Struktur und Verhalten von Platin in SnO2-basierten Gassensoren unter realistischen...

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Gassensoren DOI: 10.1002/ange.201004499 Struktur und Verhalten von Platin in SnO 2 -basierten Gassensoren unter realistischen Arbeitsbedingungen** Michael Hɒbner, Dorota Koziej, Matthias Bauer, Nicolae Barsan, Kristina Kvashnina, Marta D. Rossell, Udo Weimar und Jan-Dierk Grunwaldt* Gassensoren auf der Basis halbleitender Metalloxide spielen eine immer grɆßere Rolle in Bereichen wie der Arbeitssi- cherheit und Prozessɒberwachung. Nicht nur in der Grund- lagenforschung, sondern auch im Anwendungsbereich ist dabei SnO 2 nach wie vor das Material der Wahl zur Detektion von reduzierenden Gasen. [1] Zur Verbesserung der Emp- findlichkeit, SelektivitȨt und StabilitȨt und zur Minimierung der optimalen Betriebstemperatur wird das eingesetzte SnO 2 in den meisten FȨllen mit Edelmetallen wie Pd, Pt oder Au dotiert. [2] Trotz zahlreicher Anstrengungen, die Strukturen dieser Additive, ihre Wechselwirkungen mit Hintergrund- wie auch Zielgasen sowie ihr allgemeines Sensorverhalten zu verste- hen, werden die Rolle der Edelmetalle und ihre exakten Strukturen unter Betriebsbedingungen immer noch intensiv in der Literatur diskutiert. [3] Diese Tatsache erfordert Un- tersuchungen unter echten Arbeitsbedingungen, deren Po- tenzial insbesondere aus dem Bereich der Katalyseforschung bekannt ist. [4] So wurde kɒrzlich auch durch Untersuchungen bezɒglich der Funktion von Pd in realitȨtsnahen Sensoren der allgemein anerkannte Mechanismen wie „Spillover“ und „Fermi-Kontrolle“ infrage gestellt. [5] Eine der am meisten verwendeten Dotierungen – vor allem in kommerziellen Sensoren – ist das Edelmetall Platin. WȨhrend sich zahlreiche Studien mit der Bestimmung der Oxidationsstufe von Platin beschȨftigen [2b, 6] wurde in keiner das Augenmerk auf Pt-dotierte SnO 2 -Sensoren unter realis- tischen Betriebsbedingungen gelegt, um geeignete Struktur- Eigenschafts-Beziehungen zu bestimmen. Diese Tatsache ist auf folgende Ursachen zurɒckzufɒhren: 1) Platin liegt nur in sehr geringen Konzentrationen vor (0.2 bis 1 Gew.-% Pt in SnO 2 ), 2) die empfindliche Schicht ist extrem porɆs und nur 50 mm dick, 3) die Elektroden und die Heizvorrichtung der ɒblicherweise verwendeten Substrate sind aus Pt, und 4) man benɆtigt Charakterisierungstechniken, welche die Identifi- zierung der Struktur (Oxidationsstufe, TeilchengrɆße und Platinspezies) auch in amorphen Proben ermɆglichen. XANES- (X-ray absorption near-edge structure) und EXAFS-Spektroskopie (extended X-ray absorption fine structure) sind fɒr diesen Zweck allgemein gut bekannte elementspezifische Methoden; jedoch wurden bisher nur Untersuchungen an den Pulvern selbst, vor und nach der Reaktion (nicht unter „Operando“-Bedingungen), oder mit idealisierten Materialien durchgefɒhrt. [2b, 6] Es werden daher ein neues Design der Sensoren sowie verbesserte RɆntgen- spektroskopie-Methoden benɆtigt, um weitere Einblicke in die Funktionsweise von Sensoren zu erlangen. Um das XAS-Signal der Platindotierung ( ! 