Tagesseminar Recht 30. Januar 2011 im Bergheim Mühlenrahmede.

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Tagesseminar „Recht“ 30. Januar 2011 im Bergheim Mühlenrahmede

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Tagesseminar „Recht“

30. Januar 2011

im Bergheim Mühlenrahmede

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Tagesseminar „Recht“

Tagesablauf:

1. Einheit: Vorstellung, Erwartungen, Erfahrungen und (kurze) Einführung

2. Einheit: Übernahme der Aufsichtspflicht: zivilrechtliche und strafrechtliche Implikationen, Jugendrecht

3. Einheit: Umfang der Aufsichtspflicht nach der einschlägigen Rechtsprechung

4. Einheit: Workshop – „Richter für einen Tag!“ 5. Einheit: Auswege im Schadensfall 6. Einheit: Feedback – Fragen und Anregungen

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VorstellungWarum seid ihr heute hier?

Erwartungen?

Erfahrungen?

Fragen?

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Ziele des heutigen Seminars Worauf es ankommt:

„Wer seinen gesunden Menschenverstand benutzt, vorausschauend und mit Überlegung an seine Tätigkeit geht und die pädagogischen wie rechtlichen Grenzen kennt, der wird kaum in brenzlige Situationen kommen. Hierbei zeigt es sich immer wieder, dass gerade eine vernünftige Jugendleiterausbildung und der unersetzliche Erfahrungsaustausch zwischen „Altgedienten“ und „Neulingen“ entscheidend dazu beiträgt, die notwendigen Kenntnisse zu vermitteln und damit Unsicherheiten zu vermeiden.“

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Übernahme der Aufsichtspflicht:

zivilrechtliche und strafrechtliche Implikationen, Jugendrecht

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gesetzliche Grundlagen:

- Inhalt und Umfang einer ordnungsgemäßen

Aufsichtsführung sind nicht geregelt- Negativregelung, da nur Tatbestand und Rechtsfolge der Aufsichtspflichtverletzung durch §§ 823, 832 BGB geregelt

Inhalt und Umfang durch die Rechtsprechung ausgestaltet- Bezug immer nur zum konkreten Fall- (oftmals) verklausulierte Leitsätze- keine Allgemeingültigkeit - allgemein gefasste Aussagen meist durch Ausnahmen begrenzt

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Beispiele aus Gerichtsurteilen:

„Aufsichtspflichtige Personen haben die Verpflichtung dafür zu sorgen, dass die ihnen zur Aufsicht anvertrauten Minderjährigen selbst nicht zu Schaden kommen und auch keinen anderen Personen Schaden zufügen.“

„Aufsichtspflichtige Personen müssen ständig wissen, wo sich die ihnen zur Aufsicht anvertrauten Minderjährigen befinden und was diese gerade tun.“

„Aufsichtspflichtige Personen müssen vorhersehbare Gefahren vorausschauend erkennen und zumutbare Anstrengungen unternehmen, um die ihnen anvertrauten Minderjährigen vor Schäden zu bewahren.“

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§ 823 BGB(maßgeblich bei Schäden des Aufsichtsbedürftigen)

1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

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§ 823 BGB

Tatbestandsvoraussetzungen:

1. Rechtsgutverletzung

2. Verletzungshandlung: Aktives Tun oder Unterlassen

3. Haftungsbegründende Kausalität / Zurechnung

4. Rechtswidrigkeit

5. Verschulden

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§ 823 BGB 1. Rechtsgutsverletzung

geschützte Rechtsgüter sind:

- Leben

- Körper

- Gesundheit

- Freiheit

- Eigentum

- sonstige Rechte

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§ 823 BGB 2. Verletzungshandlung

Abgrenzung zwischen positivem Tun und Unterlassen?

Gleichstellung erfolgt nur dann, wenn eine Pflicht zum Handeln, eine sog. Garantenstellung bestanden hätte (§ 13 StGB).

Was sind die Grundlagen für eine Garantenstellung?

- aus allgemeinen Verkehrspflichten (z.B. Streupflicht)- Sicherungsgarant (Herrschaft über Gefahrenquelle)- Obhutsgarant (z.B. Eltern)

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§ 823 BGB 2. Verletzungshandlung

Wie entsteht die Obhutsgarantenstellung?

