optional Sampling.”⇐ ” Sei s < t und A ∈ Fs. Definiere S := s · 1A + t · 1AC , d.h.

S(ω) :=

s , falls ω ∈ A

t , sonst.

Dann ist S Stoppzeit und E(X0) = E(XS) = E(Xt · 1AC ) + E(Xs · 1A).Ebenso ist T ≡ t Stoppzeit und daherE(X0) = E(XT ) = E(Xt · 1AC ) + E(Xt · 1A) ⇒ Behauptung

Korollar 2.5.3. Unter obigen Voraussetzungen sind ebenfalls aquivalent

(i) X ist (Sub-)Martingal.

(ii) ∀ beschranten Stoppzeiten S ≤ T gilt:

E(XS) ≤ E(XT ).

(Bei Martingalen: o.B.d.A. S = 0.)

Beweis.”⇐“: Sei s ≤ t, A ∈ Fs. Definiere S := s·1A+t·1AC und T ≡ t ≥ S Stoppzeiten.

”⇒“ E((Xt −Xs) · 1A) = E(XT −XS) ≥ 0 ⇒ Behauptung.

Korollar 2.5.4 (Optional Stopping). Sei X rechtsstetiges (Sub-)Martingal und T Stopp-zeit. Dann ist auch XT = (Xt∧T )t≥0 ein (Sub-)Martingal.

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3 Stetige Semimartingale und quadratischeVariation

Ab nun stets: (Ω,F ,Ft,P) filtrierter Wahrscheinlichkeits-Raum, der den ublichen Vor-aussetzungen genugt.

3.1 Stetige Semimartingale

Definition 3.1.1. (i) Ein Prozess X heißt stetig und wachsend (kurz X ∈ A+), fallser adaptiert ist und fur fast alle ω ∈ Ω gilt: Die Abbildung

X•(ω) : t 7→ Xt(ω)

ist stetig und wachsend.

(ii) Ein Prozess X heißt stetig und von endlicher Variation (oder stetig und lokal vonbeschrankter Variation), kurz X ∈ A, falls er adaptiert ist und fur fast alle ω ∈ Ωgilt:t 7→ Xt(ω) ist stetig und von endlicher Variation, d.h. ∀t ≥ 0 ist die Variation

St(ω) = St(X(ω)) = sup

n∑

i=1

∣∣Xti(ω)−Xti−1(ω)∣∣ : n ∈ N, 0 ≤ t0 < t1 < · · · < tn ≤ t

von s 7→ Xs(ω) auf [0, t] endlich.

Lemma 3.1.2. X ∈ A ⇐⇒ X = Y − Z mit Y, Z ∈ A+.

Beweis. Y = 12(S + X), Z = 1

2(S −X), mit S = Variation von X.

Definition 3.1.3. (i) Ein Prozess X heißt stetiges, lokales Martingal, kurz X ∈Mloc, wenn er adaptiert und stetig ist, und wenn Stoppzeiten Tn existieren mitTn ր∞ f.s. und XTn Martingal (∀n ∈ N).

(ii) Ein Prozess heißt stetiges Semimartingal, kurz X ∈ S, falls ∃M ∈ Mloc, A ∈ A :

X = M + A.

Bemerkungen 3.1.4 (zu lokalen Martingalen). (i) X ∈M (d.h. stetiges Martingal)⇒ X ∈Mloc [Wahle Tn =∞ ∀n ∈ N].

(ii) X ∈Mloc, X ≥ 0⇒ X Supermartingal.

(denn E(Xt|Fs) = E(limn

Xt∧Tn |Fs)Fatou≤ lim inf

nE(Xt∧Tn |Fs) = Xs).

29

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3 Stetige Semimartingale und quadratische Variation

(iii) X ∈Mloc, X beschrankt ⇒ X Martingal.

(iv) X ∈M⇔ X ∈Mloc und ∀s ≥ 0 : ist XT∧s : T Stoppzeit gleichgradig integrier-bar.

(v) ∃ gleichgradig integrierbares X ∈Mloc : X /∈M.

Proposition 3.1.5. Sei M0loc := X ∈ Mloc : X0 = 0 f.s.. Dann ist M0

loc ∩ A = 0und S =M0

loc ⊕A.Mit anderen Worten: X ∈Mloc ∩ A ⇒ X konstant = X0.

Beweis. (i) Es genugt zu zeigen: X ∈M0 ∩ A ⇒ X = 0, denn dann:

X ∈M0loc ∩ A ⇒ ∃(Tn), XTn ∈M0 ∩ A ⇒ XTn = 0⇒ X = 0.

(ii) Genugt zu zeigen fur X beschrankt mit global beschrankter Variation S, denn:Sei Tn = inft ≥ 0 : |Xt| > n oder St > n⇒ XTn ∈M0 ∩ A⇒ XTn = 0⇒ X = 0.

(iii) Sei ε > 0, T0 = 0 und Ti+1 = inft ≥ Ti : |Xt−XTi | > ε. Wegen X stetig: Ti →∞(fur i→∞).Nun gilt

E(X2

Tn

)= E

(n−1∑

i=0

(X2

Ti+1−X2

Ti

))

= E

(n−1∑

i=0

(XTi+1 −XTi

)2)

+n−1∑

i=0

2 ·E

E

(XTi+1 −XTi |FTi

)︸ ︷︷ ︸

=0

·XTi

≤ ε ·E(

n−1∑

i=0

∣∣XTi+1 −XTi

∣∣)≤ ε ·E(S∞).

Wegen S∞ beschrankt und ε beliebig gewahlt war, folgt E(X2

Tn

)= 0⇒ E

(X2

)=

0⇒ (mit Doobscher L2-Ungleichung)E( sup

t∈R+

X2t ) ≤ 22 ·E(X2

∞) = 0⇒ X ≡ 0 f.s.

3.2 Die Doob-Meyer Zerlegung

Satz 3.2.1 (Doob-Meyer). Sei X stetiges Supermartingal. Dann ∃M ∈ Mloc0 und A ∈

A+ mitXt = Mt −At.

Hierbei sind M und A eindeutig (bis auf Ununterscheidbarkeit).

30

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3.2 Die Doob-Meyer Zerlegung

Beweis. (i) Eindeutigkeit: Sei Xt = Mt−At = Nt−Bt mit M, N ∈Mloc0 , A, B ∈ A+.

⇒M −N = A−B ∈M0 ∩ A = 0⇒ Eindeutig!

(ii) Existenz im zeit-diskreten Fall: Sei (Xn)n∈N diskretes Supermartingal,

Yn := E(Xn −Xn+1|Fn) ≥ 0, Fn-messbar

An :=

n−1∑

k=1

Yk wachsend, Fn−1-messbar

Mn := Xn + An Martingal.

Fur zeit-stetigen Fall folgendes Lemma:

Lemma 3.2.2. Sei (An)n∈N wachsender Prozess mit A0 = 0, An Fn−1-messbar und

E(A∞ −An|Fn) ≤ K (∀n ∈ N0)

⇒ E(A2∞) ≤ 2K2.

Beweis. Sei an = An+1 −An. O.B.d.A. An ≤ C, an ≤ C

⇒ A2∞ = 2

∞∑

n=0

(A∞ −An)an −∞∑

n=0

a2n

⇒ E(A2∞) = 2 ·E

(∞∑

n=0

E(A∞ −An|Fn) · an

)−E

(∞∑

n=0

a2n

)

≤ 2 ·K ·E(

∞∑

n=0

an

)

= 2 ·K ·E(A∞)

≤ 2 ·K2,

denn E(A∞) = E(E(A∞ −An|F0)) ≤ K.

Lemma 3.2.3. Seien A(1) = (A(1)n )n und A(2) = (A

(2)n )n wie eben und B = A(1) −A(2).

Ferner sei W eine ZV mit W ≥ 0, E(W 2) <∞ und

|E(B∞ −Bk|Fk)| ≤ E(W |Fk).

Dann ∃c mit:

E(supn

B2n) ≤ c ·E(W 2) + c ·K ·

[E(W 2)

]1/2.

31

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3 Stetige Semimartingale und quadratische Variation

Beweis. Sei bn = Bn+1 −Bn, a(i)n = A

(i)n+1 −A

(i)n (i = 1, 2; n ∈ N)

⇒ E(B2∞) = 2 ·E

(∞∑

n=0

E(B∞ −Bn|Fn) · bn

)−E

(∞∑

n=0

b2n

)

≤ 2 ·E(

∞∑

n=0

E(W |Fn) · (a(1)n + a(2)

n )

)

≤ 2 ·E(W ·

(A(1)

∞ + A(2)∞

))

≤ 2 ·[E(W 2)

]1/2 ·([

E(A(1)

2)]1/2

+[E(A(2)

2)]1/2

)

≤ 4 ·√

2 ·K ·(E(W 2)

)1/2

Betrachte schließlich die Martingale Mn = E(B∞|Fn), Wn = E(W |Fn) und Xn = Mn −Bn.⇒ |Xn| = |E(B∞ −Bn|Fn)| ≤Wn

⇒ (Doob’sche Ungleichung)

E(supn

X2n) ≤ E(sup

nW 2

n) ≤ 22 ·E(W 2∞) = 22 ·E(W 2)

undE[sup

nM2

n] ≤ 22 ·E[M2∞] = 22 ·E[B2

∞].

Wegen supn|Bn| ≤ sup

n|Xn|+ sup

n|Mn| folgt

E(supn|Bn|) ≤ 23 ·E(W 2) + 23 ·E(B2

∞)

≤ 23 ·E(W 2) + c ·K ·(E(W 2)

)1/2.

Fortsetzung des Beweises des Satzes von Doob-Meyer.

(iii) Sei X stetiges und beschranktes Supermartingal und konstant fur t ≥ N⇒ fast alle Trajektorien sind gleichmaßig stetig.

(iv) Fixiere k ∈ N. Fur n ∈ N sei

Fkn = Fn·2−k und Ak

n =n−1∑

j=1

E(Xj·2−k −X(j+1)2−k |Fkj )

(diskrete Doob-Meyer Zerlegung aus (ii)).

Fur t ≥ 0 mit (n− 1)2−k < t ≤ n2−k sei Fkt = Fk

n und Akt = Ak

n.Sei W (δ) = sup|Xt −Xs| : s ≤ N, s ≤ t ≤ s + δ. Wegen X beschrankt, ist auchW (δ) beschrankt. Da die Trajektorien von X fast sicher gleichmaßig stetig sind,gilt: W (δ)→ 0 f.s. fur δ → 0.⇒W (δ)→ 0 in L2 fur δ → 0.

32

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3.2 Die Doob-Meyer Zerlegung

(v) Behauptung: Akt konvergiert in L2 fur k → ∞, gleichmaßig in t. Mit anderen

Worten, E(supt|Ak

t −Alt|2)→ 0 fur k, l→∞.

Denn: Sei l ≥ k. Die Prozesse Ak

und Alsind jeweils konstant auf den Intervallen

]n2−l, (n + 1)2−l].

⇒ supt

∣∣∣Akt −A

lt

∣∣∣ = supn

∣∣∣Akn2−l −A

ln2−l

∣∣∣.Sei t = n · 2−l und u = infm · 2−k ≥ t : m ∈ N0

⇒ E(A

l∞ −A

lt|F l

t

)= E(Al

∞ −Aln|Fn2−l)

= E(Xt −X∞|Ft)

und

E(A

k∞ −A

kt |F l

t

)= E

(Ak

∞ −Aku2k |Ft

)

= E(E(Ak

∞ −Aku2k |Fu

)∣∣∣Ft

)

= E(E(Xu −X∞|Fu)|Ft)

= E(Xu −X∞|Ft)

⇒∣∣∣E(

Al∞ −A

lt

∣∣∣F lt

)−E

(A

k∞ −A

kt

∣∣∣F lt

)∣∣∣ = E(|Xt −Xu| |Ft)

≤ E(W (2−k)|Ft).

Mit Lemma 3.2.3 folgt:

E

(sup

t

∣∣∣Akt −A

lt

∣∣∣)≤ c ·E(W (2−k)2) + c′ ·E(W (2−k)2)1/2 → 0 fur k →∞.

(vi) Behauptung A := limk→∞

Ak

ist stetig.

Denn Ak

hat Sprunge ∆Akt = E(X(n−1)2−k − Xn2−k |F(n−1)2−k) an den Stellen

t = n2−k, die beschrankt sind durch

E(W (2−k)|F(n−1)2−k) (∀n ∈ N)

Daher

E[supt

(∆Akt )

2] ≤ E[2

supn

E(W (2−k)|F(n−1)2−k)

︸ ︷︷ ︸Martingal in n

]

≤ 22 ·E(W (2−k)2) →k→∞

0.

Ubergang zu Teilfolgen:

supt

∆Akj

t → 0 f.s. (kj →∞)

⇒ A stetig.

33

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3 Stetige Semimartingale und quadratische Variation

(vii) Behauptung: M := X + A ist Martingal.

Denn ∀k ∈ N,∀s, t ∈ Dk = 2−kN0,∀B ∈ Fs, s < t∫

B

Mt dP =

B

Ms dP nach Teil (ii) (3.1)

⇒ ∀s, t ∈ D =⋃

Dk, s < t,∀B ∈ Fs gilt (3.1).⇒ ∀s, t ∈ R+, s < t : ∃sk, tk ∈ D, s ≤ sk < tk, sk → s, tk → t : ∀B ∈ Fs ⊂ Fsk

:

B

Mt dP = lim

B

Mtk dP = lim

B

MskdP =

B

Ms dP (3.2)

denn M ist stetig und beschrankt in L2.

(viii) Allgemeiner Fall: X beliebiges stetiges Supermartingal.

Definiere TN := inft ≥ 0 : |Xt| > N. Fur alle N ∈ N ist TN eine Stoppzeit, undTN ր∞ fur N →∞. Ferner ist XTN ein stetiges und beschranktes Supermartingalund konstant fur t ≥ N .⇒ ∃MN , AN : XTN = MN −AN (mit MN ∈M0, A

N ∈ A+).

Wegen Eindeutigkeit ∀K > N :

(MK)TN − (AK)TN = (XTK )TN = XTN = MN −AN

⇒MK = MN , AK = AN auf [0, N ]⇒ ∃M, A : MN = (M)TN , AN = (A)TN , (∀N)⇒M ∈Mloc

0 , A ∈ A+, X = M −A.

Korollar 3.2.4. Jedes stetige Supermartingal ist stetiges Semimartingal.

3.3 Quadratische Variation

Satz 3.3.1. (i) ∀M ∈M0loc : ∃!〈M〉 ∈ A0 : M2 −M2

0 − 〈M〉 ∈ Mloc.

(ii) ∀M, N ∈Mloc : ∃!〈M, N〉 ∈ A0 : M ·N −M0N0 − 〈M, N〉 ∈ Mloc

Es gilt: 〈M, N〉 = 14 (〈M + N〉 − 〈M −N〉).

Beweis. Trivial. (M ∈ Mloc ⇒ M2 lokales Submartingal ⇒ (Doob-Meyer-Zerlegung)M2 = N + A.)

Definition 3.3.2. 〈M〉 = 〈M, M〉 = (〈M〉t)t≥0 heißt zu M gehoriger wachsender Pro-zeß oder quadratische(r) Variation(sprozess) von M .〈M, N〉 = (〈M, N〉t)t≥0 heißt Klammerprozeß zu M und N oder quadratische Kovaria-tion von M und N .Fur M, N ∈Mloc sei 〈M, N〉 := 〈M −M0, N −N0〉

Proposition 3.3.3. ∀M, N ∈Mloc:

34

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3.3 Quadratische Variation

(i) 〈M, N〉 hangt symmetrisch, bilinear und positiv semidefinit von M und N ab.

(ii) Fur jede Stoppzeit T gilt:〈M, N〉T = 〈M, NT 〉 = 〈MT , NT 〉.

(iii) 〈M〉 = 〈M −M0〉.

(iv) 〈M〉 = 0⇔M konstant.

Beweis. (i) Trivial.

(ii) Optional Stopping ⇒ (M2 − 〈M〉)T = (MT )2 − 〈M〉T ∈Mloc ⇒ 〈M〉T = 〈MT 〉.Rest mit Polarisation.

Bei (iii) und (iv): Nach (ii) o.B.d.A. M −M0 beschrankt, ⇒ ∈M

(iii) (M −M0)M0 ∈M, denn E((Mt−M0)M0|Fs) = M0E(Mt−M0|Fs) = M0 · (Ms−M0)⇒ (M −M0)

2 − 〈M〉 = M2 −M20 − 〈M〉 − 2(M −M0)M0 ∈Mloc

(iv) 〈M〉 = 0 auf [0, t]⇒ (M −M0)2 Martingal auf [0,t]

⇒ E( sup0≤s≤t

(Ms −M0)2) ≤ 4 ·E((Mt −M0)

2) = 0

⇒M konstant auf [0, t].

Beispiel 3.3.4. Es sei X stetiger, zentrierter, quadrat-integrierbarer Prozess mit un-abhangigen Zuwachsen. Dann ist X ∈M und (unabhangig von ω)

〈X〉t = Var(Xt −X0) = E((Xt −X0)2) f.s.

Beispiel 3.3.5. Sei M eine eindimensionale Brownsche Bewegung ⇒ 〈M〉t = t (∀t ≥0).

Fur eine Partition ∆ = t0, t1, . . . mit tk ր ∞ und 0 = t0 ≤ t1 ≤ . . . und einenstochastischen Prozess M definiert man die quadratische Variation von M auf ∆ durch

Q∆t = Q∆

t (M) =∞∑

k=1

|Mtk∧t −Mtk−1∧t|2.

Als Feinheit von ∆ definiert man ‖∆‖ = supk|tk − tk−1|.

Satz 3.3.6. Seien M ∈Mloc und t ≥ 0. Dann gilt

Q∆t → 〈M〉t P− stochastisch fur ‖∆‖ → 0.

D.h. ∀ε > 0, η > 0,∀t ∈ R : ∃δ > 0 : ∀ Partitionen ∆ mit ‖∆‖ ≤ δ :

P

(sup

0≤s≤t|Q∆

s − 〈M〉s| > ε

)< η.

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3 Stetige Semimartingale und quadratische Variation

Beweis. Seien M und t fest, und fur δ > 0

∆ = t0, t1, . . . , tk, . . . mit ‖∆‖ ≤ δ.

Annahme: M und 〈M〉 beschrankt.

Sei a(1)i = (Mti+1 −Mti)

2, a(2)i = 〈M〉ti+1 − 〈M〉ti , bi = a

(1)i − a

(2)i .

A(1)k =

k−1∑i=0

a(1)i = Q∆

tk(M), A

(2)k =

k−1∑i=0

a(2)i = 〈M〉tk , Bk =

k−1∑i=0

bi = A(1)k − A

(2)k =

Q∆tk

(M)− 〈M〉tk , Fk = σ(Mti+1: i ≤ k).

(⇒ a(1)k , a

(2)k messbar bzgl. Fk).

Da o.B.d.A. M und 〈M〉 beschrankt, sind die Voraussetzungen von Lemma 3.2.3 erfullt.Da M und 〈M〉 gleichmaßig stetig auf [0, t], gilt

W (δ) := sups≤tε≤δ

(|Ms+ε −Ms|2 + |〈M〉s+ε − 〈M〉s|

)→ 0

P-f.s. (und in L2, da beschrankt!) fur δ → 0.

Nun gilt B∞ −Bk =∞∑

i=k

bi und E(bi|Fk) = 0 fur i > k

⇒ |E(B∞ −Bk|Fk)| = |bk|≤ a

(1)k + a

(2)k

= E(a(1)k + a

(2)k |Fk)

≤ E(W (δ)|Fk)

Mit Lemma 3.2.3:

E(supk

B2k) ≤ c ·E(W (δ)2) + c′ ·E(W (δ)2)1/2 → 0

fur δ → 0.⇒ E(sup

s≤t|Q∆

t (M)− 〈M〉s|2) ≤ 2E(supk

B2k) + 2 ·E(W (δ)2)→ 0 fur δ → 0.

⇒ L2- und stochastische Konvergenz (gleichmaßig in s ∈ [0, t]) von Q∆s (M) gegen 〈M〉s.

Lokalisierungsargument:Ist M oder 〈M〉 nicht beschrankt, dann definiere Tn := inft ≥ 0 : |Mt| > n oder 〈M〉t >n⇒ P(sup

s≤t|Q∆

s (M)− 〈M〉s| > ε)

≤ P(sups≤t| Q∆

s (MTn)− 〈MTn〉s| > ε︸ ︷︷ ︸fur n fest: ≤η/2 fur ‖∆‖ hinr. klein

) + P(Tn < t)︸ ︷︷ ︸<η/2 fur n hinr. groß

(∀n, ε)

Korollar 3.3.7. ∀M, N ∈Mloc,∀t ≥ 0,∀ Partitionen ∆n mit ‖∆n‖ → 0 :

Q∆nt (M, N)→ 〈M, N〉t stochastisch (n→∞),

wobei Q∆nt (M, N) =

∑ti∈∆n

(Mti+1∧t −Mti∧t) · (Nti+1∧t −Nti∧t).

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3.3 Quadratische Variation

Satz 3.3.8. (i) Fur fast alle ω ∈ Ω,∀a < b :

〈M〉a(ω) = 〈M〉b(ω)⇔Mt(ω) = Ma(ω) (∀t ∈ [a, b]).

(ii) Fur fast alle ω mit 〈M〉∞(ω) := supt〈Mt〉t(ω) <∞ gilt:

limt→∞

Mt(ω) existiert (und ist endlich).

Beweis. (i) ”⇐ ” klar (M0 konstant ⇒ Var. = 0⇒ Quadratische Variation = 0).”⇒ ”: Fur q ∈ Q betrachteNt = Mt+q −Mt (Ft+q)t≥0-Martingal〈N〉t = 〈M〉t+q − 〈M〉t.T := inft > 0 : 〈N〉t > 0 ist Stoppzeit, NT ∈Mloc mit

〈NT 〉t = 〈N〉t∧T = 0 (∀t ≥ 0)

⇒ NT ist f.s. konstant auf [0,∞[,⇒ N ist f.s. konstant auf [0, T ],⇒M ist f.s. konstant auf [q, q + T ] T = T (q),⇒M ist f.s. konstant auf

⋃q∈Q

[q, q + T (q)].

Aber: 〈M〉0 konstant auf [a, b]⇒ [a, b] ⊂ [a, T (a)]⇒ ∃qi ∈ Q : [a, b] ⊂ ⋃

i∈N

[qi, T (qi)].

(ii) O.B.d.A. M0 = 0, Tn = inft ≥ 0 : 〈M〉t > n ⇒

E(supt≥0

M2t∧Tn

) ≤ 22 supt

E(M2t∧Tn

)

= 4 · supt

E〈M〉t∧Tn

≤ 4n

⇒ (Martingalkonvergenzsatz): ∃ f.s. MTn = limt→∞

Mt∧Tn ∈ R auf Ω,

MTn = limt→∞

Mt = M∞ auf Tn =∞.

⇒ ∃ f.s. M∞ = limt→∞

Mt auf⋃nTn =∞ = 〈M〉∞ <∞.

Definition 3.3.9. Fur X, Y ∈ S mit X = M +A, Y = N +B, M, N ∈Mloc, A, B ∈ A0

definiere 〈X, Y 〉 := 〈M, N〉 und 〈X〉 := 〈M〉.

Satz 3.3.10. Dann gilt ∀X, Y ∈ S,∀t ≥ 0,∀ Partitionen ∆n mit ‖∆n‖ → 0

Q∆nt (X, Y )→ 〈X, Y 〉t P-stochastisch.

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3 Stetige Semimartingale und quadratische Variation

Beweis. Wir zeigen Q∆nt (M, A)→ 0 und Q∆n

t (A, A)→ 0. Es gilt

|Q∆nt (M, A)| =

∣∣∣∣∣∣∑

ti∈∆n

(Mti+1∧t −Mti∧t) · (Ati+1∧t −Ati∧t)

∣∣∣∣∣∣

≤ supti

|Mti+1∧t −Mti∧t| ·∑

ti

|Ati+1∧t −Ati∧t|

≤ supti

|Mti+1∧t −Mti∧t| · St(A)︸ ︷︷ ︸<∞

→ 0

wegen der gleichmaßigen Stetigkeit von M auf [0, t] und da die Variation St = St(A)endlich ist.Analog fur Q∆n

t (A, A).

Korollar 3.3.11. ∀X, Y ∈ S, ∀t ≥ 0:

〈X, Y 〉t ≤ (〈X〉t · 〈Y 〉t)1/2

≤ 1

2(〈X〉t + 〈Y 〉t) .

Beweis. Folgt aus der Cauchy-Schwarz’schen Ungleichung fur Q∆t (X, Y ).

3.4 Stetige L2-beschrankte Martingale

Definition 3.4.1.

H2 := M ∈M : supt

E(M2t ) <∞

ist der Raum der stetigen L2-beschrankten Martingale.

Proposition 3.4.2. (i) H2 ist ein Hilbert-Raum bzgl. der Norm

‖M‖H2 =(EM2

)1/2= lim

t→∞

(EM2

t

)1/2.

(ii) Aquivalent zu dieser Norm ist die Norm

‖M∗∞‖2 = E

(sup

t|M2

t |)1/2

.

(iii) Fur M ∈ H20 = X ∈ H2 : X0 = 0 gilt

‖M‖H2 = (E〈M〉∞)1/2 .

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3.4 Stetige L2-beschrankte Martingale

Beweis. (i), (ii): Zunachst ist klar:

M ∈ H2 ⇒ M∗∞ = sup

t|Mt| ∈ L2

⇒ ∃M∞ ∈ L2 : Mt = E(X∞|Ft)

und

E(M2∞) = lim

t→∞E(M2

t )

= supt

E(M2t )

≤ E(supt

M2t )

= E(M∗∞

2)Doob≤ 22 · sup

tE(M2

t )

= 22 · ‖M‖2H2 .

(iii) Ferner gilt ∀t : E(M2t ) = E〈M〉t + E(M2

0 ), also

E(M2∞) = lim

t→∞E(M2

t )

= limt

E〈M〉t= E〈M〉∞, falls M0 = 0.

Seien nun Mn ∈ H2, mit ‖Mn −Mk‖H2 → 0 fur n, k →∞⇒ ∃Mn

∞, Mk∞ ∈ L2 mit Mn

t = E(Mn∞|Ft), Mk

t = E(Mk∞|Ft)

‖Mn∞ −Mk

∞‖L2 = ‖Mn −Mk‖H2 → 0

⇒ (Vollstandigkeit von L2 = L2(Ω,F , P )):∃M∞ ∈ L2 : Mn

∞ →M∞ in L2.Def. Mt := E(M∞|Ft) Martingal⇒ (Doob):

E(supt|Mn

t −Mt|2) ≤ 4 ·E(|Mn∞ −M∞|2)

= 4 · ‖Mn −M‖H2 → 0

⇒ ∃ Teilfolge (nk)k:

supt|Mnk

t −Mt| → 0 f.s. fur k →∞

⇒ t 7→Mt f.s. stetig⇒M ∈M⇒M ∈ H2.

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4 Stochastische Integration

4.1 Das Lebesgue-Stieltjes-Integral

Betrachte g : R+ → R rechtsstetig.

Satz 4.1.1. Aquivalent sind:

(i) g ist von endlicher Variation.

(ii) ∀t ≥ 0 : St(g) <∞ mit

St(g) := supS∆

t (g) : ∆ = t0, t1, . . . , tn, 0 = t0 < t1 < · · · < tn ≤ t

und

S∆t (g) =

n−1∑

i=0

|g(ti+1)− g(ti)|.

(iii) ∃ g1, g2 rechtsstetig und wachsend, sodass g = g1 − g2.

(iv) ∃ signiertes Radon-Maß µ auf R+ mit

µ([0, t]) = g(t) (∀t ∈ R+) (4.1)

Beweis. (i) ⇐⇒ (ii) per def., ⇐⇒ (iii) klar(iii) ⇐⇒ (iv): Sei o.B.d.A. g wachsend, µ ≥ 0.Dann ist g die Verteilungsfunktion von µ.

Bemerkung 4.1.2. Durch (4.1) ist µ bzw. g eindeutig bestimmt.

Definition 4.1.3. Sei g : R+ → R rechtsstetig und von endlicher Variation und f :

R+ → R lokal beschrankt und Borel-messbar. Dann ist das Lebesgue-Stieltjes-Integral

t∫

0

f dg =

t∫

0

f(s) dg(s) =

t∫

0

f(s)g( ds) von f bzgl. g

definiert durch ∫

]0,t]

f(s)µ( ds)

mit µ = µg = signiertes Radon-Maß zu g.

