SUCHT Doping am Arbeitsplatz - WILA ArbeitsmarktDoping am Arbeitsplatz SUCHT Das Thema ist im Job...

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arbeitsmarkt UMWELTSCHUTZ | NATURWISSENSCHAFTEN_25|2009 IV ratgeber arbeit E in Tasse anregender Tee und ein Stückchen Schokolade – und der Schreibfluss für den nächsten Bei- trag kommt wieder in Gang. Kreativität und Konzentration sind nicht permanent gegeben, aber im Job ständig gefordert. Kaffee und Zigaretten sind das beliebtes- te Mittel unter Büroarbeitern, die gerade einen Motivationsschub brauchen. Auch Studierende greifen - besonders in Prü- fungszeiten und intensiven Arbeitspha- sen - zu solchen Mitteln. Ist am Abend das Tagespensum an Lernstoff erreicht oder der Bürojob getan, hilft der Alkohol, wieder vom Stress des Tages herunter- zukommen. Bier und Wein sind gängige Entspannungsmittel nach einem stressi- gen Tag. Allerdings greifen bei anhalten- dem Leistungsdruck und Arbeitsstress viele Menschen zu höheren Dosen und stärkeren Mitteln. Irgendwann zeigt selbst extremer Kaf- feekonsum keine Wirkung mehr. Der Kör- per fordert seine Ruhephasen ein. Wird er dann mit leistungssteigernden Mitteln, wie z. B. Amphetaminen weiterhin wach und aktiv gehalten, sind körperliche und psychische Schäden vorprogrammiert. Langfristig drohen schwere Schäden und Erkrankungen, ganz gleich ob es sich um Alkohol, Medikamente, Cannabis oder aufputschendes Kokain handelt. Viele Menschen nehmen schon im Alltag Tabletten und andere Mittel ein, um Kör- per und Psyche auf dem notwendigen Leistungsniveau zu halten. Abhängigkeit und Suchtverhalten ist häufig schneller da, als manch einer wahrhaben will. Die Deutsche Hauptstelle für Sucht- fragen (DHS) schätzt, dass von den jähr- lich 150 Millionen verkauften Packungen von Schmerz- und Betäubungsmitteln „ein nicht unbeträchtlicher Teil“ nicht wegen Krankheiten, sondern wegen ei- ner Medikamentensucht erworben wird. Die verdeckte Sucht nach Medikamenten wird nach Ansicht des Verbandes immer noch unterschätzt, obwohl etwa 1,5 Mio. Menschen, davon zu zwei Dritteln Frauen in Deutschland abhängig von Medika- menten sind. Auch eine Studie der Deutschen Angestelltenkrankenkasse (DAK) belegt, dass bei Gesunden die Hemmschwelle sinkt, Arzneimittel zur Bewältigung von Alltagsproblemen zu missbrauchen. Befragt wurden im Rahmen der Unter- suchung etwa 3.000 Arbeitnehmer im Alter zwischen 20 und 50 Jahren. Vier von zehn Personen wissen, dass Medika- mente gegen Gedächnisstörungen oder Depressionen auch bei Gesunden wirken können. Jeder Fünfte meint zudem, dass die Risiken einer solchen Anwendung im Vergleich zu ihrem Nutzen „vertretbar“ seien. Fünf Prozent räumten sogar ein, diese Form des „beruflichen Dopings“ zu nutzen - die Hälfte von ihnen sogar täglich oder mehrfach pro Woche. Der Großteil der Medikamente wird diesen Gesunden von Ärzten verschrieben, ein Fünftel der Befragten beschafft sich die Medikamente über Kollegen, Freunde, Familienmitglieder oder über den Ver- sandhandel. Nach Angaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung sterben jährlich in Deutschland mindestens 110.000 Menschen vorzeitig an den Fol- gen des Tabakkonsums, weitere 40.000 Menschen sterben an den Folgen schäd- lichen Alkoholkonsums, und etwa 1.300 Todesfälle im Jahr geschehen in Folge Doping am Arbeitsplatz SUCHT Das Thema ist im Job tabu. Doch Drogen, Alkohol und Me- dikamente sind im Arbeitsalltag präsent. Auch Studierende greifen besonders in Prüfungszeiten zu leistungssteigern- den Mitteln. | Cornelia Voß

