Stundenanfang – zur Ruhe kommen · • Die Methode der „Schallplatte mit Sprung“ (siehe...

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15 Unterrichtsstörungen Stundenanfang – zur Ruhe kommen Kinder Jugendliche Stundenanfang – zur Ruhe kommen Ich persönlich empfinde den Stundenanfang oft als besonders schwierig. Es gelingt mir nicht immer, in angemessener Zeit Ruhe herzustellen. Manchmal weiß ich nicht, warum die Kinder heute besonders unruhig sind. Dann wieder habe ich den Eindruck, dass es gut klappt und die Klasse jetzt weiß, was zu beachten ist. Dennoch kommt es zu „Rückschlägen“. Von daher wende ich gern die „Methode des Ignorierens am positiven Modell“ an. Sehr schnell habe ich nach dem Referendariat gelernt, dass ausschließliches Ignorieren meistens misslingt. Ich ignoriere alle Störreize, beginne mit dem Unterricht und trotz- dem wird es nicht leiser. Von daher entschloss ich mich folgendermaßen vorzu- gehen: Ich betrete die Klasse und kommentiere die Situation folgendermaßen: „Zwei Tischgruppen hören mir schon gut zu!“ Dies empfinden viele Kinder als eine Fähigkeit, die sie auch beherrschen und schon hören die anderen Tisch- gruppen zu. Sage ich zu einzelnen Schülern „Sei bitte leise!“ oder „Hör auf zu sprechen!“, erfolgt in der Regel die Antwort „Ich habe doch gar nichts gesagt!“ Meistens lässt man sich dann auf einen relativ sinnlosen Dialog ein und ver- sucht nachzuweisen, dass gesprochen wurde. Beim „Ignorieren am positiven Modell“ wird dies vermieden und die Mehrzahl aller Kinder reagiert positiv auf eine solche Kommentierung. Einmal ist es mir passiert, dass ich in die Klasse kam und niemand hörte mir zu. Alle machten Krach. Ich hätte noch nicht einmal – „Eine Tischgruppe hört mir schon gut zu.“ – sagen können. Ich habe mich dann mit einem Stuhl vor die Klasse gesetzt und dies folgender- maßen kommentiert: „Ich höre mir schon gut zu!“ Sofort antworteten einige Kinder, dass sie mir auch zuhörten … Lennart holt sein Buch nicht aus der Tasche, Julia schnippt unaufhörlich und laut mit den Fingern beim Melden, Julius fängt bereits mit der Aufgabe an, obwohl noch nicht alles erklärt ist, Leonie läuft in der Klasse herum, statt sich endlich in den Stuhlkreis zu setzen, Anton und Marthe reden miteinander und hören nicht zu … Solche Situationen finden alltäglich im Klassenzimmer statt. Immer wieder muss der Unterricht unterbrochen werden, um die Aufmerksam- keit einzelner Kinder zurückzuholen, diese zu ermahnen oder zu angemesse- nem Verhalten aufzufordern. Im Prinzip weiß jede Lehrkraft genau, wann Kinder noch nicht zur Ruhe ge- kommen sind: wenn der Lärmpegel zu hoch ist, wenn sie noch essen, obwohl das gemeinsame Frühstück vorbei ist, wenn sie Unordnung stiften, wenn sie singen, wenn sie sich am Boden wälzen, wenn sie mit ihren Freundinnen/Freunden schwätzen, wenn sie miteinander kämpfen oder entsprechende Spiele praktizieren, wenn sie unnötigerweise zur Toilette gehen. Es kann aber auch Gründe geben, für die Kinder nur bedingt verantwortlich gemacht werden können: wenn es zu warm in der Klasse ist, wenn das Wetter eine Rolle spielt,

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Unterrichtsstörungen Stundenanfang – zur Ruhe kommen Kinder Jugendliche

Stundenanfang – zur Ruhe kommen

Ich persönlich empfinde den Stundenanfang oft als besonders schwierig. Es gelingt mir nicht immer, in angemessener Zeit Ruhe herzustellen. Manchmal weiß ich nicht, warum die Kinder heute besonders unruhig sind. Dann wieder habe ich den Eindruck, dass es gut klappt und die Klasse jetzt weiß, was zu beachten ist. Dennoch kommt es zu „Rückschlägen“. Von daher wende ich gern die „Methode des Ignorierens am positiven Modell“ an. Sehr schnell habe ich nach dem Referendariat gelernt, dass ausschließliches Ignorieren meistens misslingt. Ich ignoriere alle Störreize, beginne mit dem Unterricht und trotz-dem wird es nicht leiser. Von daher entschloss ich mich folgendermaßen vorzu-gehen: Ich betrete die Klasse und kommentiere die Situation folgendermaßen: „Zwei Tischgruppen hören mir schon gut zu!“ Dies empfinden viele Kinder als eine Fähigkeit, die sie auch beherrschen und schon hören die anderen Tisch-gruppen zu. Sage ich zu einzelnen Schülern „Sei bitte leise!“ oder „Hör auf zu sprechen!“, erfolgt in der Regel die Antwort „Ich habe doch gar nichts gesagt!“ Meistens lässt man sich dann auf einen relativ sinnlosen Dialog ein und ver-sucht nachzuweisen, dass gesprochen wurde. Beim „Ignorieren am positiven Modell“ wird dies vermieden und die Mehrzahl aller Kinder reagiert positiv auf eine solche Kommentierung. Einmal ist es mir passiert, dass ich in die Klasse kam und niemand hörte mir zu. Alle machten Krach. Ich hätte noch nicht einmal – „Eine Tischgruppe hört mir schon gut zu.“ – sagen können. Ich habe mich dann mit einem Stuhl vor die Klasse gesetzt und dies folgender-maßen kommentiert: „Ich höre mir schon gut zu!“ Sofort antworteten einige Kinder, dass sie mir auch zuhörten …

Lennart holt sein Buch nicht aus der Tasche, Julia schnippt unaufhörlich und laut mit den Fingern beim Melden, Julius fängt bereits mit der Aufgabe an, obwohl noch nicht alles erklärt ist, Leonie läuft in der Klasse herum, statt sich endlich in den Stuhlkreis zu setzen, Anton und Marthe reden miteinander und hören nicht zu … Solche Situationen finden alltäglich im Klassenzimmer statt. Immer wieder muss der Unterricht unterbrochen werden, um die Aufmerksam-keit einzelner Kinder zurückzuholen, diese zu ermahnen oder zu angemesse-nem Verhalten aufzufordern.

Im Prinzip weiß jede Lehrkraft genau, wann Kinder noch nicht zur Ruhe ge-kommen sind:• wenn der Lärmpegel zu hoch ist,• wenn sie noch essen, obwohl das gemeinsame Frühstück vorbei ist,• wenn sie Unordnung stiften,• wenn sie singen,• wenn sie sich am Boden wälzen,• wenn sie mit ihren Freundinnen/Freunden schwätzen,• wenn sie miteinander kämpfen oder entsprechende Spiele praktizieren,• wenn sie unnötigerweise zur Toilette gehen.

Es kann aber auch Gründe geben, für die Kinder nur bedingt verantwortlich gemacht werden können:• wenn es zu warm in der Klasse ist,• wenn das Wetter eine Rolle spielt,

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Unterrichtsstörungen Stundenanfang – zur Ruhe kommen

• wenn Schüler – beispielsweise bei einer Vertretungskraft – „Grenzen austes-ten“,

• wenn Kinder Aufmerksamkeit und Zuwendung suchen,• wenn die Lehrkraft selbst geringe Erwartungen in Bezug auf angemesse-

nes Verhalten hat.

In der Praxis hat es sich als günstig erwiesen, bestimmte Regeln und Rituale einzuführen. Hier muss jeder seinen eigenen Stil finden.• Jedes Kind geht zu seinem Platz, setzt sich und wartet auf den Unterrichts-

beginn.• Die Lehrkraft beginnt mit einem freundlichen „Guten Morgen“, die Kinder

antworten gemeinsam.• Die Lehrkraft steht vor der Klasse, begrüßt, schweigt dann und wartet

(manchmal vergebens), bis Ruhe eintritt.• Die Lehrkraft beginnt sofort mit dem Unterricht in der Hoffnung, dass die

Klasse in absehbarer Zeit zuhört, um Wichtiges nicht zu verpassen.• In der ersten Stunde formuliert man seine Vorstellungen und hofft, dass sie

akzeptiert werden.• Man läutet mit einer Glocke, schlägt ein Tambourin oder ähnliches, um den

Unterrichtsanfang zu signalisieren.• Manche Lehrkräfte veranstalten einen kleinen Wettbewerb, wer am besten

und schnellsten ruhig sein kann. Sie gewähren den Siegern kleine Beloh-nungen

• Es werden Sticker als Belohnung für das schnellste Kind eingesetzt: Super, prima, Ruhe-Profi …

• Wenn die Lehrkraft den Raum betritt, stehen alle Kinder auf (funktioniert erheblich besser als man denkt und wird von den meisten Kindern gern wahrgenommen, weil sie sich dabei bewegen können).