41

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4 Stochastische Integration

Bemerkungen 4.1.4. (i) Ist g ∈ C1(R+), so gilt:

dg(s) = g′(s) ds,

d.h. das Lebesgue-Stieltjes-Integral

t∫

0

f(s) dg(s)

ist ein gewohnliches Lebesgue-Integral

t∫

0

f(s)g′(s) ds

mit der Dichte g′.

(ii) Sind g und h stetig und von beschrankter Variation, so gilt die Produktregel

d(gh)(s) = g(s) dh(s) + h(s) dg(s).

Satz 4.1.5. Sei g rechtsstetig und wachsend, f linksstetig und lokal beschrankt und t ≥ 0.Dann ist

t∫

0

f dg = lim‖∆‖→0

I∆t (f, g)

mit I∆t (f, g) =

n−1∑k=1

f(tk) · (g(tk+1)− g(tk)).

Bem.: Hierbei kann man f(tk) durch f(tk+1) ersetzen, falls f stetig ist.

Beweis. Sei

f∆ =n−1∑

k=1

f(tk) · 1]tk,tk+1]

undsup

s∈[0,t]|f(s)| = C <∞.

Dann gilt fur ‖∆‖ → 0:

f∆(s)→ f(s) (∀s ∈]0, t]) (wegen Linksstetigkeit von f).

Ferner: |f∆(s)| ≤ C (∀s ∈]0, t])

⇒ I∆t (f, g) =

]0,t]

f∆(s)µg( ds) →‖∆→0‖

]0,t]

f(s)µg( ds) =

t∫

0

f dg.

42

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4.2 Das Ito-Integral fur Elementarprozesse

Wir wollen nun Integralet∫0

Xs dAs definieren mit A ∈ A und

X ∈ B := X : X adaptiert, linksstetig, pfadweise lokal beschrankt.

Definition 4.1.6. Fur A ∈ A und X ∈ B heißt die pfadweise definierte ZV

(X •A)t =

t∫

0

X dA =

t∫

0

Xs dAs : ω 7→t∫

0

Xs(ω) dAs(ω)

stochastisches Integral von X bzgl. A (auf [0, t]). Dabei ist X der Integrand und A derIntegrator.Der Prozess X •A = ((X •A)t)t≥0 heißt unbestimmtes stochastisches Integral.

Satz 4.1.7. Fur A ∈ A und X, Y ∈ B gilt:

(i) X •A ∈ A0.

(ii) X •A ist bilinear in A und X.

(iii) (X •A)T = X •AT fur alle Stoppzeiten T (Stopp-Formel).

(iv) Y • (X •A) = (Y X) •A (Assoziativitat)

Beweis. (ii), (iii), (iv) einfache Ubungen.

(i) Klar: (X •A)0 = 0 und t 7→t∫0

Xs dAs pfadweise stetig (da A stetig).

Adaptiertheit:t∫0

Xx dAs = limn→∞

I∆nt (X, A) ∈ Ft fur eine Folge von Partitionen

∆n mit ‖∆n‖ → 0.Endliche Variation:

St((X •A)(ω)) ≤ sup0≤s≤t

|Xs(ω)| · St(A(ω)) <∞.

4.2 Das Ito-Integral fur Elementarprozesse

Ziel: Definition von (X •M)· =·∫

0

Xs dMs fur M ∈ H2 und X ∈ E .

Definition 4.2.1. X : R+ × Ω→ R heißt Elementarprozess, kurz X ∈ E, falls: ∃ (ti)i,(Zi)i, 0 ≤ t0 < t1 < . . . , ti ր ∞, Zi Fti-messbar, Z−1 F0-messbar, Zi gleichmaßigbeschrankt, sodass

X = Z−1 · 10 +∞∑

i=0

Zi · 1]ti,ti+1].

43

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4 Stochastische Integration

Definition 4.2.2. Fur M ∈ S und X ∈ E definieren wir das stochastische Integral

(X •M)· =·∫

0

X dM =·∫

0

Xs dMs pfadweise wie folgt:

(X •M)t =∞∑

i=0

Zi · (Mt∧ti+1 −Mt∧ti)

=

n−1∑

i=0

Zi(Mti+1 −Mti) + Zn · (Mt −Mtn)

fur t ∈ [tn, tn+1[.

Bemerkung 4.2.3. Fur M ∈ A stimmt das mit der bisherigen Definition (Lebesgue-Stieltjes) uberein.

Satz 4.2.4. Fur M ∈ H2 und X ∈ E gilt:

(i) X •M ∈ H20 .

(ii) 〈X •M〉· =·∫

0

X2s d〈M〉s = (X2 • 〈M〉)·.

(iii) ‖X •M‖2H2 = E

(∞∫0

X2s d〈M〉s

).

Beweis. (i) Offenbar X •M adaptiert, stetig, (X •M)0 = 0.Ferner fur s ∈ [tk−1, tk[, t ∈ [tn, tn+1[:

(X •M)t = (X •M)s

=

n−1∑

i=k

Zi(Mti+1 −Mti) + Zn(Mt −Mtn) + Zk−1(Mtk −Ms)

⇒ E((X •M)t − (X •M)s|Fs)

= E

(n−1∑

i=k

Zi ·E(Mti+1 −Mti |Fti) + Zn ·E(Mt −Mtn |Ftn)|Fs

)

+Zk−1 ·E(Mtk −Ms|Fs)

= 0.

44

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4.2 Das Ito-Integral fur Elementarprozesse

(ii) O.B.d.A. s = tk, t = tn+1 (erganze ti um zwei Punkte).

E((X •M)2t − (X •M)2s|Fs)

= E([(X •M)t − (X •M)s]2|Fs) +

+2E[((X •M)s) · [(X •M)t − (X •M)s]|Fs]︸ ︷︷ ︸=0 nach (i)

= E([(X •M)t − (X •M)s]2|Fs)

= E

[

n∑

i=k

Zi(Mti+1 −Mti)

]2∣∣∣∣∣∣Fs

= E

(∑

i

Z2i (Mti+1 −Mti)

2

∣∣∣∣∣Fs

)+

+2E

i<j

ZiZj(Mti+1 −Mti)(Mtj+1 −Mtj )

∣∣∣∣∣∣Fs

= E

t∫

s

X2r d〈M〉r

∣∣∣∣∣∣Fs

+

+2E

i<j

ZiZj(Mti+1 −Mti)E(Mtj+1 −Mtj |Ftj )︸ ︷︷ ︸=0

∣∣∣∣∣∣∣Fs

= E

t∫

s

X2r d〈M〉r

∣∣∣∣∣∣Fs

.

(iii) ‖X •M‖2H2 = E〈X •M〉∞ = E∞∫0

X2r d〈M〉r.

Korollar 4.2.5. Sind Xn ∈ E, n ∈ N, Elementarprozesse mit

E

∞∫

0

(Xnt −Xk

t )2 d〈M〉r → 0 fur n, k →∞,

so gilt:

‖(Xn •M)− (Xk •M)‖2H2 = E(supt

[(Xn •M)t − (Xk •M)t]2)→ 0 fur n, k →∞.

Beweis. Mit

Xn, Xk ∈ E

45

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4 Stochastische Integration

ist auchXn −Xk ∈ E

undXn •M −Xk •M = (Xn −Xk) •M ∈ H2

0 .

Ferner

E(supt

[(Xn •M)t − (Xk •M)t]2) = E(sup

t[(Xn −Xk) •M ]2t )

≤ 4 · ‖(Xn −Xk) •M‖H2

= 4E

∞∫

0

(Xnt −Xk

t )2 d〈M〉t → 0.

Satz 4.2.6 (Kunita-Watanabe-Identitat und -Ungleichung). Fur M, N ∈ H2 undX, Y ∈ E gilt:

(i) 〈X •M, Y •N〉 =∫0

XsYs d〈M, N〉s = (XY ) • 〈M, N〉und

(ii) |E〈X•M, Y •N〉∞| ≤ E∞∫0

|XsYs|| d〈M, N〉s| ≤ (E∞∫0

X2s d〈M〉s ·E

∞∫0

Y 2s d〈N〉s)1/2.

Beweis. (ii) folgt aus (i), denn |〈M, N〉| ≤ (〈M〉t〈N〉t)1/2.

(i) Im wesentlichen wie Teil (ii) aus Satz 4.2.4:

E((X •M)t(Y •N)t − (X •M)s(Y •N)s|Fs)

= E([(X •M)t − (X •M)s] · [(Y •N)t − (Y •N)s]|Fs)

= E

(n∑

i=k

XtiYti(Mti+1 −Mti)(Nti+1 −Nti)

∣∣∣∣∣Fs

)

= E

t∫

s

XrYr d〈M, N〉r

∣∣∣∣∣∣Fs

.

⇒ (X •M)t(Y •N)t −t∫0

XrYr d〈M, N〉r ist Martingal

⇒ Beh.

(ii) Wir verwenden |〈A, B〉∞| ≤ (〈A〉∞ · 〈B〉∞)1/2 fur A, B ∈ H2.

⇒ |E〈X •M, Y •N〉∞|≤ E((〈X •M〉∞ · 〈Y •N〉∞)1/2)

≤ (E〈X •M〉∞ ·E〈Y •N〉∞)1/2

= [E((X2 • 〈M〉)∞) ·E((Y 2 • 〈N〉)∞)]1/2.

46

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4.3 Das Ito-Integral fur vorhersagbare, messbare Prozesse

4.3 Das Ito-Integral fur vorhersagbare, messbare Prozesse

Definition 4.3.1. Die auf R+ × Ω definierte σ-Algebra P = σ(E) heißt vorhersagbareσ-Algebra (

”predictable σ-field”´). Sie ist die kleinste σ-Algebra auf R+ × Ω, bezuglich

der die Abbildungen (t, ω) 7→ Xt(ω) messbar sind fur alle X ∈ E.Ein P-messbarer Prozess X heißt vorhersagbar.

Proposition 4.3.2.

σ(E) = σ(X : R+ × Ω→ R adaptiert, X· linksstetig auf ]0,∞[)= σ(X : R+ × Ω→ R adaptiert, X· stetig auf [0,∞[).

Beweis. Seien σ1, σ2, σ3 obige σ-Algebren. Offenbar σ3 ⊂ σ2. Ferner σ2 ⊂ σ1, da furlinksstetiges X:

Xt(ω)← Xnt (ω) = X0(ω) · 10(t) +

∞∑

k=0

Xk/n(ω) · 1] kn

, k+1n

](t).

Schließlich σ1 ⊂ σ3, denn ∃fn ∈ C(R+) mit |fn| ≤ 1]0,1+1/n] und fn → 1]0,1] und∃gn ∈ C(R+) mit |gn| ≤ 1[0,1/n] und gn → 10 und daher

Xt = Z−1 · 10(t) +∞∑

i=0

Zi · 1]ti,ti+1](t)

Xnt = Z−1 · gn(t) +

∞∑

i=0

Zi · fn

(t− ti

ti+1 − ti

).

Korollar 4.3.3. Jeder vorhersagbare Prozess ist progressiv messbar. Mit anderen Wor-ten:

P ⊂ Prog := σ(X : R+ × Ω→ R progressiv messbar)⊂ B(R+)⊗F∞.

Sei nun wieder (Ω, F , P, (Ft)t≥0) mit den ublichen Bedingungen und M ∈ H2 (d.h.M ist stetiges Martingal mit ‖M‖2H2 = sup

tE(M2

t ) <∞.)

Wir definieren ein endliches Maß PM (”Doleans-Maß”´) auf (R+ × Ω,B(R+) ⊗ F∞)

durch

PM (Γ) := E

∞∫

0

1Γ(t, ω) d〈M〉t(ω) (Γ ∈ B(R+)⊗F∞).

Ferner seiL2(M) = X : R+ × Ω→ R vorhersagbar, ‖X‖M <∞

47

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4 Stochastische Integration

undL2∗(M) = X : R+ × Ω→ R progressiv messbar, ‖X‖M <∞

sowie eine Pseudo-Norm

‖X‖M = [E(

∞∫

0

X2t d〈M〉t)]1/2 = [

R+×Ω

X2 dPM ]1/2

auf dem Raum der progressiv messbaren Prozesse X : R+ × Ω → R. Schließlich seienL2(M) und L2

∗(M) die Raume der Aquivalenzklassen von L2(M) bzw. L2∗(M) bzgl. ‖·‖M .

Proposition 4.3.4. (i) E liegt dicht in L2(M).

(ii) L2(M) und L2∗(M) sind Hilbert-Raume

(iii) und als solche isomorph bzw. stimmen im folgenden Sinne uberein:Zu jedem Prozess X ∈ L2

∗(M) existiert ein vorhersagbarer Prozess Z mit ‖X −Z‖M = 0.

(iv) Falls t 7→ 〈M〉t absolut stetig f.s., so ist ferner L2(M) = L2∗∗(M) mit

L2∗∗(M) = X : B(R+)⊗F∞-messbar, adaptiert, ‖X‖M <∞.

(v) Offenbar E ⊂ L2(M) ⊂ L2∗(M) ⊂ L2

∗∗(M) ⊂ L2∗∗∗(M) mit

L2∗∗∗(M) = X : B(R+)⊗F∞-messbar, nicht notwendig adaptiert, ‖X‖M <∞.

Beweis. (ii) L2∗(M) = L2(R+ × Ω, P rog,PM ) und

L2(M) = L2(R+ × Ω,P,PM )⇒ Hilbert-Raume.

(i) Jeder Prozess X ∈ L2(M) wird in ‖ · ‖M approximiert durch P-einfache Prozesse

Y =n∑

i=1αi · 1Ai (n ∈ N, αi ∈ R, Ai ∈ P).

Jeder P-einfache Prozess Y wird in ‖ · ‖M approximiert durch einfache Prozesse Z(Monotone Klassen-Argument), denn ∀A ∈ P,∀ε > 0 :

∃A′ ∈ ring(E) = ring (]s, t]× F : s < t, F ∈ Fs ∪ 0 × F : F ∈ F0)= endliche disjunkte Vereinigungen von solchen Mengen,

so dass ‖1A − 1A′‖M < ε.

(iii) Ohne Beweis (vorlaufig).

Satz 4.3.5. ∀X ∈ L2(M) : ∃!(X •M) ∈ H2 mit der Eigenschaft: ist Xn ∈ E , n ∈ N, mit‖X −Xn‖M → 0, so gilt ‖(X •M)− |Xn •M‖H2 → 0, und daher Xn ·M → (X •M)(gleichmaßig in t) in L2. Bez: I = X •M .

Die Abbildung L2(M)→ H20 , X 7→ X •M , ist eine Isometrie, d.h. ‖X‖M = ‖X •M‖H2.

48

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4.3 Das Ito-Integral fur vorhersagbare, messbare Prozesse

Beweis. Definition von X •M : zu X ∈ L2(M) existieren Xn ∈ E , n ∈ N, mit ‖X −Xn‖M → 0. Folglich

‖Xn •M −Xk •M‖H2 = ‖Xn −Xk‖M → 0 fur n, k →∞.

(Isometrie fur Xn, Xk ∈ E).Also ist Xn •Mn∈N Cauchy-Folge in H2

⇒ ∃!X •M ∈ H20 : Xn •M → X •M in H2. Dabei ist X •M unabhangig von der Wahl

der Folge Xnn, denn (wegen Isometrie):

‖Xn •M − Xn •M‖H2 = ‖Xn − Xn‖M → 0.

Schließlich

E(supt

[(Xn •M)t − (X •M)t]2) ≤ 4 · sup

tE([(Xn •M)t − (X •M)t]

2)

= 4 · ‖Xn −X‖M → 0.

Korollar 4.3.6 (Kunita-Watanabe-Identitat und -Ungleichung). ∀M, N ∈ H2, X ∈L2(M), Y ∈ L2(N) :

(i) 〈X •M〉 =∫0

X2s d〈M〉s = X2 • 〈M〉.

(ii) 〈X •M, Y •N〉 =∫0

XsYs d〈M, N〉s = (XY ) • 〈M, N〉.

(iii) |E〈X •M, Y •N〉t| ≤ Et∫0

|XsYs|| d〈M, N〉|s ≤ (Et∫0

X2s d〈M〉s ·E

t∫0

Y 2s d〈N〉s)1/2.

Beweis. Folgt durch L2(M)-Approximation von X durch Xn ∈ E :

(i) ∀M, N ∈ H2 (bzw. sogar ∈ Mloc), ∀X ∈ L2(M), Y ∈ L2(N) (bzw. ≥ 0, oderbeschrankt, B(R+)⊗F∞-messbar):

supt<·

·∫

0

XsYs d〈M, N〉s ≤ (

T∫

0

X2s d〈M〉s)1/2(

T∫

0

Y 2s d〈N〉s)1/2

≤∞∫

0

|XsYs|| d〈M, N〉s|

Wegen Dichtheit und Monotonie Argument:X, Y beschrankt, ≥ 0,X = X0 · 10 + Xt1 · 1]0,t1] + · · · + Xtn · 1]tn−1,tn], F∞-messbar, beschrankt, ≥

49

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4 Stochastische Integration

0, 0 = t0 < t1 ≤ · · · ≤ tn = tY = . . .

〈M, N〉s,t := 〈M, N〉t − 〈M, N〉s⇓|〈M, N〉s,t| ≤ 〈M〉1/2

s,t · 〈N〉1/2s,t (∀s, t) f.s.

⇓t∫

0

XsYs| d〈M, N〉s| ≤n∑

i=1

XtiYti |〈M, N〉ti−1,ti |

≤∑

XtiYti〈M〉1/2ti−1,ti

· 〈N〉1/2ti−1,ti

≤(∑

Xti〈M〉ti−1,ti

)1/2·(∑

Yti〈N〉ti−1,ti

)1/2

=

t∫

0

Xs d〈M〉s

1/2

·

t∫

0

Ys d〈N〉s

1/2

T∫

0

Xs d〈M〉s

1/2

·

T∫

0

Ys d〈N〉s

1/2

(iii)

E supt<T〈X •M, Y •N〉t ≤ E(sup

t<T〈X •M〉1/2

t · 〈Y •N〉1/2t )

≤[E sup

t<T〈X •M〉t ·E sup

t<T〈Y •N〉t

]1/2

(i)=

E

T∫

0

X2s d〈M〉s ·E

T∫

0

Y 2s d〈N〉s

1/2

(∀T ∈ [0,∞])

und

E supt<T

t∫

0

XsYs d〈M, N〉t ≤

E

T∫

0

X2s d〈M〉s ·E

T∫

0

Y 2s d〈N〉s

1/2

(ii) Zunachst Y ≡ 1 ∈ E , Xn ∈ E , Xn → X in L2(M):⇒ 〈Xn •M, N〉t → 〈X •M, N〉t gleichmaßig integrierbar in L1

⇒ Nach Ubergang zu Teilfolge (∀t) f.s.Ferner:

t∫

0

Xns d〈M, N〉s →

t∫

0

Xs d〈M, N〉 glm. int. in L1

50

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4.3 Das Ito-Integral fur vorhersagbare, messbare Prozesse

⇒ 〈X ·M, N〉t =t∫0

Xs d〈M, N〉 (∀t) f.s.

Schließlich

〈Y •N, X •M〉t =

t∫

0

Ys d〈N, X •M〉s

=

t∫

0

YsXs d〈N, M〉s

Satz 4.3.7. ∀M ∈ H2, X ∈ L2(M) : ∃!I ∈ H20 :

〈I, N〉 = X • 〈M, N〉 (∀N ∈ H2).

Namlich: I = X •M .

Beweis. Existenz: obiges Korollar mit Y ≡ 1.Eindeutigkeit: Seien I, I ′ ∈ H2

0 mit 〈I, N〉 = 〈I ′, N〉 (∀N ∈ H2)⇒ 〈I − I ′〉 = 0⇒ I = I ′.

Bemerkung zur alternativen Definition: ∀M, N ∈ H20 ,∀X ∈ L2

∗∗∗(M):

|E[(X • 〈M, N〉∞)]| = |E[

∞∫

0

Xs d〈M, N〉s]|

≤ (E

∞∫

0

X2s d〈M〉s ·E

∞∫

0

d〈N〉s)1/2

= ‖X‖M · ‖N‖H2

⇓N 7→ E[(X • 〈M, N〉∞)] stetige Linearform

H20 → R

⇓∃! I ∈ H2

0 : E[I∞N∞] = E[(X • 〈M, N〉)∞] (4.2)

=: X •M

Fur M ∈ H2 : X •M := X • (M −M0).Aus (4.2) folgt:E(〈I, N〉∞) = E((X • 〈M, N〉)∞) (∀N ∈ H2

0 )⇒ (ersetze N durch NT ):E(〈I, N〉T ) = E((X • 〈M, N〉)T ) ∀ Stoppzeiten T, ∀N ∈ H2

0

⇒ 〈I, N〉 − (X • 〈M, N〉) ist Martingal (⇒= 0)

⇒ 〈I, N〉 = X • 〈M, N〉 (∀N ∈ H20 ) (4.3)

51

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4 Stochastische Integration

Bemerkungen 4.3.8. (i) Die Assoziativitat fur Stieltjes-Integrale ist offensichtlich:

(f • (g • h))t =

t∫

0

fs d(g • h)s =

t∫

0

fsgs dhs = ((fg) • h)t

(denn d(g • h)s = gs dhs).

(ii) Die Assoziativitat fur Ito-Integrale kann man in symbolischer Kurzschreibweise wiefolgt formulieren:

d(X •M)t = Xt dMt

⇓d(Y • (X •M))t = Yt d(X •M)t = YtXt dMt

(iii) Durch (4.2) wird X •M definiert ∀X ∈ L2∗∗∗(M). Sei X die Projektion von X auf

L2(M). Dann gilt X •M = X •M .

Bemerkung 4.3.9. Alternative Definition von X •M , sogar fur X ∈ L∗∗∗(M) = X :

R+ × Ω→ R | X B(R+)⊗F∞-messbar , ‖X‖M <∞.Aber Achtung! Hier ist stochastisches Integral 6= Stieltjes-Integral.

Beispiel 4.3.10. Xt(ω) = Z(ω) ∀t ≥ 0, Z ∈ F∞ \ F0

⇒ Stieltjes-Integralt∫0

Xs dMs = Z(Mt −M0) nicht adaptiert.

Aber: Stochastisches Integral adaptiert (= Stieltjes-Integral∫

X dM mit X? = Z? ).

Beispiel 4.3.11. (siehe Beispiel 4.3.10)Xt(ω) = Z(ω),⇒ Xt(ω) = Zt−(ω) mit Zt Cadlag-Version von E(Z|Ft)Xt vorhersagbar, Zt progressiv messbar.

⇒ (X •M)t =t∫0

Z dMs :=t∫0

E(Z|Fs) dMs 6= Stieltjes-Integral

Proposition 4.3.12. X ∈ L2(M) und Y ∈ L2(X•M)⇒ Y X ∈ L2(M) und (Y X)•M =Y • (X •M).

Korollar 4.3.13. In obiger Situation: dPX•M = X2 dPM .

Beh. Wegen 〈X •M〉 = X2 • 〈M〉 und Y ∈ L2(X •M), d.h. E(Y 2 • 〈X •M〉)∞ <∞,gilt E((Y X)2 • 〈M〉)∞ <∞, d.h. Y X ∈ L2(M).Ferner gilt ∀N ∈ H2 :

〈(Y X) •M, N〉 = (Y X) • 〈M, N〉= Y • (X • 〈M, N〉) Assoziativitat von Lebesgue-Stieltjes

= Y • 〈X •M, N〉 vorheriger Satz

= 〈Y • (X •M), N〉 vorheriger Satz

Wegen Eindeutigkeit: (Y X) •M = Y • (X •M).

52

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4.4 Erweiterung durch Lokalisation

Proposition 4.3.14. ∀X ∈ L2(M),∀ Stoppzeiten T :

(X •M)T = X •MT = (X1[0,T ]) •M

Beweis. Folgt aus voriger Proposition wegen

MT = 1[0,T ] •M.

4.4 Erweiterung durch Lokalisation

Sei nun M ∈Mloc stetiges lokales Martingal.

Definition 4.4.1. L2loc(M) = X messbar, vorhersagbar mit ∀t ≥ 0 :

t∫0

X2s d〈M〉s <

∞ P-f.s.und entsprechend L2

loc(M).

Lemma 4.4.2. X ∈ L2loc(M) ⇐⇒ X vorhersagbar und ∃ Stoppzeiten Tn ր∞ :

E

Tn∫

0

X2s d〈M〉s

<∞

(d.h. X1[0,Tn] ∈ L2(M) bzw. X ∈ L2(MTn)).

Beweis.”⇒“ Wahle Tn = inf

t ≥ 0 :

t∫0

X2s d〈M〉s > n

ր∞

⇒Tn∫

0

X2s d〈M〉s ≤ n

⇒ E

Tn∫

0

X2s d〈M〉s

≤ n.

”⇐“ E

(Tn∫0

X2s d〈M〉s

)<∞

⇒ P

(t∧Tn∫0

X2s d〈M〉s <∞

)= 1 (∀t, n) und P(Tn > t)→ 1 (n→∞)

⇒ P

(t∫0

X2s d〈M〉s <∞

)= 1.

53

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4 Stochastische Integration

Definition 4.4.3. Fur M ∈Mloc und X ∈ L2loc(M):

X •M := limn→∞

X •MTn = stochastisches Integral

Fur V = M + A ∈ S und X ∈ B:

X • V = X •M + X •A ∈ S.

Bemerkung 4.4.4. Der Limes in Definition 4.4.3 exitsiert, denn ∀k > n gilt:

X •MTk = (X •MTk)Tn

= X •MTn

auf t < Tn

Proposition 4.4.5. ∀V, W ∈ S, ∀X, Y ∈ B:

(i) X • V bilinear in X, V .

(ii) X • V ∈M0,loc, falls V ∈Mloc

X • V ∈ A0, falls V ∈ A.

(iii) (XY ) • V = X • (Y • V ).

(iv) 〈X • V, Y •W 〉 = XY • 〈V, W 〉(= 0, falls V oder W ∈ A).

(v) (X • V )T = (X1[0,T ]) • V = X • V T ∀ Stoppzeiten T .

(vi) Fur fast jedes ω ∈ Ω,∀a, b ∈ R:X(ω) = 0 auf [a, b] oder V (ω) konstant auf [a, b]⇒ (X • V )(ω) konstant auf [a, b].

Beweis von (vi)). Klar fur V ∈ A. Sei also V ∈ Mloc. Aus der Voraussetzung folgt:X0(ω) = 0 auf [a, b] oder 〈V 〉(ω) konstant auf [a, b]

⇒ (X2 • 〈V 〉) =

(·∫

0

X2s d〈V 〉s

)(ω) konstant auf [a, b]

⇒ (X • V ) konstant auf [a, b].

Satz 4.4.6 (Stochastischer Integralkonvergenzsatz). Seien V ∈ S und X(n), X ∈B, |X(n)| ≤ X (∀n) und X(n) → 0 punktweise (d.h. fur jedes t) f.s.Dann X(n) · V → 0 gleichmaßig P-stochastisch auf jedem kompakten Intervall ⊂ R+.

Beweis. Zu zeigen: ∀t,∀ε

P

(sups≤t

∣∣∣(X(n) • V )s

∣∣∣ ≥ ε

)→ 0 (n→∞).

Fur V ∈ A ist das der Satz von der majorisierten Konvergenz. Sei V ∈ Mloc und TStoppzeit mit V T ∈ H2, XT beschrankt

54

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4.4 Erweiterung durch Lokalisation

⇒ (X(n))T → 0 in L2(V T ) (Satz von der majorisierten Konvergenz)⇒ (X(n) • V )T → 0 in H2 (L2-Isometrie)⇒ (X(n) • V )T → 0 gleichmaßig auf R+ P-stochastisch⇒ X(n) • V → 0 lokal gleichmaßig P-stochastisch.

Satz 4.4.7 (Approximation durch Riemann-Summen). Sei V ∈ S, X ∈ B, t > 0 und ∆n

beliebige Folge von Partitionen von [0, t] mit ‖∆n‖ → 0. Dann

I∆ns (X, V ) :=

ti∈∆n

Xti(Vs∧ti+1−Vs∧ti)→

s∫

0

Xr dVr

gleichmaßig in s ∈ [0, t] P-stochastisch.

Beweis. Sei o.B.d.A. X0 = 0 und zunachst X beschrankt. Wegen Linksstetigkeit vonX ∈ B ist X punktweise Limes von X∆n =

∑Xti1]ti,ti+1] (auf R+ × Ω).

Ferner I∆ns (X, V ) =

s∫0

X∆nr dVr.

Also gilt nach dem stochastischen Integralkonvergenzsatz 4.4.6:

I∆ns (X, V )→

s∫

0

Xr dVr gleichmaßig auf [0, t] P-stochastisch.