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arbeitsmarkt UMWELTSCHUTZ | NATURWISSENSCHAFTEN_25|2009IV

ratgeber arbeit

Ein Tasse anregender Tee und ein Stückchen Schokolade – und der Schreibfluss für den nächsten Bei-

trag kommt wieder in Gang. Kreativität und Konzentration sind nicht permanent gegeben, aber im Job ständig gefordert. Kaffee und Zigaretten sind das beliebtes-te Mittel unter Büroarbeitern, die gerade einen Motivationsschub brauchen. Auch Studierende greifen - besonders in Prü-fungszeiten und intensiven Arbeitspha-sen - zu solchen Mitteln. Ist am Abend das Tagespensum an Lernstoff erreicht oder der Bürojob getan, hilft der Alkohol, wieder vom Stress des Tages herunter-zukommen. Bier und Wein sind gängige

Entspannungsmittel nach einem stressi-gen Tag. Allerdings greifen bei anhalten-dem Leistungsdruck und Arbeitsstress viele Menschen zu höheren Dosen und stärkeren Mitteln.

Irgendwann zeigt selbst extremer Kaf-feekonsum keine Wirkung mehr. Der Kör-per fordert seine Ruhephasen ein. Wird er dann mit leistungssteigernden Mitteln, wie z. B. Amphetaminen weiterhin wach und aktiv gehalten, sind körperliche und psychische Schäden vorprogrammiert. Langfristig drohen schwere Schäden und Erkrankungen, ganz gleich ob es sich um Alkohol, Medikamente, Cannabis oder aufputschendes Kokain handelt.

Viele Menschen nehmen schon im Alltag Tabletten und andere Mittel ein, um Kör-per und Psyche auf dem notwendigen Leistungsniveau zu halten. Abhängigkeit und Suchtverhalten ist häufig schneller da, als manch einer wahrhaben will.

Die Deutsche Hauptstelle für Sucht-fragen (DHS) schätzt, dass von den jähr-lich 150 Millionen verkauften Packungen von Schmerz- und Betäubungsmitteln „ein nicht unbeträchtlicher Teil“ nicht wegen Krankheiten, sondern wegen ei-ner Medikamentensucht erworben wird. Die verdeckte Sucht nach Medikamenten wird nach Ansicht des Verbandes immer noch unterschätzt, obwohl etwa 1,5 Mio. Menschen, davon zu zwei Dritteln Frauen in Deutschland abhängig von Medika-menten sind.

Auch eine Studie der Deutschen Angestelltenkrankenkasse (DAK) belegt, dass bei Gesunden die Hemmschwelle sinkt, Arzneimittel zur Bewältigung von Alltagsproblemen zu missbrauchen. Befragt wurden im Rahmen der Unter-suchung etwa 3.000 Arbeitnehmer im Alter zwischen 20 und 50 Jahren. Vier von zehn Personen wissen, dass Medika-mente gegen Gedächnisstörungen oder Depressionen auch bei Gesunden wirken können. Jeder Fünfte meint zudem, dass die Risiken einer solchen Anwendung im Vergleich zu ihrem Nutzen „vertretbar“ seien. Fünf Prozent räumten sogar ein, diese Form des „beruflichen Dopings“ zu nutzen - die Hälfte von ihnen sogar täglich oder mehrfach pro Woche. Der Großteil der Medikamente wird diesen Gesunden von Ärzten verschrieben, ein Fünftel der Befragten beschafft sich die Medikamente über Kollegen, Freunde, Familienmitglieder oder über den Ver-sandhandel.

Nach Angaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung sterben jährlich in Deutschland mindestens 110.000 Menschen vorzeitig an den Fol-gen des Tabakkonsums, weitere 40.000 Menschen sterben an den Folgen schäd-lichen Alkoholkonsums, und etwa 1.300 Todesfälle im Jahr geschehen in Folge

Doping am Arbeitsplatz

SUCHT

Das Thema ist im Job tabu. Doch Drogen, Alkohol und Me-dikamente sind im Arbeitsalltag präsent. Auch Studierende greifen besonders in Prüfungszeiten zu leistungssteigern-den Mitteln. | Cornelia Voß

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illegalen Drogenmissbrauchs. Zielgerich-tete und auf wissenschaftlichen Ergeb-nissen gestützte Suchtprävention kann nach Ansicht der Bundeszentrale einen bedeutsamen Beitrag dazu leisten, die Bevölkerungsgesundheit zu steigern, die gesellschaftliche Kosten zu senken und die Lebensqualität zu erhöhen.

