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Thermische Abfallbehandlung Band 14

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Thermische Abfallbehandlung Band 14

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14. Fachtagung

Thermische Abfallbehandlung

Herausgeber

Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. Bernd Bilitewski Prof. Dr.-Ing. Arnd I. Urban Prof. Dr.-Ing. Martin Faulstich

Schriftenreihe des Fachgebietes Abfalltechnik Universität Kassel

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Redaktion: Dr. Wolfgang Mayer Dipl.-Ing. Christian Pacher Technische Universität München Lehrstuhl für Rohstoff- und Energietechnologie Petersgasse 18, 94315 Straubing http://www.rohstofftechnologie.de Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. ISBN: 978-3-89958-662-6 URN: urn:nbn:de:0002-6635 2009, kassel university press GmbH www.upress.uni-kassel.de Druck und Verarbeitung: Unidruckerei der Universität Kassel Veranstalter: Verein zur Förderung der Fachgebiete Siedlungswasserwirtschaft und Abfalltechnik an der Universität Kassel e.V. Kurt-Wolters-Straße 3, 34125 Kassel Die Informationen in diesem Buch werden ohne Rücksicht auf eventuellen Patent-schutz veröffentlicht. Warennamen werden ohne Berücksichtigung der freien Verwend-barkeit benutzt. © Alle Rechte vorbehalten. Wiedergabe und Übersetzung nur mit Genehmigung des Vereins zur Förderung der Fachgebiete Siedlungswasserwirtschaft und Abfalltechnik an der Universität Kassel e.V., Kurt-Wolters-Straße 3, 34125 Kassel.

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Inhaltsverzeichnis Vorwort.......................................................................................................................... 7 Bernd Bilitewski, Arnd I. Urban, Martin Faulstich

Politik, Recht und Strategie Weiterentwicklung der 17. BImSchV – Ziele und erwartete Auswirkungen ............ 9 Uwe Lahl

Energy from Waste – Zukunftsmärkte Europa......................................................... 17 Jörg Zunft, Birgit Fröhlig

Thermische Abfallbehandlung in Bayern – gestern, heute, morgen ..................... 33 Norbert Brückl

EEG und EEWärmeG bei der Abfallverbrennung – Auswirkungen aus Sicht eines Anlagenbetreibers ................................................. 45 Conrad Tschersich

Fortschritte für den Klimaschutz Energieeffizienzsteigerungsmaßnahmen bei der Müllverbrennung – Kosten und Nutzen..................................................................................................... 55 Christoph Wünsch, Gaston Hoffmann, Bernd Bilitewski

Relevanz der CCS-Technologie für die Abfallverbrennung.................................... 73 Martin Faulstich, Uwe Eggenstein, Anna Leipprand

Anwendung von Energiekennzahlen auf moderne europäische Beispielanlagen.................................................................................... 87 Oliver Gohlke, Martin J. Murer

Entwicklungen im Zertifikatehandel und dessen Auswirkungen......................... 105 Jürgen Landgrebe

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Reduzierung der Grenzwerte für Schadstoffemissionen

Sollten die Grenzwerte für die Abfallverbrennung aus toxikologischer Sicht gesenkt werden?.......................................................... 117 Wolfgang Dekant

Erfordern strengere Grenzwerte – insbesondere für die Entstickung – neue Rauchgasreinigungsverfahren? .................................................................... 125 Christian Brunner

Was kostet die Halbierung der Grenzwerte für Abfallverbrennungsanlagen? ........................................................................... 147 Werner Schumacher, Matthias Kersting

Auswirkungen veränderter Input-Qualitäten

Auswirkungen eines veränderten Sammelsystems auf die Verbrennung im MHKW Kassel .................................................................. 171 Ramona Schröer, Arnd I. Urban

Auswirkungen des ElektroG auf den Schadstoffeintrag im Restabfall ............... 181 Alexander Janz, Bernd Bilitewski

Ersatzbrennstoffe

Wie wirkt sich die Papiernachfrage auf den Input in Verbrennungsanlagen aus?................................................................................ 189 Thomas Kügler, Bernd Bilitewski

EBS-Schnelltests: Eine Ergänzung zur konventionellen Qualitätssicherung?................................................................................................. 199 Gaston Hoffmann, Daniel Schingnitz, Thomas Marzi, Edda Möhle, Vera Susanne Rotter, Annekatrin Lehmann

Zügige und schlanke Genehmigungsverfahren bei der Realisierung von Ersatzbrennstoffkraftwerken ........................................................................... 211 Norbert Suritsch

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Abfallverbrennung weltweit

Ganzheitlicher Kostenvergleich von „Landfill“ und „Waste to Energy“ in Sao Paulo.............................................................................................................. 221 Werner P. Bauer, Thomas König, Wolfgang Scholz

Autorenverzeichnis .................................................................................................. 243

Schriftenverzeichnis ................................................................................................ 245

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Vorwort

Mit unserer 14. Fachtagung Thermische Abfallbehandlung in München der drei aus-richtenden Lehrstühle der Technischen Universitäten Dresden, Kassel und München greifen wir aktuelle, wichtige Themen der thermischen Nutzung von Abfällen auf.

Ein Schwerpunkt der Tagung liegt dieses Jahr auf den aktuellen politischen und recht-lichen Änderungen und deren Auswirkungen auf den Betrieb von Müllverbrennungs-anlagen. Im Vordergrund stehen hierbei die Weiterentwicklung der 17. Bundesimmis-sionsschutzverordnung und die Möglichkeiten des Erneuerbaren Energien Gesetzes und des Erneuerbaren Energien Wärmegesetzes für Betreiber von Müllverbrennungs-anlagen. Mit dem Hintergrund der aktuell diskutierten Kontrollwerte für Müllverbren-nungsanlagen sollen die Fragen geklärt werden, ob strengere Grenzwerte neue Rauchgasreinigungsverfahren erfordern und mit welchen finanziellen Aufwendungen diese verbunden sind.

Die Energieeffizienz und die Weiterentwicklung des Innovationspotenzials stellen im Hinblick auf den aktiven Klimaschutz nach wie vor eine zentrale Frage dar und werden demnach ein zweiter Schwerpunkt der Tagung sein. Unter anderem wird ein Ausblick auf die weitere Entwicklung des Emissionshandels, der zum zentralen Element für die Umsetzung Effizienz steigernder Maßnahmen werden soll, gegeben und dessen Relevanz für die Abfallverbrennung. Neben der klassischen Müllverbrennung wird auch die Technologie des Carbon Capture and Storage als möglicher Beitrag zur Entlastung des CO2-Haushaltes ausführlich diskutiert werden.

Traditionsgemäß schauen wir auch über die Grenzen und diskutieren unter anderem auf der Basis ausländischer Erfahrungen in Sao Paulo/Brasilien die Möglichkeiten zum Export deutscher Anlagenverfahrenstechnik in den weltweiten Markt.

Für den Abschlussvortrag ist es uns gelungen, den Präsidenten des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung, Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Hans-Werner Sinn, zu gewinnen, der die Tagung mit einem Vortrag über „Das grüne Paradoxon“ abrunden wird.

Unser Dank gilt den Referenten dieser Tagung und allen Beteiligten an der Organi-sation und Vorbereitung. Namentlich möchten wir hier Herrn Dr. Wolfgang Mayer, Herrn Dipl.-Ing. Christian Pacher, Herrn Dipl.-Geogr. Gert Tilk, Frau Anna Kemmerer und Frau Gisela Schneider stellvertretend für alle anderen nennen.

München, Februar 2009 Bernd Bilitewski Arnd I. Urban Martin Faulstich

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B. Bilitewski, A.I. Urban, M. Faulstich (Hrsg.)

14. Fachtagung Thermische Abfallbehandlung

Weiterentwicklung der 17. BImSchV – Ziele und erwartete Auswirkungen

MinDir Dr. Uwe Lahl

Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

Berlin

Schriftenreihe des Fachgebietes Abfalltechnik Universität Kassel

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Uwe Lahl

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1 Einführung

In Europa kann bezogen auf verbindliche Emissionsgrenzwerte ein grundsätzlicher Unterschied der Regelungsphilosophien festgestellt werden. Ein zahlenmäßig sehr dominierendes Lager möchte so wenig wie möglich verbindliche Grenzwerte und ein hohes Maß an Flexibilität seitens der Mitgliedsstaaten. Dieses Lager wird angeführt durch UK, das seine "Flexibilität" durch alleinige Festlegung von Immissionsgrenz-werten auf Schutzniveau erreichen will, um so bis an die Schutzgrenze herangehend eine Bewirtschaftung der Luft - ähnlich der Wasserwirtschaft - zu ermöglichen.

Auf der anderen Seite steht Deutschland mit ganz wenigen weiteren Mitgliedsstaaten, die möglichst verbindliche für alle Industrieanlagen geltende Emissionsgrenzwerte europaweit eingeführt sehen möchten. Im deutschen Immissionsschutzrecht ist flächendeckend für alle Industrieanlagen ein Regelwerk entwickelt und umgesetzt, was einheitliche Emissionsbegrenzungen garantiert.

Das europäische Immissionsschutzrecht ist daher ein Spagat zwischen diesen beiden Grundphilosophien. Und nur vor diesem Hintergrund sind einzelne Regelungen zu verstehen. Es ist nur für einen kleinen Kernbereich bisher gelungen, einheitliche Emissionsgrenzwerte festzulegen: für die Abfall- und die Energiewirtschaft.

2 Weiterentwicklung der 17. BImSchV

Die 17. BImSchV ist eine der großen Erfolgsgeschichten des Immissionsschutzes in Deutschland. Und dies insbesondere aufgrund der dort festgelegten ambitionierten Emissionsgrenzwerte. Allerdings wurde in den letzten Jahren, genau genommen in jeder Legislaturperiode, nachgebessert und weiterentwickelt. So wurde mit der vorletz-ten Novelle auf die zunehmende Abfallmitverbrennung in Kraftwerken und Industrie-anlagen reagiert und mit der letzten Novelle wurde ein verschärfter Emissionsgrenzwert für NOx eingeführt.

Eines der verbliebenen Probleme stellt die Vermittlung des rechtlich und technisch unvermeidlichen Auseinanderklaffens von Emissionsgrenzwerten und Betriebswerten dar.

Eine aktuelle Untersuchung der Emissionen aus Müllverbrennungsanlagen im Rahmen eines Forschungsprojektes im Auftrag des UBA macht dies deutlich [IFEU 2007].

Auf der Abszisse der Abbildung 1 sind alle betrachteten Anlagen aufgetragen und auf der Ordinate die ermittelten Konzentrationen im Abgasstrom. Die Skalen der Ordinaten sind dabei auf den jeweiligen Emissionsgrenzwert normiert, das heißt der höchste Konzentrationswert der Ordinate entspricht dem jeweiligen Emissionsgrenzwert der 17. BImSchV. Dadurch wird sehr gut erkennbar, dass der vorgeschriebene Emissions-grenzwert durchgehend von allen Anlagen sicher eingehalten wird (Abb. 1).

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Weiterentwicklung der 17. BImSchV – Ziele und erwartete Auswirkungen

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Abbildung 1: Emissionen von Staub, SO2, Quecksilber und Dioxinen; Spannweite der deutschen MVAn in den Emissionskonzentrationen; Datenquelle: öffentlich zugängliche Angaben der Betreiber und Annahmen des IFEU [2007]

Staub

0

1

2

3

4

5

6

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8

9

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mg/

Nm

SO2

0

5

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15

20

25

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40

45

50

mg/

Nm

Hg

0

0,005

0,01

0,015

0,02

0,025

0,03

mg/

Nm

Dioxine-Furane

0

0,01

0,02

0,03

0,04

0,05

0,06

0,07

0,08

0,09

0,1

ng T

E/N

mm

g/m

3 (i.N

.) m

g/m

3 (i.N

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/m3 (i

.N.)

mg/

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.N.)

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Uwe Lahl

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Allein Stickstoffoxid, angegeben als NO2, erweist sich als Parameter, dessen Emissionsgrenzwert zum Teil in vergleichsweise hohem Maße ausgeschöpft wird. Etwa ein Viertel der Anlagen bewegt sich im Bereich über 120 mg/m3 (i.N.) (60 % des Grenz-werts), die überwiegende Mehrzahl in einem Bereich zwischen 60 und 100 mg/m3 (i.N.) (Abb. 2).

Abbildung 2: Emissionen NOx (als NO2); Spannweite der deutschen MVAn in den Emissionskonzentrationen; Datenquelle: öffentlich zugängliche Angaben der Betreiber und Annahmen des IFEU [2007]

Was ist nun das Problem, wenn Betriebswerte um den Faktor 10 oder mehr unterhalb der Grenzwerte gefahren werden und dies nicht nur von wenigen Spitzenanlagen, sondern mehr oder weniger von allen existierenden Müllverbrennungsanlagen?

Zunächst einmal ist es positiv, dass Müllverbrennungsanlagen in Deutschland derartig niedrige Emissionen bewirken. Hingegen konnte bislang nicht überzeugend vermittelt werden, dass diese Umweltleistung überwiegend im Rahmen der durch die Verordnung vorgegebenen Grenzwerte erfolgt und die das real gegebene Leistungsvermögen der MVA-Technik ausschöpfenden Spitzenanlagen dies aufgrund verschärfter Anforde-rungen aus teils faktischer Notwendigkeit und teils aus unternehmerischer Entschei-dungsfreiheit erreicht haben. Dieser zweite Aspekt ist aber eher politischer Natur.

Als problematisch hat sich in vielen aktuellen Standortkonflikten die Kommunikation mit dem betroffenen Bürger erwiesen. So stellen die Grenzwerte der 17. BImSchV den Stand der Technik dar. Der Antragsteller und die zuständigen Behörden sind rein rechtlich nicht zu kritisieren, wenn sie diesen Stand der Technik beantragen und fest-legen, ganz im Gegenteil. Nur ist es schwer zu vermitteln, dass die Emissionsgrenz-werte, die den Stand der Technik beschreiben, oberhalb dessen liegen, was alle Müll-verbrennungsanlagen mühelos als Betriebswerte einhalten. Der Bürger fühlt sich schlecht behandelt, wenn „seine“ Anlage nicht die Werte „aufgebrummt“ bekommt, die technisch möglich sind.

NO2

0

20

40

60

80

100

120

140

160

180

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mg/

Nm

3m

g/m

3 (i.N

.)

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Weiterentwicklung der 17. BImSchV – Ziele und erwartete Auswirkungen

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Regelmäßig wird an dieser Stelle das Argument eingesetzt, dass der Betreiber einen gewissen Abstand zwischen Grenzwert und Betriebswert benötigt, damit er nicht permanent mit einem Bein im Gefängnis steht. Aber der Praktiker wird mir Recht geben, dass dieser erforderliche Abstand insbesondere der Inhomogenität der zu behandelnden Abfälle geschuldet ist. Ein Abstand mit einem Faktor 10 ist allerdings schon üppig im Vergleich zu den sonst üblichen Abständen.

Also könnte der Verordnungsgeber die Grenzwerte absenken. Dies wäre möglich, aber ist nicht geplant. Denn es gibt keine gesundheitlichen und umweltbezogenen Argumente, diese Absenkung zu verlangen sprich zu begründen.

An dieser Stelle muss man sich mit dem Argument Vorsorge auseinandersetzen. Nur ist Vorsorge im Immissionsschutzrecht keine Brücke um jedwede Absenkung, auch außerhalb dessen, was mit Unsicherheiten, Sorgen und Befürchtungen hinterlegt werden kann, fordern und durchsetzen kann. Hinzu kommt, dass aufgrund der gege-benen immissionsschutzrechtlichen Anforderungen an Abfall- und Energieanlagen Müllverbrennung rechnerisch die Umwelt verbessert. Dieses auf den ersten Blick para-doxe Ergebnis hängt damit zusammen, dass konventioneller Strom und konventionelle Wärme deutlich schmutziger ist, als Strom und Wärme aus der Müllverbrennung. Da ausgekoppelte Energie aus der MVA konventionelle Energie verdrängt, reduzieren sich die Emissionen, die Umwelt wird entlastet. Somit muss das Vorsorgeargument, abstrahiert man einmal von der Frage der Begründbarkeit, zu allererst dazu führen, dass die Grenzwerte für Anlagen der Energieerzeugung beispielsweise für Kohlekraft-werke abgesenkt werden. In einem ersten Schritt beispielsweise auf das Niveau der Müllverbrennung, also der 17. BImSchV.

Ein weiteres Argument, mit dem man sich in diesem Zusammenhang auseinander-setzen muss, ist das des „Standes der Technik“. Sowohl für den Standortbetroffenen, als auch für den Techniker oder Ingenieur ist der „Stand der Technik“ der Standard, den die besten Anlagen erreichen können. Aber der „Stand der Technik“ ist im Zusammenhang mit der 17. BImSchV nicht als technische, sondern als rechtliche Kategorie zu begreifen. Der „Stand der Technik“ ist eine Abwägungsentscheidung nach definierten Kriterien, die der Verordnungsgeber trifft und getroffen hat.

Der hohe technische Standard der Müllverbrennung ist das Ergebnis einer politischen Gemengelage aus den 90er Jahren, die bis heute nachwirkt. Allerdings ist klar zu erkennen, dass es Versuche gibt, bei Neuanlagen dünnere Bretter zu bohren. Dies ist rechtlich zulässig, führt aber nicht nur zu kommunalpolitischen Verwerfungen. Die Müll-verbrennung ist zwischenzeitlich zum umkämpften Markt geworden. Somit muss es auch gesehen werden, dass es zu Wettbewerbsverzerrungen kommen kann, wenn Altanlagen und Neuanlagen in ihrer technischen Ausstattung so weit auseinander liegen.

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Uwe Lahl

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Was tun? Die Betreiber von Altanlagen zur „Abrüstung“ ermuntern? Einzelfälle sind ja bereits erfolgt.

Keine einfache Problemlage. Wichtig ist mir die klare Botschaft: Es bleibt bei den Grenzwerten der 17. BImSchV. Der BMU plant keine Absenkung der Grenzwerte. Damit ist für die laufenden Investitionsentscheidungen Planungssicherheit gegeben.

Die Rechtsprechung hat in den letzten Jahren einen beachtenswerten Vorschlag ent-wickelt, um das Dilemma zwischen dem Stand der Technik und dem technisch Möglichen zu überbrücken. Sie hat durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.04.2007 und den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.04.2008, der die Entscheidung des VGH Kassel zum EBS-Kraftwerk Witzenhausen bestätigt, so genannte Kontrollwerte legitimiert, die zwischen Grenzwerten und Betriebswerten liegen. Kontrollwerte sind danach einzuhaltende Werte, die allerdings nicht strafrecht-lich bewehrt sind. Und auch die Sanktionen der zuständigen Behörde sind klar definiert und begrenzt (Tab. 1). Das bundeseinheitliche Immissionsschutzrecht kennt diese Wertekategorie bisher nicht.

Tabelle 1: Mögliche Folgen bei Überschreitung von Kontrollwerten

Problem Mögliche Folgen für den Betreiber

Mögliche Folgen für die Behörde

Kurzfristige Überschreitung keine keine

Längerfristige Überschreitung

Bericht an die Behörde, Thema für den Jahresimmissionsbericht

Prüfung und Aufforderung zur Abhilfe

Längerfristige Über-schreitung ohne Abhilfe

Erarbeiten eines Sanierungsplans ggf. inkl. Investitionen in die Abgasreinigung

Formelle Anordnung zur Vorlage eines Sanierungsplans

Diese Kontrollwerte sind also keine Erfindung des BMU. Beispielsweise legte die Bezirksregierung Düsseldorf für das EBS-Kraftwerk Rheinberg der Firma Solvay vom 31.03.2008 zusätzlich zu den Emissionsgrenzwerten strengere Kontrollwerte fest [Versteyl 2009].

Nun wird man sicherlich seitens der betroffenen Anliegerseite sagen: Was bringen der-artige Werte, wenn ihr Überschreiten vergleichsweise folgenlos bleibt? Folgenlos sind sie nicht, weil die Behörde aktiv wird und einen Plan verlangen kann, wie zukünftig die Werte sicher eingehalten werden können. Als Beispiel folgt man den Gestaltungs-möglichkeiten, die über die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts entwickelt sind.

Seitens der MVA-Betreiber wird man einwenden, dass die Werte unabhängig von den beschränkten Sanktionsmöglichkeiten der Behörde dennoch indirekt bindend sein werden, weil es sich kein Betreiber einer Müllverbrennungsanlage dauerhaft leisten könnte, Kontrollwerte nicht einzuhalten. Hierfür würde allein der Druck der Öffentlichkeit

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Weiterentwicklung der 17. BImSchV – Ziele und erwartete Auswirkungen

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sorgen. Dem muss man natürlich entgegenhalten, dass der Verordnungsgeber mit einem derartigen Vorschlag, Werte festlegen würde, die von den allermeisten Alt-anlagen problemlos eingehalten werden können. Ich bin gespannt auf die Meinungs-bildung innerhalb der ITAD.

Wie geht es weiter? Es stehen keine Entscheidungen an!

Zunächst betreiben wir „fact-finding“. Wir haben daher das UBA beauftragt, uns die Daten zusammenzustellen und mögliche Regelungsvorschläge zu entwickeln. Wir erwarten den UBA-Bericht im Mai 2009. Dann wird auf dieser Basis im BMU intern zu entscheiden sein, ob wir die Entwicklung aus der Rechtssprechung aufgreifen. Anschließend wird mit den beteiligten Kreisen ein Fachgespräch geführt werden. Sollte am Ende herauskommen, dass wir glauben, Kontrollwerte könnten eine sinnvolle Weiterentwicklung der 17. BImSchV sein, so würde ein Verordnungsentwurf erst in der nächsten Legislaturperiode vorgelegt werden können. Und über allem steht der Satz: Der Feind des Guten ist das Bessere.

3 Fazit

Die EU-Kommission nutzte die Ergebnisse der Studie aus dem Clean Air for Europe Programme (CAFE) [CAFE CBA 2005] als eine Basis für die Entwicklung der „Thema-tischen Strategie zur Luftreinhaltung“, deren Ausarbeitung mit dem 6. Umweltaktions-programm der EU beschlossen wurde. Bei der „Thematischen Strategie zur Luftrein-haltung“ handelt es sich um eine Langfriststrategie zur Verbesserung der Luftqualität bis zum Jahre 2020. Die Strategie enthält als wesentliches Ziel beispielsweise die Verringerung der Auswirkungen von Feinstaub auf die menschliche Gesundheit um 15 %. Aber Feinstaub ist nicht das einzige verbliebenen Handlungsfeld der Luftrein-haltepolitik in Europa.

In dieses Gesamtprogramm ist auch die Frage eingebettet, wie sich die Emissions-grenzwerte in Europa zukünftig weiterentwickeln sollen. Die Weiterentwicklung der Emissionsgrenzwerte wird aktuell im Rahmen der Novelle der europäischen IVU-Richt-linie verhandelt. Die „Schlachtordnung“ hierbei ist momentan unübersichtlich, weil sich zwei sehr unterschiedliche Grundsatzpositionen unter den Mitgliedsstaaten gegen-überstehen. Deutschland hat einen Vorschlag auf den Tisch gelegt, der gegenüber dem Kommissionsvorschlag zur Neufassung der Richtlinie in größerem Umfang ver-bindliche Emissionsgrenzwerte vorsieht. Anderen Mitgliedsstaaten geht schon der Kommissionsvorschlag, nach dem der BREF-Standard „verbindlicher“ werden soll, zu weit.

National ist über die verbindlichen Emissionsgrenzwerte der 13. und 17. BImSchV ein hohes Schutzniveau erreicht. Dies schließt die kürzlich erfolgte Absenkung der Emissionsgrenzwerte für NOx mit ein [Lahl 2007, 2008]. Es wird für die 17. BImSchV

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Uwe Lahl

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Handlungsbedarf diskutiert, aufgrund der hohen Abstände zwischen Grenzwert und Betriebswert.

Seitens des BMU ist nicht vorgesehen, die Emissionsgrenzwerte der 17. BImSchV abzusenken. Insoweit besteht Planungssicherheit für Antragsteller und Geneh-migungsbehörden. Die in der Genehmigungspraxis entwickelten Konzepte, unterhalb der verbindlichen und strafrechtlich bewährten Emissionsgrenzwerte so genannte Kon-trollwerte ergänzend festzulegen, wurde von der Rechtssprechung legitimiert. Derartige Werte wurden von der Rechtssprechung mit dem Vorsorgeprinzip begründet. Sie erleichtern zudem dem Betreiber und der Behörde die Überwachung insbesondere im Fall von heterogenem Inputmaterialien. Im BMU und Umweltbundesamt wird gegen-wärtig geprüft, ob dieses Vorgehen in der Praxis (Kontrollwerte) bundeseinheitlich geregelt werden sollte und wenn ja, in welcher Form.

4 Literaturquellen

CAFE CBA (2005): Baseline Analysis 2000 to 2020. Service Contract for Carrying out Cost-Benefit Analysis of Air Quality Related Issues, in particular in the Clean Air for Europe (CAFE) Programme". Internet: http://ec.europa.eu/environment/archives/air/cafe/ activities/pdf/ cba_baseline_results2000_2020.pdf

Fehrenbach, H., Giegrich, J., Mahmood, S. (2008): Beispielhafte Darstellung einer vollständi-gen, hochwertigen Verwertung in einer MVA unter besonderer Berücksichtigung der Klima-relevanz. Forschungsvorhaben FKZ 205 33 311 des Umweltbundesamtes. Heidelberg 2008.

Versteyl, A. (2008): Qualitätskontrolle durch Alarmwerte – Zum Verhältnis von Alarmwerten, Anforderungen an die Qualitätskontrolle und Grenzwerten. In: Versteyl, A., Thomé-Kozmiensky, K.J. (Hrsg.): Planung und Umweltrecht. Band 1, TK Verlag Neuruppin, 3-9.

Lahl, U. (2007): Techniken zur Emissionsminderung von Stickstoffoxiden. Vortrag auf dem HSE-Forum in Darmstadt am 05.09.2007.

Lahl, U. (2008): Neue Anforderungen an die Abgasreinigung – die 37. BImSchV. In: Thomé-Kozmiensky, K.J., Beckmann, M. (Hrsg.): Energie aus Abfall 4. TK Verlag Neuruppin

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B. Bilitewski, A.I. Urban, M. Faulstich (Hrsg.)

14. Fachtagung Thermische Abfallbehandlung

Energy from Waste – Zukunftsmärkte Europa

Dr. Jörg Zunft, Birgit Fröhlig

E.ON Energy from Waste AG

Helmstedt

Schriftenreihe des Fachgebietes Abfalltechnik Universität Kassel

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Jörg Zunft, Birgit Fröhlig

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1 Einführung

Gesetzliche Neuregelungen haben in den letzten Jahren für entscheidende Schritte zur Weiterentwicklung der europäischen Abfallwirtschaft und Umsetzung von neuen Tech-nologien und Konzepten gesorgt. Studien belegen, dass der Anspruch, eine hohe Recyclingquote zu erreichen, Innovationspotenziale bei der Abfallbehandlung stärkt und ein Umlenken der Abfallströme weg von der Deponie unterstützt. Wie „Der vierte Lagebericht 2007“ der European Environment Agency (EEA) zeigt, kommt es zu einer positiven Wechselwirkung zwischen Recycling und Verbrennung.

Zur Erreichung des Zieles „keine Ablagerung von unbehandelten Siedlungsabfällen“ führt an der Abfallverbrennung inzwischen kein Weg mehr vorbei. Diese Methode hat sich als bewährtes Verfahren für die sichere und umweltgerechte Behandlung und Ent-sorgung von Siedlungsabfällen erwiesen. Nicht zuletzt führen die Endlichkeit fossiler Energieträger, die erhöhte Nachfrage nach preisstabiler Energie sowie die CO2-Thematik zu einer zunehmenden Nachfrage nach alternativen Energiequellen. Vor diesem Hintergrund gewinnt der Aspekt der Energieerzeugung aus Abfall europaweit an Gewicht. Energy-fom-Waste-Konzepte werden somit zu einem zentralen Element der europäischen Abfallwirtschaft.

2 Europäischer Abfallverbrennungsmarkt

2.1 Rechtsrahmen

Den rechtlichen Rahmen für die Europäische Abfallwirtschaft bildet die EU-Abfall-rahmenrichtlinie (EU-AbfRRl). Daneben sind für die Abfallwirtschaft wichtige Rege-lungen beispielsweise in der EU-Abfallverbringungsverordnung, der EU-Deponiericht-linie, der EU-Abfallverbrennungsrichtlinie und der EU-Kraft-Wärme-Kopplungs-Richt-linie verankert. Insbesondere findet sich auch auf dieser übergeordneten europäischen Ebene das Ablagerungsverbot für unbehandelte Siedlungsabfälle, so wie es in Deutschland bereits weitgehend umgesetzt worden ist. 2008 wurde vom Europäischen Parlament eine wichtige Novelle zur Abfallrahmenrichtlinie angenommen, die nun als „A-Item“ ohne weitere Änderungen durch den Europarat verabschiedet wird. Danach haben alle Mitgliedsstaaten 2 Jahre Zeit zur Umsetzung. Aus strategischer Sicht sind vor allem folgende Eckpunkte relevant:

● eine neue 5-stufige Abfallhierarchie (Vermeidung, Wiederverwendung, stoffliche Verwertung, sonstige Verwertung, Beseitigung),

● Kriterien für die Bestimmung von Nebenprodukten (in Abgrenzung zum Abfall) und ● Kriterien für das Ende der Abfalleigenschaft sowie ● klare Vorgaben zur Abgrenzung der energetischen Verwertung von der bloßen

Beseitigung bei der Verbrennung von Siedlungsabfall.

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Energy from Waste – Zukunftsmärkte Europa

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Wiederverwendung und Recycling erhalten durch die neue 5-stufige Abfallhierarchie einen besonderen Stellenwert. Diese Hierarchie ist als flexibles guiding principle, also als Grundsatz, zu verstehen. Unternehmen dürfen von dieser Hierarchie nur abwei-chen, wenn sie klare Vorteile für Mensch und Umwelt nachweisen können. Die Verant-wortung der Produzenten über die gesamte Abfallhierarchie wurde festgeschrieben.

Abbildung 1: 5-stufige Abfallhierarchie in der Novelle zur EU-Abfallrahmenrichtlinie

Als energetische Verwertung ist nun die Verbrennung in Abfallverbrennungsanlagen anzusehen, wenn diese Energieeffizienzgrade (ermittelt mit der so genannten R1-Formel) von 0,6 (für vor dem 01.01.2009 genehmigte Anlagen) bzw. 0,65 (für nach dem 31.12.2008 genehmigte Anlagen) erfüllen. Diese Werte wurden in der Vergangen-heit mit dem Hinweis kritisiert, dass nur solche Anlagen sie erreichen werden, die nicht nur Strom, sondern auch Wärme zur Nutzung bereitstellen. An vielen Standorten ist jedoch die Lieferung von Wärme nicht möglich. Länder aus Südeuropa hatten die Werte abgelehnt, weil bei ihren Anlagen meistens keine Kraft-Wärme-Kopplung oder Abwärmenutzung vorgesehen sind. In Nordeuropa können die Anlagenbetreiber im All-gemeinen sowohl Wärme als auch Elektrizität liefern. Der Rat hat den Ansatz, den Bedenken der Anlagenbetreiber in südeuropäischen Ländern durch einen Klimafaktor Rechnung zu tragen.

Im Zusammenhang mit der Qualifizierung von Abfallverbrennungsanlagen als Verwer-tungsanlagen wurde im Beratungsverfahren (von einigen Mitgliedstaaten und auch im EU-Parlament) befürchtet, es könne zu einer verstärkten grenzüberschreitenden Verbringung von zur Verwertung deklarierten Siedlungsabfällen kommen. Um dem entgegenzuwirken, legt die Richtlinie nunmehr fest, dass „…die Mitgliedstaaten, falls notwendig und ratsam, ein integriertes Netz von Beseitigungsanlagen und Anlagen für die Verwertung von Hausmüll und mit diesem eingesammelten Siedlungsabfällen errichten…“ sollen. Dabei sollen die besten verfügbaren Techniken [European Comis-

sonstigeVerwertungsverfahren

(mit Abfallverbrennung)

umweltschonende Beseitigung

Recycling

Wieder-verwendung

Ver-meidung

Abfall

Erzeugnis

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umweltschonende Beseitigung

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sion 2005] zu berücksichtigen sein. Die für die Beseitigung von Abfällen geltenden Prinzipien der Entsorgungsautarkie und Entsorgungsnähe werden auf die Verwertung dieser Abfälle ausgeweitet. Für gemischte Siedlungsabfälle aus Haushaltungen gilt nun dasselbe Verbringungsregime wie bisher nur für Beseitigungsabfälle. Zudem können die Grundsätze der Autarkie und Entsorgungsnähe durch die Schaffung von Behand-lungskapazitäten für diese Abfälle ausgedehnt werden. Gleichzeitig stellt der jetzige Entwurf klar, dass nicht jeder Mitgliedstaat über die gesamte Palette von Anlagen zur endgültigen Verwertung unbedingt selbst verfügen muss. Insgesamt wird so der Schutz der nationalen Entsorgungsstrukturen auch für die Verwertung von Haushaltsabfällen gestärkt, auch wenn im Übrigen die Verwertung gefördert werden soll. Für Abfälle aus anderen Herkunftsbereichen sollen diese Regelungen nur gelten, wenn sie zusammen mit Haushaltsabfällen eingesammelt worden sind. Schließlich soll mit der Novelle auch festgelegt werden, dass jedes Mitgliedsland den Import von Abfällen beschränken kann, wenn dadurch eigene Abfallmengen auf der Deponie abgelagert werden müssten. Insoweit sollen die Vorschriften der aktuellen EU-Abfallverbringungs-verordnung durch eine Bestimmung der Abfallrahmenrichtlinie ergänzt werden.

Für die Einstufung eines Stoffes als Nebenprodukt sollen bestimmte Bedingungen defi-niert werden, wie beispielsweise die weitere Verwendung des Stoffes in einem Her-stellungsverfahren. Die aufgenommene Definition für Nebenprodukte ist zumindest kritisch zu sehen, da hier eine dritte Kategorie neben Abfällen und Produkten geschaf-fen wird, die zu Verwirrung oder neuen Schlupflöchern führen kann. Die Abfalleigen-schaft - und wo diese endet - ist eine weitere zentrale Frage. Die Abfalleigenschaft soll dann entfallen, wenn das Verwertungsverfahren beendet und die Umweltverträglichkeit des daraus entstandenen Produkts und des Verwertungsvorgangs an sich sicher-gestellt ist. Insgesamt entstehen durch die Weiterentwicklung der EU-AbfRRl günstige Rahmenbedingungen für einen weiteren Ausbau des Konzepts „Energy from Waste“.

2.2 Status Quo

Der Stand der Abfallentsorgung in den europäischen Ländern bewegt sich auf sehr unterschiedlichem Niveau. Mit den EU-Richtlinien und -Verordnungen zur Abfallwirt-schaft, zuletzt mit der Verabschiedung der Deponierichtlinie und Novellierung der Abfallrahmenrichtlinie wurde und wird weiterhin auf die Verantwortlichen in den Staaten der Europäischen Union Handlungsdruck ausgeübt. In einigen Staaten (D, NL, B, A, L, DK) wurden schon vor den europäischen Initiativen Abfallwirtschaftsgesetze erlassen, mit denen das Ziel verfolgt wurde, Abfälle zu vermeiden, zu verwerten, umweltgerecht zu behandeln und damit die Ablagerung unbehandelter Abfälle zu beenden. Andere Länder wie Großbritannien, Irland, Portugal, Spanien und Italien verfügen noch über eine Deponierungsrate von mehr als 50 Prozent.

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Deutlich weniger entwickelt als in diesen Ländern ist die Abfallwirtschaft in den neuen Mitgliedsstaaten der EU, in denen zwischen 80 und 100 Prozent der Abfälle deponiert werden. Ansätze zur Verwertung von Restabfällen sind in der Tschechischen Republik, in Lettland, der Slowakei, Slowenien, Ungarn, Estland und Polen zu erkennen. Die Sammellogistik ist annähernd flächendeckend eingeführt, jedoch fehlen Abfallbehand-lungsanlagen [Thomé-Kozmiensky 2007].

Die Beitrittsverträge mit den neuen Mitgliedern sehen vor, dass die Umweltanforde-rungen dort in absehbarer Zeit dieselben sein sollen wie in den alten Mitgliedsstaaten. Alle Beitrittsländer haben bereits im Beitrittsprozess in ihre Abfallwirtschaft investiert. Vor allem sind jedoch weitere Verwertungs- und Verbrennungskapazitäten mit europä-ischen Standards zu schaffen. Die zahlreichen vorhandenen Deponien sind auf den europäischen Standard zu bringen oder anderenfalls zu schließen. Es ist deshalb zu erwarten, dass es in den neuen Mitgliedsstaaten einen Innovationsschub auch und gerade in der Abfallwirtschaft geben wird.

2.3 Abfallaufkommen

Das Abfallaufkommen wird durch verschiedene Faktoren beeinflusst. Das Wirtschafts-wachstum, der demographische Wandel, der technologische Fortschritt sowie das Konsumverhalten sind nur einige, aber wesentliche Einflussgrößen. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass das Abfallaufkommen insbesondere mit der Bevölkerungszahl und der Entwicklung der Volkswirtschaften, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, gekoppelt ist. Bei diesen beiden Indizes wird Folgendes prognostiziert [ETCRW 2006]: Die Bevöl-kerungszahl soll von 2005 bis 2030 in den 15 alten EU-Staaten um 20 Millionen wach-sen, in den 10 neuen Mitgliedsstaaten dagegen um 5 Millionen sinken (Bulgarien und Rumänien wurden noch nicht berücksichtigt, da der Beitritt erst 2007 erfolgte). Dieses Gesamtwachstum der europäischen Bevölkerung von insgesamt 15 Millionen Einwoh-nern führt zu einer steigenden Anzahl von Haushalten. Die unterschiedliche Entwick-lung zwischen den alten und neuen EU-Mitgliedsstaaten zeigt sich auch bei der prognostizierten Entwicklung des länderspezifischen Bruttoinlandsprodukts. Während für die alten Mitgliedsstaaten eine jährliche Steigerung von 1,9 Prozent zwischen 2000 und 2030 vorausgesagt wird, geht die wirtschaftliche Entwicklung der neuen Mitglieds-staaten rasanter voran. Für diese Länder wird für den gleichen Zeitraum eine jährliche Steigerung von 3,7 Prozent prognostiziert.

Entsprechend dieser Indizes gehen aktuelle Prognosen von einem wachsenden Auf-kommen der gesamten Siedlungsabfälle aus. Die Angaben reichen bis zu 25 Prozent zwischen 2005 und 2020. Im Jahr 2004 hat jeder europäische Bürger durchschnittlich 520 kg Siedlungsabfall erzeugt. Dies entspricht einer Steigerung gegenüber 1995 von mehr als 10 Prozent. Bis 2020 wird ein weiterer Anstieg auf 680 kg pro Person prog-nostiziert. Dies entspricht einer Gesamtmenge von rund 340 Millionen Tonnen Sied-lungsabfall [ETCRW 2006, EEA 2008].

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Abbildung 2: Gesamtaufkommen an Siedlungsabfällen in den EU-27-Ländern 1995 und 2006 in kg pro Einwohner [EEA 2008]

Zwischen den alten und neuen Mitgliedsstaaten gibt es jedoch bedeutende Unter-schiede. Ein Bürger der alten Mitgliedsstaaten erzeugte im Jahr 2004 durchschnittlich 570 kg Siedlungsabfall, ein Bürger der neuen nur 335 kg. Aufgrund der prognosti-zierten Weiterentwicklung der Volkswirtschaften der neuen Mitgliedsstaaten sowie deren Verbrauchsmuster werden die Abfallmengen in den nächsten 15 Jahren wahr-scheinlich ansteigen und sich dem Niveau der alten Mitgliedsstaaten annähern.

Abbildung 3: Entwicklung des Siedlungsabfallaufkommens in den EU-15-Ländern von 2005 bis 2020 [ETCRW 2006]

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Wird davon ausgegangen, dass die Prognosen stimmen, steigt das Abfallaufkommen der alten EU-Mitgliedsstaaten zwischen 2005 und 2020 um rund 22 Prozent (Abb. 3). Die Steigerungsraten der einzelnen Länder sind dabei sehr unterschiedlich. Für die Niederlande wird beispielsweise ein Anwachsen um lediglich 3,7 Prozent, für Groß-britannien hingegen eine Steigerung um 27,1 Prozent prognostiziert [ETCRW 2006]. Rund 80 Prozent des Siedlungsabfallaufkommens dieser Staaten werden allein von fünf Ländern produziert: Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien und Spanien (Abb. 3).

Auch bei den neuen Mitgliedsstaaten gibt es zwei Staaten, die den größten Anteil des Siedlungsabfallaufkommens produzieren: Polen und Ungarn (Abb. 4). Für beide Länder wird zudem eine Steigerung des Aufkommens von mehr als 60 Prozent zwischen 2005 und 2020 prognostiziert [ETCRW 2006].

Abbildung 4: Siedlungsabfallaufkommen in den EU-10-Ländern von 2005 bis 2020 [ETCRW 2006]

Wie am Anfang des Abschnittes erwähnt, gibt es eine Vielzahl an Einflussgrößen für das Abfallaufkommen. Inwiefern diese bis zum Jahr 2020 so prognostiziert werden können, um entsprechend realistische Ableitungen für die Entwicklung des Abfallauf-kommens zu treffen, ist fraglich. Bei der Entwicklung des Potenzials des europäischen Abfallverbrennungsmarktes sollte daher aus unserer Sicht eher von einer geringeren Steigerung des Siedlungsabfallaufkommens ausgegangen werden. Zudem darf die Entwicklung bei den Gewerbeabfällen nicht außer Acht gelassen werden. Verlässliche Zahlen zum Aufkommen dieser Abfallarten sind leider nicht verfügbar. Wird eine Quote

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von 40 bis 60 Prozent am Gesamtaufkommen angenommen, ist dies eine nicht zu ver-nachlässigende Größenordnung. Insbesondere aufgrund der steigenden Rohstoff-preise, wird hier zukünftig von verstärkten Bemühungen beim Recycling und der Wiederverwertung auszugehen sein, was auch aufgrund der Weiterentwicklung ent-sprechender Technologien zu einem sinkenden Gewerbeabfallkommen führen sollte.

Es bleibt zudem abzuwarten, welchen Einfluss die in 2008 verabschiedete novellierte EU-Abfallrahmenrichtlinie auf das Abfallaufkommen haben wird. Sämtliche Prognosen und Studien wurden vor Verabschiedung der Richtlinie erstellt. Nach der zweijährigen Umsetzungsfrist für alle Mitgliedsstaaten wird sich zeigen, ob die an erster Stelle der Abfallhierarchie stehende Vermeidung entsprechend Wirkung zeigt, sowie steigende Recyclingquoten erreicht werden konnten und somit zu einem stagnierenden oder gar rückläufigen Abfallaufkommen führen wird. Viel wird davon abhängen, ob die einzelnen Mitgliedsstaaten die gesetzlichen EU-Regelungen in ihre nationalen Abfallwirtschafts-pläne überführen und zeitnah umsetzen werden.

2.4 Abfallbehandlung

Auch bei der Abfallbehandlung gibt es erhebliche Unterschiede. Die Ablagerung von Abfällen auf Deponien – die am wenigsten wünschenswerte Umweltoption in der Abfallwirtschaftshierarchie – ist nach wie vor der gängigste Entsorgungsweg in Europa. Auch wenn in den vergangenen zwei Jahrzehnten einige Anstrengungen unternommen wurden, wird ein wesentlicher Teil der Siedlungsabfälle noch auf Deponien abgelagert. Im Jahr 2004 waren dies insgesamt noch 47 Prozent der gesamten Siedlungsabfälle der EU. Im Vergleich zu 1995 bedeutet dies eine Abnahme der Deponierung um 15 Prozent. Bis 2020 wird eine weitere Reduzierung der Deponierungsrate auf rund 35 Prozent erwartet [EEA 2008].

Gemäß der Deponierichtlinie haben sich die EU-Mitgliedsstaaten verpflichtet, das Ent-stehen von Methangas in Deponien zu verhindern und somit einen Beitrag zum Klima-schutz zu leisten. Daher verlangt die Richtlinie eine deutliche Reduzierung der Ablage-rung von organischen Abfällen. Bezogen auf das Jahr 1995 soll die Ablagerung von biologisch abbaubaren Siedlungsabfällen bis zum Jahr 2006 um 25 Prozent, bis zum Jahr 2009 um 50 Prozent und bis zum Jahr 2016 um 65 Prozent verringert werden.

Die Abbildung 5 zeigt deutlich die unterschiedliche Ausprägung der Abfallbehand-lungsmethoden für Siedlungsabfälle in den europäischen Staaten. Einige Länder – die Schweiz, die Niederlande, Schweden, Dänemark und Belgien – haben bereits eine sehr niedrige Deponierungsrate, insbesondere für die Siedlungsabfälle aus Haus-haltungen, erreicht. In den gleichen Ländern, aber auch in Frankreich und Deutschland, übernimmt die Abfallverbrennung einen wesentlichen Part bei der Abfallbehandlung. Die Steigerung des Anteils der Abfallverbrennung ist in den meisten Ländern mit einem

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einhergehenden Ablagerungsverbot für Siedlungsabfälle verbunden. Österreich, die Niederlande, Belgien, Schweden, Dänemark und Deutschland haben bereits heute die vorgegebenen Ziele für 2016 der Deponierichtlinie erfüllt.

Abbildung 5: Anteil an Deponierung und Recycling im Vergleich zum Anteil an Verbrennung mit Energierückgewinnung von Siedlungsabfällen im Jahr 2005 [EEA 2007]

Ein zunehmender Anteil der Siedlungsabfälle wird wiederverwertet oder kompostiert. Die Recyclingquote soll laut der European Environment Agency von 36 Prozent euro-paweit bis zum Jahr 2020 auf 42 Prozent gesteigert werden. Rund 17 Prozent der Siedlungsabfälle wurden 2004 durch Müllverbrennung entsorgt. Bei dieser Behand-lungsmethode wird bis 2020 eine Steigerung auf rund 25 Prozent prognostiziert. Dieser Trend wird sich fortsetzen und zu einem weiteren Ausbau der Behandlungskapazitäten führen.

Neun der alten EU-Mitgliedsstaaten entsorgen bereits mehr als 20 Prozent der Sied-lungsabfälle durch Verbrennung. Dies entspricht einer installierten Verbrennungs-kapazität von rund 50 Millionen Tonnen im Jahr 2005. Dem stehen jedoch circa 200 Millionen Tonnen an verbrennbaren Siedlungsabfällen gegenüber.