Fur allgemeines X existieren Tn ր∞ mit XTn beschrankt.

Bemerkung 4.4.8. Stets ∃ Teilfolge (nk)k mit

I∆nks (X, V ) →

(fur k→∞)

s∫

0

Xr dVr gleichmaßig in s ∈ [0, t] P− f.s.

Satz 4.4.9 (Partielle Integrationsformel). ∀X, Y ∈ S :

XtYt = X0Y0 +

t∫

0

XsdYs +

t∫

0

YsdXs + 〈X, Y 〉t.

Insbesondere

X2t = X2

0 + 2

t∫

0

XsdXs + 〈X〉t.

Beweis. Allgemeiner Fall folgt durch Polarisation aus Spezialfall X = Y . Fur jede Par-tition ∆ = t0, t1, . . . , tn von [0, t] gilt (mit 0 = t0 < · · · < tn = t):

i

(Xti+1 −Xti

)2= X2

tn − 2∑

i

Xti

(Xti+1 −Xti

)

55

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4 Stochastische Integration

Fur ‖∆‖ → 0 gilt:

〈X〉 = X2t −X2

0 − 2

t∫

0

Xs dXs

(nach dem Approximationssatz fur stochastische Integrale).

In differentieller Schreibweise lautet das:

d(XY )t = Xt dYt + Yt dXt + d〈X, Y 〉tbzw. = Xt dYt + Yt dXt + dXt dYt,

falls man definiert: dXt dYt := d〈X, Y 〉t.Hierbei gilt dXt dXt = d〈X〉t und dXt dYt = 0, falls X oder Y ∈ A.Folglich: ∀X, Y, Z ∈ S : ( dXt dYt) dZt = dXt( dYt dZt) = 0, denndXt dYt = d〈X, Y 〉t = 0 wegen 〈X, Y 〉 ∈ A.

Beispiel 4.4.10. X = B = Brownsche Bewegung.

⇒ B2t = B2

0 + 2

t∫

0

Bs dBs + t

bzw. dB2t = 2Bt dBt + dt.

Hier gelten folgende fundamentalen Regeln:

(dBt)2 = dt (

”dBt =

√dt“)

dBtdt = dtdBt = 0

(dt)2 = 0.

4.5 Ito-Differentiale

Ito-Differentiale sind als Abbildungen (a, b) ∈ R2; a < b → RΩ zu interpretieren:

dVt : [a, b]→b∫

a

dVt = Vb − Va

Xt dVt : [a, b]→b∫

a

Xt dVt

‖ ‖d(X • V )t (X • V )b − (X • V )a

Assoziativitat: d(Y • (X • V )) = Yt d(X • V )t = YtXt dVt.Definiere ferner: dVt dWt := d〈V, W 〉t, (dVt)

2 = dVt dVt = d〈V 〉t⇒ d(X • V )t d(Y •W )t = XtYt dVt dWt (Kunita-Watanabe-Identitat)

(d(X • V )t)2 = X2

t ( dVt)2

56

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4.5 Ito-Differentiale

Beispiel 4.5.1. Xt = B2t . Gesucht: 〈X〉t.

d〈X〉t = (dXt)2 = (dB2

t )2 = (2Bt dBt + dt)2

= 4B2t (dBt)

2 + 4Bt dBt dt + (dt)2

= 4B2t dt

⇒ 〈X〉t = 4

t∫

0

B2s ds.

Beispiel 4.5.2.

d(XY Z)t = XY dZt + ZX dYt + Y Z dXt

+ X dYt dZt + Z dXt dYt + Y dZt dXt

+ dXt dYt dZt + dZt dXt dYt + dYt dZt dXt

d(f(X))t = f ′(Xt) dXt + 12f ′′(Xt)(dXt)

2 + 13f ′′′(Xt) (dXt)

3

︸ ︷︷ ︸=0

+ . . .︸︷︷︸=0

(Taylor-Formel Ito-Formel).

Bemerkung 4.5.3. Fur M ∈Mloc : M2−M20 −〈M〉 ∈ Mloc (per Definition von 〈M〉).

Nach der partiellen Integrationsformel: = 2t∫0

Ms dMs.

57

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5 Ito-Formel und Anwendungen

5.1 Die Ito-Formel

Satz 5.1.1 (Ito-Formel). Sei F ∈ C2(Rd, R) und X = (X1, . . . , Xd) mit X1, . . . , Xd ∈ S.Dann ist F (X) ∈ S mit

F (Xt) = F (X0) +d∑

i=1

t∫

0

∂F

∂xi(Xs) dXi

s

+1

2

d∑

i,j=1

t∫

0

∂2F (Xs)

∂xi∂xjd〈Xi, Xj〉s

Beweis. (i) Gilt die Behauptung fur ein F ∈ C2(Rd, R), so gilt diese auch fur G mit

G(x) =d∑

k=1

αkxkF (x).

Denn nach partieller Integration gilt:

G(Xt)−G(X0) =∑

αkXkt F (Xt)−

∑αkX

k0 F (X0)

part. Int.=

t∫

0

∑αkX

ks dF (Xs) +

t∫

0

∑αkF (Xs) dXk

s +∑

αk〈Xk, F (X)〉s

=

∫ ∑

k,i

αkXks

∂2F (Xs)

∂xidXi

s +

∫1

2

k,i,j

αkXks

∂2F (Xs)

∂xi∂xjd〈Xi, Xj〉s

+

∫ ∑

k

αkF (Xs) dXks +

∫ ∑

k,i

αk∂F

∂xid〈Xk, Xi〉s

=

∫ ∑

i

∂G(Xs)

∂xidXi

s +

∫1

2

i,j

∂2G(Xs)

∂xi∂xjd〈Xi, Xj〉s

denn∂G

∂xi=∑

αkxk∂F

∂xi+ αiF,

∂2G

∂xi∂xj=∑

αkxk∂2F

∂xi∂xj+ αj ·

∂F

∂xi+ αi

∂F

∂xj.

(ii) Die Behauptung gilt also fur alle Polynome auf Rd (vollstandige Induktion).

59

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5 Ito-Formel und Anwendungen

(iii) Die Behauptung gilt ∀F ∈ C2(Rd, R) mit kompaktem Trager.Denn: ∃ Polynome Fn mit Fn → F punktweise.

∂xiFn → ∂

∂xiF

∂2

∂xi∂xjFn → ∂2

∂xi∂xjF

(z.B. Taylor-Entwicklung von F , Weierstrass‘scher Approximationssatz)Damit folgt die Behauptung mit Konvergenzsatzen fur gewohnliche und stochas-tische Integrale.

(iv) Die Behauptung gilt ∀F ∈ C2.Denn: Wahle Kn kompakt, Kn ր Rd und

Tn := inft > 0 : Xt /∈ Kn ⇒ Tn ր∞.

Wahle Fn mit Fn = F auf Kn, also hat Fn kompakten Trager⇒ Fn(Xt) = Fn(X0) + . . .⇒ F (Xt) = F (X0) + . . . auf t < Tn⇒ F (Xt) = F (X0) + . . . auf Ω.

Bemerkungen 5.1.2. (i) Fur X = (M1, . . . , Mk, A1, . . . , Al), M i ∈ Mloc, Aj ∈ Aund F ∈ C2(Rk+l, R) gilt:

dF (Xt) =k∑

i=1

∂F

∂xi(Xt) dM i

t +l∑

j=1

∂F

∂xk+j(Xt) dAj

t +1

2

k∑

i,j=1

∂2F

∂xi∂xjd〈M i, M j〉t.

(ii) Fur X = X0 + M + A, M ∈Mloc0 , A ∈ A0 und F ∈ C2(R, R) ist F (X) = F (X0) +

N + B ∈ S mit

Nt =

t∫

0

F ′(Xs) dMs ∈M loc0

Bt =

t∫

0

F ′(Xs) dAs +1

2

t∫

0

F ′′(Xs) d〈M〉s ∈ A0.

Ito-Formel in Differentialform:

d = 1 :

dF (Xt) = F ′(Xt) dXt +1

2F ′′(Xt)(dXt)

2

allgemein:

dF (Xt) =∑

∂iF (Xt) dXit +

1

2

∑∂ijF (Xt) dXi

t dXjt

60

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5.1 Die Ito-Formel

d = 1 und X = BB:

dF (Bt) = F ′(Bt) dBt +1

2F ′′(Xt) dt.

Korollar 5.1.3. Sei X ∈ Cd, F ∈ C2. Dann gilt:

〈F (X)〉t =∑

i,j

t∫

0

(∂F

∂xi· ∂F

∂xj

)(Xs) d〈Xi, Xj〉s

(dF (Xt))2 = (. . . dXi

t + . . . dXit dXj

t )2 = . . .

Korollar 5.1.4. Sei B eine d-dimensionale BB, F ∈ C2. Dann gilt:

(i) 〈F (B)〉t =t∫0

|∇F |2(Bs) ds.

(ii) Em(〈F (B)〉t) = t ·∫

Rd

|∇F |2(x)dx =: t · E(F ) = t‖∇F‖22.

Beweis. (i) 〈Bi, Bj〉t = δij · t, denn Bi und Bj sind unabhangig (∀i 6= j).

E(BitB

jt −Bi

sBjs |Fs) = E(Bi

t(Bjt −Bj

s)|Fs) + E((Bit −Bi

s)Bjs |Fs)

= E(Bit|Fs) ·E(Bj

t −Bjs |Fs) + . . .

= 0 + 0

⇒ BiBj −Bi0B

j0 Martingale

⇒ 〈Bi, Bj〉 = 0.

(ii)

∫Ex

t∫

0

|∇F |2(Bs) ds

dx =

t∫

0

∫Ex

(|∇F |2(Xs)

)dx ds

=

t∫

0

∫ ∫|∇F |2(y)ps(x, y) dy dx ds

Wiederholung: Ito-Formel fur d-dimensionale BB:

f(Bt) = f(B0) +

t∫

0

∇f(Bs) dBs +1

2

t∫

0

∆f(Bs) ds

und

f(t, Bt) = f(0, B0) +

t∫

0

∇f(s, Bs) dBs +

t∫

0

∂f

∂t(s, Bs) ds +

1

2

t∫

0

∆f(s, Bs) ds.

61

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5 Ito-Formel und Anwendungen

Bemerkung 5.1.5.

Mloc∗ =

X adaptiert , X −X0 ∈M loc

0

⊃Mloc

= X0 ist F0-messbar ⊕Mloc0 .

Proposition 5.1.6. (i) Sei B d-dimensionale BB, f ∈ C2(R+ × Rd) und

Af =1

2∆f +

∂f

∂t=

1

2

d∑

i=1

∂2

∂x2i

f +∂f

∂t.

Dann ist

Mt = f(t, Bt)− f(0, B0)−t∫

0

Af(s, Bs) ds ∈Mloc∗

Insbesondere: (f(t, Bt))t≥0 ∈Mloc∗ , falls Af = 0 auf R+ × Rd.

(ii) Sei f ∈ C2(Rd), dann gilt:

Mt = f(Bt)− f(B0)−1

2

t∫

0

∆f(Bs) ds ∈Mloc∗ . (5.1)

Insbesondere f(B)− f(B0) ∈Mloc∗ , falls f harmonisch auf Rd.

(iii) f(BT )− f(B0) ∈ Mloc∗ , falls f harmonisch auf D ⊂ Rd mit T = inft > 0 : Xt /∈

D.

Beweis. (i) und (ii): Ito-Formel und 〈Bi, Bj〉t = δij · t.

(iii) Stoppen von (5.1) bei T . Wichtig: f ∈ C2(Rd) oder zumindest f ∈ C2(Di) mitDi ⊃ D.

Bemerkung 5.1.7. Bei (i) gilt: 〈M〉t =t∫0

|∇f(s, Bs)|2 ds.

Proposition 5.1.8. Sei B eine d-dimensionale BB, σ(x) = (σij(x))i,j=1,...,d eine Matrixmit stetigen Koeffizienten x 7→ σij(x) und X ein stetiger, adaptierter d-dimensionalerProzess mit

Xit =

d∑

j=1

t∫

0

σij(Xs) dBjs + Xi

0. (5.2)

Dann ist Xi ein lokales Martingal und außerdem ist ∀f ∈ C2(R+ × Rd)

Mft = f(t, Xt)− f(0, X0)−

t∫

0

Af(s, Xs) ds

62

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5.1 Die Ito-Formel

ein lokales Martingal, wobei

Af(t, x) =∂f

∂t(t, x) +

1

2

d∑

i,j=1

aij(x)∂2f(t, x)

∂xi∂xj, (5.3)

mit aij(x) = (σ(x)σT (x))ij =d∑

k=1

σik(x) · σjk(x).

Beweis. Zunachst gilt

〈Xi, Xj〉t =∑

k,l

〈σik(x) ·Bk, σjl(x) ·Bl〉t

=∑

k,l

t∫

0

(σik(Xs)σjl(Xs) d〈Bk, Bl〉s

)

=∑

k

t∫

0

σik(Xs)σjk(Xs) ds

=

t∫

0

aij(Xs) ds

Dann

f(t, Xt) = f(0, X0) +

t∫

0

∇f(s, Xs) dXs +

t∫

0

∂f

∂t(s, Xs) ds +

+1

2

t∫

0

∂2f

∂xi∂xj(s, Xs) d〈Xi, Xj〉s

= f(0, X0) + lokales Martingal +

t∫

0

Af(s, Xs) ds.

Anwendungen:

Satz 5.1.9 (L2-Liouville-Theorem). Sei f ∈ L2 harmonisch auf Rd ⇒ f ≡ 0.

63

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5 Ito-Formel und Anwendungen

Beweis. f harmonisch ⇒ f(Xt)− f(X0) =t∫0

∇f(Xs) dXs.

Em

[(f(Xt)− f(X0))

2]

= Em

(

t∫

0

∇f(Xs) dXs)2

= Em

t∫

0

|∇f |2(Xs) ds

.

Em

[(f(Xt)− f(X0))

2]≤ 2Em

[f2(Xt) + f2(X0)

]

= 2

∫ ∫ [f2(y) + f2(x)

]pt(x, y) dy dx.

Insgesamt folgt:

∞ > 4 · ‖f‖2 = 2Em

[f2(Xt) + f2(X0)

]

≥ · · · ≥ Em

t∫

0

|∇f |2(Xs) ds

= t · ‖∇f‖22 (∀t > 0)

Also ist ‖∇f‖ = 0 und damit f konstant, also f ≡ 0.

5.2 Exponentielle Martingale

Proposition 5.2.1. Sei F ∈ C2(R+ ×R, R) mit ∂F∂t + 1

2∂2F(∂x)2

= 0 und M ∈M∗loc. Dann

ist Nt := F (〈M〉t, Mt) ∈M∗loc.

Beweis. dNt = ∂F∂x · dMt +

∂F

∂t· d〈M〉t +

1

2

∂2F

∂x2d〈M〉t

︸ ︷︷ ︸=0 nach Vor.

.

Korollar 5.2.2. ∀λ ∈ C,∀M ∈ M∗loc ist Eλ(M) ∈ M∗

loc + iM∗loc mit Eλ(M)t =

exp(λMt − λ2

2 〈M〉t). Eλ(M) heißt”exponentielles lokales Martingal“.

(Hierbei bedeutet Eλ(M) ∈M∗loc + iM∗

loc: Re Eλ(M) ∈M∗loc und Im Eλ(M) ∈M∗

loc.)

Beweis. F (t, x) = exp(λx− λ2

2 t) lost(

∂∂t + 1

2∂2

∂x2

)F = 0.

Beispiel 5.2.3. Fur λ = i =√−1 gilt: ∀M ∈M∗

loc ist

cos(Mt) · e12〈M〉t ∈M∗

loc und sin(Mt) · e12〈M〉t ∈M∗

loc.

64

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5.3 Levy’s Charakterisierung der BB

Frage:

Ist Eλ(M) ein richtiges Martingal, also nicht nur lolales Martingal?

Antwort:

Im Allgemeinen: NEIN!

Proposition 5.2.4. Es gilt Eλ(M) ∈M+ iM unter jeder der folgenden Voraussetzun-gen:

(i) M beschrankt, λ ∈ R

(ii) λ ∈ iR, 〈M〉 beschrankt.

(iii) M0 = 0 und E [Eλ(M)t] = 1 (∀t) und λ ∈ R

Beweis. (i) M beschrankt und λ ∈ R ⇒ Eλ(M) = exp(λMt) · exp(−λ2

2〈M〉t)

︸ ︷︷ ︸≤1

ist

beschrankt und ein lokales Martingal⇒ Eλ(M) ist ein Martingal (gleichgradig integrierbar).

(ii) analog.

(iii) λ ∈ R ⇒ Eλ(M) ∈ R+ und lokales Martingal ⇒ Eλ(M) ist Supermartingal ⇒(Eλ(M) ist Martingal ⇔ E(Eλ(M)) = 1).

Beispiel 5.2.5. Sei λ ∈ R und M eine 1-dimensionale BB. Dann ist

X = Eλ(M) geometrische BB, Xt = eλBt−λ2

2t und Xt lost

dXt = λXt dBt.

5.3 Levy’s Charakterisierung der BB

Satz 5.3.1 (P. Levy). Gegeben sei X stetig, Rd-wertig und (Ft)t-adaptiert mit X0 = 0.Dann sind folgende Aussagen aquivalent:

(i) X ist BB (bzgl. (Ft)).

(ii) X ∈M0loc und 〈Xk, Xj〉 = δkjt (∀k, j = 1, . . . , d).

(iii) X ∈M0loc und ∀f = (f1, . . . , fd) mit fk ∈ L2(R+, R):

Mt := exp

i∑

k

t∫

0

fk(s) dXks +

1

2

k

t∫

0

f2k (s) ds

∈M+ iM = C · M

65

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5 Ito-Formel und Anwendungen

Beweis. (i) ⇒ (ii): siehe vorherigen Beweis.

(ii) ⇒ (iii): Mt = Ei(f • X) ∈ M + iM exponentielles Martingal zu Martingal f • Xmit Parameter λ = i =

√−1

(iii) ⇒ (i): Sei z ∈ Rd, r > 0 und f = z · 1[0,r[

⇒Mt = exp[i(z, Xt∧r) + 1

2‖z‖2(t ∧ r)]∈M+ iM

⇒ ∀A ∈ Fs und s < t < r : Wegen∫A

Mt dP =∫A

Ms dP gilt:

E (1A exp [i(z, Xt −Xs)]) = P(A) · exp

[−1

2‖z‖2(t− s)

]

⇒ Xt −Xs unabhangig von Fs und Gauß-verteilt nach νt−s

⇒ E (exp [i(z, Xt −Xs)] |Fs) = exp[−1

2‖z‖2(t− s)]

= E (exp [i(z, Xt −Xs)])

Wichtig hierbei: X stetig!Ansonsten sind die Voraussetzung auch erfullt fur Xt = Nt − t mit N Poisson-Prozess.

Korollar 5.3.2. Sei X ∈M∗loc mit 〈X〉t = t. Dann ist X eine BB.

Korollar 5.3.3. Sei X ∈M∗loc mit t 7→ X2

t − t ∈M∗loc. Dann ist X eine BB.

Beispiel 5.3.4 (Brown’sche Brucke). Sei B eine Brown’sche Bewegung mit B0 = 0.DefiniereXt = (1− t)Bt/1−t Brownsche Brucke fur t ∈ [0, 1[

und Vt = Xt +t∫0

Xs1−s ds, t ∈ [0, 1[

Dann ist X ∈ S mit 〈X〉t = t.Denn sei B′

t = Bt/1−t ⇒ B′ Martingal bzgl. F ′t = Ft/1−t und 〈B′〉t = t

1−t

Xt = (1− t)B′t = −

t∫0

B′s ds +

t∫0

(1− s) dB′s

〈X〉t =t∫0

(1− s)2 d( s1−s) = · · · = t.

Aber X ist nicht die BB! X ist kein Martingal.Schließlich

Vt = Xt +

t∫

0

Xs

1− sds = (1− t)B′

t +

t∫

0

B′s ds =

t∫

0

(1− s) dB′s ∈Mloc

Ferner gilt 〈V 〉t = 〈X〉t = t.Also ist (Vt)t∈[0,1[ eine 1-dimensionale BB bzgl. (F ′

t) = Ft/1−t. Aber Vt 6= Bt.

Beispiel 5.3.5 (Ornstein-Uhlenbeck-Prozess). Sei Yt = e−λtBe2λt , t ∈ R. Dann istY ∈ S mit 〈Y 〉t = t.Definiere Wt = Yt − Y0 + λ

∫Ys ds. Es gilt W ∈M und 〈W 〉t = t. Also ist (Wt)t≥0 eine

BB bzgl. (Fe2λt)t≥0. Aber Wt 6= Bt.

66

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5.4 Bessel-Prozesse

5.4 Bessel-Prozesse

Sei (Px, Bt)x∈RN eine N -dimensionale BB auf RN und Rt = ‖Bt‖ sowie Qt = R2t =

N∑i=1

B(i)t

2.

Vorbemerkung:

(i) ∀x, y ∈ RN mit ‖x‖ = ‖y‖ gilt: Px(Rt ∈ ·) = Py(Rt ∈ ·) denn sei y ∈ Qx mit Qorthogonale Transformation des RN

⇒ Px(R0 ∈ ·) = Px(‖B0‖ ∈ ·) = PQx(‖QB0‖ ∈ ·) = Py(R0 ∈ ·).Daher: ∀r ≥ 0 : ∃ W-Maß Pr mit Pr(R0 ∈ ·) = Px(R0 ∈ ·) (∀x mit ‖x‖ = r).(Pr, Rt)r≥0 heißt N -dim Bessel Prozess auf [0,∞[= R+

(Pr, Qt) heißt N -dim Bessel-Quadrat-Prozess.

(ii) Nach Ito-Formel ist Q ein Semimartingal mit

dQt = 2N∑

i=1

B(i)t dB

(i)t + N dt

= 2Bt dBt + N dt

Satz 5.4.1. Sei B N -dimensionale BB, startend in x ∈ RN , N ≥ 2, und R = ‖B‖N -dim Bessel-Prozess, startend in r = ‖x‖ ≥ 0.

(i) Dann ist X =N∑

i=1X(i) mit X

(i)t =

t∫0

B(i)s

RsdB

(i)s eine stand. 1-dim BB.

(ii) Der Bessel-Prozess erfullt die SDG

dRt =N − 1

2Rtdt + dXt

(i.S.v. Rt = R0 +t∫0

N−12Rs

ds + Xt).

Beweis. Wegen

λ1 (s ∈ [0, t] : Rs = 0) ≤ λ1(s ∈ [0, t] : B(i)

s = 0)

= 0

ist X(i)t wohldefiniert und ebenso die SDG.

(i) Es gilt:∣∣∣B

(i)s

Rs

∣∣∣ ≤ 1⇒ X(i)t ∈M

〈X(i), X(j)〉t =

t∫

0

1

R2s

B(i)s B(j)

s δij ds = δij ·B(i)2(s)

R2(s)t

⇒ 〈X〉t =∑i,j〈X(i), X(j)〉t = t

⇒ X = 1-dim BB, X0 = 0.

67

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5 Ito-Formel und Anwendungen

(ii) Sei F : RN → R, F (x) = ‖x‖ =√

x21 + · · ·+ x2

N und ∀k ∈ N:

Fk : RN → R, Fk ∈ C∞, Fk = F auf x : ‖x‖ ≥ 1/k.Sei Tk,l = inft ≥ 1

l: ‖Bt‖ < 1/k. Dann folgt fur k →∞

Tk,l → Tl = t ≥ 1l

: ‖Bt‖ = 0 = +∞ (wegen N ≥ 2!) f.s.Nach der Ito-Formel gilt auf (t, w) : Tk(w) ≥ t > 1

l :

F (Bt) = F (B1/l) +

t∫

1/l

N∑

i=1

B(i)s

‖Bs‖dB(i)

s +1

2

t∫

1/l

N∑ 1

‖Bs‖ds

−1

2

t∫

1/l

i,j

B(i)s B

(j)s

‖Bs‖3d〈B(i), B(j)〉s

= F (B1/l) + Xt −X1/l +1

2

t∫

1/l

N − 1

Rsds,

denn ∂F∂xi

= xi‖x‖ ,

∂2F∂xi∂xj

=δij

‖x‖ −xixj

‖x‖3 (∀i, j = 1, . . . , N)

⇒ F (Bt) = F (B1/l) + Xt −X1/l + 12

t∫1/l

N−1Rs

ds auf⋃k,l

Tk ≥ t > 1l =]1l ,∞[×Ω.

⇒ Stetigkeit von F (B0) und X0.

F (Bt) = F (B0) + Xt −X0 + 12

t∫0

N−1Rs

ds auf R+ × Ω f.s.

Proposition 5.4.2. (i) N = 1, α ≥ 0: Px(‖Bt‖ = α,∃t > 0) = 1

(ii) N ≥ 2 : Px(‖Bt‖ = 0,∃t > 0) = 0

(iii) N = 2, α > 0: Px(‖Bt‖ = α,∃t > 0) = 1

N ≥ 3, α > 0: Px(‖Bt‖ = α,∃t > 0) =(

α|x| ∧ 1

)N−2

(iv) N ≥ 3: Px( limt→∞‖Bt‖ =∞) = 1

Bemerkungen 5.4.3. ad (iii) LHS=Px(inft>0‖Bt‖ ≤ α).

Stets gilt Px(supt>0‖Bt‖ ≥ α) = 1 (∀α ≥ 0,∀N ≥ 1) und

Px(lim supt→∞

‖Bt‖ =∞) = 1 (Satz vom iterierten Logarithmus)

(iv’) Fur N ≤ 2 gilt:

Px(lim inft→∞

‖Bt‖ = 0) = 1.

68

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5.4 Bessel-Prozesse

Beweis. von d) und d’):Sei α > 0, S0 = T0 = 0Sk = inft > Tk−1 : ‖Bt‖ ≤ αTk = inft > Sk : ‖Bt‖ ≥ k⇒ Px(Tk <∞) = Px(Sk <∞) (iterierter Logarithmus z.B.)

Px(Sk+1 <∞) = Px(Tk <∞) ·(

αk ∧ 1

)N−2.

Im Fall N = 2:

Px(Sk <∞) = 1 (∀k)

⇒ Px(Sk <∞,∀k) = 1

⇒ Px(lim inft→∞

‖Bt‖ ≤ α) = 1 (∀α > 0)

⇒ Px(lim inf ‖Bt‖ = 0) = 1

Im Fall N ≥ 3:

Px(Sk <∞) ≤k−1∏

i=1

i

)N−2

⇒ Px(Sk <∞,∀k) = 0

⇒ Px(lim inf ‖Bt‖ ≤ α) = 0 (∀α > 0)

⇒ Px(lim inf ‖Bt‖ =∞) = 1

Also: Die BB in RN ist

• transient, falls N ≥ 3

• rekurrent, falls N ≤ 2(sogar

”punkt-rekurrent“, falls N = 1).

Punkte des RN sind polar fur die BB ⇔ N ≥ 2.

69

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6 Brownsche Martingale

6.1 Zeitwechsel

Wir nehmen an, dass (Ω, (Ft)t∈R+ ,P) filtrierter Wahrscheinlichkeitsraum mit den ublichenBedingungen (also vollstandig und rechtsstetig) ist.

Definition 6.1.1. Ein Zeitwechsel (Tt)t∈R+ ist ein wachsender rechtsstetiger ProzessTt : Ω→ R+, t ∈ R+ mit Tt jeweils Stoppzeit.

Beispiele 6.1.2. (i) Tt := σ ∧ t (Stoppung durch Stoppzeit σ)

(ii) Tt := σ + t (Shift um Stoppzeit σ)

(iii) Tt := infs ≥ 0 : As > t, wobei (At) adaptiert, rechtstetig und wachsend (inf ∅ =+∞)

Bemerkung 6.1.3. Jeder Zeitwechsel ist von der Form (iii) mit

At := infs ≥ 0 : Ts > t, R+-wertig.

Lemma 6.1.4. Sei a : R+ → R+ wachsend, rechtsstetig → a∗ : R+ → R+:

a∗(t) := infs : a(s) > t ≡ sups : a(s) ≤ t ≡ Leba ≤ ta∗(t) := a∗(t−) ≡ Leba ≤ t ≡ infs : a(s) ≥ t

sups : a(s) < t

links- bzw. rechts-stetige Verteilungs-funktion von a

(i) a∗ ist linksstetig, a∗ ist rechtsstetig.