Viagra fürs Gehirn

Zu den „synthetischen Schlaumachern“ gehören anregende Mittel, die üblicher-weise gegen Depressionen, gegen die Alzheimer-Demenz oder gegen Aufmerk-samkeitsstörunden (Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperatkivitäts-Störung ADHS) eingesetzt werden. Sie werden aber zu-nehmend auch von Gesunden eingenom-men, die damit ihre Leistungsfähigkeit und Konzentration fördern möchten, um die Aufgaben im Alltag und Beruf besser be-stehen zu können. Die tatsächliche Wir-kung dieser Neuropusher wird häufig überschätzt, die Nebenwirkungen – Herz-rasen, Kopfschmerzen oder psychische Reaktionen – teils unterschätzt. Tests an Gesunden kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen. So konnte man zwar eine leichte Verbesserung der Leistungsfähig-keit beobachten, gleichzeitig reagierten manche Versuchspersonen aber fahrig und machten dadurch letztlich sogar mehr Fehler. Über die Langzeitwirkungen sol-cher Medikamente gibt es kaum Erfah-rungswerte.

Diese Mittel sind natürlich nie für Gesunde oder für das „Alltagsdoping“ zu-gelassen, warnt die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) – nur: Im Internet werden all diese Mittel angeboten und bei dubiosen Händlern bestellt. Selbst-verständlich geschieht das auf eigenes Risiko, d.h. ohne richtige Information, nicht selten sind diese Präparate auch schlicht gefälscht!

Die wirksamsten Präventionsmecha-nismen sind letztlich die Vermeidung der „Nebenwirkung“-Abhängigkeit durch die richtige Anwendung von Medikamenten und die richtige Empfehlung für Arznei-

mittel. Fachleute wie Ärzte und Apothe-ker haben daher eine besondere Verant-wortung, die Patienten vor Missbrauch und Abhängigkeit zu schützen.

Vigil oder Ritalin sind trotzdem auf dem Vormarsch. Ritalin wird vor allem hyperaktiven Kindern mit Aufmerksam-keitsdefizitsyndrom verschrieben. Die Abgabe des Wirkstoffes hat sich in den letzten zehn Jahren fast verzehnfacht. Laut dem im Februar 2009 veröffentlich-ten Gesundheitsreport der Deutschen Angestelltenkrankenkasse (DAK) neh-men etwa 800.000 Gesunde regelmäßig Medikamente, die eigentlich für depressi-ve, demente oder hyperaktive Menschen gedacht sind. „Derzeit ist Doping am Arbeitsplatz zwar noch kein weitverbrei-tetes Phänomen, weil viele Menschen die Nebenwirkungen fürchten”, bilanziert DAK-Vorstandschef Prof. Dr. Herbert Rebscher. „In Zukunft wird sich durch die zunehmende Medikalisierung der Gesellschaft und nebenwirkungsärmere Medikamente die Entwicklung beschleu-nigen.”

Müdigkeit ist unerwünscht

Es macht schon nachdenklich, wenn Me-dikamente zur Behandlung der Narkolep-sie – der Schlafstörung mit erhöhtem Schlafdrang – zur Leistungssteigerung eingenommen werden. Die Wirkung des Narkolepsie-Medikaments Modafinil auf Gesunde klingt verlockend, die Pille hält länger wach und kann zudem die kogni-tive Leistung um bis zu zehn Prozent er-höhen. Auch wenn bei diesem Mittel nicht die aufputschende Wirkung von Amphetaminen oder Drogen wie Kokain oder Speed eintritt – frei von Nebenwir-kungen ist auch dieser Stoff nicht. Es können Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit, hoher Blutdruck und Erbrechen auftre-ten. Zudem können Persönlichkeitsver-änderungen die Folge sein.

Die bekannteste Substanz unter den Amphetaminen ist die Designerdroge MDMA, auch Ecstasy genannt. Wie jedes Psychopharmakon hat Ecstasy gewisse

typische Wirkungen, an der Wirkentfal-tung sind jedoch viele Faktoren beteiligt. Neben der Zusammensetzung der Pille und der Dosierung der Wirksubstanzen, haben aber auch die Atmosphäre der un-mittelbaren Umgebung und der Konsu-ment selber – seine aktuelle Stimmung und seine Erwartungen – Einfluss auf die Wirkung.