• Bevor man beginnt, machen alle das Leisezeichen. Der Zeigefinger der linken Hand wird auf die Lippen gelegt, um sie zu verschließen, die rechte Hand wird gehoben und signalisiert, dass man soweit ist und zur Ruhe kommt.

• Man arbeitet mit einer Sanduhr, die langsam abläuft. Danach sollte Ruhe eingekehrt sein.

• Die Lehrkraft arbeitet mit der „Methode des Ignorierens am positiven Mo-dell“ (siehe Bewährte Methoden und Materialien, S. 265 ff. und CD). Sie benennt als positives Modell die Anzahl der Kinder oder Tischgruppen, die schon ruhig sind und gibt den anderen die Möglichkeit, sich dem erwünsch-ten Verhalten anzuschließen.

• Die Methode der „Schallplatte mit Sprung“ (siehe Bewährte Methoden und Materialien, S. 267 ff. und CD) setzt man dann ein, wenn einzelne Kinder der Anweisung, zur Ruhe zu kommen, nicht folgen. Sie vermeidet, dass man in moralische und wenig sinnhafte Diskussionen verfällt.

Damit solche Regeln funktionieren, sollte man sie nicht zu sehr miteinander vermischen. Günstig ist es, mehrere Tage mit einer Methode zu arbeiten und erst dann zu wechseln. Man erklärt, welche Zielvorstellungen man hat, erläu-tert das Verfahren und meidet lange und moralische Ausführungen, bei denen Kinder in der Regel „abschalten“.Alles sollte positiv formuliert sein, unangemessenes Verhalten benennt man gar nicht erst, um es nicht zu verstärken:

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Unterrichtsstörungen Stundenanfang – zur Ruhe kommen Kinder Jugendliche

Falsch: Alle Kinder, die noch schwätzen, stören und ihre Nachbarn ablen-ken, hören auf damit und machen jetzt das Leisezeichen.Richtig: Alle Kinder können das Leisezeichen machen und kommen zur Ruhe.Manches kann durch Bilder verstärkt werden, die man in der Klasse aufhängt. Man kann dann ausschließlich auf ein Bild – z. B. ein Kind, das gerade das Leisezeichen macht – zeigen, ohne überhaupt sprechen zu müssen. Die Bilder bringt man so an, dass sie von allen Kindern gut gesehen werden.Angemessenes Verhalten muss immer wieder verbal belohnt und bekräftigt werden. Manchmal neigen wir dazu, im Unterricht fast nur „Außerordentli-ches“ zu loben. Besser ist, kleinschrittig zu loben und angemessenes Verhalten immer wieder zu bekräftigen. Beim Sport ist es durchaus üblich, eine Leistung kleinschrittig über positive Bekräftigung aufzubauen (Coachen).

Wenn ich mit meinem Hund spazieren gehe, habe ich schnell gelernt, dass es unsinnig ist, ihn zu schimpfen, wenn er einmal wegläuft. Meistens kommt er danach erst Recht nicht. Ich ignoriere also das negative Verhalten, belohne aber immer sofort mit Lob und „Leckerli“, wenn er alles richtig macht und beispiels-weise sofort zurückkommt. So hat er es gelernt und macht überhaupt keinen Stress. Manchmal wären Kinder wahrscheinlich sehr froh, wenn man sie auch so trainieren würde.

Methoden und Materialien Seite

Beobachtungsbögen und LeitfädenBeobachtungsbogen – für die Lehrkraft (über einen oder mehrere Tage)Selbstbeobachtungsbogen (Schüler)Smileykarten und BingoOn- und Off-task-Fragebogen (ein Schüler)On- und Off-task-Fragebogen (ganze Klasse)

S. 172 ff.

Punktepläne / Loben S. 245 ff.

Auszeitmethode (Time-Out) S. 260 ff.

RitualeIgnorieren am positiven ModellSchallplatte mit Sprung (broken-record-technique)Leisezeichen / Aufmerksamkeitszeichen

Gute Regelspiele

S. 265 ff.

S. 271 ff.

Für die genauere Analyse der Unterrichtsstörungen sind unterschiedliche Be-obachtungsbögen notwendig. Sie erfreuen sich in der Regel bei Lehrkräften kei-ner großen Beliebtheit. Da sie aber ein wichtiger Bestandteil der Informations-gewinnung sind, sollte man nicht generell auf sie verzichten. Bei den Schülern dagegen ist die Anwendung von Selbstbeobachtungsbögen beliebt. Besonders gern werden die Smileykarten und Bingo im Rahmen des Unterrichts prakti-ziert.

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Unterrichtsstörungen Stundenanfang – zur Ruhe kommen

Montag, 7.45 Uhr, in einer Berufsschule, direkt nach den Sommerferien.Als Fachlehrer der neuen 10 BFS-S (Berufsfachschule, Bereich Sozialwesen) betritt der junge Kollege, Herr D., eine Viertelstunde vor Unterrichtsbeginn die Klasse. Es ist sein zweites Jahr. Er hat eine Übung zum Kennenlernen mitge-bracht. Er fühlt sich, trotz einer gewissen Nervosität, gut vorbereitet.Etwa fünf Minuten vor Unterrichtsbeginn trudeln die ersten Schülerinnen und Schüler ein. Sie setzen sich direkt auf irgendwelche Plätze und sind in laute, angeregte Diskussionen vertieft. Von Herrn D. nimmt niemand Notiz. Lediglich eine etwas schüchterne Schülerin beantwortet das freundliche „Guten Morgen“ des Kollegen. Jemand raunzt: „Schleimerin!“Zu Unterrichtsbeginn ist etwa ein Drittel der Klasse im Raum. Da es die erste Stunde ist, will Herr D. heute großzügiger sein: Er beginnt erst um 8.05 Uhr mit dem Unterricht. Dann sind ca. 50% der Schülerinnen und Schüler anwesend. Er begrüßt die Schüler – keine Reaktion. Alle sind weiter in Privatgespräche verwickelt, hören MP3-Spieler oder schreiben SMS. Der Versuch, sich Gehör zu verschaffen und allen ein freundliches Guten Morgen zu wünschen, nimmt etwa fünf Minuten in Anspruch. Der Hinweis auf Verspätungen erntet nur mitleidi-ges Kopfschütteln. Um 8.20 Uhr sind etwa 75 % Prozent der Schülerinnen und Schüler anwesend.Herr D. beginnt mit der Kennenlern-Übung. Aufgrund des Geräuschpegels muss er sie dreimal erläutern. Um 8.35 Uhr ist er mit seinen Nerven am Ende. Die Übung beginnt. Ein Drittel hat sie immer noch nicht verstanden. Eine Schülerin ruft: „Was ist das denn für ein Scheiß!“ Nach 90 Minuten gehen Herr D. und die Schüler schlecht gelaunt aus dem Unterricht. Alle denken: „Na, das war ja wohl nix!“

In der Supervision zog Herr D. folgendes Fazit:• Der Anfang dauerte viel zu lange: Mehr als fünfzehn Minuten wurden ver-

tan.• Für die Erläuterung einer einfachen Übung benötigte er dann die gleiche

Zeit. Trotzdem hatte etwa ein Drittel sie nicht verstanden.• Obwohl es ein interessantes Interaktionsexperiment war, gingen alle unzu-

frieden und genervt aus dem Unterricht.• Für den Aufbau einer positiven Beziehung zwischen Schülern und Lehrkraft

war diese Stunde nicht geeignet.

Überdenken Sie bitte:• Wie hoch ist der Geräuschpegel in Ihren Klassen?• Sind Ihre Klassen heute lauter als früher?• Wie lange dauert es, bis Ruhe in der Klasse eintritt?• Fühlen Sie sich manchmal am Ende der ersten beiden Stunden bereits aus-

gelaugt?