1 Gew.-%) in der SnO 2 -Matrix von den stɆrenden Einflɒssen der ebenfalls Platin enthaltenen Elektroden und Heizerbahnen zu trennen, wurden diese durch Metalle/Legierungen mit Ȩhnlichen elektrischen Eigenschaften ersetzt: Au wurde als Elektro- denmaterial und eine Ag/Pd-Legierung fɒr den Heizer ver- wendet (Abbildung 1 A). Die Eigenschaften dieser modifi- zierten Sensoren waren denen ɒblicher Substrate sehr Ȩhn- lich. Weiterhin wurde HERFD-XANES (high-energy-reso- lution fluorescence detection XANES [7] ) unter Verwendung eines RɆntgenemissionsspektrometers eingesetzt, um das PtL 3 -XAS-Signal von den Au-Signalen der Elektroden (Fluoreszenzlinien bei 9.442 bzw. 9.713 keV) zu trennen. Diese Kombination aus Design und neuer spektroskopischer Methode ermɆglicht nicht nur die elementspezifische Be- stimmung der Platindotierungsstruktur, sondern, da eine Li- nienverbreitung infolge der Lebensdauer des entstandenen Elektronenlochs [8] nahezu vollstȨndig vermieden wird, auch die Aufnahme von hochauflɆsenden XANES-Daten. Dies ist wichtig fɒr die Detektion von subtilen StrukturȨnderungen der Platinzentren. ZusȨtzlich ermɆglicht es diese Methode, vollstȨndige („range-extended“) EXAFS-Daten [7] aufzuneh- men, um die lokale Struktur um die Platinzentren aufzuklȨ- ren. [*] Dr. M. Bauer, Prof.Dr. J.-D. Grunwaldt Institut fɒr Technische Chemie und Polymerchemie Karlsruher Institut fɒr Technologie (KIT) Kaiserstraße 12, 76128 Karlsruhe (Deutschland) E-Mail: [email protected] M. Hɒbner, Dr. N. Barsan, Prof.Dr. U. Weimar Mathematisch-Naturwissenschaftliche FakultȨt Fachbereich Chemie UniversitȨt Tɒbingen, 72076 Tɒbingen (Deutschland) Dr. D. Koziej, [+] Dr. M. D. Rossell Department of Materials, ETH Zɒrich Wolfgang-Pauli-Strasse 10, 8093 Zɒrich (Schweiz) Dr. K. Kvashnina ESRF, BP220 6 rue Jules Horowitz, 38043 Grenoble (Frankreich) [ + ] Aktuelle Adresse: Harvard University, School of Engineering and Applied Science 29 Oxford Str., Cambridge, MA 02138 (USA) [**] Wir danken dem ESRF (Grenoble) fɒr Messzeit an der Strahlfɒhrung ID26 und fɒr finanzielle Unterstɒtzung sowie Dr. Pieter Glatzel fɒr seine Hilfe beim Aufbau der In-situ-HERFD-XAS- und „range ex- tended“ EXAFS-Experimente. Die TEM-Messungen wurden am Elektronenmikroskopiezentrum der ETH Zɒrich (EMEZ) ausge- fɒhrt. Hintergrundinformationen zu diesem Beitrag (Probenbereitung, Spektroskopietechniken und Datenanalyse) sind im WWW unter http://dx.doi.org/10.1002/ange.201004499 zu finden. Angewandte Chemie 2893 Angew. Chem. 2011, 123, 2893 –2896 # 2011 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