Daher kann es passieren, dass man-che Konsumenten unter Ecstasyeinfluss tanzen wollen und kommunikativer wer-den, während andere sich eher schwer und mundfaul fühlen. Aber auch bei ein und derselben Person können die Wir-kungen sehr unterschiedlich sein. Selbst bei identischer Pillenzusammensetzung werden zwei Pillen niemals zu einem absolut identischen Rausch führen.

INFORMATIONEN

www.dhs.de – Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V.

www.bzga.de – Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, bietet auch Verzeichnis der Suchtberatungs-stellen

www.drugcom.de Internetportal zur Suchtprävention im Auftrag der Bun-deszentrale für gesundheitliche Auf-klärung

www.caritas-suchthilfe.de Bundes-verband der Suchthilfereinrichtungen im DCV

www.sucht.org Gesamtverband für Suchtkrankenhilfe

www.gesundhei ts foerdernde-hochschulen.de – Arbeitskreis Ge-sundheitsfördernde Hochschulen mit Informationen, Gesundheitssurvey für Studierende in NRW, Literatur und Links zum Thema Gesundheitsförde-rung

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Grundsätzlich fühlen sich die Konsumen-ten wach und aktiviert mit einem gestei-gertem Körperempfinden und optischen Wahrnehmungsveränderungen. Ecstasy erzeugt aber auch Wirkungen, die je nach Dosierung und Zusammensetzung der Pille unangenehm bis gefährlich sein können, wie Schwindelgefühle, Übelkeit, Schweißausbrüche, erweiterte Pupillen, Kiefermahlen, Mundtrockenheit. Gefähr-licher sind die Wirkungen wie Herzrasen, Ansteigen der Körpertemperatur und Austrocknung, massive Angstzustände (Horror-Trip), psychotische Störungen, Nieren- und Leberversagen und Kreis-laufkollaps. So gab es im Sport bereits Dopingfälle mit tödlichem Ausgang.

Studien haben gezeigt, dass Ecsta-sy eine schädigende Wirkung auf die Nervenzellen des Gehirns hat. Da das Ausmaß der Schädigung nicht in Abhän-gigkeit zu der Anzahl konsumierter Pillen steht, wurde geschlussfolgert, dass auch schon geringe Mengen Ecstasy das Ge-hirn schädigen können. Bei dauerhaftem Konsum von Ecstasy geht man zudem das Risiko ein, eine psychische Abhängig-keit zu entwickeln.

Die aufputschende Wirkung des Koka-ins beruht auf der vermehrten Ausschüt-tung körpereigener Neurotransmitter. Dadurch kommt es zu einer massiven Sti-mulation des zentralen Nervensystems. Die als positiv wahrgenommen Wirkun-gen sind eine gesteigerte Wachheit und eine euphorische, gehobene Stimmung. Auf der körperlichen Seite macht sich die Stimulation durch motorische Hyperakti-vität sowie den Anstieg der Pulsfrequenz, des Blutdruck, der Körpertemperatur und der Atemfrequenz bemerkbar. Der Kör-per wird also insgesamt auf eine höhere Leistungsfähigkeit eingestellt. Allerdings wird dem Körper keine Energie durch das Kokain zugeführt, vielmehr werden seine Kraftreserven verbraucht. Dies kann sich bemerkbar machen durch: Übererregung, aus der sich zerebrale Krampfanfälle entwickeln können; Ver-wirrtheit und Bewusstseinsstörungen, die zum Koma führen können und einer

gesteigerten Aggressivität mit paranoide Wahnvorstellungen und Halluzinationen Körpertemperatur, Herzfrequenz und Bluthochdruck steigen. Die Folge des Ko-kainkonsums können Atemkreislaufver-sagen, d. h. Lähmung des Atemzentrums und Herzinfarkt sein.

Alkohol

In geringen Mengen hat Alkohol eine enthemmende Wirkung. Typisch ist eine gehobene Stimmung sowie eine gestei-gerte Kontaktfreudigkeit. Größere Men-gen Alkohol führen zu massiven Wahr-nehmungs- und Aufmerksamkeitsstörun-gen. Die Urteilskraft, Koordinationsfähig-keit und Sprache werden zunehmend beeinträchtigt. Schließlich stellen sich Müdigkeit und Benommenheit ein. Bei hohen Dosen drohen lebensbedrohliche Delirien.

