Systemische Ganzkörperhyperthermie in der Onkologie ... · Hydrocolon-Therapie mittags und abends...

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Prinzipiell können drei Gruppen der systemischen Ganz- körperhyperthermie unterschieden werden: moderate SGHT bis etwa 40 °C intermediäre SGHT zwischen 40 °C und 41,5 °C extreme SGHT zwischen 41,6 °C und 42 °C. Während das erste Verfahren überwiegend zur Stimulie- rung des Immunsystems angewandt wird, verursachen die intermediäre und extreme SGHT in Verbindung mit einer Chemotherapie die direkte Schädigung des Tumors. Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich ausschließ- lich auf die extreme SGHT. Methodisches Prinzip Durch die Erwärmung der Körperperipherie und damit des Blutes der oberflächlichen Gefäße wird die Wärme durch den Blutkreislauf ins Körperinnere, den Körperkern, transportiert und zum Wärmeausgleich an das umliegende Gewebe wie- der abgegeben, dadurch wird Fieber erzeugt. Die ersten Veröffentlichungen, die sich aus pflegerischer Sicht mit diesem Thema beschäftigen, gehen auf das Jahr 1937 zu- rück (Lehmann 1937). Nach unzähligen Versuchen, die pas- sive Temperaturerhöhung mittels Überwärmungsbädern, Mi- krowellen oder heißen Wachsbädern zu erzielen, wird in der Gegenwart vorwiegend Infrarotstrahlung genutzt. Bekannteste Vertreter im europäischen Raum sind Martin Heckel mit dem Gerät „Heckel HT 2000“ und Manfred von Ardenne mit „Ira- therm 2000“. Kern des Gerätes „Heckel HT 2000“ sind vier Rohrstrahler, die kurzwelliges Infrarot-Licht aussenden. Eine Total-Refle- xionsstreuung der Strahlung durch innenverspiegelte, alumi- niumbeschichtete Folienwände führt zu einer gleichmäßigen oberflächlichen Bestrahlung. Die Folie und die in der Kabine stehende heiße Luft hindern den Körper daran, die Wärme wieder abzugeben. Die Temperatur steigt in circa 150 Minu- ten auf etwa 41,8 °C an und kann ohne weitere Wärmezufuhr über 90 Minuten auf diesem Niveau gehalten werden. Biologische Grundlagen Zellen mit niedrigem ph-Wert und geringer O 2 -Sätti- gung, wie zum Beispiel die Tumorzelle, reagieren sensi- bler auf erhöhte Temperaturen (Dziambor/Hager 1998). Die Schädigung der Krebszelle ist zurückzuführen auf die erhöhte Stoffwechsellage und die starren Wände der Tumorgefäße. Während eine Temperaturerhöhung im gesunden Gewebe die Gefäße erweitert, wodurch die Wärme schneller abgegeben wird, ist dieser Me- chanismus im Tumorgewebe nur sehr eingeschränkt möglich, weil sich die dortigen Gefäße kaum dilatieren. Eine anfängliche Zunahme der Perfusion im Tumor um etwa 50 Prozent führt bei andauernder und zunehmen- der Hitze durch die fehlende Vasodilatation zu einem verminderten Abtransport des Blutes und damit zum Wärmestau. Entstehende Mikrothromben und Endothel- schwellungen verstärken diesen Prozess, der aerobe 15 Pflegepraxis Pflegezeitschrift 1/2003 Todesfälle bei Krebs sind häufig auf Metastasen der Primärtumore zurückzuführen. Dies zeigt, wie notwendig eine systemische Be- handlung ist. Umfangreiche Studien der letzten 20 Jahren ergaben, dass länger anhaltende Körpertemperaturen zwischen 41,5 °C und 42 °C verschiedene Prozesse aktivieren, die zur Zerstörung von Krebszellen führen (Apoptose) und die Wirksamkeit einiger Zyto- statika um ein Mehrfaches verstärken. Daher ist die systemische Ganzkörperhyperthermie (SGHT) besonders zur Therapie von Krebserkrankungen mit multipler Metastasierung geeignet, sie wird aber auch zunehmend zur Metastasenprophylaxe und Zerstörung von Mikrometastasen eingesetzt. In diesem Beitrag wird ein Über- blick über die Wirkungsweise und Durchführung der Ganzkörper- hyperthermie (SGHT) gegeben. Schlüsselwörter: Ganzkörperhyperthermie, Krebs, Chemotherapie Zusammenfassung Systemische Ganzkörperhyperthermie in der Onkologie: Tödliche Hitze für Tumorzellen Jana Gaworek und Cvetka Theresa Mayer Die heilende Wirkung des Fiebers bei verschiede- nen Erkrankungen ist schon seit der Antike bekannt. Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erlebt die Fieberbehandlung vor allem in der Onkologie eine Renaissance und hält in immer größerem Um- fang Einzug in onkologische Therapiekonzepte. Ein Gerät zur systemischen Ganzkörperhyperthermie (SGHT): Aufgrund biologischer Besonderheiten reagiert Tumorgewebe empfindlicher auf Hitze als andere Körperzellen.