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GassensorenDOI: 10.1002/ange.201004499

Struktur und Verhalten von Platin in SnO2-basierten Gassensoren unterrealistischen Arbeitsbedingungen**Michael H�bner, Dorota Koziej, Matthias Bauer, Nicolae Barsan, Kristina Kvashnina,Marta D. Rossell, Udo Weimar und Jan-Dierk Grunwaldt*

Gassensoren auf der Basis halbleitender Metalloxide spieleneine immer gr�ßere Rolle in Bereichen wie der Arbeitssi-cherheit und Prozess�berwachung. Nicht nur in der Grund-lagenforschung, sondern auch im Anwendungsbereich istdabei SnO2 nach wie vor das Material der Wahl zur Detektionvon reduzierenden Gasen.[1] Zur Verbesserung der Emp-findlichkeit, Selektivit�t und Stabilit�t und zur Minimierungder optimalen Betriebstemperatur wird das eingesetzte SnO2

in den meisten F�llen mit Edelmetallen wie Pd, Pt oder Audotiert.[2]

Trotz zahlreicher Anstrengungen, die Strukturen dieserAdditive, ihre Wechselwirkungen mit Hintergrund- wie auchZielgasen sowie ihr allgemeines Sensorverhalten zu verste-hen, werden die Rolle der Edelmetalle und ihre exaktenStrukturen unter Betriebsbedingungen immer noch intensivin der Literatur diskutiert.[3] Diese Tatsache erfordert Un-tersuchungen unter echten Arbeitsbedingungen, deren Po-tenzial insbesondere aus dem Bereich der Katalyseforschungbekannt ist.[4] So wurde k�rzlich auch durch Untersuchungenbez�glich der Funktion von Pd in realit�tsnahen Sensoren derallgemein anerkannte Mechanismen wie „Spillover“ und„Fermi-Kontrolle“ infrage gestellt.[5]

Eine der am meisten verwendeten Dotierungen – vorallem in kommerziellen Sensoren – ist das Edelmetall Platin.W�hrend sich zahlreiche Studien mit der Bestimmung derOxidationsstufe von Platin besch�ftigen[2b, 6] wurde in keinerdas Augenmerk auf Pt-dotierte SnO2-Sensoren unter realis-tischen Betriebsbedingungen gelegt, um geeignete Struktur-Eigenschafts-Beziehungen zu bestimmen. Diese Tatsache istauf folgende Ursachen zur�ckzuf�hren: 1) Platin liegt nur insehr geringen Konzentrationen vor (0.2 bis 1 Gew.-% Pt inSnO2), 2) die empfindliche Schicht ist extrem por�s und nur50 mm dick, 3) die Elektroden und die Heizvorrichtung der�blicherweise verwendeten Substrate sind aus Pt, und 4) manben�tigt Charakterisierungstechniken, welche die Identifi-zierung der Struktur (Oxidationsstufe, Teilchengr�ße undPlatinspezies) auch in amorphen Proben erm�glichen.XANES- (X-ray absorption near-edge structure) undEXAFS-Spektroskopie (extended X-ray absorption finestructure) sind f�r diesen Zweck allgemein gut bekannteelementspezifische Methoden; jedoch wurden bisher nurUntersuchungen an den Pulvern selbst, vor und nach derReaktion (nicht unter „Operando“-Bedingungen), oder mitidealisierten Materialien durchgef�hrt.[2b, 6] Es werden daherein neues Design der Sensoren sowie verbesserte R�ntgen-spektroskopie-Methoden ben�tigt, um weitere Einblicke indie Funktionsweise von Sensoren zu erlangen.

