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Jochen Kressin Diplomica Verlag Geschäftsmodelle und Innovationen in der digitalen Welt Symphony of Disruption

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Jochen Kressin

Diplomica Verlag

Geschäftsmodelle und Innovationen

in der digitalen Welt

Symphony ofDisruption

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Jochen Kressin Symphony of Disruption: Geschäftsmodelle und Innovationen in der digitalen Welt ISBN: 978-3-8428-4074-4 Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2013 Covermotiv: © sdecoret – Fotolia.com Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtes.

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Für meine Frau.

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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung 9

2 Geschäftsmodell und Geschäftsmodellinnovation 132.1 Geschäftsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

2.1.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142.2 Geschäftsmodellinnovation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

2.2.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242.2.2 Arten der Geschäftsmodellinnovation . . . . . . . . . . . . . . 26

3 Geschäftsmodell und strategisches Management 293.1 Strategisches Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293.2 Perspektiven des strategischen Managements . . . . . . . . . . . . . . 323.3 Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343.4 Abstraktionsgrad von Geschäftsmodellen . . . . . . . . . . . . . . . . 36

3.4.1 Das Geschäftsmodell als Abstraktion der Strategie . . . . . . . 363.4.2 Das Geschäftsmodell als Konkretisierung der Strategie . . . . 37

3.5 Das Geschäftsmodell als Analyseeinheit des strategischen Managements 393.6 Synthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

4 Wachstumsfaktor Geschäftsmodellinnovation 454.1 Das Paradigma des stetigen Wachstums . . . . . . . . . . . . . . . . . 454.2 Disruptive und erhaltende Innovationen . . . . . . . . . . . . . . . . . 514.3 Geschäftsmodellinnovation als Differentiator: Chancen und Fehlerquellen 53

5 Geschäftsmodellinnovation in der digitalen Ökonomie 595.1 Von der IT zur digitalen Ökonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 595.2 Notwendigkeit von Geschäftsmodellinnovation in der digitalen Ökonomie 625.3 Möglichkeiten zur Geschäftsmodellinnovation . . . . . . . . . . . . . . 65

5.3.1 Nichtphysische Produkte: Das unendliche Lager . . . . . . . . 655.3.2 Das Internet als Verbreitungskanal: Mehrseitige Märkte . . . . 685.3.3 Kunden als neue Informationsquelle und Produzenten . . . . . 70

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5.3.4 Netzwerke und Plattformen als Innovations- und Wachstums-treiber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73

5.3.5 Preismodelle in der digitalen Ökonomie . . . . . . . . . . . . . 765.3.6 Smartphones, mobile Anwendungen und Geolocation . . . . . 80

6 Geschäftsmodellinnovation in etablierten Unternehmen 856.1 Stellung der Geschäftsmodellinnovationen gegenüber dem Kerngeschäft 856.2 Auswahl geeigneter Führungskräfte und Mitarbeiter . . . . . . . . . . 896.3 Geschäftsmodellinnovation als Aufgabe des höheren Managements . . 916.4 Geschäftsmodellinnovation als wiederholbarer und wiederkehrender Pro-

zess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 946.5 Prozess der Ideenfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95

6.5.1 Empathy Maps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 966.5.2 Design Thinking . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 976.5.3 Storytelling und Scenarios . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 986.5.4 Gamestorming . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 996.5.5 Open Innovation und Crowdsourcing . . . . . . . . . . . . . . 99