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Prinzipiell können drei Gruppen der systemischen Ganz-körperhyperthermie unterschieden werden:◆ moderate SGHT bis etwa 40 °C◆ intermediäre SGHT zwischen 40 °C und 41,5 °C◆ extreme SGHT zwischen 41,6 °C und 42 °C.Während das erste Verfahren überwiegend zur Stimulie-rung des Immunsystems angewandt wird, verursachendie intermediäre und extreme SGHT in Verbindung miteiner Chemotherapie die direkte Schädigung des Tumors.Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich ausschließ-lich auf die extreme SGHT.

Methodisches PrinzipDurch die Erwärmung der Körperperipherie und damit desBlutes der oberflächlichen Gefäße wird die Wärme durch denBlutkreislauf ins Körperinnere, den Körperkern, transportiertund zum Wärmeausgleich an das umliegende Gewebe wie-der abgegeben, dadurch wird Fieber erzeugt.Die ersten Veröffentlichungen, die sich aus pflegerischer Sichtmit diesem Thema beschäftigen, gehen auf das Jahr 1937 zu-rück (Lehmann 1937). Nach unzähligen Versuchen, die pas-sive Temperaturerhöhung mittels Überwärmungsbädern, Mi-

krowellen oder heißen Wachsbädern zu erzielen, wird in derGegenwart vorwiegend Infrarotstrahlung genutzt. BekanntesteVertreter im europäischen Raum sind Martin Heckel mit demGerät „Heckel HT 2000“ und Manfred von Ardenne mit „Ira-therm 2000“.Kern des Gerätes „Heckel HT 2000“ sind vier Rohrstrahler,die kurzwelliges Infrarot-Licht aussenden. Eine Total-Refle-xionsstreuung der Strahlung durch innenverspiegelte, alumi-niumbeschichtete Folienwände führt zu einer gleichmäßigenoberflächlichen Bestrahlung. Die Folie und die in der Kabinestehende heiße Luft hindern den Körper daran, die Wärmewieder abzugeben. Die Temperatur steigt in circa 150 Minu-ten auf etwa 41,8 °C an und kann ohne weitere Wärmezufuhrüber 90 Minuten auf diesem Niveau gehalten werden.

