Stroemungsakustik - Koeltzsch

88
1 Zur Geschichte der Strömungsakustik Peter Költzsch Institut für Akustik und Sprachkommunikation, Fakultät Elektrotechnik, TU Dresden 01062 Dresden, Mommsenstraße 13 Zusammenfassung Die Strömungsakustik ist das Grenzgebiet zwischen der Strömungsmechanik und der Akustik. Sie beruht deshalb, wie auch die Strömungsmechanik und die sog. Fluidschall-Akustik, auf den Grund- gleichungen der Fluidmechanik. Die physikalischen Erscheinungen, mit denen sich die Strömungs- akustik befasst, sind die Schallerzeugung durch Strömungen, die Erzeugung von Strömungen durch Schall, die Wechselwirkungen zwischen Schall und Strömungen sowie die Schallausbreitung in Strö- mungen. Die Fluidschall-Akustik hat sich als selbständige Wissenschaftsdisziplin im 18. und 19. Jahrhundert aus der Strömungsmechanik entwickelt. Einen erheblichen Aufschwung nahm dieses Fachgebiet in den 50er bis 70er Jahren des 20. Jahrhunderts, dem ersten goldenen Zeitalter der Aeroakustik. Aus- gangspunkt dafür war 1952 die bahnbrechende Arbeit des englischen Mathematikers M. J. LIGHT- HILL „On Sound Generated Aerodynamically“. Mit der inhomogenen Wellengleichung der Strö- mungsakustik, der sog. „Akustische Analogie“ und der Proportionalität zwischen der Schallleistung des Strahllärms und der 8. Potenz der Strömungsgeschwindigkeit schuf LIGHTHILL Meilensteine in der Geschichte der Strömungsakustik. Die auf diesen Erkenntnissen in den letzten 50 Jahren geschaf- fenen Grundlagen der Strömungsakustik haben zu einer vielfältigen Ausgestaltung des Fachgebietes und zu umfangreichen interdisziplinären Verknüpfungen geführt. Mit der Entwicklung der numeri- schen Aeroakustik (Computational Aeroacoustics CAA), insbesondere auf der Grundlage und in Ver- bindung mit der numerischen Strömungsmechanik (Computational Fluid Dynamics CFD) und mit der numerischen Akustik (Computational Acoustics CA), bahnt sich seit dem Beginn der 90er Jahre ein wissenschaftlich fruchtbares zweites goldenes Zeitalter der Aeroakustik an. 1 Abgrenzung des Gebietes Strömungsakustik Die Strömungs- oder auch Aeroakustik ist das Grenzgebiet zwischen der Strömungsmechanik und der Akustik (siehe z. B. [2], [8], [10], [12], [13], [17]).Von Seiten der Strömungsmechanik betrachtet wer- den strömende Fluide untersucht, in denen Druck-, Dichte- und Geschwindigkeitsschwankungen er- zeugt werden oder bereits existieren. Von Seiten der Akustik stellt sich der Gegenstand der Strö- mungsakustik so dar, dass Strömungen als Schallquelle wirken bzw. dass sie für die akustischen Er- scheinungen (Schallabstrahlung, Schallausbreitung) von maßgebender Bedeutung sind. Die physikali- schen Erscheinungen, mit denen sich die Strömungsakustik befasst, sind die Schallerzeugung durch Strömungen, die Erzeugung von Strömungen durch Schall (einschließlich der Schallbeeinflussung von Strömungen), die Wechselwirkungen zwischen Schall und Strömungen (ggf. und Strukturen) sowie die Schallausbreitung in Strömungen. Die Phänomene der Strömungsmechanik, der Strömungsakustik und der „Fluidschall-Akustik“ (so benannt im Gegensatz zur „Körperschall-Akustik“) werden von denselben physikalischen Gleichun- gen beschrieben, und zwar durch die Erhaltungsgleichungen für die Masse (Kontinuitätsgleichung), den Impuls (Bewegungsgleichung) und die Energie (1. Hauptsatz der Thermodynamik, Wärmetrans- portgleichung) sowie eine spezielle Zustandsgleichung aus der Thermodynamik. In diesem Sinne ist die Fluidschall-Akustik nichts anderes als eine Beschreibung instationärer Strömungsvorgänge [8], da die genannten Grundgleichungen in ihrer „akustischen Form“ lediglich Spezialfälle der entsprechen- den allgemeineren Grundgleichungen der Fluidmechanik bzw. der Thermodynamik sind.

Transcript of Stroemungsakustik - Koeltzsch

Page 1: Stroemungsakustik - Koeltzsch

1

Zur Geschichte der Strömungsakustik Peter Költzsch Institut für Akustik und Sprachkommunikation, Fakultät Elektrotechnik, TU Dresden 01062 Dresden, Mommsenstraße 13 Zusammenfassung Die Strömungsakustik ist das Grenzgebiet zwischen der Strömungsmechanik und der Akustik. Sie beruht deshalb, wie auch die Strömungsmechanik und die sog. Fluidschall-Akustik, auf den Grund-gleichungen der Fluidmechanik. Die physikalischen Erscheinungen, mit denen sich die Strömungs-akustik befasst, sind die Schallerzeugung durch Strömungen, die Erzeugung von Strömungen durch Schall, die Wechselwirkungen zwischen Schall und Strömungen sowie die Schallausbreitung in Strö-mungen. Die Fluidschall-Akustik hat sich als selbständige Wissenschaftsdisziplin im 18. und 19. Jahrhundert aus der Strömungsmechanik entwickelt. Einen erheblichen Aufschwung nahm dieses Fachgebiet in den 50er bis 70er Jahren des 20. Jahrhunderts, dem ersten goldenen Zeitalter der Aeroakustik. Aus-gangspunkt dafür war 1952 die bahnbrechende Arbeit des englischen Mathematikers M. J. LIGHT-HILL „On Sound Generated Aerodynamically“. Mit der inhomogenen Wellengleichung der Strö-mungsakustik, der sog. „Akustische Analogie“ und der Proportionalität zwischen der Schallleistung des Strahllärms und der 8. Potenz der Strömungsgeschwindigkeit schuf LIGHTHILL Meilensteine in der Geschichte der Strömungsakustik. Die auf diesen Erkenntnissen in den letzten 50 Jahren geschaf-fenen Grundlagen der Strömungsakustik haben zu einer vielfältigen Ausgestaltung des Fachgebietes und zu umfangreichen interdisziplinären Verknüpfungen geführt. Mit der Entwicklung der numeri-schen Aeroakustik (Computational Aeroacoustics CAA), insbesondere auf der Grundlage und in Ver-bindung mit der numerischen Strömungsmechanik (Computational Fluid Dynamics CFD) und mit der numerischen Akustik (Computational Acoustics CA), bahnt sich seit dem Beginn der 90er Jahre ein wissenschaftlich fruchtbares zweites goldenes Zeitalter der Aeroakustik an. 1 Abgrenzung des Gebietes Strömungsakustik Die Strömungs- oder auch Aeroakustik ist das Grenzgebiet zwischen der Strömungsmechanik und der Akustik (siehe z. B. [2], [8], [10], [12], [13], [17]).Von Seiten der Strömungsmechanik betrachtet wer-den strömende Fluide untersucht, in denen Druck-, Dichte- und Geschwindigkeitsschwankungen er-zeugt werden oder bereits existieren. Von Seiten der Akustik stellt sich der Gegenstand der Strö-mungsakustik so dar, dass Strömungen als Schallquelle wirken bzw. dass sie für die akustischen Er-scheinungen (Schallabstrahlung, Schallausbreitung) von maßgebender Bedeutung sind. Die physikali-schen Erscheinungen, mit denen sich die Strömungsakustik befasst, sind die Schallerzeugung durch Strömungen, die Erzeugung von Strömungen durch Schall (einschließlich der Schallbeeinflussung von Strömungen), die Wechselwirkungen zwischen Schall und Strömungen (ggf. und Strukturen) sowie die Schallausbreitung in Strömungen. Die Phänomene der Strömungsmechanik, der Strömungsakustik und der „Fluidschall-Akustik“ (so benannt im Gegensatz zur „Körperschall-Akustik“) werden von denselben physikalischen Gleichun-gen beschrieben, und zwar durch die Erhaltungsgleichungen für die Masse (Kontinuitätsgleichung), den Impuls (Bewegungsgleichung) und die Energie (1. Hauptsatz der Thermodynamik, Wärmetrans-portgleichung) sowie eine spezielle Zustandsgleichung aus der Thermodynamik. In diesem Sinne ist die Fluidschall-Akustik nichts anderes als eine Beschreibung instationärer Strömungsvorgänge [8], da die genannten Grundgleichungen in ihrer „akustischen Form“ lediglich Spezialfälle der entsprechen-den allgemeineren Grundgleichungen der Fluidmechanik bzw. der Thermodynamik sind.

Page 2: Stroemungsakustik - Koeltzsch

2

Wenn man heute ein modernes Lehrbuch der Fluidmechanik oder der Akustik aufschlägt, dann sind jeweils umfangreiche Abschnitte zu den gemeinsamen Grundlagen enthalten; außerdem beschäftigen sich Teilabschnitte mit dem fluidmechanischen Phänomen "Schall" bzw. mit der Schallquelle "Strö-mung" und den Wechselwirkungen zwischen Schall und Strömung, z.B. L. D. Landau und E. M. Lifschitz "Hydrodynamik" (5.Aufl.) 1991 W. Greiner und H. Stock "Hydrodynamik" (4.Aufl.) 1991 A. D. Pierce "Acoustics" 1991 D. G. Crighton, M. Heckl u.a. "Modern Methods in Analytical Acoustics" 1992 M. Heckl und W. Müller "Taschenbuch der Technischen Akustik" (2.Aufl.) 1993 V. A. Krasilnikov und V. V. Krylov "Einführung in die physikalische Akustik" 1984; im Bereich der nichtlinearen Akustik (mit sehr starkem Bezug zur Strömungsmechanik): L. K. Zarembo und V. A. Krasilnikov "Einführung in die nichtlineare Akustik" 1966 O. V. Rudenko und S. I. Solujan "Theoretische Grundlagen der nichtlinearen Akustik" 1975 M. F. Hamilton and D. T. Blackstock „Nonlinear Acoustics“ 1998; schließlich Fachbücher direkt zum Grenzgebiet zwischen der Fluidmechanik und der Akustik, z.B. M. E. Goldstein "Aeroacoustics" 1976 M. J. Lighthill "Waves in Fluids" 1978 A. G. Munin u.a. "Aerodynamische Lärmquellen 1981 W. K. Blake "Mechanics of Flow-Induced Sound and Vibration" (Vol.1, 2) 1986 H. H. Hubbard „Aeroacoustics of Flight Vehicles: Theory and Practice 1991 J. C. Hardin und M. Y. Hussaini (eds.) "Computational Aeroacoustics" 1993 M. S. Howe „Acoustics of Fluid-Structure Interactions“ 1998 Seit Mitte des 20. Jahrhunderts sind in der Akustik viele Probleme erkannt und bearbeitet worden, die einen starken Bezug zur Fluidmechanik erkennen lassen bzw. sind sie direkt von strömungsmechani-scher Seite aus als Grundlagenprobleme aufgedeckt und behandelt worden, das sind Probleme der Aeroakustik, Strömungsakustik, Hydroakustik, insbesondere:

• Erzeugung von Schall durch Strömungen • Erzeugung von Strömungen durch Schall (akustische Strömungen) • Wechselwirkungen zwischen Schall und Strömung, Schall und Turbulenz • Kanal-Strömungsakustik • Thermoakustische Phänomene • Akustische Technologien (Beschallung von verfahrenstechnischen Prozessen) • Stoßwellen, Nichtlineare akustische Phänomene, Grundlagen der nichtlinearen Akustik

2 Die Strömungsakustik vor 1900 Die Verbindung zwischen der Strömungsmechanik und der Akustik ist auch aus historischen Gründen von Interesse, denn die Wissenschaft der Fluidschall-Akustik hat sich im 18. und 19. Jahrhundert aus der Fluidmechanik entwickelt, verbunden mit den Namen von - Newton "Principia" 1686 (Beginn der Theorie der Schallausbreitung) - L. Euler "General Principles of the Motion of Fluids" 1755, "On the Propagation of Sound" 1759,

"Continuation of the Researches on the Propagation of Sound" 1759 - J. L. Lagrange "New Researches on the Nature and Propagation of Sound" 1759 - S. D. Poisson "Memoir on the Theory of Sound" 1808 - P. S. Laplace "On the Velocity of Sound through Air and through Water" 1816 - G.G. Stokes "An Examination of the Possible Effect of Radiation of Heat on the Propagation

of Sound" 1851 - G. Kirchhoff "On the Influence of Heat Conduction in a Gas on Sound Propagation" 1868

"Vorlesungen über mathematische Physik: Mechanik" (2d ed.) 1877 - O. Reynolds "On the Refraction of Sound by the Atmosphere" 1874 - H. Helmholtz "Theorie der Luftschwingungen in Röhren mit offenen Enden" 1860, "On the Influ-

ence of Friction in the Air on Sound Motion" 1863, "On the Sensations of Tone" 1885 - H. Lamb "Hydrodynamics" 1879 - J. W. Strutt/Lord. Rayleigh "The Theory of Sound", Vol.1: 1877, Vol.2: 1878

Page 3: Stroemungsakustik - Koeltzsch

3

Zu einigen Phänomenen seien noch ausführlichere Bemerkungen angeschlossen (siehe u. a. [1]): Äolstöne: Bereits ATHANASIUS KIRCHER (1602 – 1680) berichtete 1650 über diese Töne, die bei der Umströmung dünner Drähte (bzw. Zylinder) entstehen. 1878 trug V. STROUHAL (1850 – 1922) vor der Physikalisch-Medizinischen Gesellschaft in Würzburg über eine empirische Beziehung zwi-schen dem Drahtdurchmesser d, der Windgeschwindigkeit v und der Frequenz des abgestrahlten Tons f = 0,185 v / d vor ([20], siehe dazu auch im Anhang zu dieser Veröffentlichung). Die dimensionslose Größe f d / v wurde später als die STROUHAL-Zahl eingeführt. 1877/1878 schreibt RAYLEIGH in [21], dass die STROUHAL-Zahl nur von der Größe vρd / η ab-hängt (η Scherviskosität des Fluids, ρ Fluiddichte, d Drahtdurchmesser, v Anströmgeschwindigkeit). Diese dimensionslose Kennzahl wurde später von OSBORNE REYNOLDS zur Beschreibung des Überganges von einer laminaren in eine turbulente Strömung verwendet. Die Bezeichnung REY-NOLDS-Zahl wurde 1908 von A. SOMMERFELD eingeführt. (WERNER ALBRING wies in den sechziger Jahren darauf hin, dass HELMHOLTZ bereits 1873 eine Ähnlichkeitsbeziehung analog zur REYNOLDS-Zahl formuliert hat, also 10 Jahre vor REYNOLDS!). RAYLEIGH schrieb auch, dass die Strömung hinter dem Draht Schall abstrahlt, auch wenn der Draht selbst nicht schwingen konnte. Schneidentöne: Diese Art der Strömungsschallerzeugung wurde 1854 durch SONDHAUSS und 1855 durch MASSON beschrieben. Trifft Luft, die aus einem schmalen Schlitz strömt, auf eine scharfe Kante, so wird ein energiereicher Ton erzeugt. Dieser entsteht durch Wirbelstrukturen, deren Auftref-fen auf die Kante und infolge der Rückwirkungen des Druckfeldes von der Kante bis zum Schlitz. Ähnlichkeitskennzahlen: Die dimensionslosen Zahlen, die STOKES- (entspricht der HAGEN-Zahl), STROUHAL-, MACH- und REYNOLDS-Zahl, sind Teil der Geschichte der Aeroakustik. RAY-LEIGH beschäftigte sich zwanzig Jahre seines Lebens mit Ähnlichkeit; er entwickelte die Dimensi-onsanalyse. Er zeigte zum Beispiel 1915, wie durch ihre Verwendung die Abhängigkeit der Frequenz der Äolstöne von der Strömungsgeschwindigkeit und dem Drahtdurchmesser gefunden werden kann. 3 Das erste Goldene Zeitalter der Aeroakustik –

ein wissenschaftshistorischer Überblick Wie LIGHTHILL 1992 schreibt ([9], siehe auch [7]), begann das erste Goldene Zeitalter der Aeroa-kustik in den späten vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts (und reichte in etwa bis in die Mitte der siebziger Jahre). Ausgangspunkt war einerseits die Erkenntnis, dass die enorm großen Lärmpegel der kleinen militärischen Strahlflugzeuge stark reduziert werden müssen, wenn die Nutzung von viel grö-ßeren Strahlflugzeugen für den zivilen Luftverkehr von der Öffentlichkeit toleriert werden soll. Dies führte in England zu organisierten Forschungsaktivitäten an verschiedenen Universitäten (u. a. Man-chester, Southampton) in Zusammenarbeit mit Rolls Royce und in Abstimmung mit parallel laufenden Aktivitäten in den USA. Andererseits waren in diesem Zeitraum um die Mitte des 20. Jahrhunderts auf dem Gebiet der Aero-dynamik und der Akustik, insbesondere in den Grundlagen, Erkenntnisse herangereift, die den Start tiefergreifender strömungsakustischer Forschungen stark begünstigten (auch wenn dieser Einfluss durch den Charakter militärisch orientierter Forschungen und die kriegsbedingten Verhältnisse in Eu-ropa und in der Welt historisch (bisher?) nicht nachgewiesen ist). Dazu zählen insbesondere die Arbei-ten zum Propeller- und Ventilatorenlärm (GUTIN, DEMING, ERNSTHAUSEN, JUDIN, BLOCHIN-CEV u. a.), zur Theorie der Turbulenz (z. B. die Arbeiten zum Energiespektrum der Turbulenz von KOLMOGOROV und OBUKHOV im Jahre 1941 sowie von v. WEIZSÄCKER) und zur Schall-ausbreitung in inhomogenen, bewegten Medien (BLOCHINCEV 1945/46). Die Grundlagen zur Lösung des Problems der Schallerzeugung durch Strömungen wurden von M. J. LIGHTHILL mit seinen beiden berühmten Veröffentlichungen zum Strahllärm „On Sound Genera-ted Aerodynamically“ aus den Jahren 1952 und 1954 geschaffen, die das Verfahren der sog. akusti-schen Analogie begründeten [14]. Vielleicht war es - so wurde später dazu geschrieben - die glän-zendste Idee bei der „akustischen Analogie“, das „neue“ Problem des aerodynamischen Lärms auf das „alte“ Problem des Lösens der klassischen Wellengleichung mit Quellen zu reduzieren, und zwar durch das Ersetzen der Strömung durch die klassischen akustischen Multipole und die Anwendung des klassischen KIRCHHOFF-Integrals auf die Lösung der Wellengleichung.

Page 4: Stroemungsakustik - Koeltzsch

4

Die wesentlichen Erkenntnisse von LIGHTHILL zum Strahllärm waren die folgenden Aspekte: • der Quadrupolcharakter dieser Schallabstrahlung, • die Proportionalität der abgestrahlten Schallleistung zu U8D2 für Unterschallstrahlen, • und bereits die Erkenntnis (auf dem Fakt aufbauend, dass die Vortriebsleistung des Triebwerks

proportional zu U3D2 ist), dass Fortschritte hinsichtlich der Lärmabstrahlung nur erreicht werden können, wenn Triebwerke mit größerem Bypass-Verhältnis und relativ niedriger Austrittsge-schwindigkeit eingesetzt werden. (Diese Erkenntnis wurde in modernen Triebwerken umgesetzt und wird mit radikalen Änderungen im Triebwerksaufbau auch in den nächsten Jahrzehnten eine enorme Rolle spielen.)

In den Jahren nach der Veröffentlichung der LIGHTHILL-Theorie sind zahlreiche Versuche gemacht worden, die Theorie der akustischen Analogie weiterzuentwickeln und zu verbessern, bezogen • auf die Berücksichtigung weiterer Quellmechanismen, wie z. B. überströmte feste Oberflächen,

Temperatur- und Dichteunterschiede im Medium u. a. m., • auf Modifizierungen des Wellenoperators auf der linken Seite der inhomogenen Wellengleichung,

meist gleichzeitig mit dem Bezug • auf Modifizierungen des Quellgliedes auf der rechten Seite der inhomogenen Wellengleichung. Die beiden letztgenannten Aspekte bedeuten eine veränderte Formulierung der akustischen Analogie durch eine unterschiedliche Aufteilung der Gleichungsterme in lineare „Ausbreitungs“terme und nichtlineare „Quell“terme. Bedeutungsvolle Arbeiten zur Weiterentwicklung der akustischen Analogie sind die folgenden: 1955 N. Curle: The influence of solid boundaries upon aerodynamic sound 1959 H. S. Ribner: Aerodynamic sound from fluid dilatations. New theory of jet noise generation,

directionality, and spectra 1960 O. M. Phillips: On the generation of sound by supersonic turbulent shear layers 1963 J. E. Ffowcs Williams: The noise from turbulence convected at high speed 1964 A. Powell: Theory of vortex sound 1969 J. E. Ffowcs Williams and D. L. Hawkings: Sound generation by turbulence and

surfaces in arbitrary motion 1969 D. G. Crighton and J. E. Ffowcs Williams: Sound generation by turbulent two-phase flow 1973 G. M. Lilley: On the noise from air jets 1974 M. S. Howe: Contributions to the theory of aerodynamic sound, with application to excess

jet noise and the theory of the flute 1978 W. Möhring: On vortex sound at low Mach number 1998 P. E. Doak: Fluctuating total enthalpy as a generalized acoustic field Für alle diese Weiterentwicklungen gilt aber auch, dass das aerodynamische Quellfeld für den erzeug-ten Strömungslärm nicht bekannt war bzw. nur für sehr einfache Modellfälle berechnet werden konnte. Die Theorien auf der Basis der LIGHTHILLschen Analogie benötigen aber das detaillierte räumliche, zeitliche Strömungsfeld, d. h. genaue Informationen zur Turbulenz der Strömung. Bisher wurden in die historische Übersicht vorrangig die Grundlagen der Aeroakustik und der Strahl-lärm einbezogen. Von großer Bedeutung ist aber auch der Rotorlärm. Darunter wird die Schallerzeu-gung durch Strömungsvorgänge an rotierenden Strukturen unterschiedlichster geometrischer Formen und Abmessungen verstanden, also z. B. Propeller, Ventilatoren, Turbomaschinen, Hubschrauberroto-ren, Rotoren von Windenergieanlagen u. v. a. m. Bei diesen Rotoren gibt es zahlreiche strömungsbe-dingte physikalische Mechanismen der Schallerzeugung, die zu hohen Schallenergien bei diskreten Frequenzen oder in schmalbandigen Frequenzbereichen sowie zu energiereichen breitbandigen Spekt-ralanteilen führen. Bedeutungsvolle Arbeiten auf dem Gebiet des Rotorlärms sind die folgenden (die genannte Jahreszahl bezieht sich jeweils auf die erstgenannte Veröffentlichung): 1936 L. Ja. Gutin: On the sound field of a rotating propeller 1937 A. F. Deming: Noise from propellers .... Propeller rotation noise due to torque and thrust. 1941 W. Ernsthausen : Der Einfluss aerodynamischer Eigenschaften auf Schallfeld und Strahlungs-

leistung einer Luftschraube. Der rotierende Tragflügel als Strahlungsproblem. 1944 E. Ja. Judin: On the vortex sound from rotating rods. Issledovanie suma ventiljatornych usta-

novok i metodov borby s nim. (CAGI-Bericht Nr. 713, Moskva 1953)

Page 5: Stroemungsakustik - Koeltzsch

5

1948 H. H. Hubbard: Sound from dual-rotating and multiple single rotating propellers. Propeller noise charts for transport airplanes.

1961 J. M. Tyler, T. G. Sofrin: Axial flow compressor noise studies. Stop compressor noise before it starts. Noise abatement method and apparatus.

1964 I. J. Sharland: Sources of noise in axial flow fans. 1965 M. V. Lowson: The sound field for singularities in motion. Theoretical analysis of compressor

noise. 1969 J. E. Ffowcs Williams, D. L. Hawkings: Sound generation by turbulence and surfaces in ar- bitrary motion. Theory relating to the noise of rotating machinery. 1969 S. E. Wright: Sound radiation from a lifting rotor generated by asymmetric disk loading.

Discrete radiation from rotating periodic sources. 1970 C. L. Morfey: Sound generation in subsonic turbomachinery. 1971 B. D. Mugridge: Sources of noise in axial flow fans. 1972 D. L. Hawkings, M. V. Lowson: Theory of open supersonic rotor noise. Tone noise of high-

speed rotors. 1973 D. B. Hanson: Spectrum of rotor noise, propeller noise .... . Influence of propeller design pa

rameters on far-field harmonic noise in forward flight. Compressible ..... theory for propeller aerodynamics and noise. Noise of counterrotation propellers.

1975 F. Farassat u. a.: Advanced theoretical treatment of propeller noise. ...... the calculation of ro-tating blade noise. The prediction of helicopter rotor discrete frequency noise.

1989 D. G. Crighton u. a.: Asymptotic theory of propeller noise. 1997 K. S. Brentner: ..... algorithms for acoustic integrals with examples for rotor noise prediction 1998 K. S. Brentner, F. Farassat: Analytical comparison of the acoustic analogy and Kirchhoff for-

mulation for moving surfaces.

4 Die Strömungsakustik in den 90er Jahren Ende der 80er und mit Beginn der 90er Jahre wurden auf mehreren, für die Aeroakustik relevanten Gebieten erhebliche Erkenntnisfortschritte erreicht, insbesondere im Bereich der Messverfahren, der Gerätetechnik und der Versuchsanlagen sowie im Bereich der Theorienentwicklung und der numeri-schen Verfahren. Über die Gründe für diesen Erkenntnisschub können folgende Aspekte aufgeführt werden (siehe auch A. D. PIERCE 1992 in [9]): • Die Entwicklung in den drei Fachdisziplinen

- Aeroakustik (physikalische Grundlagen, Theorie, experimentelle Ergebnisse), - Numerische Strömungsmechanik, die Computational Fluid Dynamics CFD (einschließlich der

Computational Physics, Computational Mechanics, Computational Acoustics) sowie - Turbulenz und Strömungsinstabilitäten hatte Anfang der 90er Jahre zu einem hohen disziplinären Niveau geführt, das im interdiszipli-nären Kontext nach neuen Anbindungen, Forschungsproblemen, Innovationen gesucht hat.

• Das gewaltige Anwachsen der Leistungsfähigkeit der Computer ließ die Schwelle überwinden, ab welcher numerische Simulationen für aeroakustische Vorgänge möglich wurden.

• Die Simulierung turbulenter Strömungen (LES u. a. m.) hatten zu beeindruckenden Erkenntnis-fortschritten in der Turbulenz geführt.

• Numerische Verfahren standen in gut entwickelter bis hin zu ausgereifter Form in der Computati-onal Fluid Dynamics (CFD) zur Verfügung.

• Schließlich wurden erhebliche Fortschritte in der Aufklärung der Instabilitätsmechanismen er-reicht, die für die Schallerzeugung durch Strömungen eine bedeutungsvolle Rolle spielen.

