Stopp Pelz! Millionen Tiere sterben grausam für … · stätigt Monica Monsch,...

4
4 ProTier 3/13 V ON HELEN WEISS A n Mantelsäumen, als Mate- rial für Taschen und Besatz an Stiefeln, als Verbrämung an Kapuzen von Parkas, als Bordü- ren bei Handschuhen und Pompons auf Wollmützen – der Pelz hat in der Mode längst wieder Einzug gehalten. In den späten 1980er-, bis hinein in die 1990er-Jahre, hatte Pelz seine Statusfunktion verloren: Dank zahl- reicher Kampagnen von Tierschutz- organisationen, unter anderem auch von ProTier, geriet der Echtpelz so stark in Verruf, dass man schon viel Eigensinn und eine gute Versiche- rung brauchte, um sich angesichts mit Spraydosen bewehrter Tier- schützer noch fellbekleidet in die Öffentlichkeit zu wagen. Noch gra- vierender war der Imageschaden: Pelztragenden Frauen haftete der Ruf einer abgetakelten, herzlosen Diva an. Nun entdecken die Diven den Pelz wieder für sich. Nicht nur Models auf den Laufstegen, auch prominente Stars und Sternchen in den ersten Reihen der Modeschauen zeigen sich ganz ungeniert im Pelz. Aber auch Otto-Normalverbrau- cher trägt heute Pelz in Form von Jacken, Mützen, Schuhen und son- stigen Accessoires mit Fellbesät- zen, den sogenannten «Pelzverbrä- mungen». Tierquälerische Pelzproduktion Fest steht: Auch im kommenden Winter wird vermehrt Pelz getragen. Trotz propagiertem nachhaltigem Schon seit einigen Wochen laden die Geschäfte zum Kauf modischer Winterbekleidung ein – darunter auch vermehrt wieder Stücke mit Echtpelz-Verbrämungen. Dass die Gewin- nung der Pelze mit grösstem Leid für die Tiere verbunden ist, wird dabei einfach ignoriert. Foto © Svoboda Zvirat Auch diesen Winter beliebt: Parkas und Winterjacken mit Echt- pelzverbrämung an der Kapuze. Stopp Pelz! Millionen Tiere sterben grausam für Wintermode Foto © zvg

Transcript of Stopp Pelz! Millionen Tiere sterben grausam für … · stätigt Monica Monsch,...

4 ProTier 3/13

Von Helen Weiss

An Mantelsäumen, als Mate-rial für Taschen und Besatz an Stiefeln, als Verbrämung

an Kapuzen von Parkas, als Bordü-ren bei Handschuhen und Pompons auf Wollmützen – der Pelz hat in der Mode längst wieder Einzug gehalten. In den späten 1980er-, bis hinein in die 1990er-Jahre, hatte Pelz seine Statusfunktion verloren: Dank zahl-reicher Kampagnen von Tierschutz-organisationen, unter anderem auch von ProTier, geriet der Echtpelz so stark in Verruf, dass man schon viel Eigensinn und eine gute Versiche-rung brauchte, um sich angesichts

mit Spraydosen bewehrter Tier-schützer noch fellbekleidet in die Öffentlichkeit zu wagen. Noch gra-vierender war der Imageschaden: Pelztragenden Frauen haftete der Ruf einer abgetakelten, herzlosen Diva an. Nun entdecken die Diven den Pelz wieder für sich. Nicht nur Models auf den Laufstegen, auch prominente Stars und Sternchen in den ersten Reihen der Modeschauen zeigen sich ganz ungeniert im Pelz. Aber auch Otto-Normalverbrau-cher trägt heute Pelz in Form von Jacken, Mützen, Schuhen und son-stigen Accessoires mit Fellbesät-zen, den sogenannten «Pelzverbrä-mungen».

Tierquälerische Pelzproduktion

Fest steht: Auch im kommenden Winter wird vermehrt Pelz getragen. Trotz propagiertem nachhaltigem

Schon seit einigen Wochen laden die Geschäfte zum Kauf modischer Winterbekleidung ein – darunter auch vermehrt wieder Stücke mit Echtpelz-Verbrämungen. Dass die Gewin-nung der Pelze mit grösstem Leid für die Tiere verbunden ist, wird dabei einfach ignoriert.

Foto © Svoboda Zvirat

Auch diesen Winter beliebt: Parkas und Winterjacken mit Echt-pelzverbrämung an der Kapuze.

Stopp Pelz!