6.6 Beispiele kontinuierlicher Innovationsleistung: Amazon . . . . . . . . 101

7 Fazit: Zukunft heißt Wandel 107

Abbildungsverzeichnis 109

Abkürzungsverzeichnis 111

Literaturverzeichnis 113

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1 Einleitung

Seit 2004 veröffentlicht IBM in zweijährigem Abstand die „Global CEO Study“. DieseStudien beruhen auf persönlichen Gesprächen mit Führungskräften unterschiedlichs-ter Branchen und Regionen. Sie gelten mittlerweile als Gradmesser aktueller wirt-schaftlicher Tendenzen. Nahmen im Jahr 2004 noch 465 Führungskräfte teil, lag dieZahl im Jahr 2010 schon bei über 1500. Hauptaspekt der Studien ist die Frage nachden wichtigsten Herausforderungen der kommenden Jahre und wie Führungskräftediesen auf Unternehmensseite begegnen können. Betrachtet man alle Studien der letz-ten Jahre, so wird deutlich, dass die wohl größte Herausforderung der kommendenJahre die adäquate Reaktion auf sich schnell ändernde Märkte, Branchen, Techno-logien und damit verbundene gesellschaftliche Aspekte ist. Die Fähigkeit sich diesenVeränderungen schnell anpassen zu können und die sich dadurch bietenden Chancenzu erkennen und zu nutzen wird zukünftig immer stärker über Erfolg und Misserfolgvon Unternehmen entscheiden. Zwei Faktoren sind hier besonders ausschlaggebend:Die Möglichkeiten die sich durch die digitale Ökonomie in den letzten Jahren erge-ben haben und noch ergeben werden. Und die Fähigkeit diese Möglichkeiten durchGeschäftsmodellinnovation gewinnbringend zu nutzen.

Bereits in der Studie aus dem Jahr 2004 war für die meisten Führungskräfte dieFähigkeit, sich schnell ändernden Marktbedingungen frühzeitig anpassen zu könnender wichtigste Erfolgsfaktor. Umsatzwachstum werde laut der Studie in erster Liniedurch neue und differenziertere Produkte und Dienstleistungen erzielt, die auf dieseÄnderungen zugeschnitten sind. Daneben wurden die Kostenreduktion, die interneAgilität der Unternehmen und die Wichtigkeit der Mitarbeiter hervorgehoben (vgl.IBM Business Consulting Services, 2004).

In der Studie aus dem Jahr 2006 wird deutlich, dass nicht die reine, oft passiveAnpassung an Veränderungen ausschlaggebend ist, sondern es der aktiven Innovationvon Produkten, Dienstleistungen und Geschäftsmodellen bedarf. Auch der Aufbauvon Partnernetzwerken wird genannt (vgl. IBM Global Business Services, 2006).

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Dieser Trend setzte sich auch 2008 fort. In der Studie aus diesem Jahr stehen der glo-bale Wandel, disruptive Innovationen, Geschäftsmodellinnovationen und eine radikaleAusrichtung auf immer anspruchsvollere Kunden klar im Vordergrund. Während na-hezu alle Führungskräfte angaben, ihr Geschäftsmodell in einigen Bereichen ändernoder anzupassen zu wollen, planten zwei Drittel der Befragten umfangreichere Inno-vationen. Laut der befragten Teilnehmer müsse das Unternehmen der Zukunft vorallem folgende Eigenschaften aufweisen (vgl. IBM Global Business Services, 2008):

• hungry for change

• innovative beyond customer imagination

• globally integrated

• disruptive by nature

• genuine, not just generous

Die letzte Studie dieser Reihe, aus dem Jahr 2010, unterstreicht noch einmal dieWichtigkeit der Geschäftsmodellinnovation. Führungskräfte sehen sich mit einer „völ-lig anderen Welt“ konfrontiert, auf die sie laut eigenen Angaben nicht ausreichendvorbereitet sind. Dieser müsse vor allem mit innovativen Änderungen des Geschäfts-modells begegnet werden. Die Architektur der Leistungserstellung muss sich dabei anden geänderten Kundenwünschen und Konsumgewohnheiten orientieren. Als wich-tigste Eigenschaft von Führungskräften wird Kreativität genannt (60%), noch vorIntegrität (52%) und globalem Denken (35%). Als Fazit werden drei Empfehlungenausgesprochen (vgl. IBM Global Business Services, 2010):

• Förderung der Kreativität in jeder Art und Weise, insbesondere auch der Krea-tivität der Mitarbeiter

• Chancen von Geschäftsmodellinnovation nutzen, insbesondere radikale und dis-ruptive Innovationen

• Änderung traditioneller Führungsstile, insbesondere das Ersetzen hierarchischerdurch innovative Kommunikation

Vergleicht man die Ergebnisse dieser Studien miteinander so zeichnet sich eine Ver-schiebung der Schwerpunkte ab. Wandel wird nicht mehr als Ausnahme begriffen,sondern ist ein dauerhafter Zustand geworden.