Durch diese Entwicklungen seit Anfang der 90er Jahre machte die Computational Aeroacoustics be-eindruckende Fortschritte. Mehrere Forschergruppen in aller Welt (insbesondere USA, Frankreich, Großbritannien, Deutschland) haben zahlreiche, sehr unterschiedliche Bearbeitungsstrategien entwi-ckelt, die insbesondere die Ankopplung der Akustik an die Fluidmechanik, d. h. des Schallfeldes an das Strömungsfeld, zum Ausdruck bringen. In Realisierung der eingangs genannten These, dass die Fluidmechanik und die Fluidschall-Akustik von derselben physikalischen Qualität sind und von denselben Grundgleichungen beherrscht werden,

Page 6: Stroemungsakustik - Koeltzsch

6

ist die aussichtsreichste, gegenwärtig aber noch visionäre Methode, das Verfahren der direkten nume-rischen Simulation (Direct Numerical Simulation DNS) des gemeinsamen Vorganges „Strömung und Schall“. Mit dem heutigen Entwicklungsstand der numerischen Aeroakustik muss eine, wie auch im-mer geartete Schnittstelle zwischen der Strömung und dem Schallfeld eingeführt werden, d. h. es wer-den hybride Berechnungsverfahren praktiziert. Das betrifft die akustischen Analogiemethoden, die Verfahren mit EULER-Volumen und angeschlossenen KIRCHHOFF- bzw. BEM-Flächen sowie ande-re Formen der Störungsgleichungen und Flächen-/Volumenintegrationen ins akustische Fernfeld. Dieser gewaltige Aufschwung, den die Aeroakustik in den 90er Jahren insbesondere durch die o. g. Aspekte genommen hat, veranlasste den Begründer des Fachgebietes Aeroakustik, Sir James LIGHT-HILL, 1992 von der Möglichkeit eines zweiten goldenen Zeitalters der Aeroakustik zu sprechen. 5 Die LIGHTHILLsche Analogie in der Strömungsakustik Die Grundzüge dieses Verfahrens sind 1952 in der Publikation „On Sound Generated Aerodynami-cally“ von M. J. LIGHTHILL dargestellt worden. Die Bedeutung dieser Publikation und des Verfah-rens seien durch drei Zitate belegt:

„Die Publikation von LIGHTHILL im Jahre 1952 muss retrospektiv als ein epochales Ereignis be-trachtet werden. Keine andere Veröffentlichung in der Geschichte der Akustik ist so umfassend zi-tiert worden. Sie initiierte eine Periode kreativer Bemühungen mit herausragenden wissenschaftli-chen Arbeiten.“ (nach PIERCE 1992, in [9]) „Die Arbeit von LIGHTHILL 1952 ist unzweifelhaft eine der bestgeschriebenen wissenschaftli-chen Arbeiten überhaupt.“ (nach FARASSAT/BRENTNER 1998 [6]) „Die Arbeit von LIGHTHILL über die Theorie des aerodynamisch erzeugten Lärms (1952) ist der wichtigste Fortschritt in der Akustik seit den Arbeiten von Lord RAYLEIGH.“ (nach LILLEY 1999 [16])

Die LIGHTHILLsche Theorie der aerodynamischen Schallerzeugung folgt aus den Grundgleichungen der Strömungsmechanik, und zwar der Kontinuitätsgleichung und der Bewegungsgleichung in der Form der NAVIER-STOKES-Gleichungen (bzw. der REYNOLDSschen Gleichungen). Mit der ther-modynamischen Zustandsgleichung ergibt sich eine inhomogene Wellengleichung für die akustischen Dichteschwankungen in der Form

qx

ct i

=

∂∂−

∂∂ ρ2

2202

2

mit dem Quellterm ji

ij

xxT

q∂∂

∂=

2

und ijijjiij cpT ρδρ 20−+= vv (LIGHTHILL-Tensor).

Die instationäre Strömung wird durch eine Volumenverteilung von äquivalenten akustischen Quellen (Quadrupolquellen) ersetzt. Diese werden in ein gleichförmiges Medium eingebettet, das selbst ruht, in dem sich aber die Quellen bewegen können. Damit ist das Problem der Schallerzeugung durch Strömungen auf ein klassisches Problem der Akustik zurückgeführt; diese Vorgehensweise wird des-halb als akustische Analogie, heute meist als die LIGHTHILLsche Analogie, bezeichnet. Die inhomogene Wellengleichung zeigt, dass das Quellglied die reale Strömung, einschließlich der Er-zeugung von Schall und der Wechselwirkung des Schalls mit der Strömung, enthält. Die LIGHT-HILLsche Theorie braucht keine Voraussetzungen bei ihrer Ableitung; sie ist eine exakte Theorie. Sie benötigt allerdings für konkrete Vorausberechnungen des Schallfeldes die Details der Strömung, das heißt das der Strömung äquivalente akustische Quellfeld, mindestens in einer guten Näherung. Werden bei der Ableitung der inhomogenen Wellengleichung in der zugrundeliegenden Kontinuitäts-gleichung äußere Massequellen (oder –senken) und in der Bewegungsgleichung von außen auf das Medium aufgeprägte Kräfte berücksichtigt, so folgt für das Quellglied

( )ji

ijii

i xxT

mfxt

mq∂∂

∂++

∂∂−

∂∂=

2

v&&

Diese drei Terme des Quellgliedes unterscheiden sich prinzipiell voneinander:

Page 7: Stroemungsakustik - Koeltzsch

7

tm ∂∂ & Die zeitliche Änderung des Massenflusses (je Volumen) ist einer Monopolquelle der klassischen Akustik äquivalent.

( ) iii xmf ∂+∂− v& Ein Feld von Wechselkräften (je Volumen) ist einer Dipolquelle der klassischen Akustik äquivalent.

jiij xxT ∂∂∂ 2 Ein Feld von Wechselspannungen und Druckschwankungen (je Volumen) ist in freien Strömungen einer Quadrupolquelle der klas-sischen Akustik äquivalent.

Die inhomogene Wellengleichung kann mit Hilfe der erweiterten KIRCHHOFFschen Beziehung in folgende Integralgleichung für den Schalldruck am Aufpunkt umgeformt werden:

( )

( ) ( )

( )∫

∫∫

∫∫

∂∂∂+

+∂∂++

∂∂−

∂∂

∂∂=

Vij

ji

Sjijji

iVii

i

Si

i

Vi

dVTrxx

dSnprx

dVmfrx

dSntr

dVtm

rtxp

τ

ττ

ττ

π

ρππ

ρππ

41

41

41

)(4

14

1,

2

vvv

v

&

&

Der Schalldruck am Aufpunkt wird - erstens durch Monopolquellen verursacht, die durch die zeitliche Änderung des äußeren Mas-

senflusses in ein Volumen V und durch die zeitliche Änderung des Massenflusses durch eine in V eingebettete Oberfläche S bzw. durch die Normalbewegung von S gegeben sind;

- zweitens durch Dipolquellen verursacht, die durch Wechselkräfte (äußere Kräfte und Reakti-onskräfte durch den Massenfluss) in einem Volumen V und durch Wechselkräfte an einer in-neren Berandung S gegeben sind;

- drittens durch Quadrupolquellen verursacht, die durch Wechselspannungen und Druck-schwankungen in einem Volumen V gegeben sind.

Physikalisch interpretiert enthält die Integralbeziehung folgende Mechanismen der Schallerzeugung: • die äußeren Masseflussschwankungen und • das äußere, ungleichförmige Kraftfeld, • Schwankungen im konvektiven Impulstransfer (Impulsstromdichteschwankungen) • Schwankungen der viskosen Spannungen und • Entropieschwankungen in der Strömung (Verbrennung, Wärmeübergang, Kondensation u. a.).

In der akustischen Analogie werden diese Mechanismen durch die genannten klassischen akustischen Multipole ersetzt. LIGHTHILLs Quellterm schließt alle instationären Strömungseffekte ein, d. h. sowohl Schallerzeu-gung durch die Strömung als auch die Wechselwirkung zwischen der Strömung und dem Schallfeld. Die rechte Seite der inhomogenen Wellengleichung beinhaltet im Detail

- die Quellstärke für die auf der linken Seite stehende Schallfeldgröße, - die Schallausbreitung in der Strömung, einschließlich der konvektiven Verstärkung des abge-

strahlten Schalls in Strömungsrichtung und auch die Doppler-Verschiebungen in der Frequenz des Abstrahlungsfeldes gegenüber dem Quellenfeld,

- Brechungseffekte durch Gradienten der mittleren Strömungsgeschwindigkeit und durch Tem-peraturfelder,

- Reflexionen an Inhomogenitäten und an festen Berandungen, - die Streuung der Schallwellen durch turbulente Wirbel und Inhomogenitäten der Temperatur, - die nichtlinearen Verzerrungen der sich ausbreitenden Schallwellen u. a. m.

Diese Vermischung von Quell- und Ausbreitungseffekten im Inhomogenitätsglied auf der rechten Seite der inhomogenen Wellengleichung bringt, wie die Erfahrung zeigt, Verständnisschwierigkeiten mit sich. Deshalb sind für viele praktische Anwendungen, z. B. die Schallerzeugung von einer turbu-lenten Scherströmung, Modifizierungen der LIGHTHILL-Formulierung wünschenswert, um die Er-zeugung von Schall von den Vorgängen der Schallausbreitung zu trennen. Damit könnten dann z. B. die Brechung der abgestrahlten Schallwellen bei der Ausbreitung quer durch die Scherströmung dar-gestellt werden.

Page 8: Stroemungsakustik - Koeltzsch

8

Die entsprechenden Gleichungen gehen gleichfalls von den exakten Grundgleichungen der Strö-mungsmechanik (für die instationäre, viskose, kompressible Strömung) aus. Die z. B. von LILLEY abgeleitete, linearisierte, konvektive, inhomogene Wellengleichung zeigt jedoch nunmehr auf der lin-ken Seite einen Wellenoperator in konvektiver Form

( )ji

jijii

i xxc

xttL

∂∂∂−+

∂∂∂+

∂∂≡

22

2

2

2

2 δvvv .

Die äquivalenten akustischen Quellen, die sich relativ zur realen Strömung bewegen können, sind nicht mehr in ein gleichförmiges, ruhendes Medium eingebettet. Bei LILLEY enthält z. B. diese kon-vektive, inhomogene Wellengleichung im Quellglied auf der rechten Seite nichtlineare, in den Schwankungsgrößen quadratische Terme, die die Wirbelstärke (vorticity), das Druckfeld und die kine-tische Energie als die Hauptquellen des aerodynamisch erzeugten Lärms darstellen. Für bestimmte Anwendungsfälle können auch andere thermodynamische Größen, wie Entropie und Enthalpie, in das Quellglied eingeführt werden, z. B. bei der Schallerzeugung von heißen Strahlen. (Es kann aus dieser konvektiven, inhomogenen Wellengleichung gezeigt werden, dass bei gleicher Ge-schwindigkeit heiße Strahlen bei niedrigen MACH-Zahlen lauter sind als kalte und dass bei hohen MACH-Zahlen der umgekehrte Fall eintritt.) Von DOAK wurde 1998 geschrieben [5], dass keines von diesen alternativen Modellen der akusti-schen Analogie die physikalischen Prozesse mathematisch zufriedenstellend dargestellt. DOAK for-mulierte Kriterien für ein Konzept eines verallgemeinerten akustischen Feldes; diese werden allein von der physikalischen Größe „Schwankungen der Gesamtenthalpie“ und der zugehörigen inhomoge-nen, konvektiven Wellengleichung erfüllt. Neben der LIGHTHILLschen Darstellung der inhomogenen Wellengleichung sind weitere Quellglied-formulierungen entwickelt worden, die jeweils interessante physikalische Aspekte betonen, mehr oder weniger starke Näherungen beinhalten und häufig für jeweils bestimmte Anwendungsfälle geeigneter als der Quadrupolausdruck sind. Dazu gehören zum Beispiel • die akustische Analogie nach RIBNER (1962) mit einem klassischen Monopol als äquivalenter

akustischer Quelle

2

)0(2

20

1tp

cq

∂∂= mit

ji

ji

xxuu

p∂∂

∂−=∇ 0

2)0(2 ρ

• die akustische Analogie nach POWELL (1964) und HOWE (1975) mit der klassischen Dipol- formulierung:

i

i

xLq

∂∂−= 0ρ mit ( )iiL u∧= ωωωω

RIBNERs Monopolausdruck auf der Grundlage eines inkompressiblen Nahfelddruckes muss die grö-ßere örtlichen Ausdehnung des Quellfeldes im Vergleich mit der LIGHTHILLschen Quadrupoldarstel-lung berücksichtigen. Das äquivalente Monopolfeld ist nur schwach lokalisiert, so dass die Volumen-integrale über einen relativ großen Bereich, von der Größe der akustischen Wellenlänge, erstreckt werden müssen. Das bedeutet dann, dass auch die entsprechenden Veränderungen in den retardierten Zeiten erfasst werden müssen. Die akustische Analogie nach POWELL und HOWE bezieht sich mit ihrem Wirbeldipol auf die Ver-wirbelung (vorticity) in der Strömung. Diese Analogie ist für die Untersuchung von aeroakustischen Modellproblemen häufig angewendet worden, z. B. für die Schallabstrahlung von Linien- und Ring-wirbeln und ihre Wechselwirkung mit festen Körpern. Von besonderem Interesse ist auch die Theorie von MÖHRING zum Wirbelschall. Ausgehend von der POWELL-HOWE-Theorie, mit Verwendung einer vektoriellen GREENschen Funktion und des HELMHOLTZschen Wirbelsatzes, hat MÖHRING die Fernfeld-Schallgröße allein auf die Verwirbe-lung im Strömungsbereich zurückgeführt. Von Bedeutung sind des weiteren auch die Analogien, die die Enthalpie h bzw. die Gesamtenthalpie H

Gesamtenthalpie: 2v ihH21+= Enthalpie:

ρpuh +=

Page 9: Stroemungsakustik - Koeltzsch

9

(mit: u innere Energie je Volumen) als abhängige Variable in die linke Seite der inhomogenen Wel-lengleichung einführen, siehe dazu die Arbeiten von HOWE, MÖHRING, DOAK u. a. 6 Praktische Aussagen aus der LIGHTHILL-Theorie, die von histori-

scher Bedeutung sind Aus der LIGHTHILLschen Analogie in der Form der Integraldarstellung des Strahllärms kann, auch wenn die Details des instationären Quellfeldes (turbulente Strahlströmung) nicht bekannt sind, durch Dimensionsanalyse die Proportionalität der Schallleistung zur 8. Potenz der mittleren Strahlgeschwin-digkeit im Düsenaustrittsquerschnitt

=

∞∞5

82

cUSKP D

Ds

ρρ

(Indizes: s Strahl, D Düsenaustrittsquerschnitt) ermittelt werden. Aus dem Verhältnis der abgestrahlten Schallleistung Pschall zur mechanischen Strömungsleistung Pmech des Strahls (kinetischer Energiefluss) folgt der Umsetzungsgrad akη

55

MaKcUK

PP Ds

mech

schallak ≈

==

∞∞ρρη

(K 410−≈ , Ma MACH-Zahl), siehe dazu Bild 1. Die vom Freistrahl insgesamt ins Fernfeld abgestrahlte Schallleistung ist also nur ein Bruchteil des mechanischen Energieflusses der Strömung. Aus dieser Unterschiedlichkeit der Energien beider Felder (Strömungsfeld, Schallfeld) ist eines der wesentlichen Probleme der numerischen Vorausberechnung des aerodynamischen Lärms des Freistrahls (von freier Turbulenz), insbesondere bei kleinen MACH-Zahlen, erkennbar. Bei einer Strömung mit Ma = 0,1 wird eine Genauigkeit von mindestens 10-9 benö-tigt. Wird diese nicht erreicht, so äußern sich die Ungenauigkeiten der numerischen Berechnung als „numerischer Lärm“ („The numerical procedure may actually be „noisier“ than the flow!“ CRIGH-TON in [3], [9] u. a.). Von besonderer Bedeutung für die Minderung des Fluglärms erwies sich das o. g. LIGHTHILLsche U8-Gesetz für den Strahllärm. Während also die Schallleistung proportional zu SU 8 ist, wächst der Strahlschub des Flugtriebwerkes nur mit SU 2 . Das bedeutet, dass sich bei konstantem Strahlschub die abgestrahlte Schallleistung des Strahls mit der 6. Potenz der Strahlgeschwindigkeit ändert! Es ist also eine Lärmminderungsmaßnahme von überragender Bedeutung, den Strahlschub mit größerer Strahlquerschnittsfläche bei verminderter Strahlgeschwindigkeit zu erreichen. Diese Entwicklung hat sich in der Luftfahrt in den letzten 40 Jahren deutlich gezeigt. In diesem Zeit-raum wurden fortschreitend Triebwerke mit immer größerem Bypass-Verhältnis entwickelt und einge-führt. (Das Bypass- oder Nebenstromverhältnis ist das Verhältnis des äußeren Massendurchsatzes zum inneren Massendurchsatz bei einem Flugzeugtriebwerk. Es ist äußerlich durch den großen Fan am Triebwerkseintritt und durch den kleinen inneren Schubdüsendurchmesser am Triebwerksaustritt er-kennbar.) Während ein Strahltriebwerk der 60er Jahre ohne Bypass zwangsläufig ein Nebenstromver-hältnis von 1:1 hatte, werden heute Triebwerke der Firma Rolls Royce Deutschland mit einem Neben-stromverhältnis 5:1 eingesetzt. Damit wird eine wesentlich verringerte mittlere Strahlgeschwindigkeit bei stark vergrößerter Strahlquerschnittsfläche realisiert. Der neueste Stand der technischen Entwick-lung wird durch das Triebwerk PW 8000 von Pratt & Whitney charakterisiert, das erste kommerzielle Triebwerk mit einem Getriebefan, gekennzeichnet durch den besonders großen und besonders lang-samlaufenden Rotor, die Umfangsgeschwindigkeit des Fans ist etwa 340 m/s gegenüber den sonst üblichen 440 m/s (Überschall!), das Übersetzungsverhältnis des Getriebes beträgt 1:3, d. h. die An-triebswelle mit der Niederdruckturbine läuft dreimal schneller als der Fan, das Nebenstromverhältnis ist > 10; schließlich: neben der Minderung des Stahllärms wird auch die tonale Schallenergie des Fan deutlich reduziert [18], [19]. Die Bedeutung dieser praktischen Ergebnisse aus der LIGHTHILLschen Theorie lässt sich an der er-reichten Fluglärmminderung zeigen. Die Geräuschemission von Flugzeugen, vorrangig der Trieb-

Page 10: Stroemungsakustik - Koeltzsch

10

werkslärm, wurde in den letzten 40 Jahren um etwa 25 dB, in den letzten 10 Jahren geschätzt um etwa 6 dB reduziert. Die Zielstellung der Luftfahrtindustrie weist eine Pegelminderung von zukünftigen Flugzeugen um etwa 10 dB innerhalb von 10 Jahren aus und um 20 dB innerhalb von 25 Jahren, je-weils gegenüber Flugzeugen, die 1997 in Betrieb genommen worden sind. Dabei werden sich infolge der immer leiser werdenden Flugtriebwerke zukünftige Anstrengungen gleichartig auf die Teillärm-quellen Triebwerksstrahl, Fan und Umströmung der äußeren Flugzeugkomponenten (Fahrwerke, Klappen, Flügelspitzen, u. a. m.), letzteres insbesondere beim Landeanflug, beziehen müssen. 7 Dimensionslose Größen in der Strömungsakustik Dimensionslose Größen, auch als Ähnlichkeitskennzahlen verwendet, spielen in vielen Bereichen der Technik und Naturwissenschaften, insbesondere auch in historischer Sicht, eine große Rolle. In der Strömungsakustik sind die folgenden dimensionslosen Größenkombinationen von Bedeutung [11]:

die HELMHOLTZ-Zahl clflHe ==

λ die STROUHAL-Zahl

v

lfSr =

die REYNOLDS-Zahl ν

lRe v= die MACH-Zahl c

Ma v=

die EULER-Zahl 2vρpEu ∆=

Einige dieser dimensionslosen Größen werden auch mit akustischen Größen geschrieben, z. B. die akustische Mach-Zahl Maak und die akustische Reynolds-Zahl Reak mit der Schallschnelle v. Der Anwendungsbereich dieser Ähnlichkeitskennzahlen wird meist in der Auslegung gegenständlicher Modelle gesehen, im Fachgebiet der Akustik in der gegenständlichen, physikalisch ähnlichen, raum-akustischen Modellierung, im Fachgebiet der Strömungsakustik z. B. bei Modellen von Schalldämp-fern für Kraftwerksanlagen, bei Strömungsmaschinen, bei umströmten Schaufeln und Tragflügeln, bei Hubschrauberrotoren u. a. m.. In der Modelltechnik werden dann - unter Nutzung dieser Ähnlichkeits-kennzahlen - die Verfahren behandelt, unter denen gegenständliche Modelle im Experiment betrieben werden können, und schließlich erfolgt - mit Anwendung wiederum dieser Ähnlichkeitskennzahlen - die Rückübertragung von Modellmesswerten auf das noch nicht gegenständlich existierende Original. Des weiteren werden die genannten Ähnlichkeitskennzahlen und andere dimensionslose Kombinatio-nen physikalischer Größen in der Strömungsakustik häufig zur verallgemeinerten Darstellung von Messwerten benutzt. Wichtig ist dabei eine Normierung, die den physikalischen Hintergrund der ent-sprechenden Vorgänge kennzeichnet. Das heißt, die Kompression der Messdaten gelingt um so besser, und dies ist geradezu ein Gütekennzeichen für den Kenntnisstand, je treffsicherer der physikalische Zusammenhang zwischen Wirkung und Ursache erkannt worden ist. Ein nahezu klassisches Beispiel dafür ist das dimensionslose Diagramm für den strömungsmecha-nisch-akustischen Umsetzungsgrad für den Strahllärm, siehe dazu Bild 1, sowie das dimensionslose Spektrum für den breitbandigen Strahllärm, siehe Bild 2. Die von ARNO LENK (gemeinsam mit E. LOTZE) Anfang der 60er Jahre erarbeiteten, sehr genauen Messwerte zeigten eine hervorragende Übereinstimmung mit den Grundaussagen der LIGHTHILLschen Theorie. 8 LIGHTHILLs Prognose (1992) für das „zweite goldene Zeitalter“ der

Strömungsakustik Sir James LIGHTHILL hat in der Abschlussdiskussion des Workshops zur Computational Aeroa-coustics", im April 1992, Hampton, VA, USA folgende Prognose gewagt (in [9]: „Wenn die gewaltigen neuen Forderungen zur Lärmminderung in der Luftfahrt mit den großen Mög-lichkeiten der vollen Nutzung der modernen CFD-Verfahren in Verbindung gebracht werden, ist es berechtigt, mit Zuversicht ein zweites goldenes Zeitalter der Aeroakustik vorauszusagen, das dem ersten goldenen Zeitalter etwa vier Jahrzehnte später folgt.“ Dieser Aussage kann sicher uneingeschränkt zugestimmt werden, wenn man dabei folgende Aspekte deutlich heraushebt:

Page 11: Stroemungsakustik - Koeltzsch

11

• Die numerischen Verfahren, also die CFD-Verfahren gekoppelt mit den CAA-Verfahren, müssen generell zur Vorausberechnung der Schallabstrahlung von Strömungslärmquellen umfassend ge-nutzt werden. Damit stehen exzellente Werkzeuge zur akustische Auslegung von Strömungslärm-quellen und damit zur akustische Optimierung zur Verfügung.

• Die computertechnischen Lösungen für physikalisch-mathematische Modellierungen, einschließ-lich der zugehörigen Verifizierungen und Validierungen, schaffen Ergebnisse, die zur weiteren und schnelleren physikalischen Aufklärung der strömungsakustischen Vorgänge in starkem Maße beitragen. In den letzten Jahren ist bei der sich ständig erweiternden Nutzung der numerischen Verfahren deutlich ein beschleunigter Erkenntnisgewinn auf dem Gebiet der Strömungsakustik festzustellen (und nicht nur auf diesem Gebiet).

• Außerdem lassen sich aus den computertechnischen Lösungen ständig neue und qualitativ hoch-wertigere Fragestellungen an das Experiment ableiten, die der Klärung der Phänomene und der Schaffung von numerischen Werkzeugen förderlich sind.

Literatur [1] R. T. Beyer: Sounds of Our Times. New York etc.: Springer-Verlag 1999 [2] T. Colonius: Lectures on computational aeroacoustics. California Inst. of Techn., Internet 1999 [3] D. G. Crighton: Computation of wave generation in acoustics and structural acoustics. Internatio-

nal Workshop Manchester 1995 [4] D. G. Crighton: Acoustics as a branch of fluid mechanics. J. of Fluid Mech. 106 (1981) pp.261-291 [5] P. E. Doak: Fluctuating total enthalpy as the basic generalized acoustic field. Theoret. Comput.

Fluid Dynamics (1998) 10, pp. 115-133 [6] F. Farassat, K. S. Brentner: The acoustic analogy and the prediction of the noise of rotating blades.

Theoret. Comput. Fluid Dynamics (1998) 10, pp. 155-170 [7] S. A. L. Glegg: Recent advances in aeroacoustics: the influence of computational fluid dynamics.

6th ICSV Copenhagen 1999 [8] M. E. Goldstein: Aeroacoustics. New York: McGraw-Hill Book Company Inc. 1976 [9] J. C. Hardin, M. Y. Hussaini (Eds.): Computational aeroacoustics. New York: Springer 1993 [10] P. Költzsch: Strömungsmechanisch erzeugter Lärm. Diss. B (Habil.schrift) TU Dresden 1974 [11] P. Költzsch: Über die Anwendung von Ähnlichkeitskennzahlen in der Akustik, basierend auf den

Erfahrungen aus der Strömungsmechanik. Vortrag zum Ehrenkolloquium, 85. Geburtstag von Prof. em. Dr.-Ing. Dr.h.c. mult. Werner Albring, TU Dresden 11. Oktober 1999, Festschrift

[12] P. Költzsch: Strömungsakustik: Geschichte, Stand, Perspektiven. Plenarvortrag 26. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Akustik, DAGA 2000, Universität Oldenburg März 2000

[13] G. C. Lauchle: Fundamentals of flow-induced noise. Penn State University 1996 [14] M. J. Lighthill: On sound generated aerodynamically. Proc. Roy. Soc., London (A) Part I: 211

(1952) 564-587; Part II: 222 (1954) 1-31 [15] M. J. Lighthill. Early development of an „acoustic analogy“ approach to aeroacoustic theory.

AIAA Journal 20 (1982) 4, pp. 449-450 [16] G. M. Lilley: On the refraction of aerodynamic noise. 6th ICSV Copenhagen 1999, pp. 3581-3588 [17] Ph. J. Morris: Aircraft noise: theory and practice. Penn State University 1997 [18] U. Michel: persönliche Mitteilung März 2000 [19] Pratt & Whitney: Internet März 2000 [20] V. Strouhal: Über eine besondere Art der Tonerregung. Annalen der Physik und Chemie, Leipzig

241 (5) (1878) 10, S. 216 - 251 [21] J. W. Strutt (Lord. Rayleigh): The Theory of Sound. New York: Dover Publications 1945

Page 12: Stroemungsakustik - Koeltzsch

12

Anhang 1 STROUHALs Untersuchungen zu den Äolstönen 1878, dargestellt in den Annalen der Physik und Chemie 1878 [20] (Textstellen in Anführungszeichen: Originalversion) Strouhal geht einleitend auf die beiden bisher bekannten Möglichkeiten der Tonbildung ein, und zwar durch mechanische Erregung und durch Eigenschwingungen elastischer Körper. Er schreibt dann: „Den Gegenstand der vorliegenden Arbeit bildet nun eine dritte Art der Tonerregung , und zwar von allen die einfachste, eine Art, welche zwar im Principe nicht unbekannt, jedoch einer Untersuchung bis jetzt nicht unterzogen wurde. Es ist bekannt, daß durch rasches Schwingen eines Stabes, einer Klinge, einer Peitsche u. a. in der Luft ein Ton entsteht; nicht weniger bekannt sind auch die hierher gehörigen Töne, die durch Luftströmungen an ausgespannten Drähten, scharfen Kanten, Spalten u. dergl. entste-hen. Töne dieser Art, die aus später anzuführenden Gründen am passendsten als Reibungstöne zu be-zeichnen sind, bilden den Gegenstand vorliegender Untersuchungen. .......... Schon die einfachsten hieher gehörigen Versuche führen zur Kenntnis der Bedingungen, welche erfüllt werden müssen, wenn der in oben erwähnter Weise entstehende Ton ein reiner sein soll. Schwingt man einen Stab durch die Luft, so entsteht ein Ton; seine Höhe ist jedoch keine bestimmte, sondern durch die Geschwindigkeit bedingt, mit welcher der Stab durch die Luft geführt wurde. Daraus ergibt sich aber sofort, daß der so erhaltende Ton kein reiner sein kann, wenn nicht alle Theile des Stabes mit gleicher Geschwindigkeit durch die Luft geführt werden. Mit anderen Worten: Die Bewegung des Stabes muß eine Translationsbewegung sein. Diese Bedingung für die Reinheit des Tones ist jedoch keine hinreichende. Wiederholt man den Versuch mit Stäben verschiedenen Querschnitts, so überzeugt man sich ebenso, daß unter sonst gleichen Umständen der Ton mit dem Querschnitte des Stabes sich ändert. Welchen Einfluß also die äußere Formbeschaffenheit des Körpers auf den bei seiner Translati-onsbewegung in der Luft entstehenden Ton auch sonst haben mag, so viel steht fest, daß der Ton nur dann einer reiner, ein einfacher sein kann, wenn bezüglich der Bewegungsrichtung der Querschnitt des Körpers überall derselbe ist. Mit anderen Worten: Der Körper muß ein cylindrischer sein ....“ Als Versuchseinrichtung benutzte STROUHAL zwei durch eine drehbare Säule fest verbundene Scheiben, zwischen den achsenparallel unterschiedlicher Drähte gespannt wurden. Wichtig war die Konstanz der Drehzahl. Dazu schreibt STROUHAL: „In Ermanglung eines geräuschlos, gleichmäßig und mit willkürlich abzuändernder Geschwindigkeit arbeitenden Motors wurde die Drehung mit der Hand ausgeführt; durch längere Uebung gelang es, die Drehung des Schwungrades so gleichmässig zu führen, dass der Ton bis auf sehr geringer Schwan-kungen auf bestimmter Höhe durch längere Zeitdauer erhalten blieb. .... In der That schien es vortheilhafter eine Tonhöhe bestimmt und den Verhältnissen angemessen zu wählen und für diese die entsprechende Drehungsgeschwindigkeit zu bestimmen als umgekehrt für eine bestimmt gewählte Drehungsgeschwindigkeit die entsprechend Tonhöhe festzustellen. Die Be-stimmungen der Tonhöhe wurden mittelst eines Monochords ausgeführt. ...“ Die Ergebnisse der Untersuchungen von STROUHAL sind (Es bedeuten: D Drahtdurchmesser, V Anströmgeschwindigkeit, N Frequenz): „Die Höhe des Reibungstones ist von der Spannung des denselben erzeugenden Drahtes unabhängig. ...... Ebenso wie die Spannung ist auch die Länge des Drahtes nicht von Einfluss auf die Höhe des Reibungstones, wohl aber auf dessen Intensität. Je länger der ausgespannte Draht, desto stärker ist unter sonst gleichen Umständen der Reibungston. ..... Es ist ersichtlich, dass zunächst die Substanz des cylindrischen Körpers ohne Einfluss auf den Rei-bungston ist, sowie ferner, dass man in der That mit grosser Wahrscheinlichkeit das Gesetz der umge-kehrten Proportionalität zwischen D und N/V annehmen und somit D⋅N/V = C setzen darf.. Wenn auch einzelne Werthe des Productes D⋅N/V etwas mehr von dem Mittelwerthe C = 0,185 abweichen, so zeigt sich doch in den Abweichungen sämtlicher Werthe im ganzen kein entschiedener Gang, so dass die obige Annahme gewiss nicht unberechtigt ist. Und so gelangen wir schliesslich mit großer Annäherung zu dem einfachen Gesetze: N = C V/D.