In den neuen Mitgliedsstaaten ist das Defizit an Behandlungskapazitäten deutlich größer. In Polen steht derzeit nur eine Abfallverbrennungsanlage zur Verfügung, in der Slowakei zwei und in Tschechien drei Anlagen. Rumänien und Bulgarien verfügen über keine Abfallverbrennungsanlagen. Wird dies verglichen mit der aktuellen Anzahl von rund 80 Anlagen mit einer jährlichen Kapazität von rund 18,5 Millionen Tonnen allein in Deutschland, wird das große Potenzial insbesondere in diesen Ländern sehr deutlich.

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Studien von Frost & Sullivan [2008] zufolge werden die Kapazitäten an Abfallver-brennungsanlagen in den nächsten zehn Jahren voraussichtlich um weitere 13 Millionen Tonnen anwachsen. Bei einer durchschnittlichen Behandlungskapazität von 200.000 Tonnen jährlich entstehen somit mehr als 60 neue Anlagen, was einem Investitionsvolumen von mehr als 7 Milliarden Euro entspricht.

Ein Ausbau der Abfallverbrennung hemmt nicht die weitergehende Abfallvermeidung und steht einer Fortentwicklung der europäischen Abfallwirtschaft nicht entgegen. Nach der vorgesehenen Abfallhierarchie in der EU-Abfallrahmenrichtlinie gilt: Abfallver-meidung hat Vorrang vor der Verwertung (stofflich und thermisch) und der Beseitigung. Die thermische Verwertung der Abfälle ist ein anerkannter und unverzichtbarer Bestandteil einer nachhaltigen Abfallwirtschaft. Da in einer Konsumgesellschaft zwangsläufig Abfälle entstehen, ist als letzte Stufe der Abfallhierarchie die thermische Beseitigung solcher Abfälle, die nicht anderweitig umweltverträglich verwertbar sind, auch künftig notwendig und sinnvoll. Die Vermeidung von Konsumabfällen ist – nach aller Erfahrung der letzten Jahrzehnte – mittels der Abfallgesetzgebung nur bedingt möglich. Die Wahl technischer Verfahren der (Rest-)Abfallentsorgung beeinflusst das Konsumverhalten der Bevölkerung nicht. Restabfälle, die in die Verbrennung gehen, würden auch ohne thermische Abfallentsorgung in gleicher Menge anfallen; sie müssten dann deponiert werden.

Ein weiterer Aspekt ist ein wirtschaftlicher: Wenn weiterhin die mit weniger Kosten ver-bundene und somit „billigere“ Deponierung als Entsorgungsvariante wählbar ist, besteht für Produzenten und Verbraucher kein Anreiz, Abfälle zu vermeiden, zu redu-zieren oder zu recyceln. Erst durch die technologisch aufwändige und somit kosten-intensivere Abfallverbrennung als einzig sinnvolle Entsorgung für Restabfälle wird ein wirtschaftlicher Anreiz geschaffen, neue und alternative Wege und Technologien mit dem Ziel der Abfallvermeidung und Wiederverwertung zu nutzen. Verstärkt wird dieser Effekt durch steigende Preise an den Rohstoffmärkten. Insgesamt zeigt dies, dass sich Abfallvermeidung bzw. Recycling und Abfallverbrennung nicht widersprechen, sondern sich in ihrer Wirkung ergänzen.

Die Situation in Ländern mit fortschrittlichen Entsorgungskonzepten bestätigt dies: Länder, in denen in Relation viel Abfall verbrannt wird, erzielen auch die höchsten Quoten in der stofflichen Verwertung. Dies liegt in der jeweiligen nationalen Abfallpolitik begründet, wie sie mehrere Länder – etwa die Niederlande, die Schweiz, Frankreich, Belgien, Luxemburg, Deutschland und die skandinavischen Länder – verfolgen. Diese Länder verwerten viele Abfälle stofflich oder energetisch, weil dort die Ablagerung auf Deponien als kostengünstigster Entsorgungspfad stark eingeschränkt – etwa durch eine Besteuerung – oder sogar verboten ist.

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2.5 Energienutzung

Jede aus Siedlungsabfällen gewonnene und genutzte Energie ersetzt fossile Energie-träger und schont natürliche Ressourcen. Darüber hinaus trägt die energetische Nutzung von Abfällen aktiv zum Klimaschutz bei, da der Energiegehalt der Siedlungs-abfälle zu mehr als 50 Prozent aus biogenem Anteil besteht und die somit aus diesem Anteil genutzte Energie weitgehend CO2-neutral erzeugt wird.

Aus einer Tonne Siedlungsabfall können abhängig von verschiedenen Faktoren zwischen 0,3 und 0,7 MWh elektrische Energie erzeugt werden. Bei Kraft-Wärme-Kopplung sind zusätzlich zwischen 1,25 und 1,5 MWh Dampf nutzbar.

Laut einer Untersuchung der Confederation of European Waste-to-Energy Plants (CEWEP) wurden in den europäischen Abfallverbrennungsanlagen rund 26 TWh elek-trische Energie und 50 TWh Dampf erzeugt. Für 2020 prognostiziert CEWEP eine Steigerung auf rund 51 TWh elektrische Energie und 85 TWh Dampf [CEWEP 2008].

2.6 Ausgewählte Länder und Märkte

Stellvertretend für die gesamte EU soll hier anhand von sechs Ländermärkten ein kurzer Überblick über Trends und Perspektiven gegeben werden.

Niederlande

In den Niederlanden bestehen verlässliche Rahmenbedingungen, der Abfall- und Energiemarkt sind entwickelt. Der Entsorgungsmarkt in den Niederlanden bietet aktuell gute Rahmenbedingungen zum Ausbau der Behandlungskapazitäten. In den Nieder-landen herrscht nach nationalem Recht ein generelles Deponierungsverbot für brenn-bare Abfälle (32 Abfallarten). Diese Abfälle dürfen nur noch ausnahmsweise, unter Zahlung einer Deponiesteuer, abgelagert werden. Dieses Ablagerungsverbot wurde 2005 auf weitere Abfallarten erweitert. Zuzüglich zu der Steuer muss ein Deponie-entgelt vom Abfallerzeuger gezahlt werden. Daraus ergibt sich ein Marktpreisniveau in vergleichbarer Größenordnung wie in Deutschland.

In den Niederlanden fallen jährlich rund 9,8 Millionen Tonnen brennbare Abfälle an, denen im Jahr 2008 Verbrennungskapazitäten im Umfang von etwa 7 Millionen Jahrestonnen in 11 Anlagen gegenüber stehen [Senter Novem 2006]. Dieses Defizit wurde durch Export von Abfällen, insbesondere nach Deutschland (vor 2005 bis zu 3,5 Millionen Tonnen im Jahr), ausgeglichen. Hierbei handelte es sich vorrangig um auf-bereitete Sekundärabfälle. Aufgrund des Auslaufens der Übergangsfristen der TASi zum 1. Juni 2005 sind jedoch die Anlagen in Deutschland ausgelastet und ein Export nicht mehr möglich. Exporte in weiter östlich gelegene Länder werden wegen der dorti-gen zum Teil bestehenden Importverbote, der fehlenden Verbrennungskapazitäten und der großen Transportentfernungen nur eingeschränkt in geringem Umfang möglich

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sein. Zudem kommt aufgrund des Entsorgungsprinzips der Nähe für Siedlungsabfälle nur der Export für Gewerbeabfälle in Frage. Von niederländischen Betreibern sind daher Neubauten und Anlagenerweiterungen bis 2010 in Höhe von rund 1 Million Tonnen Verbrennungskapazität geplant.

In den Niederlanden besteht (noch) eine zeitlich befristete Genehmigung zur Nutzung vorhandener Deponien. Für den Entsorger besteht durch die Deponiesteuer in Höhe von 89,71 €/Mg (ab 01.01. 2009) kein wirtschaftlicher Vorteil im Vergleich zur thermi-schen Behandlung. Marktstrukturen und -mechanismen des Energie- und Abfall-marktes in den Niederlanden funktionieren wie in Deutschland. Für die Behandlung von kommunalen Restabfällen werden in den Niederlanden vorwiegend Abfallverbren-nungsanlagen eingesetzt. Die Auslastung der niederländischen Abfallverbrennungs-anlagen erfolgt wie in Deutschland über langfristige Entsorgungsverträge mit den kommunalen Entsorgungsträgern und privaten Entsorgungsdienstleistern.

Großbritannien

Der entwickelte Markt in Großbritannien bietet für Investoren verlässliche Rahmen-bedingungen. Kommunale Behörden müssen Entsorgungsdienstleistungen zur Errei-chung der EU-Vorgaben und der nationalen Zielvorgaben ausschreiben. Die Energie-erzeugung aus Abfall ist zentrales Element der öffentlichen Abfallwirtschaftsplanung. Durch die notwendige Anpassung an EU-Richtlinien besteht großer Kapazitätsbedarf. Die kommunalen Entsorgungsträger sichern sich die Entsorgungsdienstleistungen wie in Deutschland über langfristige Verträge.

Das Aufkommen des thermisch zu behandelnden/verwertenden Abfalls (nach obligato-rischer Vorbehandlung des Hausmülls und Gewerbe-/Industrieabfalls) beträgt 20-25 Millionen Tonnen pro Jahr [AEA Energy & Environment 2007]. Heute existieren bereits Verbrennungskapazitäten im Umfang von 4,5 Millionen Tonnen pro Jahr. Hinzu kommen fest geplante Anlagen mit einer Jahreskapazität von etwa 1,5 Millionen Tonnen. Insgesamt ergibt sich damit eine gesicherte Gesamtkapazität der Abfall-verbrennungsanlagen von rund 6 Millionen Tonnen pro Jahr [North East Lincolnshire Council 2005]. Damit müssen noch weitere Anlagen für einen Kapazitätsbedarf von 15 bis 19 Millionen Jahrestonnen errichtet werden. Wird vorsichtigerweise von einer verbleibenden Kapazitätslücke von etwa 15 Millionen Tonnen jährlicher Behandlungs-kapazität ausgegangen, müssten noch etwa 50 große Anlagen mit einer Kapazität von 300.000 Jahrestonnen errichtet werden. Zusätzlicher Handlungsdruck entsteht durch eine „Strafsteuer“ für die Deponierung von Siedlungsabfällen, die bis 2010 progressiv ansteigt.

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Wird unterstellt, dass die prognostizierten Entwicklungen beim Abfallaufkommen zutreffen, die im Vergleich zu anderen EU Staaten extreme Steigerungsraten enthalten, sind neben der Schaffung der genannten Behandlungskapazitäten erhebliche Anstren-gungen notwendig, das Abfallaufkommen durch entsprechenden Vermeidungs- und Recyclingmaßnahmen zu reduzieren oder konstant zu halten.

Luxemburg

Die Abfallwirtschaft in Luxemburg richtet sich weitgehend nach den Standards in Deutschland aus. Neben der EU-Deponierichtlinie werden keine weiteren Vorgaben für die Abfallablagerung erlassen. Insofern ist eine Ablagerung von unvorbehandelten Siedlungsabfällen weiterhin möglich, falls die Reduktion des organisch abbaubaren Anteils nach EU-Deponierichtlinie nachgewiesen wird.

In Luxemburg werden die Siedlungsabfälle von 3 Zweckverbänden entsorgt. Ein Teil der Abfälle aus dem industriellen und gewerblichen Bereich wird in Wallonien und in Deutschland entsorgt. Der größte Zweckverband, die SIDOR (Entsorgungsgebiet: 303.000 Einwohner) ist Eigentümer der MVA in Leudelange. Die anderen beiden Zweckverbände SIGRE (Entsorgungsgebiet: 54.000 Einwohner) und SIDEC (Entsorgungsgebiet: 94.000 Einwohner) betreiben Deponien und werden künftig MBA-Lösungen realisieren. Ein Teil der heizwertreichen Fraktion aus den MBA soll in die MVA nach Leudelange gelangen. Die Verbände wollen die Reduktion des organischen Anteils nach EU-Deponierichtlinie über die getrennte Erfassung und Verwertung der Bioabfälle sowie über relativ einfache MBA erreichen.

Polen

In Polen entstehen jährlich 11,8 Millionen Tonnen Siedlungsabfälle sowie rund 2 Milli-onen Tonnen Abfälle aus Industrie und Gewerbe. Hinzu kommen 3,5 Millionen Tonnen verwertete Verpackungsmaterialien [Prognos 2008]. Davon sind etwa 0,7 Millionen Tonnen für die Verbrennung geeignet. Bereits heute erfolgt anteilig eine thermische Verwertung (Mitverbrennung). 90 Prozent des Siedlungsabfallaufkommens werden jedoch noch deponiert. Rund 1.000 kommunale Deponien werden derzeit in Polen betrieben. Davon müssen bis zum Jahr 2012 rund 780 Deponien rekultiviert sowie weitere an die Standards der EU angepasst werden. Bis 2015 soll das Volumen der deponierten Abfälle auf die Hälfte reduziert werden.

Mit der Umstellung der Abfallwirtschaft auf die Wertstoffrückgewinnung und die Behandlung/Verwertung von Abfällen wird die Errichtung von entsprechenden Abfall-behandlungsanlagen mit einer Kapazität von rund 4 Millionen Tonnen bis 2010 erfor-derlich. Im Jahr 2015 soll die Kapazität bereits 7 Millionen Tonnen betragen. Derzeit wird lediglich eine Abfallverbrennungsanlage in Warschau betrieben, die rund 80.000 Tonnen Kommunalabfälle aus Warschau verbrennt. Die polnische Regierung hat sich im Abfallwirtschaftsplan eindeutig zur thermischen Behandlung bekannt und gibt die

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Abfallverbrennung bei großen Gebietskörperschaften als die Regelentsorgungsanlage vor. Weiterer Handlungsdruck wird aus einer progressiven Deponiesteuer in Höhe von aktuell knapp 75 PLN/Tonne (derzeit rund 20 €) entstehen. Dies erhöht zwar die im Vergleich mit Deutschland oder den Niederlanden noch sehr niedrigen Entsorgungs-preise, aber Abfallverbrennungsprojekte können derzeit in Polen noch nicht wirtschaft-lich erfolgreich umgesetzt werden.

Im Gegensatz zu den meisten europäischen Ländern besteht gemäß dem polnischen Abfallgesetz keine Überlassungspflicht für Abfälle gegenüber den Kommunen. Das heißt, die Bürger können ein Entsorgungsunternehmen ihrer Wahl beauftragen. Dies führt dazu, dass in Polen keine langfristigen Entsorgungsverträge mit kommunalen Entsorgungsträgern geschlossen werden können. Zur Sicherung der Anlagenaus-lastung sind hier andere Geschäftsmodelle zu entwickeln.

Belgien

Belgien gliedert sich rechtlich und auch abfallwirtschaftlich in die Landesteile Flandern (Annäherung an niederländische Standards) und Wallonien (Annäherung an franzö-sische Standards). In Flandern besteht ein ökonomischer Zwang zur Vorbehandlung vor Ablagerung durch die Erhebung einer Steuer auf fossile Brennstoffe sowie einer Deponiesteuer. In Wallonien bestand bis vor kurzem kein Zwang zur Vorbehandlung vor Ablagerung. Zum 01.01.2008 wurde die Ablagerung von unbehandelten Siedlungs-abfällen, Stahlwerksstäuben, nicht gefährlichen Krankenhausabfällen und nicht verfes-tigten Emulsionen und Schlämmen verboten. Einem Abfallaufkommen von 4,7 Millio-nen Tonnen stehen in Belgien jährlich rund 2,4 Millionen Tonnen Behandlungs-kapazitäten gegenüber.

Tschechien

In Tschechien fallen jährlich rund 3,4 Millionen Tonnen Siedlungsabfälle an, die zum großen Teil (82 Prozent) deponiert werden. Dem stehen derzeit etwa 0,6 Millionen Tonnen Verbrennungskapazitäten (MVA Brno, MVA Liberec, MVA Praha) gegenüber. Das Land verfügt derzeit noch über eine Vielzahl an nicht EU-konformen „Bürger-meisterdeponien“, für die Annahmepreise in einer Größenordnung von 15 Euro pro Tonne sowie eine Abfallabgabe in gleicher Größenordnung zu zahlen sind. Die Depo-niepreise für EU-konforme Deponien liegen derzeit bei rund 50 Euro pro Tonne (30 Euro pro Tonne Deponieentgelt und 20 Euro pro Tonne Abfallabgabe).

2003 wurde ein nationaler Abfallwirtschaftsplan verabschiedet, der die Schließung aller nicht EU-konformen Deponien bis spätestens Ende 2009 vorsieht. Wird berücksichtigt, dass im Jahr 2006 noch mehr als 70 Prozent der Siedlungsabfälle deponiert wurden, ist fraglich ob Tschechien seine Ziele erreichen wird. Zudem ist erst für 2013 eine deut-liche Erhöhung der Deponiegebühr auf rund 1.500 CZK pro Tonne (60 Euro) vorge-sehen.

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Energy from Waste – Zukunftsmärkte Europa

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Der Bedarf an Behandlungskapazitäten wurde in dem nationalen Abfallwirtschaftsplan auf etwa 1,4 Millionen Tonnen pro Jahr festgelegt. Auf Grund der zeitlichen Vorgaben des nationalen Abfallwirtschaftsplanes ist der Bau von Abfallverbrennungsanlagen wahrscheinlich erst ab 2009/2010 realistisch. Sehr wohl muss im Vorfeld die Zeit zur Standortfindung, Klärung der genehmigungsrechtlichen Situation und Mengen-sicherung genutzt werden.

3 Zusammenfassung

Gemäß der europäischen Abfallhierarchie hat die Abfallvermeidung Vorrang vor der Verwertung und der Beseitigung. Die Abfallverbrennung hat dabei keinen negativen Einfluss auf die Abfallvermeidung und Recycling, im Gegenteil, sie ist unverzichtbarer Bestandteil einer nachhaltigen Abfallwirtschaft. Ihre Aufgabe ist primär, die nicht ver-miedenen und nicht verwerteten Abfälle schadlos und ordnungsgemäß zu entsorgen. Die Abfallverbrennung leistet also langfristig und vor allem umweltfreundlich Entsor-gungssicherheit für die Abfälle, die nicht vermeid- und wieder verwertbar oder nicht recyclingfähig sind.

Zur Erreichung der europäischen Ziele hinsichtlich Abfallvermeidung, Senkung der Deponierungs- und Erhöhung der Recyclingquoten sind weiterhin erhebliche Anstren-gungen notwendig, insbesondere setzt dies die Überführung in die nationalen Gesetz-gebungen der Mitgliedsstaaten voraus.

Die veränderten Rahmenbedingungen führen zu einem Entwicklungsschub und zur Entwicklung neuer Märkte. Aus dem gleichzeitigen Fehlen von geeigneten Behand-lungskapazitäten ergibt sich ein erhebliches Potenzial für die Abfallverbrennung.

Die Nutzung der im Abfall enthaltenen Energie spart zudem fossile Brennstoffe und ist somit ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz und zur Schonung der natürlichen Ressourcen. Langfristig wird sich deshalb die Verbrennung als einzige Möglichkeit der wirtschaftlichen Vorbehandlung von Abfällen in Europa durchsetzen, was eine weitere Steigerung des Anteils der Abfallverbrennung an den Behandlungsmethoden zur Folge haben wird.

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Jörg Zunft, Birgit Fröhlig

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4 Literaturquellen

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CEWEP (2008): The renewable energy contribution of „Waste to Energy“ across Europe, Confederation of European Waste-to-Energy Plants.

EEA – European Environment Agency (2007): Die Umwelt in Europa – Der vierte Lagebericht.

EEA – European Environment Agency (2008): Diverting waste from landfill. Effectiveness of national waste policies in selected countries related to the Landfill Directive.

EEA – European Environment Agency (2008): EEA Briefing 01/2008. Weniger Treibhausgasemissionen durch bessere Siedlungsabfallwirtschaft.

ETCRW – European Topic Center on Resource and Waste Management (2006): Environmental outlooks: Municipal waste.

European Comission (2005): Draft Reference Document on the Best Available Techniques for Waste Incineration, BREF/BAT Waste Incineration for Integrated Pollution Prevention and Control (IPPC), Final Draft , EIPPC Bureau , Sevilla 2005.

Frost & Sullivan (2008): Internet www.frost.com: http://www.frost.com/prod/servlet/press-release.pag? docid=119872593.

North East Lincolnshire Council (2005): No Time to Waste Consultation - Appendix 1 to the Strategy for Managing Municipal Waste in North East Lincolnshire.

Prognos AG (2008): Der Abfallmarkt in Deutschland und in ausgewählten Ländern in Europa, Prognos AG, Düsseldorf 2008.

Senter Novem (2006): Afvalverwerking in Nederland, Werkgroep Afvalregistratie, Utrecht 2006.

Thomé-Kozmiensky, K.J. (2007): Restabfallentsorgung in Europa. In: Andrea Versteyl, Thomé-Kozmiensky, K.J (Hrsg.): Texte zur Abfall- und Energiewirtschaft, Band 3“. Neuruppin: TK-Verlag Karl Thomé-Kozmiensky, 2007.

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B. Bilitewski, A.I. Urban, M. Faulstich (Hrsg.)

14. Fachtagung Thermische Abfallbehandlung

Thermische Abfallbehandlung in Bayern – gestern, heute, morgen

Dr. Norbert Brückl

Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit

München

Schriftenreihe des Fachgebietes Abfalltechnik Universität Kassel

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Norbert Brückl

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1 Rückblick

Angesichts wilder Müllkippen mit absehbar langfristigen Konsequenzen für Mensch und Umwelt hat sich Bayern frühzeitig für ein integriertes Entsorgungskonzept mit dem wesentlichen Teilschritt thermische Abfallbehandlung entschieden. Bereits 1963 nahm in Rosenheim die erste Anlage den Betrieb auf.

Die Abfallverbrennung war damals die einzige technisch sicher belastbare Techno-logie. Überzeugende Argumente waren – im Originalton wiedergegeben – unter anderem, dass

● die Schadstoffe in hohem Maße zerstört oder aufkonzentriert und somit einer gezielten Weiterbehandlung zugänglich gemacht werden,

● die Wertstoffe wie Schrott und Schlacke erschlossen werden, ● das Restmüllvolumen auf rund 10 % reduziert und damit wertvoller Deponieraum

geschont wird und ● das Energiepotenzial des Restmülls weitestgehend genutzt wird.

Mit Verknappung der Deponievolumina und fehlenden Behandlungseinrichtungen schlitterte auch Bayern vor rund 20 Jahren in den Entsorgungsnotstand. Wie kaum ein anderes Umweltthema stand nun die Abfallentsorgung im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Schnelle und wirksame Maßnahmen zur Verringerung des Abfallauf-kommens und zur Entlastung der kommunalen Behandlungsanlagen und Deponien waren gefordert.

Zugleich wurde um die Entsorgungswege höchst emotional gestritten. Die Bürger-bewegung „Das bessere Müllkonzept“ wollte unter anderem auf die thermische Abfall-behandlung weitgehend verzichten, unterlag jedoch im Volksentscheid vom Februar 1991. Der Gesetzes-Entwurf des Landtags setzte sich relativ knapp mit etwa 53 % der abgegebenen Stimmen durch. Die Kontinuität der bayerischen Abfallwirtschaftspolitik wurde nicht unterbrochen.

Allerdings enthielt nun die Novelle des Bayerischen Abfallwirtschaftsgesetzes (BayAbfG) bislang nicht gekannte Einschränkungen. Insbesondere die finanzielle För-derung des Freistaates zur Errichtung thermischer Abfallbehandlungsanlagen wurde rigoros gestrichen. Vermeidung und Verwertung erhielten explizit absolute Priorität.

Seit Februar 1991 können nur noch in Ausnahmefällen Maßnahmen gefördert werden, die der Erforschung oder Erprobung neuer Technologien für die Behandlung oder Ablagerung von Abfällen dienen. In Errichtung befindliche Anlagen und Ofenlinien bekamen Bestandsschutz.

Mitte der 90er Jahre waren Hol- und Bringsysteme, Recyclinghöfe und ähnliche nahezu flächendeckend installiert und ausreichend Kapazitäten für die Behandlung und Abla-

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Thermische Abfallbehandlung in Bayern – gestern, heute, morgen

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gerung der kommunalen Abfälle verfügbar. Der Vorwurf von „Das bessere Müll-konzept“, die Verbrennung würde Vermeidung und Verwertung behindern, wurde durch die Realität widerlegt.

Die dramatische Abnahme der Restabfallmenge (1991 etwa 4,2 Mio., 2004 etwa 2,3 Mio. Mg/a) ist insbesondere auf die überproportionale Abnahme der überlassungs-pflichtigen Gewerbeabfälle (1991 etwa 1,5 Mio., 2004 etwa 0,28 Mio. Mg/a) zurück-zuführen. Die Abfälle aus Haushaltungen hingegen stagnierten bereits seit Mitte des letzten Jahrzehnts. Freie Kapazitäten (rund 0,6 Mio. Mg/a) wurden mit akquirierten Abfällen zur energetischen Verwertung aufgefüllt (Kostendeckungsbeitrag, Gebühren-stabilität).

Insgesamt hat sich in den letzten Jahren nahezu ein Gleichgewicht eingestellt, das auch durch die Umsetzung der Abfallablagerungs-Verordnung (AbfAblV) im Juni 2005 nicht mehr nennenswert gestört wurde. Ebenso ist die Anzahl der Entsorgungseinrich-tungen seit vielen Jahren nahezu konstant.

Heute stehen einschließlich kommunaler Anlieferungen aus Baden-Württemberg und Österreich (etwa 80.000 Mg/a) rund 2,4 Mio. Mg/a an Haus- und Sperrmüll sowie rund 3,0 Mio. Mg/a an Gewerbeabfällen zur Beseitigung dauerhaft belastbare Verbren-nungskapazitäten gegenüber. Nach vorliegenden Prognosen sind auch in den nächs-ten Jahren keine nennenswerten Änderungen zu erwarten (Abb.1).

Abbildung 1: Mengenentwicklung und Prognose

2.388.000 2.237.0002.322.000

1.842.000 1.791.0001.799.000

215.000 195.000205.000251.000318.000312.000

0

500.000

1.000.000

1.500.000

2.000.000

2.500.000

3.000.000

3.500.000

4.000.000

4.500.000

1991

1993

1995

1997

1999

2001

2003

2005

2007

2009

2011

2013

2015

2017

2019

2021

Mg/a

Restmüll gesamt

Hausmüll

Sperrmüll

Gewerbeabfälle

Prognose BIfAAbfallbilanzen

ZwischenlagerungGewerbeabfälle

Prognos 2010Büchl Consult 2008

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Norbert Brückl

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Mit 16 thermischen Abfallbehandlungsanlagen, einer Sonderabfallverbrennungsanlage und ausreichend Deponievolumen für alle Abfälle ist Bayern auch für die Zukunft gut ausgestattet.

Die mechanisch biologische Vorbehandlung spielt in Bayern keine Rolle. Nur eine klei-ne Anlage setzt jährlich rund 40.000 Mg durch, wovon die heizwertreiche Fraktion (rund 18.000 Mg/a) in einer bayerischen MVA verbrannt wird.

2 Abfallwirtschaftspolitik – Vorgaben und Aktivitäten

Ziel war der konsequente Ausbau mit ökologisch und ökonomisch verantwortbaren Entsorgungseinrichtungen zur Verwertung, Behandlung und Ablagerung von Abfällen. Die sichere Entsorgung war und ist zu garantieren. Mit finanziellen Zuwendungen zur Errichtung der Anlagen und Maßnahmen zur Akzeptanzförderung (Broschüren, Studien und ähnliches) sollten die Kommunen zu einer zügigen Umsetzung angehalten werden.

Bis zum Förderungsverbot 1991 (Art. 23. BayAbfG) einschließlich der Vertrauens-schutzfälle wurden grob geschätzt etwa 1 Mrd. € für die thermische Abfallbehandlung ausgereicht.

Ebenso sollten die Vorgaben der 17. BImSchV, der TASi und danach der AbfAblV frühestmöglich umgesetzt werden. Insbesondere die lange Übergangsfrist der TASi von 12 Jahren wurde immer wieder moniert.

Einer ungerechtfertigten Benachteiligung der thermischen Abfallbehandlung wurde, soweit bundespolitisch durchsetzbar, entgegengewirkt. Kurz nach Inkrafttreten des KrW-/AbfG hat der Freistaat im Herbst 1996 die thermischen Abfallbehandlungs-anlagen als energetische Verwertungsanlagen anerkannt. Der Akquisition und Annahme frei handelbarer Abfälle zur energetischen Verwertung und damit der Aus-lastung der Anlagen im Sinne des Gebührenzahlers stand somit nichts entgegen.

Die angestrebte Entsorgungsautarkie und deren Erhalt waren bereits im Abfallwirt-schaftplan 2001 (AbfPV) fixiert. Freie Kapazitäten können, sofern die Entsorgungs-sicherheit nicht gefährdet ist, über die Landesgrenzen hinweg angeboten werden.

Der Paradigmenwechsel in den letzten Jahren fand seinen Niederschlag in landes-rechtlichen Vorgaben. Eine gemeinwohlverträgliche, energieoptimierte und wirtschaft-liche Betriebsweise der thermischen Abfallbehandlungsanlagen ist nun auch in der Novelle des Abfallwirtschaftsplans niedergelegt.

Mitte letzten Jahres wurde ein 10-Punkte-Programm für intelligente Energiepolitik und eine Anpassungsstrategie an den Klimawandel vorgegeben. Darin ist auch eine Ver-doppelung der erneuerbaren Energien am Endenergieverbrauch von heute 10 auf 20 % bis 2020 enthalten. Im Verlauf der Diskussion wurde die Abfallwirtschaft in das begleitende Förderprogramm einbezogen. Bis 2011 stehen der Abfallwirtschaft für klimawirksame Maßnahmen zusätzlich 2,7 Mio. € zur Verfügung.

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Thermische Abfallbehandlung in Bayern – gestern, heute, morgen

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3 Details

3.1 Behandlungskapazitäten

In nahezu 60jähriger Kontinuität, unterstützt durch pragmatische Entscheidungen der Verantwortlichen vor Ort, entwickelte sich die thermische Abfallbehandlung zur domi-nanten Behandlungstechnik in Bayern. Nachfolgend einige Haltepunkte zur Entwick-lung der Behandlungskapazitäten:

● Inbetriebnahme der ersten MVA in Rosenheim 1963 mit rund 30.000 Mg/a ● Bis 1973 etwa 1,2 Mio. Mg/a gesamt (München Süd, Nürnberg, Zirndorf, Landshut) ● Bis 1983 etwa 2,5 Mio. Mg/a gesamt (Bamberg, Geiselbullach, Ingolstadt, Kemp-

ten, Schwandorf, Würzburg, Neufahrn und Marktoberdorf) ● Bis 1993 Aufbau mit etwa 3 Mio Mg/a im Wesentlichen abgeschlossen (Weißen-

horn, Augsburg, Burgkirchen und Schweinfurt)

Die Kapazitäten waren bereits ab 1997 bei weiter abnehmendem Restmüll (2,7 Mio. Mg/a) ausreichend, um auch Anlagenausfälle aufzufangen. Der Zubau ursprünglich fest eingeplanter Anlagen wurde dadurch obsolet (unter anderem Erding, Allgäu, Oberland, Lauingen, Donau-Wald). Trotz Stilllegung älterer Anlagen ab 1996/97 (Marktoberdorf, München Süd, Zirndorf, Neufahrn), der Schwelbrennanlage in Fürth und dem Scheitern der Thermoselectanlage in Ansbach konnte durch den Ersatz von Anlagen und Ofenlinien (Nürnberg, Kempten) und dem Zubau neuer Ofenlinien (Würzburg, Ingolstadt) bayernweit eine belastbare Kapazität von etwa 3 Mio. Mg/a gehalten werden.

Im Zuge der Umsetzung der Ablagerungsverordnung wurden ab 2005 vorübergehend Spitzendurchsätze bis 3,2 Mio. Mg/a erzielt. Diese sind jedoch konservativ betrachtet als nicht dauerhaft belastbar anzusehen.

3.2 Verbandsgebiete - Einzugsgebiete

Die Entwicklung der Zweckverbände und Einzugsgebiete verlief höchst unterschiedlich. Neben großen Zweckverbänden wie Schwandorf, der die gesamte Oberpfalz, große Teile Oberfrankens und Niederbayerns mit einschließt, bestanden und bestehen klei-nere Entsorgungseinheiten mit eigenen Anlagen, die sich überwiegend auf die Stadt oder den Landkreis beschränken. Bis 1996 konnten in den kommunalen Entschei-dungsgremien letzte Vorbehalte abgebaut werden, nur Abfälle aus der eigenen Kom-mune anzunehmen (kein Fremdmüll!). Angesichts freiwerdender Kapazitäten und dem Zwang zur Wirtschaftlichkeit wurden diesbezügliche Satzungen aufgehoben. Etwa 1998 hatten sich die Gebiete auf dem heutigen Stand konsolidiert. Insbesondere das Einzugsgebiet der Anlage München-Nord hat sich dabei beachtlich vergrößert (Land-kreise Starnberg, Miesbach, Freising, Zweckverband Donau-Wald). Eine ursprünglich geplante Anlage in Außernzell (Donau-Wald) wurde dadurch entbehrlich (Abb.2).

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Norbert Brückl

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Abbildung 2: Einzugsgebiete der Anlagen

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Thermische Abfallbehandlung in Bayern – gestern, heute, morgen

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Freigewordene Kapazitäten werden ebenso von benachbarten Bundesländern und österreichischen Kommunen genutzt. So entsorgen langfristig abgesichert in den Anla-gen Würzburg, Schweinfurt und Kempten mehrere Landkreise aus Baden-Württem-berg, in der Anlage Kempten zusätzlich einige benachbarten Kommunen aus Öster-reich ihre Abfälle. Einzig die Stadt Memmingen trat bereits frühzeitig dem Zweck-verband TAD (Baden-Württemberg) bei und entsorgt ihre Abfälle in dessen Anlage (MVA Ulm).

Insgesamt werden auch in nächster Zeit keine größeren Verschiebungen mehr erwartet, jedoch stehen in einigen verbandsfreien Kommunen Vertragsverhandlungen und Ausschreibungen an.

3.3 ATAB – Arbeitsgemeinschaft der Betreiber thermischer Abfallbehandlungsanlagen in Bayern

Der Zusammenschluss aller bayerischen MVA-Betreiber 1991 zur Solidargemeinschaft ATAB lag ganz im Sinne der bayerischen Abfallwirtschaftspolitik. Hier entstand ein kompetenter Ansprechpartner in Fragen der Abfallwirtschaft, Technik und Akzeptanz-arbeit, der seine Interessen gegenüber Politik, Behörden und anderen Interessen-verbänden selbstbewusst vertritt. Anlagenausfälle werden von den Betreibern seitdem untereinander schnell geregelt.

Die ATAB befasst sich in internen Arbeitsgruppen mit rechtlichen und technischen Be-langen der Betreiber, gegebenenfalls werden Ad hoc-Arbeitsgruppen gegründet. LfU und Umweltministerium sind zu den Vollversammlungen regelmäßig eingeladen. Ebenso werden traditionell Kontakte mit Betreibern aus Österreich, der Schweiz und Italien (Südtirol) in jährlichen Treffen gepflegt. Die gute Zusammenarbeit hat in der Vergangenheit schon mehrmals Früchte getragen.

So hat die ATAB mitten in der BSE-Krise (Dezember 2000) auf dringende Bitte des Umweltministeriums die Tiermehlverbrennung in den bayerischen Anlagen umgehend organisiert. Nach wenigen Wochen konnte wieder zur Tagesordnung übergegangen werden. Ähnlich verlief es ab Juni 2005, als die Ablagerungsverordnung definitiv umzu-setzen war. Die Auslastung der Anlagen wurde in einer konzertierten Aktion auf ein bis dahin nicht gekanntes Niveau (3,2 Mio. Mg/a) angehoben. Die Zwischenlagerung von Abfällen aufgrund von Kapazitätsengpässen ist zwischenzeitlich als Intermezzo zu betrachten. Im Zusammenspiel des Umweltministeriums mit dem LfU, der ATAB, den Bezirksregierungen, den gewerblichen Abfallerzeugern und der IHK in einer Ad hoc-AG wurde auch diese Aufgabe zügig bewältigt (Abb. 3).

Gegen eine gezielte höhere Bevorratung von Abfällen im genehmigten Umfang ist auf Grund der positiven Erfahrungen heute nichts mehr einzuwenden.

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Norbert Brückl

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Abbildung 3: Zwischenlagerung ab Juni 2005

Unabhängig hiervon hat die thermische Abfallbehandlung über die ATAB (Bayern) als Ursprung der ITAD (Deutschland) mit der CEWEP (Europa) eine starke supranationale Interessenvertretung erhalten. Die Vision einer global akzeptierten thermischen Abfall-behandlung auf höchstem ökologischen und ökonomischen Niveau scheint auch mit Blick auf die virulente Klimadiskussion nicht mehr unmöglich.

3.4 Transportlogistik

Unter dem Eindruck der primär von ökologischen Argumenten bestimmten Diskussion vor etwa 20 Jahren entschieden sich einige Zweckverbände für Abfallanlieferungen auf der Schiene. Planung und Aufbau gingen zumeist mit der Errichtung der Anlagen ein-her. In Umladestationen, Entladeeinrichtungen, Transportcontainer und deren Erhalt musste teilweise kräftig investiert werden. Mitte der 90er Jahre verfügten 6 Anlagen über diese Logistik (Schwandorf, Schweinfurt, Burgkirchen, Kempten, Coburg und Bamberg). Obwohl weitere Anlagen über einen Schienenanschluss verfügen, konnte sich dieses Transportsystem bayernweit nicht durchsetzen.

Bereits eine in den frühen 90er Jahren in Auftrag gegebene Studie zeigte, dass diese Logistik erst ab Entfernungen von etwa 30 km wirtschaftlich konkurrenzfähig ist. Für urbane Zentren mit kleinen Einzugsgebieten und gut funktionierenden Straßentrans-

0

50.000

100.000

150.000

200.000

250.000

300.000

350.000

6 8 10 12 2 4 6 8 10 12 2 4 6 8 10 12 2 4 6 8 10

Abfälle angenommen

Abfälle verbrannt

Zwischenlager

Mg/Monat

auf Dauer belastbare Kapazitäten

Monatsmittel 2004

2006 2007 2008

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porten rechnete sich diese Logistik ohnehin nicht. Gleiches gilt für kleine regional bezogene Anlagen.

Mit Blick auf den Gebührenzahler schlief die Diskussion um die ökologisch bessere Transportlogistik langsam ein. Hinzu kam der Wandel der Bundesbahn zu einer AG, die den Rotstift bei unrentablen Strecken ansetzte. Nur mit Mühe konnten einige Strecken in den Zweckverbänden Südostbayern und Schwandorf vor der Stilllegung bewahrt werden. Der Zweckverband Kempten und die GKS Schweinfurt haben zwischenzeitlich ganz auf den Schienentransport verzichtet (Abb. 4).

Abbildung 4: Transportlogistik Schiene

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Norbert Brückl

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Ob und wann diese Logistik eine Renaissance erlebt, wird wohl auch von den künftigen Treibstoff- und Energiekosten abhängen. Zugleich haben sich über die Abfallballierung variablere und kostengünstigere Be- und Entlademöglichkeiten entwickelt.

3.5 Eigentumsverhältnisse

Anlagen in kommunalem Besitz waren von Anfang an die Regel. Private Investoren beteiligten sich erst später in PPP-Modellen an größeren Anlagen (Schweinfurt, Augs-burg), jedoch behielten die Kommunen in den GmbHs die Majorität (mindestens 51 %).

Ausnahme wäre die noch vor der regulären Inbetriebnahme stillgelegte Schwelbrenn-anlage in Fürth gewesen, die von der Firma Siemens errichtet und von der Umwelt-technik Mittelfranken (UTM GmbH) betrieben werden sollte.

Versuche privater Dritter, im Zuge der Liberalisierungsdiskussion um die Jahrtausend-wende kommunalen Besitz zu übernehmen, stießen bei den Kommunen auf wenig Gegenliebe und wurden nicht weiter verfolgt.

Unabhängig hiervon wurde die Betriebsführung einiger Anlagen (zum Beispiel Burg-kirchen, Schwandorf) privaten Betreibern überlassen, jedoch hat auch hier der Trend zur Rekommunalisierung voll gegriffen. Aus heutiger Sicht sind keine Ansätze erkenn-bar, die auf eine verstärkte Privatisierung schließen lassen. Für die Errichtung weiterer Anlagen besteht ohnehin kein Bedarf.

4 Paradigmenwechsel – Projekt Entsorgungsraum Bayern 2007

Eine statische Abfallwirtschaft hat es in Bayern nie gegeben. Abfallwirtschaft muss dynamisch bleiben, sich den jeweiligen Herausforderungen stellen und bereit sein, neue Wege zu begehen.

In den Jahren 2003/2004 wurden in der Abfallabteilung des Ministeriums mehrere Workshops abgehalten, die sich mit den Zielen und Strategien einer nachhaltigen Abfallwirtschaft intensiv auseinandersetzten (Quo Vadis-Prozess).

Die Diskussion hat sich auch im Abfallwirtschaftsplan (AbfPV) vom Dezember 2006 niedergeschlagen. Der AbfPV enthält neben allgemeinen auch fachliche Ziele, darunter die gemeinwohlverträgliche, energieoptimierte und wirtschaftliche Betriebsweise der thermischen Abfallbehandlung.

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Thermische Abfallbehandlung in Bayern – gestern, heute, morgen

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Das Projekt Entsorgungsraum Bayern 2007 war Resultat des Quo Vadis-Prozesses mit folgenden wesentlichen Ergebnissen:

● Die Kapazitäten der thermischen Abfallbehandlungsanlagen und Deponien genü-gen, um auch im nächsten Jahrzehnt Entsorgungssicherheit zu garantieren.

● Die Abfallwirtschaft hat insbesondere durch die Beendigung der Ablagerung unbe-handelter Abfälle und deren energetische Verwertung die Umwelt bereits deutlich von Treibhausgasen entlastet. Die wesentlichen Potenziale sind ausgeschöpft.

● Im Bereich der thermischen Abfallbehandlung sollte die Abtrennung von Eisen und Nichteisenmetallen weiter forciert und die Energieeffizienz der thermischen Abfall-behandlungsanlagen optimiert werden.

● Die bestehende Entsorgungsstruktur ist insgesamt betrachtet die ökoeffizienteste. Eine Liberalisierung der Abfallwirtschaft oder die gemeinsame Erfassung der Abfälle mit Leichtverpackungen und nachfolgender Sortierung sind als ungünstiger zu bewerten.

● Mit Blick auf die EU-Richtlinie über Abfälle, die Klimadiskussion und Wirtschaftlich-keit wird als vordringliche Aufgabe die Optimierung und Steigerung der Energie-effizienz der bayerischen Anlagen gesehen.

● Potenziale werden primär in der Erhöhung der Energieproduktion und Energieab-gabe gesehen. Hierzu zählen die Optimierung der Verfahrenstechnik einschließlich der Verfügbarkeiten, die Reduktion des Eigen- und Fremdenergiebedarfs sowie die Steigerung der Energieabgabe (Strom, Prozessdampf, Fernwärme und -kälte).

Klimaschutz und Energieeffizienz greifen nahtlos ineinander über.

Ziel Bayerns ist eine Minderung der Gesamt-CO2-Emissionen von 92 Mio. Mg im Jahr 1996 auf 80 Mio. Mg. im Jahr 2010.

Die gesamte bayerische Abfallwirtschaft trägt heute mit etwa 3,64 Mio. Mg CO2-Äqui-valenten zur Treibhausgasminderung bei. Wären alle Abfälle deponiert worden, hätte dies zu einer Belastung von 9,6 Mio. Mg CO2-Äquivalenten geführt. Die Abfallwirtschaft hat somit deutlich dazu beigetragen, die Umwelt von Treibhausgasen zu entlasten.

Die Verfügbarkeit der Anlagen ist durch die Verringerung der Revisionszeiten und un-geplanter Stillstände, häufig hervorgerufen durch korrosive Vorgänge in den Anlagen, zu optimieren.

Diese Maßnahmen dienen dem Klimaschutz und dem Gebührenzahler, sind aber teil-weise mit hohen Investitionen verbunden (Fernwärme und -kältenetze). In den meisten Fällen handelt es sich jedoch um innerbetriebliche Maßnahmen, die von den Betreibern im Eigeninteresse durchgeführt werden.

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Norbert Brückl

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Bayern hat hierzu unter anderem wesentliche F&E-Vorhaben an die Grundlagen-forschung vergeben, zum Teil in Kofinanzierung mit dem EFRE-Programm der EU. Die Vorhaben reichen von der Charakterisierung und Analyse der Verbrennungsgase und Beläge an den Kesseln bis hin zur Entwicklung einer Online-Korrosionssonde, mit der im Betrieb derartige Vorgänge erfasst werden können.

Gegenwärtig werden die Potenziale der Fernkältenutzung an allen bayerischen Anlagen eruiert und exemplarisch die Möglichkeit eines Energieverbundsystem aller wesentlichen Energieerzeuger und -kunden (auch im Niedertemperaturbereich) im Raum Augsburg untersucht.

5 Fazit

Bayern hat frühzeitig seine Hausaufgaben erledigt und ausreichend thermische Behandlungskapazitäten errichtet, um sämtliche kommunalen Abfälle auch in Zukunft sicher und umweltfreundlich behandeln zu können.

Die Betreiber der bayerischen Anlagen haben in der ATAB eine selbstbewusste Interessenvertretung gegenüber Politik, Behörden und anderen Interessenverbänden gefunden.

Kritische Situationen wie freiwerdende Kapazitäten durch abwandernde Gewerbe-abfälle, die BSE-Krise und die Umsetzung der Ablagerungsverordnung konnten abge-fangen werden.

Die Liberalisierungsdiskussion hat die Beteiligungsverhältnisse an den thermischen Abfallbehandlungsanlagen nicht tangiert.

Die energetischen Potenziale der thermischen Abfallbehandlung sollen mit Blick auf die Klimadiskussion weiter ausgebaut und optimiert werden. Der Freistaat unterstützt hier begleitend entsprechende F&E-Maßnahmen.

Mangels alternativer Entsorgungstechniken, die ihre ökologischen und ökonomischen Vorteile sowie eine belastbare Entsorgungssicherheit dauerhaft belegen können, wird an der thermischen Abfallbehandlung weiterhin festgehalten.

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B. Bilitewski, A.I. Urban, M. Faulstich (Hrsg.)

14. Fachtagung Thermische Abfallbehandlung

EEG und EEWärmeG bei der Abfallverbrennung – Auswirkungen aus Sicht eines Anlagenbetreibers

Dipl.-Ing. Conrad Tschersich

Abfallwirtschaftsgesellschaft mbH

Wuppertal

Schriftenreihe des Fachgebietes Abfalltechnik Universität Kassel

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Conrad Tschersich

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1 Einführung

In Zeiten knapper werdender Ressourcen und absehbarer Klimaveränderungen kommt der effizienten Nutzung von vorhandenen Potenzialen und der Erschließung erneuer-barer Energiequellen eine zunehmende Bedeutung bei. Um die ambitionierten Umwelt-schutzziele zu erreichen, ist es notwendig, möglichst alle Optionen zu nutzen. Hierbei sollte allerdings auch die Kosten-Nutzen-Relation nicht außer Acht gelassen werden.

