Surprise Strassenmagazin 224/10

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Nr. 224 | 7. bis 20. Mai 2010 | CHF 6.– inkl. MwSt. Die Hälfte des Verkaufspreises geht an die Verkaufenden. Bitte kaufen Sie nur bei Verkaufenden mit offiziellem Verkaufspass. Unverzichtbar – Freiwilligenarbeit hält die Schweiz am Laufen Arbeitslosenversicherung: Der Mensch als Opfer des Markts Unter Brüdern Auszeit im Kloster

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Surprise Strassenmagazin 224/10

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Nr. 224 | 7. bis 20. Mai 2010 | CHF 6.– inkl. MwSt. Die Hälfte des Verkaufspreises geht an die Verkaufenden. Bitte kaufen Sie nur bei Verkaufenden mit offiziellem Verkaufspass.

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Arbeitslosenversicherung: Der Mensch als Opfer des Markts

Unter BrüdernAuszeit im Kloster

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*gemäss MACH Basic 2008-2.

Vorname, Name

Strasse

PLZ, Ort

Telefon

E-Mail

Datum, Unterschrift

Seite bitte heraustrennen und schicken oder faxen an: Strassenmagazin Surprise, Administration, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 61 564 90 99, [email protected]

Ist gut. Kaufen!Wer etwas verkauft, braucht Geld. Schlichte Wahrheit – gute Sache.Denn 50 Prozent des Verkaufspreises kommt Surprise zugute. Alle Preise exkl. Versandkosten.

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Surprise Zeitungs-Taschen (34 x 36 cm); CHF 37.50

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Surprise City-Taschen (24,5 x 35,5 cm); CHF 40.–

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Surprise Rucksäcke(32 x 40 cm); CHF 89.–

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Macht stark.

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Strassenmagazin Surprise, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, Tel. 061 564 90 90, Fax 061 564 90 99

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Inhalt04 Editorial

Arbeit so oder so04 Surprise in Berlin

Gemeinsam gegen Armut05 Basteln für eine bessere Welt

Beschäftigungstherapie für Raucher06 Aufgelesen

Dick ist nicht krank06 Zugerichtet

Dorfpunk in der Stadt07 In eigener Sache

Grosser Bahnhof07 Erwin

… leistet Freiwilligenarbeit08 Porträt

Positiv in jedem Sinn10 Klosterleben

Stille lernen22 Le mot noir

Buffet-Talk23 Theater

«fremd?!»24 Kulturtipps

Verträumte Schwestern26 Ausgehtipps

Rollen im Frühling28 Verkäuferporträt

«Surprise ist sehr wichtig für mich»29 Projekt Surplus

Chance für alle!Starverkäufer

30 In eigener SacheImpressumINSP

Die Schweizer Niederlassung der ReedereiMSC in Basel hat 85 Mitarbeiter. René Mägliist der Chef von 84 Frauen. Seit Jahrzehntenbeschäftigt Mägli ausschliesslich Frauen –weil sie die Arbeit einfach besser erledigen alsMänner.

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Titelbild: Andrea Ganz

Längere Wartezeiten, weniger Taggeld, Arbeit um jeden Preis – die Revision der Arbeitslosenversi-cherung (ALV) höhlt den Sozialstaat weiter aus.Die ALV-Vorlage stellt die Bevölkerung vor einenGrundsatzentscheid: Mensch oder Markt.

15 FreiwilligenarbeitUnter Ehrenamtlichen

Sie trainieren den Sportnachwuchs, spazieren mitSenioren, wickeln Babys oder erledigen die Postfür andere: Mehr als die Hälfte der Schweizer be-tätigen sich neben ihrer bezahlten Arbeit freiwilligin allen möglichen Lebensbereichen. Zum Glück,denn viele Aufgaben, für die kein Geld vorhandenist, können so doch noch erfüllt werden.

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12 ALV-RevisionUnter Druck

18 WirtschaftUnter Frauen

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Ihre Meinung!Bitte schicken Sie uns Ihre Anregungen oder Kritik: Strassenmagazin Surprise, Redaktion, Spalentorweg 20,

Postfach, 4003 Basel, T +41 61 564 90 70, [email protected]. Es werden nur Leserbriefe abgedruckt,

die mit vollem Namen unterzeichnet sind. Die Redaktion behält sich vor, Briefe zu kürzen.

Surprise ist auf Spenden angewiesen. Auch auf Ihre! Herzlichen Dank. PC-Konto 12-551455-3

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FRED LAUENER,

GESCHÄFTSFÜHRER

EditorialDanke SBB!

Surprise ist mit den Bahnhöfen verbunden, seites das Strassenmagazin gibt. Seit nunmehrdreizehn Jahren sind Surprise-Verkaufende einfester Teil des belebten Bildes in den grossenStationen. Als Hausherrin der Bahnhöfe sindfür uns dabei die SBB seit jeher ein wichtigerund guter Partner. Und zu Partnerschaften ge-hören hin und wieder auch unterschiedlicheAuffassungen; einerseits. Andererseits gehörtdazu, dass man sich auch wieder finden kann.Genau das können wir heute vermelden.Surprise und die SBB haben die vor anderthalbJahren in den Medien berichtete Meinungsver-schiedenheit über das Rufverbot für Surprise-Verkaufende in den Bahnhöfen beigelegt. DieSBB haben dabei ein ausserordentlich sym-pathisches Zeichen gesetzt und Surprise ein-geladen, in der Haupthalle des Zürcher Haupt-bahnhofs die diesjährige StrassenfussballSchweizer Meisterschaft für sozial benachtei-ligte Menschen durchzuführen. Danke SBB! Mehr über die Veranstaltung, die am 5. Juni in Zürich HB/RailCity stattfinden wird, aufSeite 7.Themawechsel, vom Sport zur Politik. Die sozi-alpolitische Debatte wird derzeit dominiert vonder anstehenden Revision der Arbeitslosenver-sicherung. Linke Organisationen haben gegendie Vorlage das Referendum ergriffen. BreiteKreise, bis tief in die politische Mitte, unterstüt-zen es. Bundeshausjournalist Christof Mosererklärt ab Seite 12, worum es bei der zu erwar-tenden Abstimmung wirklich gehen wird.Die Arbeitslosenversicherung hätte übrigenskeine finanziellen Probleme, wenn bloss dieHälfte der in der Schweiz geleisteten Freiwilli-genarbeit ordentlich bezahlt und auf die Er-werbslosen verteilt würde. Das ist natürlich nurrein rechnerisch gemeint, aber dennoch bemer-kenswert. Knapp 175000 Menschen waren imJanuar als stellenlos gemeldet, rund 350 000Vollstellen beträgt das Volumen der Freiwil-ligenarbeit in der Schweiz. Einblicke in eine riesige Parallelwirtschaft präsentiert Stefan Michel ab Seite 15.Ich wünsche Ihnen gute Lektüre.

Herzlich,

Surprise in BerlinGemeinsam gegen die Armut

Mitte April reisten rund 50 Journalisten deutschsprachiger Strassenzeitungen für ein Wochen-ende nach Berlin. In den Redaktionsräumen der «taz» trafen sie auf Berufskollegen von renom-mierten deutschen Zeitungen. Thema: Wie gestalten wir unsere Magazine journalistisch so attraktiv, dass unser Engagement gegen Armut und Ausgrenzung möglichst viele Leute erreicht.Bei der Vorstellungsrunde zeigte sich einmal mehr, dass die Welt der Strassenzeitungen eine äus-serst vielfältige ist: Von Amateuren, die mit viel Herzblut und wenig Mitteln kleine Zeitungen herausgeben bis zu professionellen «KMU» gibt es eine Vielzahl verschiedener Projekte. Entspre-chend unterschiedlich sind die Bedürfnisse. Bei den Workshops in Kleingruppen zu Themen wieRecherche, Reportage und Vertrieb konnten aber alle wertvolle Tipps der Referenten aus Journa-lismus und PR mitnehmen. Und nach dem Abendessen wurden die neuen Bekanntschaften mitdem einen oder anderen Gläschen begossen. Ganz gemäss dem alten Schlager: KreuzbergerNächte sind lang.

Ein bunter Haufen: Die Journalisten der Strassenzeitungen vor einer Kreuzberger Kneipe.

Redaktorin Julia Konstantinidis präsentiert während

der Vorstellungsrunde Surprise.

Was kommt aufs Cover? Redaktor Reto Aschwanden

während des Workshops zur Titelseite.

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Basteln für eine bessere WeltNun ist es so weit: Seit dem 1. Mai müssen in der ganzen Schweiz die Raucher in der Beiz ihre Hände mit etwas anderem beschäftigenals mit dem Halten der Glimmstängel. Holen wir uns Rat aus Griechenland, und hauchen wir dem unbeschäftigten Rumsitzen mit demKomboloi Sinn ein. Nervöse Raucher und sonstige «Gfätterli» können sich damit im kunstvollen «Um-die-Finger-Wickeln» üben und sodie Zeit bis zur nächsten Rauchpause wunderbar totschlagen.

Für das Komboloi brauchen Sie eine runde Leder- oder Kunststoffschnur.

Kaufen Sie im Bastelladen die Modelliermasse Fimo und formen Sie daraus ca. 25 runde, längliche oder auch eckige Perlen für Ihr Komboloi.

Perlen mit Marmormuster bekommen Sie so hin:

Drücken Sie die einzelnen Fimo-Farben platt und

legen Sie die Farbplatten übereinander.

Schneiden Sie von dieser Platte Streifen ab und

zerstückeln Sie diese in einzelne Teile in der

Grösse, die Sie sich für die Perlen wünschen.

Der Marmoreffekt entsteht durch das Kneten

von alleine.

Formen Sie die Stücke zu Kugeln. Durschstechen

Sie die Kugeln mit einer Nadel, bis ein Loch

entsteht, das gross genug ist für die Komboloi-

Schnur.

Backen Sie die Kugeln nach Anleitung im Ofen.

Ziehen Sie die Kugeln auf die Komboloi-Schnur auf.

Verknoten Sie die Schnur so, dass die Perlen

genug Platz haben, um auf der Schnur hin und her

zu rutschen.

Verzieren Sie die Enden der Schnur mit zwei

weiteren Perlen.

Jetzt können Sie mit den Tricks anfangen,

hier eine kleine Hilfestellung:

1. 2.

3. 4.

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AufgelesenNews aus den 90 Strassenmagazinen,die zum internationalen Netzwerk der Strassenzeitungen INSP gehören.

Biotech-Aha-Erlebnisse

Manchester. Weshalb kaut der Mensch seinEssen? Warum hinterlassen FingerkuppenAbdrücke? Die Biotechnologie erforscht Kör-perfunktionen, die wir als selbstverständlichansehen. Und macht den Blick frei auf einenMikrokosmos, dessen Teile minutiös aufein-ander abgestimmt sind: Wer hätte gedacht,dass wir kauen, um die Nahrung mit derZunge zu einem festen Klumpen zusammen-drücken? So wird verhindert, dass beimSchlucken etwas in die Luftröhre gelangt.Und die Fingerrillen? Machen die Haut ela-stisch und verhindern Blasenbildung.

Kind als Waffe

Graz. Die UN-Richterin Renate Winter überKindersoldaten: «Sie sind die tödlichste undbilligste Waffe, die es gibt; sie kosten nichtsals ein bisschen Essen, sind sich der Gefah-ren nicht bewusst, die sie eingehen, habenihre gesamte Familie verloren, sind vollkom-men allein. Und sie sind gehorsam. Dasheisst, sie machen die abscheulichsten Din-ge, die ein Erwachsener nicht tun würde.Wenn Kindersoldaten keine psychiatrischeBetreuung und Zukunftsperspektive bekom-men, züchtet man Waffen heran. Diese Kin-der können ausser schiessen und töten garnichts – aber das können sie eben sehr gut.»

Dicke Weiber

Wien. Die Frauen der Wiener Selbsthilfe-gruppe «ARGE Dicke Weiber» wollen sichnicht krank reden lassen. Sie kritisieren dieEinstellung vieler Ärzte, die Übergewichtigeals «krank» klassifizierten. «Wir werden blödangemacht, ausgegrenzt, bei Vorstellungsge-sprächen benachteiligt, und das Angebot anKleidern in grossen Grössen ist gering», sagtein Mitglied der Gruppe. Viele Dicke würdenaufgrund dieser Stigmatisierung jahrelangnicht zum Arzt gehen. «Nicht das Überge-wicht macht uns krank, sondern der Hassauf uns.»

ZugerichtetWestentaschen-Revolution

«Das stimmt nicht. Ich habe keine Bierfla-schen nach den Bull … äh Polizisten gewor-fen. Aber sie umzingelten uns.» Justin Hug-entobler* war am Nachmittag des 1. Mai vorzwei Jahren an einem Konzert der PunkbandUK Subs auf dem Kanzleiareal in Zürich, wo sich der Revolutionäre Aufbau versammelte.Wie jedes Jahr liessen Vermummte aus demschwarzen Block Bier und Farbbeutel auf diePolizeibeamten regnen, hin und wieder flo-gen auch Steine und Molotow-Cocktails. DiePolizisten antworteten mit Gummischrot,Tränengas und Wasserwerfern. Schaulustigestanden herum, fasziniert oder schlicht ge-nervt von der alljährlichen Randale. Sie end-ete mit 280 Festnahmen.

Das Bezirksgericht Zürich verurteilte Jus-tin wegen mehrfacher Gewalt und Drohunggegen Behörden und Beamte, Hinderung ei-ner Amtshandlung, Übertretung der allgemei-nen Polizeiverordnung und wegen des Ver-mummungsverbots zu einer Geldstrafe von900 Franken bedingt sowie einer Busse von400 Franken. Das erstinstanzliche Urteil fichtJustin vor dem Obergericht an.

Für seinen Ausflug in die Grossstadt hatsich der Dorfpunk aufwendig herausgeputzt.Er trägt seine beste Lederjacke, mit spitzenNägeln, Nieten und allerlei Buttons verziert.Um den Hals hat er ein Arafat-Tuch drapiert,die zerrissene Hose halten zwei Dutzend Sicherheitsnadeln kunstvoll zusammen, roteund schwarze Schuhbändel verschönern dieSpringerstiefel. Nur sein pausbäckiges Bu-bengesicht will so gar nicht zu seinem marti-alischen Outfit passen.

«Und warum verbringen Sie den 1. Mainicht in Ihrem Dorf?», will der Richter wissen.«Dort gibt es keine Punk-Konzerte», antwortetder 22-jährige Schreinerlehrling. Auf dem Hel-vetiaplatz soll er die Polizisten mit wenig origi-nellen Parolen wie «Scheiss-Bullen» und«A.C.A.B. – All Cops are Bastards» eingedeckthaben, und als sie ihn in Handschellen legtenund durchsuchen wollten, habe er einem Be-amten gedroht, ihn umzulegen, und ihm einen«Schwedenkuss» verpasst. Er wurde in den Kastenwagen komplimentiert und auf der Poli-zeistation vernommen. Wenn mit Gummi-schrot auf ihn geschossen werde, werfe er auchFlaschen gegen die Scheisspolizei, soll er dortgesagt haben.

Vor Gericht sagt Justin nichts mehr, ausser:«Nichts davon stimmt.» Justin hat keinen An-walt, aber einen Vater, der ihn verteidigt, undder hat ein paar Fragen an die Polizisten. Un-bequeme Fragen. Es geht ihm um Recht undGesetz. Und «wer denn hier der Aggressor istund wer sich verteidigt». «Die Aussagen der Be-amten sind also wirklich …» Den Rest des Sat-zes lässt er in der Luft hängen, das Plädoyerfällt kurz aus. Sein Sohn habe ihm geschworen,dass er nicht mit Flaschen auf die Polizistenschoss. «Ich habe meine Kinder zur Wahrheiterzogen», sagt der Familienvater in «Easy Rider»-Kluft. «Ich vertraue meinem Sohn, da-rum bin ich für ihn in Berufung gegangen.»