Biologische GrundlagenZellen mit niedrigem ph-Wert und geringer O2-Sätti-gung, wie zum Beispiel die Tumorzelle, reagieren sensi-bler auf erhöhte Temperaturen (Dziambor/Hager 1998).Die Schädigung der Krebszelle ist zurückzuführen aufdie erhöhte Stoffwechsellage und die starren Wändeder Tumorgefäße. Während eine Temperaturerhöhungim gesunden Gewebe die Gefäße erweitert, wodurchdie Wärme schneller abgegeben wird, ist dieser Me-chanismus im Tumorgewebe nur sehr eingeschränktmöglich, weil sich die dortigen Gefäße kaum dilatieren.Eine anfängliche Zunahme der Perfusion im Tumor umetwa 50 Prozent führt bei andauernder und zunehmen-der Hitze durch die fehlende Vasodilatation zu einemverminderten Abtransport des Blutes und damit zumWärmestau. Entstehende Mikrothromben und Endothel-schwellungen verstärken diesen Prozess, der aerobe

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Pflegepraxis

Pflegezeitschrift 1/2003

Todesfälle bei Krebs sind häufig auf Metastasen der Primärtumorezurückzuführen. Dies zeigt, wie notwendig eine systemische Be-handlung ist. Umfangreiche Studien der letzten 20 Jahren ergaben,dass länger anhaltende Körpertemperaturen zwischen 41,5 °C und42 °C verschiedene Prozesse aktivieren, die zur Zerstörung vonKrebszellen führen (Apoptose) und die Wirksamkeit einiger Zyto-statika um ein Mehrfaches verstärken. Daher ist die systemischeGanzkörperhyperthermie (SGHT) besonders zur Therapie vonKrebserkrankungen mit multipler Metastasierung geeignet, sie wirdaber auch zunehmend zur Metastasenprophylaxe und Zerstörungvon Mikrometastasen eingesetzt. In diesem Beitrag wird ein Über-blick über die Wirkungsweise und Durchführung der Ganzkörper-hyperthermie (SGHT) gegeben.

Schlüsselwörter: Ganzkörperhyperthermie, Krebs, Chemotherapie

Zusammenfassung

■ Systemische Ganzkörperhyperthermie in der Onkologie:

Tödliche Hitze für TumorzellenJana Gaworek und Cvetka Theresa Mayer

Die heilende Wirkung des Fiebers bei verschiede-nen Erkrankungen ist schon seit der Antike bekannt.Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erlebtdie Fieberbehandlung vor allem in der Onkologieeine Renaissance und hält in immer größerem Um-fang Einzug in onkologische Therapiekonzepte.

Ein Gerät zur systemischen Ganzkörperhyperthermie (SGHT): Aufgrundbiologischer Besonderheiten reagiert Tumorgewebe empfindlicher aufHitze als andere Körperzellen.

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Stoffwechsel bricht zusammen. Der anaerobe Stoffwechsel undder reduzierte Abtransport von Stoffwechselendprodukten füh-ren zur Laktatanreicherung und damit zum Abfall des pH-Wer-tes. Die Folge ist eine Azidose. Hitze und Übersäuerung ver-ursachen eine Denaturierung von Eiweißen und schädigenReparaturenzyme. Die Protein-, RNA- und DNA-Synthese wirdgestört und der Zelltod wird eingeleitet (Bogovic/Douwes/Douwes 1999).Werden bestimmte Zytostatika in der fortgeschrittenen Erwär-mungsphase appliziert, so verstärkt sich deren Wirkung. ZumBeispiel steigt die Wirksamkeit von Carboplatin bei Tempera-turen von etwa 42 °C um ein Sechsfaches an (Wiedemannn/

Robins et al. 1996). Ursache für die Wirkungsverstärkung istzum einen die erhöhte Membrandurchlässigkeit, die zu einerbesseren Aufnahme der Chemotherapeutika führt, zum ande-ren bewirken allein die gesteigerte Durchblutung und der er-höhte Metabolismus in der Krebszelle eine Konzentrationsstei-gerung im Tumor um das 7- bis 1000-Fache im Vergleich zumPlasma (Dziambor/Hager 1998). Es gibt jedoch auch einzelneZytostatika, bei denen die Wirkung nicht durch die Tempera-turhöhe beeinflusst wird.Einen guten Überblick über die Wirkung verschiedener Zy-tostatika unter Hitze bietet Hager (1997, S. 171). Durch dieverbesserte Wirkung der Chemotherapeutika kann die Dosiserheblich reduziert werden. Nebenwirkungen wie Knochen-markdepression, Übelkeit und Erbrechen treten seltener auf,was eine enorme Steigerung der Lebensqualität für die Betrof-fenen bedeutet.