Page 13: Stroemungsakustik - Koeltzsch

13

Bei einer Translationsbewegung eines kreisförmig cylindrischen Körpers von beliebiger Substanz mit einer zu seiner Achse senkrechten Richtung in der Luft entsteht ein Ton, dessen Höhe der Bewe-gungsgeschwindigkeit direct und seinem Durchmesser umgekehrt proportional ist.“ Die Konstante C in der obigen Gleichung wurde später zu Ehren STROUHALs als STROUHAL-Zahl Sr (auch S, St, Sh) bezeichnet. Interessant ist, daß STROUHAL in der Umkehrung der aufgeführten Gleichung V = D N / C eine Möglichkeit für die Ermittlung der momentanen Strömungsgeschwin-digkeit aus einer Frequenzmessung vorschlägt: „In dieser Form gibt die Gleichung ein einfaches Mittel an, die relative Geschwindigkeit eines cy-lindrischen Körpers bei seiner Translationsbewegung in der Luft auf akustischem Wege zu bestim-men, sei es, dass der Körper in ruhender Luft sich bewegt, oder dass die Luft gegen den ruhenden Körper strömt. ...... Der Reibungston, der dann z. B. an den frei ausgespannten Telegraphendrähten vorzüglich zu beobachten ist, gibt durch seine momentane Tonhöhe zugleich die momentane Ge-schwindigkeit der Luftströmung an und durch sein Auf- und Abschweben auch die gleichzeitige Ge-schwindigkeitsänderung derselben. ...“ Die Entstehung der Töne konnte STROUHAL nicht klären: „Eine erschöpfende Theorie der Reibungstöne zu geben bin ich bis jetzt nicht im Strande. Soviel er-scheint jedoch ausser allem Zweifel zu stehen, dass die Entstehung periodischer Luftbewegung bei gleichförmiger Bewegung eines festen Körpers in der Luft auf Reibung zurückzuführen ist, sowohl auf die äußere, welche zwischen dem festen Körper und den Luftschichten, als auch auf die innere, welche zwischen den einzelnen Luftschichten selbst stattfindet.“ Anhang 2 LIGHTHILLs persönliche Erinnerungen zur Entwicklung der „Akusti-schen Analogie“ 1949 bis 1952, dargestellt im AIAA-Journal von 1982 [15] (übersetzt, gekürzt und leicht bearbeitet vom Autor) „Ich erinnere mich, Irving (H. B. IRVING, Assistant Director of Scientific Research) kam in mein Mansardenzimmer herauf, in dem tiefschwarzen alten Owens College Gebäude an der Universität von Manchester. Im Jahre 1949 war ich ein 25-jähriger Senior Lecturer in angewandter Mathematik, be-reits intensiv mit der Theorie kompressibler Strömungen befasst, insbesondere mit der Hochgeschwin-digkeitsaero- und Stoßwellendynamik. Irgendwie überzeugte mich Irving, dass Strahllärm eine außer-gewöhnlich spannende theoretische Herausforderung sei. Wir diskutierten, dass ein Strahl eine der klassischen turbulenten Strömungen ist, der durch eine sehr komplexe Verwirbelung (vorticity) cha-rakterisiert ist, aber nicht durch irgendeine Dilatation. Kompressibilität ist bisher nicht als ein signifi-kanter Faktor in der Wirbelbewegung oder in Turbulenz betrachtet worden; doch sie musste eine Rolle spielen, wenn von ihr Schall abgestrahlt wird. Am nächsten Morgen musste ich nach London fahren, das war 1949 eine vierstündige Zugfahrt. Im Zug dachte ich wiederum an den rätselhaften Strahllärm. Es ist tatsächlich wahr, dass das einzige Stück Papier, das ich hatte, die sprichwörtliche „Rückseite eines Umschlages“ war. Wie glücklich empfand ich diese Situation: in dem unpersönlichen Abteil eines Eisenbahnwaggons sitzend, war mir nach dem Aufwachen an jenem Morgen klar bewusst, welches außergewöhnlich erregende theoreti-sche Problem der Fluidmechanik vor mir lag. Ich hatte vier Stunden Zeit, um darüber nachzudenken; der Theoretiker erlag seinem Schwachpunkt: nämlich, es füllten sich Blätter von Papier mit endlosen Gleichungen ..... Die wesentliche Idee des Ansatzes der akustischen Analogie kam mir, bevor meine Reise zu Ende war. Ich erinnere mich, dass der erste Teil der Reise vollständig der Betrachtung gewidmet war, welches die geeignete abhängige Variable in einem Gleichungssystem zur Beschreibung des Strahllärms sein würde. Ich hatte bei vielen Problemen der kompressiblen Strömung gefunden, dass der Schlüssel zum Erhalt handhabbarer Gleichungen die korrekte Wahl der abhängigen Variablen ist. Häufig war der Druck eine optimale Wahl. Jedoch entschied ich mich bald, den Druck hier nicht zu verwenden, weil ich die Kompliziertheit der Beziehung zwischen den Geschwindigkeits- und den Druckschwankungen in einer turbulenten Strömung kannte; und ich spürte, dass Gleichungen, die notwendigerweise diese Kompliziertheit reflektierten, auch schwierig zu handhaben seien.

Page 14: Stroemungsakustik - Koeltzsch

14

Schließlich beschloss ich, die Dichte als die abhängige Variable zu verwenden. Meine Argumentation dafür war im wesentlichen, dass die Dichteänderungen in einer turbulenten Strömung als nicht beson-ders wichtig betrachtet wurden. Wenn andererseits turbulente Strömungen Schallfelder erzeugten und diese abstrahlten, dann würden solche Felder bestimmt wichtige Dichteschwankungen enthalten. Kurz, die Verwendung der Dichte als die abhängige Variable erschien mir für die theoretische Behandlung des Problems richtig, das dem abgestrahlten Schallfeld gewidmet war. Die lokale Dichteänderung wurde natürlich durch die Gleichung der Kontinuität bestimmt. Was aber könnte zur Veränderung des Massenflusses ausgesagt werden? Bei dieser Frage war die Überlegung von Bedeutung, dass dazu die Impulsgleichung notwendigerwei-se verwendet werden musste, aber nicht in der Standard-EULER-Form, sondern in der wenig ge-bräuchlichen Form von REYNOLDS. Er hatte diese Gleichung in die Turbulenztheorie mit dem Ziel eingeführt, eine Zeitmittelung durchzuführen (so wie die Bedeutung der REYNOLDSschen Spannun-gen darzustellen). Ich war durch Bemerkungen von Th. v. KÁRMÁN auf dem Internationalen Kon-gress über Angewandte Mechanik in London 1948 beeinflusst worden, zu erkennen, dass die REY-NOLDSsche Form der Impulsgleichung auch in einem breiteren Kontext nützlich sein kann. Hier war genau das, was als die zweite Säule der Ableitungen bei meinem Schreiben auf der Rückseite des Umschlags gebraucht wurde. Viel später erinnerte ich mich, wie glücklich ich damals gewesen bin: ich erkannte, dass der Massenfluss in der Kontinuitätsgleichung identisch mit der Dichte des Im-pulses in der REYNOLDSsche Form der Impulsgleichung ist. Folglich konnte diese Größe unmittel-bar aus beiden Gleichungen eliminiert werden, so dass sich die zweifache Zeitableitung der Dichte gleich der zweifachen Divergenz der Impulsflussdichte ergab. Es war für mich erregend, die Form der resultierenden Gleichung zu sehen: sie war vor allem linear! Die Dichteschwankungen (die ich eingangs als ein Nebenprodukt der turbulenten Strömung betrachtet hatte) genügten einer klassischen nichthomogenen Wellengleichung, bei der die rechte Seite (der Er-zeugungsterm) die doppelte Divergenz des Impulstransporttensors war. Dieser quadratische Term würde im Schallfeld selbst vernachlässigt werden können, er war nur im Hauptbereich der turbulenten Strömung von Bedeutung. Ich erkannte deshalb, dass die KIRCHHOFFsche Standardlösung der in-homogenen Wellengleichung als ein Integral über jenen Bereich niedergeschrieben werden konnte und dass sie in ihrer vereinfachten Fernfeldform den abgestrahlten Schall ergab. Obwohl ich im Rückblick froh bin, dass der ungestörte morgendliche Zeitraum mit der Möglichkeit des konzentrierten Nachdenkens diese Forschungen auslöste und gewiss die „rechte Spur zur rechten Zeit war“, ich bin gleichermaßen froh, dass ich nichts über diesen Gegenstand in den nächsten drei Jahren publizierte. Dieser lange Zeitraum ergab sich zum ausgedehnten sorgfältigen Nachdenken über die Grundlagen der Theorie, zu detaillierten Untersuchungen ihrer Auswirkungen, zur Dimensionsana-lyse, zu progressiven Vergleichen mit einem umfangreichen Material von experimentellen Daten und zum Versuch, meine Ideen in den Kontext einer sorgfältigen Untersuchung der Arbeiten der großen früheren Meister der akustischen Theorie, insbesondere STOKES und RAYLEIGH, zu stellen. In der Zwischenzeit lernte ich, wie verschiedene Aspekte der Darstellung der Theorie durch Auspro-bieren verbessert werden konnten, eine lange Folge alternativer Entwürfe der Theorie. Nach und nach wurde mir deutlich bewusst, welche Merkmale der Theorie wahrscheinlich von dauer-hafter Bedeutung sind; und ich formulierte diese in „On Sound Generated Aerodynamically“ (Proc. of the Royal Society A, 1952). Ich muss gestehen, dass ich, wenn ich diese Veröffentlichung drei Jahr-zehnte später lese, wünsche, dass ich die gleichen Anstrengungen in den Gestaltungsprozess aller mei-ner anderen publizierten Arbeiten gesteckt hätte. Die Arbeit wurde in der Hoffnung geschrieben, dass sie als eine gute Einführung zu einem Thema studiert werden könnte, das vorher noch nicht behandelt worden war, und ich glaube, dass dieses Kriterium noch heute zutrifft. ...... In der langen Zeit seither wurden Triebwerke mit immer größerem Schub für den zivilen Transport entwickelt, die ganz wesentlich durch die Dimensionsanalyse, die aus der „akustischen Analogie“ abgeleitet wurde, beeinflusst worden sind. Das fundamentale Gesetz der 8. Potenz für die Abhängig-keit der Schallenergie von der Strahlgeschwindigkeit, verglichen mit dem bekannten quadratischen Gesetz für die Abhängigkeit des Strahlschubes, war ein Hauptfaktor für die Entwicklungsrichtung, dass die Triebwerkshersteller für zivile Transportzwecke in den 60er Jahren jene Entwicklungstendenz einleiteten, dass der Schub mit Turbofantriebwerken von sehr großem Durchmesser und relativ niedri-gen Strahlgeschwindigkeiten erreicht wurde.“

Page 15: Stroemungsakustik - Koeltzsch

1

Über das Verbindende zwischen der

Strömungsmechanik und der Akustik

Peter Költzsch Institut für Akustik und Sprachkommunikation Fakultät Elektrotechnik Technische Universität Dresden

Vortrag zur 55. Sitzung der Klasse Technikwissenschaften der BBAW am 16. Februar 2001 Inhalt

• Strömungsmechanik – Strömungsakustik – Fluidschall-Akustik • Schallerzeugung durch Strömungen • Strahllärm, Fluglärm, Lärmminderung • Dimensionslose Größen, Ähnlichkeitskennzahlen

Abschnitt 1. Strömungsmechanik – Strömungsakustik – Fluidschall-Akustik Zwischen dem Fachgebiet der Strömungsmechanik und dem Fachgebiet der Akustik gibt es zahlreiche Wechselbeziehungen. Das Grenzgebiet zwischen beiden Wissenschaftsdisziplinen wird als das Fachgebiet der Strömungsakustik bezeichnet. Die physikalischen Erscheinungen, mit denen sich dieses Grenzgebiet zwischen der Strö-mungsmechanik und der Akustik befasst, sind

• die Schallerzeugung durch Strömungen, • die Erzeugung von Strömungen durch Schall (einschließlich der Schallbeeinflussung

von Strömungen), • die Wechselwirkungen zwischen Schall und Strömungen (ggf. und Strukturen) sowie • die Schallausbreitung in Strömungen.

Die Phänomene der Strömungsmechanik, der Strömungsakustik und der „Fluidschall-Akustik“ (so benannt im Gegensatz zur „Körperschall-Akustik“) werden von denselben physikalischen Gleichungen beschrieben, und zwar durch die Erhaltungsgleichungen für

• die Masse (Kontinuitätsgleichung), • den Impuls (Bewegungsgleichung) und • die Energie (1. Hauptsatz der Thermodynamik, Wärmetransportgleichung)

sowie durch eine spezielle Zustandsgleichung aus der Thermodynamik. In diesem Sinne ist die Fluidschall-Akustik nichts anderes als eine Beschreibung instationärer Strömungsvorgänge, da die genannten Grundgleichungen in ihrer „akustischen Form“ lediglich

Page 16: Stroemungsakustik - Koeltzsch

2

Spezialfälle der entsprechenden allgemeineren Grundgleichungen der Fluidmechanik bzw. der Thermodynamik sind. Wenn man heute ein modernes Lehrbuch der Fluidmechanik oder der Akustik aufschlägt, dann sind jeweils umfangreiche Abschnitte zu den gemeinsamen Grundlagen enthalten; außerdem beschäftigen sich Teilabschnitte mit dem fluidmechanischen Phänomen "Schall" bzw. mit der Schallquelle "Strömung" und den Wechselwirkungen zwischen Schall und Strömung, z.B. L. D. Landau/E. M. Lifschitz "Hydrodynamik" (5. Aufl.) 1991 W. Greiner/H. Stock "Hydrodynamik" (4. Aufl.) 1991 A. D. Pierce "Acoustics" 1991 D. G. Crighton, M. Heckl u.a. "Modern Methods in Analytical Acoustics" 1992 M. Heckl/W. Müller "Taschenbuch der Technischen Akustik" (2. Aufl.) 1993 V. A. Krasilnikov/V. V. Krylov "Einführung in die physikalische Akustik" 1984; im Bereich der nichtlinearen Akustik (mit starkem Bezug zur Strömungsmechanik): L. K. Zarembo/V. A. Krasilnikov "Einführung in die nichtlineare Akustik" 1966 O. V. Rudenko/S. I. Solujan "Theoretische Grundlagen der nichtlinearen Akustik" 1975 M. F. Hamilton/D. T. Blackstock „Nonlinear Acoustics“ 1998; schließlich Fachbücher direkt zum Grenzgebiet zwischen der Fluidmechanik und der Akustik, z. B. M. E. Goldstein "Aeroacoustics" 1976 M. J. Lighthill "Waves in Fluids" 1978 A. G. Munin u.a. "Aerodynamische Lärmquellen“ 1981 W. K. Blake "Mechanics of Flow-Induced Sound and Vibration" (Vol.1, 2) 1986 H. H. Hubbard „Aeroacoustics of Flight Vehicles: Theory and Practice 1991 J. C. Hardin/M. Y. Hussaini (eds.) "Computational Aeroacoustics" 1993 M. S. Howe „Acoustics of Fluid-Structure Interactions“ 1998 Nunmehr einige Historische Aspekte der Verbindung zwischen der Strö-mungsmechanik und der Akustik: Betrachtet werden 3 Zeiträume: Erstens: Die Verbindung zwischen der Strömungsmechanik und der Akustik vor 1900 Die Verbindung zwischen der Strömungsmechanik und der Akustik ist auch aus historischen Gründen von Interesse, denn die Wissenschaft der Fluidschall-Akustik hat sich im 18. und 19. Jahrhundert aus der Fluidmechanik entwickelt, verbunden mit den Namen von - I. Newton "Principia" 1686 (Beginn der Theorie der Schallausbreitung) - L. Euler "General Principles of the Motion of Fluids" 1755,

"On the Propagation of Sound" 1759, "Continuation of the Researches on the Propagation of Sound" 1759

- J. L. Lagrange "New Researches on the Nature and Propagation of Sound" 1759 - S. D. Poisson "Memoir on the Theory of Sound" 1808 - P. S. Laplace "On the Velocity of Sound through Air and through Water" 1816 - G. G. Stokes "An Examination of the Possible Effect of Radiation of Heat on the Pro-

pagation of Sound" 1851 - G. Kirchhoff "On the Influence of Heat Conduction in a Gas on Sound Propagation"

Page 17: Stroemungsakustik - Koeltzsch

3

1868 "Vorlesungen über mathematische Physik: Mechanik" (2nd ed.) 1877

- O. Reynolds "On the Refraction of Sound by the Atmosphere" 1874 - H. Helmholtz "Theorie der Luftschwingungen in Röhren mit offenen Enden" 1860,

"On the Influence of Friction in the Air on Sound Motion" 1863, "On the Sensations of Tone" 1885

- H. Lamb "Hydrodynamics" 1879 - J. W. Strutt/Lord Rayleigh "The Theory of Sound", Vol. 1: 1877, Vol. 2: 1878 Weitere Entwicklung der Akustik: Die Akustik hat sich im 19. und 20. Jahrhundert auf vielen Teilgebieten rasant zu einem selb-ständigen Fachgebiet innerhalb der Physik und parallel zur Fluidmechanik entwickelt, insbe-sondere auf den Gebieten

• Physiologische Akustik • Psychoakustik • Physikalische Akustik • Ultraschall • Körperschall, Strukturakustik, Bauakustik • Lärm, Lärmminderung • Raumakustik, Beschallungstechnik • Elektroakustik • Musikalische Akustik • Sprachakustik • Signalverarbeitung und Messtechnik u. a. Teilgebiete.

Seit den 40er bis 50er Jahren des 20. Jahrhunderts sind in der Akustik, stark grundlagenorien-tiert, viele Probleme erkannt und bearbeitet worden, die einen starken Bezug zur Strömungsme-chanik erkennen lassen bzw. sind sie direkt von strömungsmechanischer Seite aus als Grundla-genprobleme aufgedeckt und behandelt worden: Zum Beispiel:

• Erzeugung von Schall durch Strömungen • Wechselwirkungen zwischen Schall und Strömung, • Schall und Turbulenz • Akustische Technologien (Beschallung von verfahrenstechnischen Prozessen) • Stoßwellen, Nichtlineare akustische Phänomene

Zu dieser Entwicklung schrieb D. G. CRIGHTON 1981, dass sozusagen die „Fluidschall“-Akustik mit ihrem Teilgebiet Strömungsakustik auf einem qualitativ hohen Niveau zur Strö-mungsmechanik zurückgekehrt ist und in den letzten Jahrzehnten - und anhaltend - gleicherma-ßen intensiv von akustischer und strömungsmechanischer Seite aus bearbeitet wird. Die Institu-tionalisierung dieses Fachgebietes erfolgt an den Universitäten und Hochschulen in unter-schiedlicher Zuordnung, und zwar entweder direkt in den universitären Lehrstühlen der Techni-sche Akustik oder der Strömungsmechanik, aber auch in den universitären Fachgebieten der Luftfahrttechnik, der Verkehrstechnik, der Strömungsmaschinen oder direkt in der Physik. Ein zweiter Zeitraum:

Page 18: Stroemungsakustik - Koeltzsch

4

Die Verbindung zwischen der Strömungsmechanik und der Akustik in den 50er bis 80er Jahren des 20. Jahrhunderts Das „Goldene Zeitalter der Aeroakustik“ Wie LIGHTHILL 1992 schrieb, begann das erste Goldene Zeitalter der Aeroakustik in den spä-ten vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts (und reichte in etwa bis in die Mitte der siebziger Jah-re). Ausgangspunkt war einerseits die Erkenntnis, dass die enorm großen Lärmpegel der kleinen militärischen Strahlflugzeuge stark reduziert werden müssen, wenn die Nutzung von viel größe-ren Strahlflugzeugen für den zivilen Luftverkehr von der Öffentlichkeit toleriert werden soll. Dies führte in England zu organisierten Forschungsaktivitäten an verschiedenen Universitäten (u. a. Manchester, Southampton) in Zusammenarbeit mit Rolls Royce und in Abstimmung mit parallel laufenden Aktivitäten in den USA. Andererseits waren in diesem Zeitraum um die Mitte des 20. Jahrhunderts, vorrangig begründet durch den zweiten Weltkrieg und die damit verbundenen militärischen Forschungen und Ent-wicklungen, auf dem Gebiet der Aerodynamik und der Akustik Erkenntnisse herangereift, die die intensive strömungsakustische Forschung stark begünstigten. Dazu zählen insbesondere die Arbeiten zum Propeller- und Ventilatorenlärm (GUTIN, DEMING, ERNSTHAUSEN, JUDIN, BLOCHINCEV u. a.), zur Theorie der Turbulenz (z. B. die Arbeiten zum Energiespektrum der Turbulenz von A. N. KOLMOGOROV und A. M. OBUKHOV im Jahre 1941 sowie von v. WEIZSÄCKER) und zur Schallausbreitung in inhomogenen, bewegten Medien (D. I. BLO-CHINCEV 1945/46). Die Grundlagen zur Lösung des Problems der Schallerzeugung durch Strömungen wurden von dem englischen Mathematiker M. J. LIGHTHILL mit seinen beiden berühmten Veröffentli-chungen zum Strahllärm „On Sound Generated Aerodynamically“ aus den Jahren 1952 und 1954 geschaffen, die das Verfahren der sog. akustischen Analogie begründeten. Vielleicht war es - so wurde später dazu geschrieben - die glänzendste Idee bei der „akustischen Analogie“, das „neue“ Problem des aerodynamischen Lärms auf das „alte“ Problem des Lösens der klassi-schen Wellengleichung mit Quellen zu reduzieren, und zwar durch das Ersetzen der Strömung durch die klassischen akustischen Multipole und die Anwendung des klassischen KIRCH-HOFF-Integrals auf die Lösung der Wellengleichung. Bedeutungsvolle Arbeiten zur Weiterentwicklung der akustischen Analogie sind die folgenden: 1955 N. Curle: The influence of solid boundaries upon aerodynamic sound 1959 H. S. Ribner: Aerodynamic sound from fluid dilatations. New theory of jet noise genera-

tion, directionality, and spectra 1960 O. M. Phillips: On the generation of sound by supersonic turbulent shear layers 1963 J. E. Ffowcs Williams: The noise from turbulence convected at high speed 1964 A. Powell: Theory of vortex sound 1969 J. E. Ffowcs Williams and D. L. Hawkings: Sound generation by turbulence and

surfaces in arbitrary motion 1969 D. G. Crighton and J. E. Ffowcs Williams: Sound generation by turbulent two-phase

flow 1973 G. M. Lilley: On the noise from air jets 1975 M. S. Howe: Contributions to the theory of aerodynamic sound, with application to ex-

cess jet noise and the theory of the flute 1978 W. Möhring: On vortex sound at low Mach number 1998 P. E. Doak: Fluctuating total enthalpy as a generalized acoustic field. Und schließlich ein dritter Zeitraum:

Page 19: Stroemungsakustik - Koeltzsch

5

Die Verbindung zwischen der Strömungsmechanik und der Akustik in den 90er Jahren Ende der 80er und mit Beginn der 90er Jahre wurden auf mehreren, für die Aeroakustik rele-vanten Gebieten erhebliche Erkenntnisfortschritte erreicht, insbesondere im Bereich der Mess-verfahren, der Gerätetechnik und der Versuchsanlagen sowie im Bereich der Theorienentwick-lung und der numerischen Verfahren. Über die Gründe für diesen Erkenntnisschub können fol-gende Aspekte aufgeführt werden (siehe auch A. D. PIERCE 1992): • Die Entwicklung in den drei Fachdisziplinen

- Strömungsakustik (physikalische Grundlagen, Theorie, experimentelle Ergebnisse), - Numerische Strömungsmechanik, die Computational Fluid Dynamics CFD (einschließ-

lich der Computational Physics, Computational Mechanics, Computational Acoustics) sowie

- Turbulenz und Strömungsinstabilitäten hatte Anfang der 90er Jahre zu einem hohen disziplinären Niveau geführt, das im interdis-ziplinären Kontext nach neuen Anbindungen und Forschungsproblemen gesucht hat.

• Das gewaltige Anwachsen der Leistungsfähigkeit der Computer ließ die Schwelle überwin-den, ab welcher numerische Simulationen für aeroakustische Vorgänge möglich wurden.

• Die Simulationen turbulenter Strömungen (LES u. a. m.) hatten zu beeindruckenden Er-kenntnisfortschritten in der Turbulenz geführt.

• Numerische Verfahren standen in gut entwickelter bis hin zu ausgereifter Form in der Com-putational Fluid Dynamics (CFD) zur Verfügung.

• Schließlich wurden erhebliche Fortschritte in der Aufklärung der Instabilitätsmechanismen erreicht, die für die Schallerzeugung durch Strömungen eine bedeutungsvolle Rolle spielen.