In Müllheizkraftwerken wird bei der Verbrennung der Abfälle eine enorme Energie-menge freigesetzt. Diese Energie fällt kontinuierlich an und ist nicht von Wind, Wetter oder Sonnenschein abhängig. Sie ist auch weitgehend unabhängig von sonstigen, äußeren Einflüssen und damit eine sichere, quasi heimische Energiequelle. Die Wärme aus Müllheizkraftwerken ist eine „sowieso“ Energie, sie ist sowieso da, ob genutzt oder nicht. Diese Energiequelle anzuzapfen und möglichst optimal zu nutzen, stellt daher in jedem Fall einen Gewinn für die Umwelt dar. Die Energie kann als Strom, Wärme oder, energetisch besonders günstig, gemeinsam (KWK-Prozess) abgegeben werden. Die Abgabe von Strom stellt aufgrund der hohen Stromnetzdichte und der relativ geringen Kosten einer Netzanbindung meist kein Problem dar. Die energetisch sehr sinnvolle zusätzliche Wärmeabgabe scheitert bisher aber vielfach an den hohen Leitungskosten, aufgrund der meist verbrauchsfernen Anlagenstandorte.

Die sinnvolle Nutzung der bei der Abfallverbrennung frei werdenden Energie ist kein neues Thema. So wurde zum Beispiel in der ersten Müllverbrennungsanlage im heuti-gen Wuppertaler Stadtteil Barmen schon vor über 100 Jahren die bei der Verbrennung

frei werdende Energie genutzt. Abbildung 1 zeigt einen Schnitt durch einen der Verbrennungsöfen. Die Anlage hatte zwei Turbinen mit einer elektrischen Leistung von 750 kW und 400 kW. Schon damals wurde der überwiegende Teil der Strom-produktion abgegeben. An die Wärme-versorgung waren unter anderen zwei Badeanstalten angeschlossen, die so etwa 36.000 Zentner Kohle pro Jahr sparten. Diese Kostenersparnis ermög-lichte es, dass die Bäder ohne laufenden Zuschuss der Stadt betrieben werden konnten. Die Energienutzung erfolgte damals unter rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Die Anlage wurde bis Anfang der 50er Jahre betrieben. Abbildung 1: Schema des Barmener Ofens

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EEG und EEWärmeG bei der Abfallverbrennung – Auswirkungen aus Sicht eines Anlagenbetreibers

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Mitte der 60er Jahre gab es weniger als 10 Müllverbrennungsanlagen in Deutschland. In den folgenden zwei Jahrzehnten wurden 40 Anlagen errichtet, um dem mit steigendem Wohlstand zunehmenden Müllproblem Herr zu werden. Das Thema Energienutzung hatte meist nur eine nachrangige Bedeutung. Dies führte unter anderem bei vielen Anlagen zu einem, aus wärmetechnischer Sicht, relativ verbraucherfernen Standort.

In den 80er und besonders den 90er Jahren wurde der Rauchgasreinigungseffektivität eine höhere Priorität beigemessen, als der Energieeffizienz. Bestehende Anlagen wur-den mit einem hohen Aufwand mit weiteren Reinigungsstufen nachgerüstet. Neue Anlagen wurden ebenfalls mit mehrstufigen Reinigungsanlagen ausgerüstet, die die Kesselanlagen oft an Größe und Investitionskosten deutlich übertrafen. Stärker durch ökonomische Faktoren getrieben hat hier, insbesondere bei den so genannten EBS-Kraftwerken, ein Umschwenken stattgefunden.

Im Laufe der Zeit haben sich die Rahmenbedingungen für Müllheizkraftwerke, auch durch eine Vielzahl von Gesetzen und Verordnungen, verändert. In den letzten Jahren sind besonders Gesetze die den Ressourcen- und Klimaschutz fördern sollen, wie beispielsweise das KWKG, EEG und EEWärmeG, hinzugekommen.

Wie sich die historische Entwicklung und die heutigen Rahmenbedingungen mit den sich daraus ergebenden Problemen und Möglichkeiten für ein Entsorgungsunter-nehmen mit einem Müllheizkraftwerk darstellen, soll aus Sicht der AWG Abfallwirt-schaftsgesellschaft mbH aufgezeigt werden.

2 Die AWG Abfallwirtschaftsgesellschaft mbH Wuppertal

Die AWG Abfallwirtschaftsgesellschaft mbH ist ein kommunal getragenes Entsor-gungsunternehmen, das Anfang der 70er Jahre von den Städten Remscheid und Wuppertal gegründet wurde. Da damals in der Region nur noch für einen kurzen Zeit-raum ausreichendes Deponievolumen zur Verfügung stand, hatte die neue Gesell-schaft als Aufgabe die Planung, den Bau und den Betrieb einer Müllverbrennungs-anlage. Nach einer mehrjährigen Planungs- und Bauphase konnte die Anlage am Standort Wuppertal/Korzert 1976 den Betrieb aufnehmen. Bei der Standortsuche hatten energetische Fragestellungen nur eine untergeordnete Bedeutung. Andere Faktoren, wie die abfallwirtschaftliche Vornutzung von Teilen des Geländes, sowie die räumliche Nähe zu Wuppertal und Remscheid, waren bestimmend.

Abbildung 2 zeigt den Standort der Anlage am Rande eines Naherholungsgebietes. Abgesehen von einem neben der Anlage befindlichen Schwimmbad gab es in direkter Nachbarschaft keine relevanten Wärmeabnehmer. Daher wurde, mit Ausnahme der Versorgung des Freibades, auf eine externe Wärmeabgabe verzichtet.

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Abbildung 2: Müllheizkraftwerk der AWG Abfallwirtschaftsgesellschaft mbH Wuppertal

Erst im Zusammenhang mit großen Modernisierungs- und Nachrüstungsinvestitionen Anfang der 90er Jahre wurde ein durch die Wuppertaler Stadtwerke betriebenes Fern-wärmenetz aufgebaut, dessen einziger Einspeiser das Müllheizkraftwerk ist. Zu dem von zwei Heizkraftwerken versorgten Ferndampfnetz im Tal gibt es keine Verbindung.

Die vorhandenen Turbinen waren nicht für eine Anzapfung zur Fernwärmeversorgung ausgelegt. Da sich ein großer Um- oder Neubau der Turbinen nicht rechnete, wurde die „Fernwärmeanzapfung“ an einer Stelle mit einem für die Verwendung unnötig hohen Druckniveau nachgerüstet. In den Folgejahren scheiterte ein deutlicher Ausbau des Netzes an der schlechten Relation zwischen den Leitungskosten und möglichen Mehrerlösen. Im Zusammenhang mit dem weiter unten beschriebenen deutlichen Aus-bau des Fernwärmenetzes, der zu einer Verdreifachung der Wärmeabgabe führen soll, wird auch die Wirtschaftlichkeit einer neuen, optimal ausgelegten Turbine überprüft.

Die Anlage hat fünf Kessel mit einer Durchsatzleistung von 12 - 15 Mg/h (Abb. 3). Die Kessel werden mit relativ moderaten Dampfparametern von 28 bar und 350 °C betrie-ben. Dies und die großzügige Kesselkonstruktion (Abb. 4) führen zu einem vergleichs-weise geringen Verschleiß an den Kesseln und damit zu niedrigen Instandhaltungs-kosten.

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Andererseits wirken sich die niedrigen Dampfparameter nachteilig auf den Wirkungs-grad der Anlage aus. Bei bestehenden Anlagen ist eine wesentliche Erhöhung der Dampfparameter im Normalfall nur mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand mög-lich. Den Kesseln nachgeschaltet sind jeweils ein Elektrofilter und ein Saugzug. Anschließend werden die Rauchgase in einem Sammelkanal zusammengeführt (Abb. 3). Die Rauchgase verteilen sich dann auf die Vorreinigungsanlagen. Die in den letzten Jahren durchgeführte Erneuerung der Vorreinigung befindet sich aktuell kurz vor dem Abschluss. Vor der Modernisierung bestand die Vorreinigung aus zwei „nas-sen“ und zwei „quasitrockenen“ Anlagen. Das Abwasser der Nassreinigung wurde nach einer Vorbehandlung in den quasitrockenen Anlagen eingedampft. Da in der Anlage auch das Sickerwasser einer Deponie (Abb. 2 oben links) und das Überschusswasser der Schlackenaufbereitung eingedampft wurde, bestand die Notwendigkeit einer relativ hohen Rauchgastemperatur, um die benötigte Eindampfleistung sicherstellen zu kön-nen. Zukünftig wird die Anlage mit vier trocken konditionierten Anlagen betrieben. Somit fällt in der Vorreinigung kein Abwasser mehr an.

Abbildung 3: Schematische Darstellung des Müllheizkraftwerks Wuppertal

Das Deponiesickerwasser wird zukünftig ebenfalls nicht mehr anfallen, da die Deponie abgeschlossen wird und eine Oberflächenabdichtung erhält. Dies hatte Auswirkungen auf die Überlegungen zur Anlagenoptimierung, da keine so hohe Rauchgastemperatur hinter dem Kessel mehr benötigt wird. Daher wurde beim letzten Kesselneubau die Kesselendtemperatur, niedriger als bei den älteren Kesseln, auf 180 °C ausgelegt. Eine weitere Absenkung war aufgrund der Platzverhältnisse nicht sinnvoll möglich. Die Kessel bieten darüber hinaus noch weiteres Potenzial zur Optimierung.

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Nach Abschluss der Modernisierung können hinter der Rauchgasvorreinigung, bis auf NOx, die vorgeschriebenen Grenzwerte sicher eingehalten werden. Würden die Kessel mit SNCR nachgerüstet, könnte theoretisch auf die Rauchgasnachreinigung verzichtet werden. Nur durch die entfallende Saugzugleistung würde die Energieeffizienz der Anlage nochmals deutlich erhöht. Dies ginge aber bei Einhaltung der Grenzwerte zu Lasten der Emissionswerte.

Abbildung 4: Kesselschema

Aufgabeschiebe

Heißdampf zur Turbine

Rauchgas zum Elektrofilter

Müllaufgabe

Sekundärluft

Primärluft

Ascheaustrag

Wasser Eintritt

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EEG und EEWärmeG bei der Abfallverbrennung – Auswirkungen aus Sicht eines Anlagenbetreibers

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Nach der Rauchgasvorreinigung werden die Rauchgase wieder in einem Sammelkanal zu den drei Rauchgasnachreinigungen geführt. Diese bestehen jeweils aus einem Druckerhöhungsgebläse, einem Herdofenkoksfilter und einer SCR.

Im Rahmen der allgemeinen Anlagenoptimierung wurde in der Vergangenheit bereits eine Vielzahl von größeren und kleineren Maßnahmen umgesetzt, die zu einer Verbes-serung der Energieeffizienz beigetragen haben. Als Beispiel sei hier ein klassischer Bereich für Energieeinsparungen das Druckluftsystem genannt, bei dem deutliche Einsparungen realisiert werden konnten. Dies gelang, neben einer verbesserten Regelung, insbesondere durch die optimierte Versorgung einer mit Druckluft betrie-benen Membrananlage, die zur Erzeugung von Stickstoff dient. Der Stickstoff wird für den Transport des beladenen Herdofenkoks aus der Rauchgasnachreinigung einge-setzt. Alle Maßnahmen mussten sich im Wesentlichen unter den gegebenen Markt-bedingungen rechnen. Durch eine angemessene Förderung wären noch weitere sinn-volle Maßnahmen möglich. Weiteres Potenzial steckt unter anderem in der Schlacke, beispielsweise durch eine Verbesserung der Eisen- und Nichteisenmetallabscheidung.

Der größte Schritt zur Verbesserung der Energieeffizienz der Anlage wird aktuell durch den deutlichen Ausbau des Fernwärmenetzes realisiert. Ein wichtiger Faktor, um Fern-wärme wirtschaftlich nutzen zu können, ist eine möglichst hohe Verbrauchsdichte. Hierzu ist ein hoher Anschlussgrad eine wesentliche Vorrausetzung. Als über die Nachnutzung eines Kasernengeländes in fast 4 km Entfernung von der Anlage disku-tiert wurde, hat die AWG gemeinsam mit den Wuppertaler Stadtwerken die Fern-wärmeversorgung durch das MHKW als eine ökologisch und ökonomisch sinnvolle Wärmeversorgung des Gebietes vorgeschlagen.

Die Stadt Wuppertal hat nach eingehenden Diskussionen für das ehemalige Bundes-wehrgelände, aber auch für große angrenzende, bereits genutzte Flächen (Abb. 5, zum Beispiel Otto-Hahn-Straße) einen Fernwärmeanschluss- und Benutzungszwang fest-gelegt. Dies sichert die notwendige Verbrauchsdichte und ermöglicht so sehr attraktive Konditionen für die Abnehmer.

Die neue DN 300-Leitung wird an mehreren Stellen mit dem Bestand verknüpft. Dies ermöglicht zum einen den schrittweisen Ausbau und erhöht zum anderen die Redun-danz im Netz. Im Verlauf der Leitung befinden sich nur wenige potentielle Wärme-abnehmer.

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Abbildung 5: Fernwärmeausbaugebiet [WSW]

Da die Wärme kontinuierlich das ganze Jahr auf fast gleichem Niveau zur Verfügung steht, sind besonders Kunden mit einem gleich bleibenden Verbrauch interessant. Dies ist beispielsweise bei einem Kunden der Fall, der Prozesswärme benötigt. Eine weitere Möglichkeit, die Abnahme in den verbrauchsschwachen Sommermonaten zu erhöhen, sind Adsorptionskälteanlagen für die Klimatisierung. An das Netz des Müllheizkraft-werks sind Anlagen mit einer Kühlleistung von rund 2 MW angeschlossen. Speziell für die Kälteversorgung bietet sich das Energie-Contracting an. Die Förderung solcher alternativer Kälteerzeugungsverfahren würde neben einer Erhöhung des Wärme-absatzes auch zu einer Verbesserung der Anlagenausnutzung beitragen. Auch in Anbetracht der veränderten klimatischen Bedingungen und des steigenden Komforts stellen Nah- und Fernkältenetze eine gute Option für eine weitere energetische Opti-mierung von Müllheizkraftwerken dar. Allerdings ist auch bei Kältenetzen eine hohe Verbrauchsdichte wichtig.

3 Rahmenbedingungen für einen höheren Beitrag zum Klimaschutz

Unbestritten hat der Bereich der Abfallwirtschaft in Deutschland in den vergangenen Jahren bereits in einem erheblichen Maß zur Reduzierung des Primärenergiever-brauches und der Verringerung der CO2-Emissionen beigetragen. Besonderen Anteil hatten hieran insbesondere die Müllheizkraftwerke. Welche negativen Auswirkungen

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EEG und EEWärmeG bei der Abfallverbrennung – Auswirkungen aus Sicht eines Anlagenbetreibers

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eine, auch in der EU noch weit verbreitete, mehr oder minder geordnete Ablagerung der Abfälle hat, ist hinlänglich bekannt.

Tabelle 1 zeigt die durch die Energiesubstitution aus Müllheizkraftwerken (Waste to Energie W-t-E) erreichte Entlastung beim CO2 im Jahr 2007. Da wie im MHKW der AWG in vielen Anlagen noch nicht alle sinnvollen Möglichkeiten zur Optimierung der Energieeffizienz ausgeschöpft sind, besteht in den Anlagen noch ein deutliches Poten-zial. Dieses kann allerdings, wie bei vielen anderen erneuerbaren Energiequellen, nur durch eine Förderung erschlossen werden, da das aktuelle Energiepreisniveau eine wirtschaftliche Nutzung nicht ermöglicht.

Tabelle 1: CO2-Bilanz für W-t-E-Anlagen im Jahr 2007 [ITAD]

Klimarelevante Belastung durch deutsche W-t-E-Anlagen im Jahr 2007

Emissionsfaktor Emissionen Abfallfraktion Menge [Mg]

kg CO2/kg Abfall Bemerkung Mg CO2,eq

Hausmüll 12.467.000 0,253 3.154.151

Sonstige Abfälle 5.364.000 0,442 Quelle Bilitewski

2.370.888

Summe/Durchschnitt 17.831.000 0,304 5.525.039

Entlastung durch Substitution 2007

Emissionsfaktor Emissionen Energie Menge [MWh]

Mg CO2,eq/MWH Bemerkung Mg CO2,eq

Strom (prod) 6.932.000 1,088 Grundlast Braunkohle 7.542.016

Wärme (exp) 13.749.000 0,232 Wärmemix BMU 3.189.768

Summe/Durchschnitt 0,519 10.731.784

Welche Potenziale noch vorhanden sind, ist Tabelle 2 zu entnehmen. Die momentane Förderung reicht vielfach noch nicht aus, um die Anlagen den Kunden „näher“ zu bringen.

Tabelle 2: Energie- und Klimaschutzpotenzial von Müllverbrennungsanlagen in Deutschland [ITAD]

Einheit Bezugsjahr 2006 Potenzial

Anzahl der Anlagen [-] 66 ??

Behandelte Abfallmenge [Mio. Mg] 17,4 25 (?)

Wärme exportiert [Mrd. kWh] 13,7 29,5

Strom produziert [Mrd. kWh] 6,3 9,2

CO2-Entlastung [Mio. Mg CO2,eq] 4,7 9,3

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Die nachfolgenden Gründe sprechen unter anderem für eine verstärkte Förderung von Fernwärme- und Fernkältenetzen auch durch die aktuellen Konjunkturpakete:

● Es handelt sich um eine Einmalförderung, die langfristig sowohl einen ökolo-gischen, als auch ökonomischen Nutzen bringt.

● Der Energieträger Abfall ist eine heimische, langfristig verfügbare Ressource. ● Durch Investitionen in den Ausbau von Fernwärme- und Fernkältenetzen werden

besonders Unternehmen des Mittelstandes gefördert. ● Sowohl die angeschlossenen Unternehmen, als auch Mieter und Wohnungs-

eigentümer profitieren von einer sicheren, umweltfreundlichen und kosten-günstigen Energieversorgung.

● Eine Nichtnutzung reduziert die Emissionen nicht.

Aufgrund der anlagentechnischen Unterschiede, insbesondere auch durch die ver-schiedenen Standortbedingungen, sind generelle Aussagen zu sinnvollen, energe-tischen Optimierungsmaßnahmen schwierig. Nicht für jeden Anlagenbetreiber ist der Fernwärmeausbau die beste Alternative zur energetischen Optimierung. Dieser Tat-sache sollten weitergehende Fördermechanismen Rechnung tragen.

Das EEG erkennt den biologisch abbaubaren Anteil von Abfällen aus Haushaltungen und Industrie als erneuerbar an (EEG § 3 Abs. 3). Ein Vergütungsanspruch entspre-chend der gesetzlichen Regelungen besteht nach § 16 Abs. 1 aber nur für Anlagen die ausschließlich erneuerbare Energie einsetzen. Daher besteht für den biologisch abbaubaren Anteil der Energie aus Müllheizkraftwerken kein Förderanspruch.

Das EEWärmeG soll dazu beitragen, den Anteil erneuerbarer Energien am Wärme-bedarf in Deutschland deutlich zu erhöhen. Neben diesem Ziel verfolgt das Gesetz auch weitere Zwecke, wie die Schonung fossiler Ressourcen, sowie die Erhöhung der Unabhängigkeit von Energieimporten. Hierzu verpflichtet das Gesetz jeden Eigentümer eines neuen Gebäudes, seinen Wärmeenergiebedarf zu einem Teil mit erneuerbaren Energien zu decken. Es besteht auch die Möglichkeit der Verpflichtung durch Ersatz-maßnahmen nachzukommen. Im EEWärmeG wird Fernwärme aus Müllverbrennungs-anlagen als Ersatzmaßnahme anerkannt, wenn ein wesentlicher Anteil aus biologisch abbaubaren Bestandteilen kommt. Der nicht näher spezifizierte Begriff „wesentlich“ wird in einer Erläuterung des BMU mit etwa 50 % interpretiert.

Die thermische Verwertung von Abfällen und deren biogenen Anteils erfolgt in den Müllheizkraftwerken unter höchsten Umweltstandards. Gleichzeitig leisten die Anlagen durch die Energieabgabe auch einen wesentlichen Beitrag zum Klima- und Ressourcenschutz, unabhängig wie hoch der biologisch abbaubare Anteil der Abfälle ist. Damit werden alle Ziele des EEWärmeG erfüllt. Die Wärme aus Müllheizkraftwerken sollte also den Abnehmern im doppelten Sinne näher gebracht werden, da es viel zu schade ist, sie zu vernichten. Dazu ist es jedoch notwendig, das bestehende Förderinstrumentarium zu erweitern.

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B. Bilitewski, A.I. Urban, M. Faulstich (Hrsg.)

14. Fachtagung Thermische Abfallbehandlung

Energieeffizienzsteigerungsmaßnahmen bei der Müllverbrennung – Kosten und Nutzen

Dipl.-Ing. Christoph Wünsch, Dipl.-Ing. Gaston Hoffmann Prof. Dr.-Ing. habil. Dr. h.c. Bernd Bilitewski

Technische Universität

Dresden

Schriftenreihe des Fachgebietes Abfalltechnik Universität Kassel

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Christoph Wünsch, Gaston Hoffmann, Bernd Bilitewski

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1 Einführung

Müllverbrennungsanlagen in Deutschland erfüllen seit vielen Jahren ihren Entsor-gungsauftrag. Nach dem Verbot der unbehandelten Deponierung von unbehandelten Siedlungsabfällen durch die TA Siedlungsabfall im Jahr 2005 wurden die Kapazitäten der Müllverbrennung weiter ausgebaut, so dass momentan rund 18 Mio. Mg an Abfällen in deutschen Müllverbrennungsanlagen verbrannt werden. Nachdem in den letzten Jahren hohe Investitionen in Rauchgasreinigungstechniken getätigt wurden, sind die schädlichen Emissionen durch MVA auf ein Minimum gesunken. Neben der Entsorgung der Abfälle, rückt die Erzeugung und Abgabe von Energie und die damit einhergehende Einsparung an CO2-Emissionen immer mehr in den Mittelpunkt. Neben den Erlösen aus der Müllannahme erhöht der Verkauf von Strom- und Wärme die Wirt-schaftlichkeit der Anlagen.

In dem folgenden Beitrag soll zunächst dargestellt werden, wie hoch die Wirkungs-grade deutscher Müllverbrennungsanlagen momentan sind und welche Rahmenbedin-gungen vorhanden sein müssen, um die Investition in Effizienz steigernde Maßnahmen wirtschaftlich werden zu lassen. Darauf aufbauend wird aufgezeigt, welche Möglich-keiten in Müllverbrennungsanlagen vorhanden sind, um die Energieeffizienz zu stei-gern, wie hoch das Steigerungspotenzial der einzelnen Maßnahmen ist und was deren Umsetzung kostet.

2 Ist-Zustand der MVA in Deutschland

In Deutschland wurden im Jahr 2007 rund 17,8 Mio. Mg an Abfällen mit einem durch-schnittlichen Heizwert von 9.998 kJ/kg verbrannt. Dies ergibt eine Feuerungswärme-leistung von rund 49,5 Mio. MWh. Daraus wurden 6,93 Mio. MWh an Strom produziert und 5,16 Mio. MWh exportiert. Weiterhin sind 13,75 Mio. MWh an Wärme an externe Verbraucher abgegeben worden [Treder 2006]. Daraus berechnen sich die in folgender Tabelle dargestellten elektrischen und thermischen Wirkungsgrade:

Tabelle 1: Erzeugte und abgegebene Energiemengen

[Mio. MWh/a] Nutzungsgrad [% FWL]

FWL 49,5 100

Strom erzeugt 6,93 14

Strom abgegeben 5,16 10,4

Wärme abgegeben 13,75 27,8

Energie abgegeben 18,91 38,2

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Energieeffizienzsteigerungsmaßnahmen bei der Müllverbrennung – Kosten und Nutzen

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Die relativ geringen elektrischen und thermischen Wirkungsgrade, sowie der Netto-Gesamtwirkungsgrad deutscher Müllverbrennungsanlagen, lassen noch deutliches Potenzial in der Steigerung der Energieeffizienz erkennen.

Da im Weiteren in erster Linie die Steigerung des elektrischen Wirkungsgrades betrachtet wird, müssen als Basis zunächst Daten für eine Anlage festgelegt werden, die stromgeführt gefahren wird. Folgende Wirkungsgrade sollen für die Anlage gelten:

● Kesselwirkungsgrad 75 %

● Rohrreibungswirkungsgrad 98 %

● realer thermischer Wirkungsgrad des Clausius-Rankine-Kreisprozesses 25 %

● Kupplungs- und Getriebewirkungsgrad: 98 %

● Generatorwirkungsgrad: 98 %

Bruttowirkungsgrad: ≈ 18 %

● Eigenbedarfswirkungsgrad: 80 %

Nettowirkungsgrad: ≈ 15 %

Die dargestellten Wirkungsgrade sind typisch für Anlagen, die in den 80er Jahren in großer Entfernung von Wärmeabnehmern errichtet wurden. Diese Anlagen dienten in erster Linie zur Entsorgung der Abfälle. Die Stromerzeugung war nur sekundäres Ziel. In den letzten Jahren wurden viele dieser Anlagen über längere Fernwärmeleitungen an ein Fernwärmenetz angeschlossen und geben mittlerweile sogar Wärme ab.

Bezüglich einer detaillierten Darstellung der Vorgehensweise zur Berechnung der genannten Wirkungsgrade sei auf Kapitel 3 verwiesen.

3 Rahmenbedingungen

Investitionen in Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz werden von Anlagen-betreibern nur realisiert, wenn die Erlöse aus dem Strom- und Wärmeverkauf diese nach einem bestimmten Zeitraum amortisieren. Die Preise, welche sich durch den Ver-kauf erzielen lassen, sind daher neben den Investitionskosten der bestimmende Faktor.

In der Vergangenheit wurde Strom mit einem Preis von etwa 35 Euro/MWh gehandelt, wobei dieser lediglich geringen Schwankungen unterlag. Pro Mg verbrannten Abfall ließen sich somit rund 0,4 MWh an Strom erzeugen, wonach sich Erlöse aus der Stromerzeugung von rund 14 Euro/Mg errechnen. Vergleicht man dies mit den in Deutschland typischen Müllannahmeerlösen von 90-100 Euro/Mg Abfall [EUWID 2008] wird ersichtlich, wie gering der Anteil des Stromverkaufs an den Gesamterlösen war.

Momentan liegen Strompreise auf einem deutlich erhöhten Preisniveau (65 Euro/MWh für das Jahr 2008) [EEX 2008]. Investitionen in eine höhere Stromproduktion erschei-

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nen somit wirtschaftlich. Gleichermaßen kann allerdings eine zukünftige Entwicklung nur schwer abgeschätzt werden, so dass hier wiederum Investoren abgeschreckt wer-den. Staatlich garantierte Zuschüsse beim Erreichen bestimmter Wirkungsgrade kön-nen demgegenüber ein Instrument der dauerhaften Förderung einer erhöhten Energie-effizienz in der Müllverbrennung sein. Die Förderung könnte stufenweise, linear oder auch progressiv erfolgen. Folgende Abbildung stellt die Auswirkungen einer poten-ziellen Förderung auf eine stromgeführte Müllverbrennungsanlage grafisch dar.

Abbildung 1: Auswirkungen staatlicher Zuschüsse in stufenweiser, linearer und progressiver Form auf die Steigerung des Wirkungsgrades

Betrachtet man beispielsweise die progressive Förderung als die sinnvollste Form wird deutlich, dass schon ein geringer Anstieg der Stromerlöse die Umsetzung vieler kleiner Maßnahmen ermöglicht. Dies gilt insbesondere für Neuanlagen. Der elektrische Wirkungsgrad könnte somit relativ leicht angehoben werden. Ab einem elektrischen Wirkungsgrad von etwa 25 % werden Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz meist nur schwer finanzierbar. Das bedeutet also, ein geringer Anstieg der Stromerlöse macht zunächst schnelle Wirkungsgradsteigerungen möglich. Um allerdings einen elektrischen Wirkungsgrad von 25 % zu überschreiten, müssen Stromerlöse deutlich ansteigen beziehungsweise hier durch staatliche Anreize initiiert werden, um die nachfolgend beschriebenen Maßnahmen zu realisieren.

Im folgenden Kapitel werden zu den Einzelmaßnahmen Investitionskosten abge-schätzt, die sich jeweils auf die Gesamtinvestitionskosten von Bau und Anlagentechnik einer stromgeführten Neubau-MVA beziehen, die mit durchschnittlichen elektrischen Nettowirkungsgraden von rund 18 % betrieben wird.

Eine Müllverbrennungslinie mit einem Jahresdurchsatz von etwa 150.000 Mg an Abfällen mit einem Heizwert von etwa 9.500 kJ/kg produziert eine Feuerungswärme-leistung bei 7.800 Betriebsstunden im Jahr von rund 50 MW. Für eine Müllverbren-nungsanlage dieser Größe müssen Investitionskosten von etwa 75 Mio. Euro einge-plant werden.

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Energieeffizienzsteigerungsmaßnahmen bei der Müllverbrennung – Kosten und Nutzen

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Legt man den im Anlagenbau üblichen Exponenten von 0,75 für die Abhängigkeit zwi-schen Investition und installierter Leistung zu Grunde, ergibt sich folgender Zusam-menhang zwischen der thermischen Leistung und den Investitionskosten (Abb. 2).

Abbildung 2: Abhängigkeit der Investitionskosten von der installierten thermischen Leistung

Kleine Kessellinien sind somit leistungsspezifisch teuerer. Mit steigender Kesselgröße nehmen die spezifischen Investitionskosten immer weiter ab.

3 Optimierungspotenziale

3.1 Erhöhung des Kesselwirkungsgrades

Der vorangestellte Kesselwirkungsgrad von 75 % berechnet sich bei folgenden Kenn-daten:

● Rauchgastemperatur bei Kesselaustritt: 230 °C ● Sauerstoffgehalt im Rauchgas: 8 % ● Glühverlust der Aschen: 3 % ● Ascheaustrittstemperatur: 400 °C ● Strahlungs- und Wärmeverluste des Kessels: 3 %

3.1.1 Verringerung des Luftüberschusses

Die Heterogenität des Brennstoffs Abfall führt zur Verbrennung mit hohen Luftüber-schusszahlen und damit hohen Sauerstoffgehalten im Abgas. Die meisten Müll-verbrennungsanlagen realisieren Sauerstoffkonzentrationen von 8 bis 10 Vol.-% im Abgas. Eine Absenkung des Luftüberschusses bewirkt geringere Rauchgasmengen, demzufolge geringere thermische Rauchgasverluste und – frequenzgeregelte Antriebe

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vorausgesetzt – eine geringere Saugzugleistung. Die Verringerung des Luftüber-schusses von 8 % auf 6 % steigert den Kesselwirkungsgrad um rund 2,7 % und den elektrischen Wirkungsgrad um 0,7 %. Dabei fallen circa 75 % der zusätzlich erzeugten Strommenge auf die erhöhte Dampfproduktion und circa 25 % auf die Einsparung an Strom am frequenzgeregelten Saugzug. Abbildung 4 verdeutlicht die Auswirkungen schematisch.

Abbildung 3: Entwicklung der Wirkungsgrade nach Absenkung des Luftüberschusses

Die Einsparung am frequenzgeregelten Saugzug hängt exponentiell von der Druck-differenz ab.

Die Absenkung des Luftüberschusses erfordert bestimmte Vorraussetzungen, die im jeweiligen Einzelfall geprüft werden sollten. Große Kesseleinheiten puffern beispiels-weise eine mögliche Heterogenität des Brennstoffes, speziell des Heizwertes, besser ab. Die Rauchgase vermischen sich daher besser und Konzentrationsspitzen von Schadgasen werden vermindert. Kleinere Kesseleinheiten ermöglichen dies nur in geringem Maße. Die Feuerungsregelung selbst sollte ebenfalls die Mindestvoraus-setzungen erfüllen. Wenn beispielsweise mehrere Rostbahnen mit möglichst vielen Antriebs- und Luftzonen vorhanden sind und eine sichere Luftverteilung mit möglichst geringen Primärluftanteilen vorliegt, können durch die vielen Regelungsmöglichkeiten geringere Luftüberschüsse gefahren werden. Auch die Möglichkeit der Rezirkulation eines Teilstromes des Abgases zur Nachverbrennung mindert den Sauerstoffgehalt im Rauchgas, kühlt den Feuerraum und mindert so Konzentrationsspitzen von Schad-stoffen. Den gesamten Vorteilen stehen die höheren Verbrennungstemperaturen gegenüber, welche zu höheren Kesselkorrosionsraten und größeren Verschmutzungen im Kessel selbst führen können. Die Vor- und Nachteile müssen daher jeweils im Einzelfall abgewogen werden. Als Investitionskosten zur Absenkung des Luftüber-schusses müssen in Abhängigkeit der aktuellen Anlagenausstattung bis zu 2 % der Gesamtkosten einer Neuanlage angesetzt werden. Diese Investitionskosten enthalten den teilweise wassergekühlten Verbrennungsrost, die Mess- und Regeltechnik für die Feuerführung sowie die Aggregate und Rohrleitungen für die Abgasrezirkulation.

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Energieeffizienzsteigerungsmaßnahmen bei der Müllverbrennung – Kosten und Nutzen

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3.1.2 Verringerung der Rauchgasaustrittstemperatur

Die Verminderung der Rauchgastemperatur am Kesselende auf 180 °C kann durch zusätzliche Economiser-Heizflächen am Ende des Kessels erfolgen. Diese Maßnahme erhöht den Kesselwirkungsgrad um rund 4 %-Punkte, der elektrische Wirkungsgrad steigt durch die höhere Dampfproduktion um rund 1 % an (Abb. 4). Die Kosten belau-fen sich auf etwa 0,7 % der Gesamtinvestitionskosten einer Neuanlage, sind jedoch davon abhängig, wie aufwändig der Umbau an einzelnen Anlagen ist.

Abbildung 4: Entwicklung der Wirkungsgrade nach Absenkung der Rauchgastemperatur

An dieser Stelle sei allerdings bemerkt, dass nicht alle Müllverbrennungsanlagen in der Lage sind, die Rauchgastemperatur so weit zu senken. Quasitrockene Rauchgasreini-gungssysteme benötigen höhere Abgastemperaturen für die Quench im nachgeschal-teten Sprühabsorber. Je nach Kesselbauart und Platzbedarf können somit nicht in allen Anlagen zusätzliche Economiser-Heizflächen eingebaut werden. Es bleibt also anla-genspezifisch zu prüfen, in wie weit die Rauchgastemperaturen am Kesselende gesenkt werden können.

3.1.3 Senken des Glühverlustes der Aschen

Die Qualität des Ausbrandes der Aschen ist zum einen wichtig zur Sicherstellung der Reststoffqualität und zur Einhaltung der Ablagerungsbedingungen. Zum anderen erhöht sich bei geringerem Glühverlust der Aschen die pro Mg Brennstoff freigesetzte Energiemenge und letztendlich die erzeugte Dampfmenge. Der Kesselwirkungsgrad würde somit steigen.

Üblicher Weise werden die Schlacken per Naßentschlacker mit einem Glühverlust von circa 3 % ausgetragen. Neuartige Entwicklungen mit trockenem Schlackeaustrag errei-chen Glühverluste von bis zu 1 % und nutzen dabei zusätzlich die Schlackenwärme, um Verbrennungsluft vorzuwärmen [Böni 2009]. Die rund 400 °C heiße Asche wird fast auf Umgebungstemperatur abgekühlt und so die chemischen und thermischen Asche-verluste gesenkt. Der Kesselwirkungsgrad steigt um etwa 1,8 %, der elektrische Wirkungsgrad um rund 0,4 % (Abb. 5).

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Abbildung 5: Entwicklung von Kessel- und Gesamtwirkungsgrad nach Absenkung des Glühverlustes und der Aschetemperatur

Das Verfahren ist noch im Entwicklungsstadium. Die Höhe der Investitionskosten kön-nen daher nicht genau abgeschätzt werden. Es wird circa 1 % der Investitionskosten einer Neu-MVA angesetzt. Auch muss diese Technologie ihre Praxistauglichkeit noch im Dauerbetrieb nachweisen. In Summe lässt sich durch die genannten Maßnahmen der Kesselwirkungsgrad von 75 % um etwa 8 % auf 83 % erhöhen. Als Ergebnis bleibt an dieser Stelle festzuhalten, dass durch die Optimierung der Dampferzeugung der elektrische Wirkungsgrad um 1,85 % steigt.

Die Summe der Wirkungsgradsteigerungen der Einzelmaßnahmen entspricht dabei nicht dem Gesamtergebnis. Die Verringerung des Sauerstoffgehaltes im Abgas erzeugt geringere Rauchgasmengen, sinkende thermische Wärmeverluste sind die Folge. Die Absenkung des Sauerstoffgehaltes im Abgas hat damit neben der Absenkung der Rauchgastemperatur am Kesselaustritt Einfluss auf die thermischen Rauchgasverluste.

3.2 Erhöhung der Stromproduktion

Die Erzeugung von Strom erfolgt über die Entspannung des Dampfes in der Dampf-turbine, deren Welle die erzeugte mechanische Energie über eine Kupplung und ein Getriebe an einen Generator abgibt. Der Generator erzeugt aus mechanischer Energie elektrische Energie.

Die Menge an Strom, die aus einer bestimmten Menge Dampf erzeugt werden kann ist abhängig von

● der Enthalpiedifferenz über die der Dampf in der Turbine entspannt wird, ● der Menge an Kondensationsenthalpie, die zur Kondensat- und Speisewasser-

vorwärmung genutzt werden kann, ● dem inneren Turbinenwirkungsgrad und ● der Menge an ausgekoppelter Fernwärme bzw. Prozessdampf.

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Energieeffizienzsteigerungsmaßnahmen bei der Müllverbrennung – Kosten und Nutzen

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Der in Kapitel 1 dargestellte Wirkungsgrad des Clausius-Rankine-Kreisprozesses von 25 %, der das Verhältnis von auf die Turbine gegebener Dampfenergie zu der auf die Turbinenwelle übertragenen Energie darstellt, berechnet sich mit folgenden Kenndaten:

● Dampfparameter Turbineneintritt: 40 bar, 400 °C ● Kondensationsdruck: 0,2 bar ● Luftvorwärmung einstufig auf durchschnittlich 75 °C ● Turbinenwirkungsgrad: 75 % ● keine Wärme oder Prozessdampfabgabe

Im Folgenden werden die Möglichkeiten und Potenziale zur Erhöhung des realen ther-mischen Wirkungsgrades des Clausius-Rankine-Kreisprozesses betrachtet.

3.2.1 Erhöhung der Frischdampftemperatur

In Europa haben sich bei der klassischen Müllverbrennung Frischdampftemperaturen von 400 °C bei 40 bar durchgesetzt. Diese stellen, bei den in den letzten Jahren zu erzielenden Stromerlösen, den besten Kompromiss zwischen hoher Verfügbarkeit und akzeptablen Verschleiß durch Hochtemperaturchlorkorrosion dar. Die Erhöhung der Frischdampftemperatur um 10 K erhöht den realen thermischen Wirkungsgrad des Clausius-Rankine-Kreisprozesses (ηth,r) um circa 0,4 %, den elektrischen Wirkungsgrad um 0,3 % (Abb. 6). Die Wirkungsgradsteigerung ist linear von der Frischdampftem-peratur anhängig.

Abbildung 6: Entwicklung der Wirkungsgrade bei Erhöhung der Frischdampftemperatur

Die Korrosionsraten sind von zahlreichen verschiedenen Faktoren abhängig. Zu nen-nen sind beispielsweise der Chlorgehalt des Abfalls, das Ascheschmelzverhalten, die Rauchgasgeschwindigkeit und die Gastemperatur am Überhitzer. Die Erhöhung der Frischdampfparameter an Altanlagen setzt meist den Austausch des Druckteils des Kessels voraus. Außerdem müssten weiterführende Korrosionsschutzmaßnahmen durchgeführt werden. Auch die Turbinen, die in der Regel nicht auf höhere Dampf-parameter ausgelegt sind, müssten ausgetauscht werden. Allein für den Austausch der

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Kessel fallen geschätzte 15 % der Investitionskosten einer kompletten Neuanlage an. Bei dem Neubau von Anlagen können durch erhöhte Korrosionsschutzmaßnahmen wie Cladding und Kesselreinigungssysteme etwa 2 % auf die Gesamtinvestitionen auf-geschlagen werden. Frischdampftemperaturen von 450 °C sollten dann erreichbar sein.

3.2.2 Absenkung des Kondensationsdruckes

Neben der Erhöhung der Frischdampfparameter stellt die Absenkung des Kondensa-tionsdruckes die zweite Möglichkeit dar, die Enthalpiedifferenz zur Entspannung in der Turbine zu erhöhen. Die meisten deutschen Müllverbrennungsanlagen werden mit Kondensationsdrücken von etwa 0,2 bar bei etwa 60 °C über Luftkondensation gefah-ren. Kann Wasser zur Wärmeabfuhr genutzt werden, sind durch den besseren Wärme-übergang Kondensationsdrücke bis 0,03 bar bei etwa 24 °C umsetzbar. Die Standorte, die für eine Fluss- oder Meerwasserkühlung in Frage kommen, sind jedoch eng begrenzt. Mit Luftkondensatoren lässt sich im jährlichen Durchschnitt ein Konden-sationsdruck von 0,1 bar und 46 °C realisieren. Die Absenkung des Kondensations-druckes bewirkt bei diesen Bedingungen eine Steigerung des ηth,r von circa 1,5 %. Der elektrische Wirkungsgrad steigt um circa 1 %.

Abbildung 7: Entwicklung der Wirkungsgrade bei Absenkung des Kondensationsdrucks

Analog einer Erhöhung der Frischdampftemperaturen ist auch bei der Absenkung des Kondensationsdrucks darauf zu achten, dass die bestehenden Turbinen in der Regel niedrigere Kondensationsdrücke nicht fahren können. Ein Austausch der Turbinen ist daher unerlässlich. Weiterhin nimmt die Dampfnässe bei niedrigeren Abdampfdrücken zu. Die Belastung durch Wasserschläge an den hinteren Turbinenschaufeln erhöht sich, die Standfestigkeit der Turbine nimmt ab. Die Investitionskosten infolge eines Turbinenaustausches werden in Kapitel 3.2.4 gesondert betrachtet.

Als Investitionskosten für größere Luftkondensatoren können etwa 0,5 % der Investi-tionssumme einer Neuanlage angesetzt werden.

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Energieeffizienzsteigerungsmaßnahmen bei der Müllverbrennung – Kosten und Nutzen

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3.2.3 Kondensat- und Speisewasservorwärmung Die Speisewasservorwärmung ist bei Dampf-Kraftprozessen zwingend notwendig, da im Wasser gelöste Gase durch Dampf ausgegast werden. Weiterhin kann die Konden-sationsenthalpie des bereits teilweise zur Stromerzeugung entspannten Dampfes genutzt werden, um das Kondensat- bzw. das Speisewasser vorzuwärmen. Die Kondensatvorwärmung erfolgt an der Beispielanlage zweistufig auf zunächst 102 °C im Entgaser, dann in einer zweiten Stufe auf 130 °C. Für die Aufheizung auf 130 °C wird Dampf über die 5 bar-Schiene bei rund 160 °C der Turbine entnommen. Reduziert auf 1,2 bar wird der Dampf derselben Temperatur nachfolgend zur Kondensatvorwärmung auf 102 °C genutzt.

Eine gestufte Turbinenanzapfung steigert den Wirkungsgrad. Die Kondensatvor-wärmung auf 100 °C kann mit Turbinen-Anzapfdampf von 110 °C erfolgen. Der Dampf zur Entgasung und Aufheizung des Kondensates auf 130 °C sollte idealer Weise der Turbine bei etwa 140 °C entnommen werden. Aufgrund dieser Optimierung steht der Dampf mit einem höheren Enthalpiegefälle zur Erzeugung mechanischer Energie in der Turbine zur Verfügung. Daraufhin steigt ηth,r um etwa 1,8 % und der elektrische Wirkungsgrad um etwa 1,3 % an.

Da Anzapfstutzen an Turbinen nicht nachgerüstet werden können, muss in eine ent-sprechende Turbine mit passenden Anzapfstutzen investiert werden.

Neben der genauen Wahl der Dampfparameter zur Erwärmung des Kondensates bewirkt jede weitere Vorwärmstufe eine Wirkungsgraderhöhung. Die Steigerung der Vorwärmstufen von eins auf zwei steigert den elektrischen Wirkungsgrad um rund 1 %. Mit jeder weiteren Vorwärmstufe erhöht sich der elektrische Wirkungsgrad noch einmal jeweils um rund die Hälfte (Abb. 8).

Abbildung 8: Entwicklung der Wirkungsgrade bei Erhöhung der Anzahl der Vorwärmstufen

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Mehr als drei Vorwärmstufen sind bei Müllverbrennungsanlagen nicht sinnvoll, da sich aufgrund des hohen apparativen Aufwandes nur geringe zusätzliche Wirkungsgrad-steigerungen erreichen lassen. Neben der Nutzung von Anzapfdampf kann die Kondensatvorwärmung auch über alternative Wärmequellen erfolgen. Die Abwärme der gekühlten Verbrennungsroste kann genutzt werden, indem die Wärme des Kühl-kreislaufes auf das Kondensat übertragen wird. Der zusätzlich apparative Aufwand dafür wäre minimal.

Bei niedrigen Kondensattemperaturen und bei Vorhandensein einer nassen Rauch-gaswäsche, kann das warme Waschwasser genutzt werden um das Kondensat vorzu-wärmen. Der Wärmetauscher müsste aus hochkorrosionsbeständigem Material beste-hen. Der Aufwand kann auf 0,3 % des Gesamtinvestitionsaufwandes der Anlage geschätzt werden.

Lässt die Rauchgasreinigung Abgastemperaturen von deutlich weniger als 180 °C zu, kann auch diese Restwärme des Rauchgases zur Kondensatvorwärmung genutzt wer-den. Da in diesem Bereich die Gefahr der Korrosion durch Taupunktunterschreitung stark ansteigt, sind wiederum teure korrosionsbeständige Werkstoffe einzusetzen. Die Abwärme der Rauchgase kann theoretisch auch bis Temperaturen unter 180 °C genutzt werden. Beispiele dafür sind die MVA in Brescia und die neue Anlage (HR-AVI) in Amsterdam. In der HR-AVI wird die Wärme des Rauchgases bis auf eine Temperatur von 150 °C genutzt, wodurch der Kesselwirkungsgrad um rund 2,5 % und der elektri-sche Wirkungsgrad über die höhere Dampfproduktion um etwas über 0,5 % ansteigen. Der zusätzliche Aufwand kann aufgrund der teuren Werkstoffe mit zusätzlich etwa 1 % der Gesamtinvestitionskosten einer Neuanlage abgeschätzt werden.

