Südtirol Weißburgunder

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Weißburgunder ist der typischste Weißwein Südtirols. WEINWELTEN von Maus und Bassler, unterhaltsame Texte und künstlerische Fotos

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weissburgunder aus südtirol

Gipfelstürmer

von rot zu weiß − südtirols rebenland­schaft wechselt langsam, aber stetig die farbe und gewinnt damit an ansehen. allen voran zeigen die eleganten und rassigen weißburgunder, zu welchen höhenflügen südtiroler weißweinproduzenten fähig sind. Er ist ein echtes Kind seiner Heimat, der Südtiroler Weiß-burgunder. Er trägt all das in sich, was sein Anbaugebiet ausmacht. Seine grünlich-hellgelbe Farbe fängt die Strahlen der Sonne ebenso ein wie das Grün der Bergwiesen. Sein Duft erinnert an die Äpfel, die neben seinen Rebgärten im großen Stil angebaut werden, aber auch an die Birnen aus den Obstgärten der Region. Er schmeckt so klar und frisch wie die Luft im Gebirge, so mineralisch wie die Böden aus Kalk, Granit, Schiefer und Porphyr, auf denen er wächst. Er hat aber auch eine straffe Säure, die ihm das Tempera-turgefälle zwischen Tag und Nacht bewahrt. Im reiferen Alter ist er so cremig und buttrig wie die Bergbauernbut-ter von den Almen. Und als charaktervollster Weißwein Südtirols hat er auch die Kraft, die vonnöten ist, um an die Spitze zu klettern, an die Spitze der italienischen Weiß-weine nämlich.

Das kommt nicht von ungefähr. Das Terlaner Becken im mittleren Etschtal zwischen Bozen und Meran bietet Weißweinreben beste Anbaubedingungen. Ebenso das zu Füßen des Mendelgebirges zwischen Bozen und Tramin liegende Anbaugebiet Überetsch mit den traditionsreichen Weinbaugemeinden Eppan und Kaltern. Denn in ganz Südtirol sorgen der Windschatten der Alpen, 300 jährliche Sonnentage und die gute Verteilung der Regenmengen sowie die Bodenbeschaffenheiten dafür, dass sich Weiß-weinreben besonders wohlfühlen.

Wie wohl, das zeigt die hohe Traubenqualität des Weiß-burgunders, der vor rund 150 Jahren nach Südtirol kam und dort fast überall angebaut wird – vom kühlen Eisacktal bis zum heißen Unterland. Man pflanzt ihn in Höhen über 350 Metern an, was er liebt, denn dort bekommen die Reben genügend Sonne, werden aber durch die kühleren nächtlichen Temperaturen erfrischt, was die Frucht- und Säurebildung fördert. Die Südtiroler Weißburgunder – auf

italienisch Pinot Bianco – sind in der Regel sehr lagenbe-tont. Anders ausgedrückt: Ihr Charakter entspricht der Weinlage, auf der sie gedeihen. Da jede einzelne Lage sowohl ein ganz spezifisches Mikroklima wie auch eine ganz eigene Bodenstruktur hat, zeigen die Weine einen ausge-prägten gebietstypischen Charakter. So sind die Weißbur-gunder aus Terlan im Etschtal, wo die Reben tiefe Wurzeln bilden müssen, um in den trockenen, humusarmen Porphyr-Böden genügend Wasser zu bekommen, besonders mineralisch, während von den warmen sonnigen Lagen um Tramin mit Böden aus Kalk- und Dolomitgestein eher mollige und vollmundige Weißburgunder stammen. Die Südtiroler Weißburgunder sind eben besonders ausdrucks-starke Botschafter ihres Terroirs.

Umso erstaunlicher, dass man in Südtirol so lange brauchte, um zu erkennen, dass der Weißburgunder das Zeug hat, die höchsten Gipfel der Weinwelt zu stürmen. Lange war die Welt in Südtirol rot, und Weißweine spiel-ten nur eine Nebenrolle. Noch vor 30 Jahren war weniger als ein Drittel der gesamten Rebfläche mit Weißweinreben bepflanzt, der Rest gehörte den Roten, allen voran dem Vernatsch. Da man in Südtirol gerne etwas länger an Traditionen festhält und sich an Althergebrachtes klammert wie die Bergsteiger an Felswände, musste schon jemand kommen, der den Willen und auch die Kraft hatte, in den erzkonservativen Köpfen der Südtiroler Weinbauern Berge zu versetzen. Jemand wie Hans Terzer! Ein Mann, der im Jahr 1977 als junger Spund von 22 Jahren die Verantwor-tung für die Weinproduktion der Kellereigenossenschaft St.-Michael-Eppan übernahm und sie mit Ehrgeiz, Kompe-tenz, Leidenschaft und konsequentem Handeln in eine der innovativsten Kellereien Italiens verwandelte.