Länger andauernder Alkoholmiss-brauch hat die Schädigung der inneren Organe, des Gehirns und des periphe-ren Nervensystems zur Folge. Neben verminderter Konzentrations- und Ge-dächtnisleistungen kommt es auch zu Persönlichkeitsveränderungen. Im fort-geschrittenen Stadium entstehen auch Wahnvorstellungen. Am Ende sterben ganze Hirnregionen ab.

Gesundheit von Studierenden

Mit dem „Gesundheitsurvey für Studie-rende NRW“ ist die umfassenste Datenla-ge zur Gesundheit dieser Zielgruppe ge-schaffen worden. Das zentrale Ergebnis: Die Mehrzahl der NRW-Studierenden schätzt den eigenen Gesundheitszustand mindestens als gut ein. Doch: Während immer weniger Studierende rauchen, greifen immer mehr zum Alkohol. Rauch-te vor 10 Jahren noch jeder Dritte, ist es heute nur noch jeder Fünfte. Die Mehr-heit der Studenten (82 Prozent) befür-wortet ein absolutes Rauchverbot an der Hochschule. Beim Trinkverhalten zeigt sich ein gegenteiliger Trend. Insbesonde-re Männer greifen vermehrt zur Flasche, so zeigt fast jeder dritte männliche Stu-dent ein problematisches Trinkverhalten. Dies sind fast dreimal so viele Männer wie Frauen. 67 Prozent der Studenten und die Hälfte der Studentinnen wünscht keinen Verkauf von Alkohol auf dem Hochschulgelände.

Studierende leiden am häufigsten un-ter Konzentrationsschwierigkeiten (40 Prozent), Nervösität und Unruhe (38 Prozent), Rückenschmerzen, Schulter- und Nackenschmerzen (jeweils 37 Pro-zent) sowie an Kopfschmerzen (32 Pro-

Viele Beschäftigte sind im Beruf überfordert und greifen in ihrer Not zu Alkohol, Medika-menten oder härteren Drogen

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ARBEITSKREIS

Der Arbeitskreis Gesundheitsfördern-de Hochschulen besteht seit 1995 und wurde von der Landesvereini-gung für Gesundheit Niedersachsen e.V. und dem Forschungsverbund Ge-sundheitswissenschaften Niedersach-sen (FGN) gegründet.

Der Arbeitskreis ist offen für alle Hochschulen und deren Status-gruppen sowie Institutionen, die im Hochschulbereich sowie der Gesund-heitsförderung tätig sind. Mehr als 170 Personen von mehr als 60 Hochschu-len und anderen Institutionen sind im Arbeitskreis über einen E-Mail-Vertei-ler organisiert.

Die aktiven Mitglieder des Arbeits-kreises sind z. B. als Hauptamtliche der Gesundheitsförderung an den Hochschulen tätig bzw. gehören zum Arbeitsschutz, dem Personalrat, dem Betriebsärztlichen Dienst, dem Hochschulsport, der Sucht- und So-zialberatung oder sind als Dozenten/innen bzw. Studierende in einem ge-sundheitlich oder gesundheitswissen-schaftlich ausgerichteten Studiengang tätig.

Seit November 2004 existiert der Arbeitskreis Gesundheitsfördernde Hochschulen Nordrhein-Westfalen, der von der Landesunfallkasse NRW in Kooperation mit der Koordinati-onsstelle für Hochschulübergreifende Fortbildung (HÜF) organisiert wird. Aufgabe des Landesarbeitskreises ist es, für die Hochschulen in NRW eine qualifizierte, ortsnahe Anlaufstelle für die hochschulbezogene Gesundheits-förderung zu schaffen..

Im März 2007 wurde der Arbeits-kreis Gesundheitsfördernde Hochschu-len Südwest gegründet. Zu den Zielen des Landesarbeitskreises gehören der Erfahrungsaustausch, Vernetzung so-wie die Suche nach Möglichkeiten der aktiven Zusammenarbeit.

mer dagegen seinen Alkoholkonsum kontollieren, dann kann der Arbeitgeber eine verhaltensbedingte Kündigung aus-sprechen, wenn dieser nach der Abmah-nung erneut alkoholisiert bei der Arbeit ist. In diesem Falle kann ihm dann auch ein Verschulden vorgeworfen werden.