Um das XAS-Signal der Platindotierung (! 1 Gew.-%) inder SnO2-Matrix von den st�renden Einfl�ssen der ebenfallsPlatin enthaltenen Elektroden und Heizerbahnen zu trennen,wurden diese durch Metalle/Legierungen mit �hnlichenelektrischen Eigenschaften ersetzt: Au wurde als Elektro-denmaterial und eine Ag/Pd-Legierung f�r den Heizer ver-wendet (Abbildung 1A). Die Eigenschaften dieser modifi-zierten Sensoren waren denen �blicher Substrate sehr �hn-lich. Weiterhin wurde HERFD-XANES (high-energy-reso-lution fluorescence detection XANES[7]) unter Verwendungeines R�ntgenemissionsspektrometers eingesetzt, um dasPtL3-XAS-Signal von den Au-Signalen der Elektroden(Fluoreszenzlinien bei 9.442 bzw. 9.713 keV) zu trennen.Diese Kombination aus Design und neuer spektroskopischerMethode erm�glicht nicht nur die elementspezifische Be-stimmung der Platindotierungsstruktur, sondern, da eine Li-nienverbreitung infolge der Lebensdauer des entstandenenElektronenlochs[8] nahezu vollst�ndig vermieden wird, auchdie Aufnahme von hochaufl�senden XANES-Daten. Dies istwichtig f�r die Detektion von subtilen Struktur�nderungender Platinzentren. Zus�tzlich erm�glicht es diese Methode,vollst�ndige („range-extended“) EXAFS-Daten[7] aufzuneh-men, um die lokale Struktur um die Platinzentren aufzukl�-ren.

[*] Dr. M. Bauer, Prof. Dr. J.-D. GrunwaldtInstitut f�r Technische Chemie und PolymerchemieKarlsruher Institut f�r Technologie (KIT)Kaiserstraße 12, 76128 Karlsruhe (Deutschland)E-Mail : [email protected]

M. H�bner, Dr. N. Barsan, Prof. Dr. U. WeimarMathematisch-Naturwissenschaftliche Fakult�tFachbereich ChemieUniversit�t T�bingen, 72076 T�bingen (Deutschland)

Dr. D. Koziej,[+] Dr. M. D. RossellDepartment of Materials, ETH Z�richWolfgang-Pauli-Strasse 10, 8093 Z�rich (Schweiz)

Dr. K. KvashninaESRF, BP2206 rue Jules Horowitz, 38043 Grenoble (Frankreich)

[+] Aktuelle Adresse:Harvard University, School of Engineering and Applied Science29 Oxford Str., Cambridge, MA 02138 (USA)

[**] Wir danken dem ESRF (Grenoble) f�r Messzeit an der Strahlf�hrungID26 und f�r finanzielle Unterst�tzung sowie Dr. Pieter Glatzel f�rseine Hilfe beim Aufbau der In-situ-HERFD-XAS- und „range ex-tended“ EXAFS-Experimente. Die TEM-Messungen wurden amElektronenmikroskopiezentrum der ETH Z�rich (EMEZ) ausge-f�hrt.

Hintergrundinformationen zu diesem Beitrag (Probenbereitung,Spektroskopietechniken und Datenanalyse) sind im WWW unterhttp://dx.doi.org/10.1002/ange.201004499 zu finden.

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Der Vorteil dieser Methode im Vergleich zu �blichenEXAFS-Verfahren mit Fluoreszenzdetektion wird in Abbil-dung 1B demonstriert. Die R�ntgenabsorption an der PtL3-Kante ist im Vergleich zur Absorption an der AuL3-Kantedurch die Elektroden sehr gering (Spektrum b). Der uner-w�nschte Einfluss der AuL3-Absorptionskante im EXAFS-Bereich kann durch die Verwendung von entsprechendenEinkristallanalysatoren bei der Aufnahme der PtLa1-Emis-sionslinie unterdr�ckt werden. (Details zum experimentellenAufbau sind den Hintergrundinformationen zu entnehmen.)