Aufsichtspflicht entsteht nur durch Gesetz als ein Teil der umfassenden Personensorge der Eltern (oder auch Betreuer oder Pfleger)

die Elterliche Sorge umfasst neben der Aufsichtspflicht auch Aufenthaltsbestimmungsrecht, Vermögenssorge und gesetzliche Vertretung

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§ 823 BGB 2. Verletzungshandlung

Wie wird Aufsichtspflicht übertragen?- durch Vertrag (ausdrücklich und konkludent)- „Übergabeakt“ unter beidseitiger Beteiligung- auch Übertragung an Jugendlichen möglich (elterliche Einwilligung nötig)- Voraussetzung ist weitreichende Obhut von längerer Dauer und weitgehender Einwirkungsmöglichkeit (vgl. BGH, NJW 1968, 1874)

In welchem Umfang erfolgt die Übertragung?- Mitübertragung eines Teils des Erziehungsrechtes- Grenzen bilden „gute Sitten“, anerkannte Erziehungsmaßstäbe und der im Einzelfall entgegenstehende Wille der Sorgeberechtigten

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§ 823 BGB 3. Haftungsbegründende Kausalität / Zurechnung

Prüfung erfolgt in 3 Schritten:

(1) Äquivalenztheorie (conditio sine qua non)

(2) Adäquanztheorie (allg. Lebenserfahrung)

(3) Schutzzweck der Norm

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§ 823 BGB 4. Rechtswidrigkeit:

durch Tatbestandmäßigkeit indiziert, aber bei Unterlassen positiv zu prüfen (hier: liegt ein Verstoß gegen die Aufsichtspflicht vor?)

Rechtswidrigkeit liegt dann nicht vor, wenn ein Rechtfertigungsgrund eingreift:

- Notwehr (§ 227 BGB)

- Verteidigungsnotstand (§ 228 BGB)

- Einwilligung (§ 228 StGB)

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§ 823 BGB 5. Verschulden

Das Verschulden ist immer in 2 Schritten zu prüfen:

(1) Verschuldensform (§ 276 BGB) - Vorsatz: Handeln mit Wissen und Wollen- Fahrlässigkeit: Außer Acht lassen der im Verkehr erforderlichen

Sorgfalt(2) Verschuldensfähigkeit- § 828 I BGB: bis zum 7. LJ kein Verschulden- § 828 II BGB: 7. bis 10. LJ kein Verschulden im Straßenverkehr - § 828 III BGB: bis 18. LJ Verschulden abhängig von Einsichtsfähigkeit des Jugendlichen- § 827 BGB: kein Verschulden bei Bewusstlosigkeit oder

krankhaften Störungen

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§ 823 BGB Haftungsfolgen

Nach §§ 249 ff. BGB ist der Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.

- Ersatz für beschädigte Sachen

- Heilbehandlungskosten

- Verdienstausfall

- Schmerzensgeld/Schmerzensgeldrente

- Gerichtskosten

aber: möglicherweise Mitverschulden nach § 254 BGB

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§ 832 BGB (maßgeblich bei Schäden durch den Aufsichtsbedürftigen)

1) Wer kraft Gesetzes zur Führung der Aufsicht über eine Person verpflichtet ist, die wegen Minderjährigkeit oder wegen ihres geistigen oder körperlichen Zustands der Beaufsichtigung bedarf, ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den diese Person einem Dritten widerrechtlich zufügt. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn er seiner Aufsichtspflicht genügt oder wenn der Schaden auch bei gehöriger Aufsichtsführung entstanden sein würde.

2) Die gleiche Verantwortlichkeit trifft denjenigen, welcher die Führung der Aufsicht durch Vertrag übernimmt.

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§ 832 BGB Tatbestandsvoraussetzungen:

1. Aufsichtspflichtiger2. Aufsichtsbedürftiger3. Tatbestandsmäßige und widerrechtliche Handlung des

Aufsichtsbedürftigen- rechtswidrige Erfüllung einer unerlaubten Handlung nach § 823 BGB- Verschulden und Deliktsfähigkeit sind nicht erheblich- Schädigung eines Dritten ist eingetreten

4. Verschulden - wird vermutet- Aufsichtspflichtiger kann Entlastungsbeweis führen; entweder wegen Erfüllung der Aufsichtspflicht oder wegen fehlender Schadensursächlichkeit

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§ 832 BGB Haftungsfolgen:

Grundsatz: Schadensersatzpflicht des Aufsichtspflichtigenaber: Gesamtschuldnerische Haftung nach § 840 I BGBd.h.: - Verantwortlichkeit nebeneinander