Ich zeige in diesem Buch, dass stetes Wachstum, gerade in etablierten Unterneh-men, zunehmend nicht mehr allein durch kontinuierliche Produktverbesserung und

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-innovation erzielt werden kann. Vielmehr sind es radikal neue Geschäftsmodelle diedurch disruptive Innovationen zu neuem Wachstum führen. Gerade die digitale Öko-nomie bietet hier den idealen Kontext und die Voraussetzungen, um neuartige Ge-schäftsmodelle etablieren zu können.

In Kapitel 2 werden die Begriffe Geschäftsmodell und Innovation näher beleuchtetund definiert und die Grundlagen für alle weiteren Betrachtungen gelegt. Ausgehendvon grobgranularen Beschreibungen arbeitet dieses Kapitel die neun wesentlichen Ele-mente eines Geschäftsmodells nachOsterwalder u. Pigneur heraus und erläutertsie. Anschließend definiere ich den Begriff der Innovation vor dem Hintergrund vonGeschäftsmodellen und stelle die drei wichtigsten Innovationsarten nach Stählervor.

Kapitel 3 beschäftigt sich mit der Frage, in welcher Beziehung Geschäftsmodelleund Geschäftsmodellinnovation zum strategischen Management stehen. Aus der Ge-genüberstellung der Sichten des strategischen Managements und der Elemente einesGeschäftsmodells arbeite ich Unterschiede und Gemeinsamkeiten heraus. Ich zeigeauf, dass Geschäftsmodelle das strategische Management erweitern und als Werkzeugund Analyseeinheit genutzt werden können.

In Kapitel 4 stelle ich fest, dass nahezu jedes Unternehmen im Lauf seiner Geschichtemindestens einmal vor dem Problem des fehlenden Wachstums steht. Stetiges Wachs-tum ist ein langfristig nicht zu erreichendes Ziel, solange der Fokus lediglich auf demKerngeschäft und der kontinuierlichen Produktinnovation liegt, und die Chancen derGeschäftsmodellinnovation nicht genutzt werden. Insbesondere grenze ich die erhal-tende Innovation von der disruptiven Innovation ab und lege dar, dass nur letzteredie Chance für hohes Wachstum bietet.

Kapitel 5 beleuchtet die Möglichkeiten für Geschäftsmodellinnovation, die sich an-hand der Veränderungen durch die digitale Ökonomie ergeben. Ich führe aus, dass diedigitale Ökonomie Geschäftsmodellinnovation nicht nur ermöglicht sondern sie in vie-len Bereichen sogar zwingend notwendig macht. Dies belege ich anhand ausgewählterBeispiele aus den letzten Jahren.

Wieso Geschäftsmodellinnovationen gerade in etablierten Unternehmen so schwer um-zusetzen sind, ist Thema von Kapitel 6. Ich lege die Voraussetzungen dar, die not-wendig sind um Geschäftsmodellinnovation zu einem dauerhaften und wiederholbarenProzess zu machen und damit die von Raynor u. Christensen genannte „Disrup-tive Growth Engine“ in die Realität zu überführen. Außerdem erläutere ich einige

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neuere Innovationstechniken, die bei der Erkennung und Ausarbeitung von Chancenhilfreich sind.

Kapitel 7 fasst die Erkenntnisse des Buches zusammen.