Die SGHT in der Klinik St. GeorgIn der Klinik St. Georg werden wöchentlich bis zu 25 Ganz-körperhyperthermien durchgeführt. Die betroffenen Patientensind an den verschiedensten Arten von Karzinomen erkranktwie zum Beispiel an Colon-, Mamma-, Ovarial-, Bronchial-,

Prostata-Karzinom oder Plasmozytom. Bei den meisten vonihnen wurde eine multiple Metastasierung mit progredientemVerlauf diagnostiziert. Wünschenswert ist ein frühestmöglicherBehandlungsbeginn, da durch die systemische Erwärmungdes gesamten Körpers auch noch nicht nachweisbare Mikro-metastasen zerstört werden können.Über die Indikation zur Hyperthermiebehandlung (Kasten)entscheidet prinzipiell der Chefarzt bzw. die sogenannte Tu-morkonferenz. Nach Abschluss der Voruntersuchungen findetzwischen dem Arzt der Hyperthermieabteilung und dem Pati-enten ein Aufklärungsgespräch statt. Neben dem Behandlungs-ablauf werden auch individuelle Probleme der Betroffenen,

wie zum Beispiel Klaustrophobie oder, wie beiPatienten mit Pleuraergüssen oder Aszitesbildungnotwendig, das eventuelle Legen von Pleura- oderintraabdominellen Kathetern besprochen. DiePatienten erhalten einen Ablaufbogen, der vomPflegepersonal entworfen wurde, um den Betrof-fenen die Möglichkeit zu geben, sich in Ruhe überalle relevanten Dinge zu informieren. Denn er-fahrungsgemäß ist die Informationsflut so groß,dass viele Details überhört oder vergessen wer-den. Ziel ist, dass der Patient mit größtmöglicherSicherheit die Behandlung beginnt.

VorbereitungDie Ganzkörperhyperthermie ist eine intensivme-dizinische Behandlung. Pro Patient ist eine Pflege-kraft zuständig. Die Therapie dauert mit Vor- undNachbereitung etwa sieben Stunden.Für ein gutes Gelingen der Therapie ist neben derexakten Voruntersuchung eine vertrauensvolleBeziehung zwischen Patient und Pflegekraft not-wendig. So haben ruhiges und sicheres Auftreten,eine entspannte Atmosphäre und genügend Zeitfür offene Fragen äußerste Priorität und verringernNervosität und Angst. Die Messung der Kerntemperatur erfolgt rektal undvesikal mittels Temperatursonde. Blutbild- undElektrolytbestimmungen am Anfang und Ende der

Behandlung sowie während der Anstiegs- und derHochfieberphase geben Aufschluss über notwendige Sub-stituierungen. Das Monitoring von Blutdruck, Puls, EKG undSauerstoffsättigung gehört zu den Routinemaßnahmen.Bei der Sedierung der Patienten ist die „total intravenöse Anal-gesie“ (TIVA) das am meisten favorisierte Narkoseverfahren.Der Patient ist so sediert, dass er tief schläft, aber trotzdemnoch spontan atmet. Verwendet wird hierzu eine Kombina-tion aus Propofol und Fentanyl. Zur Einleitung hat sich dieeinmalige Bolusinjektion von Dormicum® bewährt.Im Interesse des Patienten werden alle Interventionen, bei de-nen dies möglich ist, auf die Zeit nach dem Narkosebeginnverschoben. Dazu gehören zum Beispiel das obligate Legen ei-nes Blasendauerkatheters, die subkutane Injektion von Fragmin®

zur Thromboseprophylaxe und das Legen eines venösen Zu-gangs, wenn ein Portsystem zur Narkoseeinleitung vorhandenist, sowie die bereits erwähnten eventuellen Punktionen vonPleuraerguss oder Aszites. Danach wird der Patient mit dreigroßen Frotteetüchern zugedeckt, die Kabine wird geschlossen.