Erfolglos. Das Richter-Trio bestätigt das ers-tinstanzliche Urteil. Zudem muss Justin eineGerichtsgebühr von 3000 Franken bezahlen.

* persönliche Angaben geändert

ISABELLA SEEMANN ([email protected])

ILLUSTRATION: PRISKA WENGER

([email protected])

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ERWIN …leistet Freiwilligenarbeit VON THEISS

Reservieren Sie sich den Samstag 5. Juni für einen Ausflug nach Zürich. Am besten kommen Sie mit dem Zug, denn der Schauplatz be-findet sich direkt in der Halle des Hauptbahnhofs. Dank eines gross-zügigen Entgegenkommens der SBB kann Surprise seine diesjährigeStrassenfussball Schweizer Meisterschaft für sozial benachteilige Men-schen an dieser besten Publikums- und Passantenlage durchführen.Darüber freuen wir uns sehr, denn neben dem sportlichen Ziel – der Er-mittlung des Schweizer Meisters 2010 – ist es uns ein ebenso wichtigesAnliegen, Menschen am Rand der Gesellschaft mindestens einmal imJahr auch wortwörtlich ins Rampenlicht zu stellen. Dazu gehört nebendem sportlichen Teil auch ein angemessenes Rahmenprogramm. Nachdem eigentlichen Turnierbetrieb und der Medaillenzeremonie laden wirSie deshalb herzlich ein zu einem Dreifachkonzert mit der SchaffhauserKultband Die Aeronauten, dem Zürcher Singer-Songwriter Lee Evertonsowie unserem eigenen musikalischen Projekt, dem Surprise-Chor.

Der Bereich Strassensport ist neben dem Strassenmagazin das zwei-te starke Standbein von Surprise. Seit 2003 fördert Surprise damit dieReintegration von hunderten sozial benachteiligter Menschen mitSport. Die Männer und Frauen in den 18 Teams unserer Strassenfuss-ball-Liga lernen, sich im regelmässigen Trainings- und Turnierbetrieb inder Gruppe zu bewähren und Verantwortung für sich selber und andere zu übernehmen. Selbstkenntnis, Teamgeist, Erfolgserlebnisse,Glücksmomente aber auch der Umgang mit Niederlagen gehören zuden zentralen Erfahrungen, die der Sport insbesondere auch Menschen

In eigener SacheSport und Musik im Zürcher Hauptbahnhof

am Rand der Gesellschaft vermitteln kann. Surprise betreibt die Liga inZusammenarbeit mit sozialen Partnerinstitutionen in der ganzendeutschsprachigen Schweiz. Die besten Spieler einer Saison werdenausserdem in das offizielle Nationalteam berufen, das die Schweiz je-weils am jährlichen «Homeless Worldcup» vertritt. Die diesjährige WMfür sozial benachteiligte Fussballer findet im September in Rio de Ja-neiro, Brasilien, statt.

Das Surprise Sportprogramm wird von vielen Organisationen undbekannten Persönlichkeiten unterstützt. Am 5. Juni sollten Sie diesbe-züglich das All-Star Team um die Fussballer-Legenden Andy Egli undThomas Bickel nicht verpassen sowie die ehemalige Fifa-Schiedsrichte-rin Nicole Petignat, Filmregisseur Michael Steiner und Komiker BeatSchlatter, die gleich mit zwei Teams am Meisterschafts-Turnier teilneh-men werden.

Kommen Sie vorbei, wir freuen uns auf Sie!

Fred Lauener, Geschäftsführer Surprise

Samstag 5. Juni, Zürich HB/RailCity, Schweizer Meisterschaft Strassenfussball

für sozial benachteiligte Menschen. Ab 11 Uhr Turnierbetrieb, inkl. All-Stars

und CH-Nationalmannschaft. Ab 19 Uhr Fest und Konzert mit Die Aeronauten,

Lee Everton, Surprise-Chor.

Kurz vor Eröffnung der Fussball-WM in Südafrika lädt Surprise zur Strassenfussball Schweizer Meisterschaftmit anschliessendem Konzert in den Zürcher Hauptbahnhof. Mit dabei am wichtigsten Surprise Sportanlassdes Jahres ist auch viel Prominenz aus Sport und Kultur.

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VON ELISABETH WIEDERKEHR (TEXT) UND DOMINIK PLÜSS (BILD)

«Mama hat ein Virus, aber sie schämt sich nicht dafür – deshalb kom-men so viele Journalisten zu uns», erzählte Tochter Sofia kürzlich amMittagstisch bei Nachbarn. Obendrein klärte die Achtjährige die Rundedarüber auf, dass man das Virus beim «Schätzele» bekommen könne,ihre Mutter aber nicht mehr ansteckend sei, weil sie Medikamente neh-me. Als Michèle Meyer diese Kurzversion ihrer Geschichte zu Ohrenkam, war sie stolz. In Bezug auf ihre ältere Tochter scheint etwas ge-glückt, wofür sie andernorts seit knapp 20 Jahren leidenschaftlichkämpft: HIV soll möglichst bald als ein Virus wie jedes andere und HIV-Positive als ganz normale Menschen mit all ihren Vorzügen und Män-geln wahrgenommen werden. Damit das passiert, zeigt Michèle Meyerihr Gesicht, das denkbar schlecht zum Klischee einer HIV-Positivenpasst. Auf Kongressen in der ganzen Welt und in vielen Schweizer Me-dien spricht sie offen über ihre Infektion mit dem Virus, mit dem siesich bei ihrem Expartner angesteckt hat. «Verstecken ist das Aller-schlimmste», sagt sie, «denn alles Unbekannte und Fremde ruft bei denLeuten Angst und Abneigung hervor.» Mit ihrer direkten und lebens-frohen Art eckt sie aber an – besonders heftig immer wieder in der HIV-Community selbst. Eben dort engagiert sich Meyer jedoch wie kaum ei-ne andere. Vielen Gremien gehört sie an, und seit der Gründung vonLHIVE, der einzigen schweizerischen Organisation direkt HIV oderAids Betroffener, ist sie deren Präsidentin. Sie steht für eine Gruppe, diedazu neigt, von anderen Entstigmatisierung zu fordern, während siezugleich selbst immer wieder in die Rechtfertigungsfalle tappt. KeinWunder also, dass die fatale Wechselwirkung von Selbstauf- und -ab-wertung zu Michèle Meyers eigenstem Thema und Widerstand zu ih-rem Motor geworden ist.

Meyer empfängt die Journalisten gerne in ihrer Küche in einer hel-len Wohnung direkt an der Bahnlinie Liestal-Waldenburg. Auf ihremSchoss hat es sich Bernhard bequem gemacht. Ihre jüngere Tochter hatdas Meerschweinchen dort platziert, und während Meyer beim Redenüber unsere sexualisierte Gesellschaft mit ih-ren ach so aufgeklärten Protagonisten in Fahrtkommt, streicht sie dem Tierchen übers Fell.Die Aidsaktivistin ist momentan vor allemMutter – mit grosser Hingabe und Konse-quenz. Wenn eines ihrer Kinder wirklich etwas braucht, unterbricht siedie Unterhaltung abrupt, hilft, die richtigen Schuhe zu finden, undnimmt, zurück am Tisch, den Gesprächsfaden an der entscheidendenStelle wieder auf. In ihrem bunten Haushalt hat alles Platz. HIV-The-men sind hier Alltag, dominieren das Geschehen aber nicht. Tabusscheint es keine zu geben, dafür einen herzlichen Ton und viel Sorgfaltim Umgang miteinander. Stellen ihre Kinder Fragen in Bezug auf dieKrankheit, beantwortet sie die, sagt aber nie mehr, als sie wirklich wis-sen wollen. Nachdem Michèle Meyer fast zehn Jahre mit einem bren-

PorträtAnarchistische NormalitätMichèle Meyer kämpft leidenschaftlich gegen Fremd- und Selbststigmatisierung von HIV-Positiven. Vor allemist sie jedoch Mutter und Clownfrau.

nenden Kinderwunsch gelebt, sich aber selbst verboten hatte, diesenzu erfüllen, kam 2002 Sofia und zwei Jahre später Mona zur Welt. «Einriesiges Glück», sagt Meyer heute. Für sie ist wider erwarten ein Traumin Erfüllung gegangen, und mit ihm ist ein grosses Stück Lebensselbst-verständlichkeit zurückgekehrt. Gemeinsam mit ihrem Mann und denbeiden Töchtern lebt sie das ganz normale verrückte Familienleben.

Als Michèle Meyer 1994 positiv getestet wurde, gab es noch keine ef-fektiven Medikamente und so war ihre einzige Perspektive über kürzeroder länger der Tod. «Entsprechend habe ich mich eingerichtet», er-zählt sie. Das Pensionskassengeld wurde für ein gutes Bett und ein paarReisen ausgegeben. Mit dem Tod freundete sich Michèle Meyer aber niean. Vielmehr sagt sie noch heute: «Ich finde es gar nicht erstrebenswert,zu sterben – aber man muss es leider.» Und auf die Frage, wovor sienach allem am meisten Angst hat, lautet ihre Antwort ohne Um-schweife: «Am meisten vor der Einsamkeit und am zweitmeisten vordem Tod. » Sehr viel braucht es denn auch, dass sich Michèle Meyer Ru-he gönnt oder sich bei einer Grippe sogar ins Bett legt. «Irgendwo ganztief drin höre ich immer noch die Stimme, die mir sagt, dass ich nichtmehr aufstehen könnte, wenn ich mich mal hinlege», erzählt sie. An-lass für den Ausbruch der Krankheit gibt es aber keinen. Die Medika-mente wirken gut. Purer Überlebenstrieb sei es gewesen, der sie vorzehn Jahren dazu bewegt habe, die Therapie zu beginnen, erzählt Meyer. «Eigentlich wusste ich zuerst gar nicht, was ich mit der neuenLebensperspektive anfangen soll – bei mir war alles Gegenwart undVergangenheit, Zukunft gab es nicht.» Nach den Verarbeitungsjahren,in denen alles HIV-positiv und Angriff ihre beste Verteidigung war,kehrte Michèle Meyer als besonnene Rebellin ins Leben zurück, das sieseither so anarchistisch wie möglich und so normal wie nötig zu ge-stalten versucht.

Könnte sie die Welt nach ihren Wünschen umkrempeln, hätten allegleich viel, dazu gäbe es ein bedingungsloses Grundeinkommen und soDinge wie Rassismus, Sexismus, Homo- oder Xenophobie wären nichtmal als Begriffe bekannt. «Erstrebenswert ist doch, dass jeder sein Geld

mit etwas verdienen könnte, das ihm Freude macht», sagt Meyer underzählt von ihren eigenen diesbezüglichen Vorstellungen: «Mein Traumist es, als Clownfrau zu arbeiten.» Eine Ausbildung mit entsprechenderFeuerprobe hat Michèle Meyer vor Kurzem mit Bravour gemeistert.Jetzt kann es losgehen. Bald steht für die Familie auch ein Umzug inein altes Bauernhaus an. Michèle Meyer träumt schon davon, wie siein der Scheune einen Laden mit Kostümen und Masken eröffnen wird.

Hört man ihr zu, wird schnell klar: Der Slogan «Love Life – StopAids» passt zu ihr. Sie liebt des Leben – HIV hin oder her. ■

«Bei mir war alles Gegenwart und Vergangenheit,Zukunft gab es nicht.»

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Frühlingsmüdigkeit, Zeitnot, Arbeits-, Familien- oder Beziehungsstress, Existenzängste: DieGründe, sich mit dem Leben überfordert zu fühlen, sind vielfältig. Surprise suchte im KlosterLinderung.

KlosterlebenLernziel innere Ruhe

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und unbequem: Die Gemeinschaft kniet am Boden in einem Halbkreisnieder und verharrt so eine halbe Stunde in Meditation. In dieser plötz-lichen Stille wirbeln den Meditations-Anfängern tausend Gedankendurch den Kopf; die Beine und der Rücken machen sich nach wenigenMinuten bemerkbar und da und dort meldet sich ein hungriger Bauchmit einem Knurren: «Was es wohl zum Nachtessen gibt und ob das Bettbequem ist?» Fragen, die jeglicher Spiritualität entbehren, drängen sichden weltlichen Besuchern in der Stille ins Bewusstsein.

Dann, unvermittelt, ist da nur noch der Raum, der eigene Herz-schlag, das Sein im Hier und Jetzt. Für wenige Augenblicke verschmilztdie innere und äussere Stille zu einer ganzheitlichen Ruhe – und wirdvon der nächsten Hungerattacke jäh wieder unterbrochen. Immerhin:Was Bruder Paul bei der Einführung in die Meditation erklärt hatte,klingt beruhigend: «Auch die grossen Gurus driften manchmal ab.» Erselbst nehme seinen eigenen Atem als Konzentrationsstütze, manchmal

helfe ihm gar das Ticken der Uhr, um seinen Geist auf die Gegenwart zurichten. Auch wenns anfänglich schwer fällt – nicht wissend, ob mit ge-schlossenen oder offenen Augen im Chor kauernd, Gefühle der Pein-lichkeit nicht restlos abzuschütteln sind – das Aushalten der Stille hatsin sich. Das Befinden danach: zwar etwas steif, aber zufrieden. Etwa sowie nach einer geglückten beruflichen Herausforderung. Gerne würdeman sich dem Wohlgefühl noch etwas hingeben. Doch das Auftauchenaus der Versenkung muss schnell gehen, denn jetzt wird gegessen.

Lebenslauf beim AbwaschWaren die Mitglieder der Klostergemeinschaft kurz vorher noch in an-

dächtiger Stimmung, sind sie am Tisch umso gesprächiger. Das Interes-se an den neuen Gästen ist gross und echt. Umgekehrt geben die Brüderbereitwillig Auskunft, wenn bei den Besuchern die Neugierde überhand-nimmt und die Fragen nach dem Werdegang und dem Leben als Brudernicht abreissen. So erzählt etwa Bruder Adjut mithilfe von kopiertenLandkarten ausführlich von Indonesien, wo er 31 Jahre lang missiona-risch tätig war. Der Älteste, der bald 85-jährige Bruder Josef, tut seine po-litische Meinung kund, die so manches ältere Semester wirklich alt aus-sehen liesse. «Dieser Austausch ist für uns sehr fruchtbar, so bleiben wiram Puls der Zeit», erzählt Bruder Beat. Auf der anderen Seite könnten dieBrüder und Schwestern den Gästen während der gemeinsamen Zeit neueWege aufzeigen – etwa bei der eigenen Lebensgestaltung oder beim An-gehen eines Problems. Zeit, die Klosterbewohner kennenzulernen, bleibtauch beim gemeinsamen Abwasch und bei den Arbeiten, die an der täg-lichen Arbeitssitzung verteilt werden und etwa eineinhalb Stunden proTag beanspruchen. Während die Gäste Salat rüsten und Bruder Eckeharddie Käseschnitten-Mischung fürs Mittagessen zubereitet, erzählt er, dasser in jungen Jahren ursprünglich hatte Lokführer werden wollen. «Ichwar zwei Jahre lang sehr krank. In dieser Zeit las ich viel über den heili-gen Franziskus und das hat mich so fasziniert, dass ich dabei blieb», er-innert er sich an die Anfänge seiner Ordenslaufbahn, die er vor gut 50Jahren einschlug. Wem nicht ums Reden zumute ist, kann sich währendder «stillen Zeiten», die regelmässig im Tagesablauf vorgesehen sind, zu-rückziehen. Dann sollen sich die Gäste bewusst mit sich beschäftigen,die plötzliche Ruhe in ihrem Leben aushalten.