(ii) a = t = [a∗(t), a∗(t)[ oder [a∗(t), a

∗(t)] ∩ R+ ∀t ∈ R+ Insbesondere gilt: a = tabgeschlossen. ⇒ a = t = [a∗(t), a

∗(t)] ∩ R+.⇒ a∗ kleinste, a∗ großte Rechtsinverse von a : R+ → a(R+)

(iii) a(t) = infs : a∗(s) > t(≡ a∗∗(t) falls a∗ <∞︸ ︷︷ ︸d.h. aր∞

)

Insbesondere ist die Rolle von a und a∗ symmetrisch, falls man fur a auch denWert ∞ zulasst.

Beweis. (ii) a = t = ∅: Dann ist a∗(t) = a∗(t) und somit a = t = [a∗(t), a∗(t)[= ∅

a = t 6= ∅: Dann ist a∗(t) <∞ und a = t ist ein Intervall der Lange

Leb(a = t) = Leb(a ≤ t)− Leb(a < t) = a∗(t)− a∗(t)

71

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6 Brownsche Martingale

s

t

r

a∗(r) a∗(t−) a∗(t) a∗(s)

Graph von a

Abbildung 6.1: Darstellung der Rechts- und Links-Inversen von a

Sei s := linker Endpunkt von a = t. Bleibt zu zeigen: a(s) = t︸ ︷︷ ︸Klar, da a rechtsstetig

und

s = a∗(t), aber s = infr : a(r) = t a rechtsstetig= infr : a(r) ≥ t = a∗(t)

(iii)∫r : a(r) > s = a∗ > t ⇒ a(t) ≤ s, da a(t) ≤ infs : a∗(s) > t.

Umgekehrt ist a∗(a(t)) ≥ t ∀t.Insbesondere a∗(a(t + ǫ)) ≥ t + ǫ > t. ⇒ a(t + ǫ) ≥ infs : a∗(t) > t ∀ǫ > 0.a rechtsstetig⇒ a(t) ≥ infs : a∗(t) > t

Definition 6.1.5. Sei b : R+ → R+ wachsend und rechtsstetig. Eine Funktion f : R+ →R heißt b-stetig, wenn f |[b(t−),b(t)] fur alle t mit b(t) <∞ konstant ist.

Beispiel 6.1.6. Sei a : R+ → R+ wachsend, stetig (somit ist a∗ : R+ → R+ wachsendund rechtsstetig). Dann ist a a∗-stetig.

Denn: Sei a∗(t−)︸ ︷︷ ︸ a∗(t) ≤ s ≤ a∗(t) <∞ Lem 6.1.4 (ii)⇒ a(s) = a(a∗(t))

Definition 6.1.7. Sei X ein adaptierter Prozess mit Werten in R (oder R). Wir nennen(Tt)t einen endlichen Zeitwechsel, falls Tt <∞ f.s., bzw. (Tt) einen beliebigen Zeitwech-sel, falls X∞ := lim

t→∞Xt in R P-f.s. existiert. Dann ist X : Xt := XTt adaptiert an

Ft := FTt ≡ A ∈ F∞ : A ∩ Tt ≤ r ∈ Fr ∀r ∈ R+.

Bemerkung 6.1.8. (Ft)t∈R+ erfullt wieder die ublichen Bedingungen.

Denn:

72

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6.1 Zeitwechsel

Vollstandigkeit: X

Rechtsstetigkeit: Sei A ∈ ⋂s>t

FTs . Zu zeigen: A ∈ FTt .

A ∩ Tt < r T wachsend und=

rechtsstetig

n∈N

A ∩ Tt+ 1n

< r ∈ Fr

nach Vor. A∈FTt+ 1

n

A ∩ Tt ≤ r =⋂

n≥k

A ∩ Tt < r +1

n ∈ Fr+ 1

k∀k ∈ N,

d.h. A ∩ Tt ≤ r ∈ Fr+ = Fr

Bemerkung 6.1.9. Offensichtliche Probleme:

(i) Lokale Martingale sind nicht invariant unter Zeitwechsel:Z.B.: Sei X eine Brown’sche Bewegung, At = max

0≤s≤tXs, Tt := infs ≥ 0 : As > t.

DannXt := XTt = t

(ii) Sei (Tt) rechtsstetig, aber nicht stetig. Dann ist X im Allgemeinen nicht stetig,obwohl X stetig.

Definition 6.1.10. Sei (Tt) ein Zeitwechsel. Ein Prozess X heißt (Tt)-stetig, fallsX·(ω) T·(ω)-stetig︸ ︷︷ ︸

d.h. t 7→ Xt(ω) konstant

auf allen Sprungintervallen

[Tt−(ω), Tt(ω)] mit Tt(ω) < ∞

fur fast alle ω ∈ Ω.

Beispiel 6.1.11. Sei X ∈Mloc. Dann ist Tt := infs ≥ 0 : 〈X〉x > t.1

⇒ 〈x〉 ist (Tt)-stetig ⇐⇒ X ist (Tt)-stetig.

Denn: Zu X ∈Mloc ∃ Nullmenge N : ∀ω 6∈ N, r < s 〈X〉r(ω) = 〈X〉s(ω) ⇐⇒ X·(ω)|[r,s]konstant.

Bemerkung 6.1.12.

〈X〉Tt = t ∧ 〈X〉∞Bemerkung 6.1.13. Sei X ∈M 2 := stetige L2-beschrankte Martingale.Dann folgt:

(i) X∞ := limt→∞

Xt existiert f.s. und in L2, und XT = E[X∞|FT ] ∀ Stoppzeiten T .

(ii) X∗ := supt∈R+

|Xt| ∈ L2 und 〈X〉∞ ∈ L1.

Satz 6.1.14. Sei (Tt) ein beliebiger Zeitwechsel. Ferner sei X ∈ M 2 und X Tt-stetig.

Dann ist X ∈ M 2 := stetigen L2-beschrankten Ft-Martingale (d.h. Xt = Xτt ∈ M 2

(bzgl. Ft = FTt)) und

〈X〉t = 〈X〉t − 〈X〉T0 .

73

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6 Brownsche Martingale

Beweis. Sei X (Tt)-stetig ⇐⇒ 〈X〉 Tt-stetig, insbesondere X, 〈X〉 stetige Prozesse.Dann ist

XTt = E[X∞|FTt ], d.h. X ∈ M2.

X2 − 〈X〉 ∈M majorisiert durch (X∗)2 + 〈X〉∞ ∈ L1.

⇒ XTt−〈X〉Tt = E[(X2−〈X〉)∞|FTt ], d.h. X2−〈X〉 ∈ M , ebenso X2−(〈X〉−〈X〉T0) ∈M .⇒ 〈X〉 − 〈X〉T0 ist quadratische Variation von X.

Satz 6.1.15. Sei (Tt) ein endlicher Zeitwechsel, X ∈ Mloc und X Tt-stetig. Dann ist

X ∈Mloc := stetige lokale (Ft)Martingale und 〈X〉 = 〈X〉 − 〈X〉0

Dafur zunachst folgendes Lemma:

Lemma 6.1.16. Sei a : R+ → R+ wachsend und rechtsstetig und f : R+ → R a-stetig.Dann ∀t ∈ R+:

f(a(a∗(s) ∧ t)) =

f(s ∧ a(t)) ⇐⇒ s ≥ a(0)

f(a(0)) ⇐⇒ 0 ≤ s ≤ a(0)

Beweis. Sei a∗(s) := infr : a(r) ≥ s. Dann ist s ≤ a(t) ⇐⇒ a∗(s) ≤ t (Denn: ”´⇒“

nach Definition und ”´⇐“, da a(t + ǫ) ≥ s ∀ǫ a rechtsstetig⇒ a(t) ≥ s)

Es gilt

a(a∗(s)−)︸ ︷︷ ︸=supa(r):r < a∗(s)︸ ︷︷ ︸

a(r)<s

≤ s ≤ a(a∗(s)) ∀s ∈ [a(0), a(∞)] ∩ R+

Nun ist f aber a-stetig, somit f(s) = f(a(a∗(s))) fur jedes solche s.Damit

f(a(a∗(s) ∧ t)) =

f(a(0)) ⇐⇒ 0 ≤ s < a(0)

f(s) ⇐⇒ a(0) ≤ s ≤ a(t)

f(a(t)) ⇐⇒ s > a(t)

des Satzes 6.1.15. Sei ohne Einschrankung X0 = 0, σ eine Stoppzeti mit Xσ ∈M 2 undσ := inft ∈ R+ : Tt ≥ σ.Dann ist σ eine (Ft)-Stoppzeit, denn σ ≤ t = σ ≤ Tt ∈ Fσ ∩FTt ⊆ FTt ∀t.

Xσt = Xσ∧t

= XTσ∧t

2

=

Xσ∧Tt auf σ ≥ T0XT0 auf σ < T0

74

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6.1 Zeitwechsel

Somit

X σ −XT0 = Xσ −XσT0

(auf σ ≥ T0 gemaß obigemauf σ < T0 mit 0 = 0)

(6.1)

Ebenso 〈X〉 (Tt)-stetig

Rechnung in Fußnote mit f = 〈X〉·(ω)=⇒ 〈X〉

σ− 〈X〉T0 = 〈Xσ〉 − 〈Xσ〉T0 (6.2)

Wahle nun eine Folge (σn)n mit Xσn ∈M 2, σn ր∞. Z.B. σn := inft : |Xt| > n.Dann σn ր∞ f.s. (Denn: σn ≤ t = σn ≤ Tt ց ∅, da Tt endlich und σn ր∞).

Xσn ∈M2 Satz 6.1.14⇒ Xσn ∈ M

2︸ ︷︷ ︸6.1⇒Xσn∈M 2

und 〈Xσn〉︸ ︷︷ ︸6.1= 〈X σn〉︸ ︷︷ ︸

=〈X〉σn

= 〈Xσn〉 − 〈Xσn〉0︸ ︷︷ ︸6.2= 〈X〉

σn−〈X〉T0

Damit X ∈ Mloc und 〈X〉 = 〈X〉 − 〈X〉T0

Definition 6.1.17. Sei X ∈ S und F linksstetiger, adaptierter, lokal-beschrankterProzess. Dann

F •X ∈ S : (F •X)t :=

t∫

0

F dX

Satz 6.1.18. Sei (Tt) ein endlicher Zeitwechsel, X und F wie oben, (Tt)-stetig. Dannist

F • X = F •X − (F •X)0

Beweis. (i) X ∈ A (pfadweiser Fall):

Lemma 6.1.19 (Transformations-Lemma). Sei a : R+ → R+ wachsend undrechtsstetig, g : R+ → R wachsend und stetig, g a-stetig, dann gilt: g a ist stetig.

Mit diesem Lemma gilt dann:

t∫

0

(f a) dµfa =

a(t)∫

a(0)

f dµg ∀f : R+ → R+ messbar.

(Dabei ist fur h : R+ → R wachsend und rechtsstetig, µh das durch µh([0, t]) :=h(t)− h(0) festgelegte Borelmaß auf L (R+ ”´Maß mit Verteilungsfunktion h“)

2Denn: Mit Lemma 6.1.16 mit f = X·(ω), a = T·(ω) : R+ → R+ rechtsstetig, σ(ω) = a∗(σ(ω)) undnach Voraussetzung f a-stetig, s = σ(ω):

XTσ∧t= f(a(a∗(s) ∧ t)) =

f(s ∧ a(t)) = Xσ∧Tt

(ω) , fallsσ(ω) ≥ T0(ω)

f(a(0)) = XT0(ω) , sonst

75

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6 Brownsche Martingale

Transformations-Lemma mit a = T·(ω), g = X·(ω), f = F·(ω):

t∫

0

(f a) dµga

︸ ︷︷ ︸=

t∫0

F dX

=

a(t)∫

a(0)

f dµg

︸ ︷︷ ︸Tt∫

T0

F dX=Tt∫0

F dX−∫0

T0

(ii) Sei X ∈Mloc, linke Seite gleich F • X und rechte Seite gleich F •X − (F •X)T0 .Dann bleibt zu zeigen, dass 〈l.S.−r.S.〉 = 0. Dafur fuhren wir die Funktion ζ(X) :=X ein.

〈l.S.− r.S.〉 = 〈ζ(F ) • ζ(X)− ζ(F •X)〉= 〈ζ(F ) • ζ(X)〉︸ ︷︷ ︸

=(∗)

+〈ζ(F •X)〉 − 2 〈ζ(F ) • ζ(X), ζ(F •X)〉︸ ︷︷ ︸=(†)

(∗) = ζ(F 2) • 〈ζ(X)〉 Satz 6.1.15= ζ(F 2) • ζ(〈X〉)

pfadweiser Fall= ζF 2 • 〈X〉)− (F 2 • 〈X〉)T0

= ζ(〈F •X〉)− (F •X)T0

Satz 6.1.15= 〈ζ(F •X)〉

(†) = 〈ζ(F ) • ζ(X), ζ(F •X)〉 = ζ(F ) • 〈ζ(X), ζ(F •X)〉Satz 6.1.15

= ζ(F ) • ζ(〈X, F •X〉)pfadweiser Fall

= ζ(F • 〈X, F •X〉)− (F • 〈X, F •X〉)T0

= ζ(〈F •X〉)− 〈F •X〉T0

Satz 6.1.15= 〈ζ(F •X)〉

6.2 Lokale Martingale und zeittransformierte BBen

Satz 6.2.1. Sei (Xt) eine d-dimensionale BB bzgl. (Ft) und τ eine endliche Stoppzeit.Dann ist Bt = Xτ+t −Xτ eine BB bzgl. (Fτ+t).

Beweis. Sei T − t = τ + t ein endlicher Zeitwechsel. Dann ist (Bt)t ein d-dimensionalesMartingal und

〈B(i), B(j)〉t = 〈X(i), X(j)〉τ+t − 〈X(i), X(j)〉τ = δi,j(τ + t)− δi,j · t

Somit ist (Bt)t eine BB.

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6.2 Lokale Martingale und zeittransformierte BBen

Satz 6.2.2 (Dubins-Schwarz). Sei X ∈ Mloc mit X0 = 0 und 〈X〉∞ = ∞ f.s. und

sei τt = infs ≥ 0 : 〈X〉s > t, dann ist Bt = Xτt eine 1-dimensionale, standardBrown’sche Bewegung bezuglich (Fτt) und Xt = B〈X〉t.

Beweis. (Tt) ist ein endlicher Zeitwechsel, da 〈X〉∞ = ∞ f.s. und (Xt)t ist (Tt)t-stetig(”Wenn 〈X〉t konstant, dann auch Xt“).⇒ B ist somit (FTt)-lokales Martingal mit B0 = 0 und 〈B〉t = 〈X〉Tt = t⇒ B ist 1-dimensionale standard BB

Definition 6.2.3. Sei τ eine Stoppzeit. Ein Prozess (Bt)t≥0 heißt bei τ gestoppte stan-dard BB, falls

• B ∈Mloc

• 〈B〉t = t ∧ τ

Satz 6.2.4. (i) Sei X ∈Mloc und definiert durch

Bt =

XTt , t < 〈X〉∞X∞, , sonst

(wobei X∞ := limt→∞

Xt auf 〈X〉∞ existiert!).

Dann ist (Bt)t≥0 eine bei τ = 〈X〉∞-gestoppte standard BB, d.h. B ∈ Mloc und

〈B〉t = t ∧ τ .

(ii) Fur jede bei einer Stoppzeit gestoppte BB B (auf einem filtrierten Wahrscheinlich-keitsraum (Ω, (Ft),P)) existiert eine Erweiterung des Wahrscheinlichkeitsraumes

(Ω, (Ft), P) und darauf eine BB B mit Bπ = Bτ , wobei π : Ω→ Ω die Projektionist.

Beweis. (i) Sei (Tt) ein beliebiger Zeitwechsel, T(n)t = Tt∧n endlich ∀n. B

(n)t := X

T(n)t

.

Dann ist〈B(n)〉t = 〈X〉Tt∧n = t ∧ 〈X〉n ր t ∧ 〈X〉∞

(ii) Wahle Einen Wahrscheinlichkeitsraum (Ω′, (F ′t),P

′) mit BB B′ und bilde Ω =Ω× Ω′, Ft = Ft ⊗F ′

t , P = P⊗P′.

Bt(ω, ω′) :=

Bt(ω) , falls t < τ(ω)

Bτ (ω) + B′t(ω

′)−B′τ(ω)(ω

′) , falls t ≥ τ(ω)

=

t∫

0

1[0,τ(ω)] dBs(ω) +

∫ t

01]τ(ω),∞[(s) dB′

s(ω′)

⇒ B ∈Mloc und

〈B〉t(ω, ω′) =

t∫

0

1[0,τ(ω)] ds +

t∫

0

1]τ(ω),∞[(s) ds + 2

1∫

0

1]τ(ω),∞[ d 〈B, B′〉s︸ ︷︷ ︸=0, da unabh.

= t

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6 Brownsche Martingale

⇒ B ist BB.

6.3 Darstellung als stochastische Integrale

Gegeben (und im folgenden fix): B = (Bt)t≥0 1-dimensionale stand. BB mit Filtration(Ft)t≥0.

Definition 6.3.1. (i) (Bt) heißt (Ft)-BB, falls B eine an (Ft) adaptierte BB ist und∀t ≥ 0 der Prozess X = (Xs)s≥0 mit Xs = Bt+s −Bt unabhangig von Ft ist.

(ii) (Ft) heißt Brown’sche Filtrierung, falls es die kleinste Filtrierung ist, die dieublichen Bedingungen erfullt, und bzgl. der B messbar ist.Also Ft = F0

t+ mit Ft0 = σ(Bs : s ≤ t).

Es sei nun J die Menge der deterministischen Elementarprozesse f : R+ → R der Form

f =n∑

j=1λj · 1]tj−1,tj ](t).

Ef ·B bezeichne das exponentielle Martingal zu

Ft = f ·Bt =n∑

j=1λj(Btj∧t −Btj−1∧t). Also insbesondere

Ef•Bt = exp

n∑

j=1

λj(Bt∧tj −Bt∧tj−1)−1

2

n∑

j=1

λ2j (t ∧ tj − t ∧ tj−1)

und

Ef•B∞ = exp

F∞ −

1

2

n∑

j=1

λ2j (tj − tj−1)

= const · exp(F∞).

Lemma 6.3.2. Sei (Ft)t Brownsche Filtration. Die Menge Ef ·B∞ : f ∈ J ist total in

L2(Ω,F∞, P ), d.h. der Abschluss der linearen Hulle linEf ·B∞ : f ∈ J = L2(Ω,F∞, P ).

Beweis. Annahme: Die Behauptung gilt nicht.

(i) Wir fixieren ein 0 6= Y ∈ L2(Ω,F∞, P ) mit Y orthogonal zu jedem Ef ·B∞ fur f ∈ J .

Wir wollen zeigen: Y · P ist Null-Maß auf (Ω,F∞) (⇐⇒ Y = 0 in L2).Dazu genugt es zu zeigen:Y · P ist Null-Maß auf (Ω, σ(Bt1 , . . . , Btn)) fur jede endliche Folge (t1, . . . , tn).Fixiere eine solche Folge mit t0 = 0.

78

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6.3 Darstellung als stochastische Integrale

(ii) Die Funktion ϕ : Cn → C

ϕ(z1, . . . , zn) = E

(exp

(n∑

j=1zj(Btj −Btj−1)

)· Y)

ist holomorph.

Denn:

ϕ(z1, . . . , zn) = E(exp(

∑zj(Btj −Btj−1)) ·E(Y |Bt1 , . . . , Btn)

)

=

Rn

exp

n∑

j=1

zj(xj − xj−1)

· g(x1, . . . , xn)µ(dx1, . . . , dxn)

mit µ = (Bt1 , . . . , Btn)∗P︸ ︷︷ ︸”Push-Forward“

= P(Bt1 ,...,Btn) gemeinsame Verteilung von (Bt1 , . . . , Btn)

und geeignetem g (faktorisierter bedingter Erwartung) mit E(Y |Bt1 , . . . , Btn) =g(Bt1 , . . . , Btn).

(iii) Nach Voraussetzung ist Y orthogonal zu jedem Ef ·B∞ fur f ∈ J , d.h. insbesondere

ϕ(λ1, . . . , λn) = 0 ∀λ1, . . . , λn ∈ R⇒ ϕ ≡ 0 auf Cn

⇒ E(exp

[i∑

zj(Btj −Btj−1)]· Y)

= 0 (∀z = (z1, . . . , zn) ∈ Cn)Dieses entspricht der Fourier-Transformation der Verteilung von

(Bt1 −Bt0 , . . . , Btn −Btn−1)

unter dem Maß Y · P .⇒ das Maß Y · P ist Null auf

σ(Bt1 −Bt0 , . . . , Btn −Btn−1

)= σ(Bt1 , . . . , Btn)

(denn Bt0 = B0 = 0).

Proposition 6.3.3. ∀F ∈ L2(Ω,F∞, P ) : ∃!H ∈ L2(R+ × Ω,Pred, λ⊗P) mit

F = E(F ) +

∞∫

0

Hs dBs (6.3)

Hier Pred = P = vorhersagbare σ-Algebra.

Beweis. (i) SeiH = F ∈ L2(Ω,F∞, P ) mit der Darstellung (6.3) fur ein H ∈ L2(R+×Ω, Pred, λ⊗P).Fur F ∈ H gilt:

E(F 2) = E(F )2 + E

∞∫

0

H2s dBs

(6.4)

79

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6 Brownsche Martingale

Folglich: Ist (F (n))n Cauchy-Folge in H ⊂ L2(Ω,F∞, P ), so ist die zugehorige Folge(H(n))n Cauchy-Folge in L2(R+ × Ω, Pred, λ⊗P).Also H(n) → H ∈ L2(R+ × Ω, Pred, λ⊗P).Ferner gilt

E(F (n))→ E(F )

und damit F = E(F ) +∞∫0

Hs dBs, d.h. F ∈ H und damit:

H ist abgeschlossen (in L2(R+ × Ω, Pred, λ⊗P)).

(ii) Andererseits gilt: H ⊃ Ef ·B∞ : f ∈ J, denn mit der Ito-Formel folgt:

Ef ·B∞ = 1 +

∞∫

0

Ef ·Bs f(s) dBs

= E(Ef ·B∞ ) +

∞∫

0

Hs dBs

(iii) Ferner: H = linH und linEf ·B∞ : f ∈ J = L2 (nach Lemma)

⇒ H = L2(Ω,F∞, P ), d.h. H in (6.3) existiert stets.

(iv) Eindeutigkeit: folgt aus (6.4).

Satz 6.3.4 (Ito). Jedes lokale (Ft)-Martingal M besitzt eine stetige Version mit derDarstellung

Mt = M0 +

t∫

0

Hs dBs (∀t ∈ R+)

mit eindeutig bestimmtem, vorhersagbarem H = L2loc(R+×Ω,Pred, λ⊗P) und konstan-

tem M0.Fur stetiges M gilt:

Ht =d

dt〈M, B〉t (Radon-Nikodym-Ableitung),

wobei 〈M, B〉t =∫ t0 Hs ds ist.

Beweis. O.E. sei M stets rechtsstetig und M0 = 0.

(i) Sei zunachst M ein L2-beschranktes MartingalDann gibt es - nach dem Martingalkonvergenzsatz 2.4 - ein M∞ ∈ L2 und - nach

80

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6.3 Darstellung als stochastische Integrale

Proposition 6.3.3 - ein H ∈ L2(R+ × Ω, Pred, λ⊗P) mit:

Mt = E(M∞|Ft) = E(M∞) + E

∞∫

0

Hs dBs

∣∣∣∣∣∣Ft

= E(M∞) +

t∫

0

Hs dBs + E

∞∫

t

Hs dBs

∣∣∣∣∣∣Ft

︸ ︷︷ ︸=0, da

∫∞t Hs dBs unabh. von Ft

= E(M∞) +

t∫

0

Hs dBs

Damit folgt die Behauptung (insbesondere M stetig).

(ii) Sei nun M ein gleichgradig integrierbares Martingal. Es gibt also ein M∞ ∈ L1.Da L2 dicht in L1, gilt:∃ Folge (Mn)n von L2-beschrankten Martingalen mit E

[∣∣M∞ −M (n)∣∣]→ 0 (bzw.

∃ Folge (Mn∞) in L2: E

[∣∣∣M∞ −M(n)∞

∣∣∣]→ 0).

Aufgrund der Doobschen Maximal-Ungleichung

P

(sup

t|Mt −Mn

t | > λn

)≤ 1

λnE (|M∞ −Mn

∞|) , λn → 0

und wegen Borel-Cantelli (∑

P(An) <∞⇒ P(lim supAn) = 0), gibt es eine Teil-folge (Mnk), die f.s. gleichmaßig gegen M konvergiertDaraus folgt M ist f.s. stetig!

(iii) Sei nun M ein beliebiges rechtsstetiges lokales Martingal bzgl. (Ft).⇒ ∃ Stoppzeiten Tn mit MTn rechtsstetiges Martingal⇒MTn∧n gleichgradig integrierbares, rechtsstetiges Martingal ⇒ f.s. stetig⇒M f.s. stetig.

Wahle nun Tn = inft > 0 : |Mt| > n, dann ist MTn beschrankt und nachnach Teil (i) folgt: ∀n : ∃! Hn ∈ L2(R+ × Ω, Pred, λ⊗P):

MTn = Hn •B

∀m ≥ n : (MTm)Tn = (Hm •B)Tn = (Hm1[0,Tn]) •B

⇒ Hn = 1[0,Tn]Hm

⇒ ∃ H ∈ L2loc(R+ × Ω, Pred, λ⊗P) mit Hn = 1[0,Tn]H (∀n)

und M = H •B.

81

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6 Brownsche Martingale

Korollar 6.3.5. Sei B eine d-dimensionale stand. BB und (Ft)t die davon erzeugteminimale Filtration, die den ublichen Bedingungen genugt. Dann gilt:∀ lokale Martingale M bzgl. (Ft): ∃ stetige Version und ∃H i

t ∈ L2loc(R+ × Ω,Pred, λ1 ⊗

P ), i = 1, . . . , d, und eine Konstante C, so daß

Mt = C +d∑

i=1

H it •Bi

t = C + (H •B)t

Beweis-Idee: O.B.d.A. M0 = 0.Sei F i die von (Bi

t) erzeugte Filtration mit den ublichen Bedingungen, dann

M it := E(Mt|F i

t ) ⇒ M it Martingal bzgl. (F i

t )

⇒ ∃H it : M i

t = H it •Bi

t

Ferner

(Bi) unabhangig ⇒ (F i) unabhangig

⇒ Mt = E(Mt|Ft) =d∑

i=1

E(Mt|F it ) =

d∑

i=1

M it

Bemerkung 6.3.6. Offensichtlich

〈M, Bi〉t =

⟨∑

j

Hj •Bj , Bi

t

=∑

j

(Hj • 〈Bj , Bi〉

)t=

t∫

0

H i(s) ds

und damit H i(t) = d〈M,Bi〉tdt (Radon-Nikodym).

6.4 Der Satz von Girsanov

Im folgenden sei (Ω,F ,P) ein (Ft)-filtrierter W-Raum mit den ublichen Bedingungenund (Wt)t≥0 = (W 1

t , . . . , WNt ) sei eine N -dimensionale Standard-Brown’sche Bewegung.

Ferner sei Z ∈M und Z ≥ 0, d.h. wirklich ein Martingal (s. Abschnitt 6.5) mit

E(ZT ) = 1, ∀0 ≤ T <∞.

Definition 6.4.1. ∀t ∈ [0,∞[ definiere W-Maß Qt = ZtP auf (Ω,Ft), d.h.

Qt(A) =

A

Zt dP (∀A ∈ Ft).

Wegen Z ∈M gilt fur alle 0 ≤ S < T <∞: QS = QT auf FS (”Konsistenz”).

82

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6.4 Der Satz von Girsanov

Achtung: i.A. existiert kein Maß Q auf F∞ mit QS = Q auf FS (∀S).

Lemma 6.4.2. Fur alle Z > 0, Z ∈ Mloc∗ gibt es ein eindeutig bestimmtes L ∈ Mloc

mit

Z = EL = exp

(L− 1

2〈L〉)

Namlich:

Lt = log Z0 +

t∫

0

1

ZsdZs,

und somit

〈Lt〉 =

t∫

0

1

Z2s

d〈Z〉s

Beweis. Mit der Ito-Formel folgt:

log Zt =

=Lt︷ ︸︸ ︷

log Z0 +

t∫

0

1

ZsdZs−

1

2

t∫

0

1

Z2s

d〈Z〉s

= Lt −1

2〈L〉t.

Beobachtungen Sei Z > 0 und Q = ZP

(i) Ist S eine Semimartingal bzgl. (Ω,Ft,P) so auch bzgl. (Ω,Ft,Q) mit derselbenquadratischen Variation 〈S〉.