Kann ein Arbeitnehmer wegen physischer und psychischer Abhängig-keit seine gewohnte und übermäßige Alkoholaufnahme nicht stoppen, liegt ein krankhafter Alkoholismus vor. In diesem Fall müssen für eine mögliche Kündigung mehrere Sachverhalte vor-liegen: Beeinträchtigung betrieblicher Interessen, negative Zukunftsprognose, Interessensabwägung zwischen Auflö-sung des Arbeitsverhältnisses seitens des Arbeitgebers und dem Interesse des Mitarbeiters im Betrieb zu bleiben. Hier spielen auch soziale Faktoren wie Lebensalter, Betriebszugehörigkeit und Unterhaltsverpflichtungen eine Rolle. Hat der Süchtige schon eine Entziehungskur hinter sich und ist rückfällig geworden oder hat eine Kur abgelehnt, kann eine negative Zukunftprognose unterstellt werden.

Eine arbeitsrechtliche und auch menschlich schwierige Frage ist, ob man Kollegen melden muss, bei denen

zent).An der Studie haben sich zwölf Uni-

versitäten und vier Fachhochschulen in Nordrhein-Westfalen, dem Bundesland mit den meisten Hochschulen beteiligt. Insgesamt wurden vom Sommersemes-ter 2006 bis zum Sommersemester 2007 mehr als 3.300 Studierende zu ih-rem subjektiven Gesundheitszustand und -verhalten sowie zur Lebenswelt „Hochschule“ befragt. Das Projekt „Ge-sundheitssurvey für Studiernede in NRW“ ist ein Kooperationsprojekt des Gesund-heitslabors der Universität Bielefeld (Fa-kultät für Gesundheitswissenschaften, AG Bevölkerungsmedizin und biomedizi-nische Grundlagen) gemeinsam mit der Techniker Krankenkasse und der Landes-unfallkasse NRW.

Rechtliche Situation

Alkohol am Arbeitsplatz ist in den meis-ten Betrieben verboten. Dies steht sogar bei vielen Firmen ausdrücklich in Arbeits-verträgen, Betriebsvereinbarungen oder Arbeitsanweisungen. Damit wollen die Unternehmen die betriebliche Sicherheit schützen und für ungeminderte Arbeits-leistungen sorgen. Doch ob mit oder ohne ausdrückliches Verbot, generell müssen Arbeitnehmer ihren Arbeits-pflichten nachkommen. Wer sich vor oder sogar während der Arbeitszeit in ei-nen Zustand versetzt, in dem er seine Aufgaben nicht mehr erledigen kann, kann hierfür zur Verantwortung gezogen werden. Der Arbeitgeber kann den Pflichtverletzer abmahnen und ihm ar-beitsrechtliche Konsequenzen bis hin zur Kündigung drohen, wenn sich der Vorfall wiederholt.

Bei einer Kündigung aufgrund der Pflichtverletzung wird zwischen krank-heitsbedingter und verhaltensbdingter Kündigung unterschieden. Ist nämlich ein Mitarbeiter schon alkoholabhängig, dann muss der Arbeitgeber personenbedingt (krankheitsbedingt) kündigen. Dem Mit-arbeiter kann dann keine Schuld zuge-sprochen werden. Kann ein Arbeitneh-

Frauen sind besonders belastet, wenn Full-time-Job, Kinder und Haushalt gemanaget werden müssen

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man Alkohol- oder Drogenkonsum am Arbeitsplatz bemerkt. Arbeitsrechtlich sind gleichrangige Kollegen zunächst nicht zur gegenseitigen Aufsicht ver-pflichtet. Anders ist die Situation, wenn ein Arbeitnehmer bei Alkohol- oder

Drogenkonsum am Arbeitsplatz eine Gefahr für die Gesundheit oder sogar das Leben anderer Kollegen oder Kunden ist. Ebenso, wenn Haftungsschäden für den Arbeitgeber drohen. Dann ist ein Kollege und auch ein nachgeordneter Mitarbeiter verpflichtet, den Fall dem Arbeitgeber zu melden.

Konzentration und Leistungs-steigerung ganz legal

Natürlich ist es bequemer, ein paar Pillen zu schlucken als regelmäßig mit Sport, Yoga oder anderen Entspannungstechni-ken Konzentration und Ausdauer zu trai-nieren. Um diese Techniken zur Bewälti-gung von Arbeitsstress nutzen zu kön-nen, muss man sie erst einmal eine Weile einüben. Wohlbefinden und positi-ve gesundheitliche Auswirkungen – ganz ohne Katerstimmung, wenn auch nicht ohne Muskelkater – sind dann die Beloh-nung.