DraussenMontagabend, im Zug nach Zürich: Handy an, Blick auf die Schlag-

zeilen einer liegengelassenen Zeitung, die Informationsflut macht unru-hig. Der Versuch einer Kurz-Meditation bringt nur bescheidenen Erfolg.Lediglich für kurze Zeit kehrt das Gefühl der Ruhe im Kloster zurück.Ein guter Anfang, immerhin. ■

VON JULIA KONSTANTINIDIS (TEXT) UND BASILE BORNAND (BILD)

Sonntagnachmittag am Ufer des Zürichsees in Rapperswil: Junge Fa-milien flanieren entlang der Seepromenade, trendige Teenies sitzen inden Stühlen der Strassenrestaurants, und in versteckten Ecken des städ-tischen Rosengartens küssen sich Liebespaare. Wer hier Ruhe sucht,muss sich entweder mit Oropax behelfen, oder er folgt dem diskretenSchild an der Stadtmauer mit der Aufschrift «Kloster zum Mitleben».

DrinnenDurch ein Tor betritt der Gast den Vorhof des Kapuzinerklosters von

Rapperswil, wo acht Brüder und zwei Menzinger Schwestern leben. Sowohl die Brüder wie auch die Schwestern haben Franz von Assisizum Ordensvater und richten ihr Leben nach seiner Lehre aus. Hat Bru-der Eckehard, der Pförtner, den Neuankömmling in das Kloster einge-lassen, scheint das weltliche Treiben vor derTür plötzlich meilenweit entfernt. Wer aller-dings hinter den Mauern eine strenge Kloster-welt erwartet, hat sich getäuscht. Da findetsich keine mittelalterliche Düsternis in der Art wie sie im Roman «DerName der Rose» beschrieben wird. Das Haus ist freundlich eingerichtetund hell, der Blick aus dem Fenster schweift über die Klostermauernauf den Zürichsee. Drei Männer und zwei Frauen haben an diesemSonntagnachmittag an der eisernen Klingel gezogen und Einlass ver-langt. Für eine Woche wollen sie von ihrem Alltag Abstand nehmenund am Leben der Klostergemeinschaft teilhaben. Im gemeinsamen Ge-bet und während der «stillen Zeiten» wollen sie ihr eigenes Leben re-flektieren und sich eine Auszeit gönnen. Zwei der fünf sind «Wieder-holungstäter»: Sie lebten schon einmal für eine Woche im Kloster. «Ichhabe mich damals in diesem Kreis so wohlgefühlt, dass ich wiederkommen wollte», schwärmt Sonja, die für den Aufenthalt extra ausHamburg in die Schweiz geflogen ist. «Mit dem Entschluss, das Klosternach aussen zu öffnen sowie die beiden Schwestern aufzunehmen,konnten wir unserer Gemeinschaft einen neuen Impuls geben», erklärtBruder Beat. Er ist der «Guardian» des Klosters und für das Wohlbefin-den der Gemeinschaft verantwortlich. In einer Zeit, in welcher der Or-den mit Nachwuchsproblemen zu kämpfen habe, sei dies ein mutigerSchritt nach vorne gewesen.

Ruhe aushaltenDie Gäste stehen etwas verloren im Gang des Klosters, an dessen Le-

ben sie für kurze Zeit teilnehmen. Ein Mann in blau kariertem Flanell-hemd – Typ Gymnasiallehrer – geht an den Neuankömmlingen vorbeiund grüsst freundlich. Ob das wohl auch ein Gast ist? «Das ist BruderPaul. Er singt sehr gut und unterstützt uns damit beim Gebet», erklärtBruder «Ädu» Adrian wenige Minuten später. Auch er sieht für einenBruder sehr weltlich aus, wie er da in Jeans und Pulli mit den fünf Gästen am Tisch sitzt und ihnen das Klosterleben erklärt. Wer sich die-ses als zeitlose Abfolge von Gebets- und Ruhephasen vorstellte, wirdschnell eines Besseren belehrt: Der Tagesablauf ist straff organisiert, ei-ne Aufgabe folgt der nächsten. «Dieser Rahmen gibt den Gästen Sicher-heit, wenn sie das bewusste Nichtstun üben», meint Bruder Beat. «Einguter Kapuziner ist immer fünf Minuten zu früh», weist Bruder Ädudenn auch subtil darauf hin, den Zeitplan einzuhalten. Schon am erstenAbend gehts Schlag auf Schlag: Unmittelbar nach der Einführung neh-men die Kloster-Neulinge am Abendlob im hinteren Chor der Kloster-kirche teil. Auf dem Boden ist ein Spannteppich ausgelegt, an den Wänden sind kleine Sitzbänkchen montiert, worauf die Brüder und dieGäste Platz nehmen. In der Mitte des Raumes stehen ein Blumenstraussund eine brennende Kerze. Das Lob beginnt mit der Lesung einesPsalms, danach stimmt Bruder Paul ein Kirchenlied an. Der darauf fol-gende Teil der Andacht ist für temporäre Klosterbewohner ungewohnt

Hungerattacken stören die Meditation empfindlich.

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ALV-RevisionBillig und biegsam Der globale Markt fordert den total flexiblen Arbeitnehmer. Die Politik bläst deshalb unterdem Druck der Wirtschaft zum Angriff auf die Sozialwerke. Die Arbeitslosenversicherung istals nächstes dran. Besonders die Jungen sollen biegsam werden.

VON CHRISTOF MOSER

Daniel Kalt ist Leiter volkswirtschaftliche Analysen des «UBS WealthManagement Research». In einem Interview mit der «Neuen LuzernerZeitung» erklärte er unlängst, was getan werden muss, damit das finanziell erledigte Griechenland saniert werden kann: «Die Löhnemüssten um 30 Prozent sinken», so Kalt. Und weiter: «Der Markt hatdas Vertrauen in die Griechen verloren. Das ist für das Land bedroh-lich.» Darüber, dass gnadenlose Finanzspekulanten der griechischenVolkswirtschaft den letzten Rest gegeben haben, verlor Kalt kein Wort.

Nach der Finanzkrise die soziale Krise: Diese Abfolge gehört zur Lo-gik des Kapitalismus. Für Banker Kalt ist das die natürlichste Sache derWelt. Das prägt seine Optik. Er hätte auch sagen können: «Die Griechenhaben das Vertrauen in den Markt verloren. Das ist für das Land be-drohlich.» Doch für Finanztechnokraten wie Kalt kommt zuerst derMarkt und dann lange nichts. Womit wir bei einer Grundsatzfrage sind,die spätestens seit der Finanzkrise auch in der im Vergleich zur Rest-welt wohl situierten Schweiz an Brisanz gewinnt: Was ist eigentlichwichtiger – der Mensch oder der Markt?

Die Globalisierung führt dazu, dass dieseGrundsatzfrage zunehmend und weitgehendim Verborgenen auch in der Schweiz die sozi-alpolitische Debatte prägt. Bereits Ende 2009hat Surprise darüber berichtet, was die Sozialpolitik in den nächstenJahren umtreiben wird: die Frage nämlich, wie viel Armut sich dieSchweiz künftig leisten muss, um konkurrenzfähig zu bleiben. Die So-zialwerke sind zu teuer für den globalen Wettbewerb. Der Wohlfahrts-staat von heute nicht zukunftsfähig, weil sonst, man ahnt es, der Marktirgendwann das Vertrauen in die Schweiz verlieren wird. Hinter vorge-haltener Hand sagen Politiker deshalb ganz offen, dass die Schweiz,ähnlich wie Deutschland nach der Einführung der Harz-IV-Gesetze, dieEntstehung einer Unterschicht akzeptieren muss. Nicht nur aus Ko-stengründen. Prekäre Lebens- und Arbeitsverhältnisse sind der Humusfür eine ökonomische Ressource, die im globalen Wettbewerb jedeVolkswirtschaft haben muss: billige und biegsame Arbeitskräfte.

Bleiben wir solidarisch?Der Weg dazu soll über unsere Vernunft geebnet werden. Das ist in

einer Demokratie neben Angstszenarien die einzige Möglichkeit, umSozialabbau zu betreiben. Nach den Renten kommt die Arbeitslosen-versicherung (ALV) dran. Die Kasse wird Ende dieses Jahres gegenzehn Milliarden Franken Schulden angehäuft haben. Es sei doch ver-nünftig, dieses Sozialwerk zu sanieren: Das werden Politiker in dennächsten Monaten öfters sagen. SP, Gewerkschaften und Arbeitslosen-verbände haben das Referendum gegen die ALV-Revision ergriffen. DerBundesrat hat die Abstimmung darüber auf kommenden Herbst ange-setzt. Voraussichtlich wird sie im September stattfinden, weil dann dieArbeitslosenzahlen saisonal bedingt tiefer sind als im November, demzweiten möglichen Termin. Derartige Taktierereien gehören zu denharmloseren Polit-Tricks.

Eine Angst-Kampagne dagegen muss vor dieser Abstimmung nie-mand fürchten. Entstanden ist das Finanzloch in der ALV nämlich vorallem deshalb, weil in den 1990er-Jahren die Lohn- und Arbeitgeber-beiträge für die Arbeitslosenkasse zu tief angesetzt worden sind. Undzwar, man ahnt es, im Namen der Wettbewerbsfähigkeit der SchweizerWirtschaft. Lehnt die Bevölkerung im Herbst die ALV-Revision ab, istbereits jetzt schon vorgesehen, dass die Arbeitslosenkasse über eine Er-höhung der Lohnprozente saniert wird, also von Arbeitgebern und Ar-beitnehmern gleichermassen. Das ist eine ungeeignete Ausgangslage,um mit Angst zu operieren, weil kein Kollaps der Kasse prognostiziertwerden kann. Aber eine perfekte Basis, um die Solidarität der Ver-sicherten auf die Probe zu stellen. Die Abstimmung über die ALV-Revision wird deshalb noch viel mehr als die im vergangenen Märzgrandios gescheiterte Vorlage über eine weitere Kürzung des Renten-umwandlungssatzes zu einem Testfall dafür werden, wie die Bevölke-rung zwischen Mensch und Markt gewichtet.

Die Pensionskassen-Abstimmung hat alle betroffen. Die vorgesehe-nen Leistungskürzungen zur Sanierung der Arbeitslosenkasse würden

primär die Betroffenen selbst, die Arbeitslosen, treffen. Ohne eine Be-teiligung der Wirtschaft. «Beim geplanten Abbau bei der ALV zahlennicht die Verursacher der Finanzkrise, sondern die Opfer», sagt dazuGewerkschafter und SP-Nationalrat Paul Rechsteiner. Und was sagt da-zu die arbeitende Mehrheit? Wen interessierts?

Marktgerechtes HumankapitalKonkret soll mit der geplanten ALV-Revision vor allem auf junge Ar-

beitslose mehr Druck ausgeübt werden. Die Revision sieht vor, dieUnterstützung für Betroffene unter 25 Jahren von heute 400 Tagen auf200 Tage zu halbieren, wenn sie keine Familienpflichten haben. Schü-lerinnen und Schülern, Studierenden und allen anderen Beitragsbefrei-ten soll die maximale Anzahl der Taggelder von 200 auf nur noch 90 gekürzt werden. Sie sollen als erklärtes Ziel der Revision auch Arbeitannehmen müssen, die weder ihren Qualifikationen noch ihrer Erfah-rung entspricht. Von Arbeitslosigkeit sind in der Schweiz sieben Pro-zent aller Jugendlichen betroffen. Serge Gaillard, der frühere Gewerk-schafter und heutige Leiter Arbeitsmarkt beim Staatssekretariat fürWirtschaft, sagt zu den geplanten Karenzfristen für Studienabgänger solapidar wie leicht gequält: «Wenn jemand ein Studium abgeschlossenhat, ist es zumutbar, dass er oder sie sechs Monate zuwartet, bevor Arbeitslosengelder bezogen werden können.»

Auch bei älteren Arbeitslosen sind Einschnitte geplant. Die maxi-malen 400 Taggelder soll nur noch erhalten, wer während mindestens18 Monaten in die Versicherung einbezahlt hat. Über 55-Jährige be-kommen ihre maximal 520 Taggelder nur noch, wenn sie mindestens24 Monate einbezahlt haben. Und es geht noch weiter: Besonders von

Die Abstimmung stellt die Bevölkerung vor einenGrundsatzentscheid: Mensch oder Markt.

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Arbeitslosigkeit betroffene Kantone wie etwa Jura, Neuenburg oderWaadt sollen keine vorübergehende Verlängerung der Arbeitslosen-unterstützung um 120 Tage mehr anordnen dürfen. Auch dies sieht dasneue Arbeitslosengesetz (AVIG) vor. Dagegen laufen die Stadtregierun-gen bereits Sturm, weil sie befürchten, dass Langzeitarbeitlose damiteinfach in die Sozialhilfe abgeschoben werden und die städischen So-zialbudgets belasten. Basel-Stadt hat nachgerechnet: Dort prophezeitman nach einer Annahme der Revision bei der Sozialhilfe Mehrkostenvon mindestens sechs Millionen Franken.

Doch das sind Kollateralschäden auf dem Weg zu einem übergeord-neten Ziel: Arbeitslose möglichst effizient dazu zwingen, wieder eineArbeit anzunehmen. Egal was für eine Arbeit,egal zu welchen Konditionen. Es geht ummöglichst marktgerechtes Humankapital fürden globalen Konkurrenzkampf. «Wir brau-chen einen flexibleren Arbeitsmarkt, wennwir international mithalten wollen», sagt FDP-Nationalrat GeorgesTheiler. Und plötzlich wird da die Steuerhölle Deutschland für die Po-lit-Lotsen der Wirtschaftskapitäne zum Vorbild.

Zu wenig Geld zum LebenIn Deutschland arbeitet bereits über ein Drittel aller Erwerbstätigen

nicht mehr in einem Job, der voll sozialversicherungspflichtig und un-befristet ist. Zwischen 1996 und 2008 sank die Zahl der Arbeitnehmerin so genannten Normalarbeitsverhältnissen um sieben auf 55 Prozent.In der Schweiz arbeiten doch immerhin noch fast 75 Prozent der Er-werbstätigen in sozial abgesicherten Arbeitsverhältnissen. Rasantnimmt in Deutschland dafür auch die Zahl jener zu, die drei oder garvier verschiedene Minijobs haben, damit total flexibilisiert auf 40 Ar-

beitsstunden pro Woche kommen und trotzdem nicht von ihrem Ein-kommen leben können. Ein Traum für jede Wirtschaft.

Bemerkenswert ist deshalb, dass selbst die Schweizer Jungfreisinni-gen die geplante Revision der Arbeitslosenversicherung ablehnen. DieJugend der FDP, ansonsten Sozialabbau und ökonomischen Flexibili-sierungen nicht abgeneigt, kritisiert, die Vorlage sei einseitig zulastender Jungen konzipiert. Sie kriechen sich damit allerdings auch etwasselber auf den Leim. So wie die SP als Referendumsführerin gegen dasneue Arbeitslosengesetz übrigens auch.