Durch diese Entwicklungen seit Anfang der 90er Jahre machte die Computational Aero-acoustics große Fortschritte. Forschergruppen in aller Welt (insbesondere USA, Frankreich, Großbritannien, Deutschland) haben mehrere, sehr unterschiedliche Bearbeitungsstrategien entwickelt, die insbesondere die Ankopplung der Akustik an die Fluidmechanik, d. h. des Schallfeldes an das Strömungsfeld, zum Ausdruck bringen. Dieser gewaltige Aufschwung, den die Aeroakustik in den 90er Jahren durch die o. g. Aspekte genommen hat, veranlasste 1992 den Begründer der Aeroakustik, den inzwischen geadelten Sir James LIGHTHILL, von der Möglichkeit eines zweiten Goldenen Zeitalters der Aeroakustik, der Verbindung zwischen der Strömungsmechanik und der Akustik, zu sprechen. Abschnitt 2. Schallerzeugung durch Strömungen Alle strömungsakustischen Probleme werden durch die kompressiblen NAVIER-STOKES-Gleichungen beschrieben, gemeinsam mit den Erhaltungsgleichungen für die Masse (Kontinui-tätsgleichung) und die Energie, die Zustandsgleichung und mit geeigneten Randbedingungen. Das allgemeine Charakteristikum für die Modellierung der strömungsmechanischen Schaller-zeugung ist,

- dass im direkten Strömungsbereich die vollständigen Strömungsgleichungen gelten, - dass aber genügend weit entfernt vom direkten Strömungsgebiet die Schwankungsgrö-

ßen so weit abgefallen sind, dass sie durch linearisierte Strömungsgleichungen be-schrieben werden können; das ist dann der reine Schallfeldbereich, für den die normale Wellengleichung gilt;

Page 20: Stroemungsakustik - Koeltzsch

6

Gegenwärtig sind folgende Verfahren der exakten wissenschaftlichen Behandlung für den phy-sikalischen Vorgang der Schallerzeugung durch Strömungen bekannt. Die Übersicht in diesem Bild zeigt sehr deutlich das Verbindende zwischen der Strö-mungsmechanik und der Akustik.

• Verfahren der direkten Berechnung des strömungsverursachten Schallfeldes Das Problem wird durch numerische Simulation der instationären, kompressiblen Strö-mungsgleichungen im Quellbereich (Strömung) und gleichzeitig im akustischen Fern-feld gelöst. Das ist bisher weitestgehend eine Vision, insbesondere durch die Disparitä-ten der charakteristischen Linearabmessungen und der Energien beider Vorgänge sowie durch die begrenzten Leistungsfähigkeiten der Computer.

• Deshalb werden gegenwärtig weitestgehend Hybridverfahren praktiziert:

- Aeroakustische Analogie - KIRCHHOFF-HELMHOLTZ-Integral (FOURIER-HANKEL-Integral) - Matching-Verfahren, z. B. „Matched Asymptotic Expansion“ (MAE) - Energiekonzept der Strömungsakustik

LIGHTHILL-Analogie Berechnung des Fernfeldes mit einer akustischen Analogie Dieses Verfahren ist 1952 in der Publikation „On sound generated aerodynamically“ von M. J. LIGHTHILL entwickelt und dargestellt worden.

„Die Publikation von LIGHTHILL im Jahre 1952 muss retrospektiv als ein epochales Ereignis betrachtet werden. Keine andere Veröffentlichung in der Geschichte der Akustik ist so umfassend zitiert worden.“ (nach PIERCE 1992, in [20]) „Die Arbeit von LIGHTHILL 1952 ist die meist zitierte Publikation in der Akustik, sie ist unzweifelhaft eine der bestgeschriebenen wissenschaftlichen Arbeiten.“ (nach FARAS-SAT/BRENTNER 1998 [13]) „Die Arbeit von LIGHTHILL über die Theorie des aerodynamisch erzeugten Lärms (1952) ist der wichtigste Fortschritt in der Akustik seit den Arbeiten von Lord RAY-LEIGH.“ (nach LILLEY 1999 [39])

Grundgleichungen der Strömungsmechanik und der Akustik

Ausgangspunkt für die Berechnungen sind die Grundgleichungen der Fluidmechanik:

Page 21: Stroemungsakustik - Koeltzsch

7

Kontinuitätsgleichung Masse-Kontinuitätsgleichung, Satz von der Erhaltung der Masse

( )i

i

Mt x

∂ ρ∂ρ∂ ∂

+ = &v

Im Gleichgewicht stehen: • die zeitliche Änderung der Masse (je Volumen) innerhalb des Volumens • die Divergenz der Massestromdichte • die Massequelldichte (bzw. -senkendichte) Bewegungsgleichung EULER-Gleichung (reibungsfrei), NAVIER-STOKES-Gleichung (reibungsbehaftet, NEWTON-Fluid), 2. NEWTONsches Axiom, Satz von der Erhaltung des Impulses

( )

( ) ( )

( ) ( )

und in der Reynoldsschen Form:

i ij i ij ij

j j

iji i i

j j

i ij ij

F pt x x

pF M

t x x

p F Mt x

∂ ∂ ∂ρ ρ ρ δ τ∂ ∂

∂∂ ∂ρ ρ ρ∂ ∂ ∂∂ ∂ρ ρ ρ

+ = − −∂

+ = + −

+ + = +∂

&

&

i j

i j i

v vv

v v v v

v v v v

In der letztgenannten Form, der Impuls-Kontinuitätsgleichung, stehen im Gleichgewicht: • die zeitliche Änderung der Impulsdichte (Impuls je Volumen) • die Divergenz der Impulsstromdichte • der Gradient des Drucktensors (Normaldrücke und viskose Spannungen) • äußere Kräfte (je Volumen) • der Impulsfluss (je Volumen) durch die Massequelldichte (bzw. -senkendichte) Zustandsgleichung ρρρρ(p) 1. Hauptsatz der Thermodynamik, Satz von der Erhaltung der Energie Aus dem 1. Hauptsatz der Thermodynamik folgt für die Dichte-Druck-Relation

dscc

dpdp

ρρ −= 2

und bei isentroper Zustandsänderung

2dpdc

ρ = .

Homogene Wellengleichung der linearen Akustik (ruhendes Fluid)

Page 22: Stroemungsakustik - Koeltzsch

8

Werden auf diese 3 Grundgleichungen der Fluidmechanik die Voraussetzungen für das lineare Schallfeld ohne Quellen angewandt, so entsteht die akustische Form der strömungsmechani-schen Grundgleichungen:

ngndsgleichu Zusta

leichungBewegungsg 0

gtsgleichunKontinuitä 0

2cpxp

t

xt

x

x

=′′

=′

+′

=′

+′

ρ

∂∂

∂∂ρ

∂∂ρ

∂ρ∂

v

v

Die als klein vorausgesetzten Schwankungsgrößen p', ρ', v'x sind im akustischen Sprachgebrauch der Schalldruck p, die "Schalldichte" ρ (akustische Dichteschwankungen), die Schallschnelle vx. Hier eingefügt: Ein weiterer Aspekt des Verbindenden zwischen der Strömungsmechanik und der Akustik: Werden die Grundgleichungen der Fluidmechanik in dimensionsloser Form angeschrieben, so können mit geeigneten Störansätzen für die physikalischen Größen (wie z. B. Druck, Ge-schwindigkeit, Dichte usw.) in Form einer Reihe und einem geeignet definierten Störungspara-meter (MACH-Zahl bzw. akustische MACH-Zahl) hierarchische Gleichungssysteme entwickelt werden. Diese werden nach Termen der Größenordnung MaN geordnet. Dabei wird das Gleichungssystem der jeweils niedrigeren Ordnung nur unwesentlich von dem der höheren Ordnung beeinflusst, dagegen das der höheren Ordnung ganz wesentlich von dem der niedrigeren Ordnung. Die Anwendung der Störungsrechnung auf die strömungsmechanischen Grundgleichungen er-gibt, dass unter bestimmten Voraussetzungen die akustischen Gleichungen als eine erste Stö-rung der strömungsmechanischen Gleichungen betrachtet werden können. Es zeigt sich, dass einerseits die Rückwirkung der Schallwelle auf das Strömungsfeld vernachlässigt werden kann und dass andererseits das Strömungsfeld erheblich auf das Schallfeld einwirkt. Die hierarchischen Gleichungssysteme ermöglichen auch eine Darstellungsform, in der mit einer hinzukommenden weiteren Größenordnung in der Reihenentwicklung des Störansatzes nichtlinearer Effekte bei der Schallausbreitung berücksichtigt werden können. Das Verbindende zwischen der Strömungsmechanik und der Akustik lässt sich also auch so ausdrücken, dass die Akustik die erste Störungsnäherung der Strömungsmechanik darstellt. Zurück zu den akustischen Grundgleichungen: Mit Hilfe der Rechenoperation

∂∂

∂∂t

Kontinuitätsgleichungx

Bewegungsgleichung( ) ( )−

ergibt sich aus den drei akustischen Grundgleichungen die Wellengleichung (homogen, d. h. lineare Akustik) für den Schalldruck:

Page 23: Stroemungsakustik - Koeltzsch

9

012

2

2

2

2 =−xp

tp

c ∂∂

∂∂

Die Wellengleichung der Akustik in homogener Form beschreibt die Raum-Zeit-Abhängig-keit kleiner Druckschwankungen (bzw. Dichte- oder Geschwindigkeitsschwankungen) in einem ruhenden Fluid (sogenanntes akustisches Fluid). Inhomogene Wellengleichung, LIGHTHILLsche Analogie Die o g. Rechenoperation

∂∂

∂∂t

Kontinuitätsgleichungx

Bewegungsgleichungi

( ) ( )−

wird nunmehr auf die beiden Grundgleichungen (Kontinuitätsgleichung und Bewegungsglei-chung) in ihrer allgemeinen Form angewandt. Durch Eliminieren des Termes ρvi (das ist die Masseflussdichte in der Kontinuitätsglei-chung bzw. die Impulsdichte in der Bewegungsgleichung) erhält man

( ) ( )2 2

2 i i iji i j

M F M pt t x x x

∂ ρ ∂ ∂ ∂ρ ρ∂ ∂ ∂ ∂ ∂

= − + + +&

&i jv v v

bzw. mit Ergänzung des Terms 2

220

ixc

∂∂− ρ auf beiden Seiten der Gleichung

( ) ( )2 2 2

2 20 02 2

ij

i i ij iji i i j

TLIGHTHILL Tensor

mc F M p c qt x t x x x

∂ ρ ∂ ρ ∂ ∂ ∂ρ ρ ρδ∂ ∂ ∂ ∂ ∂

− = − + + + − =∂

& &14444244443i jv v v

Das ist die inhomogene Wellengleichung der Strömungsakustik (LIGHTHILL 1952). Mit dieser Wellengleichung wird die instationäre Strömung durch eine Volumenverteilung von äquivalenten akustischen Quellen ersetzt. Diese werden in ein gleichförmiges Medium einge-bettet, das selbst ruht, in dem sich aber die Quellen bewegen können. Damit ist das Problem der Schallerzeugung durch Strömungen auf ein klassisches Problem der Akustik zurückgeführt; diese Vorgehensweise wird deshalb als akustische Analogie, heute meist als die LIGHTHILLsche Analogie, bezeichnet. Die drei Terme des Quellgliedes der inhomogenen Wellengleichung

{

( )2

i i iji i j

Monopol Dipol Quadrupol

Mq F Tt x x x

ρ∂ ∂ ∂= − + +∂ ∂ ∂ ∂

&&

1442443 14243

Mv

unterscheiden sich prinzipiell voneinander:

Mt

∂∂

& Die zeitliche Änderung des Massenflusses (je Volumen) ist einer

Monopolquelle der klassischen Akustik äquivalent.

Page 24: Stroemungsakustik - Koeltzsch

10

( )i ii

F Mx∂− +

∂&v Ein Feld von Wechselkräften (je Volumen) ist einer Dipolquelle

der klassischen Akustik äquivalent.

ji

ij

xxT∂∂

∂2

Ein Feld von Wechselspannungen und Druckschwankungen

(je Volumen) ist in freien Strömungen einer Quadrupolquelle der klassischen Akustik äquivalent.

Die inhomogene Wellengleichung kann mit Hilfe der erweiterten KIRCHHOFFschen Bezie-hung in folgende Integralgleichung für den Schalldruck am Aufpunkt umgeformt werden:

( )

( ) ( )

( )2

( )1 1,4 4

1 14 4

14

ii i

V S

i i i j ij ji iV S

iji j V

Mp x t dV n dSr t r t

F M dV p n dSx r x r

T dVx x r

ττ

ττ

τ

ρπ π

ρπ π

π

∂∂ = − ∂ ∂ ∂ ∂− + + +

∂ ∂

∂+∂ ∂

∫ ∫

∫ ∫

&

&

v

v v v

Der Schalldruck am Aufpunkt wird

- erstens durch Monopolquellen verursacht, die durch die zeitliche Änderung eines Mas-senflusses gegeben sind;

- zweitens durch Dipolquellen verursacht, die durch Wechselkräfte gegeben sind; - drittens durch Quadrupolquellen verursacht, die durch strömungsmechanische Wechsel-

spannungen und Druckschwankungen gegeben sind. Hinweis: Bei LIGHTHILL wird in diesem Zusammenhang auf die Theorie der elektromagneti-schen Wellen Bezug genommen:

! STRATTON, J. A.: Electromagnetic theory. McGraw-Hill Book Co., New York 1941

Physikalisch interpretiert stehen in der o. g. Integralbeziehung folgende grundlegende Mecha-nismen der Schallerzeugung:

• die äußeren Masseflussschwankungen und das äußere, ungleichförmige Kraftfeld, • die Schwankungen im konvektiven Impulstransfer (Impulsstromdichteschwankungen), • die Schwankungen der viskosen Spannungen, der Normalspannungen bzw. der Drücke, • die Entropieschwankungen in der Strömung (bei Einbeziehen von Vorgängen der

Verbrennung, des Wärmeübergangs, der Kondensation u. a.).

Page 25: Stroemungsakustik - Koeltzsch

11

Abschnitt 3. Strahllärm, Fluglärm, Lärmminderung Aus der LIGHTHILLschen Analogie in der Form der Integraldarstellung des Strahllärms kann, auch wenn die Details des instationären Quellfeldes (turbulente Strahlströmung) nicht bekannt sind, durch Dimensionsanalyse eine wichtige Aussage zur Lärmminderung abgeleitet werden. Ausgangspunkt: inhomogene Wellengleichung Annahmen: Vorherrschen der Quadrupolquellen, inkompressibles Fluid

22 2

202 2

ij

i i j

Tc

t x x x∂∂ ρ ∂ ρ

∂ ∂ ∂ ∂− = mit: jiijT vv0ρ≈

Daraus folgt

∫ −

−−

∂∂∂=

V qiio

qiiqiij

jii dV

xxc

cxx

txT

xxtx

2

02

4

,

),(π

ρ

bzw. mit strömungsmechanischen und akustischen Näherungen ergibt sich für die ins Fernfeld abgestrahlte Schallleistung 28~ DMaP (siehe Originalarbeiten von M. J. LIGHTHILL 1952/1954). Der Umsetzungsgrad akη als das Verhältnis der abgestrahlten Schallleistung zur mechanischen Strömungsleistung des Strahls ergibt sich daraus zu

5~schallak

mech

P MaP

η = .

Die vom Freistrahl insgesamt ins Fernfeld abgestrahlte Schallleistung ist also ein um mehrere Größenordnungen kleinerer Anteil des mechanischen Energieflusses der Strömung. Aus dieser Unterschiedlichkeit der Energien beider Felder (Strömungsfeld, Schallfeld) ist eines der wesentlichen Probleme der numerischen Vorausberechnung des aerodynamischen Lärms des Freistrahls (von freier Turbulenz), insbesondere bei kleinen MACH-Zahlen, erkennbar. Bei einer Strömung mit Ma = 0,1 wird eine Genauigkeit von mindestens 10-9 benötigt. Wird diese nicht erreicht, so äußern sich die Ungenauigkeiten der numerischen Berechnung als „numeri-scher Lärm“. Praktische Anwendung: Fluglärm/Lärmminderung bei Flugzeugen Strömungsmechanische Schallerzeugung, vorwiegend bei Luftfahrzeugen

• Strahllärm # Strahlmischungslärm

Page 26: Stroemungsakustik - Koeltzsch

12

# Überschallstrahl • Schallerzeugung bei Rotoren:

Propeller, Hubschrauberrotor, Triebwerksfan, Turbomaschinen, Ventilatoren • Umströmungslärm

bei Flugzeugen: - Fahrwerke - Vorflügel - Klappenseitenkante - Flügelspitze - Wechselwirkung: Fahrwerk/Klappe

• Thermoakustische Phänomene - Verbrennungsinstabilitäten - Brennkammerlärm, am Turbinenaustritt, an der Schubdüse - Nachbrenner

Lärmminderung Schubdüse, Strahlaustritt, Bypassverhältnis: [Das Bypass-Verhältnis (Nebenstromverhältnis) ist das Verhältnis des äußeren Massendurch-satzes zum inneren Massendurchsatz bei einem Flugzeugtriebwerk.] Hinsichtlich der Lärmminderung sind bei einem Flugzeugtriebwerk folgende Proportionalitäten von entscheidender Bedeutung. Die abgestrahlte Schallleistung ist proportional zur 8. Potenz der mittleren Strahlgeschwindigkeit und direkt proportional zur Querschnittsfläche des Düsen-strahls; der Strahlschub dagegen zeigt eine Proportionalität zur 2. Potenz der Strahlgeschwin-digkeit und auch die direkte Proportionalität zur Querschnittsfläche. Es ist also unter Gesichtspunkten des Lärms viel günstiger, den Strahlschub mit einer großen Querschnittsfläche des Düsenstrahls und einer geringen Strahlgeschwindigkeit zu realisieren. Deshalb zeigt sich die Tendenz der Flugzeugtriebwerksentwicklung in den letzten Jahrzehnten, den erforderlichen Strahlschub mit einem Triebwerk größeren Durchmessers, d. h. mit anwach-sendem Bypass-Verhältnis zu erreichen. Modernste Triebwerke von Pratt & Whitney verfügen über Nebenstromverhältnisse von >10 sowie über einen getriebeuntersetzten Fan, so dass neben der Absenkung der mittleren Strahl-geschwindigkeit zusätzlich die Blattspitzengeschwindigkeit des Fan und damit der tonale Fan-lärm maßgeblich vermindert werden konnten. Zum Umströmungslärm der Flugzeugkomponenten: Mit Hilfe der Multimikrofonmethode (Mikrofonarrays) zur Schallquellenlokalisierung (U. MI-CHEL) konnte der Lärm der zahlreichen Schallquellen am Flugzeug beim Landeanflug gut identifiziert und gewichtet werden, z. B. Klappenseitenkantenwirbel, Flügelspitzenwirbel, Schallerzeugung durch Vorflügel, Fahrwerks-Umströmungslärm, strömungsakustische Wech-selwirkung zwischen Fahrwerk und Tragflügelklappen. Aus diesen Ergebnissen wurden Aufga-benstellungen für die prinzipielle Aufklärung der entsprechenden physikalischen Mechanismen der Schallerzeugung, deren numerischen Simulation sowie der lärmoptimalen Gestaltung in der Auslegungs- und Konstruktionsphase des Flugzeugs abgeleitet.

Page 27: Stroemungsakustik - Koeltzsch

13

Zielstellungen für die Lärmminderung Die Geräuschemission von Flugzeugen ist in den letzten 40 Jahren um etwa 25 dB, in den letz-ten 10 Jahren um etwa 6 dB vermindert worden. Diese Minderung bezieht sich weitestgehend auf die Reduzierung des Triebwerkslärms. Für die Minderung des Fluglärms werden folgende Zielgrößen diskutiert: • Pegelminderung von zukünftigen Flugzeugen um etwa 10 dB innerhalb von 10 Jahren und

um 20 dB innerhalb von 25 Jahren, jeweils gegenüber Flugzeugen, die 1997 in Betrieb ge-nommen worden sind.

• Zukünftige Anstrengungen werden gleichartige Lärmminderungen für die Teilquellen Strahllärm, Fanlärm und Umströmungslärm erfordern.

Abschnitt 4. Dimensionslose Größen, Ähnlichkeitskennzahlen Dimensionslose Größen, auch als Ähnlichkeitskennzahlen verwendet, spielen in vielen Berei-chen der Technik und Naturwissenschaften eine große Rolle. Im verbindenden Fachgebiet zwi-schen der Strömungsmechanik und der Akustik sind die im Folgenden aufgeführten dimensi-onslosen Größenkombinationen von besonderer Bedeutung:

die HELMHOLTZ-Zahl clflHe ==

λ

die STROUHAL-Zahl v

lfSr =

die REYNOLDS-Zahl ν

lRe v=

die MACH-Zahl c

Ma v=

die EULER-Zahl 2vρpEu ∆=

Einige dieser dimensionslosen Größen können in bestimmten Anwendungsfällen auch mit akustischen Größen geschrieben werden, z. B. die akustische Mach-Zahl Maak und die akusti-sche Reynolds-Zahl Reak. Der Anwendungsbereich dieser Ähnlichkeitskennzahlen wird meist # in der Auslegung gegenständlicher Modelle gesehen, im Fachgebiet der Strömungs-

akustik z. B. Modelle von Schalldämpfern, Strömungsmaschinen, umströmten Schau-feln und Tragflügeln, Hubschrauberrotoren u. a. m.

Für die Modellierung gibt es 5 allgemeine Grundregeln. Auf sie soll hier hingewiesen werden, da sie so häufig vergessen werden. Sie gelten übrigens für jede Art von Modellen und für alle Fachgebiete, die mit Modellen arbeiten!!

Page 28: Stroemungsakustik - Koeltzsch

14

The five „DON’Ts“ of modeling: 1. Don't believe that the model is the reality. 2. Don't extrapolate beyond the region of fit. 3. Don't distort reality to fit the model. 4. Don't retain a discredited model. 5. Don't fall in love with your model.

[S. W. GOLOMB, in: Simulation 14 (1970)] Für die Akustik ist die HELMHOLTZ-Zahl als Ähnlichkeitskennzahl von entscheidender Be-deutung, für die Strömungsakustik kommen zusätzlich die eingangs genannten strömungsme-chanischen Kennzahlen dazu. Hinsichtlich der rechentechnischen Alternative zu den Modellmessungen, also die Vision des aeroakustischen numerischen Windkanals, muss angemerkt werden, dass Berechnungen bei realen Re-Zahlen (Originalausführungen) für technische Strömungsprobleme, insbesondere auch in der Luftfahrt, gegenwärtig nicht möglich sind. Zur Anwendung von Ähnlichkeitskennzahlen in der Strömungsmechanik und in der Akustik, und zwar Trennung von physikalischen Wirkungsberei-chen Es ist bekannt, dass mit Ähnlichkeitskennzahlen unterschiedliche Bereiche physikalischer Wir-kungen voneinander getrennt werden können. Die MACH-Zahl in der Strömungsmechanik Ein klassisches Beispiel hierzu ist die Einteilung von Strömungen mit Hilfe der MACH-Zahl.

Ma << 1, < 1, ≈≈≈≈ 1, > 1 und >>1

Ma << 1 hydrodynamische Strömung ⇒ inkompressibel

Ma < 1 Unterschallströmung

subsonische Strömung Ma ≈ 1 schallnahe Strömung transsonische Strömung

⇒ kompressibel Ma > 1 Überschallströmung supersonische Strömung Ma >> 1 Hyperschallströmung hypersonische Strömung In der Akustik erweist sich - in einer ähnlichen Weise wie die MACH-Zahl in der Strö-mungsmechanik - die HELMHOLTZ-Zahl als ein ordnendes Kriterium, und zwar bei Vor-gängen der Schallanregung, der Schallabstrahlung und der Schallausbreitung. Ordnungsprinzip (analog zur MACH-Zahl in der Strömungsmechanik):

Page 29: Stroemungsakustik - Koeltzsch

15

He << 1: ⇒⇒⇒⇒ schlechte Schallabstrahlung bzw. Schallanregung

• Kugelstrahler 2πR << λ • Festkörper-Stoßvorgänge V1/3 << c⋅∆t • Druckmoden bei freien Rotoren (Propeller) λp << λ • Körperschallanregung von Platten

durch verwirbelte Strömungen L << λB He < 1: ⇒⇒⇒⇒ (theoretisch) keine Schallabstrahlung,

keine Schallausbreitung • Platten mit Biegewellen λB < λ • Exponentialtrichter 2πLe < λ • Druckmoden im zylindrischen oder

ringförmigen Kanal λp < λ He > 1: ⇒⇒⇒⇒ Schallabstrahlung, Schallausbreitung möglich

• Platten mit Biegewellen λB > λ • Exponentialtrichter 2πLe > λ • Druckmoden im zylindrischen oder

ringförmigen Kanal λp > λ He >> 1: ⇒⇒⇒⇒ ausgezeichnete Schallabstrahlung und Schallausbreitung Dass diese Betrachtungen sehr praktische Anwendungen haben, wird im ! Bild: Einfluss der HELMHOLTZ-Zahl auf die Schallabstrahlung von axialen Strö-

mungsmaschinen dargestellt. Für He ≈ 1 zeigt sich eine gravierende Scheide zwischen einer sehr schlechten und einer sehr guten Schallabstrahlung! Zusammenfassung Die Phänomene der Strömungsmechanik, der Strömungsakustik und der „Fluidschall-Akustik“ werden von denselben physikalischen Gleichungen beschrieben. Die Akustik beschreibt instationäre Strömungsvorgänge; sie kann auch als erste Störung aus den strömungsmechanischen Grundgleichungen extrahiert werden. Das Verbindende zwischen der Strömungsmechanik und der Akustik zeigt sich

• in den gemeinsamen Grundgleichungen, • in den über zwei Jahrhunderte währenden wechselseitigen Befruchtungen der Forschung

in beiden Gebieten, • im Entstehen einer selbständigen Wissenschaftsdisziplin im Grenzgebiet beider Fachge-

biete, und zwar der Strömungsakustik, • in der Entwicklung der Computational Aeroacoustics zwischen der Computational Fluid

Dynamics und der Computational Acoustics, • in der gemeinsamen Benutzung einer Fülle von dimensionslosen Kennzahlen in den un-

terschiedlichsten Bereichen beider Fachgebiete

Page 30: Stroemungsakustik - Koeltzsch

16

Die gemeinsame Behandlung der strömungsmechanischen und akustischen Phänomene in einer Berechnung, d. h. die direkte und durchgängige analytische oder numerische Simulation, ist gegenwärtig noch eine Vision. Deshalb werden in hybriden Verfahren die Lösungen der Strömungsgleichungen mit den Be-rechnungsverfahren für das akustische Fernfeld an einer geeignet gewählten Schnittstelle anei-nandergebastelt. Aus diesen Verfahren können bereits wertvolle Aussagen für die Lärmminderung, z. B. hin-sichtlich der Fluglärmphänomene, gezogen werden. Sie sind aber i. Allg. noch nicht geeignet für das anspruchsvolle Fernziel einer akustischen Optimierung des Strömungsvorganges (mit der zugehörigen Konstruktion: Aggregat, Gerät, Maschine o. ä.).