Weiterhin wird in Abbildung 1B das HERFD-XANES-Spektrum an der PtL3-Kante des Pt-SnO2-Sensors mit0.2 Gew.-% Pt (Spektrum a), ausgestattet mit Au-Elektrodenund der Ag/Pd-Heizvorrichtung, mit den Spektren einer25 mm dicken Pt-Folie (Spektrum d) und eines SnO2-Sensorsmit gew�hnlichen Pt-Elektroden und Heizvorrichtung(Spektrum c) verglichen. Das PtL3-Spektrum des Sensors mitden Pt-Elektroden und -Heizerbahnen, beim dem sowohlPlatin in der Sensorschicht als auch in den Elektroden de-tektiert wird, ist fast identisch mit dem der Pt-Folie. Jedochunterscheiden sie sich signifikant vom Spektrum des Pt-SnO2-Sensors mit den Au-Elektroden und der Ag/Pd-Heizvorrich-tung, bei dem nur das Pt in der SnO2-Matrix detektiert wird(Abbildung 1B, vergr�ßerter Bereich). Somit liegt das Pt derElektroden, anders als es k�rzlich ver�ffentlichte Ergebnissebeschreiben,[9] haupts�chlich in metallischer Form vor. DieIntensit�t der „Whiteline“ (WL), also der ersten Resonanz

nach dem Kantensprung, ist im Fall der Pt-Folie sowie der Pt-Elektroden doppelt so hoch wie in Spektren mit �blicherFluoreszenzdetektion, da die Linienverbreiterung in denHERFD-XANES weitestgehend vermieden wird.[10] EinAnstieg in der WL-Intensit�t wird mit steigender Oxida-tionsstufe des Platins aufgrund geringerer Besetzung der5d5/2-Niveaus beobachtet.[8] Demzufolge ist bei verringerterWL-Intensit�t die Dichte unbesetzter d-Niveaus kleiner, waseiner niedrigeren Oxidationsstufe von Pt entspricht. DieAbsorption bei 11.569 keV mit einer Intensit�t gr�ßer als 4 istcharakteristisch f�r oxidiertes Pt.[11] Der Vergleich mit demReferenzspektrum f�r PtO2, das eine deutlich geringere WL-Intensit�t als das Platin in der SnO2-Matrix aufweist (Abbil-dung 2A), zeigt, dass Platin in SnO2 mehr unbesetzte Ener-gieniveaus hat als Platin in PtO2 und somit mehr Elektronenvom Platin zum SnO2 �bertragen werden.

Diese Interpretation der XANES-Daten in Abbil-dung 2A wird durch die Analyse der EXAFS-Daten best�tigt.Die Fourier-transformierten Spektren des Pt-dotierten Sen-sors mit der eigens f�r diese Studie entwickelten Heizvor-richtung und den Au-Elektroden (Spektrum a und b) sowiedem herk�mmlichen Sensormaterial (Spektrum c) sind inAbbildung 2B gezeigt. W�hrend der Sensor auf dem her-k�mmlichen Substrat nur metallisches Pt aufweist (von den

Abbildung 2. A) XANES-Spektrum des Pt(0.2 Gew.-%)-SnO2-Sensorsmit a) Au-Elektroden in trockener Luft bei 300 8C, b) nach der Reduk-tion (2 Vol.-% H2/He bei 600 8C), c) SnO2 mit Pt-Elektroden bei 300 8Cin Luft und d) PtO2-Pulver. B) Die entsprechenden Fourier-transfor-mierten EXAFS-Daten.

Abbildung 1. A) Der SnO2-Sensor mit Elektroden und Heizer. UmStrukturinformationen auf atomarer Ebene �ber die Pt-Dotierung zu er-halten, wurden die sonst �blichen Pt-Elektroden und -Heizer durch Aubzw. Ag/Pd ausgetauscht. B) EXAFS-Spektrum an der PtL3-Kante desPt(0.2 Gew.-%)-SnO2-Sensors mit Au-Elektroden, gemessen mita) HERFD und mit b) der herk�mmlichen Detektionsmethode; als Ver-gleich sind die HERFD-XANES-Referenzspektren der Sensoren mit Pt-Elektroden (c) und Pt-Folie (d) gezeigt. Beachtenswert ist die h�hereWL-Intensit�t bei der HERFD-Detektion gegen�ber der herk�mmlichenXANES-Detektion.