Untersuchungen haben gezeigt, dass ein Großteil der Unterrichtszeit für Er-mahnungen und Versuche, Ruhe in die Klasse zu bekommen, verloren geht. Addiert man die unnütz verstrichene Zeit, beläuft sich diese – in manchen Schultypen – nicht selten auf einen gesamten Schultag pro Woche! Dies ent-spricht zwanzig Prozent der verfügbaren Zeit oder etwa zehn Minuten pro Un-

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Unterrichtsstörungen Stundenanfang – zur Ruhe kommen Kinder Jugendliche

terrichtsstunde 1. In Klassen mit mehr als zwei schwierigen Schülern kann der Zeitaufwand noch bedeutend höher sein. Die effektiv genutzte Unterrichtszeit beträgt hier häufig 20% 2.

Unruhe in einer Klasse kann unterschiedliche Gründe haben:• der Unterricht ist langweilig,• einer oder mehrere Schüler verstehen nicht, was von ihnen erwartet wird,• der Schüler sucht über das Stören die Aufmerksamkeit (Klassenclown),• der Schüler ist krank,• der Schüler hat persönliche Probleme,• der Unterrichtsstoff ist zu schwer,• die Arbeitsphase ist zu lang.

Ruhe ist eine wichtige Vorraussetzung für konzentriertes Lernen und Arbei-ten.

Jede Lehrkraft braucht ein Signal, das schnell die Aufmerksamkeit der Schüler auf sie lenkt und es ermöglicht – ohne viel Zeit zu verlieren – Anweisungen, Arbeitsaufträge o. ä. zu verteilen. Kurz: Sie benötigt ein Zeichen, das für Ruhe sorgt! Ähnlich einem Dirigenten oder Fußballtrainer. Der Dirigent benutzt sei-nen Taktstock und der Fußball-Trainer die Pfeife, um auf sich aufmerksam zu machen. Beide können es sich nicht leisten, mehr als fünf Sekunden für die Herstellung von Ruhe zu verbrauchen.

Auch bei Jugendlichen ist ein Leisezeichen (hier: Aufmerksamkeitszeichen) gut einsetzbar. Wir empfehlen als Methoden:• Das Leisezeichen (bei Jugendlichen: Aufmerksamkeitszeichen, siehe Be-

währte Methoden und Materialien, S. 269 f. und CD): Es sorgt schnell für Ruhe und ist in nahezu allen Situationen einsetzbar.• Den Countdown (siehe Bewährte Methoden und Materialien, S. 270 und

CD): Gibt den Schülern mehr Zeit, um zur Ruhe zu kommen.• Ein akustisches Signal (siehe Bewährte Methoden und Materialien, S. 270

und CD): Hilft in sehr lauten Klassen und schont die Stimme der Lehrkraft.

1 Rhode, G., Jenson, W. R. & Reaves, H. K. (1993). The Tough Kid Book. Practical Classromm Management’s Strategies. Longmont: Sopris West.

2 Nicht repräsentative Umfrage bei Lehrkräften des Berufsvorbereitungsjahr (BVJ), Berufs-grundbildungsjahr (BGJ), Bäckerhandwerks, Fleischereifachverkäufern und Metzgern in den Jahren 2007 – 2009.

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Unterrichtsstörungen Stundenanfang – zur Ruhe kommen

Methoden und Materialien Seite

Beobachtungsbögen und LeitfädenBeobachtungsbogen – für die Lehrkraft (über einen oder mehrere Tage)Selbstbeobachtungsbogen (Schüler)Smileykarten und BingoOn- und Off-task-Fragebogen (ein Schüler)On- und Off-task-Fragebogen (ganze Klasse)Gesprächsprotokoll

S. 172 ff.

Punktepläne / LobenWie lobt man Jugendliche?

S. 245 ff.

Auszeitmethode (Time-Out) S. 260 ff.

RitualeIgnorieren am positiven ModellSchallplatte mit Sprung (broken-record-technique)Leisezeichen / Aufmerksamkeitszeichen

Gute Regelspiele

S. 265 ff.

S. 271 ff.

Auch Jugendliche profitieren von Ritualen, die den Stundenbeginn begleiten. Vor allem das Leisezeichen lässt sich in veränderter Form mit Jugendlichen gut praktizieren.

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Unterrichtsstörungen Hereinrufen Kinder Jugendliche

Hereinrufen

Jost geht gern zur Schule. Lernen fällt ihm leicht, entsprechend gut sind seine Noten. Er ist ein aufgeweckter und hervorragender Schüler und im Prinzip ist seine Lehrerin mit ihm zufrieden. Allerdings stört es sie erheblich, dass er sich nur selten meldet und alles was er zu sagen hat, ungesteuert in die Klasse ruft. Schon seit dem ersten Schuljahr versucht sie, ihm das vorlaute Verhalten abzu-gewöhnen. Kurzfristig registriert sie kleine Verbesserungen, aber dann scheint sich doch nichts verändert zu haben. Da er aber immer wieder gute Beiträge leistet und eine Stütze ihres Unterrichts ist, toleriert sie letztlich sein impulsives Verhalten.Ganz anders verhält sich René. Auch er meldet sich nur selten und ruft ständig in die Klasse. Im Gegensatz zu Jost haben seine Beiträge keinerlei Bezug zum Unterricht. Sie stören eher. Auch René ist kaum zu steuern. Ständig versucht er meine oder die Aufmerksamkeit anderer Schüler zu erregen. Wenn ich beispiels-weise Sätze bilde, in denen der Dativ eingeführt wird, erzählt er von dem, was er letzten Sonntag erlebt hat. Selbst wenn ich ihm versichere, dass ich ihm nicht zuhöre, erreiche ich nichts. Ganz abgesehen davon, dass es physiologisch nicht funktioniert, ihm einfach nicht zuzuhören. Ich nehme das Gesagte auf, verarbei-te es und muss mich trotzdem auf meine Beispielsätze zum Dativ konzentrieren. Und gerade dies empfinde ich, wie viele andere Lehrkräfte, als besonders an-strengend, weil parallel zwei Themen bearbeitet werden. Nach solchen Stunden fühle ich mich völlig erschöpft.

Beide Schüler sind als impulsiv zu bezeichnen. Sie zeigen Symptome, die von Kindern mit einer Aufmerksamkeits-Dezit-Störung mit Hyperaktivität (ADHS) bekannt sind.

Unter den Begriff Impulsivität fasst man folgende Verhaltensweisen:• Abwarten fällt schwer,• mit Antworten herausplatzen,• übermäßiges und lautes Reden,• Ungeduld,• geringe Frustrationstoleranz,• Neigung zu Wutausbrüchen,• Unterbrechen und Stören anderer,• Respektlosigkeit,• Ausrasten.Natürlich gibt es eine Vielzahl von Schülern, die nicht von ADHS betroffen sind und trotzdem impulsiv reagieren.Impulsive haben es in der Schule am schwersten. Besonders diejenigen, deren ständige Unterbrechungen keinen Bezug zum Unterricht haben. Man fragt sich immer wieder, wie man sie dazu bringen kann, ihre Antworten bei sich zu behalten.Sie müssen dies schon im Kindergarten erlernen.

Die Leiterin eines Kindergartens bat mich wegen eines verhaltensauffälligen Jungen in ihrer Einrichtung in der entsprechenden Kindergruppe zu hospitie-ren. Die Kinder saßen im Kreis und eine Praktikantin las eine Geschichte vor. Danach stellte sie Fragen zum Inhalt und forderte die Kinder auf, sich zu mel-den und nicht ihre Antworten gleich in die Runde zu rufen. Die Leiterin der

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Unterrichtsstörungen Hereinrufen

Gruppe, eine sehr erfahrene Kollegin, wies sie darauf hin, dass man in der Regel so nicht vorgehe. Es sei sehr wichtig, dass alle Kinder ihre Beiträge rufen dürf-ten, weil man ja üben wollte, dass auch die Ruhigeren sich trauen, eine Antwort zu geben. Deshalb dürfe man am Anfang nicht zu streng sein. Beide hatten in gewisser Weise recht.

Im Allgemeinen ist es für Kinder schon üblich, gerade wenn sie noch jünger sind, dass sie sofort mitteilen, was sie wissen, aber das Vorgehen der Prakti-kantin hatte natürlich auch einiges – gerade für den Umgang mit Impulsiven – für sich.Für den Unterricht hat es sich bewährt, herauszufinden, welche Gründe es gibt, impulsives Verhalten in der Klasse zu zeigen.