3.2.4 Erhöhung des Turbinenwirkungsgrades

Die Turbine stellt das zentrale Bauteil der Stromerzeugung dar und muss optimal auf die Ansprüche des Wasser-Dampf-Kreislaufs abgestimmt sein. Wie schon in den vor-hergehenden Kapiteln dargestellt, sind bestimmte Maßnahmen zur Erhöhung des elektrischen Wirkungsgrades nur über die Anpassung oder Neuanschaffung der Turbi-nen möglich. Die meisten in deutschen Müllverbrennungsanlagen eingesetzten Turbi-nen haben innere Wirkungsgrade von rund 75 %. Neue moderne Turbinen erreichen rund 83 %. Den Einfluss des Turbinenwirkungsgrades auf den zu erzielenden realen thermischen Wirkungsgrad und den elektrischen Gesamtwirkungsgrad zeigt Abbil-dung 9.

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Abbildung 9: Entwicklung der Wirkungsgrade bei Erhöhung des inneren Turbinenwirkungsgrades

Der reale thermische Wirkungsgrad des Clausius-Rankine-Kreisprozesses steigt infolge dessen um 2 % an, der elektrische Wirkungsgrad um 1,5 %.

Hohe innere Wirkungsgrade sind nur zu erreichen, wenn optimale Frischdampf- und Abdampfparameter eingestellt sind. Auch die pro Zeiteinheit durchströmende Dampf-menge sollte auf ein Optimum eingestellt sein. Bei welchen Druckstufen die Anzapf-stutzen für eine mögliche Prozessdampfauskopplung, für die Anzapfung von Prozess-dampf für Fernwärmeerzeugung bzw. von Dampf zur Luft-, Kondensat- und Speise-wasservorwärmung angebracht werden sollte, muss im Vorfeld gut geprüft sein. Je mehr Anzapfstufen die Turbine besitzt, desto flexibler und kostenintensiver ist sie auch. Turbinen haben je nach Ausstattung einen Anteil von etwa 12 % an den Gesamtkosten einer Anlage.

In Summe lässt sich durch Modernisierung von Alt-MVA der reale thermische Wirkungsgrad des Clausius-Rankine durch folgende Maßnahmen von 25 % auf etwa 32,3 % steigern:

● Erhöhung der Frischdampftemperatur von 400 °C auf 450 °C ● Absenkung des Kondensationsdruckes von 0,2 bar auf 0,1 bar ● Optimierung der zweistufigen Kondensatvorwärmung ● Erhöhung des inneren Turbinenwirkungsgrades von 75 % auf 83 %

Unter Berücksichtigung der Erhöhung des Kesselwirkungsgrades von 75 % auf 83 % steigt der elektrische Bruttowirkungsgrad von 18 % auf circa 25 %.

3.3 Erhöhung der Wärmeabgabe

Die Abgabe von Prozessdampf und Fernwärme hat einen negativen Einfluss auf den elektrischen Wirkungsgrad, da Dampfmengen frühzeitig aus der Turbine ausgekoppelt werden und der Dampf somit nicht mehr zur Stromerzeugung zur Verfügung steht. Je nachdem bei welcher Druckstufe und in welchen Mengen Dampf der Turbine entnom-men wird, sinkt der elektrische Wirkungsgrad. Bei Prozessdampf und Fernwärme wird

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die Kondensationsenthalpie des Dampfes genutzt, wonach der Gesamtwirkungsgrad der Anlage deutlich ansteigt. Aus energetischer Sicht sollte soviel Wärme wie möglich abgegeben werden, um hohe Gesamtwirkungsgrade zu erzielen. Die Erwärmung des Fernwärmerücklaufs sollte wie bei der Kondensatvorwärmung auch mehrstufig erfol-gen, um mehr Dampf zur Entspannung in der Turbine zur Verfügung zu stellen.

Auch unter wirtschaftlichen Aspekten kann sich die Erhöhung der Wärmeabgabe rech-nen. Die Megawattstunde Prozessdampf von 16 bar wird aktuell mit bis zu 40 Euro, 6-bar Prozessdampf mit bis zu 25 Euro vergütet [Schuhmacher & Nebocat 2009]. Die Preise für Fernwärme liegen je nach Fernwärmevorlauftemperaturen bei etwa 20 Euro/MWh.

Sind Wärmeabnehmer in der unmittelbaren Umgebung der MVA vorhanden, lohnen sich Investitionen sehr schnell. Sind die Fernwärmeabnehmer vom Standort weit ent-fernt und wird Wärme nicht im ausreichenden Maße abgenommen, lohnen sich Investi-tionen nicht. Die Erzeugung von Kälte aus Abwärme und der Transport thermischer Energie durch Wärmespeicher zum Wärmeabnehmer [Hauer 2008] stellen weitere Möglichkeiten dar, um Abwärme effizient zu nutzen.

3.4 Weitere Maßnahmen

In bereits bestehenden Anlagen gibt es zahlreiche Möglichkeiten, die Energieeffizienz durch die Einsparung weiterer, wenn auch teilweise nur kleiner Energiemengen zu steigern. Beispielsweise kann die Kondensationsenthalpie des Wasserabdampfes am Entgaser über einen Wärmetauscher an das nachgespeiste VE-Wasser abgegeben werden. Meist werden der Sperrdampf, der Turbinenstutzen und der Dampf für die Dampfstrahlpumpen der Kondensatorevakuierung mit Frischdampf betrieben. Die Umstellung auf Anzapfdampf kann Energie einsparen [Wandschneider & Gutjahr 2005]. Die Nachrüstung von Frequenzreglern für Motoren und Antriebe verringert den elektrischen Eigenbedarf. Teilweise sind Müllverbrennungsanlagen noch mit elektrisch betriebenen Speisewasserpumpen ausgerüstet. Der Austausch von elektrisch betriebenen durch dampfbetriebene Speisewasserpumpen verbraucht zwar zunächst mehr Eigendampf, der nicht mehr zur Stromproduktion bereit steht, andererseits sinkt der elektrische Eigenbedarf deutlich.

Der elektrische Eigenbedarf lässt sich in modernen Müllverbrennungsanlagen nicht viel niedriger als auf etwa 3 % der Feuerungswärmeleistung senken. Ein elektrischer Nettowirkungsgrad von 22 % ist die Folge.

Auf die Zwischenüberhitzung, eine Maßnahme, die zu einer deutlichen Steigerung des elektrischen Wirkungsgrades führt, wurde bisher noch nicht eingegangen. Bei der Zwischenüberhitzung wird der Dampf dem Hochdruckteil der Turbine entnommen, noch ein zweites Mal überhitzt und dem Niederdruckteil der Turbine zugeführt. In Großkraft-werken mit hohen Dampfdrücken und sehr hohen Turbinenwirkungsgraden ist die

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Zwischenüberhitzung sogar zwingend erforderlich, um hohe Wassergehalte im Abdampf zu verhindern. Üblicherweise erfolgt die Zwischenüberhitzung mit weiteren Überhitzerbündeln im heißen Rauchgas. Bei der Abfallverbrennung würde sich das Risiko von Ausfällen durch Korrosion an den Überhitzerbündeln verdoppeln. Eine Lösung für dieses Problem stellt die Überhitzung mit Sattdampf aus der Dampftrommel dar, die bisher allerdings erst einmalig in der HR-AVI in Amsterdam realisiert wurde. Für die Nachrüstung bestehender Müllverbrennungsanlagen eignet sich die Zwischen-überhitzung jedoch nicht, da der Großteil der gesamten Anlagentechnik ausgetauscht werden müsste.

4 Vergleich der Maßnahmen Um die oben betrachteten Einzelmaßnahmen in Bezug auf ihre Wirtschaftlichkeit ver-gleichen zu können, ist in Tabelle 1 der Anteil der Investitionskosten an einer Neubau-MVA für die Erhöhung des elektrischen Wirkungsgrades um 1 % dargestellt.

Tabelle 2: Investitionskosten für die Steigerung des elektrischen Wirkungsgrades ηel

Investitionskosten Maßnahme

Steigerung ηel [%] [%] 1) pro 1 % Erhöhung ηel

[%] 1) Absenkung der Rauchgas-temperatur von 230 auf 180 °C 1 0,7 0,7

Absenken des Glühverlustes von 3 auf 1 % 0,4 1 2,5

Verringerung Luftüberschuss von 8 auf 6 % O2

0,7 2 2,9

Optimierung Kondensat- und Speisewasservorwärmung 1,3 -- 2) -- 2)

Absenkung Kondensationsdruck von 0,2 auf 0,1 bar 1 0,5 2) 0,5 2)

Erhöhung des Turbinenwirkungs-grades von 75 auf 83 % 1,5 12 8

Erhöhung der Frischdampf-temperatur von 400 auf 450 °C 1,5 15 2) 10 2)

1) % an einer Neu-MVA 2) nur möglich in Verbindung mit neuen Turbinen, Invest für Turbinen nicht enthalten

Alle Maßnahmen, welche die Steigerung des realen thermischen Wirkungsgrades des Clausius-Rankine-Kreisprozesses betreffen, können nur in Verbindung mit neuen Tur-binen umgesetzt werden. Die Investitionskosten steigen allerdings deutlich. Die Absen-kung der Rauchgastemperatur von 230 °C auf 180 °C erscheint am wirtschaftlichsten, gefolgt von der Senkung des Glühverlustes der Aschen und der Verringerung des Luft-

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überschusses. Diese drei Maßnahmen steigern den Kesselwirkungsgrad und können bei bestehenden Müllverbrennungsanlagen kostengünstig die Dampfproduktion erhö-hen. Höhere Kesselwirkungsgrade bedeuten also eine höhere Dampfproduktion bei gleichem Brennstoffeinsatz oder weniger Brennstoffeinsatz bei gleicher erzeugter Dampfmenge. Höhere Dampfmengen bedeuten bei der Erzeugung von elektrischem Strom wiederum einen Turbinenaustausch und hohe Investitionskosten. Die Wirtschaft-lichkeit von Müllverbrennungsanlagen wird derzeit noch in erster Linie durch hohe Durchsätze bei hohen Müllgebühren gewährleistet (vgl. Kapitel 2). Es kann sich daher kein Anlagenbetreiber leisten, auf hohe Mülldurchsätze zu verzichten. Der Umbau von Altanlagen hin zu einer höheren Stromproduktion kann in der Regel nur über hohe Investitionskosten erreicht werden.

5 Fazit

Die Erhöhung der Dampfproduktion durch Steigerung des Kesselwirkungsgrades lässt sich mit moderaten Investitionskosten erzielen. Die erhöhte Dampfproduktion zur Stromerzeugung zu nutzen, ist meistens nicht möglich, da die in bestehenden Müllverbrennungsanlagen eingesetzten Turbinen im Normalfall an der Grenze ihres Dampfaufnahmevermögens gefahren werden. Damit setzen alle Maßnahmen, die zur Steigerung des elektrischen Wirkungsgrades beitragen, hohe Investitionen in neue Turbinen voraus. Eine bessere Nutzung der entstehenden Wärme über die Abgabe von Prozessdampf und Fernwärme stellt hier die realistischste Alternative dar, hohe Energieeffizienzsteigerungspotenziale auszuschöpfen. Hier bestehen allerdings die in Kapitel 3.3 beschriebenen Probleme, dass Wärmeabnehmer oft weit entfernt angesiedelt sind oder unregelmäßig Wärme abnehmen.

Die theoretischen Potenziale für höhere Energieeffizienzen in Altanlagen sind nur bedingt abschätzbar. Der Neubau von Anlagen sollte standortspezifisch erfolgen, um konstant hohe Wärmemengen an Abnehmer liefern zu können. Hier lohnen sich zusätzliche Investitionen in hohe Kesselwirkungsgrade, da die höheren Dampfmengen thermisch genutzt werden können. Die wirtschaftliche Darstellung von Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz ist bei Altanlagen komplizierter als bei Neuanlagen. In Altanlagen müssen die Maßnahmen auf die vorhandene Anlagentechnik abgestimmt sein. Der Umbau ist meist teurer als der Neubau und in der Regel nur ein Kompromiss zwischen Energieeffizienz und Wirtschaftlichkeit. Bei der Planung in den Neubau von Müllverbrennungsanlagen können alle Maßnahmen aufeinander abgestimmt werden und standortabhängig eine maximale Energieeffizienz bei minimalen Investitionskosten erzielt werden.

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6 Zusammenfassung Der vorliegende Beitrag soll aufzeigen, welche Optimierungsmaßnahmen in welchem Maße zu einer Energieeffizienzsteigerung bei der Müllverbrennung beitragen. Dabei werden die Kosten abgeschätzt, die zur Umsetzung dieser Maßnahmen investiert wer-den müssen. Investitionen in die Erhöhung des Kesselwirkungsgrades erscheinen zunächst am wirtschaftlichsten. Da das Wasser-Dampf-System mit den Turbinen auf höhere Dampfmengen selten ausgelegt ist, kann im Umkehrschluss lediglich Brennstoff eingespart werden. Weiterhin erwirtschaften Müllverbrennungsanlagen den größten Anteil ihrer Gewinne an den Müllgebühren. Diese Maßnahme ist nicht tragbar. Alle Maßnahmen, die direkt auf die Effizienz des Wasser-Dampf-Kreislaufs und der Erzeu-gung elektrischer Energie abzielen, lassen sich ebenfalls nur über hohe Investitions-kosten in neue Turbinen ermöglichen.

Der Ausbau der Wärmeabgabe in Form von Prozessdampf und Fernwärme birgt hohe noch ungenutzte Potenziale. Der elektrische Wirkungsgrad geht durch diese Maßnah-men zwar zurück, da die gesamte Kondensationswärme des Dampfes genutzt werden kann, steigt der Gesamtwirkungsgrad deutlich an. Die ungünstige Lage vieler alter Müllverbrennungsanlagen erschwert jedoch die Wärmeabgabe.

7 Literaturquellen Böni, D. (2009): Trockener Schlackenaustrag – ungenutzte Potentiale in der Abfallverbrennung.

In: Thomé-Kozmiensky, K.J.; Beckmann, M. (Hrsg.): Energie aus Abfall, Band 6, TK Verlag, Neuruppin, 109-125.

EUWID-Recycling und Entsorgung, Nr.40, 30.09.2008.

EEX – European Energie Exchange: Durchschnittlicher Strompreis im Jahr 2008. Internet: www.eex.com/de/Downloads/Marktdaten (Recherchedatum: 09.02.2009).

Hauer, A. (2008): Mobile Wärmespeicher. Vortrag bei der Klima- und Ressourcenschutz-konferenz, 15./16. September 2008, Würzburg.

Schuhmacher, W.; Nebocat, B. (2009): Kosten der Ersatzbrennstoffverbrennung. In: Thomé-Kozmiensky, K.J.; Beckmann, M. (Hrsg.): Energie aus Abfall, Band 6, TK Verlag, Neuruppin, 185-222.

Treder, M. (2006):Energieerzeugung und Klimarelevanz der W-t-E Anlagen in Deutschland. Kurzfassung vom 16.07.2006, Würzburg.

Wandschneider+Gutjahr (2007): Studie zum Energiepotential von KVA in der Schweiz. Baudirektion Kanton Zürich, Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft, Juni 2005, Hamburg.

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B. Bilitewski, A.I. Urban, M. Faulstich (Hrsg.)

14. Fachtagung Thermische Abfallbehandlung

Relevanz der CCS-Technologie für die Abfallverbrennung

Prof. Dr.-Ing. Martin Faulstich, Dipl.-Biol. Anna Leipprand

Sachverständigenrat für Umweltfragen

Berlin

Dipl.-Ing. Uwe Eggenstein

ATZ Entwicklungszentrum

Sulzbach-Rosenberg

Schriftenreihe des Fachgebietes Abfalltechnik Universität Kassel

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Martin Faulstich, Uwe Eggenstein, Anna Leipprand

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1 Einführung

Unter dem Kürzel CCS (Carbon Capture and Storage) wird die Abscheidung und Spei-cherung von Kohlendioxid aus Kraftwerken verstanden. Bereits auf der 11. Fachtagung Thermische Abfallbehandlung wurde der Stand der Technik der CO2-Abscheidung bei Kraftwerken vorgestellt [Span 2006]. Zur CCS-Technologie sind seitdem zahlreiche weitere Studien erschienen, unter anderem vom Forschungszentrum Jülich, Wuppertal Institut, Umweltbundesamt, Bundesamt für Geowissenschaften und Rohstoffe und dem IPCC [Dietrich 2007; BMWi et al. 2007; Linßen et al. 2006; Wuppertal Institut et al. 2007; Radgen et al. 2006; UBA 2006a; IPCC 2005a; IPCC 2005b; Cramer 2007; Men-zel 2007; Döll 2007; Kundzewicz 2007; Uyterlinde et al. 2006; Coninck et al. 2006; IEA 2007b; IEA 2007c]. Nachfolgend wird das Thema CCS mit den Einzelschritten Abscheidung, Transport und Speicherung diskutiert, jeweils unter Berücksichtigung der technischen Optionen, der Verfügbarkeit, der Risiken und Probleme sowie der Kosten. Die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen für die Anwendung von CCS auf deutscher und europäischer Ebene werden vorgestellt und kritisch beleuchtet. Schließ-lich wird die Anwendbarkeit der Technologie auf Abfallverbrennungsanlagen diskutiert.

2 Stand der Entwicklungen der CCS-Technologie

2.1 Abscheidung

Für die Abscheidung von CO2 bei der Verbrennung gibt es prinzipiell drei technische Möglichkeiten:

• Post-Combustion, • Oxyfuel, • Pre-Combustion.

2.1.1 Post-Combustion: CO2-Abtrennung aus dem Rauchgas

Bei der Variante Post-Combustion wird das Kohlendioxid (10 bis 14 % CO2 im Rauch-gas) nach der Verbrennung aus dem Rauchgas abgeschieden. Diese Abscheidung erfolgt durch Wäschen, zum Beispiel mit Aminen. Die Technologie ist prinzipiell verfüg-bar, jedoch fehlen noch Erfahrungen im großtechnischen Maßstab. Hinzu kommt ein hoher Kosten- und Energieaufwand. Ein Vorteil ist, dass die Variante Post-Combustion prinzipiell auch für die Nachrüstung von Altkraftwerken geeignet ist, wobei dieses zu hohen Leistungseinbußen führt, die im Bereich von etwa 10 bis über 15 Prozent-punkten liegen. Die Verringerung des Wirkungsgrades eines 1.000 MW Beispielkraft-werkes wird mit 13 Prozentpunkten angegeben. Eine Verdichtung des abgeschiedenen CO2 auf 110 bar für den Pipelinetransport würde den Wirkungsgrad noch einmal um etwa 3 bis 4 Prozentpunkte verringern [UBA 2006b, S. 56].

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Relevanz der CCS-Technologie für die Abfallverbrennung

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Abbildung 1: Schematische Darstellung des Post-Combustion-Prozesses [Linßen 2006]

2.1.2 Oxyfuel: CO2-Aufkonzentration im Rauchgas

Bei der zweiten Variante Oxyfuel erfolgt die Verbrennung mit reinem Sauerstoff, so dass das Rauchgas praktisch keinen Stickstoff enthält und sehr stark mit Kohlendioxid angereichert ist (etwa 70 %). Bei diesem Verfahren ist daher eine vorgeschaltete Luft-zerlegungsanlage erforderlich, um den für die Verbrennung notwendigen Sauerstoff zur Verfügung zu stellen. Diese Variante kann nur bei Neubauten von Kraftwerken ein-gesetzt werden. Dadurch entsteht ein hoher zusätzlicher Aufwand bei der Konzeption von Anlagen. Der energetische Wirkungsgrad des Kraftwerks wird durch die Techno-logie erheblich reduziert. Im Allgemeinen werden die Wirkungsgradeinbußen von Dampfkraftwerken bei diesem Verfahren mit etwa 5 bis 10 Prozentpunkten für die CO2-Abscheidung und weiteren 2 bis 5 Prozentpunkten für die CO2-Verflüssigung angegeben [UBA 2006b, S. 68].

Abbildung 2: Schematische Darstellung des Oxyfuel-Prozesses [Linßen 2006]

2.1.3 Pre-Combustion: CO2-Abtrennung aus Synthesegas nach CO-Umwandlung

Die dritte Variante Pre-Combustion (auch IGCC Technologie – Integrated Gasification Combined Cycle) erfordert eine gänzlich neue Kraftwerkstechnologie. Die Basis sind Vergasungsprozesse kombiniert mit Gas- und Dampfturbinenanlagen. Der Brennstoff wird dabei mit reinem Sauerstoff (Luftzerlegung erforderlich) vergast, so dass die Produkte Kohlenmonoxid und Wasserstoff entstehen. Dieses Produktgas wird anschließend mit Wasserdampf zu Kohlendioxid und Wasserstoff umgesetzt. Aus diesem Gemisch wird wiederum das Kohlendioxid mit Membranen abgeschieden. Die abschließende Verbrennung ist eine reine Wasserstoffverbrennung, die in der Regel über eine Gasturbine umgesetzt wird. Diese Technologie ist sehr komplex, betritt technisches Neuland und ist vermutlich nur im Hinblick auf eine großtechnisch

Brennstoff Luft

Konventionelles Dampfkraftwerk

Rauchgas-reinigung

CO2-Ab-trennung CO2

Verbrennung/ Kessel

Rauchgas-reinigung

Konden-sation

CO2Brennstoff

Luft N2/O2-Trennung

CO2 / H2O

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eingesetzte Wasserstoffwirtschaft sinnvoll. Der Wirkungsgradverlust durch die CO2-Abscheidung beträgt bei dieser Variante etwa 10 Prozentpunkte für CO2-Rückhaltung und Verdichtung [UBA 2006b, S. 66]. Kohlekraftwerke auf Basis dieser Technologie bieten somit Wirkungsgrade von über 40 %.

Abbildung 3: Schematische Darstellung des Pre-Combustion-Prozesses [Linßen 2006]

Das derzeit bedeutendste Demonstrationsprojekt wird von der Firma Statoil mehr als 200 km vor der norwegischen Küste betrieben (Sleipner-Projekt). Das Projekt wurde im Jahr 1996 gestartet und soll den Nachweis der CO2-Speicherung in Aquiferen im großen Maßstab erbringen. Pro Jahr werden hier etwa 1 Mio. Tonnen CO2 in eine etwa 200 m mächtige und 1000 m tief liegende Schicht injiziert [UBA 2006b, S. 132].

In Deutschland wird von Vattenfall im Industriepark Schwarze Pumpe seit September 2008 eine Pilotanlage mit einer thermischen Leistung von 30 MW betrieben. Die Anlage arbeitet nach dem Oxyfuelverfahren mit CO2-Verflüssigung und dient in den nächsten Jahren als Forschungsanlage für ein späteres Upscaling [Vattenfall 2009].

2.2 Transport

Das nach der Verbrennung (Post-Combustion, Oxyfuel) oder vor der Verbrennung (Pre-Combustion) abgeschiedene Kohlendioxid soll abschließend in geologischen Formationen gespeichert werden. Dazu ist der Transport zu diesen Speichern erforderlich. Zum Transport muss das Kohlendioxid zunächst verdichtet werden, um als so genanntes überkritisches Fluid transportiert werden zu können (zum Beispiel bei einem Druck von 74 bar und einer Dichte von 1.100 kg/m3). Der eigentliche Transport ist nur wirtschaftlich, wenn er in Schiffen oder in Pipelines erfolgt.

Diesbezüglich liegen in Europa keine Erfahrungen vor. In den USA und Kanada gibt es bereits ein Pipelinenetz von über 3.000 km, in dem Kohlendioxid zur Steigerung der Ausbeute von Erdölfeldern (so genanntes enhanced oil recovery) genutzt wird. Nach derzeitigem Kenntnisstand ist der Transport mit Schiffen erst ab einer Entfernung von 1.000 km wirtschaftlich, so dass in Deutschland von einem Pipelinenetz auszugehen ist. Dazu sind hohe Anfangsinvestitionen erforderlich. Die Kosten des Transports werden auf 10 % geschätzt, bezogen auf die gesamte CCS-Kette. Ein Aufbau einer CO2-Transportinfrastruktur hätte allerdings nur Sinn, wenn die Technologien zur CO2-Abscheidung nach Kraftwerken marktreif sind. Dies ist bisher nicht der Fall.

N2/O2-Trennung

Brennstoff Luft

Gasreinigung CO-Shift

CO2-Ab-trennung Vergasung

CO2

Verbrennung/GuD mit H2 -Turbine

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Relevanz der CCS-Technologie für die Abfallverbrennung

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Abbildung 4: Transportformen für abgeschiedenes CO2 (Bildnachweise : www.ieagreen.org, www.bdp.de)

2.3 Speicherung

Das Kohlendioxid muss abschließend lange Zeit sicher eingelagert werden. Prinzipiell kommen dafür folgende Optionen in Frage (Abb. 5):

Ausgebeutete Gas- und Erdölfelder, Erdgas- und Erdölfelder während der Exploration, Wasserschichten unter Land und Meeresgrund, Nicht genutzte Kohleflöze, Stoffliche Nutzung in der Chemie und Lebensmittelindustrie, Mineralisierung zu Gesteinen.

Abbildung 5: Speichermöglichkeiten für abgeschiedenes CO2 [IPCC 2005]

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Die Speicherung in alten Erdgasfeldern ist international Stand der Technik und wird zum Beispiel zur Zwischenspeicherung von Erdgas genutzt. Allerdings gibt es dabei keine Langzeiterfahrungen, wie sie bei der Speicherung von Kohlendioxid erforderlich sind. Die Speicherung in Aquiferen soll in 900 bis 1.000 m Tiefe erfolgen und zwar in Schichten, die keine Verbindung zu anderen Schichten aufweisen. Derzeit gibt es noch keine hinreichenden Kenntnisse über die langfristige Sicherheit von CO2-Speichern und die Leckraten. Bei einer Leckrate von < 0,01 % pro Jahr, die das Umweltbundesamt für realistisch hält, wären nach 1.000 Jahren noch 90 % des eingelagerten Gases vorhanden. Bei der Speicherung von CO2 kann es auch zu Nutzungskonflikten mit der Geothermie und dem Bergversatz kommen.

Die Speicherung in der Tiefsee wird zwar derzeit erprobt, aber nahezu einhellig von Experten abgelehnt [SRU 2008]. Das Umweltbundesamt fordert ein Verbot nach internationalem Recht für die Speicherung von CO2 in der Wassersäule oder als „CO2-See“ auf dem Grund des Meeres [UBA 2006a].

Die Lagerung in alten Kohleflözen würde dort das Methan verdrängen, welches zum einen genutzt werden, zum anderen aber auch durch unkontrollierte Ausgasung den Treibhauseffekt verstärken könnte.

Für Deutschland kommen derzeit nur leere Gasfelder und tiefe Aquifere infrage. Die Schätzung der Lagerpotenziale geht sehr weit auseinander und reicht von etwa 30 bis zu 130 Jahren (Abb. 6). Dennoch deuten diese Potenzialabschätzungen darauf hin, dass auch CCS keine dauerhafte Lösung des Problems darstellt.

Abbildung 6: Reichweiten für abgeschiedene Kraftwerksemissionen [Linßen 2006]

0 20 40 60 80 100 120

Gasfelder

Ölfelder

Aquifere

Kohleflöze

Reichweite in Jahren

DeutschlandEuropa

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Relevanz der CCS-Technologie für die Abfallverbrennung

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2.4 Kosten

Die Kosten der CCS-Technologie sind hoch und die Marktreife der Technik ist zum heutigen Zeitpunkt noch ungesichert. Die Internationale Energieagentur [IEA] schätzt die Investitions- und Stromgestehungskosten je nach Verfahren bis zu doppelt so hoch wie bei einem modernen Kohlekraftwerk ohne CCS (Abb. 7). In Tabelle 1 werden die CO2-Vermeidungskosten zweier anderer Studien für unterschiedliche Kraftwerkstypen und unterschiedliche Zeitpunkte der Betriebsaufnahme dargestellt. Dabei ergeben sich für 2020 CO2-Vermeidungskosten zwischen 38 bis knapp 64 €/Mg CO2. Bei der IEA beträgt die geschätzte Spanne für neue Kraftwerke 24 bis 72 €/Mg CO2 (30 bis 90 $/Mg CO2) für die Abscheidung und 8 bis 32 €/Mg CO2 (10 bis 40 $/Mg CO2) für Transport und Speicherung (Ausnahme: enhanced oil recovery). Insgesamt wird im günstigsten Fall von 40 €/Mg CO2 (50 $/Mg CO2) ausgegangen. Die Nachrüstung eines Kohlekraftwerks mit CCS ist jedoch noch deutlich teurer und wird von der IEA auf 53 bis 97 €/Mg CO2 (66 bis 122 $/Mg CO2) geschätzt [IEA 2007c, S. 218 ff.].

Abbildung 7: Investitionskosten moderner Kohlekraftwerke mit und ohne CCS Technik

verschiedener Verbrennungsverfahren [IEA 2007] Diese Kosten sind auch vor dem Hintergrund der sinkenden Preisen erneuerbarer Energien zu sehen [Viebahn et al. 2007a; Viebahn et al. 2007b]. Inzwischen wurden weltweit mehrere CCS-Projekte aus Kostengründen gestoppt. In Norwegen wurde ein Gaskraftwerksprojekt von Shell und Statoil-Hydro bei Trondheim aus Kostengründen gänzlich aufgegeben. Bei einem von der norwegischen Regierung geplanten Wärme-kraftwerk in Mongstad wird vorerst auf die Lagerung verzichtet, das heißt das CO2 wird nach der Abscheidung emittiert [Watson 2007].

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Tabelle 1: CO2-Vermeidungskosten von CCS-Kraftwerken in €/MgCO2 für verschiedene Brennstoffpreisszenarien und Betriebslaufzeiten (einschließlich Transport und Speicherung) [Wuppertal Institut 2007]

Zeitpunkt der Betriebsaufnahme 2020 2030 2040 2050

Szenario I [EWI 2005]

Erdgas-KW, GuD 58,20 51,50 45,80 47,80

SK-KW, Dampf 42,00 39,80 38,80 39,50

SK-IGCC 38,20 36,60 36,10 36,60

Durchschnitt 46,13 42,63 40,23 41,30

Szenario II [DLR 2005]

Erdgas-KW, GuD 63,70 58,30 51,90 54,20

SK-KW, Dampf 43,20 42,50 40,40 40,70

SK-IGCC 39,20 38,10 37,40 37,90

Durchschnitt 48,70 46,30 43,23 44,27

Brennstoffpreisszenarien: EWI 2005: mittlere Preise für 2020 bis 2050, Gas 4,87 €/GJ, Steinkohle 1,98 €/GJ, Braunkohle 0,83 €/GJ

DLR 2005: mittlere Preise für 2020 bis 2050, Gas 7,20 €/GJ, Steinkohle 2,64 €/GJ, Braunkohle 1,30 €/GJ

Der angenommene CO2-Abscheidungsgrad beträgt 88 bis 90 %.

SK: Steinkohle, KW: Kraftwerk, IGCC: Integrated Gasification Combined Cycle, GuD: Gas und Dampf In den USA hat das Energieministerium ein CCS-Projekt wegen drohender Verdoppe-lung der Kosten gestoppt und sein Hauptforschungs- und Demonstrationsprogramm zu CCS umstrukturiert [DOE 2008; Wald 2008]. Die europäische Stromwirtschaft plädiert wegen der hohen Kosten für entsprechende Subventionen.

3 Politische und rechtliche Rahmenbedingungen

Die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Anwendung der CCS-Technologie wer-den in Zukunft durch die Europäische Richtlinie zur Abtrennung und geologischen Speicherung von CO2 vorgegeben, die im Dezember 2008 vom Europäischen Parla-ment mit großer Mehrheit beschlossen wurde. Vorbehaltlich der Zustimmung des Euro-päischen Rates muss die Richtlinie in den kommenden zwei Jahren von den Mitglied-staaten in nationales Recht umgesetzt werden. Die Richtlinie enthält unter anderem Vorgaben zu Speichersicherheit und Sicherheitsvorkehrungen, Genehmigungsver-fahren, Inspektionen, Korrekturmaßnahmen bei Unregelmäßigkeiten oder Leckagen, Versicherung von Schäden und Umwelthaftung. So ist beispielsweise festgelegt, dass

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nach Abschluss der CO2-Verpressung zunächst der Betreiber verantwortlich bleibt für Instandhaltung, Monitoring, Kontrolle, Berichterstattung und etwaige Korrektur-maßnahmen. Frühestens nach 20 Jahren kann die Verantwortung für den Speicher vom Betreiber auf den Staat übertragen werden. Außerdem sieht die Richtlinie einen finanziellen Mechanismus vor, durch den die Betreiber auch nach der Übertragung der Verantwortung an möglichen Kosten beteiligt werden können.

Die Umsetzung der CCS-Richtlinie wird in Deutschland bereits vorangetrieben; interne Gesetzesentwürfe wurden vom Bundeswirtschafts- und Bundesumweltministerium erarbeitet. Noch im Februar soll ein abgestimmter Entwurf vorliegen. Kontrovers disku-tiert wird unter anderem die Ausgestaltung der Haftungsregeln. Dem Vernehmen nach sieht der aktuelle Entwurf aus dem Wirtschaftsministerium vor, die Verantwortung für die Speicher direkt nach der Schließung dem Staat zu übertragen und die Betreiber haftungsfrei zu stellen. Falls Lecks oder andere Unregelmäßigkeiten in den Speichern auftreten, müsste dann der Staat die Kosten für Abhilfemaßnahmen tragen. Diese unmittelbare Übertragung der Verantwortung dürfte allerdings nicht mit den Vorgaben der Europäischen Richtlinie vereinbar sein.

Kritisch zu sehen wäre auch die Anlehnung an das Bergrecht, die der Gesetzesentwurf aus dem Wirtschaftsministerium Presseberichten zufolge vorsieht. Damit könnte den Betreibern bei Nutzungskonflikten ein privilegierter Zugang zu den Speichern ein-geräumt werden. Das Bergrecht ermöglicht die Enteignung und Umsiedlung ganzer Dörfer beispielsweise für den Abbau von Braunkohle – nach dem Gesetzentwurf wäre dies dann auch für die Entsorgung des CO2 nach der Verbrennung möglich.

Die Rufe aus der Industrie nach zusätzlichen Subventionen des Bundes in Milliarden-höhe (siehe beispielsweise Der Tagesspiegel, 24.01.2009) zeigen, dass CCS offen-sichtlich ohne massive Subventionierung nicht konkurrenzfähig und eine sehr kostspie-lige Klimaschutzoption ist. Weil durch die Subventionierung effizientere und risiko-ärmere Optionen benachteiligt werden, ist es wichtig, dass die Bundesregierung diesen Forderungen nicht entgegenkommt, und dass das deutsche Gesetz die langfristige Haftung für die Risiken der Lagerung den Betreibern auferlegt. Nur wenn die Energie-wirtschaft alle Risiken und Kosten einkalkulieren muss, wird sie auf der Grundlage von Wirtschaftlichkeitskriterien im Rahmen des Emissionshandels volkswirtschaftlich ver-tretbare Entscheidungen zum Bau und Betrieb von CCS-Anlagen treffen.

Aus dem gleichen Grund ist die Subventionierung von CCS-Projekten durch EU-Mittel kritisch zu bewerten. Die novellierte Emissionshandelsrichtlinie enthält einen Förder-mechanismus für CCS: Der Gegenwert von 300 Mio. Emissionszertifikaten wird für die Förderung von CCS-Projekten und regenerativen Energien reserviert. Zusätzlich sollen Mittel in Milliardenhöhe aus nicht abgerufenen Geldern der EU-Landwirtschaftsfonds für CCS-Projekte bereitgestellt werden (ENDS Europe, 28.01.2009). Diese Förderung von Pilotanlagen unterstützt die Marktetablierung der CCS-Technologie mit öffentlichen Geldern, die Grenze zur Forschung wird dadurch deutlich überschritten.

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4 Übertragbarkeit der CCS-Technologie auf Abfallverbrennungs-anlagen

Im Gegensatz zu fossil betriebenen Kraftwerken, für die die CCS-Technologie in erster Linie entwickelt wird, sind Müllverbrennungsanlagen erheblich kleiner dimensioniert. Aufgrund der Fixkostendegression verfügen Großanlagen über geringere spezifische Investitionskosten als kleinere Anlagen. Dieser Effekt der Economy-of-Scale wirkt sich Kosten erhöhend für eine mögliche Anwendung bei vergleichsweise kleinen Müll-verbrennungsanlagen aus (Abb. 8).

Abbildung 8: CCS-Kosten in Abhängigkeit von der Anlagengröße [www.sita-deutschland.de, www.vattenvall.com]

Separate CO2-Speicher für einzelne Anlagen sind aus Kostengründen generell nicht vorgesehen. Als möglicher CO2-Speicher für Müllverbrennungsanlagen käme die Mit-nutzung von entsprechender Infrastruktur von Großkraftwerken in Betracht. Für den Fall, dass eine Müllverbrennungsanlage in der Nähe einer CO2-Pipeline eines Groß-kraftwerks liegt, könnte die MVA ihre CO2-Emissionen hier einspeisen und am Bestim-mungsort ablagern. Hierdurch könnten der Aufwand für den Transport und die Speiche-rung minimiert werden. Generell würden jedoch die Apparaturen zur CO2-Abscheidung bei Müllverbrennungsanlagen zu höheren spezifischen Investitions- und Betriebskosten als bei Großkraftwerken führen. Die ohnehin schon sehr aufwändige CCS-Technologie würde für MVA zu abermals erhöhten spezifischen CO2-Vermeidungskosten führen.

Bei der CO2-Abscheidung aus den Rauchgasen von Müllverbrennungsanlagen besteht die Möglichkeit, dass auch andere Schadgase in den Speicher gelangen [UBA 2006a]. Diese Gasbestandteile können zum einen die Lagerungseigenschaften des CO2 oder die geologischen Eigenschaften des Lagers selbst beeinflussen und erhöhen zum anderen das Gefahrenpotenzial im Fall möglicher späterer Leckagen.

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Relevanz der CCS-Technologie für die Abfallverbrennung

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5 Bewertung und Fazit

Der Entwicklungsstand der drei Varianten Post-Combustion, Oxyfuel und Pre- Combustion ist recht unterschiedlich. Wirtschaftlich werden das Oxyfuel- und das Pre- Combustion-Verfahren als vergleichsweise günstig angesehen. Allerdings sind diese Verfahren großtechnisch erst nach 2020 verfügbar. Dabei ist zu bedenken, dass die CO2-Abscheidung bei Kraftwerken den Wirkungsgrad um mindestens 10 %-Punkte absenkt. Investitionen und Stromerzeugungskosten werden sich dadurch annähernd verdoppeln. Mit der CCS-Technologie wird auch rechtlich in weiten Bereichen Neuland betreten. Die Vorgaben der Europäischen CCS-Richtlinie werden derzeit von der Bundesregierung umgesetzt. Bei der Ausgestaltung des deutschen Gesetzes ist wich-tig, dass eine zusätzliche massive Subventionierung der Betreiber durch Haftungsaus-schluss vermieden wird. Es muss ein Rechtsrahmen geschaffen werden, der ein hohes Sicherheitsniveau garantiert, die Kosten für mögliche Schäden und negative Umwelt-auswirkungen nicht der Allgemeinheit aufbürdet, und eine angemessene Abwägung gesellschaftlicher Interessen erlaubt. Die geplante Anlehnung an das Bergrecht ist in diesem Zusammenhang kritisch zu bewerten.

Einige Studien halten CCS für eine Brückentechnologie für den Zeitraum bis zum vollen Ausbau der erneuerbaren Energien. Aber aufgrund der Altersstruktur des deut-schen Kraftwerksparks erscheint sie als Übergangslösung gerade für die deutsche Klimaschutzstrategie besonders problematisch. In genau dem Zeitraum, in dem von CCS gerade noch kein nennenswerter Beitrag zu erwarten ist – bis 2020 – besteht ein geschätzter Ersatzbedarf von 40.000 MW (Investitionsplanung bis 2012 für ungefähr 19.000 MW) [BMU 2006, S. 53 f; Bade et al. 2005; Landgrebe et al. 2003, S. 9]. Da die Technologie für diese Erneuerungswelle zu spät kommt (vgl. auch SRU 2004, Tz. 36), käme nur eine Nachrüstung in Frage, die nach den obigen Schätzungen die Kosten noch einmal zusätzlich stark erhöht. Angesichts der ohnehin fraglichen Wettbewerbs-fähigkeit erscheint – neben der generellen Machbarkeit im großtechnischen Maßstab – gerade die Strategie der Nachrüstung besonders fragwürdig.

Es werden derzeit weltweit Pilotprojekte zum Verhalten von CO2 in Untergrund-speichern durchgeführt. Es gibt jedoch noch keine hinreichenden Kenntnisse über die Leckraten und damit die Langzeitsicherung von CO2-Speichern. Das UBA hält eine Leckrate von < 0,01 % pro Jahr für realistisch, so dass nach 1.000 Jahren noch 90 % des eingelagerten Gases vorhanden wären. Die Risiken von marinen Speichern werden von Experten für unkalkulierbar gehalten, so dass dieser Weg auszuschließen ist. Sogar die weitere Forschung und Entwicklung in diesem Gebiet wird von den Auto-ren als fragwürdig angesehen. Darüber hinaus wird vom Umweltbundesamt ein gene-relles Verbot nach internationalem Recht für die ozeanische Speicherung von CO2 gefordert [UBA 2006a].

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Generell ist die CCS, wenn überhaupt, in Kombination mit Großtechnik sinnvoll. Eine Anwendung für vergleichsweise kleine Müllverbrennungsanlagen erscheint höchstens dann denkbar, wenn die Anlage in direkter Nachbarschaft zu einer CO2-Pipeline eines Großkraftwerks steht und dort einspeisen kann. Selbst in diesem günstigsten Fall wer-den sowohl die Fragen der Wirtschaftlichkeit als auch der Sicherheit deutlich kritischer zu bewerten sein als bei der Anwendung für Kohlekraftwerke.

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B. Bilitewski, A.I. Urban, M. Faulstich (Hrsg.)

14. Fachtagung Thermische Abfallbehandlung

Anwendung von Energie-Kennzahlen auf moderne europäische Beispielanlagen

Dr. Oliver Gohlke

Martin GmbH für Umwelt- und Energietechnik

München

Dipl.-Ing. Martin J. Murer

Technische Universität

München

Schriftenreihe des Fachgebietes Abfalltechnik Universität Kassel

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Oliver Gohlke, Martin J. Murer

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1 Einführung

Die Nutzung von Energie aus Abfall kann mit Rost- und Wirbelschichtfeuerungen oder durch die Mitverbrennung in Kohlekraftwerken sowie Industrieprozessen realisiert wer-den. Die heute eingesetzten Technologien sind das Resultat von vielfältigen Innova-tionen, unter anderem bei Feuerungstechnik, Vorbehandlung, Abgasreinigung und Qualität der Nebenprodukte.

In diesem Beitrag werden die politischen Kennzahlen der Europäischen EU-Abfall-rahmenrichtlinie (R1), der Schweizer Stromvergütungsverordnung (StromVV) und die niederländischen SDE-Zahlen mit den thermodynamischen Kennzahlen des elektri-schen Wirkungsgrades, der Exergieeffizienz und des Gesamtwirkungsgrades ver-glichen. Die Kennzahlen unterscheiden sich dabei vorrangig durch Bewertungsfaktoren für die ausgekoppelte Wärme und den produzierten Strom. Anhand von Beispielen, die sich auf die Energiekonzepte der Anlagen in Göteborg und Amsterdam beziehen, wird der Einfluss der Wärmeauskopplungen auf die einzelnen Kennzahlen dargestellt.

Die MARTIN GmbH für Umwelt und Energietechnik mit Firmensitz in München ist ein führender Anbieter von Technologien zur Gewinnung von Energie aus Abfall. Die erste von MARTIN für Abfälle realisierte Rostfeuerungsanlage wurde 1959 in Sao Paulo/Brasilien noch ohne Stromerzeugung oder Wärmenutzung realisiert. Vielfache Innovationen haben dazu geführt, dass heute in allen aktuellen Projekten die Erzeu-gung von Strom oder Wärme vorzufinden ist. In Europa kommen hierfür in den meisten Fällen Kessel mit Dampfparametern von 380 bis 400 °C bei 40 bar zum Einsatz. Diese Anlagen haben Nettowirkungsgrade von 15 bis 21 %, wenn man nur die Stromerzeu-gung berücksichtigt (im Folgenden jeweils als ηel,netto bezeichnet). Eine Erhöhung auf 25 % konnte mit den 1998 und 2004 in Betrieb genommenen Einheiten in Brescia erreicht werden. Als Beispiel für die heute maximal möglichen Wirkungsgradsteige-rungen wird das Energiekonzept neuer Anlagen in Amsterdam und Göteborg beschrie-ben. Amsterdam zeichnet sich dadurch aus, dass schon bei reiner Stromerzeugung ein Wirkungsgrad ηel,netto von über 30 % erreicht wird. Im Weiteren wird das Beispiel der Anlage in Göteborg beschrieben, die einen sehr guten Wärmenutzungsgrad hat.

Wie wird jedoch die zukünftige Entwicklung aussehen?

In Deutschland haben zwar vielfache Neuerungen in der Abfallwirtschaft stattgefunden, aber die Entwicklung für die Zukunft erscheint weniger klar. Die energieeffizienten Abfallkonzepte wurden in den letzten Jahren vorrangig in Skandinavien, Italien und den Niederlanden realisiert, während in Deutschland der Schwerpunkt stärker auf dem Ausbau der mechanisch-biologischen Aufbereitung lag (MBA). Die entstehenden Fein-fraktionen werden hierbei deponiert und die Grobfraktion als Ersatzbrennstoff (EBS) verbrannt. Dabei kann man bei der Mitverbrennung von EBS in Kohlekraftwerken oder in modernen Verbrennungsanlagen für Ersatzbrennstoffe durchaus gute Wirkungs-

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Anwendung von Energie-Kennzahlen auf moderne europäische Beispielanlagen

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grade erzielen. Wenn aber der erzeugte Strom auf die Gesamtenergie des ursprünglich verwendeten Abfalls bezogen wird, erreicht man für Hausmüll in der Praxis vielfach nur Wirkungsgrade um die 10 %. Dies gilt übrigens auch für die Vergasungstechnologien, die in Japan und Großbritannien trotz schlechter Wirkungsgrade immer noch diskutiert werden.

Abbildung 1: Fortschritte im Bereich der Energieeffizienz bei Anlagen zur Nutzung von Energie aus Abfall

2 Systemgrenzen

Voraussetzung für den Vergleich von Anlagen ist eine einheitliche Festlegung der Systemgrenzen für die Bestimmung der Kennzahlen. Dabei kann zwischen räumlichen und zeitlichen Systemgrenzen unterschieden werden.

Wirk

ungs

grad

in %

(ηe

lekt

ro,n

etto

)

Jahr1959Keine Energie

0

10

1984/199340 bar /400°C

Sao Paulo

Toulon

15

5

20

30

25

Brescia

1998/200474 bar/480°C

2020 ?

EnergiekonzeptAmsterdam

MBA mit EBSVerbrennung

Vergasungs-verfahren

Zielsetzungfür 2020?