Millionen Tiere sterben grausam für Winter mode

Foto

© z

vg

ProTier_Heft_03_13.indd 4 12.09.13 17:31

ProTier 3/13

Lebensstil, zahlreichen Ökolabels und «Green-Fashion»-Zertifikaten ist bei der Pelzproduktion alles beim Alten geblieben beziehungsweise noch schlimmer geworden. Die Massenproduktion in China, Russland und Finnland ist grauen-erregend. «Artgerecht, wie von der Pelzindustrie gerne beteuert, ist die Haltung von Fuchs, Nerz, Waschbär oder Marderhund nie», betont Na-thalie Dubois, Geschäftsführerin der Stiftung für Tierschutz und Ethik /ProTier. Nach einem kurzen, gequäl-ten Leben in winzigen Drahtgitter-käfigen werden die Tiere zum Teil sogar bei lebendigem Leib gehäutet. Gerne brüstet man sich in der Modewelt mit der Ausrede, dass der verwendete Pelz von wildlebenden Tieren stamme. «Hier ist die Gewin-nung nicht weniger brutal», weiss Dubois. «Die Wildtiere werden mit Tellereisen oder Totschlagfallen ge-fangen und kämpfen oft tagelang um ihr Leben, bevor sie an Erschöp-fung, Hunger, Durst oder an ihren Verletzungen sterben oder totge-knüppelt werden.»

Modehäuser verzichten nicht auf Echtpelz

Angesichts des hohen Blutzolls für den Pelz der Tiere, der uns schliess-lich nur als modisches Accessoire dient, scheinen die Gleichgültigkeit und die Verharmlosung der Pelz-Lobby, der Modehäuser, aber auch

der Kundinnen und Kunden umso erschreckender. Zwar ist etwa für das Kaufhaus Globus der Tierschutz ein wichtiges Thema, wie Presse-sprecher Jürg Welti erklärt. Doch das Unternehmen hat im oberen Preis-segment trotzdem Parkas, Jacken und Strickmützen unterschiedlicher Marken mit Echtpelzverbrämungen aus Kojote, Marderhund oder Fuchs aus Kanada und der Schweiz im Sor-timent. «Bei unseren Kundinnen und Kunden sind diese Marken sehr be-liebt und deshalb für das Unterneh-

men von Bedeutung», stellt Welti klar. Grundsätzlich verkaufe man aber nur Fellprodukte von Nutztie-ren, zudem liege der Fokus klar auf künstlichen Pelzen. Auch das Modeunternehmen Grieder will nicht auf Echtpelz ver-zichten. Ein grosses Anliegen sei aber, die Pelzverbrämungen mit Hilfe der Zertifikate der Pelzproduzenten zu deklarieren, wie Einkäuferin Ju-dith Buholzer erklärt. «All unsere Pelzprodukte stammen von unseren langjährigen Pelzproduzenten und aus tiergerechter Haltung in Euro-pa.» Grieder kaufe keine Pelze aus Asien, im Sortiment habe man vor allem Lamm, Fuchs, Waschbär und einen kleinen Anteil Nerz.

Nachfrage nach Echtpelz ungebrochen

Leider ist jedoch die Pelztierhaltung in Europa nicht «tiergerechter» als in Asien, denn es existiert kein EU-übergreifendes Gesetz, welches das Leiden der Pelztiere lindert. Der Pelz-industrie werden lediglich minima-le Haltungsrichtlinien vorgeschrie-ben, wodurch die Tiere weiterhin in engen, dreckigen Drahtkäfigen ge-halten werden, häufig neurotisches

Fotos © Svoboda Zvirat

Foto © Svoboda Zvirat

Einzelhaft in völlig verdreckten Käfigen ohne Schutz und Rückzugsmöglichkeiten.

Pelztierfarm: Käfig an Käfig – Reihe um Reihe.

5

Stopp Pelz!

Millionen Tiere sterben grausam für Winter mode

ProTier_Heft_03_13.indd 5 12.09.13 17:31

6 ProTier 3/13

Verhalten an den Tag legen, krank werden oder sich verletzen. Wie die Umfrage bei den Mode-häusern zeigt, beziehen die meis-ten ihre Echtfellprodukte direkt von diversen Markenpartnern. So auch die PKZ-Gruppe, die Jacken und Mäntel mit Pelzkragen oder -verbrä-mungen aus Fuchs und Waschbär führt. «Wir führen auch Kunstpelz und fördern diesen, doch die Nach-frage nach Echtpelz ist ungebro-chen», weiss Alessandro Gambarini, Firmenleiter von Feldpausch, einem zur PKZ-Gruppe gehörenden Mode-haus. Rund ein Prozent des Gesamt-umsatzes der PKZ-Gruppe stammt aus dem Verkauf von Echtpelz – üb-rigens das einzige angefragte Unter-nehmen, das eine Umsatzangabe machte.