DurchführungZur Flüssigkeitssubstitution wird Sterofundin® verwendet. Biszum Erreichen der Zieltemperatur wird 20-prozentige Glu-koselösung zur Erhöhung des Blutzuckerspiegels auf etwa

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Pflegepraxis

Pflegezeitschrift 1/2003

Kontraindikationen: ◆ ausgeprägte Knochenmarkdepression,

Thrombozyten (PLT) unter 90.000, Leukozyten (WBC) unter 2000

◆ ausgeprägte kardiale/pulmonale Insuffizienz > 2. Grades

◆ Thrombosen, Marcumarisierung◆ Epilepsie, zerebrale Mangeldurch-

blutung◆ drohendes Hirnödem, symptoma-

tische Hirnmetastasen◆ tumorbedingte Einengung des Spinal-

kanals◆ schwere Lymphödeme ◆ Niereninsuffizienz◆ Gravidität◆ akute Infektionen, Körpertemperatur

> 38,5 °C (außer Tumorfieber)◆ stark reduzierter Allgemeinzustand

(< 60 % Karnowski-Index)◆ progrediente destruktive Erkrankun-

gen, zum Beispiel Leberzirrhose◆ nicht medikamentös eingestellte

Hyperthyreose ◆ akute psychiatrische Erkrankungen

Voruntersuchungen:◆ Blutbild nicht älter als 24 Stunden◆ Gerinnungs-, Nieren-, Leber- und

Elektrolytparameter◆ Lungenfunktionstest◆ Herzechographie◆ Abdomensonographie◆ EKG, bei Bedarf Belastungs-EKG◆ Vergleichsbilder von bildgebenden

Untersuchungen (CT, Röntgen und andere)

◆ Urinstatus

Maßnahmen am Vortag ◆ Vorbereitungs- und Aufklärungs-

gespräch◆ Festlegung der Chemotherapie◆ Hydrocolon-Therapie◆ mittags und abends Suppe, Wasser