Page 31: Stroemungsakustik - Koeltzsch

1

BEITRAG ZUR MODELLIERUNG VON STRÖMUNGSSCHALLQUELLEN MIT AKUSTISCHEN

ELEMENTARSTRAHLERN

P. Költzsch, M. Bauer, A. Witing, A. Zeibig, M. W. Kettlitz Institut für Akustik und Sprachkommunikation, Technische Universität Dresden

Ausführliche Textfassung des Vortrages: „Beitrag zur Modellierung von Strömungsschallquellen mit akustischen Elementarstrahlern“. Vortrag, Deutscher Luft- und Raumfahrtkongress Dresden, 20.-23. September 2004, CD bzw. Vortragsband Jahrbuch 2004 INHALT

• Übersicht • Die Multipoldarstellung der Strömungsschallquellen –

Die LIGHTHILL-Analogie • Der Hinterkantenlärm des Tragflügels • Berechnungen zur akustischen Richtcharakteristik des Hinterkantenlärms

- Numerische Berechnungen - Analytische Berechnungen:

nach FFOWCS WILLIAMS und HALL, nach TAM und YU, nach HOWE

• Messung der akustischen Richtcharakteristik des Hinterkantenlärms - Messungen im Windkanal - Messungen im reflexionsarmen Raum

• Vergleich zwischen den Ergebnissen der Berechnung und der Messung • Schlussfolgerungen, Ausblick für weitere Untersuchungen

ÜBERSICHT Auf der Grundlage der LIGHTHILLschen Analogie können physikalische Mechanismen der Strömungsschallerzeugung durch akustische Multipole modelliert werden. Das bedeutet quellseitig, dass die akustische Quellstärke dieser Multipole prinzipiell aus den Details der Strömungsfelder folgt; und das bedeutet abstrahlseitig, dass die Eigenschaften der klassischen akustischen Multipole auf die akustischen Charakteristiken der Strömungsschallquellen, unter Berücksichtigung der Randbedingungen, übertragen werden können. Beispiele für diese Vorgehensweise sind in der strömungsakustischen Literatur der letzten Jahrzehnte zu finden, so z. B. die Quadrupolmechanismen des Strahllärms, die Dipol- und Monopolmechanismen des Rotorlärms von Propellern und

Page 32: Stroemungsakustik - Koeltzsch

2

Ventilatoren sowie Elementarstrahlermodellierungen für einzelne Phänomene, wie z. B. die KÁRMÁNsche Wirbelstraße und der Verbrennungslärm. Der Strömungsschall von Flugzeugtragflügeln wird häufig bei den rechnerischen/numerischen Untersuchungen mit der Modellierung des Tragflügels durch die überströmte halbunendliche Platte und die alleinige Untersuchung des Hinterkantenlärms behandelt (Bild 1). Das Ergebnis für den nichtkompakten Fall ist die 5U -Proportionalität der abgestrahlten Schallleistung und die Richtcharakteristik der Schallabstrahlung in Form einer Kardioide. Diese Richtcharakteristik des Hinterkantenlärms ist von der HELMHOLTZ-Zahl abhängig

(1) 2 LHe kLλ

= = π ,

also vom Verhältnis der Sehnenlänge des Tragflügels (im Modell: Plattenbreite) zur akustischen Wellenlänge. Für den o. g. nichtkompakten Fall, d. h. die halbunendliche Platte, geht die He-Zahl gegen unendlich; die Richtcharakteristik ist kardioidenförmig. Für den Fall des kompakten Schallstrahlers ist die Tragflügelbreite sehr klein gegen die Schallwellenlänge, d. h. He << 1; die Richtcharakteristik ist von der Form des klassischen Dipols (Form eines Acht). Zwischen diesen beiden Grenzfällen liegt bei der praktisch notwendigen Betrachtung eines breiten Frequenzspektrums der gesamte Bereich der Richtcharakteristiken der Schallabstrahlung. Bei der numerischen Berechnung des Strömungsschalls ergeben sich die akustischen Richtcharakteristiken des Hinterkantenlärms als Schalldruckverteilung auf einem Kreis um die Hinterkante im Fernfeld des Strahlers. Diese Richtcharakteristiken von umströmten Platten und Profilen, die mit sehr unterschiedlichen Rechenmethoden ermittelt worden sind, zeigen bei ihrer Verifizierung relativ gute Übereinstimmungen. Auch der qualitative Vergleich in der Literatur (z. B. OBERAI, EWERT) mit analytischen Berechnungsergebnissen (von HOWE) erscheint befriedigend, obwohl der quantitative Vergleich bisher fehlt. Insbesondere werden aber in der Literatur akustische bzw. aeroakustische Messergebnisse der Richtcharakteristiken des Hinterkantenlärms vermisst. Deshalb wird in diesem Beitrag die akustische Multipolmodellierung des Hinterkantenlärms praktisch realisiert: eine Lautsprecheranordnung an der Hinterkante einer endlichen Platte wurde als ideales Dipolmodell zur Ausmessung der Richtcharakteristik der Schallabstrahlung im reflexionsarmen Raum verwendet. Dabei kann durch Variation der Frequenz und damit der Wellenlänge (bei konstanter Sehnenlänge des Tragflügels) die He-Zahl in weiten Bereichen verändert werden. Der Vergleich mit den CAA-Ergebnissen konnte für diesen Fall auf der Basis der MACH-Zahl M = 0 geführt werden. Für begrenzte Winkelbereiche der Schallabstrahlung standen zur Validierung der Rechenwerte auch Messergebnisse der Richtcharakteristik vom aeroakustischen Windkanal zur Verfügung. Für sehr unterschiedliche Werte der HELMHOLTZ-Zahl stimmen

Page 33: Stroemungsakustik - Koeltzsch

3

die Ergebnisse für die Richtcharakteristiken aus den verschiedenen Verfahren gut überein. Physikalisch gesehen zeigen sich für die Bereiche der HELMHOLTZ-Zahl folgende Sachverhalte: bei He << 1 erhält man den klassischen Dipol als kompakte Quelle, mit wachsender He-Zahl ergibt sich die zunehmende „Lappung“ der Richtcharakteristik als Ergebnis der Kantenstreuung und -beugung (Hinter- und Vorderkante), und drittens zeigt sich für He → ∞, d. h. im extrem nichtkompakten Fall mit der halbunendlichen Platte, die kardioidförmige Richtcharakteristik. 1. DIE MULTIPOLDARSTELLUNG DER

STRÖMUNGSSCHALLQUELLEN – DIE LIGHTHILL-ANALOGIE Die LIGHTHILLsche Theorie der aerodynamischen Schallerzeugung – in allgemeiner Darstellung – folgt aus den Grundgleichungen der Strömungsmechanik,

Grundgleichungen der Strömungsmechanik und Akustik

Kontinuitätsgleichung akustisch( )ρρ ∂∂

+ =∂ ∂

i

i

v mt x

( )ρ ρ ρ δ τ∂ ∂ ∂+ = − −

∂ ∂ ∂i i

j i ij ijj j

v vv f pt x x

( ) ( )ρ ρ ρ∂ ∂+ + = +

∂ ∂i

i j ij i ij

v v v p f m vt x

Bewegungsgleichung

0ρ ρ′′ ∂∂

+ =∂ ∂

i

i

vt x

0ρ′∂ ∂

+ =∂ ∂

i

i

v pt x

( ) ( )it x

∂ ∂−

∂ ∂Kontinuitätsgleichung Bewegungsgleichung

Rechenoperation:

und zwar der Kontinuitätsgleichung und der Bewegungsgleichung (in der REYNOLDSschen Form als Impulskontinuitätsgleichung):

(2) ( )i

i

v mt x

ρρ ∂∂+ =

∂ ∂

mit: m äußere Massenflussquelle (je Volumen)

(3) ( )i ij i ij ij

j j

v vv f pt x x

ρ ρ ρ δ τ∂ ∂ ∂+ = − −

∂ ∂ ∂

(4) ( ) ( ) i ij ij

v v v p f mvt x

∂ ∂ρ ρ∂

+ + = +∂ i j i

Page 34: Stroemungsakustik - Koeltzsch

4

mit: if äußere Kraft (je Volumen)

2 2 22 20 02 2

Quell-stärke Monopol- Dipol-Strahler Quadrupol-StrahlerStrahler

( ) ( )ρ ρ ρ ρ ρδ∂ ∂ ∂ ∂ ∂− = = − + + + −

∂ ∂ ∂ ∂ ∂ ∂i i i j ij iji i i j

mc q f mv v v p ct x t x x x

Inhomogene Wellengleichung der Strömungsakustik (LIGHTHILL)

Michael James LIGHTHILL

23.1.1924 – 17.7.1998

(Quelle: Uni. St Andrews Scotland) Lighthill’s inhomogene Wellengleichung ergibt sich aus der Rechenoperation

( ) ( )Kontinuitätsgleichung Impulsgleichungit x

∂ ∂∂ ∂

− ,

wobei der Term ivρ eliminiert wird, das ist die Massenflussdichte in der Kontinuitätsgleichung bzw. die Impulsdichte in der Bewegungsgleichung. Die inhomogene Wellengleichung lautet (5)

( ) ( )2 2 2

2 20 02 2 i i ij ij

i i i j

mc f mv v v p c qt x t x x x

∂ ρ ∂ ρ ∂ ∂ ∂ ρ ρδ∂ ∂ ∂ ∂ ∂ ∂

− = − + + + − =i j

mit den akustischen Quelltermen

(6) ( )2

i i iji i j

Mq mv f Tt x x x

∂ ∂ ∂= − + +

∂ ∂ ∂ ∂

mit: (7) ijijjiij cpT ρδρ 20−+= vv LIGHTHILL-Tensor

Diese drei Glieder des Quellterms unterscheiden sich prinzipiell voneinander:

Monopoloquelle: tm

∂∂

Die zeitliche Änderung des Massenflusses (je Volumen)

Page 35: Stroemungsakustik - Koeltzsch

5

ist einer Monopolquelle der klassischen Akustik äquivalent.

Dipolquelle: ( )iii

mfx

v+∂∂

Ein Feld von Wechselkräften (je Volumen) ist einer Dipolquelle der klassischen Akustik äquivalent.

Quadrupolquelle: ji

ij

xxT∂∂

∂2

Ein Feld von Wechselspannungen und Druckschwankungen (je Volumen) ist in freien Strömungen einer Quadrupolquelle der klassischen Akustik äquivalent.

Die instationäre Strömung wird durch eine Volumen- und Oberflächenverteilung von äquivalenten akustischen Quellen ersetzt. Diese werden in ein gleichförmiges Medium eingebettet, das selbst ruht, in dem sich aber die Quellen bewegen können. Damit ist das Problem der Schallerzeugung durch Strömungen auf ein klassisches Problem der Akustik zurückgeführt; diese Vorgehensweise wird deshalb als akustische Analogie, heute meist als die LIGHTHILLsche Analogie, bezeichnet. Die Ableitung der inhomogenen Wellengleichung zeigt, dass das Quellglied die reale Strömung, einschließlich der Erzeugung von Schall innerhalb der Strömung und der Wechselwirkung des Schalls mit der Strömung, enthält, und zwar in der örtlichen und zeitlichen Abhängigkeit des Inhomogenitätsgliedes der Wellengleichung, also der akustischen Quellstärke.

( )1 14 4τ τ

ρπ π

∂ ∂ − ∂ ∂ ∫ ∫ i

iV S

vm dV n dSr t r t

( ) ( )1 14 4τ τ

ρπ π

∂ ∂− + + +

∂ ∂∫ ∫i i i j ij ji iV S

f m v dV v v p n dSx r x r

Monopolquellen

Dipolquellen

( )2 1

4 τπ∂

+∂ ∂ ∫ ij

i j V

T dVx x r Quadrupolquellen

Schalldruck am Fernfeld-Aufpunkt

( ), =ip x t

Page 36: Stroemungsakustik - Koeltzsch

6

Mit Anwendung der verallgemeinerten KIRCHHOFFschen Gleichung

(8) 20

1 1 1 1 1( , )4 4i

S V

r p r p qp x t p dS dVc r n t r n r n r ττ

π π ∂ ∂ ∂ ∂ = + + + ∂ ∂ ∂ ∂

∫ ∫

ergibt sich als formale “Lösung” der inhomogenen Wellengleichung (Integraltransformation) die folgende Beziehung für den Schalldruck am Fernfeld-Aufpunkt

(9)

( )

( ) ( )

( )2

( )1 1,4 4

1 14 4

14

ii i

V S

i i i j ij ji iV S

iji j V

vmp x t dV n dSr t r t

f mv dV v v p n dSx r x r

T dVx x r

τ τ

τ τ

τ

ρπ π

ρπ π

π

∂∂ = − ∂ ∂ ∂ ∂

− + + +∂ ∂

∂+

∂ ∂

∫ ∫

∫ ∫

mit: ( )τ.... retardierte Quellstärke

(10) 0c

rt i−=τ Zeit der Retardation

Der Schalldruck am Aufpunkt wird - erstens durch Monopolquellen verursacht, die durch die zeitliche Änderung

des äußeren Massenflusses in ein Volumen V und durch die zeitliche Änderung des Massenflusses durch eine in V eingebettete Oberfläche S bzw. durch die Normalbewegung dieser Oberfläche S gegeben sind;

- zweitens durch Dipolquellen verursacht, die durch Wechselkräfte (äußere Kräfte und Reaktionskräfte durch den Massenfluss) in einem Volumen V und durch Wechselkräfte an einer inneren Berandung S gegeben sind;

- drittens durch Quadrupolquellen verursacht, die durch Wechselspannungen und Druckschwankungen in einem Volumen V gegeben sind.

Physikalisch interpretiert stehen in der o. g. Integralbeziehung folgende grundlegende Mechanismen der Schallerzeugung: • die äußeren Masseflussschwankungen und das äußere, ungleichförmige

Kraftfeld, • die Schwankungen im konvektiven Impulstransfer

(Impulsstromdichteschwankungen), • die Schwankungen der viskosen Spannungen, der Normalspannungen bzw.

der Drücke, • die Entropieschwankungen in der Strömung (bei Einbeziehen von Vorgängen

der Verbrennung, des Wärmeübergangs, der Kondensation u. a.).

Page 37: Stroemungsakustik - Koeltzsch

7

Die Grundidee der sogenannten LIGHTHILL-Analogie lässt sich folgendermaßen erläutern:

Grundidee der LIGHTHILL-Analogie

Die Realität der Strömung wird durch eine fiktive Anordnung von akustischen Modellstrahlern abgebildet. Die berechenbare Schallabstrahlung dieser Modellquellen führt zur abgestrahlten Schallenergie ins Fernfeld. Als Vorteil dieser Modellierung ergibt sich außerdem, dass diese Elementarstrahlertypen sehr anschaulich gedeutet werden können, siehe das folgende Bild:

Akustische Multipole (nach ROGER)

Monopol atmende Kugel

Dipol schwingende Kugel

Quadrupolsich verformende Kugel(ohne Massen- undSchwerpunktsänderung)

Weitere Beispiele für die Vorgehensweise, die Strömungs- und auch Wärmeschallquellen durch die Elementarstrahler der klassischen Akustik zu ersetzen, sind in der strömungsakustischen Literatur der letzten Jahrzehnte zu

Page 38: Stroemungsakustik - Koeltzsch

8

finden, so z. B. die Dipol- und Monopolmechanismen des Rotorlärms von Propellern und Ventilatoren (JUDIN, WRIGHT, MORFEY, u. a.) sowie die Elementarstrahlermodellierung des Verbrennungslärms. Zu Letzterem sei hier als Beispiel die Formulierung von HOWE [1] angeführt:

(11)

( )2 2

002 2

0

20 0

02 20 0

1

1 1 11

i jp i j

p Dsp v vc t t c Dt x x

c p div pc t c t

ρ ρ

ρ ρρ ρ ρ

∂ ∂ ∂− ∆ = + ∂ ∂ ∂ ∂

∂ ∂+ − − − ∇ ∂ ∂

mit der Integraldarstellung

(12)

( )

( )

20

03 2 20

02

0 0

20

02 2 20 0

( , )( , )4 4

1 14

1 14

ττ

τ

τ

ρ ρπ ρ π

ρπ ρ ρ

ρπ ρ ρ

∂ ∂= +

∂ ∂

∂ ∂+ − + ∂ ∂

∂+ − − ∂

∫ ∫

i jii i j

p

j

j

x xq y tp x t dV v vr t c T r c t

x p dVr c t y

p p dVr t c c

Die Quellglieder auf der rechten Seite dieser Gleichung bedeuten: 1. Term: direktes Verbrennungsgeräusch Monopolquelle 2. Term: Strahllärm (Lighthill) Quadrupolquelle 3. Term: indirektes Verbrennungsgeräusch Dipolquelle

[Erläuterung: Dipolquellstärke proportional zu 0

1 1 pρ ρ

− ∇

,

entspricht der Differenz der Beschleunigung eines Fluidbereiches der Dichte ρ im Verbrennungsfluid und eines Fluidbereiches mit der mittleren Umgebungsdichte 0ρ ]

4. Term: indirektes Verbrennungsgeräusch Monopolquelle [Erläuterung: Monopolquellstärke entspricht der Differenz zwischen

den adiabaten Kompressibilitäten 21 cρ im heißen Quellbereich (hot spots) und im Umgebungsmedium]

2. DER HINTERKANTENLÄRM DES TRAGFLÜGELS

Page 39: Stroemungsakustik - Koeltzsch

9

Die Schallerzeugung am umströmten Tragflügel beruht auf der Wechselwirkung zwischen der Strömung und dem Tragflügel als festes, umströmtes Hindernis. Die einzelnen physikalischen Mechanismen der Schallerzeugung sind:

Mechanismen der Schallentstehung am Tragflügel

(nach W. K. BLAKE)

- Turbulente Anströmung, Wechselwirkung mit der Vorderkante - Turbulente Grenzschicht auf der Tragflügeloberfläche - Wechselwirkung der Strömung mit der Hinterkante - Turbulenter Nachlauf - Gegebenenfalls: abgelöste Strömungsgebiete auf dem Tragflügel und deren

Wechselwirkung mit der Hinterkante Hinsichtlich der Behandlung dieser Mechanismen in der strömungsakustischen Literatur wird hier auf [1] – [4] verwiesen. In diesem Vortrag soll ausschließlich der meist dominierende Schallerzeugungsmechanismus an der Hinterkante des Tragflügels und die durch diesen Mechanismus hervorgerufene akustische Richtcharakteristik im Blickpunkt der strömungsakustischen Untersuchungen stehen.

Page 40: Stroemungsakustik - Koeltzsch

10

(nach BROOKS, BLAKE etc.)

Hinterkantenlärm (Prinzipbild)

3. BERECHNUNGEN ZUR AKUSTISCHEN

RICHTCHARAKTERISTIK DES HINTERKANTENLÄRMS Unter der akustischen Richtcharakteristik einer Schallquelle ist im Allgemeinen die grafische Darstellung der richtungsabhängigen Schallabstrahlung zu verstehen; meist wird dabei der Richtungsfaktor in einem ebenen Polardiagramm dargestellt (siehe [5], [6]. Der Richtungsfaktor ist das Verhältnis des Schalldrucks in einer bestimmten Richtung zum Schalldruck in einer Bezugsrichtung, in beiden Fällen wird der Schalldruck in gleicher Entfernung, im Fernfeld der Schallquelle, d. h. in einem Abstand, der sehr groß gegenüber den Abmessungen der Schallquelle ist, ermittelt. Als Bezugsrichtung wird meist die Richtung der maximalen Schallabstrahlung verwendet. Der Richtungsfaktor, bzw. in allgemeinerer Form die Richtfunktion, ist eine komplexe Größe. Er berücksichtigt damit die Phasenunterschiede, die einerseits die einzelnen Wellenanteile aus unterschiedlichen Bereichen des Quellgebietes besitzen und die andererseits zwischen den einzelnen Abstrahlrichtungen bestehen. Für technische Anwendungen wird der Richtungsfaktor meist aus dem Quotienten der Beträge des Schalldruckes gebildet. 3.1. Numerische Berechnungen Die Richtcharakteristik der Schallabstrahlung des Hinterkantenlärms wurde mit dem hybriden Verfahren SNGR+CAA (Stochastic Noise Generation and Radiation + Computational Aeroacoustics) berechnet.

Page 41: Stroemungsakustik - Koeltzsch

11

Numerische Berechnung des Hinterkantenlärms

[nach: M. BAUER]

Bei diesem Verfahren wird in einem ersten Schritt mit den RANS-Gleichungen (Reynolds Averaged Navier-Stokes), eingeschlossen das k-ω-Turbulenzmodell, das mittlere Strömungsfeld ermittelt. Im zweiten Schritt wird eine modifizierte Form der EULER-Gleichungen mit einem Quellterm gelöst, um die akustischen Schwankungsgrößen zu erhalten. In diesem SNGR-Modell ([7] – [9]) wird der Quellterm als ein stochastisch erzeugtes, synthetisches turbulentes Geschwindigkeitsfeld generiert. In einer modifizierten Form dieses ursprünglichen SNGR-Verfahrens [10] – [12] wird nunmehr Schall nicht direkt durch diesen Quellterm erzeugt, sondern es werden diese synthetischen turbulenten Schwankungen in die linearisierten EULER-Gleichungen (LEE) eingeführt und der Schall wird indirekt durch die Wechselwirkung dieser turbulenten Schwankungen mit der Hinterkante erzeugt. Diese Berechnung des Hinterkantenlärms erfolgt mit dem CAA-Code PIANO [13]. Mit Hilfe dieses Verfahrens SNGR+CAA wurde der Richtungsfaktor der Schallabstrahlung von der Hinterkante einer umströmten Platte berechnet, und zwar für verschiedene Werte der He-Zahl kL. Auf einem Kreis mit dem Radius r/L = 1,5 um die Hinterkante wurde an den Positionen von 120 virtuellen Mikrophonen der Schalldruck ermittelt. Neben dem Strömungsfall mit einer MACH-Zahl Ma = 0,11 wurde zum Vergleich mit den reinen akustischen Messungen im schallreflexionsarmen Raum auch der Fall Ma = 0 betrachtet (Abschnitt 5). Numerische Berechnungen zur akustischen Richtcharakteristik des Hinterkantenlärms sind auch in der Literatur zu finden. In [14] werden Richtcharakteristiken gezeigt, die mit einem LES+AAA-Verfahren (Large Eddy Simulation + Aeroakustische Analogie) ermittelt worden sind. Die Arbeit von EWERT [4] enthält Richtcharakteristiken, berechnet mit dem LES+APE-Verfahren (Large Eddy Simulation + Acoustic Perturbation Equations).

Page 42: Stroemungsakustik - Koeltzsch

12

3.2. Analytische Berechnungen 3.2.1. Theorie von FFOWCS WILLIAMS und HALL

Theorie von FFOWCS WILLIAMS und HALL zur Berechnung des Hinterkantenlärms

• halbunendliche, ebene Platte →

• Quelle an der Plattenhinterkante

• Fernfeld

• Richtcharakteristik: Kardioide

kL → ∞

In [15] ist das Problem des Hinterkantenlärms mit Hilfe der Lighthillschen akustischen Analogie und der Verwendung der Greenschen Funktion für die halbunendliche ebene Platte behandelt worden. Aus einer bereits im Jahre 1915 von MacDONALD angegebenen Lösung für die Greensche Funktion wird mit den Voraussetzungen: - Quelle sehr nahe an der Plattenkante - Aufpunkt in großer Entfernung von der Plattenkante - Platte sehr groß gegenüber der akustischen Wellenlänge, d. h. kL → ∞ die Gleichung für den Schalldruck im Fernfeld abgeleitet. Für diesen Fall kL → ∞ ergibt sich für die Richtcharakteristik der Schallabstrahlung die Form

einer Kardioide, d. h. ( )1sin 2 Θ .

Außerdem enthält die Gleichung für den Schalldruck den Faktor ( )3

20

12kr

( 0r Abstand der Schallquelle von der Hinterkante). Dieser Faktor ist für den deutlichen Anstieg des abgestrahlten Schalldrucks gegenüber dem Fall ohne Hinterkante verantwortlich. Für den Fall, dass sich die Turbulenz sehr weit entfernt von der Hinterkante befindet, ist der Einfluss der Kante auf die Schallabstrahlung vernachlässigbar. Die dafür berechneten Ergebnisse stimmen dann mit dem Fall der Schallabstrahlung des Wirbels in freier Turbulenz überein. 3.2.2. Theorie von TAM und YU

Page 43: Stroemungsakustik - Koeltzsch

13

Theorie von TAM und YU

zur Berechnung des Hinterkantenlärms

• Tragflügel mit endlichen Abmessungen, großer Bereich von kL (He-Zahl)

• Dipol an der Plattenhinterkante, kompakte Quelle

• Fernfeld

• Berücksichtigung des Einflusses der Vorderkanten-beugung und -streuung

• Richtcharakteristik:

kleine He-Zahlen: Dipolcharakteristik

große He-Zahlen: zahlreiche Keulen

In [16] wurde der Tragflügel (Modell: Platte) mit endlichen Abmessungen, also keine Modellierung durch eine halbunendliche Platte wie bei Ffowcs Williams and Hall, behandelt. Vorausgesetzt wurde eine punktförmige Schallquelle mit Dipolcharakter. Dieser Dipol wurde unmittelbar stromab hinter der Plattenhinterkante angeordnet, d. h. der schallproduzierende Bereich ist sehr klein gegenüber der Schallwellenlänge (kompakte Quelle). Die Berechnung der Richtcharakteristik der Schallabstrahlung erfolgte unter Berücksichtigung des Einflusses der Vorderkantenbeugung auf die Richtcharakteristik des Hinterkantengeräuschs. Mit Einführung eines elliptischen Zylinderkoordinatensystems, der Lösung der homogenen Gleichung in Gliedern von periodischen und radialen Mathieu-Funktionen sowie der Verwendung sphärischer Polarkoordinaten für die Berechnung der Richtcharakteristik wurden von TAM/YU Ergebnisse für den He-Zahl-Bereich kL = 0,6 – 40 ermittelt; für drei Werte der He-Zahl sind die Richtcharakteristiken in [16] dargestellt, und zwar für kl = 0,6/10/20. Die Rechenergebnisse liefern folgende Aussagen: - Für kleine He = kL, d. h. L λ , ist die Richtcharakteristik identisch mit der

des frei schwingenden Dipols. - Mit wachsender He-Zahl weicht die Richtcharakteristik fortschreitend von der

des Dipols ab. Bei kL = 10 und 20 (entsprechend L 1,7...3≈λ ), zeigt die Richtcharakteristik zahlreiche Keulen der Schallabstrahlung, wobei die ausgeprägtesten Maxima im Winkelbereich des Θ − Quadranten zwischen 900 und 1800 liegen.

- Die Verzipflungen in der Richtcharakteristik wachsen mit der He-Zahl kL an. 3.2.3. Theorie von HOWE

Page 44: Stroemungsakustik - Koeltzsch

14

Die ausgeprägteste Theorie zur Berechnung des Hinterkantenlärms für beliebige Werte der He-Zahl kL , d. h. also für beliebige Frequenzen und endliche Abmessungen der Tragflügelsehne, wurde von HOWE in [17] vorgelegt.

Theorie von HOWE

zur Berechnung des Hinterkantenlärms

• Tragflügel endlicher Abmessungen, Bereich: 0 ← kL → ∞

• Quelle an der Plattenhinterkante

• Fernfeld, ohne Strömung

• Berücksichtigung der mehrfachen Vorderkanten- und Hinterkantenbeugung und -streuung

• Richtcharakteristik:

kleine kL-Werte: Dipolcharakteristik

mittlere kL-Werte: zahlreiche Keulen

sehr große kL-Werte: Kardioide

L λ≈

L λ

In dieser Arbeit wird die 3d-Greensche Funktion für einen Tragflügel abgeleitet, bei dem sich die Quellorte entweder in der Nähe der Vorder- oder der Hinterkante befinden. Damit wird das Problem des Hinterkantenlärms eines Tragflügels gelöst. Aus der Helmholtz-Gleichung für reibungsfreie Strömungen folgt nach Anwendung des Gaußschen Satzes auf das Volumenintegral

(13) ( ) ( ) ( ) ( )1 3, , , ,0, ,ISp x G x y p y y ndS yω ω ω= − ∇ ⋅∫ ,

Diese Gleichung drückt den Kantenlärm in Abhängigkeit der Streuung des Druckes Ip (turbulenzerzeugter Druck bei Abwesenheit des Tragflügels) durch die Kante aus. Die Ableitung der Greenschen Funktion erfolgt für Ma << 1; damit ist die schallproduzierende Turbulenz, die für den Kantenlärm verantwortlich ist, sehr viel näher an der Kante als eine akustische Wellenlänge. Damit kann die Greensche Funktion in der Form (14) ( ) ( ) ( )0, , , , , , ....IG x y G x y G x yω ω ω= + + dargestellt werden. Zunächst werden von HOWE die beiden folgenden Grenzfälle behandelt: Fall I: 1kL << Tragflügelsehne ist akustisch kompakt

(15) ( )3 3

03 3

, ,4

ik x y ieG x yx y i

ωπ

−−=

Page 45: Stroemungsakustik - Koeltzsch

15

(16) ( ) ( ) 3 3

13 3

sin sin, ,

4

ik x y iik y eG x y

x y iψ θ ϕ

ωπ

−∗

=−

Fall II: kL → ∞ Tragflügelsehne ist halbunendlich (15) ( )0 , ,G x y ω = s.o.