EXPERTENINTERVIEW

Interviewpartner ist Herr Dr. K. U. Kühn, Privatdozent und leitender Oberarzt an der Universtitätsklinik Bonn, u.a. zuständig für die stationäre Entgiftung.

arbeitsmarkt: Herr Dr. Kühn, wie schnell wird man von Alkohol, Medikamenten und Drogen abhängig? Herr Dr. Kühn: Beim Alkohol kommt es auf das Konsummuster an, d. h. welche Menge man trinkt und zu welcher Gele-genheit. Bei den Drogen entsteht eine Abhängigkeit unterschiedlich schnell, beim Heroin z.B. sehr schnell und bei den Benzodiazepinen, wie Valium relativ schnell.

Wie kommen man an ein Entzugspro-gramm?In der Regel über den Hausarzt.

Wie lange dauert der Entzug bzw. die Behandlung in der Klinik?Je nach Höhe des Drogenkonsums dauert die Behandlung eine bis vier Wochen. Der Alkoholentzug geht recht schnell, bei den Benzodiazepinen dauert es am längsten.

Wie sieht ein Entzugsprogramm aus?Beim Entzug wird der Alkohol bzw. die Drogen abrupt abgesetzt. Dabei können heftige bis lebensbedrohliche Entzugser-scheinungen auftreten. Daher werden die Patienten meist stationär unter ärztlicher Aufsicht in einer speziellen Entgiftungs-station behandelt. Entzugserscheinungen werden medikamentös behandelt. In Deutschland üblich ist die Verwendung von „Distraneurin” (Wirkstoff Clomethia-zol) oder eines Präparates vom Benzodia-zepin-Typ, wie Diazepam (Valium). Dabei wird mit der Zeit die Dosis immer weiter herabgesetzt. Je nach klinischer Sympto-matik werden für den körperlichen Entzug noch blutdrucksenkende Mittel und An-tiepileptika verabreicht.Parallel werden durch ein psychothera-peutisches und begleitendes Ge-sprächsangebot sowie durch Bewegungs-

und Beschäftigungstherapien der Entzug erleichtert.

Bereits in der Klinik wird auch die Lang-zeittherapie eingeleitet und der Kontakt mit Beratungstellen und Selbsthilfegrup-pen hergestellt.

Welche weiteren Probleme tauchen beim Entzug auf?Neben vegetativen Entgleistungen, wie z.B. starkes Schwitzen, Übelkeit und sehr häufig Schlafstörungen, treten auch Krampfanfälle und Delirien auf. Der Be-griff „Delirium tremens“ ist vielen bekannt, doch die wenigsten wissen, dass dies ein lebensbedrohlicher Zustand ist, an dem ohne adäquate ärztliche Hilfe viele Men-schen sterben.

Wie hoch ist die Erfolgsquote?Der Erfolg hängt meist weniger von der Art und Dauer der Therapie als von der Motivation des Süchtigen ab. Trotzdem gilt: Je eher behandelt wird, desto besser ist die Erfolgsaussicht. Ist der Patient ein-sichtig und hat er den starken Wunsch mit dem Konsum aufzuhören, hat er recht gute Chancen. Quantitative Aussagen über den Erfolg sind nur für selektive Gruppen möglich.

Wer kommt in die Klinik? Sind es vorwie-gend Arbeitslose? Ist der Anteil Jugendli-cher gestiegen? Die Patienten kommen aus allen Gesell-schaftsschichten. Betroffen sind Arbeiter wie auch Manager. Mit längerer Abhängig-keit ist allerdings ein sozialer Abstieg ver-bunden. Der Anteil Jugendlicher steigt nicht. Auffällig ist allerdings eine Zunahme der „Kampftrinker”.

Wie kann man vorbeugen? Welche Hilfen gibt es?Hilfen gibt es von den Suchtberatungs-stellen. Vorbeugen kann man, indem man täglichen Konsum von z.B. Alkohol mei-det und indem man die aufgenommenen Mengen unter Kontrolle hält.

Wir danken Ihnen für das Gespräch.

„Eine möglicherweise gefährliche Mi-schung“ © viocat/Pixelio

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