Neue Deklarationspflicht

Die Nachfrage nach Pelz sei in den letzten Jahren stark gestiegen, be-stätigt Monica Monsch, Kommuni-kationsleiterin bei Jelmoli: «Von den Designern wurde das Thema Pelz in den vergangenen Jahren deut-lich stärker gezeigt und angeboten, was zwangsläufig zu einer höheren Nachfrage geführt hat.» Das Zürcher Modehaus führt Mäntel, Jacken und Gilets aus Polar- und Rotfuchs, Mar-derhund, Kojote sowie Haus- und

Wildkaninchen. Monsch: «Die Pelze stammen vorwiegend aus Kanada, Finnland, Spanien und China.» Obwohl hierzulande nach wie vor Echtpelz verkauft wird, nimmt die Schweiz zumindest punkto Deklara-tionspflicht in Europa eine Pionier-rolle ein. Seit dem 1. März 2013 ist die «Verordnung über die Deklara-tion von Pelzen» in Kraft. Allerdings mit einer einjährigen Übergangs-frist. Ab 1. März 2014 sind aber alle Läden, die Pelzprodukte verkaufen, gesetzlich verpflichtet, die Felle zu deklarieren. Durch die Angabe von Tierart, Herkunft des Felles und Ge-winnungsart, sollen die Konsumen-tinnen und Konsumenten beim Kauf eines Pelzproduktes eine bewusste Entscheidung treffen können. Jelmoli begrüsst die Deklaration: «Trotz der einjährigen Übergangs-frist haben wir uns entschieden, un-sere Pelzprodukte bereits in dieser Wintersaison zu de klarieren», so Monsch. Die Verordnung weist aber leider einige Mängel auf, und es beste-hen «Schlupflöcher» bei der Formu-lierung von Art, Herkunft, Haltung sowie Tötung der Tiere. (Anm. der Red.: Mehr zur Deklarationspflicht finden Sie in der Serie Tier und Recht: «Unbefriedigende Deklara-tionspflicht für Pelzprodukte»auf Seite 8.)

Modehäuser weichen auf einheimischen Rotfuchs aus

Das Interesse der Kundinnen und Kunden an der Herkunft und der Tierart besteht zwar, ist aber laut allen befragten Modehäusern eher gering. «Es kann sein, dass sich dies mit der Pelzdeklaration ändert», ver-mutet Monsch. Auch Modissa-Geschäftsführer Jean-Pierre Kuhn erhofft sich von der neuen Deklarationsregelung ein Umdenken auf der Nachfrage- und der Angebotsseite. «Die Branche und auch wir von Modissa haben sicher Fehler gemacht und haben mit einer gewissen Nonchalance und Unsen-sibilität über die teilweise schlech-ten Produktionsverhältnisse hinweg-gesehen.» Echtpelz werde von der Kundschaft jedoch noch immer ver-langt – im Rahmen der eingekauften Marken hat das Modehaus mehrere Pelze aus Asien im Angebot. «Im Bewusstsein, dass in der Pelzbranche Nachhaltigkeit zum Thema gemacht werden muss, sind wir seit längerer Zeit auf der Suche nach Pelzen, die diesen Kriterien ent-sprechen», erzählt Kuhn. «Wir sind eines der ersten Modehäuser, die mit dem Modelabel Asandri zusam-menarbeiten, das Pelze von Schwei-zer Rotfüchsen verarbeitet.»

Die Pelzfarmtiere sind oft in schlechtem gesundheitlichem Zustand

und völlig verängstigt.