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2 Geschäftsmodell undGeschäftsmodellinnovation

2.1 Geschäftsmodell

Wohl kaum ein anderer Begriff wird in der Wirtschaft so häufig verwendet und istdoch so unbestimmt wie der Begriff „Geschäftsmodell“. Ursprünglich stammt er ausder Wirtschaftsinformatik und dient dort dazu, Prozesse und Informationsströme ineinem Unternehmen modellhaft darzustellen (vgl. Stähler, 2002, S. 40). Populär wurdeer vor allem in der Mitte der 1990er-Jahre mit dem Aufkommen der New Economy1,in der vor allem „internetbasierte Geschäftsmodelle“ gesucht und gefragt waren. Ge-schäftsmodelle wurden in erster Linie dazu verwendet, potentielle Investoren für eineneue Geschäftsidee zu gewinnen. Obwohl die präsentierten Modelle oft über Investiti-onssummen in Millionenhöhe entschieden, wurde der Begriff nie einheitlich definiert.Durch den Zusammenbruch der New Economy und den damit verbundenen Insolven-zen und Investitionsverlusten rückte er in ein negatives Licht (vgl. Magretta, 2002, S.3). Für Porter gehört er sogar zum „destruktiven Vokabular des Internet“ (vgl. Por-ter, 2001, S. 62-78). Diese Ansicht ist meiner Meinung nach falsch und verkennt dieBedeutung von Geschäftsmodellen gerade vor dem Hintergrund der digitalen Öko-nomie völlig. Porter argumentiert zwar durchaus richtig, dass ein Geschäftsmodellalleine noch keine ausreichende Grundlage zur Beurteilung eines Unternehmens dar-stellt, und dass Geschäftsmodelle immer im Kontext der jeweiligen Industrie gesehenwerden müssen, in der sie umgesetzt werden. Fehlerhaft ist hingegen seine Ansicht,das Internet sei lediglich ein strategisches Komplement und weiteres Werkzeug, dasUnternehmen für sich nutzen können. Durch den Wandel, den die digitale Ökonomiesowohl auf technischer, wirtschaftlicher und auch gesellschaftlicher Ebene schafft, istvielmehr eine neue Betrachtungsweise und Kategorisierung von Industriezweigen und

1Der Begriff New Economy bezeichnet im deutschen Sprachgebrauch gemeinhin die hohe Zahlan Neugründungen internetbasierter Unternehmen gegen Ende der 1990er-Jahre und den damitverbundenen Aufstieg und Fall des Neuen Marktes (dot-com Blase).

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Geschäftsfeldern notwendig. Der Artikel von Porter wurde demzufolge auch kritischaufgenommen: Tapscott etwa gezeichnet in seinem Artikel „Rethinking Strategy ina Networked World (or Why Michael Porter is Wrong about the Internet)“ aus demJahr 2001 die Ansichten von Porter als zu einfach und „fundamentalistisch“ (sieheTapscott, 2001).

Etwa bis Mitte der 1990er-Jahre konnten Analysten noch relativ einfach vom In-dustriezweig eines Unternehmens auf das zugrundeliegende Geschäftsmodell schlie-ßen. Einfach ausgedrückt stellte die Automobilindustrie Fahrzeuge her, die über einHändlernetzwerk vertrieben wurden. Fernsehsender produzierten oder kauften Inhal-te, die an ein interessiertes Publikum ausgestrahlt wurden. Umsätze wurden überRundfunkgebühren und Werbung generiert. Der Begriff des Geschäftsmodells spieltesomit über lange Zeit keine oder nur eine untergeordnete Rolle. Mittlerweile ist diesjedoch nicht mehr so einfach. Amazon hat sein Geschäftsmodell in den letzten Jah-ren durch immer neue Bereiche stetig erweitert, und strebt nun mit Macht auch indas Verlagswesen (siehe Kapitel 6.6). Kann man Amazon noch guten Gewissens alsOnline-Buchhändler bezeichnen? Ist YouTube nur eine Plattform, auf der man kurzeFilmchen zum Zeitvertreib betrachten kann, oder stellt der Dienst nicht mittlerweileeine direkte Konkurrenz zur etablierten TV- und Filmindustrie dar? In welchem derklassischen Industriezweige sind soziale Netze wie facebook tätig?