Mögliche Gründe für impulsives Verhalten sind:• Aufgeregt sein – weil „Ich kenne die Antwort!“,• „Die Antwort ist mir so herausgerutscht.“,• Vergesslichkeit – in der Klasse erarbeitete Regeln und Rituale bleiben unbe-

rücksichtigt,• das Kind hat noch nicht gelernt, Fragen korrekt zu beantworten,• Suche nach Aufmerksamkeit und Zuwendung,• die Lehrkraft hat mehrere Fragen in schneller Abfolge gestellt und Kinder

haben jetzt den Eindruck, schnell Antworten geben zu müssen, um sie nicht zu vergessen,

• manche ertesten „Grenzen“,• die anderen Kinder sind Modell, weil sie auch ungesteuertes Verhalten zei-

gen.

Hereinrufen von Antworten, Kommentaren, Meinungsäußerungen stellen in der Klasse ein großes Problem dar. Der Unterrichtsfluss wird unterbrochen und es verhindert, zurückhaltendere Kinder zu berücksichtigen. Kinder, die es gewohnt sind, hereinzurufen, haben im Prinzip nicht gelernt, sich etwas zurückzunehmen.

Es gibt Interventionen, die im Moment des Hereinrufens angewendet werden. Aber es existieren natürlich auch Maßnahmen, die sozusagen als Prävention ergriffen werden können.

Interventionen vor dem Hereinrufen (präventiv):• Besprechen Sie mit allen Kindern genau, wie geantwortet werden soll.• Üben Sie den gesamten Prozess spielerisch ein: Stellen Sie Fragen und las-

sen Sie antworten. Formulieren Sie Ihre Erwartungen kurz vor dem Beant-worten von Fragen.

Lassen Sie das Leisezeichen machen: die rechte Hand ist erhoben und der Zei-gefinger der linken Hand verschließt den Mund. Der Zeigefinger sinkt dann nach unten und nur der Vorgang des Meldens bleibt übrig (siehe Bewährte Methoden und Materialien, S. 269 ff. und CD).

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Unterrichtsstörungen Hereinrufen Kinder Jugendliche

Interventionen im Moment des Hereinrufens:• Lassen Sie das hereinrufende Kind Ihre Enttäuschung merken und erläu-

tern Sie kurz, warum Sie enttäuscht sind.• Statt einer verbalen Äußerung verdeutlichen Sie Ihr Missfallen mimisch:

Ziehen Sie Ihre Augenbraue hoch, runzeln Sie die Stirn und machen Sie ein ernstes Gesicht – so als wollten Sie sagen „Du kennst doch die Regel? Dein Verhalten enttäuscht mich.“

• Halten Sie sich die Ohren zu, um zu verdeutlichen „Ich mag nicht, wenn Du in die Klasse rufst!“

• Loben Sie ausdrücklich ein anderes Kind, das sich meldet und geduldig war-tet, bis es drangenommen wird.

• Bitten Sie ein anderes Kind noch einmal zu erklären, in welcher Form man in Ihrem Unterricht antwortet.

• Bekräftigen Sie alle richtigen Ansätze, die ein Kind zeigt und benennen Sie immer wieder das gewünschte Modell: – beispielsweise – „Ja, das ist die richtige Antwort! Dennoch wäre es mir lieber gewesen, wenn Du dich gemel-det hättest.“.

• Ignorieren Sie die Antwort des Kindes und fragen Sie ein anderes Kind, das sich ruhig gemeldet hat.

Methoden und Materialien Seite

Beobachtungsbögen und LeitfädenBeobachtungsbogen – für die Lehrkraft (über einen oder mehrere Tage)Der Selbstbeobachtungsbogen (Schüler)Smileykarten und BingoOn- und Off-task-Fragebogen (ein Schüler)On- und Off-task-Fragebogen (ganze Klasse)

S. 172 ff.

Punktepläne / Loben S. 245 ff.

Auszeitmethode (Time-Out) S. 260 ff.

RitualeIgnorieren am positiven ModellSchallplatte mit Sprung (broken-record-technique)Leisezeichen / Aufmerksamkeitszeichen

Regelspiele

S. 265 ff.

S. 271 ff.

Motivierende Geschichten zum Trainieren kreativer Denkprozesse

S. 298 ff.

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Kinder Jugendliche

Unterrichtsstörungen Hereinrufen

Das Hereinrufen erfolgt in der Regel durch die eher sehr impulsiven Kinder. Sie sind in der Praxis sehr schwer zu trainieren, weil sie zwar den Unterricht stören, aber mit ihrem Hereinrufen gar keine Störung provozieren wollen, sondern eher einen Beitrag leisten möchten. Von daher nutzt es wenig, ihnen immer wieder klar zu machen, dass Hereinrufen nicht gewünscht ist. Sie profi-tieren am meisten von Regelspielen, bei denen sie lernen müssen abzuwarten, nicht gleich dran zu kommen, das Leisezeichen zu machen, sich zu melden, ein anderes ruhiges Kind auszusuchen, etc.

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Unterrichtsstörungen Hereinrufen Kinder Jugendliche

Melanie ist eine sympathische Schülerin. Sie besucht die achte Klasse einer Hauptschule. In die Klasse ist sie gut eingebunden. Die Lehrkräfte übertragen ihr gerne Aufgaben. Auch im Unterricht bemüht sie sich und ist sehr enga-giert.Frau L. ist ihre Klassenlehrerin. Sie mag Melanie und kommt gut mit ihr aus. Aber an manchen Tagen ist sie am Ende ihrer Kräfte. Melanie redet ständig. Im Gegensatz zu einigen anderen führt sie keine Privatgespräche. Zu jeder einzel-nen Frage von Frau L. fällt ihr etwas ein und sie ruft die Antwort sofort in den Raum. Sie kann einfach nicht abwarten. Frau L. hat schon viele Gespräche mit ihr geführt. Melanie ist stets einsichtig. Sie hat es im Guten probiert, aber auch im Bösen – beides ohne Erfolg.Frau L. fällt es schwer, Melanies Hereinrufen zu tolerieren.Aber auch in der Klasse verdrehen mittlerweile einige die Augen. Melanies Ant-worten sind oft unüberlegt. Frau L. ist häufig gezwungen, sie zu korrigieren. Die Situation ist für alle unbefriedigend. Frau L. weiß sich keinen Rat.

Überdenken Sie bitte:• Wie viele Schüler Ihrer Klasse schätzen Sie als impulsiv ein?• Erkennen die impulsiven Schüler Ihrer Klasse die gesetzten Regeln?• Haben Sie die Regeln klar genug formuliert?• Welche Methoden haben Sie bereits versucht, um Hereinrufen zu unterdrü-

cken?• Wie reagieren Sie selbst auf das impulsive Verhalten Ihrer Jugendlichen? Ein Teil der Lehrkräfte toleriert das Hereinrufen deshalb, weil sie glauben,

dass ihre Schüler sich wenigstens dann am Unterricht beteiligen. Ein ande-rer Teil setzt wenig klare Regeln.

Jugendliche zeigen folgende Verhaltensweisen. Sie• rufen unkontrolliert in die Klasse,• geben Antworten, ohne dass sie aufgerufen wurden,• führen lauthals Privatgespräche,• pöbeln Mitschüler über den Raum hinweg an,• äußern sich spontan abfällig über andere, so dass es die gesamte Klasse

hört,• etc.

Die meisten Impulsiven• wollen sich am Unterricht beteiligen,• helfen gerne der Lehrkraft,• sind fantasievoll,• machen – oft gute – Witze,• nehmen es der Lehrkraft nicht übel, wenn sie einmal geschimpft hat.

Aber auch impulsive Schüler müssen lernen, anderen Raum zu geben.Sie scheitern häufig, weil• ihre Antworten unüberlegt sind,• sich ihr Verhalten auf die Noten auswirkt,• die Lehrkraft sehr beansprucht wird und die Impulsiven nach einiger Zeit

kaum noch positiv sehen kann,• die anderen Schüler sie ausgrenzen.

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Kinder Jugendliche

Unterrichtsstörungen Hereinrufen

Hereinrufen führt somit zu hohen Belastungen für:• die Lehrkraft, weil sie die hineingerufenen Kommentare nicht ignorieren

kann.• die Klasse insgesamt, weil Mitschüler oft nicht zu Wort kommen.• den betroffenen Schüler, weil er unter Umständen unüberlegte Antworten

gibt.