(17) ( )( ) 3 3

12

13 3

1sin sin2, ,

2

ik x y ik y eG x y

i x y i

ψ θ ϕω

π π

−∗ − =

In beiden Fällen stellt die Komponente 0G der Greenschen Funktion den Schall dar, der durch eine Punktquelle (bei y ) bei Vernachlässigung der Streuung durch den Tragflügel erzeugt wird. Die Komponente 1G liefert die erste Korrektur infolge der Anwesenheit der Tragflügelkante im Nahfeld der Quelle. Im Fall I der kompakten Quelle zeigt sich der akustische Dipol, die Richtcharakteristik des Hinterkantenlärms folgt der Funktion sinΘ . Der Fall II stellt den von FFOWCS WILLIAMS und HALL behandelten Fall dar: die Richtcharakteristik des Hinterkantenlärms bei der halbunendlichen Platte ist von

der Form einer Kardioide: ( )1sin 2 Θ . Für den Frequenzbereich zwischen diesen beiden Grenzfällen spaltet HOWE die Greensche Funktion, bei Vernachlässigung der Monopolkomponente 0G , in drei Anteile auf: (18) ( ) ( ) ( ) ( )1, , , , , , , ,LE TEG x y G x y G x y G x yω ω ω ω= + +

Die Funktion ( )1 , ,G x y ω ist der o. g. Ausdruck für den Fall II ( kL → ∞ :

Tragflügelsehne ist halbunendlich). Die beiden anderen Komponenten ,LE TEG G stellen die Beiträge zu G dar, die mit der Streuung des Druckfeldes an der Vorder- und Hinterkante des Tragflügels verbunden sind. Die Quelle des Hinterkantenlärms produziert Streuwellen an der Vorderkante, die dann an der Hinterkante wiederum gestreut und anschließend an der Vorderkante rückgestreut werden usw. Die Funktionen ( ), ,LEG x y ω und ( ), ,TEG x y ω sind so definiert, dass sie die gesamten Beiträge aller Streuereignisse jeweils von der Vorderkante (leading edge) bzw. Hinterkante (trailing edge) berücksichtigen.

Page 46: Stroemungsakustik - Koeltzsch

16

Die Ergebnisse der Berechnung für das Fernfeld 1k x >> sind in [17] angegeben: (18) ( ) ( ) ( ) ( )1, , , , , , , ,LE TEG x y G x y G x y G x yω ω ω ω= + +

(19) 1e

LE TEik x

GG G G G

xϕ∗

′ ′ ′ ′= = + +

mit:

(20) 1 32

1sin sin2

2

kG

i

ψ θ

π

− ′ =

(21) ( )( )

sin (1 cos )2

3 2 sin2

sin 12 sin cos 21 2 sin

ikL

LE ikL

k eG F kL

i e ikL

ψ

ψ

ψψ θ

ππ π ψ

+ Θ ′ = +

(gesamte Streuung an der Vorderkante)

(22) ( ) ( )2sin

22 2 sin

12 sin sin 22 1 2 sin

ikL

TE ikL

eG F kLiL e ikL

ψ

ψψ θ

ππ π ψ

−′ = +

(gesamte Streuung an der Hinterkante)

mit: ψ Winkel zwischen der Aufpunktrichtung x und der Kante ,r θ Polarkoordinaten des Aufpunktes in einer Ebene 3 .x konst= L Sehnenlänge des Tragflügels

kL He-Zahl F(x) durch Umformung der Fehlerfunktion für komplexe Argumen-

te werden von HOWE Fresnelsche Integralfunktionen ( ) ( ),f x g x geschrieben: ( ) ( ) ( )F x g x if x= + , die durch

einfache Polynomausdrücke angenähert werden können (siehe dazu: ABRAMOWITZ/STEGUN).

Die Richtcharakteristik der Schallabstrahlung mit Berücksichtigung der Vielfachstreuung an der Vorder- und Hinterkante kann durch den Quotienten

Page 47: Stroemungsakustik - Koeltzsch

17

( )max

,G

kLG

′Θ

berechnet werden. Die Ergebnisse für den Winkelbereich Θ ο ο= 0 − 180 ( o90ψ = ) und für ausgewählte Werte der He-Zahl kL sind in den folgenden Bildern dargestellt.

Richtcharakteristik des Hinterkantenlärms

Abhängigkeit von kL und Θ, berechnet mit der Theorie von HOWE

θ

r

Richtcharakteristik des Hinterkantenlärms

Abhängigkeit von kL und Θ, berechnet mit der Theorie von HOWE

θ

r

Page 48: Stroemungsakustik - Koeltzsch

18

Richtcharakteristik des Hinterkantenlärms

Abhängigkeit von kL und Θ, berechnet mit der Theorie von HOWE

θ

r

Richtcharakteristik des Hinterkantenlärms

Abhängigkeit von kL und Θ, berechnet mit der Theorie von HOWE

θ

r

Mit der Variation der He-Zahl wird der Einfluss des Frequenzbereiches bzw. der endlichen Sehnenlänge des Tragflügels (im Verhältnis zur Wellenlänge) berücksichtigt:

Page 49: Stroemungsakustik - Koeltzsch

19

- Für tiefe Frequenzen (kL = 1) zeigt sich eine ausgeprägte Dipol-Richt-charakteristik, das Maximum der Schallabstrahlung liegt senkrecht zum Tragflügel.

- Mit zunehmender Frequenz wird das Verhältnis der Tragflügel-Sehnenlänge zur Schallwellenlänge größer. Die Streueffekte an den Kanten nehmen zu, die Zahl der Keulen der Richtcharakteristik wächst an.

- Für sehr große Werte der He-Zahl (kL → ∞) nähert sich die Richtcharakteristik der Kardioidenform für die Schallabstrahlung der Quelle an der Kante der halbunendlichen Platte.

Bemerkenswert ist auch die Tatsache, dass sich für den Tragflügel mit endlicher Sehnenlänge keine Schallabstrahlung in den Richtungen 0 00 ,180θ = , d. h. stromaufwärts und stromabwärts vom Tragflügel, zeigt. 4. MESSUNG DER AKUSTISCHEN

RICHTCHARAKTERISTIK DES HINTERKANTENLÄRMS 4.1. Messungen im Windkanal Die Ergebnisse derartiger Messungen im aeroakustischen Windkanal der TU Dresden sind in [18] dargestellt. Dabei ist der zu vermessende Winkelbereich Θ sehr begrenzt, da das Mikrofon nur außerhalb der Luftströmung des Freistrahls zum Einsatz kommen kann (ansonsten starke Verfälschung der außerordentlich niedrigen Messwerte durch den strömungsbedingten Pseudoschalleffekt am Mikrofon). Andererseits kann die Messentfernung nicht beliebig groß gewählt werden, bedingt durch die niedrigen Schalldruckpegelwerte sowie die Reflexionen durch Einrichtungsgegenstände am Windkanal und die Begrenzungswände der Messkammer. Diese prinzipiellen Nachteile bei der Messung der Richtcharakteristik im aeroakustischen Windkanal, neben der Tatsache, dass grundsätzlich in der strömungsakustischen Fachliteratur ein deutlicher Mangel an quantitativen Vergleichen zwischen den Rechen- und Messwerten zur Richtcharakteristik des Hinterkantenlärms besteht, haben dazu geführt, eine reine akustische Messmethode für diese Richtcharakteristik zu realisieren. 4.2. Messungen im reflexionsarmen Raum Mit dieser Messmethode wird die eingangs erläuterte akustische Multipolmodellierung des Hinterkantenlärms praktisch realisiert: eine Lautsprecheranordnung an der Hinterkante einer endlichen Platte wurde als ideales Dipolmodell zur Ausmessung der Richtcharakteristik der Schall-abstrahlung im schallreflexionsarmen Raum verwendet. Dabei kann durch Variation der Frequenz und damit der Wellenlänge (bei konstanter Sehnenlänge

Page 50: Stroemungsakustik - Koeltzsch

20

des Tragflügels) die He-Zahl kL als entscheidender Parameter für die Form der Richtcharakteristik der Schallabstrahlung in weiten Bereichen variiert werden. Der Aufbau des Versuchsstandes und die Details der Messtechnik und Messauswertung sind in [19] beschrieben. Dabei wurden auch Messungen an unterschiedlichen Varianten von lautsprecherbasierten Monopolen, Dipolen und Quadrupolen durchgeführt.

Modellierung des Hinterkantenlärms mit einem Lautsprecher-Dipol, Messungen im schalltoten Raum

θ

r

length l

r/l=1.5

Das Bild zeigt den Modelldipol an der Hinterkante der Platte (als Modell für den Tragflügel) sowie den Versuchsaufbau im großen schallreflexionsarmen Messraum der TU Dresden. Aus den Messergebnissen zur Richtcharakteristik des freien Dipols (d. h. ohne Platte) ist ableitbar, dass dieser Dipol im He-Zahl-Bereich kL ≤ 20 verwendet werden kann. Für einige kL-Werte dieses He-Zahl-Bereiches sind in den untenstehenden Bildern die gemessenen Richtcharakteristiken der Dipol-Plattenanordnung ersichtlich. 5. VERGLEICH ZWISCHEN DEN ERGEBNISSEN DER

BERECHNUNG UND DER MESSUNG Die folgenden Bilder zeigen für drei Werte von kL den Vergleich zwischen den Messwerten und den Rechenwerten (SNGR+CAA-Verfahren, siehe Abschnitt 3.1.).

Page 51: Stroemungsakustik - Koeltzsch

21

Vergleiche:

oben:

Messung: Linie Rechnung (SNGR+CAA): Linie mit Symbolen

unten:

Rechnung nach HOWE

Richtcharakteristik des Hinterkantenlärms

kL = 5

Vergleiche:

oben:

Messung: Linie Rechnung (SNGR+CAA): Linie mit Symbolen

unten:

Rechnung nach HOWE

Richtcharakteristik des Hinterkantenlärms

kL = 10

Page 52: Stroemungsakustik - Koeltzsch

22

Vergleiche:

oben:

Messung: Linie Rechnung (SNGR+CAA): Linie mit Symbolen

unten:

Rechnung nach HOWE

Richtcharakteristik des Hinterkantenlärms

kL = 20

Im folgenden Bild ist anhand der numerischen Berechnung der Richtcharakteristik dargestellt, dass für kleine Mach-Zahlen der Einfluss der Strömung auf die akustische Richtcharakteristik gering ist.

Richtcharakteristik des Hinterkantenlärms

ohne Strömung

mit Strömung (Ma = 0,11 )

Berechnungen: SNGR+CAA-Verfahren (PIANO)

kL = 3 kL = 5 kL = 10

Page 53: Stroemungsakustik - Koeltzsch

23

Vergleiche der Richtcharakteristiken für den Hinterkantenlärm (Modell: Dipol an der Platte) sind für die He-Zahl von kL ≈ 10 durchgeführt worden: Messergebnisse aus dem schalltoten Raum, Ergebnisse der numerischen Berechnung nach dem SNGR+CAA-, LES+APE- sowie LES+AAA-Verfahren, Ergebnisse der analytischen Verfahren nach TAM/YU sowie HOWE. Aus allen diesen Verifzierungs- und Validierungsvergleichen kann geschlossen werden, dass für kleine Mach-Zahlen die Richtcharakteristik des Hinterkantenlärms am umströmten Tragflügel vorausberechnet werden kann, und zwar relativ genau, wie der Vergleich mit den Messergebnissen im schalltoten Raum zeigt. 6. SCHLUSSFOLGERUNGEN, AUSBLICK FÜR WEITERE

UNTERSUCHUNGEN Mit den vorgenannten Verfahren ist für einen bestimmten aeroakustischen Fall, und zwar den Hinterkantenlärm, die richtungsabhängige Berechnung der Schallabstrahlung validiert worden. Außerdem sind dabei unterschiedliche Berechnungsverfahren (analytische, numerische) verifiziert worden. Diese Vorgehensweise ist für die Entwicklung von aeroakustischen Berechnungsverfahren von großer Bedeutung, und zwar einerseits für den relativen Vergleich verschiedenartiger umströmter Geometrien und Strukturen hinsichtlich ihrer aeroakustischen Unterschiede (Richtcharakteristik der Schallabstrahlung, spektraler Vergleich u. a.) und andererseits hinsichtlich von Verfahren zur Vorausberechnung absoluter Werte für die abgestrahlte Schallleistung, die spektrale Verteilung, die Absolutwerte ortsabhängiger Schalldruckpegel im Fernfeld. Aus diesem Grunde wurden die messtechnischen Untersuchungen im schalltoten Raum weiter ausgebaut. Im ersten Fall wurde das Plattenmodell eines Tragflügels mit Landeklappe untersucht, bei dem die Schallerzeugung mit Hilfe eines elektroakustischen Dipols an der Klappenseitenkante nachgebildet wurde (siehe Bild).

Page 54: Stroemungsakustik - Koeltzsch

24

Modellierung des Klappenseitenkantenlärms mit einem Lautsprecher-Dipol, Messungen im schalltoten Raum

Der Dipol wurde bei 30 % der Breite der Landeklappe bzw. bei 90 % der Breite angebracht; diese Abmessungen wurden aus gemessenen, visualisierten Strukturen der Klappenseitenkantenwirbel abgeleitet, siehe z. B. in [20]. Im schalltoten Raum wurden die Richtcharakteristiken der Schallabstrahlung in dergleichen Ebene wie beim Tragflügel ohne Landeklappe gemessen [19].

Modellierung des Klappenspaltlärms mit einem Lautsprecher-Dipol, Messungen im schalltoten Raum

Im zweiten Fall wurde der Dipolstrahler zur aeroakustischen Modellierung der Schallerzeugung im Schlitz zwischen dem Tragflügel und der ausgefahrenen Landeklappe angeordnet.

Page 55: Stroemungsakustik - Koeltzsch

25

Vergleich der RichtcharakteristikenkL = 10

Dipol: hinter Tragflügel Dipol: an der Klappenkante Dipol: im Klappenspalt

Für die dabei gemessenen Richtcharakteristiken (siehe [19]) wurden bisher keine rechnerischen (numerischen) Entsprechungen in der aeroakustischen Fachliteratur gefunden. Die Anwendung dieses messtechnischen Verfahrens ist auch für die Modellierung der Schallerzeugung im Schlitz zwischen Vorflügel und Tragflügel denkbar.

θ

r

Realität: Hinterkanten-

Strömungslärm

Theoretisches Modell

Elektroakustische Realisierung des

Modells

Zusammenfassung:Modellierung von Strömungsschallquellen

Page 56: Stroemungsakustik - Koeltzsch

26

Zusammenfassung:Berechnung von Strömungsschallquellen

(akustische Richtcharakteristiken)

• Numerisches Verfahren: RANS+SNGR+CAA (DLR/TUD)

• Analytische Verfahren: HOWE u. a.

• Validierung/Verifizierung: gute Übereinstimmung

• Voraussetzungen: kleine MACH-Zahlen, mittlere kL-Werte, hier: f = (400 ... 3000) Hz

• bisher: Dipolquelle an der Hinterkante

• erste Versuche: Dipolquelle an der Klappenseitenkante, im Klappenschlitz

• Erweiterungsmöglichkeiten: andere Geometrien, weitere Elementarstrahler (Quadrupole/Monopole)

Die Autoren danken der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für die Förderung der numerischen Berechnungen im Rahmen des Verbundprojektes SWING+ und der Friedrich- und Elisabeth-BOYSEN-Stiftung für die Förderung der messtechnischen Untersuchungen an den Tragflügelmodellen im schalltoten Raum. 7. LITERATUR [1] M. S. Howe: Acoustics of fluid-structure interactions. Cambridge

University Press 1998 [2] W. K. Blake: Mechanics of flow-induced sound and vibration. Vol. I and

II. Academic Press, Inc., Orlando etc., 1996 [3] G. Guidati: Berechnung und Verminderung von Strömungsgeräuschen an

Profilen. Dissertation, Universität Stuttgart 2003 [4] R. Ewert: A hybrid computational aeroacoustics method to simulate

airframe noise. Dissertation RWTH Aachen 2002 [5] W. Kraak und H. Weißing: Schallpegelmesstechnik. Verlag Technik Berlin

1970 [6] H. Kuttruff: Akustik. S. Hirzel Verlag Stuttgart, Leipzig 2004 [7] W. Béchara, C. Bailly, P. Lafon, S. Candel: Stochastic approach to noise

modelling for free turbulent flows. AIAA Journal, Vol. 32, No. 4, August 1994, pp. 455-463

[8] C. Bailly, P. Lafon, S. Candel: A stochastic approach to compute noise generation and radiation of free turbulent flows. AIAA 95-092, 1995

Page 57: Stroemungsakustik - Koeltzsch

27

[9] E. Longatte : Modélisation de la propagation et de la génération du bruit au sein des écoulements turbulents internes. Ph.D. thesis, Ecole Centrale Paris, 1998

[10] M. Bauer, N. Kalitzin: Modelling of aerodynamic sound sources by means of stochastic velocity fluctuations. Proceedings 3rd Aeroacoustics Workshop SWING+, Universität Stuttgart, 2002

[11] M. Bauer: Computation of trailing edge noise with synthetic turbulence. Proceedings Colloquium Euromech 449, Chamonix (Frankreich) 2003

[12] M. Bauer: Applicability of the SNGR-Model to compute trailing edge noise. Proceedings CFA/DAGA 2004, Strasbourg, 2004

[13] J. Delfs, T. Lauke: Numerical simulation of aeroacoustic noise by DLR's code PIANO. Version 0.45. DLR, Institut für Aerodynamik u. Strömungstechnik, Braunschweig 2003

[14] A. Oberai, F. Roknaldin, T. Hughes: Computation of trailing-edge noise due to turbulent flow over an airfoil. AIAA Journal, Vol. 40, No. 11, 2002, pp. 2206 - 2216

[15] J. E. Ffowcs Williams, L. H. Hall: Aerodynamic sound generation by turbulent flow in the vicinity of a scattering half plane. J. Fluid. Mech. 40 (1970) 657-670

[16] Ch. K. W. Tam, J. C. Yu: Trailing edge noise. AIAA 75-489, AIAA Aero-Acoustics Conference, Hampton, Va., (1975). Pp. 259-280

[17] M. S. Howe: Edge-source acoustic Green’s function for an airfoil of arbitrary chord, with application to trailing-edge noise. Quarterly Journal of Mechanics and Applied Mathematics 54 (2001) 1, 139-155

[18] A. Zeibig, C. Schulze, E. Sarradj, M. Bauer: Validation of aeroacoustical numerical simulations with wind tunnel measurements. Proceedings of Internoise 2004, Prague, Czech Republic.

[19] M. W. Kettlitz: Messtechnische Untersuchung der Schallabstrahlung von Multipolen an einem Tragflügelmodell. Studienarbeit, Institut für Akustik und Sprachkommunikation, TU Dresden 2004

[20] M. Macaraeg: Fundamental investigations of airframe noise. AIAA 98-2224, 1998

Page 58: Stroemungsakustik - Koeltzsch

Vorlaufiges Skript zur VorlesungStromungsakustik II

Klaus Ehrenfried

28. April 2003

Page 59: Stroemungsakustik - Koeltzsch
Page 60: Stroemungsakustik - Koeltzsch

Inhaltsverzeichnis

8 Schallfeld mit Berandung 48.1 Das Kirchhoff-Helmholtz-Integral . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48.2 Numerische Berechnung der Schallabstrahlung von Oberflachen . . . . . 268.3 Schallquellen und Reziprozitat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

9 Bewegte Schallquellen 479.1 Schallfeld eines bewegten Monopols . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479.2 Frequenzverschiebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 579.3 Quelle mit Uberschallgeschwindigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 609.4 Bewegte Massen- und Impulsquelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

10 Schallfelder umstromter Korper 7310.1 Formale Darstellung von bewegten Flachen . . . . . . . . . . . . . . . . 7310.2 Die Lighthill-Gleichung mit Berandung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7610.3 Quellen auf festen Oberflachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8010.4 Integration der Quellen auf einer bewegten Flache . . . . . . . . . . . . 8210.5 Die Gleichung von Ffowcs Williams und Hawkings . . . . . . . . . . . . 92

11 Dreidimensionale Kanalmoden 11211.1 Wellenausbreitung im Kanal mit rechteckigem Querschnitt . . . . . . . . 11211.2 Harmonische Losungen der Wellengleichung bei Zylindersymmetrie . . . 12011.3 Wellenausbreitung im Kanal mit rundem Querschnitt . . . . . . . . . . 127

12 Niederfrequente Wellenausbreitung in Kanalen 13812.1 Kanal mit Querschnittssprung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13812.2 Zusammengefaßte Parameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14512.3 Der Helmholtz-Resonator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15012.4 Prinzip des Reflexionsschalldampfers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15912.5 Durchstromter Querschnittssprung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163

Sachverzeichnis 176

3

Page 61: Stroemungsakustik - Koeltzsch

11 Dreidimensionale Kanalmoden

11.1 Wellenausbreitung im Kanal mit rechteckigemQuerschnitt

Im folgendem wird die Schallausbreitung in einem Kanal mit rechteckigem Querschnittuntersucht. Es wird angenommen der Kanal sei unendlich lang. Weiterhin wird vor-ausgesetzt, daß die Kanalwande starr und undurchlassig also schallhart sind, und daßkeine Stromung im Kanal vorliegt. Ohne Beschrankung der Allgemeinheit wird das

0

x2 x1

x3

Abbildung 11.1: Ausrichtung des Koordinatensystems im Kanal mit rechteckigemQuerschnitt.

Koordinatensystem so gewahlt, daß die Kanalachse in x1-Richtung verlauft. Die Aus-richtung der Achsen ist in Abbildung 11.1 dargestellt. Akustische Wellen in dem Kanalmussen die Wellengleichung fur den Schalldruck

1c2∂2p′

∂t2−∆p′ = 0 (11.1.1)

erfullen. Um die Wellenausbreitung im Kanal zu verstehen, werden Losungen fur festeFrequenzen ω untersucht. Dies ist analytisch viel einfacher, als beliebige Storungenzu betrachtet. Im Allgemeinen kann jede Storung in ihre spektralen Anteile zerlegtwerden. Ist das Verhalten der einzelnen Anteile bekannt, kann die zeitliche Entwicklungder Storung vorhergesagt werden.

112

Page 62: Stroemungsakustik - Koeltzsch

11.1 Wellenausbreitung im Kanal mit rechteckigem Querschnitt

Zu Berechnung der harmonischen Losung wird der Ansatz

p′(~x, t) = f(x1)g(x2)h(x3)eiωt (11.1.2)

gewahlt. Dies stellt einen Separationsansatz dar, in dem die Abhangigkeiten von denverschiedenen Koordinaten mit den Funktionen f(x1), g(x2) und h(x3) getrennt ent-halten sind. Setzt man den Ansatz (11.1.2) in die Wellengleichung (11.1.1) ein, ergibtsich nach einigen Umformungen(ω

c

)2

f(x1) g(x2) h(x3)

+d2f

dx21

(x1) g(x2) h(x3) + f(x1)d2g

dx22

(x2) h(x3) + f(x1) g(x2)d2h

dx23

(x3) = 0

(11.1.3)

Die Zeit t ist nach dem Kurzen durch den Faktor eiωt herausgefallen.Um die Losung zu bestimmen, mussen die Funktionen f(x1), g(x2) und h(x3)

ermittelt werden. Dazu wird (11.1.3) so umgeformt, daß alle Terme mit g(x2) aufeiner Seite isoliert sind. Man erhalt

1g(x2)

d2g

dx22

(x2) = − 1f(x1)

d2f

dx21

(x1)− 1h(x3)

d2h

dx23

(x3)−(ωc

)2

(11.1.4)

Es stellt sich heraus, daß x2 auf der rechten Seite von (11.1.4) uberhaupt nicht mehrauftritt. Die linke Seite hangt ausschließlich von x2 ab, und die rechte Seite nur vonx1 und x3. Die Gleichheit muß jedoch fur alle ~x erfullt sein. Dies ist nur moglich wennbeide Seiten konstant – also unabhangig von ~x – sind. Zweckmaßigerweise wird fur dieKonstante −β2 gewahlt. Dies scheint zunachst eine Einschrankung der Allgemeinheitzu sein, da die Konstante immer negativ ist. Jedoch sind mit komplexen Werten fur βalle beliebigen Konstanten moglich. Es ergibt sich als Folge von (11.1.4) die Gleichung

1g(x2)

d2g

dx22

(x2) = −β2 (11.1.5)

Dies ist eine gewohnliche Differentialgleichung, deren allgemeine Losung in der Form

g(x2) = A2 cos(βx2) +B2 sin(βx2) (11.1.6)

geschrieben werden kann. Durch Einsetzen laßt sich leicht zeigen, daß (11.1.6) wirklichdie Gleichung (11.1.5) erfullt. Damit ist die Funktion g(x2) bis auf die drei FaktorenA2, B2 und β bestimmt. Das bedeutet, daß der Separationsansatz (11.1.2) zum Er-folg fuhrt. Die Funktion g(x2) kann unabhangig von f(x1) und h(x3) bis auf einigeKonstanten bestimmt werden.

Entsprechend zur Gleichung (11.1.4) konnen alle alle Terme, die von x3 abhangen,auf eine Seite gebracht werden. Dann ergibt sich wieder ein Ausdruck, der uberallkonstant sein muß. Die Konstante wird diesmal als −σ2 gewahlt. Man erhalt analogzu (11.1.5) eine Differentialgleichung fur h(x3). Es muß gelten

1h(x3)

d2h

dx23

(x3) = −σ2 (11.1.7)

113

Page 63: Stroemungsakustik - Koeltzsch

11 Dreidimensionale Kanalmoden

Die allgemeine Losung wird mit

h(x3) = A3 cos(σx3) +B3 sin(σx3) (11.1.8)

dargestellt. Dieser Ausdruck ist aquivalent zur Losung fur g(x2) in (11.1.6). Der glei-chen Umformungen konnen letztlich auch fur die Variable x1 und damit fur die Funk-tion f(x1) durchgefuhrt werden. Als Konstante wird −α2 gewahlt. Es ergibt sich einezu (11.1.5) und (11.1.7) analoge Differentialgleichung mit

1f(x1)

d2f

dx21

(x1) = −α2 (11.1.9)

Im folgenden wird sich zeigen, daß die fur g(x2) und h(x3) gewahlte Form der Losungbesonders gut zur Erfullung der Randbedingungen an den festen Wanden geeignet ist.Die Funktion f(x1) beschreibt die Form der Welle in Kanalrichtung. Dort sind keineRandbedingungen gegeben. In Kanalrichtung sind laufende Wellen von besonderemInteresse. Die Formen (11.1.6) und (11.1.8) mit cos- und sin-Ausdruck sind eher furstehende Wellen geeignet. Fur die Funktion f(x1) ist es zweckmaßiger, die allgemeineLosung in der Form

f(x1) = A1 e−iαx1 +B1 e

iαx1 (11.1.10)

darzustellen. Naturlich kann auch mit dem cos- und sin-Ausdruck eine laufende Welleund umgekehrt mit dem Ansatz (11.1.10) eine stehende Welle beschrieben werden.Dann werden jedoch die entstehenden Ausdrucke umfangreicher. Mit den gewahltenAnsatzen wird eine besonders einfache Darstellung erreicht.

Bisher wurde die Form der Funktionen f(x1), g(x2) und h(x3) ermittelt. Die kon-krete Losung wird durch die Konstanten Ai, Bi und die Wellenzahlen α, β und σbestimmt. Durch die Wellenzahlen wird die Wellenlange in der jeweiligen Richtungfestgelegt. Die Wellenzahlen mussen so gewahlt werden, daß die Randbedingungen anden festen Wanden erfullt werden. Die Randbedingungen reichen jedoch nur aus, umβ und σ zu bestimmen. Die Wellenzahl α ist dann indirekt durch die Beziehung

α2 + β2 + σ2 =(ωc

)2

= k2 (11.1.11)

bestimmt, die sich aus Gleichung (11.1.4) durch Einsetzen von (11.1.5), (11.1.7) und(11.1.9) ableitet.

Die Abbildung 11.2 zeigt einen Schnitt durch den Kanal. Das Koordinatensystemist so gewahlt, daß jeweils eine Kanalwand bei x2 = 0 und x3 = 0 liegt. Die Ausdehnungdes Kanals in x2- und x3-Richtung wird mit H2 und H3 bezeichnet. Die Randbedin-gung an den schallharten Wanden fordert, daß kein Medium durch die Wand stromt.Entsprechend muß die Schnellekomponente senkrecht zur Wand gleich Null sein. Esgilt daher

v′2(~x, t) = 0 bei x2 = 0, x2 = H2 (11.1.12)

undv′3(~x, t) = 0 bei x3 = 0, x3 = H3 (11.1.13)

114

Page 64: Stroemungsakustik - Koeltzsch

11.1 Wellenausbreitung im Kanal mit rechteckigem Querschnitt

� � � � � � � � � �� � � � � � � � � �� � � � � � � � � �� � � � � � � � � �� � � � � � � � � �� � � � � � � � � �� � � � � � � � � �� � � � � � � � � �� � � � � � � � � �� � � � � � � � � �

� � � � � � � � �� � � � � � � � �� � � � � � � � �� � � � � � � � �� � � � � � � � �� � � � � � � � �� � � � � � � � �� � � � � � � � �� � � � � � � � �� � � � � � � � �

0 x2

x3

x1H3

H2

Abbildung 11.2: Schnitt durch den Kanal.