(ii) Allerdings andern sich die Doob-Meyer-Zerlegungen:

S = M + A in (Ω,Ft,P)

= N + B in (Ω,Ft,Q)

Ziel: Berechnung von N (aus M und Z).Annahme: Z ∈M, T ∈ [0,∞[ fix und QT = ZPT .

Lemma 6.4.3. Sei 0 ≤ s ≤ t ≤ T , Y Ft-messbar und EQT(|Y |) < ∞. Dann gilt mit

dem Satz von Bayes:

EQT(Y |Fs) =

1

ZsEP(Y Zt|Fs) f.s. bzgl. P und QT

83

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6 Brownsche Martingale

Beweis. ∀A ∈ Fs:∫

A

1

ZsEP(Y Zt|Fs) dQT =

A

EP(Y Zt|Fs) dP

=

A

Y Zs dP

=

A

Y dQT

Bezeichnungen: Mloc0,T = stetige lokale MartingaleM = (Mt)0≤t≤T

bzgl. (Ω,FT , P, (Ft)0≤t<T ) mit M0 = 0und Mloc

0,T = stetige lokale MartingaleM = (Mt)0≤t≤T

bzgl. (Ω,FT , QT , (Ft)0≤t<T ) mit M0 = 0

Proposition 6.4.4. Sei M ∈ Mloc0,T , dann ist Mt := Mt − 〈M, L〉t ∈ M loc

0,T und 〈M〉 =〈M〉 auf [0, T ]× Ω f.s. bzgl. P und QT .

Beweis. O.B.d.A. M, 〈M〉 und 〈L〉 beschrankt (in t, ω). Dann ist auch M beschrankt.Mit partieller stochastischer Integration folgt:

ZtMt =

t∫

0

Zu dMu +

t∫

0

Mu dZu

also ist (ZtMt)0≤t≤T Martingal unter P.Mit dem Lemma 6.4.3 folgt: Fur alle 0 ≤ s ≤ t ≤ T gilt:

EQT(Mt|Fs) =

1

ZsEP(ZtMt|Fs) = Ms f.s.

Somit ist M ∈ Mloc0,T .

Korollar 6.4.5. Fur M, N ∈Mloc0,T gilt 〈M, N〉 = 〈M, N〉.

Beweis.

〈M, N〉 =1

4

(〈M + N〉 − 〈M − N〉

)

=1

4

(〈M + N〉 − 〈M −N〉

)

=1

4(〈M + N〉 − 〈M −N〉)

= 〈M, N〉

84

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6.4 Der Satz von Girsanov

Satz 6.4.6 (Girsanov, Cameron&Martin, Maruyama). Sei (Wt)t≥0 eine d-dimensionaleBB und (Ft)t≥0 die von (Wt) erzeugte Filtration mit den ublichen Bedingungen. Sei(Xt)t≥0 = (X1

t , . . . , XNt )t≥0 ∈ L2

loc(R+ × Ω,Pred, λ1 ⊗P)N und

Zt := EX·Wt = exp

(N∑

i=1

t∫0

Xis dW i

s − 12

t∫0

‖Xs‖2 ds

).

Definiere ferner W it = W i

t −t∫0

Xis ds, i = 1, . . . , N , 0 ≤ t <∞.

Falls Z ein Martingal ist, dann ist fur alle T < ∞ der Prozeß W = (Wt)0≤t≤T eineN -dimensionale BB auf (Ω,FT , QT , (Ft)0≤t≤T ).

Beweis. Fur alle i = 1, . . . , N gilt:

W it − 〈W i, L〉t = W i

t − 〈W i,∑

j

Xj ·W j〉t

= W it −

j

(Xj · 〈W i, W j〉

)t

= W it −

t∫

0

Xis ds = W i

t

also W i = W i − 〈W i, L〉 ∈ Mloc0,T nach Proposition 6.4.4 und ferner 〈W i, W j〉t =

〈W i, W j〉t = δij · t.Also ist W eine N -dimensionale BB (Satz von Levy).

Bemerkung 6.4.7. Sei Ω = C(R+, E), E ein polnischer Raum und V = (Vt)t≥0 mitVt : Ω → E Projektion. Sei F0

t = σ(Vs : s ≤ t) die von V erzeugte Filtration enthaltenin Ft.Dann gibt es ein W-Maß Q auf (Ω,F0

∞) mit ∀T <∞ : Q = QT auf F0T (⊂ FT ).

Denn: Fur I = t1, . . . , tn definiere ein W-Maß QI auf (EI ,B(EI)) durch

QI(A) = QT (ω ∈ Ω : (Vt1(ω), . . . , Vtn(ω)) ∈ A)

fur beliebige T ≥ tn und alle A ∈ B(En).Dann ist QI , I end. ⊂ R+ eine projektive FamilieEs gibt demnach ein W-Maß Q = QR+ auf (ER+ ,B(E)R+), den projektive Limes.

Also gilt fur T < ∞ : Q = QT auf (C(R+, E),F0T ) und Q := Q|C(R+,E) leistet das

Gewunschte.

Bemerkungen 6.4.8. (i) Das kanonische Modell ist der Wiener-Raum, dort gibt esein Q auf (Ω,F0

∞).In dieser Situation gilt:

Wt = Wt −t∫

0

Xs ds ist N -dimensionale BB auf (Ω,F0∞,Q, (F0

t )0≤t<∞)

85

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6 Brownsche Martingale

(ii) Warum haben wir in der allgemeinen Situation nur W-Maße Q,P mit Q = ZTP

auf (Ω,FT ) fur alle T betrachtet, wobei Z ∈M und E(Z0) = 1?Antwort: Da Q ≪ P auf (Ω,FT ) gibt es ein (Ft)-messbares ZT , ZT : Q = ZTP

auf (Ω,FT ).Wegen der Konsistenz gilt, dass Z = (ZT )T≥0 ein Martingal ist mit E(Z0) = 1.

(iii) Im Allgemeinen folgt aus Obigem nicht Q ≪ P auf (Ω,F0∞) (und naturlich nicht

auf (Ω,F∞)).

Bsp: Sei W eine 1-dimensionale BB, F0t = FW

t , Xt = α 6= 0 und Zt = eαWt−α2

2t

(also Zt Martingal!)

Dann ist Wt = Wt − αt eine 1-dimensionale BB bzgl. Q mit Q = ZtP auf F0t .

Sei A =

limt→0

1t Wt = α

Dann ist Q(A) = Q(

limt→0

1t Wt = 0

)= 1 (⇐ iterierter Logarithmus fur Wt)

aber P(A) = 0 (⇐ iterierter Logarithmus fur Wt)⇒ Q ist nicht absolut stetig bzgl. P.

(iv) Folgende Aussagen sind aquivalent:

(1) Q≪ P auf F0∞.

(2) Z ist gleichgradig integrierbar.

(v) Warum laß t sich in (i) Q nicht zu einem W-Maß auf (Ω,F∞) fortsetzen?

Hier (typischerweise): Ft = F0t+

Pund F∞ = ∩Ft.

Antwort: Gegegeben sei A ∈ F0∞ mit P(A) = 0 und Q(A) > 0.

Dann sind alle A′ ⊂ A in F∞

⇒ man setzt P(A′) = 0 aber Q(A′) 6= 0.

Dieses Problem tritt nicht auf, wenn man F (0)T statt F (0)

∞ und QT statt Q betrach-tet. Denn es gilt stets QT ≪ P auf FT .

6.5 Die Novikov-Bedingung

Wir betrachten nun wieder allgemein (Ω,F ,P) mit einer Filtration (Ft)t≥0, die denublichen Bedingungen genugt. Sei L ∈M0 und Z = EL = exp

(L− 1

2〈L〉).

Wir wissen bereits:

• Z ∈Mloc, Z ≥ 0, Z Supermatingal, E(Z0) = 1

• (Z ∈M⇔ E(Zt) = 1 ∀t)

Satz 6.5.1 (Novikov ’72). Z = EL ist ein Martingal, falls

E

(exp

(1

2〈L〉t

))<∞ (∀t)

86

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6.5 Die Novikov-Bedingung

Beweis. (i) Nach einer eventuellen Erweiterung von (Ω,F ,P,Ft) existiert eine BBB = (Bt)t≥0 auf (Ω,G,P,Gt) mit

Lt = B〈L〉t .

Fur n ∈ N definieren wir folgende Stoppzeiten bzgl. (Gt)

Sn = infs ≥ 0 : Bt − t ≤ −nNach der Wald-Identitat gilt E

[exp

(BSn − 1

2Sn

)]= 1. Also E

[exp

(12Sn

)]= en.

(ii) Betrachte nun die lokalen Martingale bzgl. (Gt)

Yt = exp

(Bt −

1

2t

)=(EB)t

und Y nt = Yt∧Sn .

Es gilt

E[Yt] = E[exp(Bt −1

2t)]

=

R

exp(x− 1

2t) · (2πt)−1/2 exp(−x2

2t) dx

= (2πt)−1/2

∫exp(−(x− t)2

2t) dx

= 1

Dann ist (Yt)t≥0 ein Martingal und folglich auch Y n = (Y nt )t≥0.

(iii) Ferner ist Sn <∞ f.s., also

Y n∞ = lim

t→∞Y n

t

= YSn

= exp(BSn −1

2Sn)

und E(Y n∞) = E[exp(BSn − 1

2Sn)] = 1 = E(Y n0 )

Somit ist (Y nt )0≤t≤∞ ein Martingal.

(iv) Optional Sampling: ∀ Stoppzeiten R bzgl (Gt):

E

[exp

(BSn∧R −

1

2(Sn ∧R)

)]= 1.

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6 Brownsche Martingale

Fur fixes t ∈ [0,∞[ wahle R = 〈L〉t (⇒ (Gs)s≥0-Stoppzeit), dann

1 = E[exp(BSn∧〈L〉t −1

2(Sn ∧ 〈L〉t))]

= E[1Sn≤〈L〉t exp(1

2Sn − n)] + E[1Sn>〈L〉t exp(Lt −

1

2〈L〉t)]

n→∞= 0 + E[Zt]

denn E[1Sn>〈L〉t exp(Lt − 12〈L〉t)] ≤ e−nE[exp( 1

2〈L〉t)] → 0

Beispiel 6.5.2. Ist speziell L = X ·W mit einer d-dimensionalen BB W , so lautet dieNovikov-Bedingung

E

exp

1

2

t∫

0

X2s ds

<∞ (∀t ≥ 0)

Dann ist Z = EX·W ein Martingal und Wt = Wt−t∫0

Xs ds eine d-dimensionale BB bzgl.

Q = ZtP.(Hierbei ist X progressiv messbar bzgl. (FW

t ) und damit W eine BB bzgl. (Ω,FWt ,Q)).

6.6 Wiener-Raum und Cameron-Martin-Raum

Zur Vereinfachung betrachten wir nur Prozesse mit t ∈ [0, 1].Wiener-Raum: Ω = C0 = u ∈ C([0, 1], RN ) : u(0) = 0 versehen mit:

(i) der Norm ‖.‖∞ der gleichmaßigen Konvergenz → Banach-Raum

(ii) dem Wiener-Maß P → W-Raum.Cameron-Martin-Raum: H = u ∈ C0 : u(i) absolut stetig , ‖u‖H < ∞ Hilbert-

Raum mit Norm ‖u‖2H =1∫0

|u′(s)|2 ds =1∫0

N∑i=1|u(i)′(s)|2 ds, H liegt dicht in C0.

Der Projektionsprozeß W = (Wt)0≤t≤1 auf dem Wiener-Raum (Ω,A,P) ist einestand. BB.Fur h ∈ Ω kann man eine Translationsabbildung τh in Ω definieren:

τh : Ω → Ω

u 7→ u + h

Sei Ph = P τ−1h das Bildmaß von P unter τh und W h der Prozeß definiert durch

W ht (u) = Wt(u)− h(t).

W h = W τ−1h = W τ−h.

88

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6.7 Große Abweichungen

Dann gilt also, daß die Verteilung von W h unter Ph gleich der Verteilung von Wunter P ist. Somit ist W h unter Ph eine BB.Sei nun h ∈ H, dann ist h′ ∈ L2([0, 1], RN ).

Wie definieren das Martingal Lht = (h′·W )t =

N∑i=1

t∫0

h(i)′(s) dW(i)s und Zh

t = (ELh)t.

Nach Novikov ist Zh ein Martingal mit E(Zht ) = 1. Also folgt mit Grisanov, daß

W h eine BB unter ZhP ist.

Satz 6.6.1. Folgende Aussagen sind aquivalent:

(i) P≫ Ph und P≪ Ph

(ii) h ∈ H

In diesem Fall: Ph = ZhP.

6.7 Große Abweichungen

Seien (Ω,A,P), (Wt)0≤t≤1 und H wie zuvor.

Definition 6.7.1. Das Wirkungsfunktional I auf Ω ist definiert durch

I(u) =

12‖u‖2H , u ∈ H0 , u ∈ Ω\H

und fur A ⊂ Ω : I(A) = infu∈A

I(u).

Bemerkung 6.7.2. (i) u 7→ I(u) ist nach unten halbstetig auf Ω

(ii) ∀λ ≥ 0 :

∀λ : u : I(u) ≤ λ kompakt ⊂ Ω

Satz 6.7.3 (Schilder ’66). Fur alle Borel-Mengen A ⊂ Ω gilt:

−I(A) ≤ lim inf

ε→0ε2 log P(εW ∈ A)

≤ lim supε→0

ε2 log P(εW ∈ A)

≤ −I(A)

Anschaulich:

P(εW ∈ A) ∼ e−1

ε2I(A), also P(εW ∈ A)

ε→0→ 0 exponentiell schnell, falls I(A) > 0.

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7 Stochastische Differentialgleichungen

Ziel: Existenz und Eindeutigkeit fur Losungen X der SDG

dXt = b(t, Xt) dt + σ(t, Xt) dWt, X0 = ξ. (7.1)

Hier und im Folgenden seien:b(t, x) = (bi(t, x))i=1,...,d Drift-Vektor,σ(t, x) = (σij(t, x))i=1,...,d;j=1,...,n Dispersionsmatrix,

a(t, x) = σ(t, x)σT (t, x) = (aik(t, x))i=1,...,d;k=1,...,d Diffusionsmatrix,

(Wt) Brown’sche Bewegung in Rn, n ∈ N, ξ zufalliger Vektor in Rd und (Xt) ein Rd-dimensionales Semimartingal;

das heißt: aik(t, x) =r∑

j=1σij(t, x)σkj(t, x).

Stets gelte fur alle i, j, k:bi : R+ × Rd → Rd Borel-messbar,σij : R+ × Rd → R Borel-messbar,aik : R+ × Rd → R Borel-messbar.

Definition 7.0.4. Man definiere fur alle (t, x) ∈ R+ × Rd:

‖b(t, x)‖ :=

(d∑

i=1b2i (t, x)

) 12

,

‖σ(t, x)‖ :=

(d∑

i=1

r∑j=1

σ2ij(t, x)

) 12

.

7.1 Starke Losungen

Vorgegeben:

• W-Raum (Ω,F , P ),

• n-dim stand. BB W = (Wt)t≥0 und die davon erzeugte Filtration (FWt )t≥0,

• von W unabhangig, Rd-wertige ZV ξ.

Bezeichne dann mit (Ft)t≥0 die folgende den ublichen Bedingungen genugende Filtration:Fur t ≥ 0:Ft := Augmentierung von σ(ξ, Ws : s ≤ t) := σ(ξ) ∨ Ft

W .

91

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7 Stochastische Differentialgleichungen

Definition 7.1.1. Eine starke Losung der SDG (7.1) ist ein auf (Ω,F , P ) definierterRd-wertiger Prozess X = (Xt)t≥0 mit

(i) X ist an (Ft)t≥0 adaptiert.

(ii) X0 = ξ P-f.s.

(iii) X ist stetiges Semimartingal mit ∀t <∞:

t∫

0

‖b(s, Xs)‖+ ‖σ(s, Xs)‖2 ds <∞ P-f.s.

(iv) X lost die stoch. Integralgleichung

Xt = X0 +

t∫

0

b(s, Xs) ds +

t∫

0

σ(s, Xs) dWs, (7.2)

0 ≤ t ≤ +∞, P-f.s., d.h. koordinatenweise ∀i = 1, . . . , d:

X(i)t = X

(i)0 +

t∫

0

bi(s, Xs) ds +

r∑

j=1

t∫

0

σij(s, Xs) dW (j)s ,

0 ≤ t ≤ +∞, P-f.s.

Bemerkung 7.1.2. (iv) entspricht der SDG, (ii) ist die Anfangsbedingung, (iii) isttechnische Vorraussetzung damit (iv) formuliert werden kann, (i) bedeutet: Xt ist (imWesentlichen) Funktion von ξ und Ws : 0 ≤ s ≤ t. Dies bezeichnet man als

”Kausa-

litatsprinzip“: Output zur Zeit t hangt nur ab vom Input bis zur Zeit t.

Definition 7.1.3. Fur SDGen zum Paar (b, σ) gilt starke Eindeutigkeit, falls Folgendesgilt:Sind X und X zwei starke Losungen von (7.1) auf einem W-Raum (Ω,A, P ), zu einerBB W und einer Startvariable ξ, so sind X und X ununterscheidbar, d.h. P(Xt =Xt ∀t ≥ 0) = 1.

Beispiel 7.1.4. σ = 0, b(t, x) = |x|α: Damit ist (7.1) eine gewohnliche DGL 1. Ordnung.Anfangsbedingung: X0 = 0.Falls α ≥ 1 : Eindeutigkeit gilt: Xt ≡ 0.Falls 0 < α < 1 : keine Eindeutigkeit: ∀T ∈ [0,∞] ∃ Lsg. X := XT mit

Xt :=

0 fur 0 ≤ t ≤ T

[(1− α)(t− T )]1/1−α fur T ≤ t ≤ ∞.

Satz 7.1.5 (Eindeutigkeit). Sind b und σ lokal Lipschitz-stetig in x, so gilt starke Ein-deutigkeit fur SDGl zum Paar (b, σ).

92

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7.1 Starke Losungen

Bemerkung 7.1.6. Die Voraussetzung lautet explizit:∀n ∈ N ∃Kn <∞ sodass ∀t ≥ 0 und ∀x, y ∈ Rd mit ‖x‖ ≤ n, ‖y‖ ≤ n gilt:

‖b(t, x)− b(t, y)‖+ ‖σ(t, x)− σ(t, y)‖ ≤ Kn · ‖x− y‖.

Lemma 7.1.7 (Gronwall). Seien g : [0, T ] → R stetig und h : [0, T ] → R integrierbar,β ≥ 0.Aus

0 ≤ g(t) ≤ h(t) + β

t∫

0

g(s) ds (∀t ∈ [0, T ])

folgt

g(t) ≤ h(t) + β

t∫

0

h(s)eβ(t−s) ds (∀t ∈ [0, T ])

und falls h isoton ist, folgtg(t) ≤ h(t)eβt.

Beweis. Aus Voraussetzung folgt:

d

dt

e−βt

t∫

0

g(s) ds

=

g(t)− β

t∫

0

g(s) ds

e−βt ≤ h(t)e−βt

⇒t∫

0

g(s) ds ≤ eβt

t∫

0

h(s)e−βs ds

⇒ g(t)Vor.≤ h(t) + β

t∫

0

g(s) ds ≤ h(t) + β

t∫

0

h(s)eβ(t−s) ds

Bemerkung 7.1.8. Falls g(t) ≤ β∫

g(s) ds, so ist bereits g ≡ 0.

Beweis von Satz (7.1.5). Gegeben seien (Ω,F ,P), W = (Wt)t≥0, ξ, (Ft)t≥0 und zwei

starke Lsg. X, X von (7.1).

Definiere Stoppzeiten τk, τk, Sk durch(∼)τk := inf

t ≥ 0 :

∥∥∥∥∥(∼)

Xt

∥∥∥∥∥ ≥ k

und Sk := τk ∧ τk.

Dann gilt: Sk ր∞ P-f.s. und

Xt∧Sk− Xt∧Sk

=

t∧Sk∫

0

[b(u, Xu)− b(u, Xu)

]du +

t∧Sk∫

0

[σ(u, Xu)− σ(u, Xu)

]dWu.

93

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7 Stochastische Differentialgleichungen

Dies impliziert fur t ∈ [0, T ]:

g(t) = E

[∥∥∥Xt∧Sk− Xt∧Sk

∥∥∥2]

=

d∑

i=1

E

t∧Sk∫

0

[bi(u, Xu)− bi(u, Xu)

]du

+n∑

j=1

t∧Sk∫

0

[σij(u, Xu)− σij(u, Xu)

]dW (j)

u

2

Cauchy-Schwarz-Ungl.≤

Ito-Isometrie2t ·E

t∧Sk∫

0

2

‖b(u, Xu)− b(u, Xu)‖︸ ︷︷ ︸≤Kn·‖Xu−Xu‖

du

+ 2E

t∧Sk∫

0

2

‖σ(u, Xu)− σ(u, Xu)‖︸ ︷︷ ︸≤Kn·‖Xu−Xu‖

du

≤ 2(T + 1) ·K2n︸ ︷︷ ︸

=:β

·t∫

0

E(‖Xu∧Sk

− Xu∧Sn‖2)

︸ ︷︷ ︸du

=:g(u)

Aus dem Gronwall-Lemma folgt nun die Gleichheit:

E(‖Xt∧Sk

− Xt∧Sk‖2)

= 0 (∀t ≤ T, ∀k)

⇒ XSk , XSk sind ununterscheidbar (∀k)⇒ X, X sind ununterscheidbar.

Bemerkung 7.1.9. Aus lokaler Lipschitz-Stetigkeit folgt nicht globale Existenz.

Beispiel 7.1.10. σ ≡ 0, b(t, x) =‖ x ‖2, X0 = 1⇒ Xt = 1

1−t fur t ∈ [0, 1[ ist Lsg. der zugehorigen DGL, Explosion fur t→ 1.

Im Folgenden seien (Ω,F ,P), W = (Wt), ξ, (Ft) gegeben.

Satz 7.1.11 (Existenz). Sei E(‖ξ‖2) <∞. Es existiere eine Konstante K > 0, so dassfur alle t, x, y gelte:

‖b(t, x)− b(t, y)‖+ ‖σ(t, x)− σ(t, y)‖ ≤ K · ‖x− y‖

(“globale Lipschitz-Bedingung”) und

‖b(t, x)‖+ ‖σ(t, x)‖ ≤ K(1 + ‖x‖)

94

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7.1 Starke Losungen

(“lineare Wachstumsbedingung”).Dann existiert eine starke Lsg. X der SDG (7.1).Ferner gilt: ∀T ∃C ∀0 ≤ t ≤ T :

E(‖Xt‖2) ≤ C · (1 + E(‖ξ‖2)).

Beweis. (i) Idee: Picard-Lindelof-Iteration, d.h. def. X(0)t = ξ,

X(k+1)t = ξ +

t∫0

b(s, X(k)s ) ds +

t∫0

σ(s, X(k)s ) dWs

X(k)0 = ξ P-f.s.

Durch Induktion beweisen wir nun, dass X(k) wohldefiniert, stetig und an (Ft)adaptiert ist:Induktionsanfang: Fur k = 0 stimmt diese Aussage.Induktionsschritt: Aus der Induktionsannahme und der linearen Wachstumsbedin-gung folgt:

t∫

0

(‖b(s, X(k)s )‖+ ‖σ(s, X(k)

s )‖2)ds

≤t∫

0

K(1 + ‖X(k)s ‖) ds +

t∫

0

K2(1 + ‖X(sk)‖)2 ds

= 2K2(T + 1)

t∫

0

(1 + ‖X(k)s ‖)2ds

Aus der Stetigkeit von X(k) (Induktionsannahme) folgt nun:

t∫

0

(‖b(s, X(k)s )‖+ ‖σ(s, X(k)

s )‖2)ds <∞ P -f.s.

⇒ X(k+1) wohldefiniert, stetig, adaptiert

(ii) ∀T ∃C = CKT ∀t ≤ T, ∀k:

E(‖X(k)t ‖2) ≤ C(1 + E(‖ξ‖2)). (7.3)

Denn: Fur k = 0 und alle t gilt:

E(‖X(0)t ‖2) = E(‖ξ‖2) ≤ 1 + E(‖ξ‖2).

95

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7 Stochastische Differentialgleichungen

Fur k ≥ 1 und alle t ≤ T gilt:

E(‖X(k+1)t ‖2) ≤ 3E(‖ξ‖2) + 3t ·

t∫

0

E(‖b(u, X(k)

u )‖2)

du + 3 ·t∫

0

E(‖σ(u, X(k)

u )‖2)

du

≤ 3E(‖ξ‖2) + 3(T + 1)K2

t∫

0

E(‖X(k)

u ‖2)

du + 3(T + 1)K2T.

Es existiert also eine Konstante C0 = C0(K, T ) ≥ 1, so dass fur alle t ≤ T und allek ≥ 1 die folgende Iterationsformel gilt:

E(‖X(k+1)t ‖2) ≤ C0(1 + E(‖ξ‖2)) + C0

t∫

0

E(‖X(k)u ‖2) du.

⇒ E(‖X(k+1)t ‖2) ≤ C0(1 + E(‖ξ‖2))

(1 + C0t +

(C0t)2

2!+ · · ·+ (C0t)

k+1

(k + 1)!

)

≤ C0 · eC0T (1 + E(‖ξ‖2))= C · (1 + E(‖ξ‖2))

mit C := CKT := C0eC0T .

(iii) Nach Konstruktion gilt (fur fixes k ∈ N): X(k+1) −X(k) = B + M mit

Bt =

t∫

0

[b(s, X(k)s )− b(s, X(k−1)

s )] ds

Mt =

t∫

0

[σ(s, X(k)s )− σ(s, X(k−1)

s )] dWs

Aufgrund der linearen Wachstumsbedingung und der Abschatzung aus dem Ab-schnitt (i) ist M = (M (1), . . . , M (d)) ∈ (M0)

d mit

E

[sup

0≤s≤t‖Ms‖2

]Maximal-Ungl.

≤Ito-Isometrie

C1 ·E

t∫

0

‖σ(s, X(k)s )− σ(s, X(k−1)

s )‖2 ds

≤ C1 ·K2 ·E

t∫

0

‖X(k)s −X(k−1)

s ‖2 ds

wegen Lipschitz-Stetigkeit (mit einer geeigneten Konstanten C1 > 0).

Ferner gilt: ‖Bt‖2 ≤ K2Tt∫0

‖X(k)s −X

(k−1)s ‖2 ds.

96

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7.1 Starke Losungen

⇒ E

[sup

0≤s≤t‖Bs‖2

]≤ K2 · T ·E

[t∫0

‖X(k)s −X

(k−1)s ‖2 ds

].

Dies impliziert:

E

[sup

0≤s≤t‖X(k+1)

s −X(k)s ‖2

]≤ C2

t∫

0

E[‖X(k)

s −X(k−1)s ‖2

]ds (7.4)

Iteration ergibt: ∀k ∈ N,∀t ∈ [0, T ] :

E

[sup

0≤s≤t‖X(k+1)

s −X(k)s ‖2

]≤ (C2t)

k

k!·E

t∫

0

‖X(1)s − ξ‖2 ds

︸ ︷︷ ︸2E[‖Xs‖2] + 2E[‖ξ‖2]︸ ︷︷ ︸

<∞

≤ (C2t)k

k!· C3 <∞ (7.5)

mit C3 = sup0≤s≤T

E[|X(1)

s − ξ|2]

<∞ und C2 = 4(C1 + T )K2.

(iv) Aus (7.5) und der Chebyshev-Ungleichung folgt fur alle k ∈ N:

P

[sup

0≤s≤T‖X(k+1)

s −X(k)s ‖ ≥

1

2k+1

]≤ 4C3 ·

(4C2T )k

k!(7.6)

Dabei gilt: Die Summe uber die rechte Seite von (7.6) ist konvergent in k. Alsofolgt mit dem Lemma von Borel-Cantelli:

P

[sup

0≤s≤T‖X(k+1)

s −X(k)s ‖ ≥

1

2k+1fur unendlich viele k ∈ N

]= 0

Es existiert also ein stetiger Prozess X = (Xs)0≤s≤T , so dass P-f.s. gilt:X(k) → X in Sup-Norm auf [0, T ]Damit existiert ein stetiger Prozess X = (Xs)0≤s≤T mit der Eigenschaft:X(k) → X glm. auf [0, T ] P-f.s.Aus dem Lemma von Fatou folgt: ∀t ∈ [0, T ]:

E(‖Xt‖2) ≤ C(1 + E[‖ξ‖2]) mit C = C(T, K) (7.7)

(v) Behauptung: X lost SDG (7.1).

