Sturma die Waldschue · Migros-Magazin 26, 23. Juni 2008 D ie 16 Kinder im Bus von Baden AG auf die...

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Migros-Magazin 26,23. Juni 200 Sturm a die Waldschu e Lernen im Grünen: Mit Naturmaterial basteln und nach Herzenslust rumrennen - das können Kinder im Wald bestens. Und neuerdings auch das Einmaleins lernen..

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Migros-Magazin 26,23. Juni 200

Sturm a dieWaldschu eLernen im Grünen: Mit Naturmaterial basteln und nach Herzenslust rumrennen - daskönnen Kinder im Wald bestens. Und neuerdings auch das Einmaleins lernen..

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ie 16 Kinder im Bus vonBaden AG auf die Bald-egg tragen Wanderschuhe,

Rucksäcke und Langarm-T-Shirts.Die Hosenbeine haben sie indie Socken gestopft, wegen derZecken. Die Gruppe ist unter-wegs zu ihrem Klassenzimmer,dem Wald. Ob Regen, Schneeoder Sonnenschein: Die Kindervom Waldkindergarten sind anjedem Schultag im BadenerWald anzutreffen. Als Basis dientdas «Waldsofa», ein mit Ästengebautes Rondell, das von einerPlastikplane überdacht ist. Aufdem Weg zum «Waldsofa»sammeln die Kinder am Wiesen-rand Material für die heutigenLektionen: Löwenzahn, Gänse-blümchen, Butterblumen. «Wirbauen eine Wasserleitung, legenBlumen-Sudokus und bastelnZauberblumen», erklärt Kinder-gärtnerin SibyJle Egloff (37).Nach einer naturpädagogischenZusatzausbildung unterrichtet siedas vierte Jahr begeistert imWaldkindergarten.

Beim «Drachenloch»beginnt kurz darauf eine Gruppe

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von Kindern die Wasserleitungzu bauen. Tim erklärt, wie mandie Löwenzahnstängel zusam-menstecken muss: «Ein dünner,dann ein dicker, dann eindünner.» Jakob zieht mit einerSpritze Wasser aufund presst esin die Löwenzahnleitung. «Esrünnt!», ruft Sandra. Zusammenmit der Praktikantin Michelleversuchen die Kinder nunfieberhaft, die undichten Stellenzu flicken. Ohne es zu merken,trainieren sie dabei Feinmotorik,Geduld, Konzentration undsuchen nach kreativen Lösungen.Alle Kinder machen den ganzenVormittag über motiviert bei denverschiedenen Posten mit.

Neu auch eine Waldschule«Ich arbeite sozusagen imTeamteaching mit dem Wald»,sagt die Kindergärtnerin.«Der unebene Boden, dieJahreszeiten und das vielfältigedidaktische Material aus derNatur sind meine Partner.» DerWald schaffe Nähe zwischenden Kindern und fördere dieTeamarbeit. Ausserdem müsse

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Migros-Magazin 26, 23. Juni 2008

Die 16 Kinder im Bus vonBaden AG auf die Bald-egg tragen Wanderschuhe,

Rucksäcke und Langann- T-Shirts.Die Hosenbeine haben sie indie Socken gestopft, wegen derZecken. Die Gruppe ist unter-wegs zu ihrem Klassenzimmer,dem Wald. Ob Regen, Schneeoder Sonnenschein: Die Kindervom Waldkindergarten sind anjedem Schultag im BadenerWald anzutreffen. Als Basis dientdas «Waldsofa», ein mit Ästengebautes Rondell, das von einerPlastikplane überdacht ist. Aufdem Weg zum «Waldsofa»sammeln die Kinder am Wiesen-rand Material für die heutigenLektionen: Löwenzahn, Gänse-blümchen, Butterblumen. «Wirbauen eine Wasserleitung, legenBlumen-Sudokus und bastelnZauberblumen», erklärt Kinder-gärtnerin Sibylle Egloff (37).Nach einer naturpädagogischenZusatzausbildung unterrichtet siedas vierte Jahr begeistert imWaldkindergarten.