Deponiegas-nutzung

Erhöhung?

Reduzierung?

Wärmenutzung

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Abbildung 2: In den Beispielanlagen verwendete Systemgrenzen

2.1 Räumliche Systemgrenzen

Die räumliche Festlegung der Systemgrenze wird in den beschriebenen Beispielen durch die Grundstücksgrenze der Anlage zur Nutzung von Energie aus Abfall verwen-det. Dies ist hier sinnvoll, weil vorrangig Hausmüll ohne Vorbehandlung verwendet wird. Für Beispiele mit umfangreicher Vorbehandlung der Abfälle außerhalb der Grund-stücksgrenze müssen die Systemgrenzen weiter gefasst werden. Auf der Eingangs-seite des Systems steht der angelieferte Müll und falls erforderlich der Zusatzbrenn-stoff. Auf der Ausgangsseite stehen der produzierte Strom sowie die produzierte Wärmemenge nach Abzug des Eigenverbrauchs (netto). In den modellierten Beispielen wird bei der Wärmenutzung auch nach dem Temperaturniveau bei 130 °C und 95 °C unterschieden.

2.2 Zeitliche Systemgrenzen

Für einen belastbaren Vergleich von Anlagen ist auch die zeitliche Systemgrenze von Bedeutung. Diese beschreibt den Zeitraum, für die eine Kennzahl berechnet wird, und ist je nach Richtlinie unterschiedlich. Für einen typischen Abnahmeversuch entspricht

Wirk

ungs

grad

Eta

1 Tag 6 W ochen ganzes Jahr

Zugeführte Wärme mitBrennstoff(Abfall undfossil)

NettoStromabgabe

Eigen-verbrauch

Gesamtanlage einschließlich Vorbehandlung

(wenn notwendig)

Räumlich Zeitlich

Netto Wärmenutzungbei 90°C oder 130 °C

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Anwendung von Energie-Kennzahlen auf moderne europäische Beispielanlagen

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der Zeitraum nur einige Stunden oder wenige Tage, während für das R1-Kriterium ein ganzes Jahr betrachtet wird. Es ist zu berücksichtigen, dass die Effizienz bei der Betrachtung eines langen Zeitraums in den meisten Fällen deutlich geringer ausfallen wird, weil Laständerungen, An- und Abfahrvorgänge sowie Betriebsstörungen einge-schlossen sind.

In den Beispielen in Kapitel 6 werden die Kennzahlen auf Basis von Daten aus Versuchsperioden bestimmt. Das bedeutet, dass die politischen Kennzahlen, die sich auf Jahresmittelwerte beziehen, in der Praxis tendenziell kleiner ausfallen werden als hier dargestellt.

3 Thermodynamische Kennzahlen

Effizienzindikatoren sind anlagenspezifische Kennzahlen, die einen leistungs- und durchsatzunabhängigen Vergleich oder eine Einstufung von Anlagen zulassen. In die-sem Kapitel werden thermodynamische Kennzahlen beschrieben. Im nächsten Kapitel 4 folgen dann die politischen Kennzahlen, die auf gesetzlichen Regelungen basieren, die im Bereich der Nutzung von Energie aus Abfall verwendet werden.

3.1 Wirkungsgrad

Formel 1

Der Wirkungsgrad ist allgemein definiert als der Quotient von Nutzen und Aufwand. Für einen energetischen Wirkungsgrad bei der Nutzung von Energie aus Abfall ist der Auf-wand die durch den Brennstoff zugeführte Energiemenge. Nutzen hingegen kann der produzierte Strom an den Klemmen des Generators (elektrischer Bruttowirkungsgrad), die an das Stromnetz gelieferte elektrische Energie (elektrischer Nettowirkungsgrad) oder die produzierte Prozess- oder Fernwärme (Wärmenutzungsgrad oder auch Heiz-zahl) sein.

Brennstoff

WAKWNG

Brennstoff

nettoelnettoel

Brennstoff

bruttoelbruttoel Q

QQ

PQP

&

&

&& === ηηη Formel 2,3 und 4

Die Besonderheit bei der Verwendung von Abfall als Brennstoff ist, dass die zugeführte Energiemenge nur indirekt berechnet werden kann, weil weder der Heizwert noch die Brennstoffmenge ausreichend genau direkt bestimmbar sind. Eine Beschreibung für die indirekte Wirkungsgradberechnung findet man in [DIN EN 12952 – 16:2002] oder [FDBR 2000].

AufwandNutzen

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3.2 Stromanteil

Der Stromanteil ist das Verhältnis zwischen der Nettostromproduktion und der gesam-ten gelieferten Energie, sprich die Summe aus Wärme- und Stromproduktion. Für reine Stromproduktion in Kraftwerken ist der Stromanteil 1, für reine Wärmeproduktion in Heizwerken ist der Stromanteil 0 und für eine Kombination in Heizkraftwerken liegt der Wert zwischen 0 und 1.

WNGnettoel

nettoel

WAKnettoel

nettoel

QPP

Sηη

η+

=+

= & Formel 5

3.3 Stromverlustkennzahl

Die Stromverlustkennzahl gibt das Verhältnis von durch die Wärmeproduktion verlo-rener elektrischer Energie und der ausgekoppelten Wärme an [VDI 3986 2000]. Grund-sätzlich ist diese Kennzahl konstant für unterschiedlich hohe Wärmenutzungsgrade. Die Höhe der Stromverlustkennzahl wird maßgeblich von der Art der Wärmeauskopp-lung und dem Druck im Kondensator bestimmt. Stromverlustkennzahlen unterschied-licher Anlagen können nur bei gleichem Kondensationsdruck verglichen werden oder es muss eine Umrechnung erfolgen. Für eine Gegendruckturbine ist eine Umrechnung auf jeden Fall erforderlich.

( ) ( ) ( ) ( )WNG

WNGnettoelWNGnettoel

WAK

WAKnettoelWAKnettoel

WAK

verlustel

QQPQP

QP

ηηηηη

ϑ−=

=−=

==00

&

&&

& Formel 6

Wenn keine Wärme ausgekoppelt wird, ist die Stromverlustkennzahl 0, da die maximal mögliche Strommenge produziert wird.

3.4 Gesamtenergienutzungsgrad

Beim Gesamtenergienutzungsgrad werden der elektrische Nettowirkungsgrad und der Wärmenutzungsgrad einfach aufsummiert, ohne eine Gewichtung der Wärme vor-zunehmen.

WNGnettoelex ηηη += Formel 7

3.5 Exergieeffizienz

Vereinfacht ausgedrückt kann die Exergie als arbeitsfähiger Teil der Energie bezeich-net werden. Die Exergieeffizienz setzt sich somit zusammen aus dem gelieferten Strom und dem arbeitsfähigen Teil der gelieferten Wärme, wobei dieser Anteil mit einem tem-peraturabhängigen Exergiefaktor berechnet wird.

WNGexnettoelex f ηηη ⋅+= Formel 8

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Dieser Exergiefaktor entspricht dem Carnot-Wirkungsgrad mit der Umgebungstempe-ratur als Temperatur der Wärmesenke und der Temperatur der produzierten Wärme als Temperatur des Wärmereservoirs [Cornelissen 1997].

WAKex T

Tf 01−= Formel 9

4 Politische Kennzahlen

In Europa gibt es Effizienzindikatoren in gesetzlichen Richtlinien, die darauf ausge-richtet sind, die Energieeffizienz bei der Nutzung von Energie aus Abfall zu beschrei-ben und letztendlich Anreize geben sollen, diese zu erhöhen. Diese Kennzahlen wer-den in der EU-Abfallrahmenrichtlinie (R1), der Schweizer Stromversorgungsverordnung und im niederländischen SDE-Programm für die Förderung von nachhaltigem Strom beschrieben.

4.1 EU-Abfallrahmenrichtlinie

Die Europäische Richtlinie 2008/98/EG, die hier als EU-Abfallrahmenrichtlinie bezeich-net wird, beinhaltet im Anhang II eine Formel, die es erlaubt, unter bestimmten Bedin-gungen Verbrennungsanlagen für Siedlungsabfälle als sogenannte R1-Verwertungs-verfahren einzustufen („Hauptverwendung als Brennstoff oder als anderes Mittel der Energieerzeugung“).

( )( )( )fw

ifp

EEEEE

R+⋅−−

=97,0

1 Formel 10

In diese Formel fließen die produzierten Strom- und Wärmemengen als Äquivalenz-energie Ep, fossile Zusatzbrennstoffe Ef, sonstige Energieströme Ei und der Energie-inhalt des Mülls Ew ein. Für das Erreichen des Verwertungsstatus müssen Neuanlagen seit 2009 einen R1-Wert von mindestens 0,65 aufweisen. Ausschlaggebend für die Bestimmung des R1-Wertes sind Daten, die über ein ganzes Jahr ausgewertet werden [EU-Kommission 2008].

Die Formel kann vereinfacht wie folgt geschrieben werden, falls kein fossiler Zusatz-brennstoff und keine sonstigen Energieströme verwendet werden:

97,01,16,2

97,01,16,2

97,01 WNGbruttoel

w

WAKbruttoel

w

p

EQE

EE

Rηη ⋅+⋅

=⋅

⋅+⋅=

⋅= Formel 11

Außerdem ist der R1-Wert bei bekannter Stromverlustkennzahl nur noch vom Wärme-nutzungsgrad abhängig, da alle anderen Einflussfaktoren konstant sind.

( )097,06,2

97,06,21,11 =⋅+⋅⋅−

= WNGbruttoelWNGR ηηηϑ Formel 12

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Um zu errechnen, wie hoch der benötigte Wärmenutzungsgrad für das Erreichen des Verwertungsstatus für einen bestimmten Bruttowirkungsgrad sein muss, kann Formel 13 verwendet werden. Diese Formel beschreibt auch die Gerade im Bruttowirkungs-grad-Wärmenutzungsdiagramm (Abb. 7 oder [Murer 2008]).

1,16,297,065,0

1minbruttoel

RWNG

ηη

⋅−⋅= Formel 13

4.2 Schweizer Stromversorgungsverordnung

In der Schweizer Stromversorgungsverordnung ist ein Energieeffizienzkriterium als Gerade im Bruttowirkungsgrad-Wärmenutzungsdiagramm definiert [Bundesamt für Energie 2008]. Dargestellt wie in Formel 14, lässt sich die Ähnlichkeit zum Europä-ischen R1-Kriterium erkennen.

0,16,297,067,0

minbruttoel

SchweizWNG

ηη

⋅−⋅= Formel 14

Bei dieser Darstellung ist erkennbar, dass durch den im Vergleich zum EU-R1 erhöhten Grenzwert auf 0,67 und die Gewichtung der Wärme mit dem Faktor 1 das Schweizer Kriterium etwas schwerer zu erfüllen ist. Auch dieses Kriterium wird für ein gesamtes Jahr ausgewertet. Allerdings verlieren die Anlagen erst das Anrecht auf höhere Strom-vergütung, wenn das Kriterium zwei Jahre in Folge nicht erfüllt wird [Murer 2008].

4.3 Niederländische SDE-Zuschüsse

In den Niederlanden hat der Wirkungsgrad Einfluss auf die Vergütung, die der Anla-genbetreiber für den produzierten Strom erhält. Dazu wird ein Vergleichswirkungsgrad gebildet, bei dem die Wärme mit dem Faktor zwei Drittel im Vergleich zu Strom gewichtet wird [Minister van Economische Zaken 2003].

Brennstoff

WAKnettoel

MEP Q

QE ⋅+= 3

2

η Formel 15

Liegt dieser SDE-Wirkungsgrad über 22 %, erhält der Anlagenbetreiber zusätzlich Zuschüsse. Diese steigen überproportional stark an für Wirkungsgrade bis 30 %.

5 Vergleich der relativen Wertigkeit von Strom und Wärme

Für die Bestimmung der Energieeffizienz ist ausschlaggebend, welche Kennzahl gewählt wird, und in diesem Zusammenhang vor allem, wie sich das Verhältnis von Strom und Wärmerzeugung darstellt. Vereinfacht kann man sagen, dass eine weit-reichende Wärmeauskopplung den elektrischen Wirkungsgrad reduzieren wird. Dies ist darauf zurückzuführen, dass ein Teil des erzeugten Dampfes für die Wärmeauskopp-

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lung verwendet wird und nicht mehr der Turbine zur Stromerzeugung zur Verfügung steht. In der Praxis der technischen Umsetzung sind sehr zahlreiche Varianten der kombinierten Strom- und Wärmeerzeugung gebräuchlich.

In Tabelle 1 sind einige der Kennzahlen verglichen, die sich durch die Summierung von gewichteter elektrischer Stromabgabe und Wärmenutzung auszeichnen. Um einen Vergleich der Kennzahlen zu ermöglichen, wird für den Strom in Tabelle 1 ein Faktor von 1 festgelegt.

Tabelle 1: Vergleich der Gewichtung der Wärme bei der Anwendung unterschiedlicher Kennzahlen

Kraftwerk Gewichtung des Stroms Gewichtung der Wärme 1)

Gesamtenergienutzungsgrad 1 1

Exergieeffizienz 80 °C 1 0,18

Exergieeffizienz 130 °C 1 0,29

StromVV der Schweiz 1 0,39

R1- Kriterium der EU 1 0,42

SDE-Wirkungsgrad der Niederlande 1 0,67

1) relativ zu Faktor 1 bei Strom

Bei dem Vergleich wird deutlich, dass bei den politischen Kennzahlen StromVV, R1 und SDE jeweils deutlich und zunehmend die Erzeugung von Wärme gegenüber einer Exergiebetrachtung überbewertet wird. Eine weitere Schwäche der vorhandenen politi-schen Kennzahlen ist, dass das Temperaturniveau der Wärmenutzung nicht berück-sichtigt wird. Dies könnte dazu führen, dass mit diesen Kennzahlen falsche Anreize gesetzt werden, zum Beispiel das Beheizen von Gewächshäusern oder Fischteichen zu Lasten einer effizienten Stromerzeugung. Trotzdem muss man zugestehen, dass die beschriebenen politischen Kennzahlen sicherlich in den meisten Fällen die richtigen Anreize geben und dabei den Vorteil haben, dass sie wesentlich einfacher zu verste-hen sind als die Methodik der Exergieeffizienz.

Der Gesamtenergienutzungsgrad als thermodynamische Kennzahl ist als vernünftiges Bewertungskriterium vollkommen ungeeignet, weil keinerlei Gewichtung zwischen Strom und Wärme beinhaltet ist.

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6 Beispielanlagen

Um die in Abschnitt 3 und 4 vorgestellten Effizienzindikatoren und ihre Aussagekraft besser zu verstehen, werden im folgenden Abschnitt Beispiele von Anlagenkonzepten diskutiert, die auf zwei besonders modernen Anlagen basieren. Dies ist zum einen die Renova-Anlage in Göteborg, bei der die Wärmenutzung im Vordergrund steht, zum anderen die neue AEB-Anlage in Amsterdam, die für maximale Stromerzeugung konzi-piert wurde. Des Weiteren werden in Abschnitt 6.3 die Energieeffizienzindikatoren von einer thermodynamisch modellierten Beispielanlage vorgestellt, die einer typischen mitteleuropäischen Anlage entsprechend dem aktuellen Stand der Technik entspricht. Zielsetzung ist an der Stelle bei gleichbleibenden Randbedingungen die Unterschiede von einzelnen Komponenten herauszuarbeiten.

6.1 Weitgehende Wärmenutzung in Göteborg

Die hier beschriebene Anlage zur Energiegewinnung aus Abfall in Göteborg stellt nur eine von mehreren Wärmeerzeugungsbetrieben in einem großen Heiznetz dar. Um den Hausmüll als Brennstoff optimal zu nutzen, hat die produzierte Wärme aus dieser Anlage Vorrang im Heiznetz. Zusätzlich kann durch über in der Stadt verteilte Absorp-tionskältemaschinen auch im Sommer Wärme genutzt werden, was zu einer guten Auslastung der Anlage über das gesamte Jahr führt.

In Göteborg hängt die Vor- und Rücklauftemperatur des Heiznetzes von der Außen-temperatur ab. Die Vorlauftemperatur variiert zwischen 75 und 110 °C, während die Rücklauftemperatur zwischen 40 und 55 °C schwankt. Der Jahresdurchschnitt liegt bei 45 und 80 °C.

Abbildung 3 zeigt vereinfacht die vier Stufen, in denen Wärme ausgekoppelt wird. Durch die geringe Rücklauftemperatur kann in einer ersten Stufe Wärme aus dem Kondensatwäscher direkt genutzt werden. Die zweite Stufe wird von mehren Absorp-tionswärmepumpen gebildet, welche die Niedertemperaturwärme des Kondensat-wäschers als Wärmequelle nutzen und mit 5 bar Dampf betrieben werden. Die nächste Stufe nutzt Überschusswärme aus dem zweiten Eco, die je nach Gegendruck im Hauptkondensator zur Verfügung steht. Die vierte Stufe wird vom Hauptkondensator gebildet, der im Gegendruckbetrieb arbeitet und das Wärmeträgermedium auf Vorlauf-temperatur bringt. Vor dem Hauptkondensator besteht noch die Möglichkeit, Wärme über einen Kühlturm abzuführen, um bei unzureichendem Wärmebedarf die Turbine ausreichend zu kühlen [Edberg 2008]. Dreißig Prozent der Wärme kommen in Göte-borg aus dem Abgas außerhalb des eigentlichen Dampfkessels. Dies ermöglicht eine höhere Wärmeauskopplung bei gleicher Stromproduktion und senkt somit die Strom-verlustkennzahl.

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Anwendung von Energie-Kennzahlen auf moderne europäische Beispielanlagen

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Abbildung 3: Anlagenschema Göteborg mit Wärmeauskopplung

6.2 Hohe Wirkungsgrade der Stromerzeugung in Amsterdam

In Amsterdam befindet sich die weltweit größte Anlage für die Nutzung von Energie aus Abfällen. Vier Linien aus dem Jahr 1993 haben eine Kapazität von insgesamt 850.000 Mg pro Jahr. In 2007 wurden zwei weitere Linien mit einer zusätzlichen Kapazität von 550.000 Mg pro Jahr in Betrieb gesetzt, die für einen besonders hohen elektrischen Wirkungsgrad von über 30 % ausgelegt sind. In Bezug auf die Anlagengröße und den Wirkungsgrad der Stromerzeugung ist die Anlage in Amsterdam weltweit führend. Diese hohen Wirkungsgrade beruhen einerseits auf dem hohen Dampfdruck im Kessel von 135 bar und andererseits auf einem speziellen System der Zwischenüberhitzung mit Sattdampf aus der Trommel. Für eine genauere Beschreibung der Komponenten und Einflussfaktoren zur Erhöhung des elektrischen Wirkungsgrades siehe [van Berlo 2008] und [Gohlke 2008].

Die zwei neuen Linien waren ursprünglich für reine Stromerzeugung ausgelegt, wurden aber in 2008 mit einem Kondensationswärmetauscher für die Wärmeauskopplung nachgerüstet. Dieser stellt Fernwärme mit einer Vorlauftemperatur von 120 °C bei einer Rücklauftemperatur von 50 °C bereit.

Das Wärmeträgermedium wird in zwei Stufen aufgeheizt. Die erste Stufe bilden vier Biogasmotoren, die mit Biogas aus der benachbarten Abwasseraufbereitungsanlage betrieben werden. Diese heizen einen Teil des Wassers von 50 auf 105 °C auf, welcher vor dem Kondensationswärmetauscher mit dem restlichen Wasser gemischt wird. Auf diese Weise wird bei maximaler Wärmeauskopplung am Eintritt des Wärmetauschers eine Temperatur von 61,2 °C erreicht. Die von den Biogasmotoren übertragene Wärme entspricht 3,46 MWth. Im Kondensationswärmetauscher können zusätzliche 18,3 MWth

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erzeugt werden, was 10 % des Bruttowärmeeintrages über den Müll entspricht. Für eine maximale Wärmeauskopplung ist die für ursprünglich reine Stromerzeugung aus-gelegte Anzapfung bei 4,5 bar nicht ausreichend. Deshalb wird in begrenzten Zeit-räumen bei maximalem Wärmebedarf auch 14 bar Dampf für die Wärmenutzung ver-wendet [van Diepen 2007].

Dies bedeutet, dass bei maximaler Wärmeauskopplung die Stromverlustkennzahl (siehe Abschnitt 3.3) größer ist als im normalen Betrieb mit 4,5-bar Dampf.

Abbildung 4: Anlagenschema Amsterdam mit Wärmeauskopplung

6.3 Typische Anlage entsprechend Stand der Technik

Mit einer thermodynamischen Modellrechnung wurde eine typische Anlage nach aktu-ellem mitteleuropäischem Stand der Technik abgebildet (Frischdampf: 40 bar, 380 °C, luftgekühlter Kondensator, elektrischer Nettowirkungsgrad 20,6 %). Das Beispiel bein-haltet einen Kondensationswärmetauscher zur Erzeugung von Fernwärme. Für die erste Modellrechnung wurde der Kondensationswärmetauscher an die 4,5 bar Anzap-fung angeschlossen und das entstehende Kondensat in den Speisewasserbehälter abgeleitet. Im Wärmetauscher wird Heißwasser von 70 auf 130 °C aufgeheizt. In der zweiten Modellrechnung ist der Kondensationswärmetauscher mit der 1 bar Anzapfung des Speisewasservorwärmers verbunden. Dabei wird Warmwasser von 40 auf 95 °C

4,5 bar

14 bar

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erwärmt. Das anfallende Kondensat wird in den Hauptkondensator abgeleitet. Bei bei-den Simulationen wurde die ausgekoppelte Wärmemenge schrittweiße von 0 % auf 60 % erhöht und dabei die Stromproduktion beobachtet. Aus Wärmemenge, Strom-produktion und der konstanten Energiemenge, die mit dem Müll zugeführt wird, lassen sich der elektrische Wirkungsgrad und der Wärmenutzungsgrad bestimmen und somit auch alle Energieeffizienzindikatoren.

Abbildung 5: Anlagenschema der simulierten Anlage mit Anzapfung bei 4,5 und 1 bar

Abbildung 6 zeigt die ermittelten Graphen der einzelnen Energieeffizienzindikatoren in Abhängigkeit der ausgekoppelten Wärme. Reale Anlagen haben in Deutschland einen durchschnittlichen Jahreswärmenutzungsgrad von rund 30 %. In den Wintermonaten ist die Wärmenutzung höher, deshalb reicht das Diagramm bis 60 %.

Die starke Abhängigkeit aller Indikatoren von der produzierten Wärme ist an der Steigung der Graphen zu erkennen. Die Kurven für die Exergieeffizienz hingegen sind flacher, was dadurch erklärt werden kann, dass der Wert der erzeugten Wärme nur knapp mehr als der Verlust durch nichterzeugten Strom ist. Die beiden Exergiekurven liegen nah bei einander, was zeigt, dass der Wertigkeitsunterschied zwischen der Hochtemperaturwärme (130 °C) und der Niedertemperaturwärme (95 °C) fast genau der Differenz der Stromproduktion entspricht.

1 bar 4,5 bar

40 bar / 380°C

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Abbildung 6: Anlagenschema der simulierten Anlage mit Anzapfung bei 4,5 und 1 bar

7 Energetischer Vergleich der Beispielanlagen

Die Effizienzindikatoren für die oben beschriebenen Anlagen bei jeweils maximaler Wärmeauskopplung sind in der folgenden Tabelle 2 gegenübergestellt.

Der Vergleich der Anlagenkonzepte Göteborg und Amsterdam zeigt, wie stark der Ein-fluss der Wärmeauskopplung auf die einzelnen Energieeffizienzindikatoren ist. Der R1-Wert von 0,94 in Amsterdam ist deutlich niedriger als in Göteborg mit 1,42. Dies ist der Fall, obwohl Amsterdam bei der Stromerzeugung deutlich höhere Wirkungsgrade hat. Bei der Exergieeffizienz hingegen zeigen die Beispielrechnungen, dass mit dem Amsterdam-Konzept die höchste Effizienz erreicht wird. Das Beispiel illustriert die Überbewertung der Wärmenutzung bei der Anwendung der R1-Kriterien im Vergleich zu einer Exergiebetrachtung.

0

0,3

0,6

0,9

1,2

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60Wärmenutzungsgrad [%]

Kenn

zahl

en d

er E

nerg

ieef

fizie

nz[-]

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101

Tabelle 2: Vergleich der Energieeffizienzfaktoren

Einheiten Amsterdam Modell-rechnung

130°C Wärme

Modell-rechnung

95°C Wärme

Göteborg

ηel, netto (reine Stromerz.) [-] 30,6 20,6 20,6 -

Vorlauftemperatur [°C] 120 130 95 80

Rücklauftemperatur [°C] 60 70 45 45

Stufen [-] 1 1 1 4

Wärmeauskoppelung max. [-] 10 60 60 86

R1 für maximale WAK [-] 0,94 1,06 1,18 1,42

Gesamternergienutzungsgrad Schweizer StromVV [-] 0,93 0,99 1,11 1,33

MEP Wirkungsgrad [-] 34,7 51,0 55,5 71,0

ηex für maximale WAK [-] 30,7 28,1 28,5 29,5

Gesamtenergienutzungsgrad [-] 38 71 76 99

S Stromanteil [MWel/MWges] [-] 0,74 - 1 0,15 - 1 0,21 - 1 0,14

θ Stromverlustkennzahl [MWel/MWth]

[-] 0,27 0,26 0,16 0,13

Eine Möglichkeit für einen anschaulichen Vergleich von verschiedenen Anlagen und ihrer möglichen Betriebspunkte ist in Abbildung 7 gezeigt, wo der elektrische Brutto-wirkungsgrad dem Wärmenutzungsgrad in einem Diagramm gegenübergestellt wird. Die Grundlage der Darstellungsform wurde von der Definition des Kriteriums für Ener-gieeffizienz aus der Schweizer Stromversorgungsverordnung abgeleitet. Ergänzt wurde das Diagramm mit der Linie, die sich für einen R1-Wert von 0,65 ergibt, wie er für Neu-anlagen gefordert wird. Höhere R1-Werte liegen auf Parallelen rechts von dieser Linie. In diesem Diagramm können Anlagen mit unterschiedlicher Strom- und Wärmepro-duktion gut verglichen werden. Aus mehreren möglichen Bruttowirkungsgrad-Wärme-nutzungsgrad Paarungen lassen sich anlagenspezifische Kurven bilden, die als Gera-den mit negativer Steigung im Diagramm ersichtlich sind. Die Steilheit der Kurven ist ein Maß für die Stromverlustkennzahl. Gut zu erkennen ist der Unterschied in der Stei-gung zwischen den beiden simulierten Anlagen, die ohne Wärmeauskopplung den gleichen elektrischen Wirkungsgrad haben.

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Abbildung 7: Bruttowirkungsgrad-Wärmenutzungsgraddiagramm mit Anlagenkennlinien

Der Einfluss der Wärmenutzung auf die Kennzahlen Exergieeffizienz und Gesamt-energienutzungsgrad wird in Abbildung 8 gezeigt. Der Unterschied zwischen beiden Vergleichsindikatoren ist naturgemäß sehr groß, besonders für hohe Wärmenutzungs-grade bei niedriger Temperatur (siehe Göteborg). Letztendlich ist die Exergieeffizienz mit dem Amsterdam-Konzept am höchsten, obwohl der Wärmenutzungsgrad und der Gesamtenergienutzungsgrad am kleinsten sind.

Abbildung 8: Zusammensetzung der Exergieeffizienz und des Gesamtenergienutzungs-

grades für mehrere Anlagen

0

10

2030

40

50

6070

80

90

0 5 10 15 20 25 30 35

Schweiz

Amsterdam

Göteborg

Modell 95°CModell 130°C

R1= 0,65

Wär

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[%]

elektrischer Bruttowirkungsgrad [%]

R1= 0,85

R1= 1,25R1= 1,05

R1= 1,45

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Anwendung von Energie-Kennzahlen auf moderne europäische Beispielanlagen

103

8 Zusammenfassung und Schlussfolgerung

Für die Bewertung der Energieeffizienz von Anlagen zur Nutzung von Energie aus Abfall stehen unterschiedliche Kennzahlen zur Verfügung, die zu stark abweichenden Ergebnissen führen. Im Folgenden werden diese Ergebnisse nochmals zusammengefasst, aber es kann keine allgemein gültige Bewertung der Kennzahlen als „gut“ oder „schlecht“ stattfinden. Im Übrigen muss hervorgehoben werden, dass keine der beschriebenen politischen oder thermodynamischen Kennzahlen einen direkten Rückschluss auf die Umweltverträglichkeit im Rahmen einer Ökobilanz oder in Bezug auf CO2-Emissionen oder die Klimaverträglichkeit ermöglicht. Diese Themen wurden in diesem Beitrag komplett ausgeblendet, um die Sache nicht noch weiter zu verkomplizieren. Trotzdem kann festgestellt werden, dass die Maßnahmen, die zu einer Erhöhungen der Energieeffizienz entsprechend der beschriebenen politischen Kennzahlen führen, in den meisten Fällen auch positive Auswirkungen auf entsprechende CO-Bilanzen haben werden.

Die ausgewerteten Beispiele zeigen deutlich, dass bei der Anwendung der politischen Kennzahlen die Nutzung von Wärme den dominanten Einfluss hat. Im Beispiel, das sich auf die Anlage in Göteborg bezieht, kann mit einem ausgeklügelten System der Wärmenutzung ein R1-Wert von 1,42 erreicht werden. Dies liegt weit oberhalb der Grenze von 0,65 für Neuanlagen. Im Amsterdam-Beispiel hingegen liegt der Fokus auf der Stromerzeugung, was zu sehr hohen Werten bei der Anwendung der thermodynamischen Kennzahlen führt, die sich auf Exergiebetrachtungen stützen. Trotz einer wesentlich geringeren Wärmenutzung wird im Vergleich zu Göteborg eine höhere Exergieeffizienz von 30,7 % bei einem R1 von 0,94 erzielt. Zusammenfassend lässt sich ansonsten folgern, dass sich Anstrengungen für die effiziente Nutzung von Wärme oder Strom nicht gegenseitig ausschließen: Das Entscheidende ist eine vernünftige Kombination von beiden Maßnahmen. Außerdem ist zu betonen, dass die hier dargestellten Beispiele basierend auf Göteborg und Amsterdam extreme Ausnahmen darstellen, die sich nur unter besonders günstigen geografischen und ökonomischen Bedingungen realisieren lassen. Für durchschnittliche europäische Anlagen bleibt es eine Herausforderung einen R1 von 0,6 oder 0,65 zu erreichen. Dies gilt insbesondere, wenn die klimatischen Verhältnisse die Nutzung von Wärme nicht sinnvoll ermöglichen und man ökonomisch in Konkurrenz zu Systemen steht, die auf der billigen Deponierung von Abfällen oder MBA-Produkten basieren.

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Oliver Gohlke, Martin J. Murer

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9 Literaturverzeichnis

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B. Bilitewski, A.I. Urban, M. Faulstich (Hrsg.)

14. Fachtagung Thermische Abfallbehandlung

Entwicklungen im Zertifikatehandel und dessen Auswirkungen

Dr. Jürgen Landgrebe

Deutsche Emissionshandelsstelle

Berlin

Schriftenreihe des Fachgebietes Abfalltechnik Universität Kassel

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Jürgen Landgrebe

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1 Einführung

Der Schutz des Weltklimas ist eine große Herausforderung der Staatengemeinschaft. Im Kyoto-Protokoll hat sich die Europäische Union verpflichtet, ihre Treibhausgas-emissionen in der Periode 2008 bis 2012 um insgesamt acht Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 zu verringern. Um dieses Ziel zu möglichst geringen Kosten zu errei-chen, wurde als wichtigstes gemeinsames Klimaschutzinstrument das europäische Emissionshandelssystem für Kohlendioxid auf Unternehmensebene eingeführt. Betroffen sind zunächst stationäre Anlagen der Energiewirtschaft und der emissions-intensiven Industrie. Im Jahr 2003 beschlossen das Europäische Parlament und der Europäische Rat die Einführung dieses Systems, das bereits zum 1. Januar 2005 startete. Der Emissionshandel in Deutschland ist Teil dieses europäischen Systems. Durch einheitliche Zertifikate und die Möglichkeit eines grenzüberschreitenden Handels mit Emissionsberechtigungen wurde ein Europäischer Markt geschaffen.

2 Wie funktioniert der Emissionshandel?

Das Emissionshandelssystem liefert einen ökonomischen Anreiz, die CO2-Emissionen zu reduzieren. Die teilnehmenden Unternehmen erhalten für ihre Anlagen nach festen Regeln Emissionsberechtigungen für einen bestimmten Zeitraum zugeteilt. Um das Emissionshandelssystem möglichst ohne ökonomische Verwerfungen einzuführen, wurden die Emissionsberechtigungen zunächst kostenlos zugeteilt. Sind die Kohlen-dioxidemissionen eines Unternehmens geringer als die zugeteilten Emissionsberech-tigungen, zum Beispiel als Folge eigener Emissionsminderungen, kann das Unter-nehmen nicht benötigte Berechtigungen am Markt verkaufen. Alternativ kann es Berechtigungen am Markt zukaufen, falls eigene Emissionsminderungsmaßnahmen teurer ausfallen würden. Die Tonne Kohlendioxid erhält so einen Wert, den der Markt anhand von Angebot und Nachfrage bestimmt. In der Folge werden Emissionsminde-rungsmaßnahmen dort durchgeführt, wo sie am kostengünstigsten sind. So macht der Emissionshandel Investitionen in Kohlendioxid sparende Technologien attraktiver. Zusätzlich entsteht ein neuer Markt für Händler von Emissionsberechtigungen, Sach-verständige und weitere Dienstleister.

Jeweils zum 30. April eines Jahres müssen die Anlagenbetreiber Emissionsberech-tigungen in Höhe ihrer tatsächlichen Emissionen des vorangegangenen Jahres im Emissionshandelsregister abgeben. Hat das Unternehmen seine Berichts- oder Abga-beverpflichtung nicht oder nur unvollständig erfüllt, werden empfindliche Sanktionen fällig. In der zweiten Handelsperiode 2008-2012 betragen die Sanktionen 100 Euro pro Tonne Kohlendioxid. Die fehlenden Emissionsberechtigungen müssen im Folgejahr zusätzlich abgegeben werden.

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Entwicklungen im Zertifikatehandel und dessen Auswirkungen

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3 Aktueller Stand des EU-Emissionshandels in der zweiten Handelsperiode

Mit Beginn der Kyoto-Periode am 1.1.2008 ist der europäische Emissionshandel bereits in seine zweite Runde gegangen. In der EU nehmen am Emissionshandel 11.600 Anlagen teil. In Deutschland ist der Anwendungsbereich im Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz (TEHG) geregelt. Insgesamt haben in Deutschland 1.072 energiewirtschaftliche Anlagen (Tätigkeiten I bis V Anhang 1 TEHG) und 553 Anlagen der Industrie (Tätigkeiten VI bis XVIII Anhang 1 TEHG) eine kostenlose Zuteilung von Emissionsberechtigungen erhalten (Abb. 1). Bei den Industrieanlagen am stärksten

vertreten sind Anlagen der kerami-schen Industrie (139 Anlagen) und zur Herstellung von Papier und Pappe (125). Es folgen Anlagen der Glas-, Kalk- und Zementindustrie (85, 68 und 39). Die Eisen- und Stahlindustrie (Kokereien, Sintern von Eisenerz, Stahlwerke, Integrierte Hüttenwerke, Weiterverarbeitung Stahl) unterfällt in der Handelsperiode 2008 bis 2012 mit insgesamt 44 Anlagen dem Emis-sionshandel; davon sind sieben Anla-gen gemäß § 25 TEHG einheitliche Anlagen. Wegen der Erweiterung des Anwendungsbereiches des TEHG

nehmen in der zweiten Handelsperiode erstmals 29 zusätzliche Anlagen am Emissionshandel teil. Dabei handelt es sich um acht Weiterverarbeitungseinheiten innerhalb integrierter Hüttenwerke, acht Anlagen zum Schmelzen mineralischer Stoffe, einschließlich der Herstellung von Mineralfasern, acht Anlagen zur Herstellung von Propylen und Ethylen (zum Beispiel "Cracker") und fünf Anlagen zur Rußherstellung.

Während der Emissionshandel in der ersten Handelsperiode (2005-2007) europaweit von einem deutlichen Überangebot an Emissionsberechtigungen und – nach Bekannt-werden – von drastisch einbrechenden Zertifikatpreisen gekennzeichnet war, wurde im Nationalen Aktionsplan (NAP II) das Emissionshandelsbudget in Deutschland für die zweite Handelsperiode mit knapp 452 Mio. Mg CO2 pro Jahr nunmehr deutlich unterhalb der tatsächlichen Emissionen der vergangenen Berichtsjahre festgelegt (Abb. 2).

38 Anlagen ohne Zuteilung

(Energie)

553 Anlagen (Industrie)

1072 Anlagen (Energie)

2 Anlagen ohne Zuteilung

(Industrie)

Abbildung 1: Zahl der Anlagen nach Energiewirtschaft und Industrie

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Jürgen Landgrebe

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Abbildung 2: Jährliche Gesamtzuteilung aller Anlagen im Vergleich zur Ist-Emission

Auch das Zuteilungssystem wurde in der Handelsperiode 2008 bis 2012 weitgehend zugunsten einer Zuteilung auf Basis von Emissionswerten (Benchmarking) (Abb. 3) statt wie bisher auf Basis historischer Emissionen (Grandfathering) umgestellt.

Abbildung 3: Zuteilung im Benchmarking-Verfahren

Zuteilung für Energieanlagen > 25.000 Mg CO2/a Benchmarking als Zuteilungsmethode: Die „jährliche Zuteilung“ errechnet sich aus dem Produkt der durchschnittlichen Produktion der Anlage in der Basisperiode und einem produktspezifischen und brennstoffabhängigen gewichtet gemittelten Emissionswert (benchmark). Festbrennstoffe Flüssigbrennstoffe • Abzüglich anteiliger Kürzung zur Budgetsicherung nach dem Effizienzstandard • Abzüglich veräußerungsbedingter Kürzung (KFVer) für elektrische Energie,

die 0,844 (etwa 15 %) beträgt und bei 427 Anlagen der Energiewirtschaft angewendet wird

750 g/kWh Strom 365 g/kWh 345 g/kWh Wärme 225 g/kWh Gas

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Entwicklungen im Zertifikatehandel und dessen Auswirkungen

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Grandfathering weist als Methode gravierende Mängel auf, da es das Verursacher-prinzip nicht berücksichtigt und falsche Anreize setzt. Benchmarking hingegen stellt eine einheitliche Zuteilung für vergleichbare Anlagen sicher und sorgt so für vergleich-bare Marktbedingungen beim Emissionshandel (level playing field).

Zusätzlich wurde die längst erwartete Veräußerung von Emissionsberechtigungen ein-geführt, nicht zuletzt um die in der ersten Handelsperiode erzielten „windfall-profits“ der Energiewirtschaft zumindest teilweise abzuschöpfen. Die in der Emissionshandels-richtlinie gesetzte Obergrenze zur Auktionierung oder zum Verkauf von Emissions-berechtigungen in Höhe von bis zu 10 % des Gesamtbudgets wird in Deutschland nahezu ausgeschöpft. Die Erlöse aus der Veräußerung (933 Mio. € in 2008) werden zu 50 % für Klimaschutzmaßnahmen verwendet.

Die jährlichen Zuteilungsmengen für die verschiedenen Branchen sind in Abbildung 6 (S.116) den durchschnittlichen jährlichen Emissionen der Jahre 2005 und 2006 differenziert nach den Tätigkeiten gegenübergestellt. Der Vergleich ermöglicht eine tendenzielle Aussage darüber, wie die Tätigkeiten – bei angenommener gleichbleibender Produktion – im Vergleich zu ihrem Bedarf in der Handelsperiode 2008 bis 2012 kostenlos mit Emissionsberechtigungen ausgestattet werden. Der Vergleich umfasst 1.546 Anlagen, die für die Jahre 2005 und 2006 einen Emissionsbericht abgegeben und für die Handelsperiode 2008 bis 2012 eine Zuteilung erhalten haben.

Erwartungsgemäß bleibt die kostenlose Ausstattung mit Emissionsberechtigungen von Anlagen der Energieerzeugung in der Handelsperiode 2008 bis 2012 deutlich unter den Ist-Emissionen. Sie liegt – wegen der so genannten Veräußerungskürzung auf das Produkt „Strom“, der anteiligen Kürzung nach Effizienzstandard zur Budgetsicherung, bei Kraftwerken mit Braunkohlefeuerung auch wegen der Zuteilung auf Basis des ein-heitlichen Kohle-Emissionswertes in Höhe von 750 Gramm pro erzeugter Kilowatt-stunde und der Umstellung der Allokation für Kuppelgase – im Mittel knapp 35 Prozent unter dem durchschnittlichen Bedarf der Jahre 2005 und 2006.

In der Industrie sieht die Situation gegensätzlich aus: Alle Branchen – mit Ausnahme der Zellstoffindustrie – erhalten im Vergleich zu ihren durchschnittlichen jährlichen Emissionen in den Jahren 2005 und 2006 nahezu entsprechende oder sogar mehr Emissionsberechtigungen. Die scheinbare Überallokation in der Eisen- und Stahl-industrie ist allerdings begründet durch eine veränderte Zuteilungsregel für Kuppel-gase.

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4 Abfallverbrennungsanlagen im EU-Emissionshandel

Abfallverbrennungsanlagen sind vom Anwendungsbereich des TEHG auch in der zweiten Handelsperiode nicht erfasst. Hier bestünde die Gefahr, dass die Betreiber Menge und Zusammensetzung ihrer Einsatzbrennstoffe unter Energienutzungs-aspekten so weitgehend optimieren, dass sie gegebenenfalls den abfallrechtlichen Zielen einer vorrangigen ordnungsgemäßen Abfallentsorgung zuwiderhandeln. Daher werden Abfallverbrennungsanlagen im Anlagenkatalog des Anhang 1 des TEHG nicht als Tätigkeit aufgeführt. Die unter die Tätigkeiten der Kategorien I bis VII fallenden Anlagen dienen nach ihrer typischen Zweckbestimmung allein der „Energieumwand-lung und -umformung“, nicht jedoch – wie Abfallverbrennungsanlagen – der „Verwer-tung und Beseitigung von Abfällen“ (vgl. insoweit auch Nr. 8.1 im Anhang der 4. BImSchV). Für Anlagen zur „ausschließlichen Verbrennung von gefährlichen Abfällen oder Siedlungsabfällen“ wird dies durch die klarstellende Regelung des § 2 Abs. 5 1. Alt. TEHG eigens hervorgehoben. Auch eine betriebsnotwendig vorhandene Zünd- und Stützfeuerung der Abfallverbrennungsanlage führt nicht zur Anwendung des TEHG. Die Nichtanwendung des TEHG gilt auch für die Mitbehandlung von nicht gefährlichen Abfällen, die keine Siedlungsabfälle sind.

Mit Erdgas oder Heizöl befeuerte Hilfsdampferzeuger, die als Anlagenteil oder Neben-einrichtung einer Abfallverbrennungsanlage betrieben werden, können allerdings nach § 2 Abs. 1 Satz 2 TEHG dem Anwendungsbereich des TEHG unterliegen. Voraus-setzung hierfür ist, dass die Anlagenteile oder Nebeneinrichtungen gesondert immis-sionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftig und Anlagen im Sinne von Anhang 1 Nr. I bis V TEHG sind, also insbesondere über eine rechtlich und tatsächlich mögliche Feuerungswärmeleistung von mehr als 20 MW verfügen. Diese Bedingung trifft in der Praxis nur bei sehr wenigen Müllverbrennungsanlagen in Deutschland zu.

Der Einsatz von Abfällen in Mitverbrennungsanlagen, die dem sachlichen Anwen-dungsbereich des TEHG unterfallen (in Deutschland Mitverbrennungsanlagen im Sinne des § 2 Nr. 7 der 17. BImSchV), unterliegt dem TEHG, soweit eine Feuerungswärme-leistung von 20 MW der betreffenden Anlage überschritten wird. Hier greift die Aus-nahmeregelung des § 2 Abs. 5 TEHG nicht. Mitverbrennungsanlagen sind gemäß Richtlinie 2000/76/EG „(...) ortsfeste oder nicht ortsfeste Anlagen, deren Hauptzweck in der Energieerzeugung oder der Produktion stofflicher Erzeugnisse besteht und in denen Abfall als Regel- oder Zusatzbrennstoff verwendet wird oder in denen Abfall im Hinblick auf die Beseitigung thermisch behandelt wird (...)“.

Die Mitverbrennung von Abfällen in emissionshandelspflichtigen Anlagen (Energie-anlagen, Zementwerke) hat schon während der ersten Handelsperiode eine relevante Rolle mit steigender Tendenz gespielt (Abb. 4).

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Entwicklungen im Zertifikatehandel und dessen Auswirkungen

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Abbildung 4: Abfalleinsatz bei Anlagen im Emissionshandel [Mg/a]

Hier liegt auch weiterhin eine Chance der Abfallwirtschaft beim Emissionshandel. Bei der Substitution fossiler Brennstoffe durch Mitverbrennung kann eine Reduzierung der Abgabepflicht im Umfang des biogenen Kohlenstoffanteils der eingesetzten Ersatz-brennstoffe (EBS) erzielt werden. Alternativ können die Ersatzbrennstoffe aber auch in Sekundärbrennstoffkraftwerken eingesetzt werden, die nicht dem Emissionshandel unterfallen und daher absehbar geringeren Investitionsrisiken ausgesetzt sind.

Aufwändig und von den Transaktionskosten nicht zu unterschätzen sind die notwen-digen Analyseverfahren zur hinreichend genauen Bestimmung des biogenen Kohlen-stoffanteils auf Basis anerkannter Methoden. Da keine einheitlichen Stoffwerte wie bei kommerziellen Brennstoffen zur Verfügung stehen, ist stets eine individuelle Ermittlung der Stoffdaten erforderlich (Emissionsfaktor, biogener/gesamter Kohlenstoffgehalt, [TC = TIC + TOC] – unterer Heizwert). An der Weiterentwicklung der erst seit kurzem etablierten Analysemethoden wirkt die DEHSt mit. Folgende Methoden werden dabei berücksichtigt:

• 14C: Die Methode wird neu in die CEN/TS 15440 aufgenommen. Wesentliche Pro-bleme bei der praktischen Anwendung sind die Verfügbarkeit von Analyselaboren (teilweise sehr lange Bearbeitungszeiträume bis 6 Monate), deren Kosten (hohe Investitionskosten für die apparative Ausstattung) und die geeignete Überführung der zu messenden Probe (Verwendung von unter Bedingungen realer Brennstoffe offensichtlich ungeeigneter Sorptionsmittel). Biomasse, die älter als 65 Jahre ist (vor dem ersten atmosphärischen Atombombenversuch 1944 abgestorben), wird regelmäßig als fossiler Kohlenstoff bestimmt.