Zuschriften

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Elektroden, R�ckstreuung bei 2.8 �) kommt der Hauptbei-trag in den speziell hergestellten Pt(0.2 Gew.-%)-SnO2-Sen-soren von der Streuung an den benachbarten Sauerstoff-atomen in einer Entfernung von ungef�hr 2.03 �. (Details zurEXAFS-Analyse liefert Tabelle SI-1 der Hintergrundinfor-mationen.) Diese Tatsache sowie das Fehlen von Pt-Pt-Bei-tr�gen f�r metallisches Platin oder kleine Cluster (Abbil-dung 2B c und Lit. [12]), belegen weiter, dass alles Platin inoxidierter Form vorliegt. Außerdem konnten zwei weitereBeitr�ge in einem Abstand von ungef�hr 2.90 und 3.68 � Sn-Nachbarn zugeordnet werden (Tabelle SI-1). Die erhaltenenPt-O- und Pt-Sn-Abst�nde stimmen relativ gut mit den Sn-O-und Sn-Sn-Abst�nden von SnO2 �berein (siehe die Hinter-grundinformationen). Folglich f�hrt die Dotierung des Me-talloxids h�chstwahrscheinlich zu einer Substitution von Snim SnO2-Gitter durch Pt. Die hohe Stabilit�t von ionisiertemPt im Oxidgitter wurde durch Reduktionsexperimente mit2 Vol.-% H2 in He bei 600 8C best�tigt. Die EXAFS-Spektrendes Pt(0.2 Gew.-%)-SnO2-Sensors vor und nach der Reduk-tion zeigen auch im Vergleich zum Spektrum der Pt-Elek-troden weiterhin keine Pt-Pt-Beitr�ge (Abbildung 2 B).

Um das Verhalten von Pt unter den Betriebsbedingungendes Sensor zu erfassen, wurden die XAS-Spektren und die

Widerstands�nderungen des Pt(0.2 Gew.-%)-SnO2-Sensorssimultan zur entsprechenden Gasexposition aufgenommen(Abbildung 3). Obwohl der HERFD-XANES-Modus sehrempfindlich gegen�ber geringen �nderungen der Oxida-tionsstufe, der elektronischen oder der lokalen Umgebung ist,konnten nur sehr geringe �nderungen bei CO- und H2-Ex-position beobachtet werden (Abbildung 3A), w�hrendgleichzeitig große Widerstands�nderungen aufgezeichnetwurden (Abbildung 3B). Dieser Befund wurde durch eineEXAFS-Analyse best�tigt, wobei die Liganden des Pt un-ver�ndert blieben (siehe Abbildung 2B). Die leichte Ab-nahme der WL-Intensit�t deutet �nderungen in der elek-tronischen Struktur an, die durch die Adsorption von CO undH2 hervorgerufen werden k�nnen. Dieses Ph�nomen ist vonherk�mmlichen XAS-Experimenten bekannt.[13]

Die Ergebnisse schließen also metallisches Pt oder Pt-Cluster als Grund f�r die h�here Aktivit�t der Pt-dotiertenSensoren aus. �berraschenderweise konnte nicht einmalunter stark reduzierenden Bedingungen metallisches Ptnachgewiesen werden. Dieses Ergebnis ist in Einklang mitden Ergebnissen von HRTEM-Untersuchungen, bei denenweder vor noch nach der Reduktion Pt-Partikel beobachtetwurden (siehe die Hintergrundinformationen). Folglichscheint die Pt-Dotierung die elektronische Struktur des Me-talloxids im Ganzen zu beeinflussen, und/oder sie schafft neueAdsorptionspl�tze im SnO2-Gitter, was zu einer erh�htenSelektivit�t und Aktivit�t f�hrt. Die hohe WL-Intensit�t derPtL3-Kante sowie die Einbettung in das Gitter weisen daraufhin, dass Elektronen vom d-Band des Platins zum SnO2