Beim «Drachenloch»beginnt kurz darauf eine Gruppe

von Kindern die Wasserleitunzu bauen. Tim erklärt, wie madie Löwenzahnstängel zusam-menstecken muss: «Ein dünn,dann ein dicker, dann eindünner,» Jakob zieht mit eine]Spritze Wasser auf und presstin die Löwenzahnleitung. «Esrünnt!», ruft Sandra. Zusammmit der Praktikantin Michelleversuchen die Kinder nunfieberhaft, die undichten Stelhzu flicken. Ohne es zu merkentrainieren sie dabei FeinmotorGeduld, Konzentration undsuchen nach kreativen LösungAlle Kinder machen den ganzVormittag über motiviert bei (verschiedenen Posten mit.

Neu auch eine WaldschulE«Ich arbeite sozusagen imTeamteaching mit dem Wald»sagt die Kindergärtnerin.«Der unebene Boden, dieJahreszeiten und das vielfältigdidaktische Material aus derNatur sind meine Partner,» DeWald schaffe Nähe zwischenden Kindern und fördere dieTeamarbeit. Ausserdem müsst

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'im weiss, wie man eine Löwenzahnleitung baut. Wie in jedem Chindsgi gibts auch eine Znünipause. Dann zeigt die Praktikantin Michelle ihren Schützlingen,

Vor zehn Jahren wurde inSt. Gallen der erste privateWaldkindergarten in der Schweizgegründet und später zur bishereinzigen Waldschule erweitert.

Inzwischen gibt es in verschiede-nen Kantonen private und zumTeil auch öffentlich geführteWaldkindergärten und WaIdspiel-gruppen. Die drei öffentlichenWaldkindergärten des KantonsZürich sind zurzeit wegen derKantonalisierung des Kinder-gartens in Frage gestellt. DasProblem: Im Wald müssen stetszwei Betreuungspersonenanwesend sein, das erhöht diePersonalkosten.

Der Verband der SchweizerKindergärtnerinnen äusserte sich2002 skeptisch zu öffentlichenWaldkindergärten. «Durch denausschliesslichen Aufenthalt imWald wird die Vielfalt vonLernfeldern eingeschränkt»,heisst es in einer Stellungnahme.Eine Studie von Sarah Kieneran der Universität Freiburg 2004ergab Jedoch keinerlei Hinweisedarauf, dass Waidkindergärtierbenachteiligt seien. Im Gegenteilschnitten sie in der Grobmotorikund der Kreativität deutlichbesser ab als die Testgruppeaus dem Regelkindergarten,während sie feinmotorisch aufdem gleichen Stand waren.

Weitere Informationen:• www.naturspielwald.ch·www.waldkindergarten.ch

man sich hier präzise ausdrü-cken, damit man zum Beispielwisse, welcher Baum als Treff-punkt gemeint sei.

Nach den Sommerferienwird ein Teil dieser Kinder auchden ersten Schultag im Walderleben. Denn der Waldkinder-garten wird ausgebaut zur«Basisstufe vier bis acht». Damitnimmt der private TrägervereinNaturSpielWaId die im KantonAargau (und anderen Kantonen)geplante Verschmelzung vonKindergarten mit der ersten undzweiten Klasse zur Basis tufevorweg. Verena Speiser (49),Präsidentin von NaturSpielWald,sagt: «Das hat sich über die Jahrehinweg so ergeben. Zuerst waren

die Waldspielgruppen, darausentstand der Kindergartenund jetzt eben die Basisstufe.»

Die Erfahrungen waren sogut, dass viele Eltern sichwünschten, ihre Kinder auch dieersten zwei Schuljahre in denWald zu schicken. Speiser istüberzeugt: «Wenn ein Kind sichdas Wissen aneignen kann,wie aus einem Buchennüsschenein Baum wird, so gelingt esihm später auch zu lernen, wieman einen Computer bedient.»Kindergärtnerin Egloff ergänzt:«Gernäss meiner Erfahrung kanndas kognitive Denken nicht nurauf A4-Blättern geschult wer-den.» Tatsache ist: Die Kinderaus dem Waldkindergarten haben

sich bisher problemlos in diePrimarschule integriert.