bis 6 Uhr morgens, danach nüch-tern

Kasten 1

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400 mg/dl ± 50 mg/dl appliziert. Damit wird zum einen aufden erhöhten Energiebedarf des Körpers während der Behand-lung reagiert, zum anderen sollen durch die Hyperglykämieeine höchstmögliche Stoffwechselaktivität im Tumor und eineLaktatsteigerung erreicht werden. Der Verbrauch von etwa1000 ml 20-prozentiger Glukose während der gesamten Hy-perthermie zeigt die enorme Belastung des Körpers. Insgesamtsteht der Einfuhr von etwa 5000 ml Flüssigkeit eine Urinaus-fuhr von etwa 2000 bis 3000 ml gegenüber. Das Defizit erklärtsich zum einen durch das starke Schwitzen unter der Therapieund der hitzebedingten interstitiellen Ödembildung, zum an-deren durch die relative Exsikkose vom Vortag, da erfahrungs-gemäß bei Nahrungskarenz auch die Flüssigkeitsaufnahmereduziert wird. Die Überwachung der Patienten erfordert viel Erfahrung und ei-ne ausgeprägte Beobachtungsgabe. Neben den Kreislaufpara-metern stehen die Temperaturentwicklung und die individuelleSedierung im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Nach anfängli-cher Stagnation erhöht sich die Temperatur um 1,2 bis 1,5 °Cpro 30 Minuten. Jedes Öffnen der Kabine bewirkt einen Luft-austausch in der Wärmekammer und somit eine Verzögerungdes Anstieges. Daher ist konzentriertes und strukturiertes Arbei-ten erforderlich, denn jede Zeitverzögerung bedeutet für denPatienten zusätzlichen Stress und zusätzliche Medikation.Bei 41 °C können die Lampen ausgeschaltet werden, die Kör-pertemperatur steigt dann trotzdem noch um etwa 1 °C an.Die genauen Ursachen für die weitere Erhöhung sind nochnicht bis ins Detail geklärt. Heckel (1990, S. 23) nennt alsGründe hierfür unter anderem die Freigabe von Wärme durchden erhöhten Stoffwechsel sowie die Auslösung fieberähnli-cher Mechanismen.Die Körpertemperatur des Patienten muss 90 Minuten bei et-wa 41,8 °C gehalten werden. Hierfür muss die Umgebunggegebenenfalls angepasst werden: durch Öffnen der Kabineoder notfalls Aufdecken des ganzen Körpers oder, bei einernotwendigen Temperaturerhöhung, durch Zuschaltung vonzwei bis vier Lampen. Bei jeder Intervention sind jedoch et-wa fünf Minuten Zeitverzögerung bis zurWirkung der Maßnahme am Körperkernzu berücksichtigen. Dies erfordert eineexakte kontinuierliche Überwachung derPatienten und viel Erfahrung auf diesemGebiet. Temperaturen über 42 °C solltenwegen der Gefahr eines Hirnödems ver-mieden werden. Zur Prophylaxe einesHirnödems kann auch der Kopf des Pati-enten außerhalb der Kabine gelagert wer-den, ebenso können prophylaktisch dieCarotiden gekühlt und/oder hochdosiertCortison verabreicht werden.Das Chemotherapeutikum wird bei etwa40,5 °C verabreicht, so dass es in der 90-minütigen Hochfieberphase mit beginnen-der Thrombosierung der tumoreigenenGefäße bereits im Tumor selbst wirkenkann. Die Zytostatika werden in der Re-gel über einen Portkatheter oder anderevenöse Zugänge appliziert. Bei Pleuraergüssen oder Aszi-tes besteht zusätzlich die Möglichkeit, die Flüssigkeit ab-zupunktieren und die Chemotherapeutika direkt zu appli-zieren.Nach 90 Minuten wird die Kabine geöffnet und durch Abküh-lung der Haut senkt sich bald die Körpertemperatur. Im letz-ten Drittel der Abkühlphase erwacht der Patient meist aus der

Narkose. Bis zum vollständigen Erwachen wird er weiterhinin der SGHT-Abteilung betreut, ehe er am Nachmittag in dieStation zurückverlegt wird. Probleme in dieser Phase könneneventuell Übelkeit mit Erbrechen oder Hypotonie als Folgeder Sedierung sein, die in der Regel gut beherrschbar sind.Der Dauerkatheter wird je nach Mobilität am Abend oder amnächsten Morgen entfernt. Während der folgenden Tage wer-den Blutbild und Elektrolyte sowie Nierenparameter engma-schig kontrolliert.

Vorbeugung von HautläsionenEinen besonderen Stellenwert nimmt die Lagerung der Pati-enten ein, da infolge der veränderten Stoffwechsellage dieGefahr besteht, dass sich während der Hyperthermie Haut-läsionen unterschiedlichen Ausmaßes entwickeln.Als Grund für das gehäufte Auftreten von Hautläsionen wirdein Hitzestau in der Subkutis angenommen, es können sichBlasen oder gar Nekrosen bilden. Ursache ist meist eine ge-nerelle Minderdurchblutung, wie sie zum Beispiel im Fett-gewebe bei adipösen Patienten oder im Bereich des Becken-kamms bei kachektischen Menschen sowie im Narbengewebebesteht. Hier genügt oftmals ein zusätzliches Zudecken, umdie gefährdeten Körperpartien der extremen Hitzeeinwirkungzu entziehen, die die Temperatur der Hautoberfläche auf 43 °Cansteigen lassen kann (Abb.). An anderen Stellen ist Druck fürdie Minderdurchblutung verantwortlich, wobei davon aus-gegangen wird, dass zusätzliche weitere Faktoren das Risikofür Hautläsionen erhöhen. Hierzu gehören der erhöhte Ener-gie- und Sauerstoffbedarf der Zellen, die Vasodilatation mitnachfolgender Verminderung des Blutflusses, die Entstehungvon interstitiellen Ödemen, der ohnehin reduzierte Allgemein-zustand, eine periphere arterielle Verschlusskrankheit undVarizen. So wurden an bestimmten Stellen mit Druckeinwir-kung gehäuft Blasenbildungen festgestellt. Dazu gehören derAuflagepunkt am Hinterkopf, die Fersen, die Fingerkuppen,an denen der Sensor des Pulsoximeters befestigt ist, sowie dieKuppen der längsten Zehe.