Der heute europaweit geschätzte promovierte Önologe erkannte schon früh, dass Südtirol für den Anbau hochwer-tiger Weißweine geradezu prädestiniert ist. Und er leistete Pionierarbeit, indem er mit seinem schon legendären Dickschädel die Genossenschaftsmitglieder davon über-zeugte, in ihren Rebgärten den Anteil weißer Rebsorten zu erhöhen. Teils auf eine ganz eigene rigorose Art: So sperrte er beispielweise bei einer Mitgliederversammlung die Türen zu, bis die von ihm erwünschte Mehrheitsentscheidung

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zustande kam. Vor allem aber, indem er die Weinbauern bei ihren Bemühungen um herausragende Traubenqua-litäten stets mit Rat und Tat unterstützte und sie dann auch entsprechend hoch entlohnte. Das führte letzten Endes dazu, dass die Eppaner Genossen inzwischen um die höchsten Preise wetteifern. In ihren Diskussionen geht es oft darum, wer am Martinstag am besten dasteht. An diesem wichtigsten Tag für die Weinbauern wird nämlich die Höhe der Auszahlungen festgelegt.

Die Überzeugungsarbeit Terzers führte Anfang der Neunziger zu einem großen weißen Ruck in den Wein-gärten der 355 Genossenschaftsmitglieder im Herzen der grandiosen Rebenlandschaft des Südtiroler Überetsch. Inzwischen hat sich der Anteil von 80 Prozent Rotwein auf jetzt 70 Prozent Weißwein verschoben. Gemäß Terzers Credo produziert man auch die hochwertigsten Weine in entsprechenden Mengen zu durchaus genießerfreund-lichen Preisen. Er sagt: „Mein Ziel ist es, Weine von aller-höchster Qualität zu produzieren – und zwar nicht nur in homöopathischen Mengen und für eine exklusive Schicht von Weintrinkern.“

Dies erreicht man, indem man sowohl beim Anbau wie auch im Keller Tradition und Innovation verknüpft. So werden die Weinberge umweltfreundlich bearbeitet, um das biologische Gleichgewicht der Reben zu fördern. Im

Keller arbeitet man mit neuester Technologie, nutzt aber auch immer noch die traditionellen großen Holzfässer aus der Gründerzeit der Genossenschaft. Die Verknüpfung zeigt sich auch in den Gebäuden der Kellerei, die wie eine Trutzburg an der Südtiroler Weinstraße thront: Neben dem Jugendstilbau, der zwei Jahre nach Gründung der Genossenschaft im Jahr 1909 fertiggestellt wurde, liegt nun ein zeitgenössischer Anbau mit klaren Linien. Hier kann man in modernem Ambiente die Weine der Genossenschaft probieren und kaufen. Auch dieser Publikumsmagnet ist von Terzer angeschoben worden, der wie ein Dirigent seinem Orchester den Genossen den Takt angibt.

Zwar wurde Hans Terzers Arbeit immer von viel Kritik begleitet. Aber nur seinen fortschrittlichen Ideen und seinem konsequenten Qualitätsdenken ist es zu verdanken, dass die Kellerei heute zur Riege der besten Weißweinpro-duzenten ganz Italiens gehört. Wobei der Weißburgun-der ganz eindeutig im Mittelpunkt der Produktion von St. Michael-Eppan steht. Er macht fast ein Fünftel des gesamten Sortenspiegels aus. Der weiße Star der Kellerei und auch ein Aushängeschild für das Qualitätspotential der Südtiroler Weißweine ist der Weißburgunder Schult-hauser aus der Selektions-Linie. Sie umfasst eine Auswahl außergewöhnlicher Weine, von denen viele als Best-Buy in Südtirol gelten. Der Weißburgunder hat es aber auch

Am frühen Morgen sind die Weißburgunder-Trauben oft noch mit Bergtau bedeckt.