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2005 2006 2007

Papier u. ZellstoffMineralverarbeitende IndustrieEisen und StahlEnergieumwandlung

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• SDM: Die selektive Lösung des Biomasseanteils wird seit einigen Jahren ange-boten und führt unter Einhaltung gewisser Randbedingungen zu guten Ergeb-nissen. In der Probe enthaltene Stein- und Braunkohle sowie Torf führen zu einer Überschätzung des Biomasseanteils, organische Fette und Öle sowie Polymere auf Biomassebasis (Naturkautschuk, bioabbaubare Kunststoffe) führen zu einer Unterschätzung. Wesentliche Fehlerquellen sind neben den genannten Brenn-stoffbestandteilen die Analyse des Kohlenstoffgehaltes des verbleibenden Rück-stands nach der Lösung in konzentrierter Schwefelsäure.

• Weitere Methoden der CEN/TS 15440 sind die Sortieranalyse (nur bei Korngrößen > 10 mm sinnvolle Ergebnisse!), sowie die für die Berichterstattung nach TEHG grundsätzlich nicht geeignete reduktionistische Methode.

Alle nutzbaren Methoden bedürfen einer Güteüberwachung der beteiligten Labore. Die Proben sind mit einer in den Monitoring Leitlinien festgesetzten Mindesthäufigkeit zu gewinnen und zu analysieren. Werden hohe Unsicherheiten oder eine unzureichende Güteüberwachung festgestellt, müssen die Brennstoffe mit 0 % biogenem Kohlenstoff-anteil bewertet werden. Nach den neuen ML muss für reine Biomasse (> 97 % bioge-ner Kohlenstoff) kein Analyseverfahren angewendet, die Reinheit des Stoffes allerdings nachgewiesen werden. Vermischungen von Brennstoffen aus unterschiedlichen Quellen (zum Beispiel um auf genau 97,1 % zu kommen) sind nicht zulässig.

5 Projektbezogene Mechanismen des Kyoto-Protokolls

Obwohl Abfallverbrennungsanlagen nicht emissionshandelspflichtig sind, ermöglichen die projektbasierten Mechanismen des Kyoto-Protokolls (Abb. 5) der Abfallwirtschaft zahlreiche Möglichkeiten zur Projektfinanzierung und Kundengewinnung.

Abbildung 5: Kyoto-Mechanismen

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Entwicklungen im Zertifikatehandel und dessen Auswirkungen

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Im Anhang des Kyoto-Protokolls wird die Abfallwirtschaft als eigener Emissionssektor mit den Unterkategorien „Abfallablagerung“, „Abwasserbehandlung“, „Abfallver-brennung“ und „Sonstiges“ aufgeführt, in denen JI- oder CDM-Projekte realisiert wer-den können. Insbesondere Projekte mit Methanemissionen (hohes Treibhauspotenzial) sind hier interessant. Bei der Projektplanung und -durchführung kann auf zahlreiche bestehende Methodologien zurückgegriffen werden:

• Deponiegasnutzung und Methanzerstörung (ACM0001) • Emissionsminderung durch Güllebehandlung (ACM0010) • Emissionsminderung durch Industrieabwasserbehandlung (ACM0014) • Emissionsvermeidung bei organischen Abfällen durch alternative Behandlungs-

methoden (Kompostierung, Verbrennung) (AM0025) • Methanemissionsminderung für organisches Abwasser und organischen Abfall

durch Co-Kompostierung (AM0039) • Emissionsvermeidung durch Nutzung von Abfallbiomasse in der Papierherstellung

und Bioölproduktion (AM0057)

Im Unfang der bei den Klimaschutzprojekten realisierten Emissionsreduktionen werden Zertifikate (CER, ERU) ausgegeben, die Anlagenbetreiber in Deutschland mit bis zu 22 % der zugeteilten Menge pro Anlage zur Erfüllung der Abgabepflicht beim Emis-sionshandel einsetzen dürfen. Insgesamt entspricht dies rund 90 Mio. Mg CO2/a für deutsche Anlagenbetreiber aus JI- und CDM-Projekten – und damit etwa ein Fünftel des deutschen Emissionshandelsbudgets.

Eine aktuelle Übersicht zu den in Deutschland beantragten Projekten gibt Tabelle 1.

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Tabelle 1: In Deutschland beantragte Klimaschutzprojekte (Stand: Januar 2009)

Gesamt CDM JI-Ausland JI-Inland

Gesamt 265 153 10 102

Befürwortung

Anträge 67 13 9 45

Abgeschlossene Verfahren 50 12 8 30

Befürwortung 43 12 8 23

Zustimmung

Anträge 198 140 1 57

Abgeschlossene Verfahren 182 129 0 53

Zustimmung 137 129 0 8

Projektkategorien

Biogas 13 7 0 6

Biomasse 37 30 3 4

Solarenergie 3 3 0 0

Wasserkraft 46 46 0 0

Windenergie 24 22 2 0

Brennstoffwechsel/Energieeffizienz 57 28 3 26

Deponiegas 9 8 0 1

HFKW 23 (HFC 23) 3 3 0 0

Lachgas (N2O) 18 6 1 11

Geothermie 1 0 0 1

PFC 2 0 0 2

Grubengas 52 0 1 51

6 Ausblick: Emissionshandel nach 2012

Mit dem Klima- und Energiepaket hat die EU im Dezember 2008 weitreichende neue europäische Klimaschutzziele beschlossen. Bei einem EU-20 %-Klimaziel für 2020 besteht im Emissionshandel ab 2013 nur noch ein einheitliches Emissionsbudget für große Anlagen der Industrie und der Energiewirtschaft (EU-Cap). Dieses Emissions-budget wird ab 2010 jährlich um 1,74 % gekürzt. Im Emissionshandelssektor werden damit bis 2020 die Emissionen des Jahres 2005 um 21 % reduziert.

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Entwicklungen im Zertifikatehandel und dessen Auswirkungen

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Bei den Allokationsmethoden werden zahlreiche Änderungen umgesetzt. Bei strom-erzeugenden Anlagen soll grundsätzlich eine Vollauktionierung (100 %) auf die Strom-produktion bei Bestands- und Neuanlagen erfolgen. Begrenzte Ausnahmen gelten nur für einzelne, neue Mitgliedstaaten mit veralteten Kraftwerken oder unzureichender Anbindung an das europäische Stromnetz.

Industrieanlagen werden nur einen Teil ihrer Emissionszertifikate kostenlos auf der Basis von EU-einheitlichen „Top Ten“-Benchmarks erhalten. Für die Festlegung der Benchmarks werden jeweils die effizientesten 10 % der Anlagen einer Branche in der EU herangezogen. Im Zeitraum 2013 bis 2020 wird der Auktionsanteil schrittweise von 20 % auf 70 % steigen. Eine Ausnahme von der Auktionierung in der Industrie wird nur bei so genannten „Carbon Leakage“ gewährt. Hier ist für einzelne Branchen nach-zuweisen, dass wegen der CO2-Kosten eine Verlagerung der Produktion ins außer-europäische Ausland droht.

Auch die Einbeziehung weiterer Branchen, Anlagenarten und Treibhausgase (N2O) ist mit der Revision der Emissionshandels-Richtlinie vorgesehen. Dies betrifft:

• Verbrennungsanlagen > 20 MW FWL (zur Wärme- und Stromversorgung, unab-hängig von der Genehmigungssituation nach BImSchG),

• Metallindustrie: Eisen-, Nichteisen-, Aluminiumschmelzen (CO2 und PFC) > 20 MW,

• Gipsherstellung > 20 MW, • Keramikanlagen aufgrund neuen Schwellenwerts und die • Chemische Industrie: zum Beispiel Ammoniak, Salpetersäure (CO2 und N2O),

Adipin-, Glyoxyl-, Glyoxalsäure (CO2 und N2O).

Abfallverbrennungsanlagen sind aber auch in der Zeit nach 2012 nicht vom Geltungs-bereich der Emissionshandels-Richtlinie erfasst.

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B. Bilitewski, A.I. Urban, M. Faulstich (Hrsg.)

14. Fachtagung Thermische Abfallbehandlung

Sollten die Grenzwerte für die Abfallverbrennung aus toxikologischer Sicht gesenkt werden?

Prof. Dr. Wolfgang Dekant

Universität Würzburg

Würzburg

Schriftenreihe des Fachgebietes Abfalltechnik Universität Kassel

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Wolfgang Dekant

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1 Einführung

Die Emission von Schadstoffen aus der Abfallverbrennung steht häufig im Brennpunkt der Medien, der Politik und von Nicht-Regierungsorganisationen oder Bürgerinitiativen. Für viele aus Abfallverbrennungsanlagen emittierte Schadstoffe existieren Grenzwerte, die eine maximale Abgabe von Schadstoffen in die Umwelt regeln. Eine Senkung die-ser Grenzwerte wird sowohl von der Politik als auch von der Gesellschaft häufig gefor-dert und mit möglichen Effekten der Schadstoffemissionen auf Umwelt und Gesundheit begründet. Oft fehlen bei diesen Forderungen jedoch spezifische Kenntnisse zur Toxi-kologie der Schadstoffe und zu den aus der Abfallverbrennung resultierenden Expo-sitionen, oft auch zum Beitrag der Abfallverbrennung zur messbaren Gesamtexposition gegen den Schadstoff. Aus fachlicher Sicht ist es daher unumgänglich, Grenzwerte für die Emission von Schadstoffen aus Abfallverbrennungsanlagen basierend auf den Kenntnissen zur Toxikologie der Einzelstoffe und den Beiträgen der Abfallanlagen-emission im Vergleich zu anderen Quellen zu definieren und Grenzwerte nur auf trag-baren und wissenschaftlich begründbaren Ergebnissen festzulegen.

2 Methoden der Grenzwertfindung

Grenzwerte gehören zu einem der wichtigsten Instrumentarien des Umwelt- und Gesundheitsschutzes. Grenzwerte für Konzentrationen chemischer Stoffe in den ver-schiedensten Medien sind national und international definiert. Beispielsweise regeln Grenzwerte maximal tolerierbare Konzentrationen von Pflanzenschutzmitteln in Nah-rungsmitteln und Trinkwasser, in der Luft am Arbeitsplatz und für die Emission aus Anlagen in die Umwelt. Bei der Festsetzung von Grenzwerten können zwei grundsätz-liche Philosophien unterschieden werden: gesundheits- oder wirkungsbasierte Grenz-werte und vorsorgende Grenzwerte.

Gesundheitsbasierende Grenzwerte beruhen auf der Nutzung toxikologischer Daten oder detaillierter Messungen des Schadstoffes in der Umwelt und auch im Menschen sowie validierten Expositionsmodellen. Solche Grenzwerte sollten unter Nutzung der besten wissenschaftlichen Erkenntnisse definiert werden. Gesundheitsbasierende Grenzwerte gelten beispielsweise für den Arbeitsplatz, für Nahrungsmittelzusatzstoffe und teilweise für anthropogene Schadstoffe in der Außenluft.

Vorsorgende Grenzwerte regeln oft die Konzentration von Schadstoffen in Schutz-gütern höherer Bedeutung und werden nur teilweise oder gar nicht basierend auf toxi-kologischen Daten und auf Expositionsszenarien entwickelt. Oft sind diese mit politi-schen Vorgaben versehen und so niedrig als möglich, bzw. gerade noch analytisch verifizierbar, festgelegt. Beispiele für solche vorsorgenden (precautionary) Grenzwerte sind Grenzwerte für Pflanzenschutzmittel in Grund- und Trinkwasser auf EU-Ebene, die, obwohl zu Pflanzenschutzmitteln sehr detaillierte toxikologische Daten vorliegen,

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Sollten die Grenzwerte für die Abfallverbrennung aus toxikologischer Sicht gesenkt werden?

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für alle Wirkstoffe pauschal mit 0,1 µg/L festgelegt sind. Die Nutzung von solchen vor-sorgenden Grenzwerten wird oft von Nicht-Regierungsorganisationen gefordert.

3 Was brauche ich zur Definition eines gesundheitsbasierten Grenzwertes?

Die wissenschaftliche Abschätzung des zusätzlichen gesundheitlichen Risikos, das durch Exposition gegenüber einem chemischen Stoff hervorgerufen wird (Risiko-charakterisierung), ist eine wichtige Grundlage für Entscheidungen zur Chemikalien-sicherheit. Die Risikocharakterisierung gliedert sich in Ermittlung und Bewertung des Risikos. Im Gegensatz zur Risikocharakterisierung, die auf toxikologischen und/oder epidemiologischen Daten beruht, ist Risikomanagement der Prozess, der Risiko-charakterisierung in politisches Handeln umsetzt. Daraus resultieren über die Gesetz-gebung Grenzwertfestsetzungen und/oder Anwendungsbeschränkungen. Für ein ziel-gerichtetes Risikomanagement ist eine möglichst verlässliche Ermittlung und Bewer-tung des Risikos durch Chemikalien nötig.

Zur Abschätzung der Gesundheitsgefährdung durch einen chemischen Stoff sind Kenntnisse der Toxizität (Bestimmung der Gefährlichkeit) und zur Exposition zu erar-beiten. Durch Analyse der Dosis-Wirkungs-Beziehungen aus Tierversuchen, der aus experimentellen Beobachtungen abgeleiteten Wirkungsmechanismen und, falls mög-lich, der höchsten Dosis ohne erkennbare Wirkungen lässt sich dann das gesundheit-liche Risiko einer bestimmten Exposition beschreiben. Parallel dazu wird die gegebene Exposition bestimmt oder die zu erwartende Exposition abgeschätzt.

Mit hinreichender Sicherheit ist meist nur die Charakterisierung der Gefährlichkeit eines Stoffes möglich; dazu werden hauptsächlich Tierexperimente genutzt. Die Bestimmung der Exposition, der zweite Teil der Risikocharakterisierung, ist oft wegen fehlender Daten oder auch aus Kostengründen nur unter bestimmten Voraussetzungen (beruf-liche Belastung) mit ausreichender Genauigkeit durchführbar.

Bei neuen Stoffen beruhen die Charakterisierung schädlicher Wirkungen (Gefährlich-keit) und damit der erste Teil der Risikoabschätzung hauptsächlich auf Tierversuchen. Das umfangreiche Datenmaterial zur Toxizität von Chemikalien in Versuchstieren und die bislang vorhandenen Erfahrungen beim Menschen belegen, dass in den meisten Fällen zwischen Mensch und Versuchstier keine qualitativen Unterschiede in den Schadwirkungen bestehen. Quantitative Unterschiede zwischen Mensch und Tier oder einzelnen Tierarten sind meist die Folge der unterschiedlichen Toxikokinetik des Stoffes. Daher kann man toxische Wirkungen, die im Tierexperiment beobachtet werden, bei entsprechender Exposition auch für den Menschen annehmen.

Ein Vorteil der toxikologischen Untersuchungen an Versuchstieren ist die Voraussage-kraft der Experimente. Trotzdem bestehen viele Unsicherheiten, da man von der Reak-tion einer begrenzten Anzahl genetisch homogener Versuchstiere auf die Wirkungen in

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Wolfgang Dekant

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einer großen Anzahl genetisch heterogener Menschen mit unterschiedlichsten Lebens-umständen schließt. Um eine möglichst hohe Sensitivität zu gewährleisten, führt man Tierversuche mit hohen Dosen durch. Die Ergebnisse müssen auf die niedrigen Belastungen des Menschen extrapoliert werden (Dosisextrapolation). Schließlich kommt der Unsicherheitsfaktor der so genannten Speziesextrapolation hinzu. Da sich Erkenntnisse und Methoden in der Toxikologie ständig weiterentwickeln, kann die „toxi-kologische Bewertung“ nicht nach vorgegebenen formalen Kriterien durchgeführt wer-den, es existieren aber Leitfäden zum Vorgehen. Jede Bewertung der Gefährlichkeit einer Substanz muss den aktuellen Kenntnisstand der Toxikologie berücksichtigen.

Die Erarbeitung von Daten zur toxikologischen Bewertung von Stoffen wird stufenweise vorgenommen und nutzt hauptsächlich Studien in Nagetieren, die meist lebenslang gegenüber den zu prüfenden Stoffen exponiert werden. Die Abschätzung der Stoff-exposition ist der wichtigste Schritt auf dem Weg zu einer Risikocharakterisierung, wird jedoch oft vernachlässigt. Für die genaue Abschätzung der Zahl exponierter Personen sowie der Höhe und der Dauer der Exposition sind Kenntnisse über die Freisetzung des Schadstoffes (aus Industrie, Haushalt, Verkehr oder natürlichen Quellen), sein Schicksal in der Umwelt und seine Bioverfügbarkeit aus Umweltmedien erforderlich. Die Exposition kann durch Messung der Stoffkonzentrationen in der Atemluft oder in anderen Umweltmedien abgeschätzt werden. Erheblich verlässlicher sind in diesem Zusammenhang direkte Bestimmungen in exponierten Personen. Wegen der aufwän-digen Methoden und der hohen Kosten liegen Daten zur Exposition nur in stark unter-schiedlichem Ausmaß vor, bei neuen Stoffen fehlen sie ganz. Hier gilt es, die geplante Anwendung, die Möglichkeiten der Freisetzung, die Stabilität in der Umwelt und die dadurch zu erwartenden Belastungen zu charakterisieren. Oft werden hier Modell-rechnungen angewendet.

Die eigentliche Risikocharakterisierung integriert die Gefährlichkeit des jeweiligen Stoffes, die aufgenommene Menge und die Dauer der Einwirkung. Wirkungsmecha-nismen von Stoffen spielen für die zu erwartenden Gesundheitsgefährdungen und damit für die Risikocharakterisierung eine bedeutsame Rolle. Für viele Stoffe lassen sich wirkungsfreie Konzentrationen definieren. Bei Dosierungen unterhalb dieser Schwellendosen treten keine Effekte auf. Bei Konzentrationsgiften spielt die Dosisrate (pro Zeiteinheit aufgenommene Stoffmenge) die wichtigste Rolle in der Risikocharak-terisierung; ausgehend von der Reversibilität der Wirkungen können Grenzwerte für Belastungen abgeleitet werden. Problematisch hingegen ist die Risikocharakterisierung für Stoffe mit irreversiblen Wirkungen, die Summationsgifte, für die sich aus Prinzip oft keine wirkungsfreien Konzentrationen angeben lassen. Zu dieser Gruppe gehören viele chemische Kanzerogene, bei denen selbst kleine Belastungen ein zusätzliches Risiko bedeuten können. Bei der Risikoabschätzung erfolgt in diesen Fällen die Festlegung eines „akzeptablen Risikos“. Die Dosis, die dem zusätzlichen Risiko von eins zu einer Million entspricht, wird als „praktisch sichere Dosis“ bezeichnet.

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Sollten die Grenzwerte für die Abfallverbrennung aus toxikologischer Sicht gesenkt werden?

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Bei der quantitativen Risikoabschätzung extrapoliert man aus der Dosisabhängigkeit toxischer Wirkungen in Tierversuchen mit hohen Dosen mittels mathematischer Verfah-ren die Wahrscheinlichkeit, mit der bei Menschen, die niedrigen Dosen ausgesetzt sind, Schadwirkungen auftreten. So erhält man Zahlenwerte für die Risiken einer bestimmten Exposition, die der Festlegung von Grenzwerten dienen können. Die tier-experimentellen Studien liefern einen quantitativen Endpunkt, von dem ausgehend weitere Bewertungen und Quantifizierungen bezüglich des Schutzes der menschlichen Gesundheit möglich sind. Diese quantitativen Endpunkte können eine bestimmbare Dosis ohne Wirkung (NOAEL) oder eine definierte (geringe) Häufigkeit einer Wirkung darstellen.

Wegen der vielen Unsicherheiten bei der Extrapolation von im Tierversuch gewon-nenen Erkenntnissen müssen aber für eine sinnvolle toxikologische Bewertung zahl-reiche Erkenntnisse berücksichtigt werden, deren Bedeutung sich für die Gefährdung belasteter Personen nicht quantitativ abschätzen lässt. Diese qualitative Risiko-abschätzung nutzt Daten zur Biotransformation und zur Gentoxizität eines Stoffes sowie Untersuchungen zum Wirkungsmechanismus für eine nicht quantitative Charak-terisierung der Schadwirkungen von Chemikalien.

Für Stoffe, deren toxische Wirkungen keine Summationseffekte zeigen, gibt es im Tier-versuch Dosierungen, bei denen innerhalb des Versuchszeitraumes keine nachweis-bare Veränderung einer Messgröße zu beobachten ist. Solche Stoffe besitzen eine Wirkungsschwelle. Aus Tierversuchen werden die wirkungsfreien no-observed-effect-levels oder no-observed-adverse-effect-levels (NOAEL) abgelesen. Der Nachteil des NOAEL-Verfahrens ist die unzureichende Berücksichtigung der Dosisabhängigkeit der Wirkungen, da normalerweise nur ein einziger Wert in die Bestimmung des NOAEL eingeht. Das zum NOAEL-basierten Verfahren alternative Benchmark-Verfahren ist dagegen eine statistikgestützte Analyse aller zu einem untersuchten Kollektiv vor-liegenden Wirkungsdaten, das heißt der gesamten Dosis-Wirkungskurve. In dieser Analyse wird abgeschätzt, ab welcher Dosis in dem untersuchten Kollektiv eine zuvor als schädlich bewertete Wirkung in signifikant erhöhter Häufigkeit auftritt. Die als kri-tisch für die Bewertung definierte toxische Wirkung wird als benchmark response (BMR) bezeichnet. Die ihr zuzuordnende, gerade noch wirksame „kritische“ Dosis ist die benchmark dose (BMD).

Während das NOAEL-basierte Verfahren allein auf den experimentell vorgegebenen oder epidemiologisch ermittelten Dosispunkten beruht, fließen beim aufwändigeren Benchmark-Verfahren alle verfügbaren Dosispunkte in die mathematische Modellierung ein. Die Datenanalyse zur Findung einer BMD oder BMDL verhilft zu einem differenzierteren Bild von den Unsicherheiten auf dieser Stufe der Risikoabschätzung als die bloße Schätzung eines NOAELs. Das entsprechend verfeinerte Wissen kann in den Folgeschritten des gesamten Verfahrens bis hin zur

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Wolfgang Dekant

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Standardsetzung hilfreich sein. Hierbei ist die Steilheit der Dosis-Wirkungskurve sehr bedeutsam.

Von solchen experimentell gewonnenen Daten ausgehend bestimmt man unter Berücksichtigung eines Sicherheitsabstands die maximal zulässigen Belastungen für den Menschen. Für nicht krebserzeugende Verbindungen lassen sich dann tägliche Aufnahmeraten (ADI-Werte, acceptable daily intake) definieren, bei denen keine toxi-schen Wirkungen zu erwarten sind. ADI-Werte werden festgelegt, indem man die in den Tierversuchen abgeleiteten Dosen des NOAELs oder BMDs verwendet und unter Einführung von Sicherheitsfaktoren eine akzeptable tägliche Höchstaufnahmemenge definiert. Der zur Festlegung der zulässigen Dosis für den Menschen herangezogene tierexperimentelle NOAEL-Wert beruht auf der Reaktion der jeweils empfindlichsten Tierart beziehungsweise des empfindlichsten Tierstammes.

no-observed-effect-level aus Toxizitätsstudie

Sicherheitsfaktor "zulässige

Höchstaufnahmemenge"=

Die Einführung von Sicherheitsfaktoren dient der Risikominderung. Dadurch sollen Unwägbarkeiten oder im Tierversuch nicht nachvollziehbare Probleme wie die mög-lichen Unterschiede in der toxischen Wirkung des betreffenden Stoffes in verschie-denen Altersklassen, bei Krankheiten oder Schwangerschaft berücksichtigt werden. Für Unterschiede in der Empfindlichkeit zwischen Mensch und Tier setzt man einen Sicherheitsfaktor von zehn ein; ein weiterer, ebenso großer Sicherheitsfaktor soll mög-liche interindividuelle Unterschiede in der menschlichen Bevölkerung und Wechsel-wirkungen mit anderen Stoffen kompensieren. Die genaue Größe des Gesamtsicher-heitsfaktors ist allerdings abhängig von Umfang und Qualität der vorhandenen Daten. Der Sicherheitsfaktor von 100 kann dann verwendet werden, wenn die toxischen Wir-kungen eines Stoffes im Tierversuch gut charakterisiert sind und Wirkungsmecha-nismen erarbeitet wurden, aber keine Kenntnisse zur toxischen Wirkung eines Stoffes im Menschen (Exposition am Arbeitsplatz oder bei Unfällen und Vergiftungen) zur Verfügung stehen. Sind Kenntnisse zum Verlauf der Dosis-Wirkungs-Beziehungen und zu NOAEL-Werten im Menschen vorhanden, kann – bei nicht vermeidbarer Exposition – ein Sicherheitsfaktor von nur zehn angesetzt werden. Für Stoffe, bei denen nur wenige Untersuchungen zur subchronischen Toxizität vorliegen und keine Wirkungs-mechanismen abgeleitet sind, genügen Sicherheitsfaktoren von 100 nicht; hier müssen Faktoren von 1.000 oder mehr verwendet werden.

Das hier beschriebene Verfahren zur Ableitung von ADI- oder TDI-Werten (tolerable daily intake) wird seit mehr als 40 Jahren meist für Nahrungsmittelzusatzstoffe und Kontaminantien zur Festlegung von Grenzwerten in Lebensmitteln angewendet. Aus den ADI- oder TDI-Werten können unter Berücksichtigung von Verzehrgewohnheiten höchste zulässige Konzentrationen von Stoffen in Lebensmitteln definiert werden.

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Sollten die Grenzwerte für die Abfallverbrennung aus toxikologischer Sicht gesenkt werden?

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Zur Abschätzung von Gesundheitsrisiken im Bereich der Umwelt und des Arbeits-platzes und zur Prioritätensetzung für gesetzgeberische Maßnahmen wird ein im Prin-zip der Ableitung von ADI-Werten ähnliches Verfahren angewendet. Bei der Ermittlung von margins of safety (MOS) wird die Exposition des Menschen gegenüber einer Chemikalie unter verschiedenen Szenarien bestimmt oder abgeschätzt und die ermittelten Dosen mit dem NOAEL verglichen. Der Unterschied zwischen ermittelter Dosis und NOAEL wird dann als MOS bezeichnet und sollte in den meisten Fällen 100 nicht unterschreiten. Geringere MOS-Werte können unter Berücksichtigung der zu betrachtenden Wirkung annehmbar sein, müssen aber begründet werden.

4 Toxikologisch basierende Grenzwerte für die Abfallverbrennung

Aus den oben ausgeführten Informationen können Grenzwerte für die Emission von Schadstoffen aus Abfallverbrennungsanlagen definiert werden. Während die Bestim-mung der Gefährlichkeit für die meisten der emittierten Verbindungen vergleichsweise einfach ist, da zur Toxikologie dieser Stoffe oft sehr viele Informationen vorliegen, gestaltet sich die Bestimmung der Exposition und besonders des Beitrag der Abfall-verbrennung zur Gesamtexposition vieler dieser meist ubiquitär vorkommenden Stoffe (zum Beispiel Quecksilber, polychlorierte Dioxine) oft schwierig und kann nur basierend auf Modellrechnungen oder näherungsweise bestimmt werden. Fachlich und trans-parent begründete Grenzwerte für Emissionen aus Abfallverbrennungen scheinen jedoch sowohl aus Gründen des allgemeinen Gesundheitsschutzes als auch aus Kosten-Nutzen Überlegungen notwendig.

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Wolfgang Dekant

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B. Bilitewski, A.I. Urban, M. Faulstich (Hrsg.)

14. Fachtagung Thermische Abfallbehandlung

Erfordern strengere Grenzwerte – insbesondere für die Entstickung – neue Rauchgasreinigungsverfahren?

Dr. Christian Brunner

Austrian Energy & Environment GmbH & Co. KG

Raaba/Graz (A)

Schriftenreihe des Fachgebietes Abfalltechnik Universität Kassel

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Christian Brunner

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1 Einführung

Im Zuge der Diskussion um die Klimaerwärmung, einer weltweiten Energiever-knappung mit steigenden Preisen für fossile Energieträger und des immer größer wer-denden Angebots an Abfällen, die in vielen Teilen Europas nun nicht mehr deponiert werden dürfen, steigt die Nachfrage nach Verbrennungstechnologien zur Verwertung von Müll, Ersatzbrennstoffen und Biomasse. Neben der klassischen Rosttechnologie kommen hierbei immer öfter auch Verbrennungsanlagen auf Basis der stationären und der zirkulierenden Wirbelschicht zur Anwendung.

Diese Entwicklungen am Entsorgungs- und Energieerzeugungssektor stellen auch an die Abgasreinigung eine Reihe von neuen Herausforderungen.

Charakteristisch für die Abgasreinigung nach Müll- bzw. Ersatzbrennstoff (EBS)-gefeu-erten Verbrennungsanlagen sind folgende Punkte:

Eine weitestgehende Optimierung des Wirkungsgrads dieser Verbrennungsanlagen wird angestrebt. Dies wird unter anderem durch eine möglichst tiefe Abgastem-peratur beim ECO-Austritt erreicht (160-180 °C).

Im Gegensatz zur Vergangenheit, wo das Hauptaugenmerk auf der Entsorgung von Müll lag, dienen diese Anlagen heutzutage vermehrt auch der Energieerzeugung unter Ausnutzung billiger und verfügbarer Brennstoffe.

Bedingt durch die Zusammensetzung der Flugasche wird im Kessel zumeist schon eine hohe Selbsteinbindung des SO2 in die Asche erreicht, wodurch vor allem bei Wirbelschicht-Feuerungen am Eintritt in die Abgasreinigung nur mehr geringe SO2-Konzentrationen auftreten.

Je nach Art des Brennstoffes und der Art der Feuerung können unterschiedlichste Verhältnisse von SO2 und HCl auftreten. Der Bereich geht von 10:1 (zum Beispiel Klärschlamm) bis zu 1:20 (bei EBS und Rejekten).

HCl-Werte betragen im Durchschnitt üblicherweise 1.000-1.500 mg/m3 (i. N.) im trockenen Abgas, Spitzen bis 2.500-4.000 mg/m3 (i. N., tr.) sind aber keine Seltenheit (aufgrund der Vorbehandlung des Mülls zu EBS, Inhomogenitäten beim Brennstoff und schlechter Vordurchmischung im Brennstoffbunker oder bei der Brennstoffaufgabe in den Kessel).

Die Abgasreinigungsanlagen von Müllverbrennungsanlagen waren ursprünglich von aufwändiger Anlagentechnik mit vielen Verfahrensstufen geprägt. Dabei wurden häufig 2 Nasswäscher inklusive Abwasseranlage mit einem vorgeschalteten Filter (zumeist als Flugströmer ausgeführt) und einer nachgeschalteten SCR (mit allen notwendigen Wärmeverschiebungssystemen) kombiniert. Dies schlug sich natürlich in sehr hohen Investitionskosten, aber auch relativ tiefen Emissionen nieder. Letztere betrugen zumeist nur einen Bruchteil der gesetzlich vorgeschriebenen Werte.

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Erfordern strengere Grenzwerte – insbesondere für die Entstickung – neue Rauchgasreinigungsverfahren?

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Verstärktes Kostenbewusstsein führte in den letzten 10 Jahren zu billigeren und ein-facheren Verfahren, die die gesetzlichen Grenzwerte aber gesichert einhalten können. Diese Optimierung der Investitions- und Betriebskosten brachte einen Aufschwung der Trocken- und Halbtrockenverfahren.

Heute führt eine neue Verschärfung der Genehmigungswerte wieder zu einer Renais-sance mehrstufiger Konzepte, wobei trotzdem Abwasserfreiheit und möglichst einfache Verfahrensstufen unter Kostenoptimierung die Voraussetzung sind.

In diesem Beitrag soll der Frage nachgegangen werden, inwieweit strengere Emis-sionswerte mit bestehenden Abgasreinigungstechnologien eingehalten werden können, oder ob neue Konzepte zur Anwendung kommen müssen.

2 Auswahlkriterien für das optimale Anlagenkonzept

Die Rahmenbedingungen für die Abgasreinigung sind, auch wenn man das vorher-gehende Kapitel betrachtet, so komplex, dass es zunehmend schwerer fällt, ein opti-males Verfahren für eine bestimmte Anwendung zu finden.

In nachfolgender Tabelle werden Schlüsselfragen aufgelistet, die als Entscheidungs-kriterien für oder gegen einzelne Verfahren oder Verfahrensstufen herangezogen werden können.

Tabelle 1: 5 Schlüsselfragen für die Konzeptfindung [Frey 2008]

Ja Nein Hintergrund Abwasserabgabe möglich?

Nasse Verfahren bevorzugt

Trockensorption, Turbosorp® (TS) oder Kombination TS & Wäscher

Nasse Verfahren funktionieren mit Stöchiometrie ~1 und sind demnach (zumeist) wirtschaftlicher.

Dampffahne zulässig? Nasse Verfahren bevorzugt

Trockensorption, Turbosorp® oder tail end–SCR

Je niedriger die Abgastemperatur desto besser ist der Gesamt-wirkungsgrad der Anlage.

< 100 mg/m3 NOx? SCR SNCR Mit SNCR können < 100 mg NOx nicht unter Einhaltung des NH3-Schlupfes erreicht werden.

Abscheideleistung „normal“?

Einfache Verfahren

Kombinierte Verfahren

Für tiefe Emissionswerte und/oder hohe Rohgaskonzentrationen sind mehrstufige Verfahren bevorzugt.

Entsorgungskosten Reststoffe hoch?

Nasse Verfahren

Turbosorp® bevorzugt

Beeinflusst die Wahl des Additivs (Bicarbonat vs. Kalk) und des Verfahrens (Nassverfahren ergeben weniger Reststoffe).

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Christian Brunner

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Anhand dieser Tabelle erkennt man, dass die einzuhaltenden Grenzwerte die Verfahrensauswahl natürlich maßgeblich beeinflussen. Im Kapitel 4 werden dann unterschiedliche Konzepte vorgestellt und die Vor- und Nachteile diskutiert.

3 Stand der Technik bei der Rauchgasentstickung

Im Folgenden werden die heute bewährten Verfahren zur Entstickung diskutiert, sowie auf die üblichen NOx-Konzentrationen in den Rauchgasen aus unterschiedlichen Verbrennungsanlagen eingegangen.

3.1 SNCR-Verfahren (Selective Non Catalytic Reduction)

Das SNCR-Verfahren basiert auf der Reaktion von Ammoniak mit Stickoxiden bei hohen Temperaturen, ohne die Mitwirkung eines Katalysators.

3.1.1 Grundlagen

Sowohl Ammoniak als auch Harnstoff setzen sich bei Temperaturen von 800-1.100 °C mit den Stickoxiden der Verbrennungsgase in einer radikalischen Reaktion gemäß den vereinfacht dargestellten Gleichungen (1 und 2) zu Stickstoff und Wasserdampf um [Dittrich 2005].

4 NO + 4 NH3 + O2 → 4 N2 + 6 H2O Formel 1

4 NO + 2 NH2CONH2 + O2 → 4 N2 + 4 H2O + 2 CO2 Formel 2

Die Bildung von sogenannten NH2*-Radikalen, die bei Ammoniak durch die Reaktion

mit Sauerstoff oder OH*-Radikalen entstehen bzw. bei Harnstoff durch seinen thermi-schen Zerfall gebildet werden, stellt die eigentliche Startreaktion (Gleichungen 3 bis 5) dar.

4 NH3 + 2 O2 → 4 NH2* + 4 OH* Formel 3

NH3 + OH* → NH2* + H2O Formel 4

NH2CONH2 → 2 NH2* + CO Formel 5

In den Nachfolgereaktionen setzen sich dann diese NH2*-Radikale bevorzugt mit den

Stickoxidmolekülen um (Gleichung 6).

NH2* + NO → N2 + H2O Formel 6

Voraussetzung für die hohe Selektivität der SNCR-Entstickung ist die Einhaltung des genannten Temperaturbereichs. Bei Ammoniak liegt das Optimum zwischen 950 und 1.050 °C, bei Harnstoff in vergleichbarer Konzentration sind erfahrungsgemäß die Temperaturen um 50 bis 100 K niedriger.

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Erfordern strengere Grenzwerte – insbesondere für die Entstickung – neue Rauchgasreinigungsverfahren?

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Bei höheren Temperaturen macht sich zunehmend die Eigenoxidation bemerkbar, das heißt die NH2

*-Radikale werden zu Stickstoff und Wasserdampf umgesetzt. Mit fallen-der Temperatur nimmt die NH2

*-Radikalbildung ab, was zu einem steigenden Reduk-tionsmittelschlupf führt (Abb. 1).

SNCR - Temperaturfenster

0

20

40

60

80

100

650 750 850 950 1050 1150 1250

Temperatur [°C]

NH

3 - R

eakt

ion

in %

NH3 - Oxidation

NO - Reduktion

NH3 - Schlupf NO - Bildung

Abbildung 1: SNCR-Abhängigkeit des NH3-Schlupfs von der Temperatur [Dittrich 2005]

Als wesentliches Gütekriterium für eine optimale Entstickung ist neben der Eindüsung im optimalen Temperaturfenster der Grad der Homogenisierung des eingesetzten Reduktionsmittels mit den Verbrennungsgasen anzusehen, das heißt die angewandte Eindüstechnik entscheidet letztendlich über den erreichbaren Wirkungsgrad der Ent-stickung sowie über die Menge des nicht abreagierten Reduktionsmittels, den Schlupf.

Aus Abbildung 1 wird deutlich, dass je höher der angestrebte Entstickungsgrad und je niedriger der zulässige NH3-Schlupf angesetzt werden, desto kleiner wird das Temperaturfenster für die SNCR-Entstickung. In extremen Fällen scheidet sogar diese Technik aus und es muss ein anderes Verfahren (SCR) gewählt werden.

3.1.2 Anlagentechnik der SNCR

Aus dem soeben Dargestellten ergibt sich die Notwendigkeit, dass je nach Last der Feuerung oder des Kessels das Additiv in unterschiedliche Bereiche des Kessels eingedüst werden muss (da der Temperaturverlauf lastabhängig ist). Die klassische Eindüstechnik sieht dafür unterschiedliche Eindüsebenen vor, die je nach Last gewählt werden (Abb. 2).

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Christian Brunner

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Abbildung 2: Klassische Eindüstechnik beim SNCR-Verfahren

In einem modernen Eindüskonzept werden bewegliche Eindüslanzen vorgesehen, die je nach Last des Kessels geschwenkt werden können (Abb. 3).

Abbildung 3: Moderne Eindüstechnik beim SNCR-Verfahren

Trägermedium

Reduktionsmittel

Klassische Eindüstechnik

Trägermedium

Moderne Eindüstechnik

Reduktionsmittel

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Erfordern strengere Grenzwerte – insbesondere für die Entstickung – neue Rauchgasreinigungsverfahren?

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3.2 SCR-Verfahren (Selective Catalytic Reduction)

Bei der SCR-Technologie wird ein Katalysator zur Abscheidung des NOx bei tieferen Temperaturen ausgenutzt.

3.2.1 Reaktionsmechanismen des SCR-Verfahrens

In der Katalysatorbox findet eine Adsorption des NH3 an den Oberflächen des Katalysators statt und folgende Reaktionen gewährleisten eine ausreichende Reduktion des NOx:

Abbildung 4: Prinzip der Stickoxid-Reduktion am Katalysator

NO2 + NO + 2 NH3 (+ Katalysator bei 160-450 °C) = 2 N2 + 3 H2O (7)

4 NO + 4 NH3 + O2 (+ Katalysator bei 160-450 °C) = 4 N2 + 6 H2O (8)

2 NO2 + 4 NH3 + O2 (+ Katalysator bei 160-450 °C) = 3 N2 + 6 H2O (9)

Als Nebenreaktion findet in einem geringen Ausmaß auch die Oxidation von SO2 zu SO3 statt:

2 SO2 + O2 (+ Katalysator, Temperatur) = 2 SO3 (10)

Dieses SO3 ist für die Bildung von Ammoniumbisulfat verantwortlich, welches je nach der vorliegenden Temperatur an Oberflächen kondensieren und auch zu einer langsamen Inaktivierung des Katalysators durch Verschmutzung führen kann. Daher ist eine ausreichend hohe Betriebstemperatur der SCR unumgänglich.

NH3 + SO3 + H2O = (NH4)HSO4 (11)

NH3

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Christian Brunner

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Als gebräuchlichstes Reduktionsmittel hat sich Ammoniak in wässriger Lösung in der handelsüblichen Konzentration durchgesetzt. Dieses kann direkt in das Rauchgas eingedüst oder vorher verdampft und über ein Eindüsgitter eingebracht werden.

NOx-Abscheidegrade über 95 % und NH3-Schlupfwerte kleiner 5 mg/m³ (i. N., tr.) sind für dieses Verfahren einfach und verlässlich einhaltbar. Falls erforderlich und in der Rauchgasreinigung noch nicht abgeschieden werden Dioxine und Furane ebenfalls am Katalysator abgeschieden.

3.2.2 Anlagenschaltung der SCR

Die Schaltung der SCR-Anlage erfolgt bevorzugt nach der Rauchgasreinigung (Trocken- oder Nassverfahren). Dies hat den Vorteil, dass die Standzeit für Katalysatoren in einem vernünftigen Rahmen bleibt und entsprechende Performance Garantien (NOx- und NH3-Emissionswerte nach zum Beispiel 16.000 Betriebsstunden) gegeben werden können.

In der Schaltung direkt nach Kessel (Rohgasschaltung, high-dust oder low-dust) sind folgende Probleme zu erwarten:

Mitriss von Feingut aus der Feuerung – zum Beispiel Papierschnitzel – kann zu Verstopfung führen, wenn man keine geeignete Maßnahme dagegen trifft.

Hohe Gehalte an Schwermetallen – zum Beispiel Blei – führen zu schneller Katalysator-Deaktivierung (Vergiftung!). Hier hilft nur ein Katalysatortausch!

Abbildung 5: Prinzip des SCR-Verfahrens (Kohlekessel, Reingas-Schaltung, tail-end)

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Erfordern strengere Grenzwerte – insbesondere für die Entstickung – neue Rauchgasreinigungsverfahren?

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Entscheidend für die Mindest-Betriebstemperatur der SCR-Anlage ist der SO2-Gehalt im Rauchgas (Abb. 6).

Max. SO2 Concentration in Fluegas vs. Operation Temperature

170180190200210220230240250260270280290300

0 40 80 120 160 200 240 280 320 360 400

SO2 Concentration [mg/m3, dry, actual O2]

Tem

pera

ture

[°C

]

Abbildung 6: Mindesttemperatur der SCR in Abhängigkeit vom SO2-Gehalt

Wie in obigem Diagramm ersichtlich, ist meist eine Wiederaufheizung des Rauchgases erforderlich, damit es nicht zur Kondensation von Ammoniumsalzen am Katalysator kommt (Gleichung 11). Dies hätte eine Abminderung der Katalysator-Aktivität zur Folge (Verschließen der Poren).

Vorteilhaft ist die trockene Rauchgasreinigung (Kalkanwendung), da das Rauchgas nicht gesättigt und Rauchgastemperaturen von 130-160 °C vorhanden sind. Mittels einfachen Dampf-Wärmetauschern kann das Rauchgas wieder auf SCR-Betriebs-temperatur gebracht werden. Zur Erhöhung des Gesamtanlagen-Wirkungsgrades kann ein Gas/Gas-Wärmetauscher eingesetzt werden (Wirtschaftlichkeits-Betrachtung!).

Für die trockene Rauchgasreinigung (Bicarbonat-Anwendung) ist bei Betriebstem-peraturen von 180-200 °C entweder keine Wiederaufwärmung oder nur ein einfacher Dampf-Wärmetauscher erforderlich. Ein Gas/Gas-Wärmetauscher ist nicht notwendig.

Eine Möglichkeit der Verschaltung ist die so genannte Tieftemperatur-SCR, die bewusst bei Temperaturen (etwa 180-200 °C) betrieben wird, bei der es zu einer lang-samen Deaktivierung des Katalysators durch Ammoniumbisulfatbildung kommt [Frey 2009]. In bestimmten Zyklen (zum Beispiel alle 1.000 Betriebsstunden) wird hier der Katalysator mittels eines geeignet dimensionierten Gasbrenners für einige Stunden (beispielsweise 6 h) auf rund 320 °C aufgeheizt und dabei durch die thermische

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Christian Brunner

134

Zersetzung des Ammoniumbisulfats regeneriert. Danach wird der Katalysator bei voller Anfangsaktivität wieder ohne Aufheizung des Rauchgases weiterbetrieben.

Die höheren Investkosten für den Gasbrenner und für das etwas größere Katalysator-volumen werden durch die geringeren Betriebskosten (Gasverbrauch bei der Regene-ration kann bei der Gesamtbetrachtung vernachlässigt werden) deutlich kompensiert.

Für die nasse Rauchgasreinigung (Rauchgassättigung im Wäscher) ist bei Betriebs-temperaturen von 55 bis 65 °C jedenfalls eine Wiederaufwärmung erforderlich. Um den Wirkungsgrad der Gesamtanlage nicht zu weit einzuschränken ist auf jeden Fall ein Gas/Gas-Wärmetauscher erforderlich. Dies erhöht natürlich die Investitionssumme für die SCR-Anlage.

3.3 NOx-Werte unterschiedlicher Verbrennungstechnologien

3.3.1 Rostfeuerung

Bei Müllverbrennungsanlagen mit Rostfeuerung liegen die Stickoxidemissionen bezo-gen auf 11 Vol.-% Sauerstoff typischerweise bei 350 bis 450 mg/m³ (i.N., tr.). Diese Werte können mit spezieller Luftführung und Rauchgasrezirkulation noch reduziert werden.

In der SNCR-Anlage wird bei noch vertretbarem NH3-Schlupf mit einem NOx-Abschei-degrad von bis zu 60 % gerechnet. Dies bedeutet, dass eine NOx-Konzentration im Rauchgas nach SNCR-Anlage von 150 bis 200 mg/m³ (i. N., tr.) garantierbar ist. Tiefere NOx-Konzentrationen sind nur mittels optimaler Strömungs- und Temperaturverteilung im Kessel möglich, eine Garantie darauf birgt für den Anlagenbauer ein meist zu großes Risiko.

3.3.2 Zirkulierende Wirbelschichtverbrennung

Bei der Biomasse- oder Müllverbrennung in der zirkulierenden Wirbelschicht ist je nach Brennstoff eine NOx-Konzentration im Rauchgas nach einer SNCR-Anlage von maximal 100 bis 150 mg/m³ (i. N., tr.) zu erwarten. Nach Optimierung der Verbrennung sowie der SNCR-Anlage sind 100 mg/m³ (i. N., tr.) einhaltbar und auch zu garantieren.

3.3.3 Stationäre Wirbelschichtverbrennung

Bei Biomasse- oder Müllverbrennungsanlagen auf Basis der stationären Wirbelschicht ist je nach Brennstoff eine NOx-Konzentration im Rauchgas nach der SNCR-Anlage von maximal 150 bis 200 mg/m³ (i. N., tr.) garantierbar.