Therapie der Wahl ist folglich konsequentes Entlasten des be-anspruchten Gewebes. Bis zum Ende der Hochfieberphase istkein Lagewechsel möglich. Kachektische Patienten werdendaher generell in der Region des Steißbeins hohl gelagert. DasHinterhaupt kann durch stündliches Drehen des Kopfes ent-lastet werden, ebenso schützen das stündliche Wechseln derFingerkuppe, an welcher der Sensor des Pulsoximeters ange-

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Abb.: Temperaturverlauf an verschiedenen Messpunkten

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bracht wird, sowie die Hochlagerung derFersen vor Hautläsionen. Im KlinikumSt. Georg werden die Zehen der Pati-enten so mit einer Zellstoffkompresse(Zetuvit®) eingebunden, dass zwischenZehenkuppe und Kompresse eine Luft-schicht besteht, die verhindert, dass dieAbdeckung einen unmittelbaren Auf-lagedruck bewirkt. Zur Zeit evaluiert das Pflegepersonal,wie sich die Häufigkeit von Hautläsio-nen durch diese Maßnahmen veränderthat. Die ersten Ergebnisse sind erfolgver-sprechend. Leider gibt es bislang keineaktuellen Veröffentlichungen, in denendieses Phänomen aus pflegerischer Sichtbehandelt wird. In der Regel beschrän-ken sich Studien zur SGHT auf die Wirk-samkeit der Behandlung.

Hygiene Die Arbeit in der Hyperthermieabteilungerfordert den hochsterilen Umgang mitWunden, da die Wärme und die durchTranspiration entstehende Luftfeuchtig-keit einen optimalen Nährboden für dieVermehrung von Bakterien bieten.Vor Beginn und am Ende der Behand-lung werden alle Wunden und Punk-tionsstellen sorgfältig auf Infektionszei-chen hin inspiziert und gegebenenfallsbestehende Auffälligkeiten dokumentiert.Ein Erfassungsbogen wird dazu mit aufdie nachbetreuenden Stationen geleitetund danach in der SGHT-Abteilung ar-chiviert. Aufgrund der starken Schweiß-bildung werden nach Therapieende alleVerbände erneuert. Mit einem erhöhten

Infektionsrisiko sind auch das Legen destransurethralen Dauerkatheters sowie dieendotracheale Absaugung verbunden.

Risiken und NebenwirkungenBei sorgfältiger Planung und Durchfüh-rung der Hyperthermie lassen sich dieNebenwirkungen auf ein Minimum re-duzieren. Eine Sinustachykardie ent-spricht einer natürlichen physiologischenAnpassung an die Hyperthermiebedin-gungen und sollte erst bei einer Herz-frequenz von 130 bis 140 Schlägen proMinute behandelt werden.Die Gefäßweitstellungen in der Erwär-mungsphase führen oft zu einer Hypo-tonie, der aber mit einer erhöhten Flüs-