Geschäftsmodelle stellen hier ein mächtiges Werkzeug zur Analyse bestehender oderneu zu gründender Unternehmen dar. Gerade weil sie den Blick stark auf die wesent-lichen Elemente der Geschäftstätigkeit lenken, und zwar unabhängig vom jeweiligenIndustriezweig, können mit ihnen neuartige und innovative Geschäftsfelder erkannt,modelliert und umgesetzt werden. Das strategische Management wird dadurch nichtobsolet, sondern komplettiert und an die Gegebenheiten der digitalen Ökonomie an-gepasst.

Um zu verstehen in welchen Bereichen die Anwendung von Geschäftsmodellen sinnvollist, müssen wir zunächst den Begriff genauer definieren.

2.1.1 Definition

Es existiert in der Literatur eine Vielzahl unterschiedlicher Definitionen des Begriffs„Geschäftsmodell“. In einer Untersuchung über die Jahre 1998 bis 2002 fanden Sha-fer et al. zwölf unterschiedliche Definitionen, die insgesamt zweiundvierzig ver-schiedene Komponenten beinhalteten (vgl. Shafer et al., 2005, S. 200f). Keine der

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Definitionen ist jedoch allgemein akzeptiert. Dies liegt laut Shafer et al. im We-sentlichen daran, dass diese Definitionen ganz unterschiedliche Perspektiven auf denBegriff Geschäftsmodell darstellen (Technologie, Wirtschaft, Strategie etc.) und dahernicht direkt vergleichbar sind (vgl. Shafer et al., 2005, S. 200).

Laut Magretta beschreibt ein Geschäftsmodell im Wesentlichen, „wie ein Unter-nehmen funktioniert“. Es beantwortet folgende Fragen (vgl. Magretta, 2002, S. 3):

• Wer ist der Kunde und welchen Wert kann das Unternehmen für ihn schaffen?

• Wie kann mit dem Produkt oder der Dienstleistung Geld verdient werden?

• Auf welchen ökonomischen Grundlagen baut das Unternehmen auf?

Diese Definition geht also vom Kunden als zentralem Element aus, und lehnt sichdabei an die bereits von Drucker formulierte These an, dass es für die Definitiondes Unternehmenszwecks nur einen einzigen Ausgangspunkt gibt, nämlich den Kun-den (vgl. Drucker, 2010, S. 42). Das Ziel eines Unternehmens besteht für Druckerdarin Kunden zu schaffen und diesen einen Mehrwert zu bieten. Erst danach stellensich Fragen nach Umsatz- und Kostenstrukturen. Im Wesentlichen geht es also beiGeschäftsmodellen um die Beantwortung der Frage: „Welches ist unsere Tätigkeit?“(vgl. Drucker, 2010, S. 41).

Diese Definition ist jedoch zu vage ummit den Begriff Geschäftsmodell weiter arbeitenzu können. Timmers geht hier einen Schritt weiter und konkretisiert ein Geschäfts-modell folgendermaßen:

„An architecture for the product, service and information flows, includinga description of the various business actors and their roles; and a des-cription of the potential benefits for the various business actors; and adescription of the sources of revenue“ (Timmers, 1998, S. 4)

In seiner Definition sind bereits die unterschiedlichen Elemente eines Geschäftsmo-dells zu erkennen, die gesondert betrachtet werden müssen. Insbesondere sind diesdie Produkte, Dienstleistungen und Informationen, die ein Unternehmen bereitstellt.Weiterhin der Nutzen, der damit für die unterschiedlichen Teilnehmer geschaffen wer-den kann. Und schließlich die Frage nach den Umsatzquellen. Dennoch ist auch dieseDefinition noch nicht dazu geeignet, Geschäftsmodelle systematisch analysieren undbeschreiben zu können. Hierzu ist eine konkrete Benennung der einzelnen Elemente ei-nes Geschäftsmodells notwendig, und eine Beschreibung der Abhängigkeiten zwischendiesen. Ausgehend von dieser Fragestellung haben sich unterschiedliche Rahmenwerke

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