Denn die einseitige Belastung der Jungen hat auch mit der Perso-nenfreizügigkeit zu tun, die sowohl Freisinn wie SP wie überhaupt fast

alle politischen Kräfte ausser die SVP und einige Linksaussen-Parteienohne kritische Distanz verteidigen. Die Personenfreizügigkeit ist ein eu-ropäisches Projekt der Wirtschaft, um hoch qualifizierte, erfahrene Ar-beitskräfte möglichst flexibel und unbürokratisch über den ganzenKontinent verschieben zu können. Gleichzeitig werden die nationalenArbeitsmärkte für Minderqualifizierte und Berufseinsteiger so effizientwie möglich abgeschottet. Junge haben daher nach Lehre oder Studiummeist keine andere Wahl, als auf dem heimischen Arbeitsmarkt ihre er-sten Schritte ins Berufsleben zu versuchen. Das macht sie besondersformbar für die Marktbedürfnisse: billig und biegsam. Wer heute nochan den Wohlfahrtsstaat glaubt, kommt morgen auf die Welt. ■

Stellenlose sollen gezwungen werden, jede Arbeitanzunehmen – ganz egal zu welchen Bedingungen.

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Vom RAV zum Sozialamt: Junge sollen nur noch 90 Tage stempeln können.

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Ob Sporttrainer, Beistand oder Altenbetreuer: Freiwilligenarbeit liegt im Trend, ist in Gefahr, wird instrumenta-lisiert, überreguliert oder entzieht sich jeglicher Regelung. Suchen Sie sich etwas aus!

FreiwilligenarbeitHelvetias willige Helfer

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VON STEFAN MICHEL

Auf dem Heimweg wird der Informatiker René von Dach zum VeloTrial-Trainer. In Bike-Kleidern steht er in einer Halle in Zürich-Oerlikon,die mit einem Hindernisparcours aus Paletten, Traktorreifen und riesi-gen Kabelspulen vollgestellt ist. Junge Männer und auch zwei Frauenbalancieren auf ihren Bikes von Element zu Element. Die Wettkampf-karriere des jugendlich wirkenden 36-Jährigen liegt lange zurück. Seiteinigen Jahren ist er Präsident des Velo Trial Clubs Zürich, oder genau-er: Trainer, Organisator, Webmaster und vieles mehr. Erst nach länge-rem Kopfrechnen kann er den Zeitaufwand für sein Amt schätzen: 250Stunden pro Jahr. Sie scheinen ihn nicht zu reuen. Unzufrieden ist erhingegen mit der Trainersituation: «Wir brauchen mehr Leute, die einstrukturiertes Training leiten können. Darum bieten wir jetzt eine Ent-schädigung von 30 Franken pro geleitetes Training an. Noch hat sichniemand gemeldet.»

Joe Frey hat keine Sportlerkarriere hinter sich, sondern eine als Ingenieur und Unternehmensberater. Mit 70 gab der Selbstständiger-werbende sein Geschäft auf. Seit zwei Jahren berät er Demente, Über-schuldete, Alkoholsüchtige und andere, die Hilfe brauchen in geschäft-lichen und behördlichen Angelegenheiten. Als privater Beistand verhandelt er im Namen seiner Mandanten mit Krankenkassen, Banken,Betreibungsämtern oder der Spitex. «Es ist zwar viel Unschönes dabei:Die schlimmen Situationen, in denen meine Mandanten stecken. Oderwenn ich hintergangen werde von Überschuldeten, für die ich bessereAbzahlungsbedingungen aushandle, und diehinter meinem Rücken neue Schulden ma-chen.» Trotzdem überwiegt das Positive:«Wenn sich ein Klient freut, ist das die grössteGenugtuung. Und ich finde es interessant. Esist eine Welt, die ich vorher nicht kannte.» Den einfachsten seiner zur-zeit vier Klienten besucht er alle vierzehn Tage, der komplizierteste be-schäftigt ihn fünf bis sechs Stunden pro Woche. «Manchmal wache ichnachts auf und studiere an der Lösung für einen Mandanten herum.Zum Glück gibt es für mich keine Probleme, nur interessante Aufga-ben.» Ob er Dankbarkeit von seinen Mandanten erwarte? «Nein», ant-wortet er, ohne zu zögern.

Helfen statt AbzockenOb Veloakrobatik oder Beistandschaft, von Dach wie Frey opfern

freiwillig einen Teil ihrer Freizeit der Allgemeinheit. «Auch wenn es umdas eigene Hobby geht, sobald Dritte von der geleisteten Arbeit profi-tieren, ist es Freiwilligenarbeit», erklärt der Soziologe Herbert Amman,Geschäftsleiter der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft. DerBike-Trainer vermittelt Jugendlichen die Freude am Sport. Und ohneden Einsatz freiwilliger Beistände wie Joe Frey wäre die Not einigerMenschen noch grösser – in vielen Fällen müsste früher oder später einteurer amtlicher Vormund eingesetzt werden.

Mehr als die Hälfte der in der Schweiz Wohnhaften arbeiten neben-her freiwillig. Die Männer sind in der Vereinstätigkeit in der Überzahl,die Frauen dominieren die informelle Nachbarschaftshilfe. Die En-gagierten unterstützen Betagte, hüten Kinder, fördern Kultur, Sport und das Zusammenleben im Quartier. Zusammengenommen währendmehr als 700 Millionen Stunden im Jahr, wie sich aus der Schweizeri-schen Arbeitskräfteerhebung und dem Freiwilligen-Monitor Schweizhochrechnen lässt. Das entspricht rund 350 000 Vollzeitstellen. DiesesPotenzial weckt Begehrlichkeiten und es will gepflegt werden.

Zur Pflege gehört als Erstes, dass man sich Sorgen macht. DasBundesamt für Statistik schlug 2008 Alarm. Um drei Prozent sei der An-teil der Freiwilligen zwischen 1997 und 2007 gesunken. Herbert Am-mann relativiert: «Eine Veränderung von bis zu zwei Prozent liegtinnerhalb der statistischen Ungenauigkeit der Untersuchung.» Dass erstseit 1997 Freiwilligenarbeit statistisch erfasst wird, schwächt dasAlarmsignal weiter ab. «Schwankungen sind wahrscheinlich, aber eher in grösseren Zeiträumen von 20 oder 30 Jahren», ist Ammannüberzeugt.

Eine spontane Umfrage unter einem Dutzend Organisationen, dieFreiwillige einsetzen oder weitervermitteln, ergibt kein klares Bild. Ei-nige klagen, es sei in den letzten Jahren viel schwieriger geworden,Freiwillige zu rekrutieren. Andere finden, Freiwilligenarbeit liege imTrend. Elsbeth Fischer-Roth von Benevol Schweiz, der Freiwilligen-Dachorganisation, stellt zwei gegenläufige Bewegungen fest: «DerDruck auf die Arbeitsplätze bewirkt einen Rückgang, denn wer um sei-ne Stelle fürchtet oder sie schon verloren hat, engagiert sich eher nichtfreiwillig. Andererseits melden sich mehr Leute, die einen guten Jobhaben und die jetzt ein Zeichen gegen die Abzockermentalität setzenwollen.»

Freiwillige als Gratis-ArbeitskräfteOffensichtlich ist, dass die Freiwilligenarbeit institutionalisiert wird.

Professionelle Vermittlungsbüros wie die Benevol-Fachstellen oder öffentliche Ämter wie das Stadtzürcher Sozialdepartement koordinie-

ren zwischen den Freiwilligen und jenen, die Unterstützung brauchen.Oft profitieren Menschen, die bereits von einer Institution betreut werden: im Altersheim, in der Kinderkrippe, von der Spitex oder derFürsorge. Es fragt sich also, ob hier Dienstleistungen an Gratis-Arbeits-kräfte ausgelagert werden. Eine Freiwilligenvermittlerin, die nach demGespräch doch nicht namentlich zitiert werden will, sagt: «Den Ko-stendruck im Gesundheitswesen spüren wir. Die Spitex-Pflegendendenmüssen jede Minute abrechnen und können keine langen Gesprächemit den Patienten führen.» Hier springen vor allem engagierte Frauenin die Bresche. Dass sie damit quasi im Auftrag von Gesundheits- oderSozialeinrichtungen arbeiten, störe sie nicht, ist die Vermittlerin über-zeugt. «Jene, die motiviert sind, tun das für die Menschen, denen siehelfen.»

Freiwilligenarbeit im öffentlichen Auftrag wird bei der Asylorgani-sation Zürich (AOZ) und ihrem Programm TransFair geleistet. Rund 90Personen begleiten Asylsuchende und anerkannte Flüchtlinge in ihremIntegrationsprozess in der Schweiz. Sie erklären ihnen die wichtigstengeschriebenen und ungeschriebenen Gesetze, begleiten sie zu Behör-den, üben mit ihnen Deutsch und unterstützen sie bei der Eingliede-rung im Wohnquartier. Ein bis zwei Stunden Wochenarbeitszeit für 200Franken Spesenentschädigung im Jahr.

Den Verdacht, dass hier Freiwillige zur Kostensenkung Aufgaben imAsylbereich übernehmen, lässt Martin Rauh von der AOZ nicht gelten.«Die Freiwilligen sind eine Ergänzung zu den Sozialarbeitenden, diewir einsetzen, wenn es eine Fachperson braucht. Es wäre ressourcen-technisch nicht sinnvoll, einen Sozialarbeiter aufzubieten, um Kindernbei den Hausaufgaben zu helfen.» Ohne Freiwillige gebe es dieses

«Einen Sozialarbeiter aufzubieten, um Kindern bei den Haus-aufgaben zu helfen, wäre ressourcentechnisch nicht sinnvoll.»

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Unterstützungsangebot für Asylsuchende und Flüchtlinge nicht. Diejährlich rund 7000 Arbeitsstunden wären nicht finanzierbar. Der Ge-winn für die Freiwilligen, erklärt Rauh, sei der Einblick in eine fremdeKultur, das Gefühl, eigene Wissens- und Zeitressourcen sinnvoll einzu-setzen, neue Freundschaften sowie interne Weiterbildungen durch dieAOZ. Auch die gezielte Qualifizierung der Freiwilligen ist ein Trend inder Freiwilligenarbeit.

Grenzen der VereinnahmungFreiwilligenorganisationen empfehlen Weiterbildung als eine Form

der Belohnung für jene, die sich engagieren. Oft ist sie schiere Not-wendigkeit. Kurse für den Umgang mit Dementen etwa machen es Freiwilligen leichter, diese zu betreuen und länger dabeizubleiben.Denn das ist eine der grössten Herausforde-rungen, der sich Einsatzbetriebe und Vermitt-ler gegenüber sehen: Auch wenn die Freiwilli-gen eine Vereinbarung über Art und Umfangihrer Tätigkeit unterschreiben, dürfen sie je-derzeit aussteigen. Leute, die sich über Jahre hinweg einsetzen, sinddie Glückstreffer. Die meisten hören nach einigen Monaten bis einemJahr wieder auf. Darum lassen sich mit Freiwilligen kaum bezahlteStellen wegrationalisieren, denn sicher ist man sich ihrer nie. HerbertAmmann verweist auf die Statistik: «Wenn man den Anstieg der Ar-beitsstellen im Gesundheits- und im Sozialwesen in den letzten 30 Jah-ren ansieht und diese Zahl den Freiwilligen gegenüberstellt, die dortmithelfen – es sind nur 15 Prozent aller Freiwilligen –, dann wird klar,dass diese niemals bezahlte Arbeit verdrängen.»

Bleibt die Frage nach der Qualität. Vor einigen Monaten sorgteBundesrätin Evelyne Widmer-Schlumpf mit einem Vorschlag zur Qua-

litätssteigerung in der Kinderbetreuung für einen Aufschrei: Demnachhätten selbst Familienmitglieder und nahe Bekannte, die während mehrals 20 Stunden in der Woche Kinder hüten, eine staatliche Bewilligunggebraucht. Inzwischen ist dieser Vorschlag, der ein Stich ins Herz derinformellen Freiwilligenarbeit gewesen wäre, vom Tisch. FreiwilligesEngagement auf informeller Basis macht mehr als die Hälfte aller gemeinnützigen Arbeit aus. Dass sie durch neue Bestimmungen ver-drängt wird, scheint wenig wahrscheinlich. Denn gerade weil sie infor-mell passiert, entzieht sie sich den meisten Regelungen. «Über staatli-che Kontrollen lassen sich in der informellen Freiwilligenarbeit keineVerbesserungen erzielen. Dazu müsste man eine riesige – und entspre-chend bürokratisch ineffiziente – Kontrollorganisation aufbauen», istHerbert Ammann überzeugt.

Dass die Qualität stimmt, regeln Empfänger und Erbringer einerDienstleistung am besten untereinander. Dass die Engagierten per Ge-setz daran gehindert werden, Gutes zu tun, ist nicht gänzlich ausge-schlossen. Das Beispiel Kinderbetreuung zeigt jedoch, dass die ungere-gelte Freiwilligenarbeit, wo sie wirklich gebraucht wird, eine grosseLobby hat. Die grösste Gefahr für die Freiwilligenarbeit sind aber weder Gesetze noch Vereinnahmungsversuche: Es ist der innereSchweinehund, der fast die Hälfte der Menschen in diesem Land davonabhält, mitzumachen. ■

«Über staatliche Kontrollen lassen sich in der informellenFreiwilligenarbeit keine Verbesserungen erzielen.»

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Will seine Freude am Sport weitergeben: Velo Trial-Trainer René von Dach. Joe Frey lernt bei seiner Freiwilligenarbeit neue Welten kennen.

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WirtschaftDer Ladymacher René Mägli, Geschäftsführer der Schweizer Niederlassung der Reederei MSC, stellt seit Jahren ausschließlich Frauen ein – aus rein ökonomischen Gründen. Mittlerweile ist er dereinzige Mann in seiner Firma. Ein Einblick in die Arbeitswelt von morgen.

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VON MATHIAS IRLE (TEXT) UND ANNE MORGENSTERN (BILDER)

Der Weg zu Antworten auf die Frage, wie der Wohlstand der Indus-trienationen gesichert werden kann, führt an drei jungen Frauen vorbei,die vor der Tür eines schmucklosen Bürogebäudes in der Basler Innen-stadt plaudern und rauchen. Er geht weiter in einen Aufzug, der in denzweiten Stock fährt – dorthin, wo selten einMann aussteigt. Und er endet in den Räumender Schweizer Niederlassung der Mediterrane-an Shipping Company, MSC, mit insgesamtrund 30 000 Mitarbeitern zweitgrösste Contai-ner-Reederei der Welt. Hier in Basel arbeiten fast ausschliesslich Frauen:84 der 85 Angestellten sind weiblich. Sie sind Controllerinnen, Sachbe-arbeiterinnen, Empfangsdame, Vertrieblerinnen, Direktorinnen, IT-Spezi-alistinnen oder Finanzvorstand.

Der erste Eindruck: Es sieht normal aus in dem europaweit, vielleichtsogar weltweit einzigartigen Unternehmen, das – in einer männerdomi-nierten Branche – seit mehr als zehn Jahren nur noch Frauen einstellt.Mittlerweile ist die Belegschaft zu 100 Prozent weiblich. Und es herrschtdort eine konzentrierte Atmosphäre. Kein Kratzen, kein Beissen undauch kein Augenausstechen ist zu beobachten. Das, obwohl fast allenAussenstehenden, die von der hohen Frauenquote hören, unmittelbardie gleiche Assoziation in den Sinn kommt: Zickenkrieg.

Mikhal Yaacobi – Hosenanzug, Brille, langes dunkles Haar, strengerZopf, rot lackierte Fingernägel –, stellvertretende Geschäftsführerin vonMSC Basel, kennt die Vorurteile. Die 35-jährige Israelin hatte selbst ähn-liche Bilder im Kopf, als sie vor rund sechs Jahren von der männerdomi-nierten Niederlassung in Haifa nach Basel wechselte. Dort hatte sie sichzur Führungskraft im Vertrieb hochgearbeitet. Sie erinnert sich gut, wiedamals die Geschichten von der besonderen Schweizer Niederlassungmit den Frauen kursierten, die bei internationalen Meetings immer einenso kompetenten und selbstbewussten Eindruck hinterliessen. Und wiesie die Fantasien ihrer männlichen Kollegen beflügelten, so wie über-haupt die meisten Männer beginnen, von einem Leben als Hahn im Korbzu fantasieren, wenn sie Geschichten über MSC Basel hören.