Aktuelle Forschungsergebnisse 3 zeigen, dass Schüler in die Klasse rufen, weil• sie das Hereinrufen nicht als Fehlverhalten empfinden und• es von Seiten der Lehrkraft toleriert oder eventuell sogar verstärkt wurde.

Methoden und Materialien Seite

Beobachtungsbögen und LeitfädenBeobachtungsbogen – für die Lehrkraft (über einen oder mehrere Tage)Selbstbeobachtungsbogen (Schüler)Smileykarten und BingoOn- und Off-task-Fragebogen (ein Schüler)On- und Off-task-Fragebogen (ganze Klasse)Gesprächsprotokoll

S. 172 ff.

Feedbackübungen S. 214 ff.

Übungen zur Förderung des Selbstvertrauens S. 225 ff.

Punktepläne / LobenWie lobt man Jugendliche?

S. 245 ff.

Auszeitmethode (Time-Out) S. 260 ff.

RitualeIgnorieren am positiven ModellSchallplatte mit Sprung (broken-record-technique)Das Leisezeichen / Aufmerksamkeitszeichen

Gute Regelspiele

S. 265 ff.

S. 271 ff.

Kennenlernübungen S. 286 ff.

Die Vorgehensweise bei Jugendlichen, die ständig hereinrufen, unterscheidet sich kaum von der bei Kindern. Auch hier stoßen wir auf ähnliche Verhaltens-weisen, die Lehrkräfte dann als undiszipliniert erleben. Rituale und Regeln – spielerisch und dem Alter entsprechend erlernt – stellen hier ebenfalls eine große Hilfe dar.

3 Evertson, C. M. und Weinstein, C. S. (Hrsg.) (2006). Handbook of Classroom Management. Lawrence Erlbaum Associates

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Unterrichtsstörungen Schwätzen Kinder Jugendliche

Schwätzen

Während des Unterrichts unterhält sich Sybille häufig mit ihrer Nachbarin. Frau S. hat den Eindruck, dass sie nur selten aufpasst und vieles nicht mitbe-kommt. Spricht sie Sybille an, ermahnt sie und schimpft vielleicht sogar, be-hauptet das Mädchen immer, es sei zum Thema gewesen. Besonders irritierend empfindet Frau S., wenn beide Mädchen lachen, miteinander tuscheln und da-bei zur ihr hinsehen. Sie hat dann das Gefühl, dass sie sich über ihre Lehrerin lustig machen, über sie sprechen oder irgendetwas kommentieren. Frau S. fühlt sich verunsichert. Sie versucht, das Schwätzen zu unterbinden, aber oft schon nach kurzer Zeit beginnen die beiden wieder. Ihre Lehrerin unterstellt ihnen inzwischen, dass sie sich nicht für den Unterricht interessieren. Sie scheinen Ermahnungen und Erläuterungen der Lehrkraft nicht ernst zu nehmen.

Grundsätzlich gilt, dass eine solches Verhalten auf Schülerseite ungehörig und nicht zu dulden ist, weil es die Abfolge von Lehren und Lernen behindert und unterbricht. Es stört den Unterrichtsablauf erheblich und verschwendet wich-tige Zeit.Dennoch kann es durchaus nützlich sein, das eigene Verhalten im Unterricht einmal kurz zu reflektieren und Antworten auf die folgenden Fragen zu su-chen:

• InwelchenPhasenmeinesUnterrichtshörendiewenigstenKinderzu?• LiegtesandemThema/demFach?IstderUnterrichtlangweilig?• ZeigendieSchülernurwenigMotivationundwarum?• HabensieindemFacheinenLehrerwechselhintersich?• GibtesunterUmständenmedizinischeGründe–ADS/ADHS?• HandeltessichumbestimmteKinder?IstdieganzeKlassebetroffen?• HabeichschoneinmaleinesystematischeBeobachtung(z.B.On-undOff-

task-Fragebogen, siehe S. 188 ff. und CD) durchgeführt?• Machtesmiretwasaus,wennsichKinderunterhalten?Wennja–warum?

Wenn nein – warum?• Wie wichtig ist es mir, dass Kinder:

still sitzen zuhören (bitte ankreuzen): (bitte ankreuzen):

sehr wichtig

eher wichtig

weder noch

eher unwichtig

unwichtig

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Kinder Jugendliche

Unterrichtsstörungen Schwätzen

• Welche Strategien verwende ich, um das Schwätzen abzustellen? Wie effek-tiv sind sie?

Auch die Ursachen für Schwätzen während des Unterrichtens bedürfen einer Analyse. Manchmal haben sie mit uns selbst zu tun.• Langweiliges, uninteressantes oder abstraktes Unterrichtsthema… Gibt es

genügend Unterrichtsphasen, in denen man aktiv sein kann?• Einige Kinder unterhalten sich tatsächlich mit ihren Nachbarn und ver-

suchen abzuklären, ob sie den Stoff verstanden haben – bzw. verbalisieren Gelerntes.

• Der Platz neben der besten Freundin, dem besten Freundin kann sich ver-stärkend auf das Schwätzen auswirken.

• Die Lehrkraft registriert Schwätzen erst sehr spät. Es macht ihr eigentlich nichts aus, wenn Kinder reden.

Es zeigt sich also, dass Schwätzen als Verhalten nicht nur negative Aspekte beinhaltet. Es kann auch gut Bestandteil des Unterrichts sein, vor allem dann wenn Aspekte des Unterrichts vertieft und abgeklärt werden.

Frau S. beobachtet Susanne und Jasmin schon eine ganze Weile in ihren Augen-winkeln. Beide schwätzen. Sie würde sich wünschen, wenn sich beide mehr auf die Rechtschreibübung, die gerade zu bearbeiten ist, konzentrieren. Vor allem Jasmin zeigt in der Rechtschreibung Schwächen und muss nach Auffassung von Frau S. üben, üben, üben …Beide scheinen kein Ende zu finden. Frau S. interveniert und setzt Susanne auf einen anderen Platz, damit sie sich nicht weiter gegenseitig stören. Jasmin be-ginnt zu weinen. Sie erklärt schluchzend, dass sie nicht gewusst habe, ob man „Teer“ mit Doppel-E schreibe oder nicht. Susanne habe versucht, ihr zu erklären, wie man das Wort in einem Lexikon nachschlagen könne … Frau S. hat ein schlechtes Gewissen. Sie weiß, dass Jasmin das Lernen schwer fällt.

Manchmal erweist es sich als wichtig, dass Kinder die Möglichkeit haben, zu erklären, warum sie miteinander gesprochen haben. Oft besteht ein konkreter und positiver Bezug zum Unterrichtsthema.

Folgende Strategien haben sich bewährt und als erfolgreicher erwiesen als ständiges Ermahnen und Schimpfen:• Ermuntern Sie Ihre Klasse, selbst zu regeln, dass sie während der Still- oder

Gruppenarbeit ungestört arbeiten können und belohnen sie großzügig, wenn dies gelingt.

• Formulieren Sie Regeln – wie beispielsweise: „Wenn ich etwas erkläre, hörst Du zu. Und wenn Du etwas erläuterst oder

fragst, schenke ich Dir auch meine volle Aufmerksamkeit.“ – oder „Während der Stillarbeit arbeite ich konzentriert und ruhig. Ich darf aber meine Leh-rerin oder meine Nachbarn befragen, wenn es zum Thema gehört.“

• „Sehr gute Freundinnen/Freunde“ sollten nicht immer zusammensitzen.• Loben Sie immer auch explizit die Ruhigeren, die keine Probleme damit

haben, eine Aufgabenstellung entsprechend zu bearbeiten.• Setzen Sie den On- und Off-task Fragebogen (siehe S. 188 ff. und CD) ein:

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Unterrichtsstörungen Schwätzen Kinder Jugendliche

Beispiel: On- und Off-task-Fragebogen (ein Schüler)

Auswertung der Lehrkraft:

Jonas war in den ersten sieben Intervallen meistens am Unterrichtsge-schehen angemessen beteiligt. Lediglich einmal war er abgelenkt. D. h. in mehr als der Hälfte der Stunde war er On-task. Im letzten Drittel ließ er sich vermehrt ablenken. Hier hat er sich nur in einem von fünf Interval-len angemessen beteiligt.