Denn: Nach Konstruktion gilt: Xt = limk→∞

X(k)t mit

X(k+1)t = ξ +

t∫

0

b(s, X(k)s ) ds +

t∫

0

σ(s, X(k)s ) dWs (∗)

97

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7 Stochastische Differentialgleichungen

Fur fixiertes T gilt: Fur P-fast alle ω ∈ Ω existiert ein N := N(ω) ∈ N, so dass fur

alle ∀k ≥ N(ω) gilt: sup0≤s≤T

‖Xs(ω)−X(k)s (ω)‖ ≤ 2−k.

Die globale Lipschitz-Bedingung impliziert:

∥∥∥∥∥∥

t∫

0

b(s, Xs)ds−t∫

0

b(s, X(k)s ) ds

∥∥∥∥∥∥

2

≤ K2T

T∫

0

‖Xs −X(k)s ‖2 ds→ 0

fur k →∞ P-f.s..Nun zum stoch. Integral: Aus (7.5) folgt ∀t ∈ [0, T ]:

(X(k)t )k∈N ist Cauchy-Folge in L2(Ω,F ,P).

Aus der P-fast sicheren Konvergenz X(k)t → Xt folgt X

(k)t → Xt in L2.

Ferner: sup0≤t≤T,k∈N

E[‖X(k)

t ‖2]

<∞.

Mit dem Lemma von Fatou folgt daraus: sup0≤t≤T

E[‖Xt‖2

]<∞

Damit gilt schließlich:

E

∥∥∥∥∥∥

t∫

0

σ(s, Xs) dWs −t∫

0

σ(s, X(k)s ) dWs

∥∥∥∥∥∥

2 =

= E

t∫

0

∥∥∥σ(s, Xs)− σ(s, X(k)s )∥∥∥

2ds

≤ K2 ·E

t∫

0

‖Xs −X(k)s ‖2 ds

→ 0 (k →∞)

wegen L2-Beschranktheit (auf [0, T ]× Ω) und punktweiser Konvergenz.Zusammen erhalt man mit (∗):

X(k+1)t = ξ +

∫ t

0b(s, X(k)

s ) ds +

∫ t

0σ(s, X(k)

s ) dWs

−→ ξ +

∫ t

0b(s, Xs) ds +

∫ t

0σ(s, Xs) dWs = Xt.

Korollar 7.1.12 (Verallgemeinerung). Voraussetzungen an b, σ wie zuvor (global Lip-schitz, lin. Wachstum), keine Einschrankung an ξ. Dann existiert eine eindeutig be-stimmte starke Losung.

98

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7.2 Beispiele

Beweis. Idee: ∀k ∈ N sei ξk := ξ1|ξ|≤k und X(k) die eindeutige starke Losung zurAnfangsbedingung ξk.Dann folgt fur alle T und alle l > k:

sup0≤s≤T

‖X(l)s −X(k)

s ‖ = 0 P-f.s auf ω : |ξ(ω)| ≤ k

Also existiert ein Prozess X mit X = limk→∞

X(k).

7.2 Beispiele

(i) BB mit Drift: d = r, v ∈ Rd, σ > 0dXt = v dt + σ dWt,

Losung: Xt = X0 + vt + σWt ⇒ E(Xt) = E(X0) + vt

Allgemein: d, r bel., v ∈ Rd, σ ∈ Rd×r, Wt = r-dim BBdXt = v dt + σ dWt,

Xt = X0 + vt + σWt

E(Xt) = E(X0) + vtFalls X0 konstant ist, gilt:

Cov(Xit , X

jt ) = Cov

(∑

k

σikWkt ,∑

l

σjlWlt

)

=

r∑

k=1

σik · σjk · t (i, j = 1, . . . , d)

= aij · t mit a = σσT

(ii) Ornstein-Uhlenbeck-Prozess: d = r, α > 0

dXt = −αXt dt + dWt

Langevin 1908: Xt ist Geschwindigkeit(!) eines Molekuls unter Berucksichtigungvon Reibung

Losung: Xt = X0e−αt +

t∫0

e−α(t−s) dWs

Falls X0 Gauß-verteilt, E(X0) = 0, Var(X0) = 12α , so ist auch Xt Gauß-verteilt,

E(Xt) = 0, Var(Xt) = 12α und Cov(Xs, Xt) = 1

2αe−α|t−s|.Interpretation: Die Drift b(t, x) = −αx in Richtung des Ursprungs 0 ∈ Rd bewirkt,dass X stationar ist (d.h. Vert. ist unabh. von t), in dem Sinne:

E(Xt) −→t→∞

0,

E(X2t ) −→

t→∞

1

2α= const.

99

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7 Stochastische Differentialgleichungen

Im Gegensatz hierzu gilt fur freie BB (α = 0):

E(X2t ) = d · t,

d.h. X breitet sich im Laufe der Zeit immer mehr im Raum aus.

(iii) Brownsche Brucke: a, b ∈ Rd, d = r, 0 ≤ t < T

dXt =b−Xt

T − tdt + dWt, X0 = a

Losung:

Xt = a +t

T(b− a) + (T − t)

t∫

0

dWs

T − s, 0 ≤ t < T.

Setze XT = b.X = (Xt)0≤t≤T ist Gauß-Prozess mit f.s. stetigen Pfaden undE(Xt) = a + t

T (b− a) sowie Cov(Xs, Xt) = s ∧ t− stT .

Interpretation: Die Drift b(t, x) = b−xT−t in Richtung b (mit Starke →∞ fur t→ T )

treibt den Prozess nach b.

(iv) Bessel-Prozess: d = r = 1, a ∈ R+, N ∈ N:

dXt =N − 1

2Xtdt + dWt, X0 = a

Die Drift b(t, x) = N−12x drangt den Prozess X vom Ursprung 0 ∈ R weg. Fur N ≥ 2

ist die Drift stark genug, um zu gewahrleisten, dass Xt > 0 P-f.s., falls X0 ≥ 0.

(v) Geometrische BB:dXt = αXt dWt, X0 = ξ > 0.

Losung: Xt = ξεαWt = ξ exp(αWt − 1

2 |α|2t).Dispersion proportional zur Auslenkung. Fur X → 0 ist Dispersion → 0, keineBewegung, Null wird nie erreicht.

(vi) Lineare Gleichungen: b(t, x) = A(t)x + a(t), σ(t, x) = S(t)x + σ(t)

dXt = [A(t)Xt + a(t)] dt + [S(t)Xt + σ(t)] dWt (7.8)

= Xt dYt + dZt, X0 = ξ,

mit Yt =t∫0

A(s) ds +t∫0

S(s) dWs und Zt =t∫0

a(s) ds +t∫0

σ(s) dWs.

Hierbei W = r-dim BB, s, S, σ messbar, beschrankt in t, A(t) ∈ Rd×d, a(z) ∈ Rd,

100

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7.2 Beispiele

S(t) ∈ Rd×d×r, σ(t) ∈ Rd×r,X = d-dim stet. Semimartingal,Y = d-dim stet. Semimartingal,Z = d-dim stet. Semimartingal.

Proposition 7.2.1. (i) (7.8) hat eine eindeutig bestimmte starke Lsg.

(ii) Im Falle d = 1 ist die Lsg. durch

Xt = EYt

ξ +

t∫

0

(EYs )−1( dZs − S(s)σT (s) ds)

gegeben, wobei EYt := exp

(t∫0

S(s) dWs − 12

t∫0

S(s)ST (s) ds +t∫0

A(s) ds

).

Beweis. (i) Vorheriger Existenz- und Eindeutigkeitssatz.

(ii) Nach der Ito-Formel und partieller stochastischer Integration gilt:

t∫

0

Xs dYs = ξ

t∫

0

EYs dYs +

t∫

0

EYs

s∫

0

(EYr )−1( dZr − d〈Z, Y 〉s)

= −ξ + ξEYt + EY

t

t∫

0

(EYr )−1( dZr − d〈Z, Y 〉r)

−t∫

0

EYr (EY

r )−1( dZr − d〈Z, Y 〉r)

− 〈EYs ,

t∫

0

(EYr )−1( dZr − d〈Z, Y 〉r)〉t

= −ξ − Zt + Xt + 〈Z, Y 〉t −t∫

0

EYr (EY

r )−1 d〈Z, Y 〉r

= −ξ − Zt + Xt.

Bemerkung 7.2.2. (i) Sei d = 1 und S ≡ 0, d.h.

dXt = A(t)Xt dt + a(t) dt + σ(t) dWt.

101

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7 Stochastische Differentialgleichungen

Dann ist

Xt = φt

X0 +

−1∫

s

(a(s) ds + σ(s) dWs)

mit φt = exp

(t∫0

A(s) ds

).

Fur die Lsg. xt der gewohnl. (= nicht-stoch.) DGl xt = A(t)xt + a(t) gilt:

xt = φt ·[x0 +

t∫0

φ−1s a(s) ds

]

”Variation der Konstanten“.

(ii) Dieselbe Formel gilt fur allgemeines d, falls man

φt := exp

t∫

0

A(s) ds

:=

∞∑

k=0

1

k!

t∫

0

A(s) ds

k

als d× d-Matrix interpretiert (s. Ubung).

7.3 Lokale Losungen, Maximallosungen

Wir wollen das Bisherige in zweifacher Hinsicht verallgemeinern:

(i) SDG mit lokal (nicht: global) Lischitz-stetigen Koeff. → Existenz der Lsg. nur furgewisse Zeit

(ii) SDG auf offenem U ⊂ Rd → Existenz der Lsg. nur fur gewisse Zeit

Definition 7.3.1. Eine Stoppzeit τ : Ω → R+ heißt vorhersagbar, falls eine Folge(τn)n∈N von (

”ankundigenden“) Stoppzeiten τn mit τn ր τ f.s. und τn < τ auf 0 < τ <

∞ f.s. existiert.Schreibweise: τn ր τ .

Beispiel 7.3.2. X stetiger Prozess, Rd-wertig, U ⊂ Rd offen, 6= ∅.Dann ist τU := inft ≥ 0 : Xt 6∈ U (

”Austrittszeit aus U“) vorhersagbare Stoppzeit.

Denn: Wahle τn := inft ≥ 0 : d(Xt, ∁U) ≤ 1n. Aus τU (ω) > 0 folgt X0(ω) ∈ U und

damit τn(ω) > 0 fur ein hinreichend großes n. Hieraus folgt wiederum τn(ω) < τn+1(ω) <· · · < τ(ω). Ferner sup τn = τ .

Definition 7.3.3. Seien U 6= ∅, U ⊂ Rd offen, ζ > 0 vorhersagbare Stoppzeit. EinProzess Y = (Yt)0≤t<ζ heißt stetiges Semimartingal mit Werten in U und Lebenszeit ζ,falls

(i) Yt(ω) ∈ U fur alle (t, ω) ∈ R+ × Ω mit t < ζ(ω).

(ii) Es existiert eine ankundigende Folge (ζn)n∈N von Stoppzeiten ζn mit ζn ր ζ, sodass der gestoppte Prozess Y ζn = (Yt∧ζn) ein stetiges Semimartingal ist.

102

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7.3 Lokale Losungen, Maximallosungen

ζ heißt Explosionszeit, falls zusatzlich gilt: Yζn(ω)(ω) ∈ ∂U fur P-f.a ω mit ζ(ω) <∞.

Beispiel 7.3.4. Seien (Yt)0≤t<∞ stetiges Semimartingal mit Werten in Rd und U ⊂ Rd

offen. Definiere ζ := τU := Austrittszeit aus U .Dann ist (Yt)0≤t<ζ stetiges Semimartingal mit Werten in U und Explosionszeit ζ.Denn: Wegen Stetigkeit von Y gilt Yt → YτU ∈ ∂U fur t→ τU auf τU <∞ P-f.s.

Annahme:

Sei im Folgenden ∅ 6= U ⊂ Rd offen.Wir betrachten nun die SDG

dXt = b(t, Xt) dt + σ(t, Xt) dWt auf U,

X0 = ξ ∈ U,(7.9)

mit Borel-messbaren, lokal beschrankten Rd- bzw. Rd×r-wertigen Funktionen b bzw. σauf R+ × U .

Definition 7.3.5. Eine (starke) Maximallosung der SDG (7.9) auf U ist ein Semimar-tingal (Xt)t<ζ mit Werten in U und Explosionszeit ζ > 0 (f.u.), so dass fur eineankundigende Folge (ζn)n∈N von Stoppzeiten ζn gilt: Xζn ist Lsg. der gestoppten SDG

dXt = b(t, Xt) d(t ∧ ξn) + σ(t, Xt) dW ξnt auf Rd,

X0 = ξ.

Bemerkung 7.3.6. • ξ heißt auch Lebenszeit der Lsg. X.

• Fur jede Maximallosung gilt f.s. auf ζ <∞:

Xt → Xζ ∈ ∂U fur t→ ζ

• Der Begriff Maximallosung ist unabhangig von der Wahl der Folge (ζn).

Satz 7.3.7. Gegeben seien U ⊂ Rd, offen, U 6= ∅, eine ZV ξ mit Werten in U , eineRr-wertige BB sowie stetige Koeffizienten b(t, x), σ(t, x), die in x lok. Lipschitz-stetigseien: ∀K ⊂ U ∀T ∃C

|b(t, x)− b(t, y)|+ |σ(t, x)− σ(t, y)| ≤ C · |x− y| (∀x, y ∈ K, ∀t ∈ [0, T ]).

Dann existiert eine eindeutig bestimmte Maximallosung X = (Xt)0≤t<ζ von (7.9). (Ins-besondere ist auch ζ eindeutig bestimmt).

Beweis. Wahle Ausschopfung Un ր U mit Un ⊂ Un+1, Un offen, Un ⊂ U . Fur n ∈ Nseien b(n) und σ(n) gobal Lipschitz-stetig, global beschrankt und so, dass b = b(n), σ =σ(n) auf Un gelte. Dann existiert eine eindeutig bestimmte starke Losung X(n) zu denKoeffizienten b(n), σ(n) und der Anfangsbedingung ξ. Nun gilt fur m > n: Bis zum

Austritt aus Un ist X(n)· = X

(m)· f.s. und:

ζn = ζm := inft ≥ 0 : X(m)t /∈ Un.

103

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7 Stochastische Differentialgleichungen

Denn:

X(m)t∧ζn

= ξ +

ζn∧t∫

0

b(m)(x, X(m)s ) ds +

ζn∧t∫

0

σ(m)(x, X(m)s ) dWs

= ξ +

ζn∧t∫

0

b(n)(x, X(m)s ) ds +

ζn∧t∫

0

σ(n)(x, X(m)s ) dWs

= X(n)t∧ζn

.

⇒ ζn ist unabh. von m > n

⇒ Xt := X(n)t ist auf t < ζn unabh. von n

⇒ Xt ist auf t < ζ wohldefiniert mit ζ = sup ζn = sup τUn und Xt → Xζ ∈ ∂U furt→ ζ auf ζ <∞.Es folgt die Eindeutigkeit.

Korollar 7.3.8. Seien f ∈ C([0,∞[×U) ∩ C1,2(]0,∞[×U) und

Mft = f(t, Xt)− f(0, X0)−

t∫

0

(∂f

∂s+ Asf

)(s, Xs) ds

mit Atf(x) = 12

∑i,k aik(t, x) ∂2f(x)

∂xi∂xk+∑

i bi(t, x)∂f(x)∂xi

und aik = (σσT )ik =r∑

j=1σijσkj.

Dann ist Mf = (Mf )t<ζ ein stetiges, lokales Martingal mit Lebenszeit ζ.

Korollar 7.3.9. (Verscharfung/Erganzung) Seien U = Rd und b, σ wie vorher (Lipschitz-stetig in x ∈ U), zusatzlich beschrankt, zeitunabhangig. (Ω,A,P), W = (Wt)t≥0 seienvorgegeben.Fur x ∈ U sei Xx = (Xx

t )t≥0 die Lsg. der SDG (7.9) mit Startbed. x, d.h. Xx0 = x f.s.

Dann existieren Modifikationen, so dass die Abbildung (t, x) 7→ Xxt (ω) stetig in (t, x)

ist fur P-f.a. ω. Der Prozess (Xxt ,P, ξx)x∈U,t≥0 ist ein Feller-Prozess (also ein starker

Markov-Prozess).

Problem: Unter welchen Vor. gibt es zu geg. a = (aik) ein lok. Lipschitz-stetiges σ = (σij)mit a = σσT .Eine Antwort: Sei a symmetrisch (das ist keine Einschrankung, aij =

aij+aji

2 ) und pos.semidefinit⇒ ∃ symm. d× d-Matrix σ := a1/2 mit σ2 = a. Ist a ∈ C2, so ist σ lok. Lipschitz.

7.4 Schwache Losungen

Sei zur Vereinfachung nun wieder U = Rd und b(t, x) = b(x), σ(t, x) = σ(x) unabhangigvon t, Borel-messbar, lokal beschrankt in x ∈ Rd. Betrachte die SDG

dXt = b(Xt) dt + σ(Xt) dWt, P X−10 = µ. (7.10)

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7.4 Schwache Losungen

Definition 7.4.1. Gegeben b, σ, µ. Eine schwache Losung der SDG (7.10) ist ein Paar(X, W ) auf einem filtr. W-Raum (Ω,A,P,Ft), so dass gilt:

• W ist r-dim. (Ft)-BB

• P X−10 = µ

• X ist stetiges (Ft)-Semimartingal mit Xt = X0 +t∫0

b(Xs)ds +t∫0

σ(Xs)dWs.

Definition 7.4.2. (i) Fur Losungen von (7.10) gilt Verteilungseindeutigkeit, wennfur je zwei schwache Losungen (X, W ) und (X ′, W ′) (auf filtrierten W-Raumen(Ω,A,P,Ft) bzw. (Ω′,A′,P′,Ft

′)) zu derselben Startverteilung µ gilt:X und X ′ besitzen die gleichen Verteilungen.

(ii) Fur Losungen von (7.10) gilt pfadweise Eindeutigkeit, wenn fur je zwei schwa-che Losungen (X, W ) und (X ′, W ) mit einer BB W auf einem filtr. W-Raum(Ω,A,P,Ft) und mit gleicher Startvariable X0 = X ′

0 gilt: X und X ′ sind ununter-scheidbar.

Beispiel 7.4.3. b ≡ 0, σ(x) = sgn(x) =

1, x > 0

−1, x ≤ 0,

d = v = 1, dXt = sgn(Xt) dWt, X0 = 0

(i) Dann ist X ein stetiges Martingal mit 〈X〉t =t∫0

(sgn(Xs))2 d〈W 〉s = t

⇒ X BB (stand.)⇒ Es gilt Verteilungseindeutigkeit.

(ii) Sei X stand. 1-dim BB. Def. Wt :=t∫0

sgn(Xs)dXs. Dann ist W eine 1-dim stand.

BB.⇒ X schwache Losung zu Anfangsvert. µ = 0.

(iii) Sei (X, W ) schwache Losung auf (Ω,A,P,Ft)⇒ (−X, W ) schwache Losung auf (Ω,A,P,Ft)⇒ keine pfadweise Eindeutigkeit.

Korollar 7.4.4. Es seien b und σ lokal Lipschitz-stetig. Dann gilt die pfadweise Ein-deutigkeit.

Satz 7.4.5. Aus der pfadweisen Eindeutigkeit folgt die Verteilungseindeutigkeit.

Beweis. (i) Gegeben seien zwei schwache Losungen (X(j), W (j)) auf W-Raumen (Ω(j),A(j), ν(j),Ft(j)),

j = 1, 2, von (7.10) mit

µ = ν(1)(X(1)0 ∈ ·) = ν(2)(X

(2)0 ∈ ·) auf (Rd,B(Rd)).

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7 Stochastische Differentialgleichungen

Setze Y(j)· := X

(j)· −X

(j)0 und Z(j) := (X

(j)0 , W (j), Y (j)), Letzteres mit Werten in

Θ := Rd × C([0,∞[, Rr)× C([0,∞[, Rd) = Rd × Cr × Cd.Sei P(j) Verteilung von Z(j) unter ν(j) ⇒ P(j) W-Maß auf (Θ,B(Θ)).Elemente von Θ seien mit v = (x, w, y) bezeichnet.

⇒ Randvert. von P(j) in x-Variable = Vert. von X(j)0 = µ

Randvert. von P(j) in w-Variable = Vert. von W (j) = Wiener-Maß P∗

⇒ Vert. von P(j) in (x, w)-Variable = µ⊗P∗

Randvert. von P(j) in y-Variable: W-Maß mit y0 = 0 f.s.

(ii) Es existiert eine regulare bedingte Wahrscheinlichkeit

Q(j) : Rd × Cr × B(Cd)→ [0, 1]

mit folg. Eigenschaften:

(1) ∀x ∈ Rd, w ∈ Cr : Q(j)(x, w, .) ist W-Maß auf (Cd,B(Cd))

(2) ∀F ∈ B(Cd) : (x, w) 7→ Q(j)(x, w, F ) ist B(Rd)⊗ B(Cr)-messbar

(3) ∀H ∈ B(Rd), G ∈ B(Cr), F ∈ B(Cd):

P(j)(H ×G× F ) =

H

G

Q(j)(x, w, F )µ(dx)P∗(dw)

Denn: Cd ist polnisch (= vollst. metrisierbar, separabel) ⇒ B(Cd) abzahlbar be-stimmt ⇒ ∃Q(j)(·) = P(j)(·|π = ·)und Q(j)(x, w, F ) = Q(j)((x, w), F ) = P(j)(F |π = (x, w))mit π(x, w, y) = (x, w) Proj. Rd × Cr × Cd → Rd × Cr

und F = Rd × Cr × F .

(iii) Definiere: Ω := Rd × Cr × Cd × Cd und W-Maß P auf (Ω,B(Ω)) durch

P(dx dw dy1 dy2) = Q(1)(x, w, dy1)Q(2)(x, w, dy2)µ(dx)P∗(dw),

N System d. P-Nullm. in Ω, A := σ(B(Ω) ∪N ),Gt := σ(x, w(s), y1(s), y2(s)) : s ∈ [0, t], Gt = σ(Gt ∪N ) Augment.Ft := Gt+

⇒ (Ω,A,P,Ft) genugt den ublichen BedingungenDann gilt ∀A ∈ B(Θ):

P (ω ∈ Ω : (x, w, yj) ∈ A) = ν(j)((

X(j)0 , W (j), Y (j)

)∈ A

)

⇒ Vert. von (x + yi, w) unter P = Vert. von (X(j)0 , W (j)) unter ν(j)

⇒ (x + yj , w) ist Lsg. der SDG (∀j = 1, 2), def. auf (Ω,A,P,Ft).

(iv) Aus pfadweiser Eindeutigkeit folgt:

P [ω = (x, w, y1, y2) ∈ Ω : y1 = y2] = 1

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7.5 Schwache Losungen und Losungen des Martingalproblems

Es folgt:

ν(1)(X(1) ∈ .) = ν(1)(X(1)0 + Y (1) ∈ .) = P(x + y1 ∈ .) = P(x + y2 ∈ .)

= ν2(X(2)0 + Y (2) ∈ .) = ν(2)(X(2) ∈ .)

⇒ Verteilungseindeutigkeit.

7.5 Schwache Losungen und Losungen des Martingalproblems

b, σ wie bisher: b : Rd → Rd bzw. σ : Rd → Rd×d Borel-mb, lokal beschrankt,a = σσT symmetrisch, pos. semidefinit, L := 1

2

∑aik∂i∂k +

∑bi∂i, d.h.

Lu(x) =1

2

d∑

i,j=1

aij(x)∂2

∂xi∂xju(x) +

d∑

i=1

bi(x)∂

∂xiu(x)

Definition 7.5.1. Ein W-Maß P auf Cd = C(R+, Rd) heißt Losung des Martingalpro-blems zum Operator L, falls fur alle f ∈ C∞c (Rd) gilt:

Mf = (Mft )t≥0 ist stetiges Martingal auf (Cd,B(Cd),P,Ft

0) mit

Mft (ω) := f(ω(t))− f(ω(0))−

t∫

0

Lf(ω(s)) ds.

Proposition 7.5.2. Aquivalent sind fur ein W-Maß auf Cd:

(i) ∀f ∈ C∞c : Mf ist stetiges Martingal

(ii) ∀f ∈ C2 : Mf ist lokales stetiges Martingal

(iii) ∀f(x) = xi und f(x) = xixk : Mf ist lokales Martingal

Beweis. (i) ⇒ (ii): Sei zunachst f ∈ C2c . Dann existieren eine kompakte Menge K ⊂ Rd

und eine Funktionenfolge (fn)n∈N mit fn ∈ C∞, suppfn ⊂ K, fn → f , ∂ifn → ∂if und∂i∂kfn → ∂i∂kf glm. auf K⇒Mf ist stet. Martingal.Sei schließlich f ∈ C2. Dann existieren kompakte Mengen Kn ր Rd, eine Funktionenfolge(fn)n∈N

mit fn ∈ C2, suppfn ⊂ Kn und fn = f auf Kn.⇒Mf ist lokales stetiges Martingal.(ii) ⇒ (iii): trivial.(iii) ⇒ (ii) [Sketch]: Zunachst gilt fur alle Θ ∈ Rd und f(x) := exp(〈Θ, x〉): Mf lokalesstetiges Martingal⇒ (Denn: Obige f liegen dicht in C2 bzgl. lok. glm. Konv. von f , ∂if ,∂i∂kf): ∀f ∈ C2: Mf lokales stetiges Martingal(ii)⇒ (i): f ∈ C2

c ⇒ f , ∂if , ∂i∂kf beschrankt⇒Mf beschrankt auf [0, T ]⇒Mf stetigesMartingal.

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7 Stochastische Differentialgleichungen

Bemerkung 7.5.3. Fur b ≡ 0 und a ≡ id ist das”Satz von Levy“.

Satz 7.5.4. Gegeben seien Koeffizienten b, a und Startverteilung µ. Aquivalent sind:

(i) Es existiert eine Losung P des Martingalproblems zu L = 12aik∂i∂k + bi∂i mit

P(ω(0) ∈ .) = µ.

(ii) Es existiert eine schwache Losung (X, W ) auf einem W-Raum (Ω, F , P, Ft) derSDG (7.10) mit Startverteilung µ zu Koeffizienten b, σ mit σσT = a.

Der Zusammenhang zwischen (i) und (ii) ist gegeben durch: P = P X−1.

Beweis. (ii) ⇒ (i) Ito-Formel:

f(Xt)− f(X0)−t∫

0

Lf(Xs) ds

=

t∫

0

i

∂if(Xs) dXis +

1

2

∫ ∑

i,j

∂i∂jf(Xs) d〈Xi, Xj〉s −∫

Lf(Xs) ds

=

∫ ∑

i,j

∂if∂i,j dXjs

︸ ︷︷ ︸Martingal

+

∫ ∑

i

∂if · bi ds +1

2

∫ ∑

i,j,k

∂i∂jf σijσik︸ ︷︷ ︸=aij

ds−∫

Lf ds

︸ ︷︷ ︸=0

(i) ⇒ (ii) [Sketch]:

(1) Sei X der kanonische Prozess auf Ω = C(R+, Rd).

Definiere: Mt := Xt − X0 −t∫0

b(Xs) ds. Dann ist M(i)t ein lokales stetiges

Martingal fur alle f ∈ C2

⇒ M (i) = Mf mit f(x) = xi ist lokales stetiges Martingal unter (P,F0t ).

Fur alle i, k und f(x) = xixk gilt: Der folgende Prozess ist ein lokales stetigesMartingal:

Mft = X

(i)t X

(k)t −X

(i)0 X

(k)0 −

t∫

0

[X(i)

s bk(Xs) + X(k)s bi(Xs) + aik(Xs)

]ds

= · · · = M(i)t M

(k)t −X

(i)0 M

(k)t −X

(k)0 M

(i)t −

t∫

0

aik(Xs) ds.

⇒ 〈M (i), M (k)〉t =t∫0

aik(Xs) ds.

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7.5 Schwache Losungen und Losungen des Martingalproblems

(2) Sei nun β : Rd → Rd×d Borel-messbar, β(x) ist d × d-Orthogonalmatrix mita(x) := (βT aβ)(x) Diagonalmatrix.Definiere σ(x) als d× d-Matrix mit σij = βji

√aii

⇒ σσT = σT σ = a

(3) r := Rang (σ) ≤ d; Probleme falls < d !Sei E die d× d-Matrix mit r Einsen auf der Diagonalen, 0 sonst.⇒ ∃ Orthogonalmatrix φ mit σφ = σφE und Matrix λ mit λσφ = E.

(4) Setze Nt :=t∫0

λ(Xs)dMs. Dann ist N ein stetiges, Rd-wertiges lokales Mar-

tingal.