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Erfordern strengere Grenzwerte – insbesondere für die Entstickung – neue Rauchgasreinigungsverfahren?

135

4 Bewährte und neue Konzepte der Abgasreinigung

Wie aus der Tabelle 1 ersichtlich wird, können je nach Rahmenbedingungen des jewei-ligen Projektes unterschiedlichste Konzepte ein Optimum darstellen. Einige dieser Konzepte werden anhand von ausgeführten Anlagen vorgestellt.

4.1 Mehrstufige Abgasreinigung mit Filter, Nasswäsche und Abwasser

Dieses klassische Konzept wurde vielfach umgesetzt. Der Hauptvorteil dieser bewähr-ten Verschaltung liegt in den sehr tiefen Emissionswerten und geringem Reststoffanfall. Die Investitionskosten sind hier jedoch vergleichsweise hoch. Außerdem fällt Abwasser an, welches in einer eigenen Abwasserbehandlungsanlage gereinigt werden muss, bevor die Ableitung in ein geeignetes Gewässer erfolgen kann.

120°CGewebefilterWT I

(Gas/Gas) 145°C180°C 180°C

Kamin

Abwasser

CaO, H2O

WT II

(Gas/Gas)

SCR

WT III

(Dampf/Gas)Dampf

245°C

220°C

NH4OH

2 Wäscher Abwasseranlage

Reststoff Rezirkulation

Kalkhydrat +

A-Koks

120°C 60°C

Gips

Reststoff

120°CGewebefilterWT I

(Gas/Gas) 145°C180°C 180°C

Kamin

Abwasser

CaO, H2O

WT II

(Gas/Gas)

SCR

WT III

(Dampf/Gas)Dampf

245°C

220°C

NH4OH

2 Wäscher Abwasseranlage

Reststoff Rezirkulation

Kalkhydrat +

A-Koks

120°C 60°C

Gips

Reststoff

Abbildung 7: Mehrstufige Abgasreinigungsanlage mit Gewebefilter, 2stufiger Nasswäsche und SCR (Abgasreinigung Niklasdorf/Österreich)

Beispiele dieses Konzepts sind:

MVA Spittelau (1989) Rotterdam (1992) MVA Wels (1995) Ostrava (1999) TRV Niklasdorf (2003) MVA Pfaffenau (2008)

Im Folgenden werden die wichtigsten Roh- und Reingaskonzentrationen der TRV Niklasdorf/Österreich aufgelistet. Diese Anlage ist hinter einer stationären Wirbel-schichtfeuerung ECOFLUID® für 12,7 Mg/h Brennstoffdurchsatz (Grobfraktion aus einer mechanisch-biologischen Aufbereitung, Gewerbemüll, Klärschlamm) angeordnet. Die nominale Rauchgasmenge beträgt 87.000 m³/h (i. N., feucht).

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Christian Brunner

136

Tabelle 2: Roh- und Reingaskonzentrationen der TRV Niklasdorf/Österreich

Rohgaskonzentrationen am Eintritt in die RRA (Basis Design-Brennstoff)

Reingaskonzentrationen am Kamin (Genehmigungswerte)

[mg/m³ i. N. tr.] [mg/m³ i. N. tr., 11%O2]

SO2 1.050 20

HCl 2.100 5

Staub 10.000 7

NOx 600 70

4.2 Turbosorp®-Verfahren - Rauchgasreinigung in der zirkulierenden WS

Beim Turbosorp®-Verfahren handelt es sich um ein (halb)trockenes Rauchgasreini-gungsverfahren, bei dem die effektiven chemisch-physikalischen Stoff- und Wärme-übergänge einer zirkulierenden Wirbelschicht (WS) zur Schadstoffentfernung ausge-nutzt werden. Dabei werden schädliche saure Komponenten, Schwermetalle, Dioxine und Furane, sowie Staub weitgehend und sehr wirtschaftlich abgeschieden.

Die entscheidenden Vorteile dieses Verfahrens sind

niedrige Investitionskosten, hohe Verfügbarkeit, kein Abwasser, sehr hohe Abscheideraten für saure Schadstoffe (SO2, SO3, HCl, HF), Schwermetalle

inkl. Hg, Staub, sowie Dioxine/Furane in einem Verfahrensschritt, kompakte Bauweise und geringer Platzbedarf, geringe Betriebskosten und geringe Wartungskosten.

Nachteilig sind

vergleichsweise hohe Reststoffmengen (durch Verwendung von Kalkhydrat und notwendigen überstöchiometrischen Einsatz desselben),

die Limitierung des HCl-Emissionswertes (Garantiewert) bei etwa 10 mg/m3 (i. N., tr.) und

bei nachgeschalteter SCR ist eine Wiederaufwärmung notwendig.

Im WS-Reaktor werden die Sorbentien (Kalkhydrat, Aktivkohle, rückgeführtes Produkt) mit dem Rauchgas in turbulenten Kontakt gebracht. Zusätzlich wird Wasser eingedüst, um die Reaktivität des basischen Sorbens gegenüber den sauren Schadgasen zu erhöhen. Als Reststoff fällt ein trockenes Produkt an.

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Erfordern strengere Grenzwerte – insbesondere für die Entstickung – neue Rauchgasreinigungsverfahren?

137

Wirbelschicht mit intensivem Kontaktzwischen festen Sorbentien und Rauchgas

Wassereindüsung zurReaktivierung des Sorbens

Strömungstechnischoptimierter Venturi-Eintritt in den Reaktor Feststoff - Rezirkulation

Wirbelschicht mit intensivem Kontaktzwischen festen Sorbentien und Rauchgas

Wassereindüsung zurReaktivierung des Sorbens

Strömungstechnischoptimierter Venturi-Eintritt in den Reaktor Feststoff - Rezirkulation

Abbildung 8: Prinzip des Turbosorp®-Verfahrens

145°CTurboreaktor Gewebefilter180°C 145°CKamin

Reststoff Rezirkulation

/ Austrag

Feuerung

(SNCR)

NH4OH

A-Koks

Trocken-

löscher

CaO

H2O

145°CTurboreaktor Gewebefilter180°C 145°CKamin

Reststoff Rezirkulation

/ Austrag

Feuerung

(SNCR)

NH4OH

A-Koks

Trocken-

löscher

CaO

H2O

Abbildung 9: Blockfließbild des Turbosorp®-Verfahrens der RRA Witzenhausen

Beispiele für dieses Verfahrenskonzept:

Arnoldstein Müll-Rostfeuerung mit TS + Aktivkoksfilter + SCR (2004) Eferding Klärschlamm-Zyklonofen mit SNCR + TS (2005) Ludwigslust VRI-Rostfeuerung für Müll mit SNCR + TS (2005) Zorbau 2x VRI- Rostfeuerung für Müll mit SNCR + TS (2005) Wuxi 3x Müll + Kohle-WS-Feuerung mit SNCR + TS (2005) Moerdijk AE&E Ecofluid® WS für Hühnermist mit TS + SCR (2008) Witzenhausen AE&E Powerfluid® WS für EBS mit SNCR + TS (2008) Glückstadt AE&E Powerfluid® WS für EBS mit SNCR + TS (2009)

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Christian Brunner

138

In den folgenden Darstellungen sind die Roh- und Reingaskonzentrationen von HCl und SO2 der Turbosorp-Anlage Zorbau zu sehen [Frey 2007]. Man erkennt deutlich, dass der Grenzwert für SO2 von 50 mg/m3 (i. N., tr.) leicht eingehalten oder deutlich unterschritten werden kann. Bei HCl sieht die Situation aber etwas anders aus: der Grenzwert von 10 mg/m3 (i. N., tr.) wird genau unter Minimierung des Sorbens-verbrauchs geregelt.

Tagesmittelwerte AVS Zorbau: HCl

1

10

100

1000

10000

02. 9

. 06

09. 9

. 06

16. 9

. 06

23. 9

. 06

30. 9

. 06

07. 1

0. 06

14. 1

0. 06

21. 1

0. 06

28. 1

0. 06

04. 1

1. 06

11. 1

1. 06

18. 1

1. 06

25. 1

1. 06

02. 1

2. 06

09. 1

2. 06

16. 1

2. 06

Kon

zent

ratio

n H

Cl m

g/m

3 N

1CFB30CQ001 Konz HCl RohG mg/m³1CFB20CQ003 Konz HCl EmiRech mg/m³2CFB30CQ001 Konz HCl RohG mg/m³2CFB20CQ003 Konz HCl EmiRech mg/m³

Mittelwert Rohgas:L1 : 2234 mg/m3

N HClL2 : 2138 mg/m3

N HCl

Tagesmittelwerte AVS Zorbau: HCl

1

10

100

1000

10000

02. 9

. 06

09. 9

. 06

16. 9

. 06

23. 9

. 06

30. 9

. 06

07. 1

0. 06

14. 1

0. 06

21. 1

0. 06

28. 1

0. 06

04. 1

1. 06

11. 1

1. 06

18. 1

1. 06

25. 1

1. 06

02. 1

2. 06

09. 1

2. 06

16. 1

2. 06

Kon

zent

ratio

n H

Cl m

g/m

3 N

1CFB30CQ001 Konz HCl RohG mg/m³1CFB20CQ003 Konz HCl EmiRech mg/m³2CFB30CQ001 Konz HCl RohG mg/m³2CFB20CQ003 Konz HCl EmiRech mg/m³

Mittelwert Rohgas:L1 : 2234 mg/m3

N HClL2 : 2138 mg/m3

N HCl

Abbildung 10: HCl-Werte der 2 Turbosorp®-Linien der RRA Zorbau [Frey 2007]

Tagesmittelwerte AVS Zorbau: SO2

0.1

1

10

100

1000

10000

02. 9

. 06

09. 9

. 06

16. 9

. 06

23. 9

. 06

30. 9

. 06

07. 1

0. 06

14. 1

0. 06

21. 1

0. 06

28. 1

0. 06

04. 1

1. 06

11. 1

1. 06

18. 1

1. 06

25. 1

1. 06

02. 1

2. 06

09. 1

2. 06

16. 1

2. 06

Kon

zent

ratio

n SO

2m

g/m3 N

1CFB30CQ002 Konz SO2 RohG mg/m³1CFB20CQ004 Konz SO2 EmiRech mg/m³2CFB30CQ002 Konz SO2 RohG mg/m³2CFB20CQ004 Konz SO2 EmiRech mg/m³

Mittelwert Rohgas:L1 : 533 mg/m3

N SO2

L2 : 593 mg/m3N SO2

Tagesmittelwerte AVS Zorbau: SO2

0.1

1

10

100

1000

10000

02. 9

. 06

09. 9

. 06

16. 9

. 06

23. 9

. 06

30. 9

. 06

07. 1

0. 06

14. 1

0. 06

21. 1

0. 06

28. 1

0. 06

04. 1

1. 06

11. 1

1. 06

18. 1

1. 06

25. 1

1. 06

02. 1

2. 06

09. 1

2. 06

16. 1

2. 06

Kon

zent

ratio

n SO

2m

g/m3 N

1CFB30CQ002 Konz SO2 RohG mg/m³1CFB20CQ004 Konz SO2 EmiRech mg/m³2CFB30CQ002 Konz SO2 RohG mg/m³2CFB20CQ004 Konz SO2 EmiRech mg/m³

Mittelwert Rohgas:L1 : 533 mg/m3

N SO2

L2 : 593 mg/m3N SO2

Abbildung 11: SO2-Werte der 2 Turbosorp®-Linien der RRA Zorbau [Frey 2007]

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Erfordern strengere Grenzwerte – insbesondere für die Entstickung – neue Rauchgasreinigungsverfahren?

139

4.3 Kombination trockene Abgasreinigung mit Wäscher ohne Abwasser

Bei diesem Verfahrenskonzept werden Nasswäsche und Turbosorp® bzw. Sprüh-trockner-Systeme (Rotations- oder Lanzenzerstäuber) kombiniert, um die Abwasser-freiheit zu erzielen. Sorbentien sind Kalkprodukte (Ca(OH)2, CaO), Natronlauge, Aktiv-koks und Ammoniakwasser. Die Rückstände bestehen aus Trockenprodukt.

Abbildung 12: Blockfließbild der RRA Breisgau

Beispiele für dieses Verfahrensprinzip sind:

EGM Mainz (SNCR, Sprühabsorber+Gewebefilter, 2 Wäscher) (2003) Alkmaar (E-Filter, SCR, ECO, Sprühabsorber+E-Filter, 1 Wäscher) (2004) TREA Breisgau (E-Filter, SCR, ECO, Turbosorp®+Gewebefilter, 1 Wäscher) (2005) Trondheim Energi (SNCR, Turbosorp®+Gewebefilter, 1 Wäscher) (2007)

Am Beispiel der Roh- und Reingaswerte von HCl und SO2 der RRA Breisgau erkennt man den prinzipiellen Unterschied zur reinen Turbosorp®-Stufe: hier wird in der Turbo-sorption der HCl-Wert auf etwa 30 bis 50 mg/m3 (i. N., tr.) eingestellt. Im nachgeschalteten Wäscher erfolgt dann die Abscheidung auf Werte < 1 mg/m3 (i.N., tr.) [Frey 2007].

145°C

Turboreaktorbzw.

SprühtrocknerGewebefilter 50 – 60°C190°C

Ca(OH)2

145°C

Kamin

Reststoff - Rezirkulation

H2O

WäscherFeuerung

(SNCR)

NH4OHA-Koks

Reststoff

145°C

Turboreaktorbzw.

SprühtrocknerGewebefilter 50 – 60°C190°C

Ca(OH)2

145°C

Kamin

Reststoff - Rezirkulation

H2O

WäscherFeuerung

(SNCR)

NH4OHA-Koks

Reststoff

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Christian Brunner

140

Abbildung 13: Blockschaltbild der RRA Breisgau

Abbildung 14: HCl-Werte der Turbosorp®+Wäscher-Linie der TREA Breisgau [Frey 2007]

E-Filter

Katalysator(externer Eco) Turbosorp® Wäscher

Von Roll – Rostfeuerung

Durchsatz: 25 t/h

Dampferzeuger

E-Filter

Katalysator(externer Eco) Turbosorp® Wäscher

Von Roll – Rostfeuerung

Durchsatz: 25 t/h

Dampferzeuger

Tagesmittelwerte Breisgau: HCl

0.1

1

10

100

1000

10000

09. 1

1. 06

16. 1

1. 06

23. 1

1. 06

30. 1

1. 06

07. 1

2. 06

14. 1

2. 06

21. 1

2. 06

Kon

zent

ratio

n H

Cl m

g/m

3 N

1CFA10CQ001 Rohgasmessung HCl mg/m³N

1HNA60CQ002 HCl-Messung vor Wäscher mg/m³N

1CFB20CQ003 HCl Emi-Rechner mg/m³N

Mittelwerte HCl:vor TS: 1742 mg/m3

N

nach TS: 32 mg/m3N

Kamin: 0,15 mg/m3N

Tagesmittelwerte Breisgau: HCl

0.1

1

10

100

1000

10000

09. 1

1. 06

16. 1

1. 06

23. 1

1. 06

30. 1

1. 06

07. 1

2. 06

14. 1

2. 06

21. 1

2. 06

Kon

zent

ratio

n H

Cl m

g/m

3 N

1CFA10CQ001 Rohgasmessung HCl mg/m³N

1HNA60CQ002 HCl-Messung vor Wäscher mg/m³N

1CFB20CQ003 HCl Emi-Rechner mg/m³N

Mittelwerte HCl:vor TS: 1742 mg/m3

N

nach TS: 32 mg/m3N

Kamin: 0,15 mg/m3N

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Erfordern strengere Grenzwerte – insbesondere für die Entstickung – neue Rauchgasreinigungsverfahren?

141

Tagesmittelwerte Breisgau: SO2

0.1

1

10

100

1000

09. 1

1. 06

16. 1

1. 06

23. 1

1. 06

30. 1

1. 06

07. 1

2. 06

14. 1

2. 06

21. 1

2. 06

Kon

zent

ratio

n SO

2m

g/m

3 N

1CFA10CQ002 Rohgasmessung SO2 mg/m³N

aus NaOH berechnet SO2 Zwischengas mg/m3N

1CFB20CQ004 IN: SO2-Emi-Rechn. mg/m³N

Mittelwerte SO2:vor TS: 317 mg/m3

N

nach TS: 46 mg/m3N

Kamin: 0,8 mg/m3N

Tagesmittelwerte Breisgau: SO2

0.1

1

10

100

1000

09. 1

1. 06

16. 1

1. 06

23. 1

1. 06

30. 1

1. 06

07. 1

2. 06

14. 1

2. 06

21. 1

2. 06

Kon

zent

ratio

n SO

2m

g/m

3 N

1CFA10CQ002 Rohgasmessung SO2 mg/m³N

aus NaOH berechnet SO2 Zwischengas mg/m3N

1CFB20CQ004 IN: SO2-Emi-Rechn. mg/m³N

Mittelwerte SO2:vor TS: 317 mg/m3

N

nach TS: 46 mg/m3N

Kamin: 0,8 mg/m3N

Abbildung 15: SO2-Werte der Turbosorp®+Wäscher-Linie der TREA Breisgau [Frey 2007]

Trotz dieser äußerst tiefen HCl-Reingaswerte kann merklich Sorbens eingespart wer-den (siehe Abbildung 16). Hier wurde die Betriebsweise mit ca. 10 mg/m3 (i. N., tr.) HCl nach der Turbosorp®-Stufe auf 40 mg/m3 (i. N., tr.) verändert und dabei eine 15 %ige Einsparung an Kalkhydrat erzielt. Ein Teil dieser Einsparung wird natürlich durch das Sorbens für die Nassstufe kompensiert.

Tagesmittelwerte Breisgau: HCl

0.1

1

10

100

1000

10000

02. 9

. 06

09. 9

. 06

16. 9

. 06

23. 9

. 06

30. 9

. 06

07. 1

0. 06

14. 1

0. 06

21. 1

0. 06

28. 1

0. 06

04. 1

1. 06

11. 1

1. 06

18. 1

1. 06

25. 1

1. 06

02. 1

2. 06

09. 1

2. 06

16. 1

2. 06

Kon

zent

ratio

n H

Cl m

g/m

3 N

0

50

100

150

200

250

300

350

400

Kal

khyd

ratv

erbr

auch

kg/

h

1CFA10CQ001RohgasmessungHCL [mg/m³N tr.]

1HNA60CQ002HCl-Messungvor Wäscher[mg/m³N tr.]

1CFB20CQ003HCl Emi-Rechner[mg/m³N tr.]

1HTJ20AF001FördermengeKalkhydrat [kg/h]

Mittlerer Kalkhydrat-verbrauch in kg/h:2.9. - 14.10.: 27313.11.-21.12.: 233

=> - 15% !

Abbildung 16: HCl-Werte + Kalkeinsparung der Turbosorp®+Wäscher-Linie der TREA Breisgau

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Christian Brunner

142

Aber nicht nur die sauren Schadstoffe HCl und SO2 werden bei einem zweistufigen Konzept sehr effektiv abgeschieden. Wie die folgende Abbildung zeigt, gilt dies für alle gemessenen Komponenten. Ausgenommen CO, NOx und NH3 konnten hier durchwegs Werte < 50 % der gesetzlichen Werte garantiert werden. Diese Garantiewerte wurden wiederum deutlich unterschritten, so dass schließlich die meisten Werte bei < 15 % der gesetzlichen Vorgaben lagen.

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

100%

Staub

COTOC

NOxNH3

HClHF

SO2 HgCd+

TlSM

PCDD/F

Gar

antie

- res

p. M

essw

ert b

ezog

en a

uf g

eset

zlic

hen

Gre

nzw

ert

GarantieMesswert

Abbildung 17: Vergleich der gemessenen und garantierten Emissionen der Turbosorp®+Wäscher-Linie der RRA Trondheim

4.4 Trockene Abgasreinigung mit Natriumbicarbonat

Bei diesem Verfahren wird fein aufgemahlenes Natriumbicarbonat in einen Bicar-Reaktor oder in ein Turbosorp®-System eingedüst. Durch thermische Abspaltung von CO2 und Wasser kommt es zur zwischenzeitlichen Bildung von sehr reaktivem Natriumcarbonat und schließlich zu einer sehr effektiven Abscheidung von SO2, SO3 und HCl bei niedriger Stöchiometrie. Sorbentien sind Natriumbicarbonat, Aktivkoks und Ammoniakwasser; Rückstände bestehen aus Trockenprodukt.

Wie schon im Kapitel 3 ausgeführt, liegt ein besonderer wirtschaftlicher Vorteil in der Kombination der Trockensorption mit einer Tieftemperatur-DeNOx (SCR auf der Rein-gasseite; ohne Gas/Gas-Wärmetauscher; periodisches Regenerieren des Katalysators mittels Gasbrenner).

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Erfordern strengere Grenzwerte – insbesondere für die Entstickung – neue Rauchgasreinigungsverfahren?

143

Beispiele für dieses Verfahrensprinzip sind:

UIOM Pithiviers (2005) Issy-les-Moulineaux (2008) Pratt Industries (2009) MVA Zistersdorf (2009)

180°CE-Filter SCRBicar-Reactor Gewebefilter 180°C

(320°C) *

190°C

NaHCO3

A-Koks

185°C

Kamin

Rezirkulation

Gas (Regenerations-

Brenner)

NH4OH

Asche Reaktionsprodukt

* Periodische thermische

Regeneration

180°CE-Filter SCRBicar-Reactor Gewebefilter 180°C

(320°C) *

190°C

NaHCO3

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185°C

Kamin

Rezirkulation

Gas (Regenerations-

Brenner)

NH4OH

Asche Reaktionsprodukt

* Periodische thermische

Regeneration

Abbildung 18: Blockfließbild der RRA Issy-les-Moulineaux/Frankreich

E-Filter Bicarbonat-Eindüsung / Gewebefilter

KatalysatorE-Filter Bicarbonat-Eindüsung / Gewebefilter

Katalysator

Abbildung 19: RRA Issy-les-Moulineaux/Frankreich

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Christian Brunner

144

In Tabelle 3 sind die außerordentlich guten Emissionswerte der RRA Issy-les-Moulineaux (direkt im Stadtgebiet von Paris an der Seine gelegen) aufgelistet.

Tabelle 3: Abnahmemessungen (14.05.2008) der RRA Issy-les-Moulineaux in Paris/Frankreich

Valeurs garanties

Valeurs mesurées

Respect des valeurs garanties

Paramétres

[mg/m³ (i. N.)]

Poussiéres totales 5 0,6 Oui

Monoxyde de carbone (CO) 30 7,0 Oui

Substances organiques exprimées en COVT 5 1,1 Oui

Chlorures d’hydrogéne (HCl) 8 3,89 Oui

Dioxyde de soufre (SO2) 10 4,2 Oui

Fluorure d’hydrogéne (HF) 0,5 0,14 Oui

Oxydes d’azote (Nox) exprimés en NO2 40 12,0 Oui

Ammoniac (NH3) 10 0,38 Oui

Cadmium et Thallium (Cd+Tl) 0,05 0,01 Oui

Mercure (Hg) 0,03 0,00 Oui

Autres métaux lourds (Sb+As+Pb+Cr+Co+Cu+Mn+Ni+V) 0,4 0,08 Oui

(As+Cd+Cr+Co+Benzo(a)pyren) 1) 0,05 0,03 Oui

Dioxines et furannes 0,05 2) 0,0006 2) Oui

1) Le Benzo(a)pyren est non détecter, la limite de quantification est de 0,14 μg/m3 (i.N.) 2) in ng/m3 (i.N.)

5 Zusammenfassung

Wie man aus den Ausführungen in den vorangegangenen Kapiteln erkennt, gibt es viele Möglichkeiten, Schadstoffe in Abgasen von mit Müll, EBS und mit Biomasse gefeuerten Verbrennungsanlagen sehr effektiv abzuscheiden. Apparatetechnisch sehr einfache Trocken- oder Halbtrockenverfahren sind einstufig in der Lage, alle sauren Schadstoffe mit Ausnahme von HCl, sowie Schwermetalle, Staub, Dioxine und Furane weit unter die derzeit gültigen Grenzwerte abzuscheiden. Bei einer Reduzierung des HCl-Grenzwertes auf < 5 mg/m3 (i. N., tr.) oder bei sehr hohen Eingangskonzentra-tionen sind mehrstufige Verfahren in Betracht zu ziehen (siehe auch [Karpf 2008]).

Bezüglich der Abscheidung von NOx kommen bei dem derzeit in Deutschland gültigen Grenzwert von 200 mg/m3 (i. N., tr.) sowohl das SNCR- als auch das SCR-Verfahren zur Anwendung. Eine Verschärfung dieses Grenzwertes auf < 100 mg/m3 (i. N., tr.)

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Erfordern strengere Grenzwerte – insbesondere für die Entstickung – neue Rauchgasreinigungsverfahren?

145

wird zu einem vermehrten Einsatz der SCR-Technologie führen, obwohl in speziellen Fällen auch die SNCR ausreichend sein kann.

Wirtschaftlich betrachtet könnte es in weiterer Folge zu einer Aufwertung der Trocken-sorption mittels Natriumbicarbonat gegenüber kalkbasierten Verfahren kommen. Der Grund dafür liegt in der sehr vorteilhaften Kombination dieses Trockenverfahrens mit einer Tieftemperatur-SCR, bei der keine dauernde Wiederaufwärmung der Abgase notwendig ist.

6 Literaturverzeichnis

Dittrich, R. (2005): SNCR-Verfahren, Stand der Technik; Information der Bischl Anlagenbau GmbH, März 2005

Frey, R. (2007): Konzepte zur Abgasreinigung - Tiefe Emissionen trotz hohem Schadstoffinput; 4. Potsdamer Fachtagung „Optimierung in der thermischen Abfall- und Reststoffbehand-lung, Perspektiven und Möglichkeiten“. Potsdam, 22./23. Februar 2007

Frey, R. (2008): Aktuelle Verfahren zur Abgasreinigung in Europa - Kriterien zur Konzeptwahl; 5. Potsdamer Fachtagung „Optimierung in der thermischen Abfall- und Reststoffbehand-lung, Perspektiven und Möglichkeiten“. Potsdam, 21./22. Februar 2008

Frey, R. (2009): Katalytische Entstickung bei tiefen Temperaturen; 6. Potsdamer Fachtagung „Optimierung in der thermischen Abfall- und Reststoffbehandlung, Perspektiven und Mög-lichkeiten“. Potsdam, 19./20. Februar 2009

Karpf, R. (2008): Welches Rauchgasreinigungsverfahren ist das Richtige? VGB PowerTech, 12/2008; 107-114

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Christian Brunner

146

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B. Bilitewski, A.I. Urban, M. Faulstich (Hrsg.)

14. Fachtagung Thermische Abfallbehandlung

Was kostet die Halbierung der Grenzwerte für Abfallverbrennungsanlagen?

Dr.-Ing. Werner Schumacher, Dipl.-Ing. Matthias Kersting

Pöyry Energy GmbH

Hamburg

Schriftenreihe des Fachgebietes Abfalltechnik Universität Kassel

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Werner Schumacher, Matthias Kersting

148

1 Die halbierten Grenzwerte

Bei einer Diskussion zur Halbierung der Emissionsgrenzwerte für Abfallverbrennungs-anlagen sind zum einen die in der 17. BImSchV festgelegten Grenzwerte für die Stoffe CO, TOC, HCl, HF, SO2, Staub Hg, staubförmige Schwermetalle, Dioxine und Furane zu betrachten. Für die kontinuierlich gemessenen Stoffe sind hier Grenzwerte für den Halbstundenmittelwert und den Tagesmittelwert festgelegt. Für die diskontinuierlich gemessenen Schwermetalle, Dioxine und Furane ist ein Grenzwert als Probenahme-mittelwert festgelegt (Tab. 1).

Tabelle 1: Halbierte Grenzwerte für Müllverbrennungsanlagen

Halbstunden-mittelwert

Tages-mittelwert

Jahres-mittelwert

Probenahme-mittelwert

Stoff

[mg/m³ (i. N.)] [mg/m³ (i. N.)] [mg/m³ (i. N.)] [mg/m³ (i. N.)]

CO 50 25 -- --

TOC 10 5 -- --

NOx 400 200 100 --

NH3 30 10 --

HCl 30 5 -- --

HF 2 0,5 -- --

SO2 100 25 -- --

Staub 15 5 -- --

Hg 0,025 0,015 -- --

Cd+Tl -- -- -- 0,025 Sb+As+Pb+Cr+Co+ Cu+Mn+Ni+V+Sn -- -- -- 0,25

As+B(a)P+Cd+Co+Cr -- -- -- 0,025

PCDD/F TE -- -- -- 0,005 1) 1) in ng/m3 (i.N.)

Für NOx werden die in der 17. BImSchV festgelegten Grenzwerte für den Halbstundenmittelwert und den Tagesmittelwert beibehalten, da eine Reduzierung bereits über die Einführung eines Jahresmittelwertes, der beim halben Wert des Tagesmittelwertes liegt, über die Änderung der 17. BImSchV vom 27.01.2009 erfolgt ist. Für NH3 existiert in der 17. BImSchV kein Grenzwert. Es ist daher in Tabelle 1 der in der TA-Luft definierte Tagesmittelwert aufgeführt. Als reduzierter Emissionswert werden die zurzeit diskutierten 10 mg/m3 NH3 aufgeführt, allerdings wie auch beim reduzierten Grenzwert für NOx von 100 mg/m3 als Jahresmittelwert.

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Was kostet die Halbierung der Grenzwerte für Abfallverbrennungsanlagen?

149

2 Stand der Emissionen in Deutschland

Für die Abschätzung der Emissionen aus der thermischen Abfallbehandlung wurden von Löschau [Löschau 2008] die veröffentlichten Emissionswerte der in Betrieb befindlichen Anlagen ausgewertet. In Abbildung 1 sind die nach Durchsatz gewichteten Jahresmittelwerte an Schadgasen aus deutschen Müllverbrennungsanlagen für die kontinuierlich und die Mittelwerte der Maximalwerte für die diskontinuierlich zu messenden Schadstoffe nach der 17. BImSchV zusammengestellt. Daraus wird ersichtlich, dass im Mittel bereits jetzt alle Grenzwerte der 17. BImSchV weit unterschritten werden. Nur Stickoxide liegen mit durchschnittlich 101 mg/m3 bei einem Grenzwert von 200 mg/m3 leicht oberhalb von 50 % des Grenzwerts. Von den sauren Schadgasen werden nur zu 10 bis 20 % der nach 17. BImSchV erlaubten Emissionskonzentration emittiert. Für Staub, Schwermetalle sowie Dioxine und Furane liegen die realen Emissionskonzentrationen sogar unter 10 % des Grenzwerts.

Abbildung 1: Emissionskonzentrationen deutscher Müllverbrennungsanlagen (Jahresmittel-werte) im Vergleich zu den Grenzwerten der 17. BImSchV (Tagesmittelwerte)

Abbildung 2 zeigt eine Differenzierung nach Anlagen mit nasser Abgasreinigung und Anlagen mit halbtrockener Abgasreinigung. Es zeigt sicht, dass die halbtrockenen Abgasreinigungsverfahren auf einem nahezu gleich hohen Leistungsniveau arbeiten wie die Nassverfahren. Einzige Ausnahme stellt die Abscheidung von Chlorwasserstoff dar, der in Nassanlagen im Durchschnitt auf unter 7 % des Grenzwertes abgeschieden

11,7

0,74

2,0

0,13 6,2

101,2

0,60 0,0024 0,0031 0,0350,0047

0,0050

0,1ng/Nm3

0,05mg/Nm3

0,5mg/Nm3

0,05mg/Nm3

0,03mg/Nm3

10mg/Nm3

200mg/Nm3

50mg/Nm3

1mg/Nm3

10mg/Nm3

10mg/Nm3

50 mg/Nm3

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

100%

CO C HCl HF SO2 NOx Staub Hg Cd + Tl Sb + As +Pb + Cr + Co+ Cu + Mn +Ni + V + Sn

B(a)P + As +Cd + Co +

Cr

PCDD/F

Jahresmittelwerte deutscher Müllverbrennungsanlagen Emissionsgrenzwerte nach 17. BImSchV

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Werner Schumacher, Matthias Kersting

150

wurde und damit deutlich weiter als in den Halbtrockenanlagen, mit denen im Durch-schnitt etwa 49 % des Grenzwerts erreicht wurden. Dies liegt allerdings auch daran, dass beim vorherrschenden Verhältnis SO2/HCl im Abgas von der Abfallverbrennung bei trockenen Abgasreinigungsverfahren die HCl-Abscheidung meistens bestimmend für die Sorbensdosierung ist. Die Anlage wird dann so eingestellt, dass der HCl-Grenzwert von 10 mg/m3 zwar sicher unterschritten wird, aber überhöhte Einsatz- und Reststoffmengen vermieden werden. Die SO2-Emission liegt dadurch bedingt immer deutlich unter dem Grenzwert.

Nassverfahren sind in der Regel zweistufig mit saurem HCl-Vorwäscher und nach-geschaltetem neutralem SO2-Wäscher ausgeführt. Dadurch bedingt sind die HCl-Emis-sionen immer sehr niedrig. Da der SO2-Wäscher konstruktiv auf die maximale SO2-Rohgaskonzentration ausgelegt werden muss, die Rohgaskonzentrationen real aber die meiste Zeit deutlich niedriger sind, sind auch die SO2-Emisssionen von Anlagen mit Nasswäschern im Jahresmittel sehr niedrig.

Abbildung 2: Emissionskonzentrationen deutscher Müllverbrennungsanlagen mit Nassverfahren im Vergleich zu quasitrockenen oder konditioniert trockenen Verfahren

Die Abscheideleistung für Staub und staubgebundene Schwermetalle ist in erster Linie an die Leistungsfähigkeit des Filters gekoppelt und kann durch die Verfahrensauswahl nass und halbtrocken kaum beeinflusst werden. Aber auch bei Quecksilber, das zum Großteil dampfförmig vorliegt, wird die gleiche Abscheidung auf der Basis von Aktiv-koks und Gewebefilter ermöglicht wie beim Nassverfahren. Der Unterschied bei den

50

mg/Nm310

mg/Nm310

mg/Nm31

mg/Nm350

mg/Nm3200

mg/Nm310

mg/Nm30,03

mg/Nm30,05

mg/Nm30,5

mg/Nm30,05

mg/Nm30,1

ng/Nm3

11,6

0,84

4,9

0,14

9,8

114,5

0,95 0,0014 0,0022

0,0650,0043

0,0034

95,1

11,8

0,69 0,67

0,124,5

0,44

0,00280,0035

0,022

0,00480,0058

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

100%

CO C HCl HF SO2 NOx Staub Hg Cd + Tl Sb + As + Pb+ Cr + Co +

Cu + Mn + Ni+ V + Sn

B(a)P + As +Cd + Co + Cr

PCDD/F

Emissionsgrenzwerte nach 17. BImSchVJahresmittelwerte deutscher Müllverbrennungsanlagen mit quasitrockenem oder trockenem RauchgasreinigungsverfahrenJahresmittelwerte deutscher Müllverbrennungsanlagen mit nassem Rauchgasreinigungsverfahren

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Was kostet die Halbierung der Grenzwerte für Abfallverbrennungsanlagen?

151

Stickoxidemissionen ist nicht auf die Verfahrenswahl trocken oder nass zurückzu-führen, sondern auf die Auswahl des Entstickungsverfahrens katalytisch oder nicht katalytisch. Da die SNCR häufiger in Kombination mit den Trockenverfahren als mit den Nassverfahren anzutreffen ist, ergibt sich bei den Trockenverfahren durchschnitt-lich eine um knapp zehn Prozentpunkte höhere Stickoxidemission als bei den Nass-verfahren. SNCR-Anlagen werden aufgrund des mit dem Entstickungsgrad über-proportional steigenden Ammoniakwasserverbrauchs und dem damit ansteigenden Schlupf normalerweise nur knapp unterhalb 200 mg/m3 NOx Restemission betrieben. Die Emissionen von Kohlenmonoxid und organischem Kohlenstoff können durch das Abgasreinigungsverfahren nicht beeinflusst werden, sondern sind durch die Verbren-nungsbedingungen in der Feuerung bestimmt.

Die dargestellten Emissionskonzentrationen von Abfallverbrennungsanlagen sind Jahresmittelwerte. Mit Ausnahme von NOx liegen diese also schon jetzt in Deutschland im Mittel unter 50 % des Grenzwertes der 17. BImSchV. Die Grenzwerte der 17. BImSchV beziehen sich jedoch für die kontinuierlich gemessenen Stoffe auf Tages-mittelwerte. Würden Tagesmittelwerte betrachtet, ergäbe sich bedingt durch die Betriebsbedingungen einer Abfallverbrennungsanlage eine deutlich höhere Schwan-kungsbreite der Emission, verfahrensabhängig bis zu 100 % des Grenzwertes.

Um die Problematik einer Reduzierung der Grenzwerte aufzuzeigen, muss der Zusammenhang zwischen Genehmigungswerten und Betriebsergebnissen genauer betrachtet werden. Dies soll anhand der Darstellung von Planungswerten, Anlagen-einstellung und Betriebsergebnissen in Abbildung 3 geschehen.

Abbildung 3: Zusammenhang zwischen Genehmigungswerten und Betriebsergebnissen

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

100%

Emis

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Gar

antie

Planungswerte Betriebswerte

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Werner Schumacher, Matthias Kersting

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Der Emissionsgrenzwert (Tagesmittelwert) der Genehmigung wird als 100 % Emission definiert. Mit der Genehmigung werden heute auch so genannte Kontrollwerte vorge-geben, bei deren Erreichen Maßnahmen zur Reduzierung der aktuellen Emissionen ergriffen werden müssen. Der Wert kann bei 80 % des Grenzwertes liegen. Der Garan-tiewert des Anlagenlieferanten muss auch mindestens diesen Wert haben. Die Anla-geneinstellung (beispielsweise Sollwert einer Regelung) muss so gewählt werden, dass der Kontrollwert unter Berücksichtigung betrieblicher Schwankungen nicht erreicht wird, damit liegt der Wert etwa bei 60 % des Grenzwertes. Auf diesen Wert bei maximalen Rohgasschadstoffkonzentrationen muss der Anlagenlieferant die Anlage auslegen. Der Tagesmittelwert unterliegt betrieblichen Schwankungen, der Mittelwert liegt beim Wert der Anlageneinstellung oder meist darunter, da die Anlagen so eingestellt sind, dass bei Überschreiten von Sollwerten schnell reagiert wird, bei Unterschreitungen aber langsam. Das Betriebsergebnis als Jahresmittelwert ergibt sich als Mittelwert aller Tagesmittelwerte und liegt dann aufgrund der beschriebenen Zusammenhänge bei 50 % des Grenzwertes der Genehmigung.

Obwohl also die Auswertung von Betriebsergebnissen in Deutschland zeigt, dass bei vielen Anlagen die Emissionen im Jahresmittel schon unter 50 % der Grenzwerte liegen, ergäbe sich bei einer Reduzierung der genehmigten Grenzwerte um 50 % eine erhebliche Änderung für die Anlagenlieferanten wegen niedrigerer Garantiewerte. Inwieweit dies zu einer aufwändigeren Anlagentechnik und zu höheren Verbrauchen und damit zu erhöhten Kosten führt, hängt von dem Verfahrenskonzept der betrach-teten Abgasreinigung ab.

3 Grundsätzliche Varianten der Verfahren zur Abgasreinigung

Bei Müllverbrennungsanlagen werden folgende Entstickungsverfahren eingesetzt:

• Das nichtkatalytische Entstickungsverfahren mit Eindüsung des Reduktionsmittels in den Feuerraum im Temperaturbereich bei 950 bis 1.000 °C (SNCR).

• Das katalytische Entstickungsverfahren, bei dem durch Einsatz eines Katalysators eine Arbeitstemperatur von 180 bis 300 °C ausreichend ist (SCR).

Bei dem SCR-Verfahren gibt es hinsichtlich der Eingliederung in die Gesamt-Verfah-renskette zwei Möglichkeiten:

• Anordnung vor dem ECO. Hier kann ein passendes Temperaturniveau von 260 bis 280 °C zur Verfügung gestellt werden.

• Anordnung hinter der Abgasreinigungsanlage. Das Temperaturniveau wird hier durch das vorgeschaltete Abgasreinigungsverfahren bestimmt. Die Temperatur liegt bei Einsatz von Naßwäschern bei 60 °C, bei Halbtrockenverfahren mit Kalk-hydrat bei 140 °C und bei Trockenverfahren mit Natriumbicarbonat bei 180 °C.

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Was kostet die Halbierung der Grenzwerte für Abfallverbrennungsanlagen?

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Gewebefilter

Saugzug

Aktiv-koks-Silo

Rohgas

NaHCO3Silo

Reingas

Reaktor

Filterstaub

Filter-staub-

Silo

Schorn-stein

Natrium-Hydrogen-Carbonat

Aktiv-Koks

Abhängig vom Abgasreinigungsverfahren muss also das Rauchgas vor dem Kataly-sator aufgeheizt werden.

Als Reduktionsmittel wird heute üblicherweise Ammoniakwasser eingesetzt. Beim SNCR-Verfahren kann auch Harnstoff eingesetzt werden.

Die Abscheidung der Schadstoffe HCl, SO2, HF, Hg, staubförmige Schwermetalle, Dioxine und Furane findet in der dem Kessel nachgeschalteten Abgasreinigung statt.

Für diese Betrachtung lassen sich die Verfahren zur Abgasreinigung drei grundsätz-lichen Konzepten zuordnen:

• Trockenverfahren • Halbtrockenverfahren • Nassverfahren

Die trockene Abgasreinigung (Abbildung 4) besteht aus den Hauptkomponenten Reaktor mit Absorptionsmittelaufgabe und Gewebefilter zur Abscheidung der trockenen Reaktionsprodukte und Flugasche. Für Abfallverbrennungsanlagen kann wegen der relativ hohen Rohgaskonzentrationen ein reines Trockenverfahren nur bei Einsatz von Natriumhydrogencarbonat als Absorptionsmittel für SO2- und HCl-Abscheidung reali-siert werden. Zur Adsorption von Hg und Dioxinen/Furanen wird in den Gewebefilter Aktivkoks dosiert.

Abbildung 4: Trockene Abgasreinigung mit Natriumhydrogencarbonat

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Werner Schumacher, Matthias Kersting

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Gewebefilter

Saugzug

Aktiv-koks-Silo

Rohgas

CaO-Silo

Reingas

Reaktor

Filterstaub

Filter-staub-

Silo

Schorn-stein

Aktiv-Koks

Trocken-löscherWasser

Rezirkulation

Branntkalk

Hinter dem Saugzug könnte ohne weitere Aufheizung eine Niedertemperatur-SCR zur NOx-Abscheidung angeordnet werden. Die Darstellung in Abbildung 4 bedeutet, dass die Anlage mit einer SCR vor dem ECO oder einer SNCR ausgerüstet ist.

Soll Kalkhydrat als Absorptionsmittel eingesetzt werden, muss ein Halbtrocken-verfahren gewählt werden (Abb. 5). Auch dieses Verfahren besteht grundsätzlich aus den Hauptkomponenten Reaktor und Gewebefilter. Im Reaktor wird das Abgas jedoch durch Wasserverdampfung abgekühlt und befeuchtet (konditioniert). Von dem Ver-fahren existiert eine Reihe von herstellerspezifischen Ausführungen, die sich im Wesentlichen in der Ausführung des Reaktors mit Absorptionsmittelaufgabe und Abgaskonditionierung unterscheiden. Die verschiedenen Varianten haben spezifische Vor- und Nachteile, die bei einem konkreten Projekt zu berücksichtigen wären, im Rahmen dieser Betrachtung aber außer Acht gelassen werden sollen. Bei den heutigen Anlagengrößen ist es im Allgemeinen wirtschaftlich, das Absorptionsmittel Kalkhydrat auf der Anlage aus Branntkalk zu produzieren. Zur Adsorption von Quecksilber, Dioxi-nen und Furanen wird in den Gewebefilter Aktivkoks dosiert.

Abbildung 5: Halbtrockene Abgasreinigung mit Kalkhydrat

Nassverfahren für Abfallverbrennungsanlagen werden zweistufig ausgeführt mit einem HCl-Vorwäscher (saure Stufe) und einem SO2-Wäscher (neutrale Stufe). In Abbil-dung 6 ist eine Variante dargestellt, die abwasserfrei ist und bei der die Abgase vor Ableitung durch ein Wärmeverschiebesystem wiederaufgeheizt werden (keine nasse Ableitung). Die Abwässer von den Wäschern werden nach Neutralisation und Schwer-

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Was kostet die Halbierung der Grenzwerte für Abfallverbrennungsanlagen?

155

Gewebefilter

Saugzug

Aktiv-koks-Silo

Rohgas

Reingas

Sprüh-trockner

Filterstaub

Filter-staub-

Silo

Schorn-stein

Aktiv-Koks

HClWäscher

SO2Wäscher

Ca(OH)2Silo

Neutralisation

Wärme-tauscher

Kalkhydrat

Wasser

metallfällung in einem Sprühtrockner eingedampft. Die getrockneten Salze werden in einem Gewebefilter zusammen mit Flugasche und den staubförmigen Schwermetallen abgeschieden. Zur Adsorption von Quecksilber, Dioxinen und Furanen wird in den Gewebefilter Aktivkoks dosiert. Bei Nassverfahren existieren eine Reihe von Varianten bezüglich des Konzepts der Wäscher, Absorptionsmittel und vor allem auch bezüglich des Konzepts der Reststoffe, da hier im Gegensatz zu den Trocken- und Halbtrocken-verfahren bei entsprechender Ausgestaltung des Anlagenkonzepts die Möglichkeit besteht Stoffe zu trennen und damit einer wirtschaftlichen Verwertung zuzuführen oder zumindest Entsorgungskosten zu sparen. Diese Varianten sollen hier aber nicht inte-ressieren, da allein die Abgasemissionen betrachtet werden. In Abbildung 6 ist daher ein relativ einfaches Nassverfahren mit Kalkhydrat als Absorptionsmittel dargestellt.

Abbildung 6: Abwasserfreie, zweistufige Nasswäsche mit Kalkhydrat

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Werner Schumacher, Matthias Kersting

156

4 Erweiterte Verfahrenskonzepte für halbierte Grenzwerte

Die feuerungsbedingten Emissionen an CO und TOC erfüllen beim Stand der Technik die Werte der halben 17. BImSchV. Hier ergibt sich kein weiterer Handlungsbedarf.

Ein Jahresmittelwert von 100 mg/m3 NOx bei einem NH3-Schlupf von 10 mg/m3 kann von einer SCR-Anlage leicht eingehalten werden. Die Diskussion zur Leistungsfähigkeit der SNCR hat mittlerweile ergeben, dass auch mit dieser Technik die Werte erreicht werden können [von der Heide 2008, Reynolds 2008]. Voraussetzung ist allerdings, dass ein geeignetes Temperaturfenster im ersten Zug zur Verfügung steht, das Tempe-raturprofil möglichst flach ist und die Lage des optimalen Temperaturfensters durch Messungen erfasst wird, um die Reduktionsmitteleindüsung entsprechend anpassen zu können. Dazu ist eine Berücksichtigung der Bedürfnisse der SNCR bereits bei der Kesselkonstruktion erforderlich und eine Optimierung der Feuerungsregelung. Die messtechnische Erfassung der Temperaturverteilung im ersten Zug kann über akusti-sche Messungen erfolgen. Zur Anpassung der Eindüsung an die Temperaturverteilung müssen mehrere Düsenebenen installiert werden, in denen einzelne Düsen oder Düsengruppen ansteuerbar sind. Für die SNCR-Technologie ergibt sich also ein Mehr-aufwand bei den abgesenkten Grenzwerten.