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Kinder Jugendliche

Unterrichtsstörungen Schwätzen

On- und Off-task-Fragebogen

Der Fragebogen ermöglicht es der Lehrkraft in Erfahrung zu bringen, wie häu-fig sich ein Schüler aktiv am Unterrichtsgeschehen beteiligt (d. h. er On-task ist) und wie oft nicht (d. h. wie oft er Off-task ist) und z. B. schwätzt (siehe Be-währte Methoden, S. 188 ff. und CD).

Frau G. beklagt, dass Jonas ihren Unterricht torpediert. Sie ist der Auffassung, dass er eigentlich immer stört. Sein Verhalten ist so anstrengend, dass an einen geregelten Unterricht nicht zu denken wäre. Frau G. überprüft diesen subjekti-ven Eindruck anhand eines Beobachtungsbogens. Sie führt eine Strichliste über Jonas störendes Verhalten. Tatsächlich ändert sich danach das Bild. Jonas hat viele Phasen, in denen er gut mitarbeitet und sich bemüht. Mit dieser neuen Beobachtung kann sie Jonas anders begegnen und lobt ihn, wenn er sich am Un-terricht angemessen beteiligt. Vor allem aber bemerkt sie, in welchen Situationen es Jonas besonders schwer fällt, ruhig und konzentriert mitzuarbeiten. Damit ergeben sich Ansatzpunkte, um mit Jonas an seinem Verhalten zu arbeiten.

Solch eine Beobachtung kann sich beispielsweise auf das On- und Off-task Ver-halten eines Kindes oder der gesamten Klasse beziehen. Unter On-task Ver-halten werden alle Verhaltensweisen gefasst, die auf eine angemessene Mit-arbeit deuten. Off-task Verhalten bezieht sich dagegen auf Verhaltensweisen, die nichts mit dem Unterricht zu tun haben (z. B. Dazwischenrufen, Träumen, mit anderen flüstern, unaufgefordert durchs Klassenzimmer laufen). Auf dem Beobachtungsbogen notiert man von Zeit zu Zeit, ob die Schülerin bzw. der Schüler On- oder Off-task ist und führt dafür eine Strichliste (siehe S. 29). Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, wie man die Zeitintervalle bestimmt, nach denen das On- oder Off-task Verhalten notiert werden soll. Man kann es nach dem Bauchgefühl oder festen Zeitintervallen durchführen. In Amerika gibt es hierfür Ohrstöpsel, über die nach festen Zeitintervallen ein akustisches Signal gegeben wird. Dies ist sicherlich sehr aufwendig. Alternativ kann man sich je-doch auch eine Regel setzen: „Jedes Mal, wenn ich mit meinem Blick über das große Plakat hinten an der Wand schweife, kontrolliere ich Jonas Verhalten.“ oder „Wenn ich jemanden dran nehme, kontrolliere ich vorher, ob Jonas On- oder Off-task ist.“

Das Vorgehen sieht folgendermaßen aus:1. Beobachten (Beantworten des On- und Off-task-Fragebogens).2. Ziele und Maßnahmen ableiten.3. Umsetzen.4. Überprüfen.5. Evtl. Maßnahmen und / oder Ziele verändern / korrigieren.

In manchen Fällen kann es sein, dass man wissen möchte, wie viele Schüler der Klasse wie oft On- bzw. Off-task sind. Hierfür eignet sich der Bogen in der Vari-ante für die gesamte Klasse (siehe Bewährte Methoden, S. 192 ff. und CD).

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Methoden und Materialien Seite

Beobachtungsbögen und LeitfädenOn- und Off-task-Fragebogen (ein Schüler)On- und Off-task-Fragebogen (ganze Klasse)Smileykarten und Bingo

S. 172 ff.

Punktepläne / LobenPunktepläne

S. 245 ff.

Auszeitmethode (Time-Out) S. 260 ff.

RitualeIgnorieren am positiven ModellSchallplatte mit Sprung (broken-record-technique)Leisezeichen / Aufmerksamkeitszeichen

S. 265 ff.

Für schwätzende Kinder haben sich besonders Materialien zur Förderung der Selbstwahrnehmung bewährt. Hierzu zählen kindgerechte Selbstbeobach-tungsbögen wie z. B. das Bingo und die Smileykarten. Sie trainieren das Kind darin, Phasen zu erkennen, in denen es schafft, nicht zu schwätzen. Als Unter-stützung gibt die Lehrkraft dem Kind eine Rückmeldung, indem sie lobt und gegebenenfalls einen Punkteplan einsetzt.Rituale geben dem Kind eine klare Struktur vor und in manchen Situationen kann die Auszeitmethode (Time-Out) hilfreich sein.

Besteht nicht die größte Torheit darin, dass man die Welt so sieht, wie sie ist, statt sie so zu sehen, wie sie sein sollte. Jacques Brel

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Claudia, Jasmin und Markus besuchen die Abschlussklasse einer Realschule. Alle drei sind völlig unterschiedlich, haben aber dasselbe Problem: sie schwät-zen ständig im Unterricht und entnerven ihre Lehrkräfte.Während Jasmin eine engagierte und sehr interessierte Schülerin ist, beteiligen sich Claudia und Markus kaum am Unterricht. Beide Mädchen sind bei ihren Mitschülern beliebt. Markus ist eher ein Außenseiter.Claudia hat gute Noten und bereits eine Ausbildung zur Bürokauffrau in der Tasche. Der Abschluss ist für sie nur noch Formsache. Insgesamt geht sie absolut ungern zur Schule. Die Lehrkräfte findet sie nervig. Sie ist froh, wenn die Aus-bildung beginnt. Claudia fühlt sich leicht ungerecht behandelt und provoziert. Manchmal schaltet sie auf stur und hört dann Musik über ihren MP3-Player oder spricht mit ihrer Nachbarin.Jasmin ist ebenfalls eine gute Schülerin. Sie kommt aus einer Familie, in der viel Wert auf gutes Benehmen gelegt wird. Sie mag ihre Lehrkräfte und findet den Großteil des Unterrichtsstoffes interessant. Sie hat ein hohes Interesse an Klatsch und Tratsch. Es fällt ihr oft gar nicht auf, wenn sie schwätzt. Ermahnt man sie, ist sie ganz verwundert. Es tut ihr leid.Markus hingegen macht mit Ach und Krach seinen Realschulabschluss. Schon seit der Grundschule hat er Schwierigkeiten. Mit viel Nachhilfe, Geduld und Zureden von Seiten der Eltern hat Markus es bis in die Abschlussklasse ge-schafft. Manchmal versteht er den Inhalt des Unterrichts nicht. Er fühlt sich dann unwohl. Er beginnt in seinen Unterlagen zu kramen und schwätzt dann mit seinem Nachbarn.

Alle drei haben unterschiedliche Ursachen für ihr Verhalten:Claudia provoziert. Ihr Schwätzen ist das klare Signal an die anderen: „Hey, ich kann hier machen, was ich will!“Jasmin scheint zu vergessen, dass man während des Unterrichts nicht redet. Ihr sind die üblicherweise in einer Klasse geltenden Regeln nicht klar.Markus hat Schwierigkeiten mit dem Lernstoff. Dies ist ihm unangenehm. Wenn es im Unterricht schwieriger wird, schwätzt er mit seinem Nachbarn.

Bitte überdenken Sie:• Welche Gründe hat Schwätzen in meinem Unterricht?• Werden Grenzen ausgetestet?• Gibt es Schüler, die sich produzieren wollen?• Suchen sie Anerkennung?• Akzeptieren sie die von mir besprochenen Regeln?• Verstehen sie den Unterrichtsstoff?• Langweilen sie sich?

Lehrkräfte reagieren ganz unterschiedlich auf Schwätzen. Ein Teil kann ganz gut damit umgehen. Andere wünschen sich ein völlig ruhiges Arbeitsumfeld. Im Prinzip muss jede Lehrkraft für sich selbst entscheiden, wie viel Privatge-spräche sie in ihrem Unterricht zulässt

Ermahnungen sind in der Regel wenig erfolgreich. Jugendliche interpretieren sie als „Strafpredigt“. Sie führen oft zu gesteigerter Unlust und manchmal zu offener Aggression. Ein sachliches Gespräch, indem man Hilfestellungen be-spricht, ist die bessere Unterstützung.