Bauwagen als SchreibstubeOhne trockenen Ort zumSchreiben und Lesen wird auchdie künftige Waldschule nichtauskommen. Dafür ist vorläufigein alter Bauwagen vorgesehen.Das Interesse an der Waldschuleist gross: Kaum hatte derErziehungsrat sie als Privatschu-le anerkannt, waren die 25 Plätzeau gebucht - trotz Schulgeld.Chiara, die jetzt das zweiteWaldkindergartenjahr besucht,wird im August in die Wald-schule eintreten. Ihre MutterUrsula Staubli, selber Primarleh-rerin, hat keine Angst, dass ihre

Opena-Air- mach Kindern auch mit den Eltern Spass

Keine Angst vor langeweile.Kindergärtnerin Sibylle Egloff hatviele Ideen für Familien im Wald:

• Kleine Blütenblätter lassen sich mitetwas Lippenpomade prima aufsGesicht kleben und verwandeln dieKinder in Feen und Kobolde.• Unter umgestürzten Wurzelstöckenverbirgt sich oft Lehm. Daraus lassensich viele tolle Figuren kneten.·In ehemaligen Feuerstellen hat esalte Kohle. Die Kinder lieben es,sich gegenseitig damit zu schminken.• Etwas angerührten Fischkleisterin einem Glas mitnehmen, undschon hat man den besten Leim,um bunte Blätter an Baumstämmezu kleben und den Baum mit

Blätterschlangen oder Gesichtern zudekorieren.• «Versteckis" mal anders: Allezählen, ohne zu gucken, einerversteckt sich. Wer ihn findet, geselltsich unbemerkt zu ihm. Wer irrtzuletzt noch suchend durch denWald? Kleine Geräusche helfen - so-dass bald alle im Versteck sitzen.• Für Baumfangis grenzt man einSpielfeld mit vielen Bäumen ein.Einer fängt, die anderen rennen umdie Bäume. Wer einen Baum berührt,kann nicht gefangen werden. Kommtein neues Kind zu diesem Baum,muss das erste den Baum freigeben.• Kinder lieben Zwerge. Einfach einHolzstück zuspitzen - schon istein Zwerg mit Mütze geboren. Und

bestimmt braucht er auch ein Hausaus Stecken und einen Garten.• Die unbeliebten Borkenkäferverzaubern Holzstecken durch ihreFrassspur auf wundersame Weise.Fährt man mit Ölkreiden den Spurennach, bekommt man einen wunder-schönen Zauberstab.·In morschem Holz stecken vieleLebewesen und in manchem Steinsogar Kristallstreifen: Um diese zuknacken, lohnt es sich, einen altenSchraubenzieher oder Hammer inden Wald mitzunehmen.• Ein umgefallener Baumstamm istein wunderbares Telefon. Das leises-te Kratzen mit den Fingernägelnist am anderen Ende zu hören, wennman ein Ohr auf das Holz legt.

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wie man Gänseblümchen zu Ketten zusammensteckt, und Kindergärtnerin Sibylle Egloff singt das Habichtlied.

Tochter zu wenig lernen könnte.«Sie kennt jetzt schon mehrPflanzen und Vögel als ich», sagtsie. «Ich bin überzeugt, dassman sich den Lernstoff derersten zwei Schuljahre sehr gutim Wald aneignen kann.»Chiara sei ein Bewegungskindund brauche die Ruhe, die derWald ausstrahle. Das Wichtigsteaber: Chiara ist glücklich imWald. Text lisa Inglin

BilderNathalieBissig

Was taugt die Waldschule?Diskussion und Infoszur Entstehung derWaldkindergärten auf

dung auslöst, kann man sichimpfen lassen, was für Kinder absechs Jahren empfohlen wird.

-VorbeugenZiehen Sie Ihrem Kind für denWald Kleidung an, die Beine undArme bedeckt und gut schliesst.Zeckensprays wirken vorbeugend,allerdings nur für einige Stunden.Den Körper des Kindes nach jedemAufenthalt in der Natur absuchen.Zecken bevorzugen versteckteStellen an Kopf und Hals, unterden Armen, zwischen den Beinenund in den Kniekehlen. Zeckenmöglichst rasch entfernen.

-Weitere Infos: www.zecken.ch

Zecken leben in hohem Gras, imUnterholz und Büschen und könnenTräger von Viren und Bakterien sein,die sie beim Beissen übertragen:

- Borrelioser Die häufigste vonZecken übertragene Infektions-krankheit. Wird sie nicht frühzeitigmit Antibiotika behandelt, könnenchronische Beschwerden folgen.Bildet sich einige Tage nach demStich eine ringförmige Rötungum die Einstichstelle, muss manunbedingt den Arzt aufsuchen.Eine Impfung gibt es nicht.

- Frühsommer-Meningo-Enzephali-tis: Gegen diese Viruskrankheit, diein einigen Fällen Hirnhautentzün-