sigkeitssubstitution begegnet werdenkann. Vor allem der diastolische Wertist meist während der gesamten Therapieinfolge des verminderten peripherenGefäßwiderstandes erniedrigt, was sichaber meist in der Abkühlungsphase wie-der normalisiert. Zerebrale Krämpfe sind sehr selten undwerden mit intravenöser Diazepamgabebehandelt. Übelkeit und Erbrechen alsFolge der Chemotherapie an den darauffolgenden Tagen gehören zu den häufigs-ten Beschwerden und werden mit ge-eigneten Antiemetika therapiert. Wenigbeeinflussbar ist der Ausbruch einer Her-pesinfektion im Mund- und Nasenraummeist am dritten Tag. Hautläsionen kön-nen wie oben beschrieben auftreten. All-gemeine Schwäche und Müdigkeit hal-ten etwa drei bis sieben Tage an.Ein Brennen beim Wasserlassen inner-halb der ersten 36 Stunden nach derTherapie ist normal, bei länger anhal-tenden Beschwerden sind Urinkontrol-len erforderlich. Zur Vermeidung einerInfektion sind weitere Wundkontrollenobligat. Erneut auftretende Temperaturenbis 39 °C an den folgenden Tagen sindmöglich und wünschenswert, da sie alsimmunologische Antwort zu werten sind,und sollten somit nicht medikamentösbehandelt werden.

Fazit und AusblickDie Ganzkörperhyperthermie stellt einsinnvolles Verfahren dar, um die Wirk-samkeit von Zytostatika zu erhöhen undgleichzeitig ausgeprägte Nebenwirkun-gen wie Mundschleimhautentzündung,Hämato- und Neurotoxizität zu verrin-gern. Sie grenzt sich deutlich von dersogenannten Alternativmedizin ab. Ein-heitliche Qualitätsrichtlinien müssensowohl auf der medizinischen wie auchauf der pflegerischen Seite noch erar-beitet werden, um Ergebnisse effektivermiteinander vergleichen zu können. An-sätze dafür sind bei der Internationalenund bei der Europäischen Gesellschaftfür Hyperthermie (http://www.hypert-hermia-ichs.org und http://www.esmo.org) zu finden.

Jana Gaworek, Klinik St. Georg, Bad Aib-ling, Onkologische Fachklinik, Rosenhei-mer Straße 6–8, 83043 Bad Aibling, E-Mail:[email protected]

Die Literaturliste zu diesem Beitrag kannin der Redaktion unter der Telefonnum-mmer (07 11) 78 63-74 72 angefordertoder unter www.pflegezeitschrift.de he-runtergeladen werden. ◆

Statistische Angaben über die Durchführung von systemischen Ganzkörperhyperthermien ander Klinik St. Georg in Bad Aibling vom 01.01.2001 bis 31.10.2002

Anzahl der Behandlungen 2001 bis 31.10. 2002

n % n %

Mamma-Karzinom 237 29,4 293 37,8

Kolon-/Rektum-Karzinom 114 14,1 123 15,9

Ovarial-Karzinom 100 12,4 107 13,8

Prostata-Karzinom 72 8,9 65 8,4

Osteo- und Weichteil-Sarkome 43 5,3 12 1,5

Bronchial-Karzinom 34 4,2 56 7,2

Karzinom mit unbekanntem Primärtumor 22 2,7 16 2,1

andere 183 23 103 13,3

Anzahl der Gesamtbehandlungen 805 775

männlich 315 264

weiblich 490 511

davon Mamma-Ca 48,4 % 57,3 %

Tabelle

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Pflegepraxis

Pflegezeitschrift 1/2003

Jana Gaworek istKrankenschwester. Seit zwei Jahren arbeitetsie als stellvertretende Stationsleitung in derAbteilung für systemischeGanzkörperhyperthermie(SGHT) der Klinik St. Georgin Bad Aibling. Parallel dazustudiert sie seit 2001 Pflege

an der Fach-hochschulein Jena.

Cvetka Theresa Mayer istKrankenschwester und ar-beitet seit elf Jahren in derKlinik St. Georg. Sie war

am Aufbau der SGHT-Abteilung beteiligtund ist dort Stationsleitung.

Zu den Autoren