Allerdings geht keine Bewerbung mehr von männlichen Kandidatendort ein – und das, obwohl die Belegschaft von MSC Basel in den ver-gangenen 14 Jahren von 10 auf 84 Personen angewachsen ist und dieNiederlassung als überdurchschnittlich erfolgreich gilt. «Vielleicht ma-chen manchem die vielen Frauen Angst», vermutet Yaacobi.

Wer hält begabte Frauen klein?Ihr Arbeitsplatz befindet sich im Grossraumbüro im zweiten Stock.

Von dort aus leitet sie ihre Mitarbeiterinnen an, Aufträge, die von Händ-lern in Zürich oder Genf abgeschlossen werden, an die MSC-Niederlas-sungen in aller Welt weiterzugeben: Zucker beispielsweise, der in Brasi-lien geladen und in einem Hafen in den USA wieder gelöscht werden soll.Fast 90 Prozent der Umsätze der Basler Niederlassung macht das Ver-mittlungsgeschäft aus. Die restlichen zehn Prozent bestehen aus dem Bu-chen von Logistikaufträgen für die Schweiz: Kleidung, die über denRhein in die Schweiz importiert wird; Pharmaprodukte, die über dieBinnengewässer verschifft werden.

Mikhal Yaacobi hat sich längst daran gewöhnt, fast ausschliesslich mitKolleginnen zu arbeiten. Weder vermisst sie Männer besonders, noch ge-niesst sie es, dass es bei MSC Basel keine männlichen Kollegen gibt. Siesagt schlicht: «Never change a winning team.»

Vielleicht ist es gerade dieser Pragmatismus, der dazu führt, dass demBesucher beunruhigende Fragen durch den Kopf gehen: Ist MSC Baseltatsächlich wegen der Frauen so erfolgreich? Falls ja, arbeiten sie nichtnur in Basel, sondern generell besser als Männer? Und wenn dem so ist:Wo wäre dann langfristig der Platz der Männer?

Vermutlich liegt es an solchen Überlegungen, dass man plötzlich denbeiden Möbelpackern genauer zusieht, die an diesem Vormittag in Basel

Schreibtische von der dritten in die vierte Etage schleppen. So sehr mansich auch dagegen wehrt, es fällt schwer, dieses Möbelschleppen als ei-nen normalen Vorgang in einer Firma auf Expansionskurs wahrzuneh-men, die vor Kurzem eine weitere Etage angemietet hat. Stattdessen istda das Bild zweier Männer, die einfache Arbeit erledigen, während umsie herum die Frauen für den anspruchsvolleren Teil zuständig sind. Man

ist versucht, die Packer in der Frauenfirma als eine für Männer bedrü-ckende Vorschau auf die Arbeitsteilung der Zukunft zu deuten.

Bis man auf René Mägli trifft. Denn der Geschäftsführer der Schwei-zer Niederlassung scheint zu bestätigen, dass in der Wirtschaft ebendoch noch alles beim Alten ist – oben die Männer, unten die Frauen. Der56-Jährige sitzt im Besprechungszimmer im zweiten Stock an einemgrossen Tisch. Wegen des Umzugs hat er seinen Anzug gegen eine Jeansund ein weisses Hemd getauscht. Er trägt eine goldene Uhr und einengoldenen Siegelring. Um seinen Hals hängt eine Lesebrille an einer gol-denen Kette. Vor ihm ein Aschenbecher.

Er ist nicht nur der einzige Mann, der im Basler Büro arbeitet und da-mit allein unter 84 Frauen. Er ist auch ihr Chef und derjenige, der seitrund 13 Jahren nur noch Frauen einstellt. Als «Pascha» oder «Schwuch-tel» wurde er deshalb in Internetforen geschmäht. Doch Mägli, liiert miteiner Managerin – mehr will er nicht über sein Privatleben preisgeben –,ein vornehmer gebürtiger Basler, der ruhig und gewählt spricht, sagt nur:«Dass hier nur noch Frauen arbeiten, ist das Ergebnis einer strategischenbetriebswirtschaftlichen Überlegung.»

Einer Überlegung, deren Ursprünge bis in das Jahr 1981 zurückrei-chen. Damals, im Alter von 28, hatte der gelernte kaufmännische Ange-stellte Mägli die Reedereivertretung Shipmar AG gegründet, die er späteran MSC verkaufte. Zunächst stellte er Männer wie Frauen ein. Doch jelänger er die Niederlassung leitete, umso häufiger beobachtete er, dassseine weiblichen Angestellten ihren Job besser machten als ihre männ-lichen Kollegen, jedoch in der Hierarchie nicht höher rückten. Mäglisuchte nach den Gründen und stellte fest, dass die Frauen vor allem deshalb nicht weiterkamen, weil männliche Kollegen sie «per Ellenbo-geneinsatz klein hielten.» Kurzerhand entliess Mägli einen männlichenAngestellten. Es war das Jahr 1995. Und ohne es jemals fest geplant zuhaben, entschied er sich in der Folge fast immer für eine Frau, wenn ereine Stelle ausgeschrieben hatte.

Nicht, weil er keine Männer mehr einstellen wollte. «Sondern weil dieFrauen besser geeignet waren.» Schliesslich, so Mägli, brauche er alsDienstleister kommunikative Mitarbeiter, die Fremdsprachen beherr-schen, gern im Team arbeiten und schnell Prioritäten setzen können. Al-les Eigenschaften, die durchschnittlich häufiger bei Frauen als bei Män-ner zu finden seien, so Mägli. Ausserdem habe er bemerkt, dass Frauenin der Regel sachbezogener arbeiten, weniger Energie in Positionskämp-fe investieren, Fehler zugeben und weniger aufschneiden. «Ich behauptenicht, dass Männer schlecht sind, sonst wäre ich auch schlecht. Dochdas, was ich brauche, um mein Dienstleistungsunternehmen erfolgreichzu führen, habe ich in den letzten 13 Jahren bei den weiblichen Bewer-berinnen gefunden.»

Nur einmal noch habe er, vor neun Jahren, einen Versuch mit einemMann gemacht. Doch der habe alles, was er nicht verstand, «einfach ineine Schublade gepackt», weshalb Mägli ihn schnell wieder entliess.

Laut einer anonymen Umfrage, die im Oktober 2008 unter den Mitar-beiterinnen durchgeführt wurde, wünschen sich 43 Prozent von ihnenzwar manchmal mehr Männer im Betrieb – wegen der «Abwechslung».Doch je länger sie bei MSC sind, desto weniger vermissen sie männlicheKollegen. Denn Zickenkriege finden dort kaum statt, wie Yaacobi und ih-re Kolleginnen sagen. Dies wohl auch deshalb, weil in den vergangenen

«Dass hier nur noch Frauen arbeiten, ist das Ergebnisstrategischer betriebswirtschaftlicher Überlegungen.»

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Jahren immer wieder Frauen mit klassischen männlichen Eigenschaf-ten – die also gern in Wettstreit miteinander treten oder per Anweisungführen wollen – das Unternehmen verlassen haben. Die Belegschaft istmittlerweile homogen und Ergebnis einer besonderen Selektion.

Mägli findet das gut. «Ich habe kein Problem mit Frauen», sagt er, oh-ne dabei süffisant zu lächeln. Er ist das Gegenteil eines Machos. SeineMails unterschreibt er gern mit dem Satz «Hoffe, Ihnen gedient zu ha-ben». Und gegenüber seinen Mitarbeiterinnen, die er «aus Respekt» aus-schliesslich «Ladys» nennt, nimmt er eine Rolle zwischen Mentor, Vaterund Gentleman ein.

Er bezahlt sie überdurchschnittlich, was die Gewerkschaft Unia be-stätigt. Ist behilflich bei der Wohnungssuche, wenn eine von ihnen neunach Basel zieht. Er betont, wie gut er mittlerweile die Körpersprache sei-ner Angestellten lesen und erkennen könne, wenn eine von ihnen etwasbedrückt.

Wäre es für die Firma noch besser, wenn auch der Chef durch eineFrau ersetzt würde? Mägli lächelt: «Sorry, dass ich als Mann noch immeran der Spitze des Unternehmens stehe, aber ich habe den Laden nun malgegründet.» Allerdings könne er sich gut vorstellen, dass irgendwannauch sein Job von einer Frau übernommen wird. Zum Beispiel von sei-ner Stellvertreterin Yaacobi.

Dass Wirtschaft weiblicher werden sollte, ist Allgemeingut. Dochmeist nur in der Theorie – MSC Basel ist eine Ausnahme und Mägli einExot. Dennoch ist seine Firma ein interessantes Beispiel für den Umgangmit einer Herausforderung, vor der viele Unternehmen in reifen Volks-wirtschaften stehen. Sie werden sich künftig nur dann behaupten kön-nen, wenn es ihnen gelingt, Frauen langfristig an sich zu binden und ih-nen echte Karrieremöglichkeiten zu bieten.

Schon für das nächste Jahrzehnt prophezeien Experten dem Arbeits-markt einen gewaltigen Fachkräftemangel. Ohne Frauen wird er nicht

auszugleichen sein. Doch sie sind nicht allein aus Mangel gefragt. Die2007 von McKinsey vorgelegte Studie «Women Matter» kommt zu demErgebnis, dass Frauen wegen ihres Führungsstils erheblich zum Unter-nehmenserfolg beitragen. So formulieren sie Erwartungen an die Mitar-beiter in der Regel klarer und verfolgen deren Umsetzung konsequenter.In zahlreichen Untersuchungen hat man zudem herausgefunden, dassheterogen zusammengesetzte Teams aus Männern und Frauen innovati-vere Lösungen und Produkte hervorbringen. Ausserdem sind heuteschon die meisten Kunden weiblich und werden immer finanzkräftiger.

Das Problem ist nur: Die Firmen tun sich schwer damit, ihre Mitar-beiterinnen zu halten, und noch schwerer, weibliche Führungskräfte zu gewinnen. Zwar beginnen die meisten Frauen ihre Karrieren vielverspre-chend. Doch irgendwann, meist nach der Geburt des ersten Kindes, bre-chen sie sie ab. Deshalb ist das, was bei MSC in Basel passiert, mehr alsein exotisches Experiment, und es spielt auch keine Rolle, ob man MäglisArt und Personalpolitik persönlich gut oder schlecht findet. Bei ihm blei-ben die Frauen und machen gern Karriere. Allein das zählt. Wie gelingtMägli dieses Kunststück? Und lassen sich seine Methoden übertragen?

Männer mögen Hierarchien, Frauen TeamsMittlerweile ist es kurz vor Mittag. René Mägli steht auf, er muss zu-

rück an seinen Schreibtisch. Vorbei an der Herrentoilette («Hier ist manimmer ungestört»), geht er über lange Flure. Sein Schreibtisch steht inder hinteren Ecke des Grossraumbüros, schräg gegenüber dem von Yaa-cobi. Beobachtet man ihn dort bei der Arbeit – Lesebrille auf der Nase,Gesicht zum offenen Raum –, fällt auf, dass nichts darauf hindeutet, dasser der Geschäftsführer ist. Das liegt daran, dass Mägli sowohl ein eigenesBüro als auch eine eigene Sekretärin für «Machogehabe» hält, weshalb erauf beides verzichtet. Es liegt aber vor allem daran, dass sich seinSchreibtisch nicht von denen der anderen unterscheidet. Ohne weitere

Mentor, Vater, Gentleman: René Mägli inmitten seiner Ladys.

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Erklärungen wäre nicht erkennbar, wer Chef und wer Mitarbeiter imUnternehmen ist.

Claudia Dietrichs Schreibtisch steht im rechten Winkel unmitelbarneben dem von Mägli. Als die 25-jährige gebürtige Berlinerin vor rundzweieinhalb Jahren direkt nach ihrem Studium der Internationalen Be-triebswirtschaftslehre zu MSC kam, reizte sie vor allem das globale Ge-schäft der Firma, in der Frauen aus zehn Nationen arbeiten und 40unterschiedliche Sprachen gesprochen werden. Mägli übertrug ihr dieHauptverantwortung für die Finanzen der MSC Basel. Dies ist typischfür ihn, weil er seinen «Ladys» immer gern ein bisschen mehr zutrautals die sich selbst.

«Er sagt den Frauen, dass sie gut sind und etwas können», so Die-trich. «In Sachen Selbstbewusstsein haben fast alle von uns am AnfangNachholbedarf.» Bei ihrem Einstieg in die Fir-ma fiel ihr ausserdem auf, dass firmeninterneMails zu Sachthemen sehr freundlich undwortreich verpackt werden. Überflüssig wür-den das wohl einige Männer nennen. Bemer-kenswert sei jedoch, so die Controllerin, dass es mit diesen Girlandenoft ein Ende habe, wenn es um zwischenmenschliche Konflikte in derFirma gehe. «Genau dann, wenn einige Männer anfangen, um den heis-sen Brei herumzureden», sekundiert ihre Chefin Yaacobi, «werden vieleFrauen fokussiert.»

Die Kommunikation ist für die Israelin der auffälligste Unterschied imVergleich mit ihrem früheren Job in Haifa. Bei den meisten Männern dür-fe die Ansprache direkter sein, und man könne ihnen Anweisungen ge-ben, ohne sie zu erklären. «Ist die Hierarchie einmal hergestellt, ist dieFührung von Männern leichter.» Die meisten Frauen arbeiteten dagegenlieber in Teams und als Vorgesetzte müsse man ihnen Entscheidungenbesser erklären.

Einerseits sei es deshalb schwieriger, die Mitarbeiterinnen anzuleiten,so Yaacobi. Andererseits entstünden dank der Diskussionen «oft sehr gu-te und neue Lösungen». Sie sagt auch, dass Frauen Konflikte oft per-sönlicher nähmen als Männer. Immer wieder habe sie erlebt, dass Kolle-ginnen anfingen zu weinen, wenn Kunden am Telefon laut wurden.«Frauen müssen lernen, sich solche Wutausbrüche nicht zu sehr zu Her-zen zu nehmen.» Doch gerade weil Frauen emotionaler seien, gelinge esihnen, besonders enge Beziehungen zu den Kunden aufzubauen. «Siedenken an die Geburtstage der Lieferanten und kennen auch noch dieNamen von deren Kindern.»

All die genannten Charakterzüge und Verhaltensweisen kommennicht ausschliesslich bei Frauen vor – nur eben viel häufiger als bei Män-nern. Der wesentliche Grund, warum sich die Mitarbeiterinnen bei MSCBasel wohlfühlen: Mägli führt anders, weil viele Frauen anders geführtwerden wollen. Partnerschaftlicher. Konkurrenzverhalten straft der Chefdagegen ab – durch Mitarbeitergespräche bis hin zu Entlassungen.

Bewegung ist nun, zur Mittagszeit, in die drei Etagen der Reederei gekommen. Während die einen wieder aus ihrer Pause zurückkehren,machen sich andere wie Ariane Mosetti auf den Weg nach Hause. Die 47-jährige Baslerin arbeitet bereits seit 19 Jahren für Mägli, derzeit alsControllerin. Um 14 Uhr hat sie an diesem Tag Feierabend, zwei ihrerKolleginnen an den Schreibtischen gegenüber sind heute gar nicht ersterschienen. Alle arbeiten Teilzeit. Mosetti hat ihre Arbeit vor vielen Jah-ren mit einer Kollegin geteilt, als sie ein Kind bekam. Eine Weile arbeite-te sie 50 Prozent, bis sie dann, als ihre Kinder grösser waren, wieder auf70 Prozent erhöhte.