transferiert werden und somit das Fermi-Niveau sowie dieelektronischen Eigenschaften von SnO2 ver�ndert werden.Dies bedeutet, dass die Rolle von Platin in den Sensoren vielkomplexer ist als bislang angenommen: Einerseits erzeugtman wie im Fall von Pd[5] durch die Verteilung der Pt-Atomeauf der Oberfl�che zus�tzliche Adsorptionspl�tze f�r Atomeund/oder Molek�le. Diese Verteilung und ihr Einfluss auf dasVerhalten der Sensoren konnten hier direkt spektroskopischnachgewiesen werden. Andererseits entsteht ein „Bulk“-Effekt, also eine durchgehende Platin-Dotierung, welche dieElektronendichte im Leitungsband von SnO2 erh�ht. AlsReaktionspartner f�r die Detektion von reduzierendenGasen wie H2 und CO werden negativ geladene Sauerstoff-spezies an der Oberfl�che des Metalloxids ben�tigt. Dieseentstehen durch st�ndige Ionosorption von atmosph�rischemSauerstoff mithilfe von Elektronen aus dem Leitungsband.Folglich f�hrt eine Erh�hung der Elektronendichte durchDotierung mit Platin im Material zu einer erh�hten Zahl anReaktionspartnern und somit zu einer h�heren Sensorakti-vit�t.

Zusammenfassend konnten neue Einblicke in die Struk-tur von Platin als Promotor in SnO2-basierten Sensoren durchhochaufl�sende Fluoreszenz-R�ntgen-Absorptionsspektro-skopie in einer d�nnen hochpor�sen Schicht mit einem Do-tierungsgrad von nur 0.2 Gew.-% Pt gewonnen werden. F�rdiesen Zweck wurde eine neue Vorgehensweise f�r dieIdentifizierung des Sensormechanismus unter realistischenBetriebsbedingungen vorgestellt. Zun�chst wurde ein her-k�mmlicher Sensor so modifiziert, dass Platin nur noch in derempfindlichen Schicht vorhanden war. Dann wurde die st�-

Abbildung 3. A) XANES-Spektrum des Pt(0.2 Gew.-%)-SnO2-Sensorsmit Au-Elektroden bei a) 300 8C in trockener Luft, b) Exposition von50 ppm H2 und c) 250 ppm CO. Zum Vergleich ist das Spektrum in2 Vol.-% H2 in He bei 400 8C gezeigt (d). B) Widerstands�nderung desPt-SnO2-Sensors bei Exposition von 50 und 250 ppm CO sowie 30 und50 ppm H2 in trockener Luft bei 300 8C w�hrend simultaner XANES-Messung.

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rende Fluoreszenz der dabei eingebauten Goldelektrodedurch den Einsatz eines hochaufl�senden Fluoreszenzspek-trometers effizient ausgeblendet. Dies erm�glichte nicht nurdie Aufnahme von besseren XANES-Daten, sondern er-m�glichte auch die Aufnahme von vollst�ndigen EXAFS-Spektren, da sich die empfindliche Schicht �ber den Gold-elektroden befindet. Auf diese Weise zeigt die Studie auch dasPotenzial neuer Synchroton-Techniken f�r Festk�rperchemieund Materialwissenschaften. Die WL-Intensit�t @ 6 ist cha-rakteristisch f�r eine hochoxidierte Platinspezies als Promo-tor, die zudem sehr schwer zu reduzieren war, was mit einemvollst�ndigen Einbau in die Oxidmatrix erkl�rt wurde; dieswurde durch eine detaillierte EXAFS-Analyse best�tigt.Diese Ergebnisse sind �berraschend, da in vielen F�llen dieverbesserten Eigenschaften der Sensoren auf metallischePlatinteilchen oder -cluster zur�ckgef�hrt wurden. Die vor-gestellten Ergebnisse zeigen jedoch, dass zus�tzlich zumAuftreten von weiteren Oberfl�chenadsorptionspl�tzen,welche auf die eingebauten Pt-Atome an der Oberfl�che desSnO2-Gitters zur�ckzuf�hren sind, auch das SnO2 als Ganzesbeeinflusst wird. Der Elektronentransfer von den d-Niveausdes Platins zum SnO2 ist somit mit einem Anstieg der La-dungstr�gerkonzentration verbunden. Diese Resultate be-z�glich der Funktion von Pt in Platin-SnO2-Sensoren gehen ineine �hnliche Richtung wie im Fall von Pd in Palladium-SnO2-Sensoren. Man sollte jedoch beachten, dass die Pd-Spezies inSnO2 einfacher zu reduzieren sind als die entsprechenden Pt-Spezies im SnO2-Gitter.