Kalk, Granit, Schiefer, Porphyr − viele Stützmauern der Weinberge geben ein exaktes geologisches Abbild der Böden wieder.

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Der von Wolken umhüllte Rosengarten ist der Blickfang, wenn man über die Bozener Rebgärten gen Norden schaut.

in die berühmte St.-Valentin-Linie geschafft, die nur den absoluten Spitzengewächsen vorbehalten ist.

Junge Talente sorgen für Furore

Neben den bekannten Stars des Genossenschaftswesens wie Hans Terzer und Luis Raifer von der Kellerei Schreckbichl ist es seit einigen Jahren vor allem der hoch talentierte Nachwuchs unter den Südtiroler Weinmachern, der neue Maßstäbe setzt. Harald Schraffl beispielweise, der auch zwei Jahre in Terzers Reich arbeitete. Der junge Kellermeister der Genossenschaft Nals-Magreid verblüfft, seitdem er 2005 die Verantwortung für die Weinproduktion über-nahm, Jahr für Jahr mit einem Weinsortiment, vor dem selbst anspruchvollste Weinkenner den Hut ziehen. Die Weinparzellen der rund 140 Weinbauern der Genossen-schaft liegen entlang der gesamten Südtiroler Weinstraße – von Nals im Norden bis ins südliche Margreid – und ziehen sich bis zu einer Höhe von 900 Metern hoch. Und hier verbringt der engagierte Schraffl viel Zeit, um seine Winzer vor Ort zu beraten, damit sie die unterschiedlichen mikroklimatischen und geologischen Gegebenheiten ihrer einzelnen Lagen optimal nutzen – und um gegebenenfalls auch korrigierend einzugreifen. So kann Harald Schraffl

auf exzellentes Traubenmaterial zurückgreifen, das er so behutsam wie möglich und mit so viel moderner Technik wie nötig auf seinem Weg in die Flasche begleitet. Der talentierte Weinmacher hat ein Händchen dafür, den Charakter jeder Rebsorte und Einzellage sehr eindeutig und klar herauszuarbeiten. Diese Begabung zeigt sich unter an-derem beim Weißburgunder Sirmian. Er spiegelt mit seiner lebhaften Säure, der kraftvollen aromatischen Fülle und der frischen Struktur ganz wunderbar die gleichnamige Lage oberhalb von Nals. Hier auf über 600 Meter Meereshöhe schaffen Böden aus Lehm und Kalkgestein und die hohe Sonneneinstrahlung ideale Voraussetzungen für diesen beeindruckenden Pinot Bianco.

St. Michael-Eppan und Nals-Magreid sind selbstver-ständlich nicht die einzigen Genossenschaften, die mit ihren Weißburgundern für Furore sorgen. Zur Riege der Top-Produzenten gehört auch die traditionsreiche Can-tina Terlan mitten im Weinbaugebiet Terlan zwischen Bozen und Meran. Die eher kleinere Genossenschaft mit rund 100 Mitgliedern hat sich mit Weißburgundern von beachtlicher Komplexität und erstaunlicher Langlebigkeit einen Namen gemacht. Woher ihre deutlich hervortretende Mineralität stammt, zeigt der moderne Erweiterungstrakt der Kellerei eindruckvoll: Er ist mit rötlichem Porphyr verkleidet, dem typischen Gestein der Gegend, das auch den

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Weißburgunder entscheidend prägt. Man hat sich schon vor vielen Jahren der Entdeckung der Langsamkeit gewidmet. Konkreter: Kellermeister Rudi Kofler setzt auf eine ganz langsame und schonende Vinifikation, die sich bis zu zehn Jahren hinziehen kann. So holt er eine ganz besondere und sehr tiefgehende Aromenstruktur hervor, die Koflers Weiß-burgunder zu sehr eigenwilligen Vertretern ihrer Art macht. Die besten Qualitäten sind meist älter als zwölf Jahre, was ihnen ein noch breiteres Aromenspektrum gibt und eine noch größere Eleganz und Finesse verleiht. Berühmt ist die Genossenschaft übrigens auch für ihren Terlaner, eine Cu-vée aus Weißburgunder, Chardonnay und Sauvignon Blanc, die in Terlan schon vor rund 100 Jahren kreiert wurde.