Teilzeitarbeit zahlt sich ausSolche flexiblen Arbeitszeitregelungen sind selbst für Führungskräfte

selbstverständlich – auch das unterscheidet die Reederei von vielen an-deren Firmen. Zwar sagt die stellvertretende Geschäftsführerin Yaacobi,sie arbeite heute eher 150 als 100 Prozent. Doch bis vor kurzer Zeit hatsie auf der gleichen Position «aus privaten Gründen» zwei Jahre lang in

90-prozentiger Teilzeit gearbeitet. Und auch von den vier Department-Managerinnen, die die Führungsebene unterhalb von Yaacobi bilden, ar-beitet eine 90, eine andere 70 Prozent.

Mägli hält nichts von der verbreiteten Meinung, dass nur derjenige auf-steigen soll, der sich ganz seinem Unternehmen verschreibt. «Jede meinerMitarbeiterinnen darf selber entscheiden, wie viel sie arbeiten will.»

Die Folgen: neue Erkenntnisse. So hat Ariane Mosetti die Erfahrunggemacht, dass es zwar mehr Koordinationsaufwand bedeutet, wenn zweisich eine Stelle teilen. Aber auch mehr geleistet wird, weil beide ihre Ar-beitszeit effektiv nutzen und sich gegenseitig vertreten können.

Yaacobi ist mittlerweile sogar überzeugt: «Je höher eine Position in derHierarchie eines Unternehmens angesiedelt ist, umso leichter lässt siesich in Teilzeit ausüben.» Schliesslich seien Geschäftsführer kaum noch

mit alltäglicher Arbeit beschäftigt. Ihre Freiheit könnten sie für Business-Trips, Aufsichtsratsposten oder eben eine Reduzierung der Arbeitszeitnutzen. Die Israelin lobt das Basler Modell als «Arbeiten ohne Karriere-stress». Die Frauen wüssten, dass sie Beruf und Privatleben unter einenHut bekämen. Von den Müttern seien fast alle nach der Geburt ihrer Kin-der schnell ins Unternehmen zurückgekehrt, und die Fluktuation liegebei «nahezu null».

Wenn man den Experten Glauben schenkt, werden sich die heute üb-lichen Karrierewege wegen der wachsenden Nachfrage der Wirtschaftnach qualifizierten Frauen verändern. Julia Nentwich, Dozentin amLehrstuhl für Organisationspsychologie der Universität St. Gallen, hat dieVision einer Teilzeitgesellschaft, in der Männer wie Frauen nur an dreibis vier Tagen pro Woche in ihrem Beruf beschäftigt sind und sich ge-meinschaftlich um Hausarbeit und Familie kümmern.

Der Politikwissenschaftler Peter Döge, Autor von Büchern wie «Män-ner – Paschas und Nestflüchter», rät: «Jedes Unternehmen muss heuteganz individuell und ideologiefrei für sich prüfen, welche Spielräume eshat, eigene Karrierebilder zu verändern.»

Männer nicht ausgeschlossenRené Mägli hat sich nach der Mittagszeit für einen Moment in eine

Art Abstellkammer zurückgezogen. Sein «Reich», in dem sich eineEspressomaschine, eine kleine Küche, ein Stehtisch und allerlei Ge-rümpel befinden, und wo er, neben dem Besprechungszimmer, rauchendarf. Er sieht derzeit keine Notwendigkeit, die Männerquote in seinemUnternehmen wieder zu erhöhen oder Frauen mit männlichen Eigen-schaften anzulocken.

Ausschliessen will er jedoch nicht, dass er noch einmal einen Manneinstellt. Es müsste aber ein besonderer sein. Einer, der es erträgt, untereiner Vorgesetzten zu arbeiten, die nur in Teilzeit tätig ist. Und der diesnicht als Gelegenheit missversteht, seine Chefin zu verdrängen.

«Diejenigen Männer, die noch nicht erkannt haben, dass Frauen eben-bürtig sind, tun mir leid», sagt der MSC-Geschäftsführer, während er ander Espressomaschine hantiert und sich über die Unordnung – dreckigeTassen, benutztes Geschirr – aufregt, die seine Ladys mal wieder in derKüche hinterlassen haben.

Fühlt er sich nicht manchmal allein unter all den Frauen? Sehnt er sichgar nach einem Kollegen, mit dem er sich hin und wieder, von Mann zuMann, austauschen kann?

Mägli zieht an seiner Zigarette. «Seit rund 30 Jahren stehe ich an derSpitze meines eigenen Unternehmens. Ich bin es gewohnt, allein zu sein.Ich brauche niemanden, der mich auf der Arbeit lobt.» Eine sehr männ-liche Antwort zum Abschied.

Ob Mägli einen wie sich selbst als Angestellten beschäftigen würde,bleibt am Ende offen. ■

«Je höher die Position, umso leichter lässt sie sichin Teilzeit ausüben.»

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22 SURPRISE 224/10

Bikinihersteller eigentlich reklamieren. «Trenn-kost ist auch von gestern! Wie diese Spies-schen! … Hatten diese Frauen da auch nichtnötig», bemerkt der Typ jetzt zum ersten Mal,dass da ein Film läuft. «Da gab es jede Mengevon diesen Dingsda Tüchern, die die sich ähmda umgewickelt haben und sie haben … lange,lange Haare!» Aha, ein Frauenkenner. «Wasschlagen Sie vor?», zische ich zurück: «Dasssich das Pommes Frites ein Zelt überwirft undin den Süden zieht?» «Pommes Frites! MachenSie sich lieber ans Tomatensouflée! Fast Foodist Gift für den Körper!», triumphiert es nebenmir. Paul Gaugin rückt zunehmend in die Ferne.

«Können wir das Buffet jetzt beenden?»,versuche ich eine friedliche Lösung. Aber na-da. «Die Fleischbällchen, die kleinen Lamm-racks! Sie sehen doch nur die Chips! Wenn ichmit Ihnen fertig bin, werden Sie endlich wis-sen, was ein anständiges Buffet ist!» Ich atmetief ein und wieder aus. Okay. «Vielleicht», ho-le ich aus. «Aber wenn ich mit Ihnen fertig bin,schaffen sies nicht dorthin.» Jetzt ist das Hemdk.o. «Warum sehen Sie sich nicht den Filman!», starrt es beleidigt auf die Leinwand. «Dakann eine Frau nur lernen!»

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[email protected]

ILLUSTRATION: IRENE MEIER

([email protected])

Kürzlich in einer handverlesenen Sonntags-matinee: «Haben Sie das Buffet gesehn?»,raunt mir ein Sitznachbar im stockdunklenVorführraum zu. «Ähm, nein …», muss ich zu-geben, weil der Hund nicht aufstehen und Pi-pi machen wollte und ich deswegen knappdran war. «Käsebällchen?», hilft mir der Typauf die Sprünge. «Klar, doch ich weiss, wie dieaussehen!», flüstere ich zurück. «Und dieKrabbenpastetchen?» «Ähm, sicher!»

Inzwischen wird es auf der Leinwand span-nend. Gekonnt legt der Dokufilmer Bilder vonPaul Gaugin in die genau gleiche Landschaft,die der Franzose damals gemalt hatte. Eine tol-le Idee. «Die gefüllten Artischoken?», gräbt derSitznachbar weiter. «Artischocken, ein ähmGemüse, das in der Scholle wächst, ähm ja …schon.» «Sie wissen es nicht!» «Ich weiss es

nicht?» «Sonst würden wir jetzt über das To-matensouflée reden!» Okay, eins zu null fürden Pirelli im blauen Hemd.

Der Sitznachbar fängt an, mich zu scannen.«Wer hat Sie überhaupt eingeladen?», will erwissen. «Ich springe für eine Freundin ein»,säusle ich zuckersüss. «Sie dachte, ich würdemich amüsieren.» Und nach einer kleinenKunstpause, offensiv: «Wussten Sie, dass Gau-gin Banker war, bevor er zur Malerei konver-tierte? Hat seiner Frau nicht gefallen, der Job-wechsel.» «Die Thunfischchen könnten ruhigein bisschen grösser sein», geht es unbeirrtweiter. «Und warum die immer diese unsäg-lichen Satay-Spiesschen auffahren, das ist in-zwischen so was von alt! Die überbackenenShrimps! Weiss doch keiner, wohin mit denSchwänzen!» Okay, Zeit für einen Sitzplatz-wechsel. Allerdings nur in der Theorie, dennder Saal ist proppenvoll.

«Sie sind eine von diesen freudlosen Essern!Die nichts geniessen können, richtig? Die kei-ne Freude am Leben haben!», rumpelt dasblaue Hemd weiter. «Häschen, Sie habenrecht!», werde ich jetzt doch etwas grob. «Ichmache grad einen auf Trennkost, okay?» «Wasist denn das für ein Mist? Warum sollte man inseinem Leben etwas trennen?» «Vielleicht, weilich nicht verstehe, warum ich in meinem Biki-ni in letzter Zeit aussehe wie ein labriges Pom-mes Frites?», informiere ich ihn, den Blick aufdie Leinwand geheftet. Das müsste ich beim

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Le mot noirBuffet ohne Paul

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Theater «Lern Deutsch, du Opfer»

VON MENA KOST

Im Klassenzimmer der 3D geht es rund: Unter lautstarker Diskussionwird eine Rechenaufgabe gelöst. Ein Mädchen versucht halbherzig, sichaus dem Schwitzkasten zu befreien, in dem es sein Sitznachbar gefan-gen hält. Auf einem der Pulte wird ein aus Holzklötzchen gebauter Turmzum einstürzen gebracht. «Ruhe», ruft Anina Jendreyko, Leiterin destranskulturellen Theater- und Bildungsprojekts «fremd?!». Und SchülerJamil flüstert: «Jetzt machen wir Improvisation.» Der 14-Jährige rücktseine Brille zurecht. «Wir proben nämlich kein Theaterstück, das esschon gibt: Unseres ist selbst gemacht.» Jendreyko nickt: «Alle, die beider Vater-Sohn-Improvisation dabei sind, gehen bitte in den Probe-raum.» Ein Tross Buben verlässt das Klassenzimmer.

«Wir machen hier kein Schultheater», stellt Jendreyko klar. Die 43-jährige Regisseurin und Schauspielerin ist Initiantin des Basler Pro-jekts «fremd?!», das dieses Jahr zum vierten Mal stattfindet. «Wir pro-ben zwar im Klassenverband, aber das Stück wird auf den Bühnen professioneller Theaterhäuser aufgeführt.» «fremd?!» richtet sich anKlassen in Schulhäusern, wo mehrheitlich Kinder mit Migrationshinter-grund und solche aus bildungsfernen Familien zur Schule gehen: In die-sem Jahr werden drei Klassen aus drei Schulhäusern je ein Stück aufführen. «Fast alles Jugendliche, denen die Gesellschaft bereits denDefizit-Stempel aufgedrückt hat», stellt Jendreyko fest und bläst sich eine braune Haarsträne aus der Stirn: «Dabei haben die Jugendlichenauch enorme Ressourcen. Viele sprechen mehr als zwei Sprachen undbewegen sich gekonnt in verschiedenen Kulturen.»

Die Schülerinnen und Schüler der 3D des Dreirosenschulhauses kom-men aus der Türkei, dem Libanon, aus Albanien, Serbien, Spanien undder Schweiz. In Zusammenarbeit mit professionellen Schauspielerin-nen, Tänzern und Musikern mit Migrationshintergrund entwickeln sieSzenen, schreiben Texte und Raps, erarbeiten Choreografien – und brin-gen schliesslich auf die Bühne, was sie in ihrem Alltag erleben: In derFamilie, in der Schule, im Ausgang. «Ich spiele kein Mädchen, sonderneinen Jungen», sagt etwa Laura aus Serbien. Er rauche, trinke und redeunanständig: «Gestern habe ich so eine Schlampe durchgenommen.»Oder: «Lern erst mal Deutsch, du Opfer». Laura nickt viel sagend: «Sol-che Dinge hört man oft.» Ihre Tischnachbarin Zeynep mischt sich ein:«Ich sage auf der Bühne Sätze, die ich oft von meinen Eltern höre. Ein-mal in meiner Muttersprache, einmal auf Schweizerdeutsch: Zeynep,lern Deutsch! Zeynep, sei gut in der Schule! Zeynep, geh jetzt Putzen!»

Die Türe zum Klassenzimmer geht auf: Jamil erklärt, dass die Vater-Sohn-Improvisation nun vorbereitet sei. Er spielt den Sohn, der amComputer sitzt und zockt. Sein Vater liegt auf dem Sofa und zapptdurchs TV-Programm. Dann erhebt sich der Vater, streckt den Rücken

durch, geht zu seinem Sohn: «Räum dein Zimmer auf!» – «Später …» –«Nein, mein Sohn, sofort!» So geht das hin und her, und irgendwann,klatsch, gibts eine Ohrfeige für den Sohn. «Fick dich», sagt dieser – unddie Buben bekommen einen Lachanfall. «Die Ohrfeige üben wir noch»,sagt Anina Jendreyko. Und: «Sagst du wirklich ‹fick dich› zu deinem Va-ter?» Jamil schüttelt den Kopf. «Aha», sagt Jendreyko. «Machen wir dieSzene nochmals. Und diesmal sagst du nur, was du auch zu deinem Vater sagen würdest.»

«fremd?!» bringt nicht nur das Thema Migration und Chancengleich-heit auf die Bühne, sondern auch den Jugendlichen und ihre Eltern dieInstitution «Theater» näher: Zehn Mal besucht die 3D während der Pro-jektzeit gemeinsam ein Theaterstück, zweimal in Begleitung der Eltern.«Für viele der erste Theaterbesuch überhaupt», so Jendreyko. Aber kurzvor der Premiere steht das eigene Stück im Vordergrund: «Ein Theaterauf die Bühne zu bringen – besonders, wenn das eigene Leben alsGrundlage dient – ist eine grosse Herausforderung.» Die Aufführungenam Schluss seien ein wichtiges Erfolgserlebnis, sagt Jendreyko: «Ausser-dem hält das Gespielte den Kollegen, den Lehrern, den Eltern und derGesellschaft den Spiegel vor.» ■

Premiere der Klasse 3D, «Dreirosen»: 27. Mai, Vorstadttheater Basel. Premiere

der Klasse 3A, «Gündülü»: 26. Mai, Theaterfalle Basel. Premiere der Klasse 3A,

«Kleinhünigen»: 27. Mai, Kaserne Basel. Weitere Aufführungsdaten:

www.projektfremd.ch. Auftritte am Schweizer Theaterfestival für junges Publikum

in Basel: www.festivalspot.ch

Schülerinnen und Schüler der 3D: Bald werden sie ihren Alltag auf der Bühne zeigen.

Im Theaterprojekt «fremd?!» bringen Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund ihren Alltag auf dieBühne. Das stärkt das Selbstbewusstsein – und hält Lehrern, Eltern und dem Publikum den Spiegel vor.

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Kulturtipps

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BuchÖdipus global

Multikulti, Parallelgesellschaften, Minarettverbot … Der Kampf derKulturen macht Schlagzeilen und beflügelt die Stammtische. In-mitten des medial aufgeheizten Gerangels sucht der EthnologeChristoph Antweiler nach dem, was uns verbindet.