In Zukunft sollte die beschriebene Technik auch auf ver-schieden hergestellte Pt-basierte Sensoren angewendetwerden, um weitere Einblicke in die Funktion der Oberfl�-chen- und Volumendotierung zu bekommen. Dies w�rdeauch den Einfluss der Art der Edelmetalle weiter beleuchten.

ExperimentellesDas verwendete Material wurde nach einem nasschemischen Sol-Gel-Prozess hergestellt. Die Dotierung wurde durch Gelimpr�gnie-rung mit der gew�nschten Konzentration an Platinchlorid gewonnen.Die Sensoren wurden durch Siebdruck einer Paste auf planare Al2O3-Substrate erzeugt. (Eine detaillierte Beschreibung findet sich inLit. [14].) Die HERFD-XAS-Experimente wurden am MessplatzID26 der ESRF (European Synchrotron Radiation Facility) durch-gef�hrt.[15] Die Energie der einfallenden Strahlung wurde �ber die< 111> -Reflexion eines Silicium-Doppelkristallmonochromatorseingestellt. Wellenl�ngen h�herer Ordnung wurden durch die Ver-wendung von drei Si-Spiegeln mit einer Pd- und Cr-Schicht unter-dr�ckt, die in Totalreflexion mit einem Winkel von 2.5 mrad zureinfallenden Strahlung eingesetzt wurden. Die Energiekalibrierungwurde an einer Pt-Folie durchgef�hrt. Die auf die Probe einfallendeR�ntgenstrahlung hatte eine Flussdichte von ungef�hr 2 � 1013 Pho-tonen pro Sekunde. HERFD-XANES-Spektren wurden mit einemR�ntgenstrahl-Emissionsspektrometer in horizontaler Ebene aufge-nommen.[8] Die Probe, der Kristallanalysator und der Photonende-tektor (Lawinenphotodiode) wurden in einer vertikalen Rowland-Geometrie angeordnet.[16] Die Pt-HERFD-XANES-Spektren an der

L3-Kante wurden durch die Aufnahme der Intensit�t der PtLa1-Emissionslinie (9442 eV) in Abh�ngigkeit der einfallenden Strahlunggewonnen. Die Emissionsenergie wurde �ber die < 660> -Reflexioneines sph�rischen Ge-Kristallanalysators (mit R = 1 m), angepasst anden 808-Bragg-Winkel, selektiert. Die gesamte Energieaufl�sung (f�reinfallende und emittierte Strahlung) betrug 1.8 eV und wurde durchMessung des elastischen Peaks abgesch�tzt (siehe die Hintergrund-informationen). Die Sensorkammer f�r die simultanen XAS- undWiderstandsmessungen sowie die Anordnung der Gasmischanlagensind in Lit. [5] im Detail beschrieben.

Eingegangen am 22. Juli 2010,ver�nderte Fassung am 22. September 2010Online ver�ffentlicht am 21. Februar 2011

.Stichw�rter: EXAFS · Gassensoren · Platin · XANES · Zinnoxid

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Zuschriften

2896 www.angewandte.de � 2011 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Angew. Chem. 2011, 123, 2893 –2896