Diese beiden Gleichungen stellen Bedingungen an die Schnelle. Sie sind daher nichtdirekt als Randbedingungen fur den Schalldruck geeignet. Es muß zunachst aus denBedingungen eine Beziehung fur den Schalldruck abgeleitet werden. Dazu bietet sichdie linearisierte Euler-Gleichung

ρ0

∂v′j∂t

= − ∂p′

∂xj(11.1.14)

an. An den Wanden ist die Normalkomponenten der Schnelle gleich Null. Damit ver-schwindet auch ihre zeitliche Ableitung, die auf der linken Seite von (11.1.14) steht.So ergeben sich Bedingungen an die raumliche Ableitung des Schalldrucks. Es muß

∂p′

∂x2= 0 bei x2 = 0, x2 = H2 (11.1.15)

und∂p′

∂x3= 0 bei x3 = 0, x3 = H3 (11.1.16)

gelten. Der Verlauf von ∂p′/∂x2 wird durch die Funktion g(x2) bestimmt. Damit dieBedingung (11.1.15) gilt, muß die Funktion

dgdx2

(0) =dgdx2

(H2) = 0 (11.1.17)

erfullen. Analog folgt aus (11.1.16) eine Beziehung fur h(x3) an den Wandkoordinaten:

dhdx3

(0) =dhdx3

(H3) = 0 (11.1.18)

Aus den Bedingungen bei x2 = 0 und x3 = 0 folgt sofort, daß

B2 = B3 = 0 (11.1.19)

sein muß. Sonst wurde die Ableitung der Funktion g(x2) beziehungsweise h(x3) an derStelle x2 = 0 beziehungsweise x3 = 0 wegen der Sinus-Ausdrucke nicht verschwinden.

115

Page 65: Stroemungsakustik - Koeltzsch

11 Dreidimensionale Kanalmoden

Der Cosinus-Anteil besitzt bei Null ein Maximum und erfullt die Bedingung. Damitauch an der zweiten Wand die Ableitung gleich Null wird, muß

β =mπ

H2≡ βm mit m = 0, 1, 2, . . . (11.1.20)

beziehungsweiseσ =

H3≡ σn mit n = 0, 1, 2, . . . (11.1.21)

gelten. Anschaulich bedeutet dies, daß eine ganze Zahl von halben Wellenlangen zwi-schen den Kanalwanden Platz haben muß. Dadurch werden jedoch die Wellenzahlenβ und σ nicht eindeutig festgelegt. Vielmehr gibt es eine ganze Serie von zulassigenWerten, die der Große nach geordnet mit βm und σn bezeichnet werden. Die Ord-nungszahlen sind dabei m und n. Sie legen letztlich die Form der Losung fest. Dennuber β und σ ist auch die Wellenzahl in Kanalrichtung α festgelegt. Aus (11.1.11) folgt

α =√k2 − β2 − σ2 (11.1.22)

Das bedeutet es gibt eine ganze Schar von moglichen α-Werten, die durch

α =

√(ωc

)2

−(mπ

H2

)2

−(nπ

H3

)2

≡ αmn (11.1.23)

gegeben sind. Fur jedes mn-Paar gibt es eine eigene Wellenzahl in Kanalrichtung, diemit αmn bezeichnet wird.

Setzt man die ermittelten Funktionen f(x1), g(x2) und h(x3) in den Ansatz (11.1.2)ein, dann erhalt man die Losung

p′(~x, t) = A2A3 cos(βmx2) cos(σnx3)[A1e

−iαmnx1 +B1e+iαmnx1

]eiωt (11.1.24)

Die Ordnungszahlen m und n legen die Wellenzahlen βm, σn und αmn fest. Sie bestim-men somit die Form der Losung bei einer vorgegebenen Frequenz ω. Die entsprechendeLosung wird auch als mn-Mode bezeichnet. Mit den Faktoren A1, B1, A2 und A3 wirddie Amplitude der Losung festgelegt. Fur B1 = 0 ergibt sich eine “reine” Welle in po-sitiver x1-Richtung. Entsprechend stellt die Losung fur A1 = 0 eine Welle in negativerx1-Richtung dar. Im allgemeinen Fall erhalt man eine Uberlagerung von beiden Wel-len. Eine regulare Wellenausbreitung liegt jedoch nur vor, wenn die Wellenzahl αmnreell ist. Dazu muß die Frequenz ω die Bedingung

ω > c

√(mπ

H2

)2

+(nπ

H3

)2

≡ ωC,mn (11.1.25)

erfullen. Die Große ωC,mn wird als “Cut-Off”-Frequenz der mn-Mode bezeichnet.Fur niedrigere Frequenzen, die die “Cut-Off”-Bedingung (11.1.25) nicht erfullen, ist

αmn rein imaginar. Dann beschreibt die Losung (11.1.24) eine Uberlagerung aus einemTeil, der in x1-Richtung exponentiell abklingt, und einem exponentiell anwachsenden

116

Page 66: Stroemungsakustik - Koeltzsch

11.1 Wellenausbreitung im Kanal mit rechteckigem Querschnitt

0H2

x2

x3

H3

mn=(0,0)

0H2

x2

x3

H3

mn=(1,0)

0H2

x2

x3

H3

mn=(1,1)

0H2

x2

x3

H3

mn=(3,2)

Abbildung 11.3: Momentane Druckverteilung in einem Querschnitt fur verschiedeneModen.

Teil. Ob die gesamte Losung in x1-Richtung steigt, liegt an der Wahl von A1 undB1. Fur die Modenzahlen mn = (0, 0) ergibt sich ubrigens eine ebene Wellen in oderentgegen der x1-Richtung, je nach Wahl von A1 und B1. Diese Losung wird Grundmodegenannt. Sie ist immer ausbreitungsfahig, da ωC,00 = 0 gilt.

Zur Veranschaulichung der verschiedenen Moden sind in der Abbildung 11.3 meh-rere Losungen skizziert. Es sind jeweils in einem Querschnitt des Kanals fur eine festZeit Bereiche positiven und negativen Schalldrucks markiert. In den grau schattiertenFeldern ist der Schalldruck positiv und in den Hellen negativ. Die Bilder sind sozusagenMomentaufnahmen. Zu einem anderen Zeitpunkt konnen die Bereiche mit positivenund negativen Werten vertauscht sein. Die Grenzlinien zwischen den Bereichen – diesogenannten Knotenlinien – bleiben allerdings konstant. Sie verlaufen entlang der Po-sitionen x2 und x3, an denen einer der beiden cos-Terme in (11.1.24) verschwindet.Dort hat die Losung beziehungsweise Mode immer einen Schalldruck gleich Null.

Um die Druckverteilung noch weiter zu verdeutlichen, ist in der Abbildungen 11.4der Druckverlauf entlang der Linie x3 = H3/2 (also durch die Mitte des Kanals inBezug auf x3) fur zwei Falle aufgetragen. In x2- und x3-Richtung beschreibt die Losungstehende Wellen zwischen den Kanalwanden. Es befindet sich immer ein Extremum desSchalldrucks an der Wand. Die Losungen haben dort einen sogenannten “Druckbauch”,der durch die Randbedingung der schallharten Wand erzwungen ist.

117

Page 67: Stroemungsakustik - Koeltzsch

11 Dreidimensionale Kanalmoden

0 H2x2

p′ mn=(1,0)

0 H2x2

p′ mn=(3,2)

Abbildung 11.4: Momentaner Druckverlauf in x2-Richtung entlang einer Linie bei x3 =H3/2.

Resonanter Quader

Bisher wurden nur laufende Wellen in x1-Richtung betrachtet. Es wurde angenommen,daß der Kanal in x1-Richtung zu beiden Seiten unendlich ausgedehnt ist. Wird derKanal mit schallharten Wanden auch in x1-Richtung abgeschlossen, ergibt sich einquaderformiger Raum. Im folgenden sollen die Losungen der Wellengleichung in einemsolchen Raum betrachtet werden. Eine Wand wird bei x1 = 0 und die zweite beix1 = H1 angenommen. Der Quader besitzt damit die Abmessungen H1×H2×H3. DieLosung wird wieder fur eine vorgegebene Frequenz ω gesucht. Der Separationsansatzbleibt unverandert. Die Funktion f(x1) kann nun auf gleichem Wege wie die Funktioneng(x2) und h(x3) ermittelt werden. Dazu wird der Losungsansatz

f(x1) = A1 cos(αx1) +B1 sin(αx1) (11.1.26)

angenommen. Es muß gelten

∂p′

∂x1= 0 fur x1 = 0, x1 = H1 (11.1.27)

Daraus folgtdfdx1

(0) =dfdx1

(H1) = 0 (11.1.28)

Die Bedingung bei x1 = 0 erfullt man, indem

B1 = 0 (11.1.29)

gesetzt wird. Um die Bedingung bei x1 = H1 zu erreichen, muß die Wellenzahl

α =lπ

H1≡ αl mit l = 0, 1, 2, . . . (11.1.30)

gewahlt werden. Analog zu β und σ wird durch die Randbedingung α nicht eindeutigfestgelegt. Es gibt eine ganze Reihe von moglichen Losungen, die mit αl bezeichnetwerden. Dabei ist l eine weitere Ordnungszahl.

118

Page 68: Stroemungsakustik - Koeltzsch

11.1 Wellenausbreitung im Kanal mit rechteckigem Querschnitt

Im Fall des in x1-Richtung unendlich ausgedehnten Kanals wurden β und σ durchdie Randbedingungen bestimmt, und α ergab sich indirekt aus der Beziehung

α2 + β2 + σ2 =(ωc

)2

= k2 (11.1.31)

Diese Gleichung folgte unmittelbar aus dem Losungsansatz fur p′(~x, t) nach Einsetzenin die Wellengleichung. Im Fall des Quaders ist die Wellenzahl α direkt durch die Rand-bedingungen an den zusatzlichen Wanden festgelegt. Jedoch muß Gleichung (11.1.31)immer noch gelten, damit die Wellengleichung wirklich erfullt wird. Dadurch ist dasSystem jetzt uberbestimmt. Es gibt mehr Bedingungen als Unbekannte. Tatsachlichlaßt sich nicht mehr fur jede vorgegebene Frequenz ω eine Losung finden. Die Frequenzmuß die Bedingung

ω = c√α2 + β2 + σ2 (11.1.32)

fur eine mogliche Kombination der Wellenzahlen α, β und σ erfullen. Dies wird fur dieWerte

ωlmn ≡ cπ

√(l

H1

)2

+(m

H2

)2

+(n

H3

)2

(11.1.33)

erreicht. Nur fur diese Werte ergibt sich eine harmonische Losung. Fur vorgegebeneOrdnungszahlen l, m und n hat das Druckfeld die Form

p′(~x, t) =A1A2A3 cos(αlx1) cos(βmx2) cos(σnx3) eiωlmnt

≡A1A2A3 p′lmn(~x, t)

(11.1.34)

Anschaulich beschreibt die Losung stehende Wellen, die in den Quader “hineinpassen”.Dies ist nur bei den ausgezeichneten Frequenzen nach (11.1.33) – den Resonanzfrequen-zen – moglich. Fur andere Frequenzen erhalt man keine Losung mit dem harmonischenAnsatz.

Theoretisch halten sich die stehenden Wellen bei den Resonanzfrequenzen unend-lich lange, wenn sie einmal angeregt wurden. In der Praxis wird jedoch jede Schwin-gung durch Warmeleitung und Reibung gedampft. Regt man in dem Quader mit ei-nem Lautsprecher harmonische Schwingungen an, so ergibt sich ein Stehwellenfeld,das zusatzlich die periodischen Randbedingungen am Lautsprecher erfullt. Stimmt dieAnregungsfrequenz mit einer Resonanzfrequenz uberein, so kann eine sogenannte Re-sonanzkatastrophe eintreten.

In der Realitat laßt sich eine einzelne Mode – zum Beispiel mit einem Lautspre-cher in der Seitenwand – nur sehr schwer gezielt erzeugen. Im allgemeinen wird eineUberlagerung aus viele Moden angeregt, so daß die reale Losung als Summe

p′(~x, t) =∑l

∑m

∑n

Blmn p′lmn(~x, t) (11.1.35)

dargestellt werden muß.

119

Page 69: Stroemungsakustik - Koeltzsch

11 Dreidimensionale Kanalmoden

11.2 Harmonische Losungen der Wellengleichung beiZylindersymmetrie

Bevor die Schallausbreitung in einem runden Kanal behandelt wird, soll auf die Losungder Wellengleichung im zylindersymmetrischen Fall eingegangen werden. Die sich er-gebenden Erkenntnisse werden spater bei der Behandlung des runden Kanals nutzlichsein. Es wird die Wellengleichung

1c2∂2φ

∂t2−∆φ = 0 (11.2.1)

betrachtet. Die physikalische Bedeutung der Große φ spielt an dieser Stelle keine Rolle,da es zunachst um eine rein mathematische Betrachtung geht. φ kann der Schalldruck,das akustische Potential oder irgendeine andere physikalische Große sein, fur die dieWellengleichung gilt. Es werden nur harmonische Losungen zugelassen, die dem Ansatz

φ(~x, t) = ϕ(~x) eiωt (11.2.2)

entsprechen. Einsetzen in (11.2.1) fuhrt auf die Helmholtz-Gleichung

∆ϕ+ k2ϕ = 0 (11.2.3)

fur die komplexe Amplitude ϕ.Es sollen nur zylindersymmetrische Losungen betrachtet werden. Dazu werden die

Zylinderkoordinaten (r, θ, z) eingefuhrt. Sie sind mit den kartesischen Koordinatendurch die Beziehungen

x1 = r cos θx2 = r sin θx3 = z

(11.2.4)

verknupft. In der Abbildung 11.5 sind die Koordinaten veranschaulicht. Die Koordinater gibt den Abstand von der x3-Achse an. θ stellt ein Winkel in der x1, x2-Ebenedar, und z stimmt einfach mit x3 uberein. In dem neuen Koordinatensystem hat derLaplace-Operator die Form

∆ =1r

∂r

(r∂

∂r

)+

1r2

∂2

∂θ2+

∂2

∂z2(11.2.5)

Bei Zylindersymmetrie ist das Feld ϕ ausschließlich von r abhangig. Die Ableitungenvon ϕ nach θ und z verschwinden. Weiterhin kann die partielle Ableitung nach r durcheine Gewohnliche ersetzt werden. Es gilt

∆ϕ =1r

ddr

(r

dϕdr

)(11.2.6)

Durch Einsetzen von (11.2.6) in die Helmholtz-Gleichung erhalt man schließlich furden zylindersymmetrischen Fall

d2ϕ

dr2+

1r

dϕdr

+ k2ϕ = 0 (11.2.7)

120

Page 70: Stroemungsakustik - Koeltzsch

11.2 Harmonische Losungen der Wellengleichung bei Zylindersymmetrie

θ

r

z

P

x1

x2

x3

Abbildung 11.5: Zur Darstellung eines Punktes P in Zylinderkoordinaten.

Mathematisch betrachtet ist dies eine gewohnliche Differentialgleichung zweiter Ord-nung fur die Funktion ϕ(r). Die Losung dieser Differentialgleichung findet man inFormelsammlungen. Allerdings ist dort meist eine etwas andere Form angegeben. Umsie zu erhalten wird eine neue Funktion mit

a(kr) = ϕ(r) (11.2.8)

definiert. Passend dazu wird die Variable

s = kr (11.2.9)

eingefuhrt. Zwischen den Ableitungen der beiden Funktionen a(s) und ϕ(r) gelten dieZusammenhange

dϕdr

= kdads

undd2ϕ

dr2= k2 d2a

ds2(11.2.10)

Durch Einsetzen erhalt man aus (11.2.7) eine Differentialgleichung fur a(s). Sie lautet

d2a

ds2+

1s

dads

+ a = 0 (11.2.11)

Dies ist der Spezialfall ν = 0 der klassischen Besselschen Differentialgleichung

s2 d2a

ds2+ s

dads

+ (s2 − ν2) a = 0 (11.2.12)

Die Große ν wird ublicherweise als die Ordnung der Gleichung bezeichnet. Es zeigtsich, daß man in wenigen Schritten von der Wellengleichung – mit den Annahmen einerharmonischen Losung und Zylindersymmetrie – auf die Besselsche Differentialgleichungnullter Ordnung gelangt.

121

Page 71: Stroemungsakustik - Koeltzsch

11 Dreidimensionale Kanalmoden

Vergleich mit dem eindimensionalen und kugelsymmetrischen Fall

Die sogenannten Bessel-Funktionen sind Losungen der Besselsche Differentialgleichung.Bevor auf die Losungen naher eingegangen wird, soll hier der Zusammenhang der Dif-ferentialgleichung (11.2.7) und der Helmholtz-Gleichung noch weiter verdeutlicht wer-den. Dies geschieht anhand einer Gegenuberstellung verschiedener Falle. Es soll dabeidie Losung ϕ nur von einer Koordinate abhangen. Damit die abgeleiteten Formeln bes-ser verglichen werden konnen, wird die Koordinate immer mit r bezeichnet, obwohlsie jedesmal eine andere Bedeutung besitzt.

Im ersten Fall wird eine eindimensionale Losung betrachtet. Das Feld ϕ soll nurvon x1 abhangen. Entsprechend wird

r = x1 (11.2.13)

gesetzt. In dem eindimensionalen Fall gilt einfach

∆ϕ =d2

dr2ϕ (11.2.14)

Man kann r dabei auch als Abstand ansehen. Nur ist jetzt nicht der Abstand voneinem Punkt oder einer Achse sondern von der Ebene x1 = 0 gemeint. Im zweitenFall wird Zylindersymmetrie angenommen. Die Situation ist zweidimensional. In x3-Richtung ist die Losung konstant. In Zylinderkoordinaten ist r dann der Abstand vonder x3-Achse. Es gilt

r =√x2

1 + x22 (11.2.15)

Wie bereits in Gleichung (11.2.6) dargestellt, ergibt sich in diesem Fall

∆ϕ =1r

ddr

(r

ddr

)ϕ (11.2.16)

fur den Laplace-Ausdruck. Im dritten Fall wird Kugelsymmetrie angenommen. Eswird ein dreidimensionales Feld ϕ(r) betrachtet. Die Koordinate r ist der Abstandvom Ursprung mit

r =√x2

1 + x22 + x2

3 (11.2.17)

In Kugelkoordinaten gilt

∆ϕ =1r2

ddr

(r2 d

dr

)ϕ (11.2.18)

Zu bemerken ist, daß sich die Laplace-Ausdrucke auf den rechten Seiten von (11.2.14),(11.2.16) und (11.2.18) formal nur durch den Exponenten von r unterscheiden. DennGleichung (11.2.14) konnte auch als

∆ϕ =1r0

ddr

(r0 d

dr

)ϕ (11.2.19)

geschrieben werden. Durch die unterschiedlichen Ausdrucke fur ∆ϕ in den verschie-denen Koordinatensystemen, leiten sich aus der Helmholtz-Gleichung (11.2.3) auchverschiedene Bestimmungsgleichungen fur ϕ(r) ab.

122

Page 72: Stroemungsakustik - Koeltzsch

11.2 Harmonische Losungen der Wellengleichung bei Zylindersymmetrie

Durch Einsetzen von (11.2.14) ergibt sich im eindimensionalen Fall

d2ϕ

dr2+ k2ϕ = 0 (11.2.20)

Im zweidimensionalen Fall bei Zylindersymmetrie erhalt man

d2ϕ

dr2+

1r

dϕdr

+ k2ϕ = 0 (11.2.21)

und bei Kugelsymmetrie folgt

d2ϕ

dr2+

2r

dϕdr

+ k2ϕ = 0 (11.2.22)

Die drei Differentialgleichungen unterscheiden sich lediglich durch den Faktor vor denTerm mit der ersten Ableitung. In Gleichung (11.2.20) konnte theoretisch als zweiterTerm noch

0r

dϕdr

= 0 (11.2.23)

eingefugt werden.Die allgemeine Losungen der Differentialgleichung (11.2.20) lautet

ϕ(r) = A sin(kr) +B cos(kr) (11.2.24)

Dabei sind A und B Faktoren, die durch Anfangs- oder Randbedingungen bestimmtwerden. Die allgemeine Losungen der Differentialgleichung (11.2.22) kann als

ϕ(r) = Asin(kr)r

+Bcos(kr)

r(11.2.25)

dargestellt werden. Sowohl fur den eindimensionalen als auch fur den kugelsymme-trischen Fall lassen sich die Losungen mit Hilfe der Sinus- und Cosinus-Funktionenausdrucken. Wie die Losung im zweidimensionalen, zylindersymmetrischen Fall aus-sieht, soll im folgenden vorgestellt werden sollen.

Bessel- und Neumann-Funktionen

Um die Losung der Besselschen Differentialgleichung zu finden wird ein sogenannterPotentialreihenansatz aufgestellt:

a(s) =∞∑m=0

cm sl+m (11.2.26)

Dabei sind cm Koeffizienten, und l ist ein freier Index. Fur weitere mathematischeDetails und den genauen Losungsweg sei hier auf die einschlagige Literatur verwiesen.

123

Page 73: Stroemungsakustik - Koeltzsch

11 Dreidimensionale Kanalmoden

Durch Bestimmen der Koeffizienten erhalt man letztlich als Losung der BesselschenDifferentialgleichung (11.2.12) den Ausdruck

a(s) =∞∑m=0

(−1)m( 12s)

ν+2m

m! Γ(ν +m+ 1)≡ Jν(s) (11.2.27)

Die Losung wird im allgemeinen mit den Symbol Jν dargestellt. Sie wird Bessel-Funktion ν-ter Ordnung genannt. Da Gleichung (11.2.7) der Besselschen Differenti-algleichung nullter Ordnung entspricht, ist hier zunachst nur die Besselfunktionen J0

von Interesse.In Gleichung (11.2.27) kommt die sogenannte Gammafunktion vor. Sie ist durch

Γ(ν + 1) =

∞∫0

e−ξ ξν dξ (11.2.28)

definiert. Es giltΓ(ν + 1) = ν Γ(ν) (11.2.29)

Die Gammafunktion stellt eine Verallgemeinerung der Fakultat auf reelle Argumen-te dar. Ist ν einen ganze Zahl, kann die Gammafunktion durch einen Ausdruck mitFakultat ersetzt werden, denn es gilt

Γ(n+ 1) = n! fur n ∈ N (11.2.30)

Die Besselsche Differentialgleichung ist eine Gleichung zweiter Ordnung. Es mußdaher noch eine zweite linear unabhangige Losung geben. Fur eine Darstellung, wiediese zweite Losung gefunden werden kann, wird wieder auf einschlagige Literaturverwiesen. Die zweite Losung wird ublicherweise mit Yν bezeichnet und Neumann-Funktion genannt. Fur nichtganzzahlige ν besteht der Zusammenhang

Yν(s) =1

sin(νπ)[Jν(s) cos(νπ)− J−ν(s)

]fur ν 6= 0, 1, 2, . . . (11.2.31)

zwischen Neumann- und Bessel-Funktionen. Die Neumann-Funktion kann fur alle ν alseine unendliche Reihe dargestellt werden. Die Formel ist allerdings sehr umfangreich,und daher wird sie hier nicht angegeben. Stattdessen sind die Bessel- und Neumann-Funktionen fur ganzzahlige ν, die fur die akustischen Anwendungen besonders vonInteresse sind, in der Abbildungen 11.6 veranschaulicht. Die Bessel-Funktionen J1(s),J2(s), usw. verschwinden bei s = 0. Dagegen ist J0(0) = 1. Die Neumann-Funktionenbesitzen bei s = 0 alle eine Singularitat. Alle Funktionen besitzen unendlich vieleNullstellen.

Die allgemeine Losung der Besselschen Differentialgleichung ν-ter Ordnung wirdaus einer Linearkombination der beiden Losungen gebildet. Es ergibt sich

a(s) = AJν(s) +B Yν(s) (11.2.32)

124

Page 74: Stroemungsakustik - Koeltzsch

11.2 Harmonische Losungen der Wellengleichung bei Zylindersymmetrie

a(s)

1.0

0.0

−1.0

J0

J1 J2 J3

s

15.010.05.0

a(s)

1.0

0.0

−1.0

Y0 Y1 Y2 Y3

s

15.010.05.0

Abbildung 11.6: Bessel- und Neumann-Funktionen.

Damit kann auch die allgemeine Losung der Helmholtz-Gleichung im zylindersymme-trischen Fall angegeben werden. Nach (11.2.8) gilt ϕ(r) = a(kr). Die Ordnung derBesseleschen Differentialgleichung ist ν = 0. Die Losung lautet damit

ϕ(r) = AJ0(kr) +B Y0(kr) (11.2.33)

Stehende und laufende Wellen

Ausgangspunkt fur die gesamte Uberlegung war die Wellengleichung (11.2.1) fur dieGroße φ. Bei Zylindersymmetrie hangt φ nur vom Abstand r und von der Zeit t ab.Es gilt

φ = φ(r, t) = ϕ(r) eiωt (11.2.34)

Setzt man auf der rechten Seite (11.2.33) ein, ergibt sich

φ(r, t) =[AJ0(kr) +B Y0(kr)

]eiωt (11.2.35)

Durch die Wahl der Faktoren A und B lassen sich verschiedene Losungsformen er-zeugen. Wenn jeweils einer der Faktoren gleich Null gesetzt wird, erhalt man zum

125

Page 75: Stroemungsakustik - Koeltzsch

11 Dreidimensionale Kanalmoden

Beispielφ1(r, t) = AJ0(kr) eiωt

φ2(r, t) = B Y0(kr) eiωt(11.2.36)

Beide Losungen φ1 und φ2 stellen stehende Wellen dar. In einem Abstand r, bei demJ0(kr) = 0 wird, ergibt sich fur alle Zeiten φ1 = 0. An den Positionen, an denen J0(kr)ein lokales Maximum oder Minimum besitzt, ergibt sich ein sogenannter Bauch. Dortschwankt die Losung φ1 mit besonders großer Amplitude.

An dieser Stelle wird noch einmal mit der Losung (11.2.24) fur den eindimensiona-len Fall verglichen. Zu beachten ist, daß dabei wieder

r = x1 (11.2.37)

gesetzt wird. Setzt man (11.2.24) auf der rechten Seite von (11.2.34) ein, ergibt sich

φ(r, t) =[A sin(kr) +B cos(kr)

]eiωt (11.2.38)

Beispiele fur einfache eindimensionale Losungen sind dann mit

φ1(r, t) = A sin(kr) eiωt

φ2(r, t) = B cos(kr) eiωt(11.2.39)

gegeben. Genau wie oben beschreiben auch diese beiden Losungen stehende Wellen.Eine laufende ebene Welle wird zum Beispiel durch die Form

φ3(r, t) = C e±ikr · eiωt = C ei(ωt±kr) (11.2.40)

ausgedruckt. Die Losung φ3 kann durch Linearkombination der Losungen φ1 und φ2

erzeugt werden, denn es gilt

e±ikr = cos(kr)∓ i sin(kr) (11.2.41)

Jetzt wird wieder der zylindersymmetrischen Fall betrachtet. Auch hier kann durchUberlagerung der Losungen φ1 und φ2 aus (11.2.36) eine laufende Welle erzeugt wer-den. Um die Darstellung zu vereinfachen, werden die sogenannten Hankel-Funktionenmit

H(1)ν (s) = Jν(s) + iYν(s)

H(2)ν (s) = Jν(s)− iYν(s)

(11.2.42)

definiert. Sie enthalten die notwendigen Linearkombinationen, um laufende Wellen zubilden. Die Hankel-Funktionen ubernehmen sozusagen im zylindersymmetrischen Falldie Aufgabe, die im eindimensionalen Fall der Ausdruck e±ikr hat.