〈N i, N j〉t =∑

kl

t∫

0

λik(Xs)λjl(Xs) d〈M (k), M (l)〉s

=∑

kl

t∫

0

(λikaklλTlj)(Xs) ds

=

t∫

0

(E)ij(Xs) ds = δij

t∫

0

1Rang σ(Xs)≥1 ds

Setze Yt :=t∫0

(σφ)(Xs) dNs ⇒ 〈Y −M〉 = 0⇒ Y = M .

(5) Wahle nun Erweiterung (Ω, F , P) des W-Raums (Ω,F ,P), so dass eine BB

W = (W 1, . . . , W d) existiert, die unabhangig von N ist.

Definiere: Wit := N i

t +t∫0

1Rang σ(Xs)<i dW is

⇒Wit lokales Martingal, 〈W i

t, Wjt 〉 = δijt

⇒W d-dim BB

Ebenso Wt =t∫0

β(Xs) dW s (denn: β(x) ist Orthogonalmatrix).

⇒M = Y = (σφ)(X) ·N = (σφEr)(X) ·W = (σφ)(X) ·W= (σφβT )(X) ·W = σ(X) ·W

mit σ := σφβT ist d× d Matrix.

Korollar 7.5.5. Aquivalent sind:

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7 Stochastische Differentialgleichungen

(i) Fur alle Startverteilungen µ auf Rd ist die Losung eindeutig: Es existiert hochstensein W-Maß auf Cd, das Losung des Martingalproblems zu den Koeffizienten a, b undzu der Anfangsverteilung = µ ist.

(ii) Fur alle x ∈ Rd ist die Losung eindeutig: Es existiert hochstens ein W-Maß aufCd, das Losung des Martingalproblems zu den Koeffizienten a, b und zu der An-fangsverteilung = δx ist.

(iii) Fur alle σ mit σσT = a gilt Verteilungseindeutigkeit fur Losungen der SDG zu denKoeffizienten σ, b.

Definition 7.5.6. Das Martingalproblem zu Koeffizienten a, b ist wohlgestellt, falls gilt:∀x ∈ Rd ∃! Losung Px mit Px(X0 = x) = 1.

Beispiel 7.5.7. Fur a = σσT mit σ, b Lipschitz-stetig und linear beschrankt ist dasMartingal-Problem wohlgestellt.

Satz 7.5.8 (Stroock, Varadhan). Es seien a glm. stetig, b, a beschrankt, a glm. elliptisch.Dann ist das Martingal-Problem wohlgestellt.

Bemerkung 7.5.9. a(x) ist gleichmaßig elliptisch genau dann, wenn

∃λ > 0 sodass ∀x, ξ ∈ Rd : ξT a(x)ξ ≥ λ|ξ|2

7.6 Die starke Markov-Eigenschaft

Gegeben seien b, σ zeitunabhangig, Borel-messbar, lokal beschrankt, so dass Martingal-problem wohlgestellt sei. Es seien Ω = Cd = C(R+, Rd), A = B(Ω), Xt(ω) = ω(t), Ft

0

und Px = Losung des Martingalproblems.Seien T beschrankte (Ft

0)-Stoppzeit, ΘT der Shift-Operator: ω 7→ ω(·+ T (ω)).Es sei

Qx = Ω×A → [0, 1]

(ω, F ) 7→ Qxω(F ) = Px(F |F0

T )(ω)

regulare bedingten Wahrscheinlichkeit.

Lemma 7.6.1. Es existiert eine Px-Nullmenge N ∈ A, so dass fur alle ω /∈ N gilt: DasW-Maß Pω = Qx

ω ΘT lost das Martingalproblem zum Startpunkt ω(T (ω)).

Beweis. Nach Definition von regularen bedingten Wahrscheinlichkeiten gilt: Es existierteine Nullmenge N mit:Qx

ω(F ) = 1F (ω) ∀F ∈ F0T ′ ,∀ω /∈ N .

⇒ Qxω(Ω(ω)) = 1 ∀ω 6∈ N mit Ω(ω) := ω′ ∈ Ω : XT (ω′) = XT (ω).

⇒ Pω ([ω′ ∈ Ω : ω′(0) = ω(T (ω))]) = Qxω [ω′ ∈ Ω : ω′(T (ω′)) = ω(T (ω))] = 1.

d.h Startpunkt unter Pω ist ω(T (ω)).

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7.7 SDG und PDG

Korollar 7.6.2. Voraussetzungen wie eben.Dann gilt die starke Markov-Eigenschaft: ∀F ∈ A:

Px[Θ−1

T F |F0T

](ω) = Pω(T )[F ] Px-f.s.

Beweis. Px[Θ−1

T F |F0T

](ω) = Qω(Θ−1

T F ) = Pω(F ) = Pω(T (ω))(F ).

Bemerkung 7.6.3. Man kann ferner zeigen (mit viel Aufwand) x 7→ Px(F ) ist Borel-messbar (∀F ∈ A)⇒ (Xt,P

x) ist starker MP.

7.7 SDG und PDG

Gegeben σ = (aikj(x))i,k=1,...,d;j=1,...,r, b = (bi(x)) beschr. Lipschitz, symmetrisch, positivsemidefinit, beschrankt, Borel-messbar.Sei (Xt,P

x) Losung.

Satz 7.7.1. Gegeben f ∈ Cb(Rd), u ∈ Cb(R+ × Rd) ∩ C2b (R∗

+ × Rd) mit

∂u∂t = Lu in R∗

+ × Rd,

u(0, ·) = f auf Rd

(Losung des Cauchy-Problems).Dann gilt u(t, x) = Ex[f(Xt)], insbesondere ist u eindeutig durch f bestimmt.

Beweis. Fixiere t0 > 0 und betrachte Mt := u(t0 − t, Xt). Nach der Ito-Formel gilt:

Mt = M0 + lok. Martingal +

t∫

0

Lu(t0 − s, Xs)−∂

∂tu(t0 − s, Xs) ds

︸ ︷︷ ︸=0 nach Vor.

⇒Mt lok. Martingal + beschr. ⇒ M ist Martingal⇒ u(t0, x) = M0 = Ex[M0] = Ex[Mt0 ] = Ex[u(0, Xt0)] = Ex[f(Xt0)].

Satz 7.7.2. Gegeben seien D ⊂ Rd und Z = (0 ×D) ∪ (R+ × ∂D).Seien f ∈ Cb(Z) und u ∈ Cb(R+ ×D) ∩ C2

b (R∗+ ×D) mit

∂∂tu = Lu in R∗

+ ×D,

u = f auf Z.

Dann gilt: u(t, x) = Ex[f(t− t ∧ τD, Xt∧τD)].

Beweis. Sei Mt := u(t0 − t, Xt) wie oben.⇒ (Mt)0≤t<τD lok. Martingal, beschr.⇒ (Mt∧τD)t≥0 ist Martingal⇒ u(t0, x) = Ex[M0] = Ex[Mt0∧τD ] = Ex[f(t0 − t0 ∧ τD, Xt0∧τD)].

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7 Stochastische Differentialgleichungen

Divergenz-Probleme

Satz 7.7.3. Gegeben seien D ⊂ Rd mit τD < ∞ Px-f.s. (∀x ∈ D) und f ∈ Cb(∂D). Essei u ∈ Cb(D) ∩ C2

b (D) mit Lu = 0 in D,

u = f auf ∂D.

Dann ist u(x) = Ex[f(XτD)].

Beweis. Def. v(t, x) := u(x) ∀t ≥ 0⇒ v lost ∂

∂tv = Lv in R∗+ ×D

Dies impliziert:

u(x) = v(t, x) = Ex[f(XτD) · 1t>τD] + Ex[u(Xt) · 1t≥τD]

−→ Ex[f(XτD)] + 0 fur t→∞, denn Px[τD <∞] = 1.

Bemerkung 7.7.4. Ist D beschrankt und σσT glm. elliptisch, so ist τD < ∞ Px-f.s.∀x ∈ D. Nicht erfullt (z.B.) fur σ ≡ 0.

Satz 7.7.5 (Poisson-Problem). Gegeben seien D ⊂ Rd mit Ex[τD] < ∞ ∀x ∈ D undg ∈ Cb(D). Es sei u ∈ Cb(D) ∩ C2

b (D) mit

Lu = −g in D,

u = 0 auf ∂D.

Dann ist u(x) = Ex

[τD∫0

g(Xs) ds

].

Beweis. Betrachte Mt := u(Xt) +t∫0

g(Xs) ds

⇒ (Mt)0≤t<τD lok. Martingal, beschr.⇒ (Mt∧τD)0≤t≤∞ ist Martingal

⇒ u(x) = M0 = Ex[M0] = Ex[MτD ] = Ex

[τD∫0

g(Xs) ds

].

Bemerkung 7.7.6.

• Falls D beschr. und σσT glm. elliptisch, dann Ex[τD] <∞.

• Darstellung gilt auch fur D = Rd, d ≥ 3, wobei u allerdings nur eindt. mod const.(z.B. g ∈ C0, u ∈ C0 ∩ C2

b . . . ).

112

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7.7 SDG und PDG

Korollar 7.7.7. Falls Lu = −g in D, u = f auf ∂D, so ist

u(x) = Ex

[f(XτD) +

τD∫0

g(Xs) ds

]

Wann gilt Ex [τD] <∞?Ziel: Konstruiere u ∈ C2

b (D) mit −Au ≥ 1

⇒ Ex(t ∧ τD) ≤ Ex

[−

t∧τD∫0

Au(Xs) ds

]= −Ex[u(Xt∧τD)] + u(x) ≤ 2‖u‖ <∞

Beispiel 7.7.8. σij = δij , b = 0, X =BB, D = BR(0)⇒ u(x) = 1

d(R2 − ‖x‖2)⇒ Au = 12∆u = −1

⇒ Ex[τD] = u(x)− limt→∞

Ex[u(Xt∧τD)] = u(x) = 1d(R2 − ‖x‖2)

Lemma 7.7.9. Falls ξ ∈ Rd\0 und δ > 0 existieren, so dass fur alle x ∈ D gilt:ξa(x)ξ ≥ δ, dann ist Ex [τD] <∞ (∀x ∈ D).

Beweis. Seien β = ‖b‖∞, ν = 2β/δ, u(x) = −µ exp(ν〈x, ξ〉) = −ueνx1 . OBdA: ξ =(1, 0, . . . , 0)⇒ u ∈ C2

b (D)

−Au(x) = µeν〈x1〉 ·[1

2ν2a1(x) + νb1(x)

]

≥ µeνx1 · 12νδ[ν − 2β/δ]

≥ 1 auf D falls µ hinr. groß.

Satz 7.7.10 (”Schrodinger-Gleichung“). Seien D wie eben, τ := τD, q ∈ Cb(D) mit

q ≥ 0 und f ∈ Cb(∂D). Es sei u ∈ Cb(D) ∩ C2b (D) mit

Lu = qu in D,

u = f auf ∂D.

Dann gilt: u(x) = Ex

f(Xτ )e

−τ∫0

q(Xs) ds

.

Beweis. Sei At :=t∫0

q(Xs) ds und Nt := u(Xt)e−At .

Dann gilt:

Nt = N0 +

t∫

0

e−As du(Xs) +

t∫

0

u(Xs) de−As + 0

= N0 + lok. Martingal −t∫

0

u(Xs)e−As dAs +

t∫

0

e−AsLu(Xs) ds fur t < τ

113

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7 Stochastische Differentialgleichungen

⇒ ∀τ ′ < τ :

Ex[e−Aτ ′u(Xτ ′)

]= Ex[Nτ ′ ]

= u(x)−Ex

τ ′∫

0

e−Asu(Xs)q(Xs) ds

+ Ex

τ ′∫

0

e−AsLu(Xs) ds

= u(x)

⇒ Ex[e−Aτ u(Xτ )

]= u(x).

Bemerkung 7.7.11. Statt q ≥ 0 reicht Ex

e

−τ∫0

q(Xs) ds

<∞.

7.8 Feller-Eigenschaft

Satz 7.8.1 (Burkholder-Davis-Gundy Ungleichung). ∀0 < p < ∞ ∃C = C(p) ∀M ∈Mloc

01

CE[〈M〉p/2

]≤ E [(M∗

∞)p] ≤ C ·E[〈M〉p/2

]

Hierbei M∗t := sup

s≤t|Ms|.

Beweis. der 2. Ungleichung im Fall p ≥ 2:OBdA: M beschrankt (ansonsten M MT ). Wegen x 7→ |x|p C2 folgt mit Ito:

|M∞|p =

∞∫

0

p|Ms|p−1sgn(Ms) dMs +1

2

∞∫

0

p(p− 1)|Ms|p−2 d〈M〉s.

Es gilt:

(p− 1

p

)p

E[(M∗∞)p]

Doob≤ E [|M∞|p]

=p(p− 1)

2E

∞∫

0

|Ms|p−2 d〈M〉s

≤ p(p− 1)

2E[|M∗

∞|p−2〈M〉∞]

Cauchy−Schwarz≤ p(p− 1)

2E [|M∗

∞|p]p−2

p E[〈M〉p/2

]2/p.

⇒ E [(M∗∞)p] ≤

[pp+1(p−1)1−p

2

]p/2E[〈M〉p/2

].

114

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7.8 Feller-Eigenschaft

Lemma 7.8.2 (Kolmogorov-Chentsov). Sei I = [0, 1]d. Sei (Xt)t∈I ein stoch. Prozessmit Werten in einem vollst. metrischen Raum (E, δ). Falls positive Konstanten α, β, γexistieren mit

E [δ(Xs, Xt)α] ≤ γ · ‖s− t‖d+β

fur alle s, t ∈ I, dann existiert eine stetige Modifikation von X.

Satz 7.8.3. Seien σ, b Lipschitz-stetig (in x) und linear beschrankt. Dann existiert einstochastischer Prozess

X : Rd × R+ × Ω → Rd

(x, t, ω) 7→ Xxt (ω)

mit stetigen Pfaden (bzgl. x und t), so dass fur alle x ∈ Rd gilt: (Xxt )t≥0 ist die eindeutige

starke Losung der SDG zu (b, σ) mit Anfangsbedingung x, d.h.

Xxt = x +

t∫

0

b(s, Xxs ) ds +

t∫

0

σ(s, Xxs ) dWs P-f.s.

Beweis. (i) Wahle p ≥ 2 und Losung Xx bzw. Xy der SDG mit Anfangswerten x

bzw. y. Setze h(t) = E

[sups≤t|Xx

s −Xys |p]. Dann gilt:

h(t) = E

sup

s≤t

∣∣∣∣∣∣[x− y] +

s∫

0

[b(r, Xxr )− b(r, Xy

r )] dr +

s∫

0

[σ(r, Xxr )− σ(r, Xy

r )] dWr

∣∣∣∣∣∣

p

≤ 3p−1E

|x− y|p + sup

s≤t

∣∣∣∣∣∣

s∫

0

[b(r, Xxr )− b(r, Xy

r )] dr

∣∣∣∣∣∣

p

+ sups≤t

∣∣∣∣∣∣

s∫

0

[σ(r, Xxr )− σ(r, Xy

r )] dWr

∣∣∣∣∣∣

p

115

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7 Stochastische Differentialgleichungen

Mit BDG-Ungleichung gilt fur den 3. Summanden:

E

sup

s≤t

∣∣∣∣∣∣

s∫

0

[σ(r, Xxr )− σ(r, Xy

r )] dWr

∣∣∣∣∣∣

p

≤ Cp ·E

⟨ ·∫

0

[σ(r, Xxr )− σ(r, Xy

r )] dWr

⟩p/2

t

= Cp ·E

t∫

0

|σ(r, Xxr )− σ(r, Xy

r )|2 dr

p/2

Holder≤ Cp · t

p−22 ·E

t∫

0

|σ(r, Xxr )− σ(r, Xy

r )|p dr

≤ Kp · Cp · tp−22 ·E

t∫

0

sups≤r|Xx

s −Xys |p dr

= Kp · Cp · tp−22

t∫

0

h(r) dr.

Analog

E

sup

s≤t

∣∣∣∣∣∣

s∫

0

[b(r, Xxr )− b(r, Xy

r )] dr

∣∣∣∣∣∣

p ≤ Kp · Cp · tp−1

t∫

0

h(r) dr

Also insgesamt: ∃c = c(K, p, t) :

h(t) ≤ c|x− y|p + c ·t∫

0

h(r) dr.

Mit Gronwall: ∃c′ = c′(K, p, t): h(t) ≤ c′|x− y|p, d.h.

E

[sups≤t|Xx

s −Xys |p]≤ c′ · |x− y|p. (7.11)

(ii) Wende nun”Kolmogorov-Chentsov“ an auf den Prozess (Yx)x∈I mit I = Rd und

Werten im norm. Raum E = C([0, t], Rd):

Y· : Rx × Ω → E

(x, ω) 7→ Yx(ω) = Xx· (ω)

116

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7.8 Feller-Eigenschaft

mit Norm ‖Yx(ω)‖ = sups≤t|Xx

s (ω)|(7.11) lautet: ∀p, t : ∃c′ = c′(K, p, t) : ∀x, y :

E [‖Yx − Yy‖p] ≤ c′ · ‖x− y‖p.

Wahle p > d. Dann existiert eine stetige Modifikation Y von Y , d.h.

∃ stetiger Prozess (in x und t) X : Rd × [0, t]× Ω → Rd

(x, s, ω) 7→ Xxs (ω),

so dass Xx und Xx fur alle x ∈ Rd aquivalent sind (also fast sicher gleich sind).Xx ist also Losung der SDG mit Anfangsbedingung x (fur alle x). D.h.: OBdAX ≡ X. Damit ist (t, x) 7−→ Xx

t (ω) stetig fur P-fast alle ω.

Seien nun b, σ nur von x abhangig. Definiere: Pt(x, A) := P(Xxt ∈ A), Ptf(x) :=

E[f(Xxt )].

Satz 7.8.4. (Pt)t≥0 ist Feller-Halbgruppe, d.h. es gilt: Pt : C0 → C0 und limt→0

Ptf =

f (∀f ∈ C0) (punktweise – oder aquivalent – gleichmaßig).

Beweis. Wegen Stetigkeit von f und Stetigkeit von Xxt (in x und t) ist

Ptf(x) = Ef(Xxt )

stetig in x und t (major. Konvergenz). Also gilt: Ptf ∈ Cb und limPtf = f (∀f ∈ Cb).Sei nun f ∈ C0. Z.z.: Ptf ∈ C0. Nun ist

|Ptf(x)| ≤ supBr(x)

|f |+ ‖f‖∞ ·P[Xxt /∈ Br(x)] (7.12)

und

P[Xxt /∈ Br(x)] ≤ r

12 E(|Xx

t − x|2)

≤ 2

r2E

∣∣∣∣∣∣

t∫

0

σ(Xxs ) dWs

∣∣∣∣∣∣

2+

2

r2E

∣∣∣∣∣∣

t∫

0

b(Xxs ) ds

∣∣∣∣∣∣

2

≤ 2K2

r2(t + t2)

mit K Schranke fur σ und b.Wahle nun ε > 0 und t fix. Fur r hinreichend groß ist der zweite Summand in (7.12)≤ ε/2. Fur dieses r und x hinreichend groß ist auch der erste Summand in (7.12) ≤ ε/2.⇒ |Ptf(x)| ≤ ε.

117

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7 Stochastische Differentialgleichungen

Satz 7.8.5. Sei A := limt→0

1t (Pt − I) der Generator der Feller-Halbgruppe (Pt)t≥0, d.h.

D(A) = f ∈ C0 : Af := limt→0

1

t(Ptf − f) existiert in C0.

Dann ist (A,D(A)) eine Fortsetzung des Operators

A0f(x) =1

2

d∑

i,j=1

aij(x)∂2f(x)

∂xi∂xj+

d∑

i=1

bi(x)∂f(x)

∂xi

mit D(A0) = C2c (Rd) und a = σσT .

M.a.W.: D(A) ⊃ C2c (Rd), und fur f ∈ C2

c (Rd) gilt:

Af = A0f

Beweis. Mit Ito-Formel gilt fur alle f ∈ C2c :

f(Xxt ) = f(x) + Mt +

d∑

i=1

∫∂f

∂xi(Xx

s )bi(Xxs ) ds

+1

2

d∑

i,j=1

∫∂f

∂xi∂xj(Xx

s )σik(Xxs )σjk(X

xs ) ds

= f(x) + Mt +

t∫

0

A0f(Xxs ) ds

Af(x) = limt→0

E

1

t

t∫

0

A0f(Xxs ) ds

=

major. Konv.A0f(x),

denn 1t

t∫0

(A0f)(Xxs ) ds→ (A0f)(x) P-f.s. wegen Stetigkeit.

Korollar 7.8.6. Unter obigen Voraussetzungen gilt:

(i) limt→0

1t E[(Xx

t − x)(i)]

= bi(x)

(ii) limt→0

1t E[(Xx

t − x)(i) · (Xxt − x)(j)

]= aij(x)

Interpretation: Drift b entspricht der lokalen Geschwindigkeit bzw. der infinitesimalen

Anderung des Erwartungswertes.Diffusion a entspricht der infin. Anderung der Kovarianz.

118

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7.8 Feller-Eigenschaft

Beweis. (i) Wahle fi(x) = xi fur i = 1, . . . , d:

⇒ bi(x) = Afi(x) = limt→0

1

t(Ptfi(x)− fi(x))

= limt→0

1

tE((Xx

t − x)(i))

.

(ii) Wahle fij(x) = (xi − yi)(xj − yj) fur fixes y ∈ Rd und i, j = 1, . . . , d:

⇒ aij(y) = Afij(y)

= limt→0

1

t(Ptfij(y)− fij(y))

= limt→0

1

tE((Xy

t − y)(i)(Xyt − y)(j)

).

Beispiel 7.8.7. fur schw. Lsg von SDG (Time change σ 1).Seien d = 1, 0 < λ ≤ |σ(x)| ≤ 1

λ (∀x), σ messbar, b ≡ 0.(Es genugen wesentlich schwachere Voraussetzungen an σ).Betrachte SDG:

dXt = σ(Xt) dWt mit P X−10 = µ. (7.13)

Losung: Wahle beliebige 1-dim. BB (Xt)t≥0 mit P X−10 = µ.

Definier W mittels (7.13):

Wt =

t∫

0

1

σ(Xs)dXs.

⇒ 〈W 〉t =t∫0

1

σ2(Xs)ds und dXt = σ(Xt) dWt.

Sei T0 Rechtsinverse zu 〈W 〉0, d.h.

Tt = infs ≥ 0 : 〈W 〉s > t.

Sei Wt := WTt , Xt := XTt ⇒ dXt = σ(Xt) dWt und 〈W 〉t = 〈W 〉Tt = t⇒ W ist 1-dimBB und P X−1

0 = µ.

Bemerkung 7.8.8. Statt σ(x) ≥ λ > 0 genugt 1σ2 ∈ L1

loc, σ <∞.Denn: Seien f = 1

σ21K und K kompakt.

⇒ E

t∫

0

f(Xs) ds

=

t∫

0

∫ps(x, y)f(y) dy ds

≤t∫

0

(2πs)−1/2 ds

∫f(y) dy

=

√2

π

√t‖f‖1 <∞

119

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7 Stochastische Differentialgleichungen

⇒t∫0

f(Xs) ds <∞ f.s.

⇒t∧τr∫0

1σ2(Xs)

ds <∞ f.s. (∀t,∀r)

⇒t∫0

1σ2(Xs)

ds <∞ f.s. (∀t)

Lemma 7.8.9. ∀ Feller-Halbgruppe ∃ Halbgruppe von Markov-Kernen

Beweis. Riesz:x 7→ Ptf(x) =

∫kt(x, dy)f(y) stetig, also messbar ∀f ∈ C0

⇒ x 7→ Ptf(x) =∫

kt(x, dy)f(y) messbar ∀f ∈ Bb

x 7→ kt(x, A) messbar ∀A ∈ B

Definition 7.8.10. Eine Feller-Halbgruppe ist eine Familie (Pt)t≥0 von linearen Ope-ratoren auf C0(Rd) mit:

• Ps Pt = Ps+t (∀s, t ≥ 0)

• Positivitat: f ≥ 0⇒ Ptf ≥ 0

• Normiertheit: |f | ≤ 1⇒ |Ptf | ≤ 1

• Stetig: Ptf → f fur t→ 0

Konservative Feller-Halbgruppe:

f ր 1⇒ Ptf ր 1.

Lemma 7.8.11. Aquivalent sind:

(i) Konservative Feller-Halbgruppe [Feller-Halbgruppe]

(ii) Markov-Halbgruppe auf Rd [Markov-Halbgruppe auf Rd]mit Ptf ∈ C0 (∀f ∈ C0) und Ptf → f

Beweis. Z.z.: Ptf → f pkt. (1)⇒ Ptf → f glm. (2)

(i) Ann. (1). Zeige zunachst:Beh. (2) gilt ∀f = αUαg, g ∈ C0, α > 0

Uαg =

∞∫

0

e−αtPtg dt Resolvente

Dabei gilt: Wegen (1) + Halbgruppen-Eigenschaft ist t 7→ Ptg(x) rechtsstetig in t(∀x)

120

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7.8 Feller-Eigenschaft

⇒ (t, x) 7→ Ptg(x) messbar in (t, x) auf R+ × Rd

⇒ u 7→ Uαg(x) messbar auf Rd und limα→∞

αUαg(x) = g(x) ∀xFur xn → x ∈ Rd gilt: Uαg(xn)→ Uαg(x) und fur xn →∞: Uαg(xn)→ 0⇒ Uαg ∈ C0

(ii) Es gilt die Resolventengleichung (”Fubini“): ∀β > α > 0:

Uαg − Uβg = (β − α)Uα(Uβg) = (β − α)Uβ(Uαg)

⇒ Range D := Uα(C0(Rd)) unabhangig von α,

‖αUαg‖ ≤ ‖g‖∞

(iii) Beh.: D ist dicht in C0(Rd)Riesz-Darstellungssatz ⇒ Dual-Raum von C0 ist Raum der endl. Maße auf Rd

Sei µ endl. Maß mit∫

f dµ = 0 (∀f ∈ D)⇒∫

fdµ =major. Konv.

limα→∞

∫αUαfdµ = 0 (∀f ∈ C0)

⇒ µ = 0

(iv) Mit Fubini: ∀f ∈ C0

PtUαf(x) = eαt

∞∫

t

e−αsPsf(x) ds

⇒ ‖PtUαf − Uαf‖∞ ≤(eαt − 1

)· ‖Uαf‖∞ + eαtt‖f‖∞ → 0 fur t→ 0

Also: ∀g = Uαf ∈ D:

‖Ptg − g‖∞ → 0 fur t→ 0

⇒ Wegen c): ∀g ∈ C0 : ‖Ptg − g‖∞ → 0.

Doob- Transf. Seien Xt BB. Sei h ∈ C2(D), h > 0 auf D, ∆h = 0 in D.

Setze b(x) := ∇h(x)h(x)

⇒ Zt := h(Xt)h(X0) = · · · = exp

t∫0

b(Xs) ds− 12

t∫0

|b|2(Xs) ds fur t < τD

⇒ Lsg. von(

12∆ + b∇

)u = 0, u = f , ist geg. durch

u(x) = E [f(Xτ )h(Xτ )] /h(x)

121

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7 Stochastische Differentialgleichungen

Beweis. 1) h(Xτ )h(X0) = Zτ = . . .

2) Betrachte Transformation f 7→ fh, u 7→ uh, . . .⇒ neuer Generator

Au =1

h

(1

2∆(uh)

)=

1

h

(h

1

2∆u +∇h∇u + u

1

2∆h

)

=1

2∆u +

∇h

h∇u.

Beispiel 7.8.12. D = Rd\z, d ≥ 3,

h(x) =Cd

‖x− z‖d−2harmonisch in D, “Green-Funktion”

b(x) = ∇hh (x) = −(d− 2) x−z

‖x−z‖2

Richtung: zu zBetrag: 1

‖x−z‖

Generator: 12∆ + b∇

Halbgruppe: qt(x, y) = pt(x, y)h(y)h(x) . Es gilt:

∫qs(x, y) · qt(y, z) dy =

∫ps(x, y)

h(y)

h(x)pt(y, z)

h(z)

h(y)dy = qs+t(x, y)

∫qt(x, y) dy =

∫1

h(x)

∫pt(x, y)h(y) dy

︸ ︷︷ ︸≤h(x) wegen super-harmon. in Rd

≤ 1

auf D, sub-MarkovBeim Treffen von z wird der Prozess gekillt. z wird getroffen wegen Drift b.