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Folgende Methoden haben sich bewährt:

Gespräch mit dem Schüler führen.Die Vorschläge sind selbstverständlich auch bei anderen Themen anwendbar.Für Gespräche mit Schülern ist es sinnvoll:• das Gespräch zu planen,• sich Zeit zu nehmen,• mit dem Schüler alleine zu sprechen,• sachlich zu bleiben,• die „Sandwich-Technik“ zu verwenden (s. u.),• evtl. ein Gesprächsprotokoll zu führen (s. u.) und• am Ende weitere Schritte zu vereinbaren.

Gespräche im Affekt sind wenig hilfreich.• Gespräche sollten nicht geführt werden, wenn einem „der Kragen platzt“.• Sie sollten nicht moralisierend sein („Also, das müssten Sie doch wissen.“).• Sie sollten nicht zu lange dauern.• Sie sollten nicht vor der Klasse stattfinden, damit der Schüler das Gesagte

akzeptieren kann.• Sie sollten sachlich geführt werden.• Sie sollten sinnvolle Konsequenzen haben.

Frau Meißner ist Christels Fachlehrerin in Mathematik. In der letzten Zeit ist ihr aufgefallen, dass ihre Schülerin gehäuft im Unterricht schwätzt. Frau Meiß-ner nimmt sich vor, mit Christel ein Gespräch unter vier Augen zu führen.In einem ruhigen Augenblick der nächsten Mathestunde vereinbart sie mit Christel einen Termin. Frau Meißner bereitet das Gespräch mit Hilfe einiger Notizen vor. So fühlt sie sich sicher. Das Gespräch verläuft freundlich und sehr konstruktiv. Beide verlassen gelöst den Termin.

Sandwichtechnik

Manchmal haben Schüler Probleme damit, eine Kritik zu akzeptieren. Man verwendet dann gerne die „Sandwich-Technik“, weil sich der Gesprächspartner dann nicht angegriffen fühlt.Die Sandwichtechnik ist eine Methode, bei der eine Rückmeldung für den Schü-ler in drei Schritten gegeben wird.Es werden zwei positive Rückmeldungen formuliert und zwischen den beiden positiven erfolgt die Auseinandersetzung mit einer Kritik:

„Ich schätze Ihre Mitarbeit im Unterricht sehr. Sie sind engagiert und bringen sehr gute Ideen ein!“ (positiv)„In der Stillarbeit sprechen Sie sehr viel mit Ihrem Nachbarn. Das stört die anderen Schüler und mich. Ich würde mir wünschen, dass Sie sich hierbei auch so engagiert zeigen und die Aufgabe bearbeiten.“ (kritisch)„Ihre Hilfsbereitschaft den anderen und mir gegenüber ist wirklich vorbildlich!“ (positiv)

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Beispiel: Gesprächsprotokoll zum Thema Schwätzen

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Gesprächsprotokoll

Manchmal fertigt man aus unterschiedlichen Gründen ein Gesprächsprotokoll an (siehe Bewährte Methoden und Materialien, S. 196 ff. und CD):• Schüler nehmen protokollierte Gespräche ernster. In manchen Situationen

lässt man den Schüler das Protokoll gegenzeichnen.• Für Gespräche mit Schülern wird ein bestimmter Ablauf vorgeschlagen. Er

ist im Protokoll erkennbar. Eine klare Struktur verhindert Abschweifungen vom Thema.

• Das Gesprächsprotokoll kann bei späteren Unterredungen eine Hilfestel-lung sein.

Vorgehen:• Machen Sie eine klare Aussage zum Schwätzen Ihres Schülers im Unter-

richt.• Suchen Sie gemeinsam nach Lösungen.• Überlegen Sie gemeinsam mit dem Schüler, wie die Lösungen umgesetzt

werden können.• Verabreden Sie ein weiteres Gespräch.• Fassen Sie die Ergebnisse kurz und mit motivierenden Worten zusammen

(z. B. „Ich freue mich, dass wir heute so gut zusammen gearbeitet haben. Ich bin sicher, dass wir das Problem gut in den Griff bekommen werden. Vielen Dank!“).

• Fertigen Sie ein kurzes Protokoll an. Dafür können Sie den Vorschlag aus Bewährte Methoden und Materialien, S. 196 ff. und CD, verwenden.

Auswahl von Maßnahmen

Christel und Frau Meißner haben sehr konkret die nächsten Maßnahmen bespro-chen und sich für die „Vereinbarung eines Signals“ entschieden. Immer dann, wenn Christel schwätzt, wird Frau Meißner sie unauffällig darauf aufmerksam machen, indem sie die Hand hebt.

Vereinbarung eines Signals

Die Lehrkraft (Frau Meißner) vereinbart mit der Schülerin (Christel B.) ein unauffälliges Zeichen. Dieses signalisiert, dass die Schülerin im Augenblick zu viel schwätzt. Als Zeichen könnte sie das kurze Heben der Hand abma-chen. Jedes für die Lehrkraft schnell einsetzbare Zeichen ist möglich. Es muss zum eigenen Stil passen. Dieses setzt sie immer dann ein, wenn die Schülerin schwätzt.Vor dem Signal muss sie eventuell leise den Namen der Schülerin sagen. So erlangt sie Christels Aufmerksamkeit. Schaut die Schülerin dann auf, gibt die Lehrkraft kurz das Signal und fährt mit dem Unterricht fort. Reagiert Christel nicht und schwätzt weiter, wartet sie etwa fünf Sekunden. Dann weist sie ihre Schülerin sachlich darauf hin, dass das Reden im Augenblick unangemessen ist bzw. leiser von statten gehen muss. „Christel, während des Aufräumens ist es in Ordnung, sich leise mit der Nachbarin zu unterhalten. Konzentrieren Sie sich aber bitte weiter auf Ihre Aufgabe.“

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Möglicherweise benötigt die Schülerin das Signal über einen längeren Zeit-raum als Hilfestellung.

Wenn man sich für ein Signal entscheidet:• gibt man das Signal sachlich und ruhig.• lobt man angemessen, wenn nicht geschwätzt wird, z. B.: „So wie Sie jetzt aufmerksam und konzentriert bei der Arbeit sind, ist es

völlig in Ordnung.“ „Sie haben in den letzten 15 Minuten genauestens zugehört. Genauso erwar-

ten wir das von Ihnen.“ „Bei der Gruppenarbeit haben Sie sich sehr verantwortungsvoll um Ihre

Aufgabe gekümmert und dabei kein Wort gesprochen. Genauso sieht kon-zentriertes Arbeiten aus. Sehr schön. Weiter so!“

Ein Signal eignet sich besonders bei Schülern, die sich des Fehlverhaltens nicht bewusst sind. Das Signal sollte unauffällig gegeben werden. Es ist kein Straf-reiz und auch nicht der Beginn moralisierender Erörterungen.

Selbstbeobachtungsbogen

Es kann auch ein Selbstbeobachtungsbogen durchgeführt werden (siehe Be-währte Methoden und Materialien, S. 179 ff. und CD). Er ermöglicht es dem Schüler zu kontrollieren, ob er das Schwätzen unterlassen kann.

Auszeitmethode (Time-Out)

Es ist auch möglich, sich hierfür zu entscheiden.

Trotz des vereinbarten Signals schwätzt Christel weiter im Unterricht. Die Me-thode hat den erhofften Erfolg nicht gebracht. Frau Meißner möchte etwas Neu-es ausprobieren. Sie hat den Eindruck, dass dieses Mal eher ein Strafreiz mit beinhaltet sein muss. Sie wählt die Auszeit-Methode.

Bei der Auszeit-Methode geht man von der Vorstellung aus, dass manche Schü-ler nicht mehr können. Bei älteren Schülern ist es günstig, wenn die Schule einen Auszeit-Raum hat.Zum genauen Vorgehen: siehe Bewährte Methoden und Materialien, S. 260 ff. und CD.

Christel soll in der vierten Stunde in den Auszeit-Raum gehen. Sie wurde wäh-rend der Stunde dreimal ermahnt und es gelang ihr trotzdem nicht, sich zu strukturieren. Von Frau Meißner bekommt sie einen Laufzettel. Auf dem steht in einem Satz, weshalb Christel in den Auszeit-Raum geschickt wird. Diesen gibt sie der dort Aufsicht führenden Lehrkraft.

Wenn man einen Strafreiz verwendet, ist es wichtig, wieder einen positiven Zugang zum Schüler zu bekommen. Die amerikanische Psychologin Virginia Satir soll vorgeschlagen haben:Wenn du einmal schimpfst, dann musst du viermal loben.Hier bedeutet die Auszeit ein sehr intensives Schimpfen. Folgerichtig muss dann auch wieder gelobt werden, damit sich die Beziehung zwischen Schüler und Lehrkraft wieder normalisiert.