Wer nun glaubt, die Genossenschaften machen das Gerangel um die besten Weißburgunder Südtirols unter sich aus – falsch. Auch unter den privaten Weingütern und den ganz kleinen freien Weinbauern, die ihre Trauben selber weiterverarbeiten, findet sich so mancher Weißburgunder-Spezialist. Der junge Markus Prackwieser vom Gumphof aus dem Eisacktal ist so einer. Im Gumphof lebt man zwar schon seit Generationen vom Traubenanbau. Aber der Juni-or beschloss, als er den Betrieb von seinem Vater übernahm, dass er fürderhin seine Trauben selber vinifiziert. Und das macht er nun schon seit einigen Jahren mit Bravour! Wobei es ihm die steilen Weinberge am Fuße des Schlernmassivs mit einer Neigung von 50 bis 70 Prozent wahrlich nicht leicht machen. Hier ist in jeder Phase des Anbaus reine Handarbeit angesagt, was den jungen Prackwieser aber ganz offensichtlich zu Höchstleistungen anspornt, denn er hat es geschafft, auf seinen hoch gelegenen Weinparzellen für jede Rebsorte den optimalen Standort zu finden. „Mein Ziel ist es, meinen Kunden einen anregenden Wein anzubieten, der Aufschluss über seine Umgebung und seinen Urheber gibt“, so Prackwieser. Das ist ihm insbesondere mit seinen Weißburgundern bestens gelungen. Schon der Pinot Bianco aus der Basislinie überzeugt durch dynamische Frische und feine Mineralität. Und der Weißburgunder Praesulis – der Name stammt vom nahe gelegenen Schloss Prösels – gehört mit seiner Vielschichtigkeit, Würze, Länge und den minera-lischen Noten zu den großen Weißweinen Südtirols.

Summa summarum kann man nur darüber staunen, wie viel Leidenschaft so ein Weißburgunder bei den ansonsten nicht gerade Esprit versprühenden Südtirolern entfacht! Bei den alten Hasen unter den Kellermeistern, die mit Weitsicht, fortschrittlichem Denken und Biss die Grundla-gen gelegt und rigoros durchgezogen haben. Und bei den jungen Spunden, die mit beiden Beinen fest auf dem Südtiroler Boden stehen, aber genügend Wagemut haben, die festgetretenen Pfade zu verlassen. Sie alle haben mit ihren wundervollen Weißburgundern die Gipfel der italie-nischen Weißweinproduktion gestürmt. ari

Seite 95: Nicht nur das Weincenter Kaltern, auch viele anderen Kellereien locken mit so schicken wie trendigen Verkaufs- und Verkostungsräumen.

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Der Südtiroler Weißburgunder ist ein toller Aperitif, aber auch ein vielseitiger Speisenbegleiter. Unter anderem passt er perfekt zu Weißkrautsalat mit Pressknödel, dem Alpenklassiker unter den Vorspeisen. Selbstverständlich ist er auch der beste Begleiter der cremigen Südtiroler Weinsuppe, die aus Weißburgunder, Fleischbrühe, Ei-dottern und Sahne zubereitet und mit in Butter gerös-teten sowie mit Zimt gewürzten Toastwürfeln serviert wird. Am besten schmeckt er mit einer Temperatur von 10 bis 12° C. Dass man die Südtiroler Weißburgunder nicht für 4 € an der Tankstelle bekommt, versteht sich von selbst. Auch in den Weinregalen durchschnittlicher Supermärkte wird man kaum fündig werden. Der Gang zum Fachhändler oder die Suche in Internetshops lohnt aber allemal. Und da liegen die Preise im Schnitt zwi-schen 6,50 und 12 €.

genusstipp

Mausempfehlungen für mineralischen Weißburgunder

Alois Lageder www.aloislageder.euElena Walch www.elenawalch.comGumphof / Prackwieser www.gumphof.itHartmann Donà [email protected]ätter www.hofstatter.comIgnaz Niedrist www.fws.itKellerei Nals Margreid www.kellerei.itKellerei Schreckbichl www.colterenzio.itKellerei St.-Michael-Eppan www.stmichael.itKellerei St.-Pauls www.kellereistpauls.comKellerei Terlan www.kellerei-terlan.comKellerei Tramin www.cantinatramin.itLaimburg www.laimburg.bz.itManincor www.manincor.comPeter Zemmer www.zemmer.comStroblhof www.stroblhof.itUnterortl / Castel Juval www.unterortl.it

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