VON CHRISTOPHER ZIMMER

Der Ödipuskomplex findet sich in allen Kulturen der Welt. Ausgerech-net! Sind wir also doch nicht so verschieden? Sind «die Anderen» dochnicht so anders? Gibt es kulturelle Gemeinsamkeiten? Ja, behauptet derEthnologe Christoph Antweiler in seinem Buch «Heimat Mensch». Undkonfrontiert uns gleich zu Beginn mit einer Liste von 73 sogenanntenUniversalien, von Abstillen über Arbeitsteilung, Familie, Geburtshilfe,Grussformen, Liebeswerbung, politischer Führung bis zu Schenken, Sexund Sprache.Zwölf dieser Universalien fühlt Antweiler auf eine erfrischend unkon-ventionelle und verständlich geschriebene Weise auf den Zahn. Sei es,dass er seine eigene akademisch-rituelle Berufung als Uni-Dozent denInitiationsritualen der australischen Aborigines gegenüberstellt, oderdass er globale Vermarktungsstrategien anhand westlicher und islami-scher Barbievarianten aufzeigt.Gemeinsamkeiten finden sich oft an unerwarteter Stelle. Kein Wunder,denn, so Antweiler, «uns verbindet viel, weil alle Gesellschaften ähnli-che Probleme lösen müssen». Soziale Hierarchien, das «Die-da-Obenund Die-da-Unten» existieren überall. Nicht weniger der Umgang mitNacktheit und Sexualität. Egal ob Burka oder der Penisköcher der Eipoin Neuguinea, Tabus gibt es in allen Kulturen. Auch dass alle Menschensprechen können, ist keine triviale Binsenweisheit, denn wir könneneinander zwar nicht immer verstehen, doch zumindest verständigen.Antweiler ist davon überzeugt, dass die Gemeinsamkeiten der Kulturenfundamentaler sind als ihre Verschiedenheiten. Und dass dieser Blickfür das Gemeinsame eine Chance ist. Dann nämlich, wenn die kulturel-len Verschiedenheiten als Reichtum erkannt werden und nicht als Mu-nition für Konflikte dienen, in denen die Kultur nur als Deckmäntelchenfür politische und kommerzielle Interessen herhalten muss.Christoph Antweiler: Heimat Mensch. Was uns alle verbindet. Murmann Verlag 2009.

Fr. 31.50.

MusikVersponnenes Wunderland

Auch auf seinem vierten Album «Grey Oceans» werkelt das DuoCocoRosie unverzagt und unverdrossen an seinem versonnenenPop-Folk. Musik ist das Einzige, bei dem sich die Schwestern Bianca und Sierra Cassidy nicht gleich in die Haare geraten.

VON MICHAEL GASSER

Hauptsache ausgefallen: Sierra und Bianca Cassidy wollen und könnensich nicht damit begnügen, einfach irgendwelche Lieder zu schreiben.Die beiden Schwestern, die getrennt aufwuchsen und sich 2003 einesschönen Nachmittags in Paris wieder trafen, wo Sierra Operngesang stu-dierte. Statt lange Schwätzchen zu halten, musizierten sie gemeinsam.Ein Partyauftritt führte unversehens zu einem Plattenvertrag, und jetztveröffentlichen die beiden Amerikanerinnen mit «Grey Oceans» bereitsihr viertes Album. Erdacht und eingespielt wurde es an den verschie-densten Orten, von Buenos Aires über Berlin bis Melbourne. Wiederumhätten sie und Bianca beim Entstehungsprozess im Studio nicht allzuviele Worte verloren, erklärt Sierra Cassidy im Interview. «Beim Auf-nehmen haben wir vielmehr versucht, unsere Köpfe abzuschalten.» Fürsie und ihre Schwester sei es schon immer eine besondere Herausforde-rung gewesen, die Grenzen ihrer Musik, die sie auf der Bühne häufig miteigenen Kunstvideos anreichern, weiter auszuloten. Insgesamt 45 Songshätten dieses Mal das Licht der Welt erblickt. «So viele, dass wir uns erstein wenig verloren fühlten.» Es folgte der langsame Prozess des Weg-lassens – bis noch elf Lieder übrig waren. Da sei es ein Gutes gewesen,dass sie mit Bianca über ihre Musik nie streiten würde. «Sobald es aberum andere Themen geht …» Wie frühere Platten von CocoRosie ist auch «Grey Oceans» von zarterVerspieltheit durchdrungen, es zirpt und wuselt, nicht wild, eher ver-sponnen. Als ob man eine klangliche Version von «Alice in Wonderland»sachte durch den Fleischwolf drehen und dann äusserst liebevoll anrich-ten würde. Während «Hopscotch» zwischen überkandidelter Ragtime-Komposition und opernhaften Trip-Hop-Einschüben mäandert, gibt sich«Undertaker» zu gleichen Teilen als schwer verträumte Klavierballadeund als sphärischer Indian-Folk. CocoRosie reihen ihre Arbeit nicht un-bedingt unter Musik ein, eher schon handle es sich um eine akustischeUntermalung von Bildern, erklärt Sierra Cassidy. Egal mit welchen Me-dien das Duo auch gerade wirbelt, ihr Zugang ist durchwegs ein un-schuldiger. Ihr Schaffen wirkt immer ein wenig weltfremd, wie von eineranderen Dimension, und gerade deshalb verzücken CocoRosie so sehr. CocoRosie: «Grey Oceans» (Souterrain Transmissions/Irascible).

Sister-Act: CocoRosie packen ihre Träume in versponnene Musik.

Starke Bande: Schlussendlich sind wir

alle gleich.

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KinoJenseits von Bümpliz

Schrebergärten gehören zur Schweiz wie die Berge und die Scho-kolade. «Unser Garten Eden» ist eine witzige, poetische und sensi-ble Begegnung mit diesem multikulturellen Mikrokosmos.

VON MICHÈLE FALLER

Hügelige Wiesen und Felder, Strommasten und Wolken am Sommerhim-mel. Dazu Akkordeonmusik, die aus einer anderen Weltgegend stammt.Blumen- und Gemüsebeete und kleine Häuschen; darüber flattern Fah-nen aus Portugal, Spanien, Italien, der Schweiz. Der Mann mit dem be-trächtlichen Bauch mimt mit Hilfe seiner Bierflasche ein Schiffshorn, einanderer tut eine geheimnisvolle Öffnung im Boden auf, um grinsend einkühles Bierchen zu bergen. Eine Frau an einem blätterumrankten Tischbeschreibt lächelnd die schöne Stimmung an einem Sommerabend. «Wieeine Umarmung, wie eine warme Decke.» Der Dokumentarfilm «UnserGarten Eden» widmet sich einer Institution, die untrennbar mit derSchweizer Identität verbunden ist: dem Schrebergarten.Heiter, witzig, fröhlich – so werden die Protagonisten der Familiengär-ten im Berner Bottigenmoos nahe Bümpliz eingeführt. Der Sprücheklopfende Hans, der Präsident der Schrebergartenanlage Giuseppe Assante, der mit Krawatte die Blumen giesst und sich scherzhaft mitPräsident Bush vergleicht, das Ehepaar Margrit und Mohammed Barka-Pfister, die seit über 30 Jahren gärtnern, das Schweizer Ehepaar Gross-rieder. Und alle beschreiben sie den Garten als Zufluchtsort, als Feier-abendoase, als «das Beste in der Schweiz», wo man die 40 Arbeitsstundenoder die traurige Vergangenheit etwas vergessen kann.Es ist einerseits ein irrsinnig komischer Film – wenn etwa all die Ver-bots-, Hinweis- und Aufrufstafeln ins Blickfeld rücken oder der Vereins-vorstand mit Metermass bewaffnet und von gewichtiger Musik unter-malt die Gartenanlage durchschreitet, um zu grosse Tomatenhäuschenzu orten. Überhaupt ist die Akkordeonmusik von Mario Batkovic gros-sartig und fängt die vielfältigen Stimmungen genau ein. Doch es gibtauch leise, melancholische und zuweilen tragische Facetten: das Heim-weh der Einwanderer, oder Hans’ Einsamkeit, die hinter seinen flottenSprüchen aufscheint.Das grosse gemeinsame Fest am Schluss kann als Sinnbild für das Funk-tionieren des Mikrokosmos Schrebergartenanlage stehen. Auf engstemRaum leben verschiedene Kulturen und Religionen zusammen, singenund feiern, und auf dem Grill – dem heimlichen Protagonisten desFilms – drehen einträchtig ein Spanferkel und ein Schaf nebeneinander.«Unser Garten Eden. Geschichten aus dem Schrebergarten», Regie: Mano Khalil,

97 Min., Schweiz 2009, derzeit in den Deutschschweizer Kinos.

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Die 25 positiven FirmenDiese Rubrik ruft Firmen und Institutionenauf, soziale Verantwortung zu übernehmen.Einige haben dies schon getan, in dem siedem Strassenmagazin Surprise mindestens500 Franken gespendet haben. Damit helfensie, Menschen in pre kären Lebensumstän-den eine Arbeitsmöglichkeit zu geben undsie auf ihrem Weg zur Eigenständigkeit zube g leiten. Gehört Ihr Betrieb auch dazu? DieSpielregeln sind einfach: 25 Firmen werdenjeweils aufgelistet, sind es mehr, fällt jenerBetrieb heraus, der am längsten dabei ist.

Möchten Sie bei den positiven Firmen aufgelistet

werden?

Mit einer Spende von mindestens 500 Franken

sind Sie dabei! PC-Konto: 12-551455-3,

Verein Strassenmagazin Surprise, 4051 Basel

Zahlungszweck:

Positive Firma + Ihr gewünschter Eintrag!

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Stoll Immobilientreuhand AG, Winterthur

Kaiser Software GmbH, Bern

Responsability Social Investments AG, Zürich

chefs on fire GmbH, Basel

Ingenieurbüro BEVBE, Bonstetten

Gemeinnütziger Frauenverein Nidau

VXL gestaltung und werbung ag, Binningen

Scherrer & Partner GmbH, Basel

TYDAC AG, Bern

KIBAG Strassen- und Tiefbau

OTTO’S AG, Sursee

Klinik Sonnenhalde AG, Riehen

Canoo Engineering AG, Basel

Lehner + Tomaselli AG, Zunzgen

fast4meter, storytelling, Bern

Brother (Schweiz) AG, Baden

Druckerei Hürzeler AG, Regensdorf

IBZ Industrie AG, Adliswil

Zeix AG, Zürich

Zürcher Kantonalbank, Zürich

Axpo Holding AG, Zürich

Experfina AG, Basel

AnyWeb AG, Zürich

muttutgut.ch, Lenzburg

Mobilesalad AG, Bern

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Das Paradies auf Erden: Die Schrebergärtner machen Pause.

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Alt St. JohannAus voller Kehle

Die Jodler aus Wattwil haben ihren Auftritt nach der Gruppe aus demHimalaya und vor der Formation aus der Mongolei. Beim Natursim-menfestival gehts ums Singen, egal wo: Das Konzertprogramm ver-mischt Alpkultur mit russischen Kosakenweisen, und südafrikanischeSänger treffen auf Kolleginnen aus Norwegen. Beim Musizieren werdenGemeinsamkeiten aber auch Eigenheiten der Gesangskunst aus den ver-schiedensten Regionen hörbar. (juk)Klangfestival «Naturstimmen», 12. bis 24. Mai, Alt St. Johann, Programm:

www.klangwelt.ch

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Ausgehtipps

Auf TourKatharsis mit Kuscheldecke

So ein Hype hat auch sein Gutes. Seit einigen Jahren erspielen sich im-mer wieder junge Schweizer Sängerinnen die Gunst von Publikum undPresse. Das klingt mal mehr, mal weniger spannend, doch die jüngsteEntdeckung in der Person von Fiona Daniel gehört klar in erstere Kate-gorie. Ihr Debüt «Drowning» ist ein fesselndes Album zwischen dunklemFolk wie ihn Alela Diane oder Ane Brun beherrschen, ätherischem Drama à la PJ Harvey und spukhaften Suiten im Stil von Tori Amos. Piano und Gitarre geben den Ton an, daneben spielen auch Xylophon,Cello und Autoharp tragende Rollen. Den Atem aber raubt einem dieStimme der Zürcherin, die mit gerade mal 22 souverän zwischen Ku-scheldecke, Kammermusik und Katharsis pendelt. Die anstehenden Kon-zerte dürften die letzten im heimeligen Rahmen kleiner Klubs sein. (ash)14. Mai, 21 Uhr, Parterre, Basel; 16. Mai, 20 Uhr, Seebad Enge, Zürich; 20. Mai, 20 Uhr,

Sous Soul, Bern.Kammermusik am Küchentisch: Fiona Daniel.

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— www.theater-basel.ch, Tel. +41/(0)61-295 11 33 —

Anzeigen:Musik verbindet Völker.

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Freie Fahrt: Beim Monday Night Skate kein Problem.

Aarau, Basel, Biel, Kreuzlingen, Luzern, Zürich, ZugAchtung, fertig, rollenFrühling, endlich! Alles strebt nach draussen, der Bewegungsdrang istenorm und das Bedürfnis, zusammen mit anderen den Start in die war-me Jahreszeit einzuläuten, riesig. Alle diese Bedürfnisse können beimInlineskaten wunderbar befriedigt werden. Wer sicher freie Bahn habenmöchte, sucht sich den Monday Night Skate in seiner Nähe: An den or-ganisierten Ausfahrten werden Strassen gesperrt und Helfer passen auf,damit niemand unter die Rollen gerät. Blutigen Anfängern sei aber trotz-dem von der Teilnahme abgeraten. (juk)Monday Night Skate, nächste Daten in Basel: 17.5./30.5, Start jeweils um 20 Uhr,

Theodorskirchplatz; Zürich: 17.5./30.5, Start jeweils 20 Uhr, Bürkliplatz; Provi-

sorische Daten für Aarau: 17.5./7.6., für Zug: 31.5./7.6.; noch keine Daten für Luzern,

Biel, Kreuzlingen, Infos zur Durchführung unter www.nightskate.ch

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BaselLiebe im Kopf

Man kann die Liebe auch ganz rational angehen. Zum Beispiel im Lite-raturhaus Basel, wo sich Fachleute einen Frühlingsabend lang der Herz-sache annehmen: Emotionsforscher Frank Wilhelm von der Uni Baselpräsentiert die neusten wissenschaftlichen Erkenntnisse über das Phä-nomen Liebe als Ganzes. Literaturwissenschaftlerin Pia Reinacher gibtAuskunft über die Leidenschaft in der zeitgenössischen Literatur. UndSchriftsteller Martin R. Dean berichtet über die Veränderungen im Zu-sammenleben von Mann und Frau. Selbstverständlich erörtern die Fach-leute dann auch die Frage, welchen Einfluss wissenschaftliche Erkennt-nisse – und Reflexion an sich – auf unser Liebesleben haben. (mek)Veranstaltung zum Thema «Liebe», 19. Mai, 19 Uhr, Literaturhaus Basel,

www.literaturhaus-basel.ch

Reflektieren über die Liebe.

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Verkäuferporträt«Bei der Arbeit vergesse ichmeine Probleme»

AUFGEZEICHNET VON DENISE ANANIA

«In Bosnien habe ich mit meiner Familie auf dem Land gewohnt undals Bäuerin gearbeitet. Wir hatten Kühe und Kleinvieh. Es ging uns gutund wir waren eine glückliche Familie. Bis zum Krieg. 1992 wurde fastmeine ganze Familie ermordet. Ich verlor meinen Mann, meinen Bru-der, meinen Vater, und auch mein Sohn wurde umgebracht. Seit demist nichts mehr so, wie es vorher war. Ich habe den Verlust meiner Familie nie überwunden und wurde durch den Vorfall psychisch krank.Ich weinte nur noch und konnte mit niemandem mehr reden. Es warmir unmöglich über das Ganze, das geschehen war, zu reden. Ich konn-te und kann bis heute das Geschehene nicht verarbeiten. Ich habeHerzrasen, bin kurzatmig, leide an Schlaflosigkeit: Meine Nerven sindkaputt.