Mit den Hankel-Funktionen kann eine zu (11.2.35) alternative Form der Losungangegeben werden. Sie lautet

φ(r, t) = AH(2)0 (kr) · eiωt︸ ︷︷ ︸

Welle nach außen

+ BH(1)0 (kr) · eiωt︸ ︷︷ ︸

Welle nach innen

(11.2.43)

126

Page 76: Stroemungsakustik - Koeltzsch

11.3 Wellenausbreitung im Kanal mit rundem Querschnitt

Bestimmungsgleichungfur ϕ bei Symmetrieϕ = ϕ(r)

Allgemeine Losung(reelle und komplexeVariante)

1D:KartesischeKoordinaten

r = x1

d2ϕ

dr2+ k2ϕ = 0

ϕ(r) = A sin(kr) +B cos(kr)oderϕ(r) = Ae−ikr +B e+ikr

2D:Zylinder-koordinaten

r =√x2

1 + x22

d2ϕ

dr2+

1r

dϕdr

+ k2ϕ = 0ϕ(r) = AJ0(kr) +B Y0(kr)oderϕ(r) = AH

(2)0 (kr)+BH(1)

0 (kr)

3D:Kugelkoordinaten

r =√x2

1 + x22 + x2

3

d2ϕ

dr2+

2r

dϕdr

+ k2ϕ = 0ϕ(r) = A

sin(kr)r

+Bcos(kr)

roder

ϕ(r) = Ae−ikr

r+B

e+ikr

r

Tabelle 11.1: Zur Losung der Helmholtz-Gleichung in verschiedenen Koordinatensy-stemen.

Im Prinzip sind die beiden Varianten der Losung gleichwertig. Die Form (11.2.35) istbei der Beschreibung von stehenden Wellen zu bevorzugen. Dagegen ist mit (11.2.43)die Darstellung von laufenden Wellen einfacher. In der Tabelle 11.1 ist eine Ubersichtder Losungen ϕ der Helmholtz-Gleichung in den verschiedenen Koordinatensystemengegeben.

11.3 Wellenausbreitung im Kanal mit rundemQuerschnitt

Nachdem im vorangegangenen Abschnitt eine zylindersymmetrische Losung der Wel-lengleichung betrachtet wurde, wird im folgenden die Wellenausbreitung in einem Rohruntersucht. Zweckmaßigerweise werden auch dabei die Zylinderkoordinaten verwendet.Der Radius des Rohres wird mit R bezeichnet. Der Abstand von der Rohrachse ist r.Die Koordinate in Richtung der Rohrachse ist z. Die Große θ gibt den Winkel relativzu einer festgelegten Richtung an. Das Rohr ist in Achsrichtung unendlich ausgedehnt.

127

Page 77: Stroemungsakustik - Koeltzsch

11 Dreidimensionale Kanalmoden

r θ

z

Abbildung 11.7: Lage der Koordinaten im Rohr.

Das Druckfeld im Kanal soll die Wellengleichung

1c2

∂2p′

∂t2−∆p′ = 0 (11.3.1)

erfullen. In Zylinderkoordinaten lautet diese Gleichung

1c2

∂2p′

∂t2− 1r

∂r

(r∂p′

∂r

)− 1r2

∂2p′

∂θ2− ∂2p′

∂z2= 0 (11.3.2)

Analog zum Fall mit rechteckigem Querschnitt wird von einem Separationsansatz mitharmonischer Zeitabhangigkeit

p′(z, r, θ, t) = f(z) g(r)h(θ) · eiωt (11.3.3)

ausgegangen. Einsetzen dieses Ansatzes in (11.3.2) ergibt

1g(r)

·[

1r

ddr

(r

dgdr

(r))]

+1

h(θ)·[

1r2

d2h

dθ2(θ)]

+1

f(z)· d2f

dz2(z) +

(ωc

)2

= 0 (11.3.4)

Der eiωt-Faktor wurde dabei bereits herausgekurzt. Es wird wie im Fall des Kanalsmit rechteckigem Querschnitt aus Abschnitt 11.1 vorgegangen. Um die Funktionenf(z), g(r) und h(θ) zu bestimmen, muß die Gleichung so umgeformt werden, daß alleTerme mit den jeweiligen Variablen auf einer Seite isoliert werden. Wird der zweiteSummand auf die rechte Seite gebracht und anschließend mit r2 multipliziert, dannhangt die rechte Seite ausschließlich von θ ab. Auf der linken Seite tritt θ nicht mehrauf. Damit die Gleichheit fur alle Kombinationen r, z und θ erfullt ist, mussen beideSeiten unabhangig von r, z und θ – also konstant – sein. Die Konstante wird mit −σ2

bezeichnet. Damit ergibt sich eine Bestimmungsgleichung fur die Funktion h mit

1h(θ)

· d2h

dθ2(θ) = −σ2 (11.3.5)

128

Page 78: Stroemungsakustik - Koeltzsch

11.3 Wellenausbreitung im Kanal mit rundem Querschnitt

Auch die von der Variablen z abhangigen Terme lassen sich auf einer Seite isolieren.Es ergibt sich die Bestimmungsgleichung fur die nachste Funktion mit

1f(z)

· d2f

dz2(z) = −α2 (11.3.6)

Problematisch wird es jedoch mit der Variablen r. Sie tritt nicht nur im ersten sondernauch im zweiten Summand in Gleichung (11.3.4) auf. Die Gleichung kann nicht soumgeformt werden, daß eine Seite nur von r abhangt und die andere uberhaupt nicht.Dadurch ist die direkte Herleitung einer Bestimmungsgleichung fur g(r) unmoglich.Eine Bestimmungsgleichung ergibt sich, wenn zum Beispiel die Konstante σ schonbekannt ist. Der zweite Summand in (11.3.4) entspricht

1r2· 1h(θ)

· d2h

dθ2(θ) = −σ

2

r2(11.3.7)

Wird σ fest vorgegeben, so kann der zweite Summand in (11.3.4) durch die rechte Seitevon (11.3.7) ersetzt werden. Die Variable θ kommt dann nicht mehr vor, und die vonr abhangigen Terme konnen auf eine Seite gebracht werden. Die andere Seite hangtausschließlich von z ab. Beide Seiten mussen wieder konstant sein. Die Konstante wirdmit −β2 bezeichnet. Es folgt die Bestimmungsgleichung

1g(r)

·[

1r

ddr

(r

dgdr

(r))]− σ2

r2= −β2 (11.3.8)

Zu beachten ist, daß fur diese Gleichung σ eine vorgegebene und β eine zu bestimmendeKonstante ist.

Einsetzen von (11.3.8) und (11.3.6) in (11.3.4) ergibt schließlich noch einen Zusam-menhang zwischen den Konstanten und der Frequenz. Es folgt(ω

c

)2

= α2 + β2 (11.3.9)

Damit ist festgelegt, wie die Losung (11.3.3) zu bestimmen ist. Zuerst muß die Losungfur h(θ) gefunden und die Konstante σ ermittelt werden. Ist diese bekannt, kann auchg(r) mit Hilfe von (11.3.8) berechnet werden. Damit ergibt sich die Konstante β. Durchdie Beziehung (11.3.9) kann letztlich auch α angegeben werden.

Zur Bestimmung von h(θ) wird der Ansatz

h(θ) = A3 e−iσθ +B3 e

iσθ (11.3.10)

gewahlt. Dieser Ausdruck stellt eine allgemeine Losung von (11.3.5) dar. Die FaktorenA3 und B3 sowie die Konstante σ mussen so gewahlt werden, daß die Randbedin-gungen erfullt sind. Die Randbedingungen an die Funktion h(θ) sind jedoch nicht sooffensichtlich, wie etwa die Randbedingungen bei festen Wanden. Die Rander sind beiθ = 0 und θ = 2π gegeben. Die Koordinate θ = 0 ist nicht durch eine physikalischeGegebenheit festgelegt, sondern die Richtung θ = 0 wird einfach definiert. Die Wahl

129

Page 79: Stroemungsakustik - Koeltzsch

11 Dreidimensionale Kanalmoden

von θ = 0 sollte jedoch keinen Einfluß auf die Losung der Wellengleichung haben. Dieswird durch die Wahl einer sogenannten “periodischen Randbedingung” garantiert. Essoll

h(θ) = h(θ + 2π) (11.3.11)

gelten. Dieser Ausdruck stellt eine Bedingung dar, die unabhangig von der Wahl derRichtung θ = 0 ist.

Die periodische Randbedingung wird erfullt, wenn man die Konstante

σ = 0, 1, 2, . . . (11.3.12)

wahlt. Dann liefert der Ansatz (11.3.10) eine periodische Losung, die sich bei θ = 2πwiederholt. Das bedeutet, die Konstante σ ist durch die Randbedingung nicht eindeutigfestgelegt. Es gibt eine ganze Serie von moglichen Werten, die mit

σ = σm = m (11.3.13)

bezeichnet werden konnen. Dabei ist m wieder eine Ordnungszahl, die mit

m = 0, 1, 2, . . . (11.3.14)

gegeben ist. Durch die periodische Randbedingung sind die Faktoren A3 und B3 nichtfestgelegt. Sie konnen unabhangig voneinander frei gewahlt werden.

In nachsten Schritt soll g(r) naher bestimmt werden. Dazu wird Gleichung (11.3.8)zu

r2 d2g

dr2(r) + r

dgdr

(r) +(β2r2 − σ2

)g(r) = 0 (11.3.15)

umgeformt. Mit den Substitutionen

s = βr ; a(s) = a(βr) = g(r) ; ν = σ (11.3.16)

ergibt sich aus (11.3.15) die Besselsche Differentialgleichung in der klassischen Form

s2 d2a

dr2(s) + s

dads

(s) +(s2 − ν2

)a(s) = 0 (11.3.17)

Die allgemeine Losung dieser Differentialgleichung lautet

a(s) = AJν(s) +B Yν(s) (11.3.18)

Die Ordnung ν der Besselschen Differentialgleichung stimmt hier mit der Ordnungs-zahl m uberein: ν = σ = m. Das heißt, die Ordnungszahl m legt nicht nur die Losungfur h(θ) sondern auch die Bestimmungsgleichung fur g(r) (und damit naturlich auchdie Losung) fest. Es ergibt sich die allgemeine Losung

g(r) = A2 Jm(βr) +B2 Ym(βr) (11.3.19)

Diese muß ebenfalls Randbedingungen erfullen. An der Wand des Rohres ist die radialeSchnelle u′R gleich Null. Es gilt

u′R = 0 bei r = R (11.3.20)

130

Page 80: Stroemungsakustik - Koeltzsch

11.3 Wellenausbreitung im Kanal mit rundem Querschnitt

Daraus folgt fur die Ableitung des Drucks

∂p′

∂r= 0 bei r = R (11.3.21)

und es ergibt sich die Randbedingung

dgdr

(R) = 0 (11.3.22)

Es muß noch eine zweite Randbedingung bei r = 0 gefordert werden. Bei r = 0 iststrenggenommen die Differentialgleichung in der Form (11.3.2) nicht gultig. Der allge-meine Ausdruck (11.3.19) laßt formal auch Losungen g(r) mit einer Singularitat beir = 0 zu. Damit wurde sich nach dem Ansatz (11.3.3) dort ebenfalls eine Singularitatdes Schalldrucks ergeben. Die singulare Losung fuhrt dann an der Stelle r = 0 (ent-lang der Rohrachse) zu einer linienformigen Massenquelle, die periodisch schwankt.Eine Zufuhr oder Abfuhr von Masse an diesem Ort ist in der Praxis normalerweiseauszuschließen. Die physikalische Randbedingung lautet daher, daß bei r = 0 keineMassenquelle vorliegt. Formal bedeutet dies, daß die Losung bei r = 0 endlich seinmuß. Es werden daher alle Losungen fur g(θ) mit einer Singularitat bei r = 0 ausge-schlossen. Daraus folgt direkt, daß der Faktor vor der Neumann-Funktion in (11.3.19)verschwinden muß. Damit ist

B2 = 0 (11.3.23)

und (11.3.19) vereinfacht sich zu

g(r) = A2 Jm(βr) (11.3.24)

Die Konstante β muß nun so gewahlt werden, daß

dJmds

(βR) = 0 (11.3.25)

gilt. Mit dem Faktor β wird der Abstand r so skaliert, daß die Funktion Jm(βr) geradebei r = R ein Maximum oder Minimum hat. Da die Bessel-Funktionen unendlich vielelokale Extrema besitzen, ergeben sich auch unendlich viele Moglichkeiten β zu wahlen.

Die Positionen der lokalen Extrema werden der Große nach geordnet und mit einerzweiten Ordnungszahl n = 0, 1, 2, . . . durchnumeriert. Mit smn ist das n-te lokaleExtrema der Bessel-Funktion m-ter Ordnung bezeichnet. Es gilt

dJmds

(smn) = 0 (11.3.26)

Zu bemerken ist, daß das lokale Minima bei s = 0 fur die hoheren Ordnungen m > 0nicht berucksichtigt wird. Bei s = sm0 besitzt die Bessel-Funktion m-ter Ordnung ihrerstes Maximum und bei s = sm1 ihr erstes Minimum. Es gilt

s00 = 0; sm0 > 0 fur m = 1, 2, . . . (11.3.27)

131

Page 81: Stroemungsakustik - Koeltzsch

11 Dreidimensionale Kanalmoden

Fur die Wahl der Konstante β ergeben sich nun die Moglichkeiten

β =smnR≡ βmn (11.3.28)

um die Randbedingung (11.3.22) zu erfullen. Die Losung fur g(r) hangt damit vonzwei Ordnungszahlen m und n ab:

g(r) = A2 Jm(βmnr) (11.3.29)

Dies bringt zum Ausruck, daß in der Losung fur g(r) indirekt die Losung fur h(θ) unddie Konstante σm mit eingegangen ist.

Bisher wurden die Funktionen h(θ) und g(r) bestimmt. Die allgemeine Losung furdie Funktion f(z) kann durch den Ansatz

f(z) = A1 e−iαz +B1 e

iαz (11.3.30)

ausgedruckt werden. Dieser Ansatz lost die Bestimmungsgleichung fur f(z). An f(z)werden keine Randbedingungen gestellt. Die Konstante α wird uber die Beziehung(11.3.9) aus der Konstante β ermittelt. Fur vorgegebene Ordnungszahlen m und nergibt sich

α =

√(ωc

)2

− β2mn ≡ αmn (11.3.31)

Die Losung fur den Schalldruck lautet schließlich

p′(z, r, θ, t) = (A3 e−imθ +B3 e

imθ) · A2 Jm(βmnr) · (A1 e−iαmnz +B1 e

iαmnz) · eiωt(11.3.32)

Dieser Ausdruck reprasentiert das Druckfeld in der Mode (m,n). Die Ordnungszah-len bestimmen die Form der Losung beziehungsweise der Mode. Zusatzlich haben dieKonstanten A1, B1, A3 und B3 einen Einfluß auf das zeitliche Verhalten der Losung.

Zunachst soll die momentane Druckverteilung in einem Querschnitt betrachtetwerden. In der Abbildung 11.8 sind Isolinien des Schalldrucks in einem Querschnittfur verschiedene Moden dargestellt. Die dunklen Bereiche markieren einen negativenSchalldruck und die hellen einen positiven Wert. Auf die Darstellung der Grundmodemn = (0, 0) wurde verzichtet. Fur sie ist der Schalldruck im gesamten Querschnittkonstant.

Die Ordnungszahl n legt die Anzahl der Knotenringe um die Mitte fest. Die Zahl mgibt die Periode in Umfangsrichtung an. Sie definiert auch die Anzahl der Knotenlinien,die gerade durch die Mitte laufen. Der radiale Verlauf von der Mitte zum Rand ist durchdie entsprechende Bessel-Funktion Jm gegeben. Die Form der Druckverteilung in einemQuerschnitt ist von A3 und B3 unabhangig. Die Wahl von A3 und B3 bestimmt nurdie Amplitude und die Phase. Das bedeutet, durch Variation von A3 und B3 konnendie dargestellten Druckverteilungen in der Amplitude skaliert und gedreht werden. DerEinfluß der beiden Parameter wird erst deutlich, wenn das gesamte Rohr und nichtnur ein Querschnitt betrachtet wird. In der Abbildung 11.9 ist die Druckverteilung ander Rohrwand zu einem festen Zeitpunkt fur verschiedene Verhaltnisse von A3 zu B3

132

Page 82: Stroemungsakustik - Koeltzsch

11.3 Wellenausbreitung im Kanal mit rundem Querschnitt

mn=(1,0) mn=(1,1)

mn=(2,0) mn=(2,1)

Abbildung 11.8: Momentane Druckverteilungen in einem Querschnitt fur verschiedeneModen.

dargestellt. Helle Bereiche markieren wieder einen positiven Wert und dunkle Bereicheeinen Negativen. In allen drei Fallen ist m = 1. Die Ordnungszahl n spielt fur dieVerteilung des Wanddrucks keine Rolle, da sie nur den radialen Verlauf beeinflußt.

Bei A3 = 1 und B3 = 0 liegt eine sogenannte “Spinning Mode” vor, die ein spi-ralformiges Druckfeld besitzt. Eine vergleichbare Verteilung – nur mit entgegengesetz-ter Drehrichtung – ergibt sich fur A3 = 0 und B3 = 1. In dem Fall A3 = B3 ergibtsich eine ganz andere Situation. Die Knotenlinien, die die Bereiche mit negativen undpositiven Wandruck voneinander trennen, verlaufen exakt in Kanal- beziehungsweisez-Richtung oder in Umfangs- beziehungsweise θ-Richtung. Ein gemischtes Bild ergibtdie Wahl von A3 = 2B3.

Anhand der Abbildungen kann man sich auch die zeitliche Entwicklung der Losun-gen verdeutlichen. Betrachtet man die Losung fur einen festen Winkel θ und einenfesten Radius r (wie zum Beispiel an der Wand bei r = R), gilt die Proportionalitat

p′ ∼ (A1 e−iαmnz +B1 e

iαmnz) · eiωt = A1 ei(ωt−αmnz) +B1 e

i(ωt+αmnz) (11.3.33)

Der Ausdruck beschreibt eine Wellenausbreitung in z-Richtung. Die Phasengeschwin-digkeit ist durch die Wellenzahl αmn gegeben. Ist αmn eine reelle Zahl

αmn ∈ R (11.3.34)

133

Page 83: Stroemungsakustik - Koeltzsch

11 Dreidimensionale Kanalmoden

z

A3 = 1.0

B3 = 0.0

z

A3 = 1.0

B3 = 0.5

z

A3 = 1.0

B3 = 1.0

Abbildung 11.9: Druckverteilung an der Rohrwand fur die Ordnungszahl m = 1.

134

Page 84: Stroemungsakustik - Koeltzsch

11.3 Wellenausbreitung im Kanal mit rundem Querschnitt

ergibt sich eine regulare Wellenausbreitung. Fur B1 = 0 erhalt man eine reine Aus-breitung in positiver z-Richtung, fur A1 = 0 in negativer z-Richtung, und die WahlA1 = B1 fuhrt zu einer stehenden Welle. Betrachtet man den ersten Fall B1 = 0,so verschiebt sich das Druckfeld im Rohr mit der Zeit einfach in positive z-Richtung,ohne sich zu verformen.

Je nachdem, ob es sich um eine “Spinning Mode” handelt oder nicht, folgen durchdiese Verschiebung verschiedenen zeitliche Entwicklungen in einem Querschnitt. Dieswird klar, wenn man die Losung fur feste Werte z und r betrachtet. Dann gilt dieProportionalitat

p′ ∼ (A3 e−imθ +B3 e

imθ) · eiωt = A3 ei(ωt−mθ) +B3 e

i(ωt+mθ) (11.3.35)

Der Ausdruck beschreibt eine Wellenausbreitung in θ-Richtung. Fur A3 = 1 und B3 =0 ergibt sich eine reine Ausbreitung in positiver θ-Richtung. Anschaulich entsprichtdies einer Drehung der Druckverteilung mit einer Winkelgeschwindigkeit, die durchdie Ordnungszahl m festgelegt wird. Fur A3 = 0 und B3 = 1 ware die Drehrichtungentgegengesetzt. Die Drehung erklart den Ausdruck “Spinning Mode”, mit dem solcheLosungen bezeichnet werden. Bei A3 = B3 schwankt die Amplitude des Druckfeldesin einem Querschnitt ohne sich zu drehen. Das entspricht einer stehenden Welle in θ-Richtung. Fur A3 = 2B3 ergibt sich eine Kombination aus Drehung und Schwankungder Amplitude.

In der Literatur werden haufig auch negative Ordnungszahlen m zugelassen. DieLosung wird in der Form

p′(z, r, θ, t) = Ae−imθ · Jm(βmnr) · e−iαmnz · eiωt (11.3.36)

dargestellt. Im Prinzip wurde hier B1 und B3 gleich Null gesetzt, und die KonstantenA1, A2 und A3 in A zusammengefaßt. Wenn negative m zugelassen sind, konnen damit“Spinning Modes” mit beiden Drehrichtungen dargestellt werden. Laßt man auch ne-gative Wellenzahlen αmn zu, dann kann auch die Ausbreitung in negativer z-Richtungbeschrieben werden. Die Form (11.3.36) besitzt gegenuber (11.3.32) den Vorteil, daßdie Form nur von m und n und nicht mehr von zusatzlichen Faktoren – wie A3 undB3 – abhangt. Sie wird deshalb haufig bevorzugt. Konsequenterweise werden dannauch die Losungen der Form (11.3.36) als Moden bezeichnet. Um eine stehende Wellein θ-Richtung oder z-Richtung zu erzeugen, mussen dann allerdings zwei Moden mitunterschiedlichem Vorzeichen von m beziehungsweise αmn uberlagert werden.

Zur “Cut-Off”-Bedingung

Regulare Wellenausbreitung in Achsrichtung liegt nur vor, falls (11.3.34) erfullt ist.Dazu muß der Ausdruck unter der Wurzel in (11.3.32) positiv sein. Das bedeutet, esmuß

ω

c> βmn =

smnR

(11.3.37)

gelten. Es ergibt sich eine “Cut-Off”-Frequenz

ωC,mn =c smnR

(11.3.38)

135

Page 85: Stroemungsakustik - Koeltzsch

11 Dreidimensionale Kanalmoden

Mode 1,0

Abbildung 11.10: Zur Interpretation der “Cut-Off”-Bedingung.

fur jede mn-Mode.In dem Fall des runden Querschnitts kann die “Cut-Off”-Bedingung (11.3.37) geo-

metrisch interpretiert werden. Durch Multiplikation folgt die Ungleichung

ωR > c smn (11.3.39)

Der Ausdruck ωR auf der linken Seite entspricht einer Geschwindigkeit. Im Fall der“Spinning Mode” mit m = 1 ist das gerade die Geschwindigkeit, mit der in einemQuerschnitt ein Knotenpunkt an der Wand umlauft. Die Situation ist in der Abbil-dung 11.10 veranschaulicht. In einer Periode dreht sich das Druckfeld einmal um 360Grad. Der Knotenpunkt an der Wand legt eine Strecke von 2πR zuruck. Das ergibteine Bahngeschwindigkeit von ωR. Bei Moden mit m = 2 dreht sich das Druckfeld nurum 180 Grad in einer Periode. Entsprechend ist die Bahngeschwindigkeit der Knoten-punkte an der Wand gleich ωR/2.

Die “Cut-Off”-Bedingung (11.3.39) besagt, daß die Knotenpunkte an der Wandeine Mindestgeschwindigkeit haben mussen, damit sich die entsprechende “SpinningMode” ausbreiten kann. Fur m = 1 muß

Umlaufgeschwindigkeit = ωR > c s1n (11.3.40)

gelten. Das erste Maximum der Bessel-Funktion J1 liegt bei s10 ≈ 1.84. Daraus ergibtsich eine minimale Umlaufgeschwindigkeit von

c s10 ≈ 1.84 c (11.3.41)

Das heißt, die Machzahl des Knotenpunktes beim Umlauf muß großer als 1.84 sein,damit sich eine “Spinning Mode” mit m = 1 ausbreiten kann. Fur m = 2 ist

2×Umlaufgeschwindigkeit = ωR > c s2n (11.3.42)

Voraussetzung fur die Ausbreitung. Es ergibt sich eine minimale Umlaufgeschwindig-keit von

cs20

2≈ 1.53 c (11.3.43)

136

Page 86: Stroemungsakustik - Koeltzsch

11.3 Wellenausbreitung im Kanal mit rundem Querschnitt

Analog erhalt man fur m = 3 eine Mindestgeschwindigkeit der Knotenpunkte von

cs30

3≈ 1.40 c (11.3.44)

In jedem Fall liegt die minimale Umlaufgeschwindigkeit uber der Schallgeschwindig-keit. Zu beachten ist, daß die Bewegung der Knotenpunkte an der Wand nicht mit demTransport von Information verbunden ist. Es handelt sich um die Phasengeschwindig-keit fur die Ausbreitung in Umfangsrichtung.

137

Page 87: Stroemungsakustik - Koeltzsch

Sachverzeichnis

Ansatzharmonischer, 4, 120

Beobachtungsmachzahl, 51, 60Beobachtungswinkel, 55, 59, 61Bernoulli-Gleichung, 168Bessel-Funktion, 124Besselsche Differentialgleichung, 121,

130Bezugssystem

mitbewegt, 87

“Cut-Off”-Frequenz, 116, 135

Dipol, 32Dipolfeld, 9Doppler-Faktor, 60Doppler-Verschiebung, 60Druckbauch, 117Durchgangsdampfung, 158, 162

Enthalpiespezifische, 169

Ersatzquellenmethode, 31Euler-Gleichung

linearisierte, 115

Fernfeld, 67geometrisches, 18

Ffowcs Williams und HawkingsGleichung von, 80, 93

Fourier-Integralformel, 21Fourier-Transformierte, 21Frequenzverschiebung, 57

Gammafunktion, 124Gas

ideales, 169Greensche Funktion, 46

Greenscher Integralsatz, 5Grundmode, 117

Hankel-Funktionen, 126Heaviside-Funktion, 76Helmholtz-Gleichung, 4, 120

inhomogene, 35Helmholtz-Resonator, 41, 150Helmholtz-Zahl, 20

Impedanz, 147, 153, 156Impulsgleichung, 78Impulsquelle

bewegte, 64

Korperoberflacheundurchlassige, 34

Kanalmit rechteckigem Querschnitt, 112mit rundem Querschnitt, 127mit veranderlichem Querschnitt,

138Kirchhoff-Helmholtz-Integral, 4, 8Kirchhoff-Integral, 24, 96, 101Knotenlinie, 132Knotenring, 132Kolben

in unendlich ausgedehnter Wand,17

Kontinuitatsgleichung, 77Kugelwelle, 4

Losungenzylindersymmetrische, 120

Lighthill-Gleichung, 76erweiterte, 80, 93

“Loading-Noise”, 106“Lumped Parameters”, 146

176

Page 88: Stroemungsakustik - Koeltzsch

Sachverzeichnis

Machscher Kegel, 61Machscher Winkel, 63Massenquelle

bewegte, 63Mediengrenze, 148Mode

im Kanal, 116im Rohr, 132

Monopol, 32bewegter, 47

Monopolfeld, 9Multipolentwicklung, 31

Neumann-Funktion, 124Normalengeschwindigkeit, 75, 77

Oberflachebewegte, 73, 74lokal reagierend, 43

Parameterzusammengefaßte, 147

Potentialakustisches, 11

Propellergerausche, 104

Quadrupol, 32Quelle

bewegt mit Uberschall, 54bewegte, 47

Quellverteilungflachenhafte, 80

Querschnittssprungdurchstromt, 163

Randbedingung, 34periodische, 130

Randelementemethode, 26Reflexionsfaktor, 144, 157, 161, 173Resonanzfrequenz, 153Resonanzfrequenzen

im Quader, 119Reziprozitatsprinzip, 44Rohrende

offenes, 145Rotorgerausche, 104

Ruheenthalpiespezifische, 169

Schalldampfer, 154Schalldampfertopf, 159“Spinning Mode”, 133Stromungssimulation, 95

“Thickness-Noise”, 107Transmissionsfaktor, 144, 161

Uberschallknall, 62

Wandlokal reagierende, 39schallhart, 39, 114schallweich, 39

Wandimpedanz, 39Wellen

stehende, 126Wellengleichung, 112, 120

inhomogene, 8, 34, 47, 82Wellenwiderstand, 148Wellenzahenl

im Kanal, 116Wellenzahlen

im durchstromten Kanal, 164im Kanal, 114

Zeitretardierte, 47, 55, 82

Zylinderkoordinaten, 120

177