- Alleinverantwortlichkeit im Innenverhältnis wenn Betreuter verantwortlich (§ 840 II BGB) (z.B. 17-jähriger einsichtsfähiger Jugendlicher)- Regressmöglichkeit nach § 426 I BGB

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Strafrechtliche Implikationen

- §§ 223, 224, 226 StGB (Körperverletzungsdelikte)

- § 239 StGB (Freiheitsberaubung)

- § 221 StGB (Aussetzung)

- §§ 174 ff. StGB (Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung)

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Strafrechtliche Implikationen- § 202 StGB (Verletzung des Briefgeheimnisses)- § 185 ff. StGB (Beleidigung, Verleumdung, üble

Nachrede)- § 123 StGB (Hausfriedensbruch)- § 263 StGB (Betrug)- § 267 StGB (Urkundenfälschung)- § 265a StGB (Erschleichen von Leistungen)

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Jugendschutzrechtwichtigste Regelungen sind im „Gesetz zum Schutz der Jugend in der Öffentlichkeit“ (JöSchG) zu finden:

- Teilnahme an Tanzveranstaltungen/Disco

- Aufenthalt in Gaststätten (Nachtclubs und Nachtbars)

- Rauchen in der Öffentlichkeit

- Teilnahme an öffentlichen Filmveranstaltungen (auch gruppenintern)

- Abgabe von Videokassetten und Bildträgern (DVDs)

- Anwesenheit in Spielhallen

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Umfang der Aufsichtspflicht4 wesentliche Einzelpflichten:

1. Pflicht zur umfassenden Information

2. Pflicht zur Vermeidung/Beseitigung von Gefahrenquellen

3. Hinweis- und Warnpflicht im Umgang mit Gefahren

4. Pflicht zur tatsächlichen Aufsichtsführung

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1. Pflicht zur umfassenden Information

a. Persönliche Umstände des Aufsichtsbedürftigen

und

b. Besonderheiten der örtlichen Umgebung

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1. Pflicht zur umfassenden Informationa. Persönliche Umstände des Aufsichtsbedürftigen

„Alle Umstände, die in der Person des Aufsichtsbedürftigen wurzeln und für die konkrete Gestaltung einer Aktivität generell wichtig sind oder im Einzelfall wichtig sein können.“

- Behinderungen- Krankheiten- Allergien- Medikamenteneinnahme- Schwimmer/Nichtschwimmer- Schwindelfreiheit- Sportliche Fähigkeiten, Trittsicherheit

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1. Pflicht zur umfassenden Informationa. Persönliche Umstände des Aufsichtsbedürftigen

Grundsatz:

Elterliche Erlaubnis für Veranstaltungen außerhalb des üblichen Rahmens der Gruppenaktivitäten erforderlich (kann jederzeit eingeholt werden)

Keine verbindliche Regelung welche Aktivitäten gesonderte Erlaubnis voraussetzen

Zweifel gehen zu Lasten des Leiters

aber:

Erlaubnis entbindet nicht von persönlichem Eindruck

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1. Pflicht zur umfassenden Informationb. Besonderheiten der örtlichen Umgebung rechtzeitige (vorherige) Beschaffung ortsbezogener

Informationen:- Gebäudesicherheit- Sicherheit des Geländes- Zustand möglicher Spielgeräte- Notrufmöglichkeiten - Umstände der Programmgestaltung

umgehende persönliche Erkundung der Örtlichkeiten

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2. Pflicht zur Vermeidung/Beseitigung von Gefahrenquellen

- Kein Zugänglichmachen gefährlicher Gegenstände (z.B. Werkzeug, Autoschlüssel, Feuerzeug)

- Vermeidung einer vorhersehbaren Überforderung der Gruppe

- Beseitigung erkannter Gefahrenquellen (z.B. Scherben auf Wiese, blanke Stromkabel, Messer)

- Hinweispflicht und Abhilfeaufforderung bei Gefahren durch Dritte (z.B. fremde Jugendgruppe am gleichen Ort)

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3. Hinweis- und Warnpflicht im Umgang mit GefahrenWas sagen die Gerichte?

Liberalisierung und Wandel der ErziehungsmaßstäbeFrüher: Fernhalten von allen GefahrenHeute: Lernen, mit Gefahren umzugehen

Konsequenz: Pädagogische Ermessensspielräume(Ist das Verhalten des Leiters von einem pädagogisch vertretbaren, nachvollziehbaren Erziehungsgedanken getragen und nicht völlig abwegig?)