Ich konnte an dem Ort, an dem meine Angehörigen umgekommensind, nicht mehr leben. Deshalb kam ich 2003 in die Schweiz und bean-tragte Asyl, das ich auch erhalten habe. Nach verschiedenen Asylhei-maufenthalten in der Westschweiz bin ich dann im Raum Basel gelandet.Hier in der Schweiz hat sich auch endlich jemand um meine schlechteGesundheit, meine psychischen und physischen Leiden, gekümmert.Insgesamt lag ich rund fünf Monate im Kantonsspital in Liestal.

Wieder zu Hause, hat mir eine gute Bekannte von Surprise erzählt.Sie sagte, dass ich mein eigenes Geld verdienen und so auch wieder un-ter Menschen kommen und mich mit den unterschiedlichsten Leutenunterhalten könne. Meine Bekannte hat mich dann eines Tages mit nachBasel und ins Büro von Surprise genommen. Und seither verkaufe ichdas Strassenmagazin. Das mache ich nun schon seit fünf Jahren. Surprise ist sehr wichtig für mich. Ich liebe meine Arbeit bei Surprise.Ich kann etwas für meinen Lebensunterhalt dazu verdienen. Ich kannmir selber helfen und bin nicht nur auf andere angewiesen. Ausserdemvergesse ich während der Arbeit meine Probleme. So muss ich wenigs-tens einige Stunden am Tag nicht über die schrecklichen Dinge, die pas-siert sind, nachdenken. Und mit dem Verkaufen der Hefte möchte ichauch meine Mutter in Bosnien unterstützen. Sie ist die Einzige, die ichnoch habe.

An manchen Tagen holt mich die Vergangenheit wieder ein und mei-ne gesundheitlichen Probleme werden schlimmer. An diesen Tagenkann ich nicht arbeiten, auch wenn ich dies eigentlich gerne tun wür-de. Aber es geht nicht. Ich bin dann sehr traurig.

Vor wenigen Wochen wurden in Bosnien die sterblichen Überrestemeines Sohnes gefunden. Endlich – nach all den Jahren. Das ist sehrschwer für mich. Eigentlich sollte man meinen, ich könne nun Abschied nehmen. Aber sie haben nicht das ganze Skelett entdeckt,

Die 57-jährige Saha Alisevic hat im Bosnienkrieg fast ihre gesamte Familie verloren. Seit einigen Jahren ver-kauft die in Münchenstein/BL lebende Bosnierin Surprise. Die Arbeit gibt ihrem Leben Sinn.

sondern nur einige wenige Knochen. Wenn der ganze Körper gefundenworden wäre, könnte ich vielleicht besser damit abschliessen. So gehenmir wieder neue Gedanken durch den Kopf: Ich überlege, was ihmwohl genau zugestossen ist. Das ist schrecklich. Allerdings freue ichmich auf das nächste Jahr. Dann werden Bosnier aus aller Welt in Bosnien zusammentreffen und in einer Zeremonie ihre unterdessen gefundenen Angehörigen anständig begraben. Auf diesen Tag warte ichsehnsüchtig. Dieser Tag ist wichtig – was danach kommt, ist nicht mehrwichtig.

Nach Bosnien möchte und kann ich nicht zurück. Dort habe ichnichts, kein Haus, gar nichts. Ich habe dort keine Heimat mehr. Ichmöchte auch in Zukunft in der Schweiz leben. Hier kann ich wenigs-tens arbeiten. Und das tue ich wirklich gerne.» ■

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Surprise kümmert sich um Menschen, die we-niger Glück im Leben hatten als andere. Men-schen, die sich aber wieder aufgerappelt habenund ihr Leben in die eigenen Hände nehmenwollen. Mit dem Verkauf des Strassenmaga-zins Surprise überwinden sie ihre soziale Iso-lation. Ihr Alltag bekommt Struktur und wie-der einen Sinn. Sie gewinnen neue Selbstach-tung und erarbeiten sich aus eigener Kraft ei-nen kleinen Verdienst. Die Surprise-Strassen-verkäuferinnen und -verkäufer helfen sich sel-

ber. Das verdient Respekt und Unterstützung.Regelmässige Verkaufende werden von Sur -prise-Sozialarbeiterinnen be treut, individuell begleitet und gezielt gefördert. Dazu gehörtauch, dass sie von Surprise nach bestandenerProbezeit einen ordentlichen Arbeits vertrag er-halten. Mit der festen Anstellung übernehmendie Surprise-Verkaufenden mehr Verantwor-tung; eine wesentliche Voraussetzung dafür,wieder fit für die Welt und den Arbeitsmarktzu werden.

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1 Jahr: 8000 Franken 1/2 Jahr: 4000 Franken 1/4 Jahr: 2000 Franken 1 Monat: 700 Franken

Ja, ich werde Götti/Gotte von:

Talon bitte senden oder faxen an: Strassenmagazin Surprise, Administration, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 61 564 90 99, [email protected], PC-Konto 12-551455-3

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Tatjana GeorgievskaBasel

Eine Chance für alle!Werden Sie Surprise-Götti oder -Gotte

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Josef Vogel aus Wabern nominiert AsmelashMihreteab als Starverkäufer: «Asmelash Mih-reteab ist immer sehr freundlich, freut sichstets, bekannte Gesichter zu grüssen, wäh-rend er diskret Surprise anbietet. Irgendwannwerde ich hoffentlich lernen, wie man seinenNamen richtig ausspricht. Ich wünsche ihmweiterhin viele Kunden und viel Glück bei derWohnungssuche. Toi toi toi und alles Gute.»

Nominieren Sie Ihren Starverkäufer!Schreiben Sie uns mit einer kurzen Begründung, wel-

chen Verkäufer Sie an dieser Stelle sehen möchten:

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Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel,

F +41+61 564 90 99, [email protected]

Peter Gamma, BaselPeter Hässig, BaselMarika Jonuzi, BaselMarlise Haas, BaselJovanka Rogger, Zürich

Ausserdem im Förderprogramm SurPlus:

Anja Uehlinger, BadenBob Ekoevi Koulekpato, BaselFatima Keranovic, BasellandAndreas Ammann, BernRené Senn, Zürich

Als Götti oder Gotte ermöglichen Sie einer Strassenverkäuferin oder einem -verkäufer eine betreute Anstellung bei Surprise und damit dieChance zur Rückkehr in ein selbstbestimmtes Leben.

Wolfgang KreibichBasel

Kurt BrüggerBasel

Jela VeraguthZürich

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30 SURPRISE 224/10

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24 Ausgaben zum Preis von CHF 189.– (Europa: CHF 229.– )(Verpackung und Versand bietenStrassenverkäuferInnen ein zusätzliches Einkommen.)

Gönner-Abo für CHF 260.–

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Impressum

HerausgeberStrassenmagazin Surprise GmbH, Postfach, 4003 Basel,www.strassenmagazin.chGeschäftsführung T +41 61 564 90 63Fred Lauener, Agnes Weidkuhn (Assistenz GF) Öffnungszeiten SekretariatMo–Do 9–12 Uhr, T +41 61 564 90 90, F +41 61 564 90 99 [email protected] T +41 61 564 90 70Fred Lauener (Leitung), Reto Aschwanden, Julia Konstantinidis, Mena Kost, Thomas Oehler (Sekretariat)[email protected] MitarbeitDenise Anania, Basile Bornand, Michèle Faller, AndreaGanz, Michael Gasser, Luc-François Georgi, Mathias Irle, Delia Lenoir, Irene Meier, Stefan Michel, Anne Morgenstern, Christof Moser, Dominik Plüss, Isabella Seemann, Roland Soldi, Udo Theiss, Priska Wenger, Elisabeth Wiederkehr, Christopher ZimmerKorrektorat Alexander JungoGestaltungWOMM Werbeagentur AG, BaselDruckAVD GoldachAuflage29 400, Abonnemente CHF 189.–, 24 Ex./JahrAnzeigenverkauf T +41 61 564 90 77Therese Kramarz, Mobile +41 76 325 10 [email protected]

Marketing T +41 61 564 90 61Theres BurgdorferVertrieb T +41 61 564 90 81Smadah Lévy (Leitung)Vertrieb Zürich T +41 44 242 72 11Reto Bommer, Engelstrasse 64, 8004 Zürich, Mobile +41 79 636 46 12 [email protected] Bern T +41 31 332 53 93Alfred Maurer, Pappelweg 21, 3013 Bern, Mobile +41 79 389 78 [email protected] und Förderung T +41 61 564 90 51Rita Erni Chor/Kultur T +41 61 564 90 40Paloma SelmaStrassensport T +41 61 564 90 10Lavinia Biert Trägerverein Strassen magazin Surprise Präsident: Carlo Knöpfel

Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auch auszugs weiseoder in Ausschnitten, nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird vonder Redaktion und dem Verlag jede Haftung abgelehnt.

Surprise behält sich vor, an Verkaufende gerichtete Post-sendungen zu öffnen. Barspenden an namentlich bezeich-nete Verkaufende können nur bis zu einem Betrag vonCHF 100.– weitergeleitet werden. Darüber hinausgehendeBeträge sollen – im Einverständnis mit der Spenderin oderdem Spender – allen Verkaufenden zugute kommen.

Surprise ist:

Hilfe zur Selbsthilfe Surprise hilft seit 1997 Menschen in sozialenSchwierigkeiten. Mit Programmen in den Bereichen Beschäftigung, Sport und Kultur fördert Surprise die soziale Selbständigkeit.Surprise hilft bei der Integration in den Ar-beitsmarkt, bei der Klärung der Wohnsitua-tion, bei den ersten Schritten raus aus derSchuldenfalle und entlastet so die SchweizerSozialwerke.

Eine Stimme für Benachteiligte Surprise verleiht von Armut und sozialer Be-nachteiligung betroffenen Menschen eineStimme und sensibilisiert die Öffentlichkeit für ihre Anliegen. Surprise beteiligt sich am Wandel der Gesellschaft und bezieht Stellungfür soziale Gerechtigkeit.

Strassenmagazin und Strassenverkauf Surprise gibt das vierzehntäglich erscheinen-de Strassenmagazin Surprise heraus. Dieseswird von einer professionellen Redaktion pro-duziert, die auf ein Netz von qualifizierten Berufsjournalistinnen, Fotografen und Illu-stratorinnen zählen kann. Das Magazin wird fast ausschliesslich auf der Strasse verkauft.Rund dreihundert Menschen in der deutschenSchweiz, denen der Arbeitsmarkt verschlos-sen bleibt, erhalten damit eine Tagesstruktur,verdienen eigenes Geld und gewinnen neuesSelbstvertrauen.

Sport und Kultur Surprise fördert die Integration auch mit Sport.In der Surprise Strassenfussball-Liga trainierenund spielen Teams aus der ganzen deutschenSchweiz regelmässig Fussball und kämpfenum den Schweizermeister-Titel sowie um dieTeilnahme an den Weltmeisterschaften für so-zial benachteiligte Menschen. Seit 2009 hatSurprise einen eigenen Chor. GemeinsamesSingen und öffentliche Auftritte ermöglichenKontakte, Glücksmomente und Erfolgserleb-nisse für Menschen, denen der gesellschaft-liche Anschluss sonst erschwert ist.

Finanzierung, Organisation und internatio-nale VernetzungSurprise ist unabhängig und erhält keine staat-lichen Gelder. Das Strassenmagazin wird mitdem Erlös aus dem Heftverkauf und mit Inse-raten finanziert. Für alle anderen Angebotewie die Betreuung der Verkaufenden, die Sport-und Kulturprogramme ist Surprise auf Spen-den, auf Sponsoren und Zuwendungen vonStiftungen angewiesen. Surprise ist eine nicht gewinnorientierte sozi-ale Institution. Die Geschäfte werden von derStrassenmagazin Surprise GmbH geführt, dievom gemeinnützigen Verein StrassenmagazinSurprise kontrolliert wird. Surprise ist führen-des Mitglied des Internationalen Netzwerkesder Strassenzeitungen (INSP) mit Sitz in Glas-gow, Schottland. Derzeit gehören dem Ver-band über 100 Strassenzeitungen in 40 Län-dern an.

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31SURPRISE 224/10

Dankeschön!Sie alle haben den Fussballern der Surprise Strassenfussball-Liga ein eigenes Stadion ermöglicht:Adrian Basset Adriana Beck Alice Greuter-Wehrli Amaya Wittwer Andrea von Bidder Annalena und Valentina Schor Anneliese und Bernhard Aufdereggen Annemarie Humm Anton Wildhaber Axl und Susi Beatrice Kunz Beatrice Monnier Bernard und LeoWandeler Bettina und Florian Thalmann Brigit Latif Bruno Zimmermann Céline Dey Christian Kaufmann Christian Rüegg Christoph Gyger Christoph Pachlatko Claudia Plaz Clown Pinoc Cyril Hilfiker Daniel KehlDaniela Dendena David Billeter DeniseMaurer Didi Schneider-Gabriel Dieter Braun Dieter Ernst Dori und Peter EINTRAHCT MOTORHEAD − since01 Elisabeth CasparEsther Marty Esther und Martin Vogt-Zimmermann Eveline Maurer F. Passanante und Eva Reich Fabio Hilfiker Familie Herren MinderFamilie Kvasnicka Familie Sahli-Schwarz Familie Sorg Voegeli Familie Stettler Francesca Bionda Fred Braun Fred Lauener FrediBuchmann Geiser Gérald Berthet Hans-Peter Kübli Hanspeter Latour Heidi Sigrist Heleen Stoll Hoflenz Isabel und MartinJordl-Ertler Jolanda Zimmer jpg-webmaster.com Jürg Bohnenblust Jürg Oberli Kaspar Häberling Katharina Striebel-BurckhardtKerstin Press Killerbarbie LEP Liliane Müggenburg Loop Musikzeitung M. Guidon maleho Marc Locatelli Marcel LeuenbergerMargrit und Hans Portenier Maria Teresa Bünnagel Marianne Hässig Kessler Markus H. Kipfer Martina Fäh Mats Loser MatthiasPfister Matthias Wächter Meret, Joris, Käthi und Stefan Michael Husmann Michael Weschmann Michel Seuret-Allemann MirjamSick Mona Petri Monika Hall Nicole und Heinz Mathys Nik Zuber Oliver Biedert Patrick Groeber Paul Castle Peter Dyer-SmithPeter Emch Philipp Schmid Pia Schönenberger Psychiatrische Spitex Raphael Huber Regula Hunziker René Riva Rita RoedelRöne Rüegg Roland Achini Roland Frank R. und S. Niederhäuser Sabina Stör Büschlein Schmüsi Selina Burri sim und brian Simon Matthias Schmocker Sinan Geissmann Stephan Kussmaul und Irene Wegmüller St. Marbet Thomas Arnold Thomas ErnstThomas Gautschi Thomas Hensel Till Hofstetter Tonino Baredi Trudi und Kurt Rüegg Vincent Sohni Wohnenbern Willy BergerXenia und Martin Bahnmüller

Sie kauften ein StadionImmer mehr sozial Benachteiligte finden Freude am Sport: 15 Teams streiten seit März dieses Jah-res um den Schweizermeister-Titel in der Surprise Strassenfussball-Liga, eine Rekordzahl. Um dieBegeisterung mit der passenden Infrastruktur unterstützen zu können, hat Surprise eine eigeneStreet-Soccer-Arena gekauft – mit der Hilfe vieler Gönner und Gönnerinnen, die einen oder oft gleichmehrere der 352 Quadratmeter à 100 Franken gesponsert haben.

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