Einige Wiederholungen:

Sei D offen, E [τD] <∞ (∀x), u ∈ C2h(D)

⇒ u(x) = E[u(XτD)]−E

[τD∫0

Au(Xs)ds

]

(⇒ Darstell. fur Dirichlet-, Poisson-, . . . )Insbes. u ≥ 0 auf ∂D, Au ≤ 0 in D ⇒ u ≥ 0 in D.

122

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7.9 Die starke Markov Eigenschaft

Sei EτBR<∞ (∀x,∀BR = BR(0)) und u ∈ C2

0(Rd), Au ≥ 0

⇒maj. Konv.

u(x) = −E

∞∫

0

Au(Xs) ds

= −∞∫

0

E[(Au)(Xs)] ds

= −∞∫

0

Rd

(Au)(y)pt(x, dy) ds

= −∫

Rd

(Au)(y)g(x, dy).

Achtung: Falls d ≤ 2: ∃u 6= 0, u ∈ C20 mit 1

2∆u ≥ 0 (Rekurrenz)

Ann. u 6= 0, d.h. ∃ε > 0, D offen, 6= ∅ : 12∆u ≥ ε1D

⇒ E∞∫0

Au(Xs)ds ≥ εE

∞∫

0

1D(Xs) ds

︸ ︷︷ ︸0+∞ f.s.

Falls d ≥ 3 :

g(x, dy) = g(x, y) dy mit

g(x, y) =∞∫0

pt(x, y) dt = cd · 1‖x−y‖d−2

Also ∀w ∈ CC : ∃!u ∈ C20 : −1

2∆u = w

Hierfur u(x) =∫

Rd

w(y)g(x, y) dy = E

[∞∫0

w(Xs) ds

].

7.9 Die starke Markov Eigenschaft

(Ω,F ,Ft,P) W-Raum, der den ublichen Bedingungen genuge, (Wt) BB.Seien b, σ und (Xt) Losung der SDG (rechtsstetig in t!). (Pt)t≥0 Feller-Halbgruppe aufC0 = C0(Rd).Verwende:

• Elementare MEE[f(Xt+s)|Ft] = Psf(Xt)

• X· rechtsstetig, Feller-Stetigkeit: f(·), Ptf(·)Satz 7.9.1. Unter den obigen Voraussetzungen gilt die starke Markov-Eigenschaft: Furjede Stoppzeit T , jedes f ∈ C0(Rd) und jedes s ≥ 0 gilt:

E [f(XT+s)|FT ] = Psf(XT ) (7.14)

123

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7 Stochastische Differentialgleichungen

Bemerkung 7.9.2.

• Beide Seiten sind Zufallsvariablen.

• Auf T =∞ ist XT :=∞ ∈ Rd \ Rd mit f(∞) := 0.

• (7.14) gilt ebenso fur alle beschrankten, messbaren f (sowie fur alle nichtnegativen,messbaren f), falls T <∞ bzw. falls man f(X∞) := 0 setzt.

• Wegen Psf(x) = Ef(Xxs ) laßt sich die rechte Seite von (7.14) schreiben als

Psf(XxT )(ω0) = Ef

(X

XxT (ω0)

s

)

• Es seien Ω der Standard-Pfadraum C(R+, Rd) und ΘT : Ω → Ω, ΘT (ω) = (t 7→ω(t + T (ω))), der Shift-Operator. Ferner sei Y eine beschrankte und F0-messbareZ.V. Dann gilt:

E [Y ΘT |FT ] = EXT [Y ]

(obige Gleichung (7.14): Y = f(Xs))

Beweis. Sei Tn := [2nT ]+12n . Dann: Tn ց T , Tn Stoppzeit mit Werten in D = k · 2−m :

k, m ∈ N (dyadische Zahlen), FT = σ(⋃FTn).

Sei Λ ∈ FT ⇒ ∀d ∈ D : Λd := Λ ∩ Tn = d ∈ Fd. Anwend. der gewohnlichen ME furt = d liefert:

Λd

f(Xd+s) dP = E [1Λd·E[f(Xd+s)|Fd]]

ME= E [1Λd

· Psf(Xd)]

Aufsummieren der moglichen Werte von Tn liefert:∫

Λ

f(XTn+s) dP = E [1Λ · Psf(XTn)] .

Die Stetigkeit von x 7−→ f(x) und x 7−→ Psf(x) sowie die Rechtsstetigkeit von t 7−→ Xt

liefern (fur n→∞): ∫

Λ

f(XT+s) dP =

Λ

Psf(XT ) dP.

Da dies fur alle Λ ∈ FT gilt und Psf(XT ) FT -messbaren ist, folgt:

E [f(XT+s)|FT ] = Psf(XT ).

Korollar 7.9.3. Fur jede Stoppzeit T ist (Px, XT+t)x∈Rd,t≥0 ein (starker) Markov-

Prozess mit Ubergangshalbgruppe (Pt)t≥0.

124

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7.9 Die starke Markov Eigenschaft

Beweis. Wende (7.14) an mit T + t statt T :

E [f(XT+t+s|FT+t)] = Psf(XT+t)

E [f(XT+t+s|FT+t)] = E [f(Yt+s)|Gt)]Psf(XT+t) = Psf(Yt)Also Prozess Yt := XT+t, Filtration Gt = FT+t, Halbgruppe (Pt)

125

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8 BB und Dirichlet-Problem fur denLaplace-Operator

8.1 BB als starker Markov-Prozess

Betrachte BB im Rd (vieles analog fur allgem. Feller-Prozesse)OBdA kanonisches Modell: Ω = C(R+, Rd), Xt(ω) = ω(t) Proj., P = P0 Wiener Maßfur Start in 0 ∈ Rd

(Xt + x)t≥0 BB, startend in x (unter P0) Px = Bildmaß von P0 unter Abb. ω 7→ ω + x (Xt) BB, startend in x unter Px

Sei Ft = σ(Xs : s ≤ t) (ohne Augmentierung)Markov-Eigenschaft ∀x,∀s, t,∀f ∈ Bb(Rd) gilt Px-f.s.

Ex [f(Xs+t)|Fs] = Ex [f(Xs+t)|Xs]

= EXs [f(Xt)]

= Ptf(Xs)

(”Abh. von Vergangenheit=Abh. von Gegenwart“)

Vorletzter Term:EXs [f(Xt)](ω) =

∫Ω

f(Xt(ω′))PXs(ω)(dω′)

Sei Θt : Ω→ Ω, (Θt(ω))(s) = ω(s + t) Shift, messbar,⇒ Xt Θs = Xs+t

Markov-Eigenschaft: ∀F∞-messbaren Z.V. Z : Ω → R (beschrankt oder ≥ 0), ∀s,∀x :

Px-f.s.Ex [Z Θs|Fs] = Ex [Z Θs|Xs] = EXs [Z].

Hieraus folgt starke Markov-Eigenschaft: ∀ Stoppzeiten S, ∀t ≥ 0, ∀f ∈ Bb(Rd), ∀x:Px-f.s. auf S <∞:

Ex [f(XS+t)|FS ] = Ex [f(XS+t)|XS ] = EXS [f(Xt)] = Ptf(XS)

und allgemein: ∀ Stoppzeiten S, ∀Z ∈ Bb(Ω), ∀x: Px-f.s. auf S <∞

Ex [Z ΘS |FS ] = Ex [Z ΘS |XS ] = EXS [Z].

(Bem: Statt Px kann man auch Pν fur bel. W-Maß ν auf Rd wahlen.)

Beispiel 8.1.1. Z = f(XT ) mit Stoppzeit T .

127

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8 BB und Dirichlet-Problem fur den Laplace-Operator

Definition 8.1.2. Fur alle Stoppzeiten T definiere man einen Sub-Markov-Kern (-Operator) durch:

PT (x, A) := Px(XT ∈ A, T <∞)

PT (x) := Ex[f(XT ) · 1T<∞].

Lemma 8.1.3. Fur alle Stoppzeiten S, T gilt:

PS PT = PS+TΘS

Beweis. (i) S + T ΘS ist Stoppzeit.

”= 1. Eintreffen von T nachdem S eingetroffen ist“

(ii) f(XT ) ΘS = f(XT ΘS) = f(XS+TΘS)

(iii) Zur Vereinfachung: Es sei S <∞, T <∞, S + T ΘS <∞. Dann:

(PS PT )f(x) = Ex[PT f(XS)]

= Ex[EXS [f(XT )]]SME= Ex[Ex[f(XT ) ΘS |FS ]]

= Ex[f(XT ) ΘS ]

2)= PS+TΘS

f(x).

8.2 Die Mittelwerteigenschaft

Definition 8.2.1. Seien D ⊂ Rd offen, u : D → R messbar und λd-integr. (oder ≥ 0).Man sagt, dass u die Mittelwerteigenschaft besitzt, wenn fur alle Br(x) ⊂ D und furλ1-f.a. s < r gilt:

u(x) =

∂Bs(x)

u(y)σs(dy).

Dabei bezeichne σs das norm. Oberflachenmaß auf ∂Bs(x).

Bemerkung 8.2.2. Es gilt:

Br(x)

u(y)λ(dy) =

r∫

0

∂Bs(x)

u(y)σs(dy)

· cn · sn−1 ds

= u(x) · λ(Br(x)),

d.h. u(x) = 1λ(Br(x))

∫Br(x)

u(y)λ(dy) ∀Br(x) ⊂ D.

128

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8.2 Die Mittelwerteigenschaft

Proposition 8.2.3. Es seien D offen, f : ∂D → R messbar und beschrankt (oder ≥ 0),u(x) := Ex

[f(XτD)1τD<∞

]mit τD := inft ≥ 0 : Xt /∈ D. Dann erfullt u MWE in

D, ist messbar und beschrankt (oder ≥ 0).

Beweis. Sei B′ := Br(x), B ⊂ D ⇒ τB <∞ f.s. Damit gilt:

u(x) = Ex [f(XτD)]

= Ex [Ex [f(XτD)|FτB ]]

= Ex [Ex [f(XτD) ΘτB |FτB ]]SME= Ex

[EXτB [f(XτD)]

]

= Ex [u(XτB )]

=

∂B

u(y)σr(dy).

Proposition 8.2.4. Es sei u : D → R messbar, lokal integrierbar und erulle MWE.Dann gilt:

u ∈ C∞(D) und ∆u = 0 in D.

(”Das heißt: u ist harmonisch.“)

Beweis. Sei gε(s) :=

cε · e

1s2−ε2 , s < ε

0 , sonst

Dabei sei cε so gewahlt, dass∫

gε(‖x‖)λ(dx) = 1 gelte.Def. uε(x) :=

∫Rd

u(y)gε(‖x− y‖) dy:”Glattung von u“.

Fur Dε := y : Bε(y) ⊂ D gilt: uε ∈ C∞(Dε).Mit MWE folgt fur alle ε > 0 und alle x ∈ Dε:

uε(x) =

ε∫

0

∂Bs(x)

u(y)gε(s)σs(dy)

cn · sn−1 ds

= u(x)

⇒ u ∈ C∞(D).Zeige: ∆u = 0 in D.Taylor-Entwicklung in Umgebung von Br(x) ⊂ D:

u(y) = u(x) +∑

i

(yi − xi)∂u

∂xi(x) +

1

2

i,j

(yi − xi)(yj − xj)∂2u

∂xi∂xj(x) + o(‖x− y‖2)

129

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8 BB und Dirichlet-Problem fur den Laplace-Operator

Integration uber ∂Br(x) gibt (wegen Antisymmetrie von yi − xi und (yi − xi)(yj − xj)fur i 6= j):

∂Br(x)

u(y)σr(dy) = u(x) +1

2

d∑

i=1

∂2u

∂x2i

(x)

∂Br(x)

|yi − xi|2σr(dy) + σ(r2)

= u(x) +r2

2d∆u(x) + o(r2).

Mit MWE:∫

∂Br(x)

u(y)σr(dy) = u(x) (∀r) und daher ∆u(x) = 0.

Satz 8.2.5. Fur alle offenen Teilmengen D ⊂ Rd, alle f ∈ Bb(∂D) und fur alle α ∈ Rgilt: Es sei u(x) := Ex

[f(XτD) · 1τD<∞

]+ α ·Px[τD =∞]. Dann ist u ∈ C∞(D) und

∆u = 0 in D.

Beweis. Zunachst α = 0. Dann gilt: u ∈ Bb(D), u erfullt MWE. Daher folgt die Behaup-tung.Fur α 6= 0: Setze f ≡ α auf ∂D. Dann ist

α ·Px[τD =∞] = α−Ex[f(XτD) · 1τD<∞

]

harmonisch.

8.3 Randregularitat

Definition 8.3.1. Es seien τD := inft ≥ 0 : Xt /∈ D, τ∗D := inft > 0 : Xt /∈ D

Lemma 8.3.2. (i) ∀x ∈ D: τ∗D = τD > 0 Px-f.s.

(ii) ∀x ∈ Rd\D: τ∗D = τD = 0 Px-f.s.

∀x ∈ ∂D: τD = 0 Px-f.s.

(iii) ∀x ∈ ∂D: Pxτ∗D = 0 = 1 oder Pxτ∗

D = 0 = 0

Beweis. (i), (ii) gelten wegen der Stetigkeit von X.(iii) ∀x ∈ Rd:

τ∗D = 0 ∈ F0+ ⊂ FPx

0

Nun gilt fur alle A ∈ FPx

0 : Px(A) = 0 oder Px(A) = 1 (”Blumenthal’sches 0-1-Gesetz“),

denn ∀B ∈ F0 : Px(B) = 0 oder Px(B) = 1

Definition 8.3.3. z ∈ ∂D heißt regular (fur BB in D), wenn gilt:

Pzτ∗D = 0 = 1.

Andernfalls heißt z irregular.

130

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8.3 Randregularitat

Bemerkung 8.3.4. (i) Irregulare Randpunkte verhalten sich wie innere Punkte vonD.

(ii) PxXτD ∈ (∂D)irr = 0 (∀x ∈ D).

Beispiel 8.3.5. d = 1: Jeder Punkt z ∈ ∂D ist regular.d ≥ 2: D = Br(x0)\x0⇒ x0 ist irregular, da Px0-f.s. gilt: τ∗

D = τBr(x0) > 0

Satz 8.3.6. Seien D ⊂ Rd offen, d ≥ 2, z ∈ ∂D. Dann sind aquivalent:

(i) ∀f ∈ Bb(∂D) mit f stetig in z gilt:

limx→z,x∈D

Ex[f(XτD) · 1τD<∞

]= f(z). (8.1)

(ii) ∀f ∈ Cb(∂D) gilt (8.1)

(iii) τ∗D = 0 Pz-f.s. (

”z ist regular“)

(iv) ∀t > 0 : limx→z,x∈D

PxτD > t = 0.

Beweis. Es gilt: (i) ⇒ (ii)(ii) ⇒ (iii): Sei o.B.d.A. τ∗

D <∞ (Px-f.s. ∀x). Annahme: (iv) gelte nicht.Dann folgt: Pz(τ∗

D = 0) = 0, ferner (wegen d ≥ 2):

limrց0

Pz(Xτ∗D∈ Br(z)) = Pz(Xτ∗

D= z) = 0.

Wahle r > 0 mit Pz(Xτ∗D∈ Br(z)) < 1

4 und setzte rn := 2−nr, τn := inft ≥ 0 : Xt /∈Brn(z)⇒ Pz(τn ց 0) = 1⇒ lim

n→∞Pz(τn < τ∗

D) = 1

Auf τn < τ∗D gilt: Xτn ∈ D. Fur n groß genug ist Pz(τn < τ∗

D) ≥ 12 und daher:

14 > Pz(Xτ∗

D∈ Br(z))

≥ Pz(Xτ∗D∈ Br(z), τn < τ∗

D)

= Ez(1τn<τ∗D ·Ez(1Br(z)(Xτ∗

D)|Fτn))

SME= Ez(1τn<τ∗

D ·EXτn (1Br(z)(Xτ∗D)))

≥ 12 · inf

x∈D∩∂Brn (z)Ex(1Br(z)(Xτ∗

D))

⇒ ∃xn ∈ D ∩ ∂Brn(z): Pxn(Xτ∗D∈ Br(z)) < 1

2Wahle f ∈ Cb(∂D), f ≤ 1, f ≡ 0 auf ∁Br(z), f stetig in z, f(z) = 1. Hierfur gilt:

limn→∞

Exnf(XτD) ≤ limn→∞

Pxn(XτD ∈ Br(z))

≤ 1

2< f(z)

131

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8 BB und Dirichlet-Problem fur den Laplace-Operator

⇒ Widerspruch zu (ii).(iii) ⇒ (iv): Fur 0 < δ < ε seien

g(x) := Px(Xs ∈ D ∀0 < s ≤ ε) = Px(τ∗D > ε)

und

gδ(x) := Px(Xs ∈ D ∀δ ≤ s ≤ ε)

= Ex[EXδ [1τD>ε−δ]]

=

Rd

Ey[1τD>ε−δ]pδ(x, y) dy

⇒ gδ ist C∞,⇒ gδ ց g

⇒ limx→z,x∈D

Px[τD > ε] = limx→z,x∈D

g(x) ≤ g(z)(iii)= 0.

(iv) ⇒ (i): ∀r > 0 ∀x gilt:

Px(|XτD − x| < r) ≥ Px(max0≤t≤ε

|Xt − x| < r ∩ τD ≤ ε)

≥ P0(max0≤t≤ε

|Xt| < r)︸ ︷︷ ︸

→1 fur εց0

− PxτD > ε︸ ︷︷ ︸→0 fur ε fix, x→z

⇒ limx→z,x∈D

Px(|XτD − x| < r) = 1 (∀r > 0)

Falls f beschrankt auf ∂D und stetig in z ist, gilt:

limx→z,x∈D

Ex[f(XτD)] = f(z).

Lemma 8.3.7 (Barriere-Kriterium). Seien D offen, beschrankt und z ∈ ∂D. Wenn eine“Barriere in z” existiert, d.h., wenn ein u ∈ C(D) existiert mit ∆u = 0 in D, u > 0 inD\z und u(z) = 0, dann ist z regular.

Beweis. Wir zeigen (ii) aus dem vorigen Satz: Geg. f ∈ Cb(∂D) und ε > 0. Wahle δ mit|f(x)− f(z)| < ε ∀x ∈ Bδ(z)∩∂D. Seien M := ‖f |∂D‖∞ und k := 2M/ inf

x∈D\Bδ(z)u(x) <

∞.⇒ |f(x)− f(z)| ≤ ε + k · u(x) (∀x ∈ ∂D)

⇒ |Ey[f(XτD)]− f(z)| ≤ ε + k ·Ey[u(XτD)]

= ε + k · u(y) (∀y ∈ D)

132

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8.3 Randregularitat

wegen u ∈ C(D) ∩ C2(D), ∆u = 0 in D, D beschrankt.Da u stetig ist und u(z) = 0 gilt, folgt:

limy→z,y∈D

|Ey[f(XτD)]− f(z)| ≤ ε

und weil ε > 0 beliebig vorgegeben ist, gilt schließlich:

limy→z,y∈D

|Ey[f(XτD)]− f(z)| = 0.

Satz 8.3.8. (i) Seien D ⊂ R2 offen, z ∈ ∂D Endpunkt einer (einfachen) Kurve inR2\D. Dann ist z regular.(ii) Insbesondere also: Ist D einfach zusammenhangend, so sind alle Punkte z ∈ ∂Dregular.

Beweis. (i) Regularitat ist lokale Eigenschaft. Daher sei oBdA D ⊂ B1(0), z = 0 ∈ ∂D,γ Kurve mit γ0 = 0, γ1 ∈ ∁B1(0).Betrachte die holomorphe Funktion f(ξ) = − 1

log ξ auf D ⊂ C mit geeignetem Zweig desLogarithm.⇒ u((x1, x2)) := Ref(x1 + ix2) ist harmonisch in D, stetig auf D, mit u((0, 0)) = 0 undu > 0 auf D\(0, 0)⇒ (0, 0) ist regular.

Beispiel 8.3.9. d ≥ 3: Lebesgue’scher DornSei h : R+ → R+ strikt wachsend, h(0) = 0, h(r)

r wachsend (fur kleine r),

D = x = (x1, . . . , xd) ∈ Rd : x1 < 0 oder h(x1) <√

x22 + · · ·+ x2

d

Satz 8.3.10. 0 ist regular ⇔1∫

0

(h(r)

r

)d−3 dr

r=∞ (d > 3)

bzw.1∫

0

(log

h(r)

r

)−1 dr

r=∞ (d = 3).

Proposition 8.3.11. z ∈ ∂D ist regular, falls eine außere Kegelbed. erfullt ist (Zarem-ba):∃y ∈ Rd, |y| = 1, ∃Θ ∈]0, π[, ∃r > 0 : (z + C(y, Θ)) ∩ Br(z) ⊂ ∁D mit C(y, Θ) := x ∈Rd : 〈x, y〉 ≥ ‖x‖ · ‖y‖ · cos ΘBeweis. OBdA sei: z = 0, C(y, Θ) ⊂ ∁D.

⇒ P0[Xt ∈ C(y, Θ)] = Flache(Θ)Flache(π) = c(Θ)

⇒ P0[τ∗D ≤ t] ≥ P0[Xt ∈ C(y, Θ)] = c(Θ) (∀t)

⇒ P0[τ∗D = 0] ≥ c(Θ) > 0.

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8 BB und Dirichlet-Problem fur den Laplace-Operator

8.4 Stochastisches Randverhalten

Satz 8.4.1. Fur alle Tn ր τD, Tn ≤ Tn+1 < τD gilt:

u(XTn)→ f(XτD) Px-f.s. (∀x ∈ D)

Beweis. Def. M∞ = f(XτD), Mn = u(XTn).

⇒Mn = u(XTn) = EXTn [f(XτD)]

= Ex[f(XτD) ΘTn |FTn ]

= Ex[M∞|FTn ]

⇒ (Mn)n∈N∪∞ ist Martingal (unter Px)⇒Mn →M∞ Px-f.s.

Korollar 8.4.2. Es gilt: limtրτD

u(Xt) = f(XτD) Px-f.s. (∀x ∈ D)

Korollar 8.4.3. ∀f ∈ Bb(∂D) ∀α ∈ R: ∃!u ∈ C∞(D) ∩ Bb(D): ∆u = 0 in D,lim

tրτD

u(Xt) = f(XτD) f.s. auf τD <∞ und

limtրτD

u(Xt) = α f.s. auf τD =∞.

Korollar 8.4.4. XτD ∈ (∂D)reg Px-f.s. (∀x ∈ D)

Satz 8.4.5. ∀f ∈ Cb(∂D) ∀α ∈ R: ∃!u ∈ Cb(D) ∩ C∞(D): ∆u = 0 in D,lim

x→∞,x∈Du(x) = α und

limx→∞,x∈D

u(x) = f(z) (∀z ∈ (∂D)reg).

Namlich: u(x) = Ex[f(XτD) · 1τD<∞] + α ·PxτD =∞.Nachtrag Schw. Lsg von SDG

Beispiel 8.4.6 (Drift Elimination b 0). Sei N beliebig, b : RN → RN Borel-mb,beschrankt. Betrachte SDG

dXt = b(Xt)dt + dWt (8.2)

Losung: Wahle beliebige N -dim BB (Xt)t auf bel. filtr. W-Raum (Ω,F ,P, (Ft)t≥0) mit

vorgeg. Startverteilung P X−10 = µ.

Def. Wt := Xt −t∫0

b(Xs)ds (−X0)

(entsprechend (8.2)) sowie

Zt = exp

t∫

0

b(Xs) dXs −1

2

t∫

0

‖b(Xs)‖2 ds

.

Dann gilt nach Cameron-Martin-Girsanov-Maruyama:∀T > 0 ist (Wt)0≤t≤T eine (stand.) BB auf dem filtr. W-Raum (Ω,FT ,QT , (Ft)0≤t≤T )mit QT = ZT ·P. Daher ist (X, W )0≤t≤T eine schwache Losung der SDG (8.2).

134

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8.4 Stochastisches Randverhalten

Bemerkung 8.4.7. Statt b beschrankt reicht nach Novikov:

E

exp

1

2

t∫

0

‖b(Xs)‖2 ds

<∞ (∀t)

Hierfur wiederum genugt nach Lemma von Khas’minskir:

limt→0

supx∈Rd

Ex

t∫

0

‖b(Xs)‖2 ds

< 1.

(Hierbei bezeichnetEx Erw. einer in x startenden BB (Xt)).

Beispiel 8.4.8. Falls |b(x)| ≤ C1 + C2 · 1|x|α mit α < 1 gilt, so sind diese Bedingungen

erfullt.

Allgemeine Drift-Elimination:Betrachte SDG

dXt = b(Xt) dt + σ(Xt) dWt, (8.3)

b beschr., Borel-mb: RN → RN , σ, σ−1 beschr., Borel-mb: RN×N → RAnnahme: Es existiert schwache Losung (X, V ) (auf geeign. filtr. W-Raum (Ω,F ,P, (Ft)))zu vorgeg. Anfangsbed. P X−1

0 = µ, Losung von

dXt = σ(Xt) dVt, V BB (8.4)

(”driftfreie Gleichung“)

Def. Wt := Vt −t∫0

(σ−1b)(Xs) ds und

Zt := exp

(t∫0

(σ−1bσ−1)(Xs) dXs − 12

t∫0

‖σ−1b‖2(Xs) ds

).

Dann ist (X, W ) schw. Lsg. der SDG (8.3) auf (Ω,FT ,QT , (Ft)0≤t≤T ) mit QT = ZT ·P.

Beweis. (i) (X, W ) lost die SDG (8.3), denn

σ(Xs) dWt = σ(Xs) dVt − σ(Xs)(σ−1 · b(Xs)) ds

= σ(Xs) dVt − b(Xs) ds

= dXt − b(Xs) ds.

(ii) W ist BB unter QT , denn

Wt = Vt −t∫0

As ds,

Zt = exp

[t∫0

As dVs − 12

t∫0

‖A‖2 ds

]mit As = σ−1(Xs)b(Xs),

⇒ Zt = exp

[t∫0

(σ−1bσ−1)(Xs) dXs − 12

t∫0

‖σ−1b‖2(Xs) ds

].

135

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Index

H2, 38L2

loc(M), 53A, 29A+, 29L2

loc(M), 53Mloc, 29, 53M0

loc, 30Mloc

∗ , 62Mloc

0,T , 84S, 29· • ·, 43〈 · , · 〉, 37〈 · 〉, 37B, 43E , 43M 2, 73Mloc

0,T , 84b-stetig, 72ubliche Bedingungen, 12Prog, 47

Augmentieren, 12

Brown’sche-Brucke, 66-Filtrierung, 78

Cameron-Martin-Raum, 88

Doob-Meyer-Zerlegung, 30

Elementarprozess, 43

Feller-Halbgruppe, 120Filtration, 12

erzeugte -, 13rechtsstetige -, 12

filtrierter Raum, 12

Galmarino’s Test, 14gestoppte Prozeß, 17gleichmaßig elliptisch, 110

Integrand, 43Integrator, 43Ito

-Darstellung, 80Ito-Integral

- fur Elementarprozesse, 43Ito

-Differential, 56Ito-Formel, 59

Kovariationquadratische -, 34

Kunita-Watanabe-Identitat, 46-Ungleichung, 46

Levy-Charakterisierung, 65Lebenszeit, 103

Martingal, 21lokales -, 29Semi-, 29Sub-, 21Super-, 21

Martingalproblem, 107Maximallosung, 103Maximalungleichung, 23Modifikationen, 11

Optional Sampling, 26Optional Stopping, 27

137

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Index

Partielle Integrationsformel, 55pfadweise Eindeutigkeit,, 105progressiv messbar, 13Prozess

-Bessel, 67Klammer-, 34Ornstein-Uhlenbeck-, 66quadratischer Variations-, 34stochastischer -, 11wachsender -, 34

Quadratische Variation, 8

rechtsstetige Filtration, 12

Satz- von Dubins-Schwarz, 77- von Ito, 80Stochastischer Integralkonvergenz-, 54Submartingal-Konvergenz-, 25

schwache Losung, 105starke Eindeutigkeit,, 92starke Losung, 92starke Markov-Eigenschaft, 111stetige Modifikation, 115stochastische Basis, 12stochastische Integral, 44stochastisches Integral, 43

unbestimmtes -, 43Stoppzeit, 14

schwache -, 14

Trajektorie, 11Transformations

-Lemma, 75Trefferverteilung, 18

ununterscheidbar, 11

Variation, 29endliche -, 41Quadratische -, 34, 35

fur Semimartingale, 37quadratischer V.-prozess, 34

Verteilungseindeutigkeit,, 105

vorhersagbar,, 102vorhersagbare σ-Algebra, 47

Wiener-Raum, 88

Zeitwechsel, 71, 73

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