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3. Hinweis- und Warnpflicht im Umgang mit GefahrenWas sagen die Gerichte?

„Aus erzieherischer Sicht ist übermäßiges Fernhalten von Gefahren ebenso negativ wie übermäßiges Überwachen.“ (OLG Koblenz, VersR 1995, 59)

„Kinder sollen lernen, für sie überschaubare Risiken zu beherrschen.“ (BGH, NJW 1988, 2667)

„Die Aufsicht muss nur eingreifen, wo Gefahr ersichtlich droht.“ (OLG Koblenz, VersR 1989, 485)

„Nicht unbedingt das Fernhalten von jedem Gegenstand, der bei unsachgemäßem Umgang gefährlich werden kann, sondern gerade die Erziehung des Kindes zu verantwortungsbewusstem Hantieren mit einem solchen Gegenstand wird oft der bessere Weg sein, das Kind und Dritte vor Schäden zu bewahren. Hinzu kommt die Notwendigkeit frühzeitiger praktischer Schulung des Kindes, das seinen Erfahrungsbereich möglichst ausschöpfen soll.“ (BGH, NJW 1976, 1684)

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3. Hinweis- und Warnpflicht im Umgang mit Gefahren

Wie kann die Rechtsprechung praktisch umgesetzt werden?

- Hinweise und Warnungen altersgerecht anpassen (Nachfrage)- gleiche Erlaubnisse und Verbote für alle (Ausnahmen im Einzelfall)- Verbote auf ein Mindestmaß beschränken- Festlegung und stufenweise Abgrenzung eines „Spielfeldes“- Vertrag zwischen Teilnehmern und Leitern

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4. Pflicht zur tatsächlichen Aufsichtsführung

Grundsatz:

„Ein Jugendleiter kommt im Allgemeinen dann seiner Aufsichtspflicht nach, wenn er die „nach den Umständen des Einzelfalles gebotene

Sorgfalt eines durchschnittlichen Jugendleiters“ walten lässt.“

Maßgebliche Faktoren (BGH, NJW 1984, 2574): - Alter der Aufsichtsbedürftigen

- Eigenart und Charakter der Aufsichtsbedürftigen

- Vorhersehbarkeit des schädigenden Verhaltens

- Größe der Gruppe

- Zumutbarkeit für Leiter

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4.Pflicht zur tatsächlichen Aufsichtsführung

Wie lassen sich konkreten Pflichten zusammenfassen?

a. Richtige Anweisungen geben

b. Einhaltung und Ausführung der Anweisungen überwachen

c. Den Betreuten bei Bedarf zur Ordnung rufen und ermahnen

d. Notfalls Konsequenzen aus dem Missverhalten ziehen

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4.Pflicht zur tatsächlichen Aufsichtsführung

Beispiel:

Eine Jugendgruppe mit zehn Teilnehmern macht eine Radtour. Der Leiter gibt die Anweisung, in Zweierreihen nebeneinander zu fahren, „damit die Gruppe nicht zu lang wird“. Es ereignet sich ein Unfall.

Wo liegt das Fehlverhalten?

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4.Pflicht zur tatsächlichen Aufsichtsführung

1. Abwandlung:

Der Leiter hatte (zutreffend) angeordnet, dass streng hintereinander gefahren werden muss. Er setzt sich an die Spitze der Kolonne, ohne auch nur einmal nach hinten zu sehen. Zwei Jungen fahren nebeneinander, um sich den neuesten Witz zu erzählen. Es kommt zum Unfall.

Wo liegt das Fehlverhalten?

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4.Pflicht zur tatsächlichen Aufsichtsführung

2. Abwandlung:

Der Leiter schaut sich um, sieht die beiden Jungen nebeneinander fahren und denkt sich (aus schlechter Erfahrung): „Ermahnen hat keinen Zweck.“ Er fährt weiter und es ereignet sich der Unfall.

Wo liegt das Fehlverhalten?

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4.Pflicht zur tatsächlichen Aufsichtsführung

3. Abwandlung:

Die beiden Jungen ignorieren die mehrfachen Mahnungen. Der Leiter ist das dauerhafte Ermahnen leid und duldet es nunmehr, dass die Jungen nebeneinander fahren, obwohl er es bei nächster Rückschau wieder wahrnimmt.

Wo liegt das Fehlverhalten?