Foto © Svoboda Zvirat

ProTier_Heft_03_13.indd 6 12.09.13 17:31

7ProTier 3/13

Pelzfreie Modehäuser

Die Pelze aus dieser Modelinie fallen bei den kontrollierten Bejagungen an: Statt die Felle wie bisher un-genutzt zu verbrennen, werden sie als einheimische Alternative für modische Zwecke genutzt. Natha-lie Dubois von ProTier ist trotzdem skeptisch: «Bevor man einheimi-schen Fuchspelz als unproblema-tisch einstuft, gilt es, die Jagd auf diese Tiere ganz grundsätzlich zu hinterfragen.» Grundsätzlich gel-te in Sachen Echtpelz deshalb nur eines: Verzicht. «Wer die Tierquälerei in der Pelz-industrie nicht unterstützen will, kauft in Geschäften ohne Echtpelz ein», rät Dubois. Deren gibt es ge-nug, wie die White List der «Consu-mers for a Fur Free Society» zeigt (siehe «Wichtige Links» am Ende des Artikels). Dazu zählt etwa Coop, die seit 2007 keinen Echtpelz mehr im Sortiment führt. «Mit Ausnahme von Lammfell sind tierfreundliche Haltung, Transport und Schlach-tung bei der Beschaffung von Pelzprodukten nicht zweifelsfrei sichergestellt», sagt Pressespre-cher Ramon Gander. Auch C&A verzichtet seit rund 15 Jahren auf den Verkauf von Echtpelz: «Aus tier-schützerischen Gründen bleiben wir trotz des momentanen Trends unserer Entscheidung treu, keinen Echtpelz zu verkaufen», so Unter-nehmenssprecher Peter Gadient. Sogar als Secondhandverkäufer

kann man konsequent Tierschutz betreiben, so verkauft beispielswei-se Caritas in ihren Läden keine Pelz-bekleidung.

Weiterkämpfen gegen das Pelztragen

Zu den pelzfreien Unternehmen zählt seit über 10 Jahren auch die Migros: «Mit dem Verzicht auf na-türliche Pelze für Bekleidung und modische Accessoires, will die Migros ein klares Zeichen setzen, dass sie mit der fragwürdigen Haltung von Wildtieren und dem meist grauenhaften Tötungsvor-gang nicht einverstanden ist», er-klärt Pressesprecherin Monika Wei-bel. Das Unternehmen habe eine entsprechende Verzichtserklärung des Schweizer Tierschutzes unter-schrieben. Die Migros verkauft je-doch Kaninchen-, Lamm- und Kuh-felle, die als Nebenprodukte bei der Schlachtung anfallen. Um dem fragwürdigen Mode-trend entgegenzuwirken, kämpft ProTier zum Start der Wintersai-son mit gezielter Information ge-gen die Rückkehr der Pelzmode. «Gerade die jüngere Generation weiss oft zu wenig über die qual-volle Pelzproduk tion. Diese Informationslücke wollen wir schliessen», erklärt Nathalie Dubois.

Mit gutem Beispiel voran

Obwohl Pelz auch bei Jugendlichen immer mehr im Trend ist, gibt es junge Menschen, die mit gutem Bei-spiel vorangehen. Die 20-jährige Tabea Bischof ist sich der Problema-tik bewusst und würde aus diesem Grund nie Echtpelz tragen, «doch heute ist künstlicher Pelz oft so gut verarbeitet, dass man zum Teil den Unterschied fast nicht sieht.» Die Studentin findet Pelz jedoch gar nicht schön, weshalb sie sich be-wusst für einen Wintermantel ohne fellige Bordüre entschieden hat. Ihr ist jedoch der Trend zu Echtpelz un-ter ihren Kommilitoninnen aufgefal-len: «An der Uni sieht man häufig Frauen, die Strickmützen mit Fell-pompons oder Parkas mit Echtpelz-verbrämungen tragen.» Während sich Tabea Bischof punkto Echtpelz mehr Öffentlich-keitsarbeit wünscht, fühlt sich Lu-kas Ahmadi umfassend aufgeklärt. «In meinem Freundeskreis sind wir uns bewusst, unter welchen Verhält-nissen Pelztiere gehalten werden», so der 18-Jährige. «Ich würde aus diesem Grund nie eine solche Jacke kaufen.» Auch Tierfreundin Noemi Winkler, 16-jährig, versteht nicht, weshalb man das Fell toter Krea-turen trägt: «Ich finde es schreck-lich, wenn Tiere zu Mode verarbeitet werden.» ■

ProTier plant verschiedene Aktionen gegen das PelztragenAktuelle Informationen finden Sie in Kürze auf unserer Webseite:www.protier.chDieser Ausgabe liegt ein «Stopp Pelz!»-Flyer bei mit Informationen zu Pelztierfarmen. Weitere Exemplare können kos tenlos bestellt werden unter:E-Mail [email protected] oder Telefon 044 201 25 03

WichtigeLinksWhite List von Modehäusern ohne Pelz: www.tierschutz.com/pelz/retailer/pelzfrei.html

Schritt für Schritt erobern die Pelzproduzenten die Modewelt erneut: etwa durch Strickmützen mit Echtpelz-Pompons.

Pelztiere sind Wildtiere – ihr kurzes Leben hinter

Gittern ist grausam.

Foto

© S

vobo

da Z

vira

t

Foto © zvg

ProTier_Heft_03_13.indd 7 12.09.13 17:31