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Methoden und Materialien Seite

Beobachtungsbögen und LeitfädenBeobachtungsbogen – für die Lehrkraft (über einen oder mehrere Tage)Selbstbeobachtungsbogen (Schüler)Smileykarten und BingoOn- und Off-task-Fragebogen (ein Schüler)On- und Off-task-Fragebogen (ganze Klasse)Gesprächsprotokoll

S. 172 ff.

Punktepläne / LobenWie lobt man Jugendliche?

S. 245 ff.

Auszeitmethode (Time-Out) S. 260 ff.

RitualeIgnorieren am positiven ModellLeisezeichen / Aufmerksamkeitszeichen

S. 265 ff.

Schwätzen ist im Unterricht bei Jugendlichen ein Problem, das man nie völlig lösen kann. Wenn während des Schwätzens ein Austausch über den Unterricht-stoff erfolgt, wird es in der Regel von Lehrkräften toleriert. Dann hat es wahr-scheinlich auch durchaus seine Berechtigung. Erst, wenn Unterricht kaum noch möglich ist, greift man zu den vorgeschlagenen Methoden. Sie können bei der Lösung des Problems behilflich sein und funktionieren häufig besser als man denkt.

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Unterrichtsunterbrechungen

Erinnert man sich an die eigene Schulzeit, waren Unterbrechungen im Unter-richt immer willkommen: während einer Klassenarbeit klopft es plötzlich an der Tür; etwas fällt mit lautem Krach zu Boden; jemand macht ein Geräusch; draußen spielt sich etwas auf der Straße ab, etc.

Max langweilt sich schon den ganzen Vormittag. In der vierten Stunde gibt es ein Arbeitsblatt zur Bruchrechnung. Niemand hat Lust dazu. Schließlich erin-nert er sich an die Spots einschlägiger Sender. Er fängt plötzlich an, lustvoll zu stöhnen. Die genauen Zusammenhänge seines Stöhnens kennt er nicht, aber es gelingt ihm schon ganz gut. Alle Kinder, die um ihn herum sitzen, wissen, was er meint. Sie stecken die Köpfe zusammen, flüstern sich etwas zu, lachen und prusten schließlich los. Frau B. hat nichts mitbekommen. Jetzt merkt sie, dass sich um Max herum ein Unruheherd bildet. Sie fixiert ihn streng und fragt: „Was ist los, Max?“ Er schaut sie keck an und antwortet: „Ich habe gestöhnt.“ „Geht es Dir nicht gut?“, fragt sie. Jetzt lacht jeder. Frau B. weiß zwar nicht warum, aber ahnt, dass es jetzt schwer wird, wieder eine Arbeitsatmosphäre herzustellen. Max stöhnt noch einmal. Alle amüsieren sich. Sie wird energischer und spürt die Zweideutigkeit des Stöhnens. Sie verliert allmählich die Fassung…

Unterrichtsunterbrechungen bedeuten in der Regel, dass Kinder etwas Dum-mes sagen oder machen. Auf jeden Fall gehört es nicht zum Unterricht. Für Lehrkräfte ist es oft schwer, ruhig zu bleiben.

Manchmal kann es eine Hilfe sein, sich die folgenden Fragen zu stellen:• Wer unterbricht mich in der Klasse?• Wann geschieht dies?• Ist die Störung zu lokalisieren?• Gibt es Gründe für die Unterbrechung?Die Beantwortung der Fragen gestaltet sich oft schwierig. Ich habe die Erfah-rung gemacht, dass es günstig ist, andere Kolleginnen und Kollegen, denen man traut und die kooperativ sind, hinzuzuziehen.

Unterrichtsunterbrechungen erfolgen auf ganz unterschiedliche Art und Wei-se:• Jemand ruft oder schreit etwas in die Klasse.• Schüler schwätzen miteinander.• Ein Kind stellt eine unsinnige Frage, um auf sich aufmerksam zu machen.• Es erfolgen Unterrichtsbeiträge ohne jeglichen Bezug zum Thema.• Es klopft, jemand macht eine Ansage oder gibt etwas ab.• Ständig geht jemand zur Toilette.• …

Die Kinder selbst haben unterschiedliche Gründe:• Sie unterbrechen, weil sie der Auffassung sind, es sei witzig und lustig. Sie

produzieren sich.• Sie fühlen sich unruhig und nervös.• Sie kommen mit den in der Klasse vereinbarten Ritualen noch nicht zu-

recht.• Sie fühlen sich inhaltlich, also vom Unterrichtsstoff, überrollt.

Unterrichtsstörungen Unterrichtsunterbrechungen Kinder Jugendliche

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• Sie suchen Aufmerksamkeit bei den Mitschülern aber auch bei der Lehr-kraft.

• Es fällt ihnen gerade etwas „Wichtiges“ ein. Sie wollen es nicht vergessen und müssen es sagen.

• Sie wollen einen Unterrichtsbeitrag leisten, aber die Lehrkraft kann ihn nicht in den Unterrichtsinhalt integrieren.

Herr B. beobachtet in seiner Klasse, dass sich einige Kinder angewöhnt haben, Geräusche zu produzieren, wenn sie sich melden. Sie stöhnen, summen, schnip-sen, rufen, etc. Anfangs hat er nicht eingegriffen, weil er sich über die an sich rege Beteiligung gefreut hat. Dann aber fühlte er sich beim Unterrichten zusehends mehr gestört. Er hat versucht, die unterschiedlichen Geräusche abzustellen, ohne aber den gewünschten Erfolg zu erzielen. Es fiel ihm auf, dass er anfing, ständig zu ermahnen. Deshalb hat er das Leisezeichen eingeführt und variiert: Man hebt die rechte Hand und legt die linke Hand auf die Lippen. Schon nach kurzer Zeit verringerten sich die von den Kindern produzierten Geräusche.

Neben dem Leisezeichen (siehe Bewährte Methoden und Materialien, S. 269 ff. und CD) gibt es eine Reihe anderer Strategien, die ebenfalls erfolgreich sind:

• die Unterrichtsunterbrechungen ignorieren und somit scheinbar nicht zur Kenntnis nehmen;

• mit den Kindern genau vereinbaren, wie Beiträge zum Unterricht geleistet und an welcher Stelle des Unterrichts Fragen gestellt werden können;

• immer wieder auch Gelegenheit geben, über Probleme zu reden, um Unter-brechungen zu vermeiden;

• alle Themenbereiche, die nicht zum Unterricht gehören, vor Beginn des Un-terrichts abhandeln;

• Toilettengänge vorher ermöglichen;• an Regeln und Rituale erinnern;• als Lehrkraft die Hand hochhalten als Zeichen dafür, dass man jetzt nicht

unterbrochen werden möchte;• leistet ein Kind einen Beitrag, der nicht themenbezogen ist, unterbricht man

das Kind und stellt die Äußerung zurück.

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Unterrichtsstörungen Unterrichtsunterbrechungen

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Methoden und Materialien Seite

Beobachtungsbögen und LeitfädenSelbstbeobachtungsbogen (Schüler)Smileykarten und BingoOn- und Off-task-Fragebogen (ein Schüler)On- und Off-task-Fragebogen (ganze Klasse)

S. 172 ff.

Feedbackübungen S. 214 ff.

Punktepläne / LobenPunktepläne

S. 245 ff.

Auszeitmethode (Time-Out) S. 260 ff.

RitualeIgnorieren am positiven ModellLeisezeichen / Aufmerksamkeitszeichen

Gute Regelspiele

S. 265 ff.

S. 271 ff.

Rituale (Leisezeichen, Ignorieren am positiven Modell) zeigen den Kindern, wann Störungen nicht mehr angemessen sind. Bei massiveren Störungen kön-nen der Punkteplan oder die Auszeitmethode Trainingsmöglichkeiten für ein-zelne Kinder sein.Ist der Unterricht ansonsten attraktiv gestaltet (durch Unterbrechungen mit guten Spielen, Übungen und Geschichten) und lobt man Kinder, wenn sie sich angemessen beteiligen, verringert sich erfahrungsgemäß das Ausmaß an Stö-rungen.

Unterrichtsstörungen Unterrichtsunterbrechungen Kinder Jugendliche