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4.Pflicht zur tatsächlichen Aufsichtsführung

Welche Konsequenzen wären in der 3. Abwandlung möglich gewesen?

- Abbruch der Fahrradtour- Ausschluss aus der abendlichen Spielrunde- Ausschluss von künftigen Fahrten- Anruf bei den Eltern, damit diese ihr Kind durch Weisungen

zum Gehorsam bringen- Kind wird nach Rücksprache mit den Eltern nach Hause

gebracht- Kind wird aus der Gruppe ausgeschlossen- nicht sinnvoll: Küchendienst oder Papieraufsuchen

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Workshop

„Richter für einen Tag!“

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Workshop

Fragen für die 4 Fälle:1. Hat die Klage Erfolg?

2. Liegt eine Aufsichtspflichtverletzung vor?

a. Wenn ja, worin besteht sie und wie hätte richtig gehandelt werden müssen?

b. Wenn nein, wodurch haben die Betreuer ihre Aufsichtspflicht konkret erfüllt bzw. woran scheitert eine Pflichtverletzung?

3. Sind die Aufsichtsbedürftigen nach Maßgabe des § 828 BGB in Verbindung mit § 254 BGB mit- oder alleinverantwortlich?

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Workshop

Fall 1:1. Die Klage hat Erfolg.

2. Dem Betreuer ist insgesamt eine Aufsichtspflichtverletzung vorzuwerfen. Es hat hier nicht genügt, die Kinder allgemein auf die Gefahren des Minigolfspiels

hinzuweisen und dass Spiel aus einer Distanz zu beaufsichtigen. Vielmehr ist erforderlich, dass sich ein Betreuer bei jeweils einer Gruppe in unmittelbarer Nähe aufhält, um Gefährdungssituationen, insbesondere bei dicht beieinander stehenden Kindern durch ausholende Schlagbewegungen bereits im Ansatz verhindern zu können. Durch eine Beobachtung aus unmittelbarer Nähe wäre die Verletzung vermeidbar gewesen.

3. Den Kindern ist kein Mitverschulden zur Last zu legen. Eine Schlägerbewegung stellt eine typische Gefährdungssituation beim Minigolfspiel dar. Kinder zwischen 7 und 10 Jahren können den Schwung des für sie relativ schweren Golfschlägers nicht richtig einschätzen und sind deshalb nicht verantwortlich.

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Workshop

Fall 2:1. Die Klage hat Erfolg.

2. Dem Schachverein ist insgesamt eine Aufsichtspflichtverletzung vorzuwerfen. Das mündlich erteilte Alkoholverbot war hier nicht ausreichend. Es hätten auch im

weiteren Verlauf der Nacht noch gelegentliche Kontrollen auf den Zimmern durchgeführt werden müssen, jedenfalls solange noch nicht allgemeine Ruhe eingekehrt war. Derartige Kontrollen wären auch durchaus mit dem Ziel der Erziehung zur Selbständigkeit und mit dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit vereinbar gewesen.

3. Der Klägerin, an deren Verantwortlichkeit und Einsichtsfähigkeit keine Zweifel bestehen, ist ein Mitverschulden zur Last zu legen. Sie hat mehr Alkohol getrunken als sie vertragen konnte und dadurch ihre Kontrollfähigkeit eingebüßt. Eine Mitverschuldensanteil von ca. 50% dürfte angemessen sein.

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Tagesseminar „Recht“4. Einheit

WorkshopFall 3:

1. Die Klage hat Erfolg.2. Den Betreuern ist insgesamt eine Aufsichtspflichtverletzung vorzuwerfen. Die Betreuer durften es hinsichtlich des Unterlassens krimineller Handlungen nicht

bei einer einmaligen Belehrung belassen, sondern hätte diese in ausreichendem Umfang auffrischen müssen.

Auch hinsichtlich der programmfreien Zeit war es den Betreuern zuzumuten, die Jugendlichen strenger zu beaufsichtigen. So hätten sie die Jugendlichen vor der Gewährung von Ausgang nach den beabsichtigten Aktivitäten befragen oder auch den Ausgang der Jugendlichen streng zeitlich begrenzen können, was unterblieben ist.

Die Betreuer hätten auch einem Jugendlichen die „Verantwortung“ über die Mini-Gruppe geben können, um ein Gefühl der gegenseitigen Verantwortlichkeit zu erzeugen.

3. Da ein Drittschaden vorliegt, ist eine Mitverantwortlichkeit hier unerheblich.

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WorkshopFall 4:

1. Die Klage hat keinen Erfolg.2. Den Betreuern kann nicht der Vorwurf einer Amtspflichtverletzung gemacht werden. Der Kläger war zum Unfallzeitpunkt sechzehn Jahre und knapp acht Monate alt,

stand also gut sechzehn Monate vor Eintritt der Volljährigkeit. Von einem Jugendlichen in diesem Alter ist zu erwarten, dass er die Gefahren, die beim Holzhacken bestehen - unabhängig von der Frage, wie lang der Axtstiel ist - kennt und sich dementsprechend verhält. Das Holzhacken ist zwar durchaus eine gefährliche Tätigkeit. Die dabei einzuhaltenden Verhaltensmaßregeln sind jedoch sehr einfach und jedermann unmittelbar einleuchtend. Bei einem Jugendlichen im Alter des Klägers muss nicht mehr befürchtet werden, dass er diese Verhaltensmaßregeln in so grober Weise missachtet, wie er dies vorliegend getan hat, so dass eine ständige Beaufsichtigung beim Holzhacken nicht verlangt werden

kann.

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Auswege im Schadensfall

1. Versicherungen

2. ausführliche Eltern-Information

3. Haftung der Eltern

4. Vertraglicher Haftungsausschluss

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1. Versicherungen

Wen schützt die Haftpflichtversicherung?- Körperschaft (Verein)- Vorstand- Gruppenleiter (eigenes Verschulden und Verletzung

der Aufsichtspflicht)- einzelnes Gruppenmitglied

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1. VersicherungenWann tritt die Versicherung nicht ein?

- Schadensverursacher hat selbst den Schaden- vorsätzliche Schadensverursachung- Schäden durch Verlieren, Liegenlassen oder

Diebstahl- Schäden durch „höhere Gewalt“- sonstige Haftungsausschlüsse

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1. VersicherungenWas muss ich als Gruppenleiter im Schadensfall machen, um den Versicherungsschutz nicht zu gefährden?

- „unverzügliche“ Schadensmeldung- kein „Zurechtbiegen“ des Tatbestandes- keine „Weißwäscherei“

- Vorlage von Belegen

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2. ausführliche Eltern-Information

Grundsatz: Betreute bzw. deren Eltern tragen die „normale Gefahr“

Es gilt: Je mehr „Kennen“ oder „Kennenmüssen“ der Risiken der (konkreten) Aufsichtsübertragung durch die Eltern, desto geringer ist das Risiko der Leiter

Daher: Umfassende Absicherung durch bestmögliche Information

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2. ausführliche Eltern-InformationBeispiele:

Schwierigkeitsgrad von Bergwanderungen Baden außerhalb gesicherter Badeplätze (z.B. Zeltplatz

am See) Konkrete Angabe wechselnder Übernachtungsorte Aufzählung der angebotenen Sportmöglichkeiten (z.B.

Tischtennis oder Fußball außerhalb des Programms) Mitarbeit beim Kochen und Küchendienst Geplante Nachtwanderungen und Geländespiele

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3. Haftung der ElternEltern haben Mitwirkungspflicht, die in einer Mithaftung resultieren kann:

- Beachtung aller Gebote aus dem Fahrtenbrief- Hinweispflicht auf besondere Gefahrenquellen für das

Kind (z.B. Schwimmfähigkeiten, Medikamente)

aber:

auch „sinnlose“ Weisungen überängstlicher Eltern müssen beachtet werden

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4. Vertraglicher Haftungsausschluss

Ist eine Haftungsfreistellung überhaupt möglich?- Ja, aber nur für Fahrlässigkeit

Wie kann der Haftungsausschluss vereinbart werden?- als Klausel in der Satzung des Verbandes- Individuell bei der Beitrittserklärung zu einer speziellen

Gruppe

- Vor jeder Veranstaltung mit einem besonderen Risiko

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4. Vertraglicher HaftungsausschlussWie sind die rechtlichen Wirkungen und Grenzen eines Haftungsausschlusses?

• Strafrechtliche Verantwortlichkeit bleibt unberührt• Wirkt nicht bei Drittschädigungen• Abhängig von der gerichtlichen Einschätzung

Kriterien: - ehrenamtliche oder vergütete Tätigkeit- grobe Fahrlässigkeit oder einfache Fahrlässigkeit- üblicher Versicherungsschutz beim Verband- entsprach Planung grundsätzlich der üblichen Sorgfalt

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