Eine Staubemission von 5 mg/m3 und die halbierten Grenzwerte für staubgebundene Schwermetalle können bei Einsatz eines Gewebefilters eingehalten werden, wenn die Filterfläche entsprechend groß ist und geeignetes Filtermaterial gewählt wird. Hier besteht kein Bedarf für Änderung der Anlagentechnik.

Die Emissionen von Dioxinen und Furanen ist bei den heutigen Anlagen schon auf sehr niedrigem Niveau. Die bestehenden Technologien zur Abscheidung mit Aktivkoks oder Aktivkohle sind ausreichend zum Erreichen der halben Grenzwerte.

Die Abscheidung von Quecksilber wird bei Trockenanlagen und Halbtrockenanlagen durch Dosierung von Aktivkoks oder Aktivkohle in den Gewebefilter erreicht. Um den halbierten Grenzwert von 0,015 mg/m3 auch bei Rohgasspitzenbelastungen zu erreichen, muss die Aktivkoksmenge erhöht werden. Da die Trockenanlagen bei höherer Temperatur betrieben werden, ist die Effektivität bezüglich Adsorption jedoch verringert und das Risiko von Glimmnestbildung erhöht. Bei Nassanlagen ist wegen der effektiven Hg-Abscheidung in der sauren Stufe mit keinem Mehraufwand zu rechnen.

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Was kostet die Halbierung der Grenzwerte für Abfallverbrennungsanlagen?

157

Gewebefilter

Saugzug

Aktiv-koks-Silo

Rohgas

NaHCO3Silo

Reingas

Reaktor

Filterstaub

Filter-staub-

Silo

Schorn-stein

Natrium-Hydrogen-Carbonat

Aktiv-Koks

GewebefilterReaktor

Abbildung 7: Erweiterte trockene Abgasreinigung mit Natriumhydrogencarbonat für halbierte Grenzwerte

Für die Trockenanlagen mit Natriumhydrogencarbonat existieren noch nicht die umfangreichen Betriebserfahrungen wie für die halbtrockenen Verfahren. Es kann daher zur Zeit noch nicht entschieden werden, ob auch eine einstufige Anlage in der Lage ist, unter den realen Betriebsbedingungen einer Abfallverbrennungsanlage die halbierten Grenzwerte für HCl, HF und SO2 sicher einzuhalten. In Abbildung 7 ist daher als Variante für halbierte Grenzwerte eine zweistufige Trockenanlage dargestellt.

Wie sich bereits aus den Darstellungen zur Emissionssituation ergibt, besteht bei Halb-trockenanlagen Handlungsbedarf bei der HCl-Abscheidung, wenn der halbe Grenzwert von 5 mg/m3 erreicht werden soll. Um diesen Wert gesichert unter allen Rohgasbedin-gungen zu erreichen, ist davon auszugehen, dass das Verfahren zweistufig ausgeführt werden muss, das heißt hinter dem ersten Gewebefilter muss ein zweiter Gewebefilter und eine Sorbensdosierung folgen (Abb. 8). Diese zweite Stufe ist auch notwendig für die Abscheidung von SO2-Rohgasspitzenbelastungen auf den halbierten Grenzwert von 25 mg/m3.

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Werner Schumacher, Matthias Kersting

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Gewebefilter

Saugzug

Aktiv-koks-Silo

Rohgas

CaO-Silo

Reingas

Reaktor

Filterstaub

Filter-staub-

Silo

Schorn-stein

Aktiv-Koks

Trocken-löscherWasser

Rezirkulation

Branntkalk

GewebefilterReaktor

Abbildung 8: Erweiterte halbtrockene Abgasreinigung mit Kalkhydrat für halbierte Grenzwerte

Abhängig vom Gesamtanlagenkonzept kann auch eine Kombination von einer trocke-nen Stufe mit Natriumhydrogencarbonat und einer halbtrockenen Stufe mit Kalkhydrat sinnvoll sein. Zum Beispiel kann hinter einer ersten trockenen Stufe eine Niedertem-peratur-SCR angeordnet werden und die Restabscheidung, insbesondere von Queck-silber, nach Abgaskühlung in einer halbtrockenen Stufe geschehen.

Eine weitere Möglichkeit der Aufrüstung einer Halbtrockenanlage für halbierte Grenz-werte ist die Anordnung eines Nasswäschers als zweiter Stufe hinter dem Gewebefilter. Das Abwasser vom Nasswäscher kann dann zur Abgaskonditionierung in der Halb-trockenanlage eingesetzt werden.

Für ein einfaches Nassverfahren wie in Abbildung 6 dargestellt, ergäbe sich Hand-lungsbedarf bezüglich SO2-Abscheidung, wenn der halbe Grenzwert von 25 mg/m3 auch bei SO2-Rohgasspitzenbelastungen erreicht werden soll. Dem SO2-Wäscher müssten mindestens Waschebenen hinzugefügt werden, die bessere Lösung wäre eine zweistufige Ausführung. Außerdem ist damit zu rechnen, dass weiterer Aufwand für die Tropfenabscheidung betrieben werden müsste, da der Gehalt an schwefel-säurehaltigen Tropfen hinter den üblichen Tropfenabscheidern eine zu hohe SO3 -Emission bedeutet (Der Grenzwert betrifft die Summe aus SO2 und SO3.) Eine effektive Tropfenabscheidung wäre beispielsweise mit einem Nass-Elektrofilter möglich. In Abbildung 9 ist dieses Konzept dargestellt. Eine andere Möglichkeit zur Halbierung der

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Was kostet die Halbierung der Grenzwerte für Abfallverbrennungsanlagen?

159

Gewebefilter

Saugzug

Aktiv-koks-Silo

Rohgas

Reingas

Sprüh-trockner

Filterstaub

Filter-staub-

Silo

Schorn-stein

Aktiv-Koks

HClWäscher

SO2Wäscher

Ca(OH)2Silo

Neutralisation

Wärme-tauscher

Kalkhydrat

Wasser

Nass-Elektro-

filter

SO2-Emission wäre die Installation eines Gewebefilters mit Kalkhydratdosierung hinter dem SO2-Wäscher nach Abgaswiederaufheizung.

Abbildung 9: Erweiterte abwasserfreie, zweistufige Nasswäsche mit Kalkhydrat für halbierte Grenzwerte

Für aufwändige Nasswaschverfahren, wie beispielsweise zweistufige Natronlauge-wäscher mit effektiver Tropfenabscheidung über eine Venturi-Stufe oder Nass-Elektro-filter, ergäbe sich natürlich auch bezüglich SO2-Abscheidung kein Bedarf für eine Anlagenerweiterung.

Tabelle 2 zeigt die Verfügbarkeit der Abgasreinigungsverfahren für halbierte Grenz-werte am Markt, wie sie sich nach Diskussion mit sechs Bietern derzeit ergibt. Für alle diskutierten grundsätzlichen Varianten existieren mehrere mögliche Lieferanten. Beim Trockenverfahren mit Natriumhydrogencarbonat ist die Meinung hinsichtlich der Leistungsfähigkeit des Verfahrens allerdings nicht einheitlich bei den Bietern. Die Mehrheit der Bieter würde zurzeit auch dieses Verfahren für halbierte Grenzwerte zweistufig planen. Lediglich ein Bieter würde die Anlage einstufig konzipieren.

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Werner Schumacher, Matthias Kersting

160

Tabelle 2: Abgasreinigungsverfahren verschiedener Bieter für halbierte Grenzwerte

Verfahren Bieter A

Bieter B

Bieter C

Bieter D

Bieter E

Bieter F

1-stufig + Trocken

2-stufig + + + + +

2-stufig + + + + + + Halbtrocken

+ Nasswäscher + + + +

Nass mehrstufig + + +

Bei den Entstickungsanlagen stellt sich die Lage am Markt so dar, dass alle großen Anlagenbauer die SCR-Technik anbieten, es aber für die SNCR-Technik nur zwei Bieter gibt, die SNCR-Anlagen für 100 mg/m3 NOx bei 10 mg/m3 NH3-Schlupf liefern würden.

5 Kosten am Beispiel einer Müllverbrennungsanlage mit 120.000 Jahrestonnen Ersatzbrennstoffe

5.1 Technische Daten der betrachteten Anlage

Die Kostenbetrachtung soll beispielhaft für eine Müllverbrennungsanlage für Ersatzbrennstoffe durchgeführt werden. Die Anlage wird in Anlehnung an aktuelle Projekte wie folgt definiert:

Feuerungstyp: Rostfeuerung Kapazität: 120.000 Mg/a EBS Heizwert Hu 15 MJ/kg Betriebsstunden: 8000 h/a Enstickung: SNCR Abgasreinigung: Halbtrocken, Freiluftaufstellung

Der Aufbau der Abgasreinigung für einfache Grenzwerte entspricht damit dem Schema der Abbildung 5 und der Aufbau für halbierte Grenzwerte der Abbildung 8.

Zur Ermittlung der durch Einsatzstoffe und Reststoffe verursachten Betriebskosten muss eine Bilanzierung der Gesamtanlage aus Feuerung und Kessel und Abgasreinigung erfolgen. Für die Verbrennungsrechnung wird die EBS-Analyse in Tabelle 3 angenommen, die in Anlehnung an das Spektrum von EBS-Analysen aktueller Projekte bestimmt wurde.

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Was kostet die Halbierung der Grenzwerte für Abfallverbrennungsanlagen?

161

Tabelle 3: Brennstoffanalyse Ersatzbrennstoffe

Wasser Ma.-% 20 Hg mg/kg TS 2

Asche Ma.-% 15 Cd mg/kg TS 20

Heizwert Hu MJ/kg 15 Tl mg/kg TS 10

Sb mg/kg TS 100

S Ma.-% TS 0,5 As mg/kg TS 20

Cl Ma.-% TS 1,5 Pb mg/kg TS 1.000

F Ma.-% TS 0,02 Cr mg/kg TS 200

Co mg/kg TS 20

Cu mg/kg TS 800

Mn mg/kg TS 400

Ni mg/kg TS 200

V mg/kg TS 50

Sn mg/kg TS 200

Abbildung 10: Berechnung Abgaszusammensetzung hinter dem Kessel aus der Bilanz über die Feuerung und den Kessel

Projekt: Vortrag Kosten Halbierung GrenzwerteLastfall: EBS 120.000 t/aMassenströme, Massenbilanz

20,99 kg/s0,21 kg/s

0 kg/h 21,20 kg/s90 kg/h

600 kg/h 127313 Nm³/h

0 kg/h 123 kg/h

1470 kg/h

15 Mg/h Ein 225739 kg/hBrennstoff 15000 kg/hLuft 133449 kg/h

46193 kg/h Speisewasser 76334 kg/hNH4OH / Urea 90 kg/hDampf 0 kg/hWasser 600 kg/hBrüden 266 kg/hAus 225739 kg/hAbgas 146967 kg/h

85787 kg/h Frischdampf 75578 kg/hAbschlämmung 756 kg/hSchlacke 2240 kg/h

76 kg/h Kesselasche 76 kg/hFlugasche 123 kg/hDiff 0 kg/h

2240 kg/h 266 kg/h

Datum: 13.02.2009

BILANZ

Speisewasser

Frischdampf

Abgas

Flugasche

Primärluft

Sekundärluft

Brennstoff

Prozessluft

Abschlämmung

Falschluft

Verdampfer

Kesselasche

Brüden EntschlackerSchlacke/ Rostasche

Strahlung

DampfNH4OH / Urea

Wasser

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Werner Schumacher, Matthias Kersting

162

Die Massen- und Energiebilanz für Feuerung und Kessel (Abb. 10) ergibt die Abgaszusammensetzung hinter dem Kessel (Tab. 4). Für die Berechnung der Schadstoffkonzentrationen im Abgas werden empirische Transferkoeffizienten herangezogen, die die Verteilung der mit dem EBS in die Anlage eingetragenen Schadstoffe auf Schlacke, Kesselasche, Abgas und Flugasche definieren. Der Verbleib der Schadstoffe kann in Sankey-Diagrammen dargestellt werden (Abb. 11).

Tabelle 4: Abgaszusammensetzung hinter dem Kessel

Abgasstrom 114.257 m3/h feucht Stickstoff 69,3 % wt 73,5 % Vol

145.967 kg/h Sauerstoff 9,1 % wt 7,4 % Vol

Kohlendioxid 13,7 % wt 8,1 % Vol

Wasser 7,6 % wt 10,9 % Vol

113.376 m3/h trocken Stickstoff 73,8 % wt 82,6 % Vol

138.207 kg/h Sauerstoff 9,7 % wt 8,3 % Vol

Kohlendioxid 14,6 % wt 9,0 % Vol

mg/m3 (i.N.)

mg/m3 (i.N.) 11 % O2

NOx 80 68

HCl 1.551 1.220

HF 22 17

SO2 419 329

SO3 5 4

NH3 8 6

CO 35 28

TOC 7 6

Asche 1.081 850

Hg 0,2 0,2

Cd, Tl 2,5 2,0

Sb, As, Pb, Cr, Co, Cu, Mn, Ni, V, Sn 77 61

As, Cd, Co, Cr, Benzoapyren 3,4 2,7

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Was kostet die Halbierung der Grenzwerte für Abfallverbrennungsanlagen?

163

Abbildung 11: Transfer der Schadstoffe aus dem Brennstoff in Schlacke, Asche und Abgas (Schadstoffgruppen 17. BImSchV)

Nach Bestimmung der Abgasmenge und der Schadstoffkonzentrationen am Eintritt der Abgasreinigung können unter Verwendung von empirischen spezifischen Kennwerten die Verbrauche an Ammoniakwasser für die SNCR, Aktivkoks, Kalk und Reststoff mit einer Massenbilanz bestimmt werden. Der Verbrauch an elektrischer Energie ergibt sich in erster Linie durch den Saugzug. Die Verbrauche für halbierte Grenzwerte liegen mit Ausnahme des Kalkverbrauches etwa doppelt so hoch wie für einfache Grenz-werte. Der Kalkverbrauch und damit auch die Reststoffmenge steigen nur gering wegen der erhöhten Effektivität einer zweistufigen gegenüber einer einstufigen Anlage.

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Werner Schumacher, Matthias Kersting

164

Abbildung 12: Einsatz- und Reststoffe beim SNCR-Verfahren und bei halbtrockener Abgasreinigung für einfache und halbierte Grenzwerte

5.2 Ermittlung der Kosten

Bei der Ermittlung der Kosten sind zu berücksichtigen:

• Investitionskosten, • durchsatzunabhängige Betriebskosten und • durchsatzabhängige Betriebskosten

Die Investitionskosten aufgegliedert nach Bau, Verfahrenstechnik und Elektro- und Leittechnik können nach Auswertung aktueller Projekte wie in Abbildung 13 angegeben werden.

4810

386

870

725

9025

483

1033

1346

0

200

400

600

800

1000

1200

1400

1600

kg/h kg/h kg/h kg/h MWh/h

Ammoniakwasser25%

Aktivkoks Kalk Reststoff elektrische Energie

[kg/

h]

[M

Wh/

h]

einfache Grenzwerte halbierte Grenzwerte

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Was kostet die Halbierung der Grenzwerte für Abfallverbrennungsanlagen?

165

Abbildung 13: Investitionskosten für das SNCR-Verfahren und die halbtrockene Abgasreinigung für einfache und halbierte Grenzwerte

Die für halbierte Grenzwerte benötigte zweistufige halbtrockene Abgasreinigungs-anlage und die verbesserte Ausrüstung der SNCR führen zu einem deutlich erhöhten Investitionsbedarf.

Die jährlichen Kapitalkosten hängen von einer Reihe von Faktoren ab, die sich je nach Betreiber oder Investor unterscheiden. Grundsätzlich können sie aber anhand der Annuitätsmethode bewertet werden. Beispielhafte Ausgangsdaten hierfür könnten sein:

• Zinssatz : 6% • Abschreibungsdauer Bauteil: 25 Jahre • Abschreibungsdauer Verfahrenstechnik und Elektro- und Leittechnik : 15 Jahre

Auf der Basis dieser Annahmen lassen sich die jährlichen Kapitalkosten einer Anlage ermitteln, die als durchsatzunabhängige Fixkosten in die Gesamtbetrachtung ein-fließen. Neben den reinen Anlageninvestitionen sind auch übergeordnete Kosten zu berücksichtigen. Hierzu zählen zum Beispiel die Kosten für Planungsleistungen für die Genehmigung, Koordination der Losnehmer und die Oberbauleitung.

Für die Wartung und Instandhaltung wird ausgehend von den Investitionskosten ein Prozentsatz für den jährlichen finanziellen Aufwand zurückgestellt. Die Höhe des Pro-zentsatzes ist für verschiedene Anlagenbereiche unterschiedlich. Typische Werte sind:

• Maschinen- und Verfahrenstechnik: 3,5 % p.a. • Elektro- und Leittechnik: 1,5 % p.a. • Bautechnik: 1 % p.a.

0,7 1,1

10,2

18,2

2,1

3,6

0

5

10

15

20

25

einfache Grenzwerte halbe Grenzwerte

Inve

stiti

onsk

oste

n [E

UR

]

Bau Verfahrenstechnik Elektro- und Leittechnik

13,0

22,9

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Werner Schumacher, Matthias Kersting

166

Sonstige Fixkosten entstehen für Personal und Steuern, Abgaben, Beiträge zu Verbänden, Versicherungen und Ähnliches. Die hier verwendeten Ansätze können Tabelle 6 und 7 entnommen werden.

Für die Ermittlung der durchsatzabhängigen Betriebskosten werden die in Tabelle 5 angegeben spezifischen Kosten angesetzt.

Tabelle 5: Spezifische Kosten für Einsatz- und Reststoffe

Ammoniakwasser 25 % EUR/Mg 150

Trinkwasser EUR/Mg 2

Prozesswasser EUR/Mg 0

Aktivkoks EUR/Mg 300

Kalk EUR/Mg 90

Reststoff EUR/Mg 135

Elektrische Energie EUR/MWh 50

Mit den Einsatz- und Reststoffmengen von Abbildung 12 können die durchsatzab-hängigen Betriebskosten berechnet werden.

Die Berechnung der Gesamtkosten aus Investitionskosten, durchsatzunabhängigen und durchsatzabhängigen Betriebskosten für die Varianten einfache Grenzwerte und halbe Grenzwerte ist in den Tabellen 6 und 7 zusammengestellt.

Das Ergebnis der Berechnung als spezifische Kosten bezogen auf die Abfallmenge ist nochmals in Abbildung 14 als Gegenüberstellung der beiden Varianten enthalten. Für das hier gewählte Projekt bei den gewählten Berechnungsansätzen entstehen für die Halbierung der Grenzwerte Mehrkosten von 25 EUR pro Tonne Abfall.

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Was kostet die Halbierung der Grenzwerte für Abfallverbrennungsanlagen?

167

Tabelle 6: Jährliche Investitions- und Betriebskosten für das SNCR-Verfahren und die halbtrockene Abgasreinigung mit Kalk bei einfachen Emissionsgrenzwerten

Jahres- und spezifische Kosten (netto o. MWSt.)Untersuchung Kosten Halbierung GrenzwerteAbgasreinigung: SNCR + Konditionierte Trockensorption mit Kalk, einstufigVariante einfache GrenzwerteThermische Leistung 62,5 MWth

Jahreskapazität 120.000 Mg/aHeizwert Hu 15 MJ/kg Jährl. Betriebsdauer 8000 h/a

1 Investitionskosten EUR Abschrei-bungsdauer [a]

Zinssatz [%] Jährliche Investitionskosten (Annuität) [EUR/a]

1.1 Grundstück 0 13 15 01.2 Herrichten und Erschließen 0 20 15 01.3 Baukonstruktion einschl. Gündung / Tiefbau 700.000 20 15 111.8331.4 Maschinentechnische Anlagen 10.200.000 15 15 1.744.3741.5 Elektro- und leittechnische Anlagen 2.100.000 15 15 359.1361.6 Unvorhergesehenes (5% von 1.1 bis 1.5) 0 15 15 01.7 Honorare und Gebühren (5% von 1.1 bis 1.6) 650.000 15 15 111.1611.8 Vorfinanzierung (2,5% von 1.1 bis 1.6) 0 15 15 01.9 Gesamtsumme, netto ohne MWSt. 13.650.000 - - 2.326.504

2 Betriebskosten2.1 Durchsatzunabhängige Betriebskosten Bezug Prozentsatz Jährliche Betriebs-2.1.1 Reparatur, Wartung u. Unterhaltung [EUR] [%] kosten [EUR/a]2.1.1.1 Baukonstruktion 700.000 1,0 - 7.0002.1.1.2 Maschinentechnische Anlagen 10.200.000 3,5 - 357.0002.1.1.3 Elektro- und leittechnische Anlagen 2.100.000 1,5 - 31.5002.1.2 Steuern und Versicherungen (von 1.3 bis 1.6) 13.000.000 0,5 - 65.0002.1.3 Allgemeine Verwaltung (von 2.1.5) 400.000 5,0 - 20.0002.1.4 Sonst. Hilfs- und Betriebsstoffe (von 2.1.1.1 bis 2.1.1.3) 395.500 5,0 - 19.775

Anzahl EUR/Person2.1.5 Personal - 8 50.000 400.0002.1.6 Summe durchsatzunabhängige Betriebskosten 900.275

2.2 Durchsatzabhängige Betriebskosten m³/a EUR/m³2.2.1 Trinkwasser - 11.200 0 0

MWh/a EUR/MWh2.2.2 Stromverbrauch - 5.800 50 290.0002.2.3 Stickstoff - - - -

Mg/a EUR/Mg2.2.4 - 0 0 03.2.1 0 0 02.2.5 Kalk, als CaO - 3.088 80 247.0402.2.6 0 0 02.2.7 Ammoniakwasser (25%-ig) - 384 150 57.6002.2.8 HOK - 80 300 24.0002.2.9 - - - -2.2.10 Reststoffentsorgung2.2.10.1 0 02.2.10.2 - 0 02.2.10.3 Entsorgung der Reaktionsprodukte 7.192 135 970.920

2.2.11 Summe durchsatzabhängige Betriebskosten 1.589.5602.3 Summe Betriebskosten, Ausgaben 4.816.339

[EUR/Mg Abfall] [EUR/a]4 Jahreskosten4.1 Erlöse, Einnahmen (3.2) [EUR/a] 0 04.2 Betriebskosten, Ausgaben (2.3) [EUR/a] 40,1 4.816.339

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Werner Schumacher, Matthias Kersting

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Tabelle 7: Jährliche Investitions- und Betriebskosten für das SNCR-Verfahren und die halbtrockene Abgasreinigung mit Kalk bei halbierten Emissionsgrenzwerten

Jahres- und spezifische Kosten (netto o. MWSt.)Untersuchung Kosten Halbierung GrenzwerteAbgasreinigung: SNCR + Konditionierte Trockensorption mit Kalk, zweistufigVariante halbe GrenzwerteThermische Leistung 62,5 MWth

Jahreskapazität 120.000 Mg/aHeizwert Hu 15 MJ/kg Jährl. Betriebsdauer 8000 h/a

1 Investitionskosten EUR Abschrei-bungsdauer [a]

Zinssatz [%] Jährliche Investitionskosten (Annuität) [EUR/a]

1.1 Grundstück 0 13 15 01.2 Herrichten und Erschließen 0 20 15 01.3 Baukonstruktion einschl. Gündung / Tiefbau 1.100.000 20 15 175.7381.4 Maschinentechnische Anlagen 18.200.000 15 15 3.112.5101.5 Elektro- und leittechnische Anlagen 3.600.000 15 15 615.6611.6 Unvorhergesehenes (5% von 1.1 bis 1.5) 0 15 15 01.7 Honorare und Gebühren (5% von 1.1 bis 1.6) 1.145.000 15 15 195.8151.8 Vorfinanzierung (2,5% von 1.1 bis 1.6) 0 15 15 01.9 Gesamtsumme, netto ohne MWSt. 24.045.000 - - 4.099.724

2 Betriebskosten2.1 Durchsatzunabhängige Betriebskosten Bezug Prozentsatz Jährliche Betriebs-2.1.1 Reparatur, Wartung u. Unterhaltung [EUR] [%] kosten [EUR/a]2.1.1.1 Baukonstruktion 1.100.000 1,0 - 11.0002.1.1.2 Maschinentechnische Anlagen 18.200.000 3,5 - 637.0002.1.1.3 Elektro- und leittechnische Anlagen 3.600.000 1,5 - 54.0002.1.2 Steuern und Versicherungen (von 1.3 bis 1.6) 22.900.000 0,5 - 114.5002.1.3 Allgemeine Verwaltung (von 2.1.5) 500.000 5,0 - 25.0002.1.4 Sonst. Hilfs- und Betriebsstoffe (von 2.1.1.1 bis 2.1.1.3) 702.000 5,0 - 35.100

Anzahl EUR/Person2.1.5 Personal - 10 50.000 500.0002.1.6 Summe durchsatzunabhängige Betriebskosten 1.376.600

2.2 Durchsatzabhängige Betriebskosten m³/a EUR/m³2.2.1 Trinkwasser - 11.200 0 0

MWh/a EUR/MWh2.2.2 Stromverbrauch - 10.768 50 538.4002.2.3 Stickstoff - - - -

Mg/a EUR/Mg2.2.4 - 0 0 03.2.1 0 0 02.2.5 Kalk, als CaO - 3.864 80 309.1202.2.6 0 0 02.2.7 Ammoniakwasser (25%-ig) - 720 150 108.0002.2.8 HOK - 720 300 216.0002.2.9 - - - -2.2.10 Reststoffentsorgung2.2.10.1 0 02.2.10.2 - 0 02.2.10.3 Entsorgung der Reaktionsprodukte 8.496 135 1.146.960

2.2.11 Summe durchsatzabhängige Betriebskosten 2.318.4802.3 Summe Betriebskosten, Ausgaben 7.794.804

[EUR/Mg Abfall] [EUR/a]4 Jahreskosten4.1 Erlöse, Einnahmen (3.2) [EUR/a] 0 04.2 Betriebskosten, Ausgaben (2.3) [EUR/a] 65,0 7.794.804

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Was kostet die Halbierung der Grenzwerte für Abfallverbrennungsanlagen?

169

Abbildung 14: Spezifische Kosten bezogen auf die Abfallmenge für das SNCR-Verfahren und die halbtrockene Abgasreinigung für einfache und halbierte Grenzwerte

6 Zusammenfassende Bewertung

Die Halbierung der Grenzwerte bei der als Beispiel gewählten Verbrennungsanlage für 120.000 Mg/a Ersatzbrennstoff mit einem Heizwert Hu von 15 MJ/kg kostet 25 EUR/Mg Abfall. Die Mehrkosten ergeben sich durch höheren Investitionsbedarf und höhere Betriebsmittelverbrauche in der Abgasreinigung. Die absolute Höhe der Mehrkosten ist natürlich stark von den gemachten Ansätzen für die Finanzierung der Investition und beispielsweise den Ansätzen für Reststoffentsorgung und Bewertung des Eigenbedarfs abhängig. Das der Kostenermittlung zugrunde gelegte Anlagenkonzept war SNCR und halbtrockene Abgasreinigung, da die Projekte in den letzten Jahren vornehmlich mit dieser Technik realisiert wurden. Für halbe Grenzwerte musste die Halbtrockenanlage zweistufig ausgeführt werden und die SNCR aufwendiger ausgerüstet werden. Die Mehrkosten bei einfachen Nassverfahren können jedoch in der gleichen Größenordnung erwartet werden, da hier die Anlagentechnik mit ähnlichem Umfang aufgerüstet werden müsste. Bei aufwändigen Nassverfahren mit beispielsweise dreistufigem Wäscher und effektiver Tropfenabscheidung oder nachgeschaltetem Gewebefilter als „Polizeifilter“ sind dagegen keine Mehrkosten zu erwarten.

Der Aufwand zur Halbierung der Grenzwerte für das betrachtete Projekt muss als sehr hoch im Verhältnis zum erreichten Effekt für die Emission bewertet werden, zumal die realen Emissionen in Deutschland im Jahresmittel mit Ausnahme von NOx schon bei

19,39

34,16

7,50

11,47

13,25

19,32

0

10

20

30

40

50

60

70

einfache Grenzwerte halbe Grenzwerte

spez

ifisc

he B

etrie

bsko

sten

[EU

R/M

g A

bfal

l]

Investitionskosten Durchsatzunabhängige Betriebskosten Durchsatzabhängige Betriebskosten

40,1

65,0

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Werner Schumacher, Matthias Kersting

170

oder deutlich unter 50 % der Grenzwerte liegen. Für eine Beurteilung der Sinnhaftigkeit einer Halbierung der Grenzwerte (außer NOx) aus ökologischer Sicht wären zum Beispiel auf jeden Fall die zusätzlichen Emissionen durch Erzeugung des erheblich höheren Energieeigenbedarfs der erweiterten Anlagentechnik zu betrachten.

7 Literaturverzeichnis

Frey, R. (2007): Konzepte zur Abgasreinigung - Tiefe Emissionen trotz hohem Schadstoffinput;

Löschau, M. (2008): Sinnhaftigkeit einer weiteren Reduzierung von Emissionswerten aus der thermischen Abfallverbrennung. Energie aus Abfall – Band 5. Neuruppin: TK Verlag Karl Thomé-Kozmiensky, 2008, 439-460.

von der Heide, B. (2008): Ist das SNCR-Verfahren noch Stand der Technik. Energie aus Abfall – Band 4. Neuruppin: TK Verlag Karl Thomé-Kozmiensky, 2008, 275-294.

Reynolds, T. (2008): Mit SNCR-Technik werden die Grenzwerte der 37. BImSchV erreicht. Energie aus Abfall – Band 5. Neuruppin: TK Verlag Karl Thomé-Kozmiensky, 2008, 461-474.

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B. Bilitewski, A.I. Urban, M. Faulstich (Hrsg.)

14. Fachtagung Thermische Abfallbehandlung

Auswirkungen eines veränderten Sammelsystems auf die Verbrennung im MHKW Kassel

Dipl.-Ing. Ramona Schröer, Prof. Dr.-Ing. Arnd I. Urban

Universität Kassel

Kassel

Schriftenreihe des Fachgebietes Abfalltechnik Universität Kassel

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Ramona Schröer, Arnd I. Urban

172

1 Einführung

Die Entwicklung der Rohstoffpreise auf dem Weltmarkt beeinflusst die Abfallwirtschaft und führt zu Weiterentwicklungen bei der bisherigen Abfallsammlung und -trennung in Deutschland. Statt der am weitesten verbreiteten Trennung in Restabfall, Bioabfall und Verpackungen (gelber Sack) werden vielerorts Wertstofftonnen eingeführt oder deren Einführung diskutiert. Dies hat Auswirkungen auf die Mengen und die Zusammen-setzung, insbesondere auch auf die Heizwerte, der nach der Wertstoffentfrachtung verbleibenden Restabfälle und damit auf den Betrieb von Müllverbrennungsanlagen.

In Kassel wird zurzeit ein neues Abfallsammelsystem mittels eines einjährigen Pilot-projektes im Betriebsmaßstab untersucht, welches eine Vereinfachung bei der Tren-nung im Haushalt und eine erhöhte Wertstoffgewinnung aus den Abfällen zum Ziel hat [Schröer et al. 2007]. Das Sammelsystem „Nasse und Trockene Tonne“ Kassel greift auf eine vereinfachte Trennung der Abfälle in eine nasse und eine trockene Fraktion zurück (Abb. 1).

Abbildung 1: Vergleich des bisherigen Sammelsystems in der Stadt Kassel (Ist-Zustand) und des zukünftigen Sammelsystems „Nasse und Trockene Tonne“ Kassel, wie es zurzeit in einem Versuchsgebiet in der Stadt Kassel umgesetzt wird.

Restabfall52 % nass1)

48 % trocken1)

Bioabfall

nasser Abfall

trockener Abfall

Ist-Zustand

1) Datenbasis: Nullanalyse WIZ 2007/08

PPKAltglas

. . .

Verpackungen(lizenziert)

LVP, stoffgl. NVP

Nasse und Trockene Tonne Kassel

PPKAltglas

. . .

Restabfall52 % nass1)

48 % trocken1)

Bioabfall

nasser Abfall

trockener Abfall

Ist-Zustand

1) Datenbasis: Nullanalyse WIZ 2007/08

PPKAltglas

. . .

Verpackungen(lizenziert)

LVP, stoffgl. NVP

Nasse und Trockene Tonne Kassel

PPKAltglas

. . .

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Auswirkungen eines veränderten Sammelsystems auf die Verbrennung im MHKW Kassel

173

Die nassen Abfälle werden in einer Biogasanlage verwertet, die trockenen Abfälle einer Sortieranlage zugeführt. Die nach der Behandlung verbleibenden Reste werden anschließend an Stelle des bisherigen Restmülls im MHKW Kassel verbrannt (Abb. 2). Im Rahmen des Pilotprojektes werden Sortieranalysen und Versuche in verschiedenen Abfallbehandlungsanlagen (mechanisch-biologische Abfallbehandlungsanlage (MBA) und Sortieranlage) durchgeführt. Aufgrund der vorliegenden Versuchskonstellation und mit Hilfe der bisherigen Versuchsergebnisse wurden die mit dieser veränderten Abfallsammlung zu erwartenden Veränderungen der Mengen und Qualitäten für die Verbrennung in Müllverbrennungsanlagen abgeschätzt. Nach Ende des Pilotprojektes wird aufbauend auf den Versuchsergebnissen und einer ökologischen und ökonomischen Bewertung entschieden, ob die Abfallsammlung im Stadtgebiet Kassel auf das System „Nasse und Trockene Tonne“ Kassel umgestellt wird.

Abbildung 2: Verwertung der nassen und trockenen Abfälle beim Sammelsystem „Nasse und Trockene Tonne“ Kassel.

2 Verbrennungsversuche im Technikumsmaßstab

Zur Beurteilung der nach der Verwertung verbleibenden Sortier- und Gärreste für eine anschließende thermische Behandlung wurden die bei den Versuchen im Betriebs-maßstab gewonnenen Sortierfraktionen (Ersatzbrennstoff aus der Nassen Tonne und Sortierrest aus der Trockenen Tonne) mittels Verbrennungsversuchen untersucht. Die Verbrennungsversuche erfolgten in der Technikumsverbrennungsanlage (TVA) des Fachgebietes Abfalltechnik, bei denen jeweils etwa 10 kg Material durchgesetzt und beobachtet wurden. Die TVA und die Versuchsdurchführung wurden bereits mehrfach in der Literatur vorgestellt [Seeger et al. 2003, Seeger 2005, Schröer et al. 2006, Schröer et. al. 2008]. Der Heizwert wurde über die Energiebilanzierung bestimmt und

2. Gär- und Sortierreste

1. Energiegewinnung

2. Sortierreste

1. Wertstoffe, EBS, etc.

Sortierung + Vergärung

Sortierung

nasser Abfall

trockener AbfallThermische Behandlung

im MHKW Kassel

2. Gär- und Sortierreste

1. Energiegewinnung

2. Sortierreste

1. Wertstoffe, EBS, etc.

Sortierung + Vergärung Sortierung + Vergärung

SortierungSortierung

nasser Abfall

trockener AbfallThermische Behandlung

im MHKW Kassel

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Ramona Schröer, Arnd I. Urban

174

zusätzlich das Verbrennungsverhalten beobachtet. CO- und HCl-Konzentrationen im Rauchgas wurden analysiert. Durch die Bilanzierung der Chlormengen im Rauchgas, im Staub und in der Asche wurde der Chlorgehalt ermittelt.

2.1 Ergebnisse der Technikumsverbrennungsversuche

Der Heizwert des Ersatzbrennstoffes betrug im Mittel 9.157 kJ/kg bei einer Standard-abweichung von etwa 330 kJ/kg. Er ist damit geringfügig höher als bei Restmüll aber deutlich niedriger als für Ersatzbrennstoffe aus Abfällen zu erwarten wäre. Der Sortier-rest hatte einen Heizwert von 10.794 kJ/kg bei einer Standardabweichung von etwa 740 kJ/kg, der somit deutlich höher war als der des Ersatzbrennstoffes aus der Nassen Tonne (Tab. 1) und als der für normalen Restmüll, jedoch niedriger als der für Ersatzbrennstoffe aus Abfällen. Der höhere Heizwert des Sortierrests lag am deutlich niedrigeren Wassergehalt mit 36 Ma.-% gegenüber 54 Ma.-% bei der Ersatzbrennstoff-fraktion. Dieser hohe Wassergehalt ist auf die nassen Abfälle zurückzuführen.

Tabelle 1: Ersatzbrennstoff aus der Nassen Tonne und Sortierrest aus der Trockenen Tonne: Wasser-, Asche- und Brennbarengehalte, bestimmte Heizwerte der Rohprobe und des Brennbaren

Heizwert [kJ/kg] Gehalte [Ma.-%]

Rohprobe Brennbares Wasser 1) Asche 2) Brennbares

Ersatzbrennstoff aus NT 9.157 29.584 54,21 10,20 35,58

Sortierrest aus TT 10.794 29.434 35,93 24,33 39,74

1) im Labor bestimmt, 2) im Verbrennungsversuch bestimmt, NT = Nasse Tonne, TT = Trockene Tonne

Der Ascheanteil betrug beim Ersatzbrennstoff aus der Nassen Tonne im Mittel 10 Ma.-% und war damit im Vergleich zu Restmüll gering und betrug beim Sortierrest aus der Trockenen Tonne im Mittel 24 Ma.-%. Der Ausbrand der beiden Fraktionen war gut und es wurden anlagenspezifisch sehr geringe Glühverluste in den Aschen ermit-telt. Die Schwermetallgehalte der Elemente Blei, Chrom, Cadmium, Nickel und Queck-silber in den Aschen sowie deren Schwankungsbreiten waren unauffällig.

Die CO-, HCl- und Staubkonzentrationen im Rauchgas und die Chlorgehalte der Abfallfraktionen sind in Tabelle 2 dargestellt. Bei den Ersatzbrennstoffverbrennungen wurden im Mittel 602 mg/m3 (i.N.) CO emittiert (Standardabweichung 92 mg/m3 (i.N.)) und bei den Sortierrestverbrennungen im Mittel 1.425 mg/m3 (i.N.) CO (Standard-abweichung 149 mg/m3 (i.N.). Für Kleinanlagen, wie die im Versuch eingesetzte Anlage, gilt die 1. BImSchV, die den Einfluss der Feuerung und der Prozessbedin-gungen auf die CO-Bildung berücksichtigt und einen Grenzwert von 4.000 mg/m3 (i.N.)

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Auswirkungen eines veränderten Sammelsystems auf die Verbrennung im MHKW Kassel

175

(bis 50 kW Leistung) festlegt. Dieser wird bei der Verbrennung beider Sortierfraktionen eingehalten. Damit ist der Betrieb bei den gemessenen CO-Konzentrationen zulässig.

Tabelle 2: Ersatzbrennstoff aus der Nassen Tonne und Sortierrest aus der Trockenen Tonne: aus den Messwerten berechnete CO-, HCl- und Staubkonzentrationen und aus der Bilanzierung bestimmte Chlorgehalte

Konzentration [mg/m3 (i.N.)]

CO HCl Staub Cl-Gehalt [Ma.-%]

Ersatzbrennstoff aus NT 602,16 45,27 99,59 0,26

Sortierrest aus TT 1.425,42 258,62 201,95 0,67

NT = Nasse Tonne, TT = Trockene Tonne

Die HCl-Konzentrationen im Rauchgas bei den Verbrennungsversuchen mit dem Ersatzbrennstoff aus der Nassen Tonne betrugen im Mittel 45 mg/m3 (i.N) bei einer Standardabweichung von 14 mg/m3 (i.N.). Der Chlorgehalt betrug 0,26 Ma.-% und war somit sehr gering. Insgesamt wurden bei den Versuchen zwischen 21 und 31 Ma.-% ins Rauchgas freigesetzt. Über 50 Ma.-% des Chlors verblieben in der Asche, was auf einen schwer mobilisierbaren Chloranteil des Ersatzbrennstoffs schließen ließ.

Die HCl-Konzentrationen im Rauchgas betrugen für die Sortierrestverbrennung im Mittel 259 mg/m3 (i.N.). Die HCl-Konzentrationen wichen bei den Versuchen sehr stark von einander ab, was sich in der hohen Standardabweichung von 149 mg/m3 (i.N.) widerspiegelte. Diese Abweichungen sind auf die Inhomogenität des Materials zurück-zuführen. Der Chlorgehalt des Sortierrests aus der Trockenen Tonne betrug im Mittel 0,67 Ma.-% bei einer Standardabeichung von 0,25 Ma.-% und schwankte bei den bei-den Versuchen zwischen 0,42 und 0,91 Ma.-%. Es wurden zwischen 25 und 46 Ma.-% des Chlors ins Rauchgas freigesetzt und es verblieben zwischen 48 und 64 Ma.-% in der Asche, die wieder Hauptaustragspfad für das Chlor war.

Die für den Ersatzbrennstoff ermittelten Staubkonzentrationen lagen im Mittel bei 100 mg/m3 (i.N.) und sind für den Betrieb nicht problematisch. Beim Sortierrest aus der Trockenen Tonne ist im Gegensatz dazu mit einer erhöhten Staubmenge zu rechnen. Die mittlere Staubkonzentration betrug 202 mg/m3 (i.N.)

2.2 Fazit

Bei keinem der Versuche mit dem Ersatzbrennstoff oder dem Sortierrest zeigten sich Besonderheiten oder Probleme beim Betrieb. Beide Fraktionen zeigten in der Verbren-nung ein für Abfälle typisches und erwartetes Verbrennungsverhalten.

Bei der Ersatzbrennstoffverbrennung waren die CO- und Staubkonzentrationen anla-genspezifisch unauffällig. Der Chlorgehalt war mit 0,26 Ma.-% gering. Insgesamt ist diese Ersatzbrennstofffraktion ein unproblematischer Abfallbrennstoff.

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Ramona Schröer, Arnd I. Urban

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Die CO-Konzentrationen bei der Sortierrestverbrennung waren anlagenspezifisch etwas erhöht, hielten jedoch die Grenzwerte für Kleinanlagen nach der 1. BImSchV ein und waren somit unproblematisch. Die Staubkonzentration überschritt den Grenzwert. Der Chlorgehalt war mit im Mittel 0,67 Ma.-% insgesamt nicht sehr hoch, jedoch bei einem Versuch mit 0,91 Ma.-% relativ hoch. Der Sortierrest hat für den Einsatz in Müllverbrennungsanlagen im Vergleich zu Restmüll einen relativ hohen Heizwert, kann aber in diesen Anlagen ohne Probleme verbrannt werden. Der Chlor-gehalt sollte bei entsprechender Rauchgasreinigung ebenfalls unproblematisch sein.

3. Abfallmengen und -qualitäten

Bei der Behandlung der nassen Abfälle in der MBA fallen Ersatzbrennstoffe, Sortier-reste und Gärreste für die weitere thermische Behandlung an. Für die Gärreste wird vorerst keine landwirtschaftliche Nutzung betrachtet, sondern nur die Verbrennung.

Zur Abschätzung der für die Müllverbrennung zu erwartenden Inputmengen aus den unterschiedlichen Fraktionen und der Inputzusammensetzung werden verschiedene Einsatzszenarien betrachtet (Tab. 3). Je nach vorgesehener Entwässerung der Gär-reste ist mit einer veränderten Inputmenge und mit einer veränderten Zusammen-setzung zu rechnen. Bei den Abschätzungen wird von einem Mittelwert ausgegangen.

Wie vom ursprünglichen Konzept vorgesehen, wird der Einsatz sämtlicher anfallender Fraktionen betrachtet. Aufgrund des relativ hohen Heizwerts des Sortierrests aus der Trockenen Tonne, wird in einem weiteren Szenario ein anderweitiger Einsatz des Sortierrest angenommen, in dem diese Fraktion nicht in Müllverbrennungsanlagen ein-gesetzt wird. Ein weiteres Szenario betrachtet, dass auch der Ersatzbrennstoff aus der Nassen Tonne nicht in Müllverbrennungsanlagen verbrannt wird, sondern nur der Sortierrest aus der Nassen Tonne und der Gärrest. Die hochkalorische Mischfraktion aus dem Sortierrest aus der Trockenen Tonne und dem Ersatzbrennstoff wird ebenfalls vorgestellt. Der bisherige Restmüll wird zum Vergleich aufgeführt.

Tabelle 3: Inputmengen und Inputzusammensetzung für die Müllverbrennung bei verschiedenen Einsatzszenarien.

Restmüll Sortierrest TT + EBS + Sortierrest

NT + Gärrest

EBS + Sortierrest

NT + Gärrest

Sortierrest NT +

Gärrest Sortierrest TT + EBS

Anteil vom ursprüng-lichen RM [Ma.-%] 100,0 117,0 71,5 60,6 63,3

Heizwert [kJ/kg] 6.968 7.643 5.641 3.966 10.333

Wassergehalt [Ma.-%] 31,3 40,4 43,2 35,0 41,1

Aschegehalt [Ma.-%] 22,6 19,0 15,6 15,5 20,4

NT = Nasse Tonne, TT = Trockene Tonne

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Auswirkungen eines veränderten Sammelsystems auf die Verbrennung im MHKW Kassel

177

Auf Basis der bisherigen Versuchsergebnisse kann die Inputmenge für die Müll-verbrennung je nach Einsatzszenario zunehmen oder abnehmen. Werden sämtliche anfallenden Fraktionen in Müllverbrennungsanlagen verbrannt, ist mit einer Zunahme der Inputmenge von 17 Ma.-% bezogen auf die derzeitige Restabfallmenge zu rechnen. Werden der Sortierrest aus der Trockenen Tonne und der Ersatzbrennstoff aus der Nassen Tonne anderweitig eingesetzt, nimmt die Inputmenge um fast 40 Ma.-% bezogen auf die derzeitige Restabfallmenge ab. Der Heizwert des Sortierrests aus der Nassen Tonne und des Gärrests ist allerdings mit etwa 4.000 kJ/kg sehr gering, so dass eine Verbrennung des Ersatzbrennstoffes zur Heizwerterhöhung auf 5.600 kJ/kg sinnvoll ist. Bei diesen Betrachtungen ist auch eine Mitverbrennung des Sortierrestes aus der Trockenen Tonne zu prüfen, die den Heizwert der Mischung noch mal auf 7.600 kJ/kg erhöht. Die Heizwerte, sowie Wasser- und Aschegehalte der bei den Einsatzszenarien zu erwartenden verschiedenen Inputs sind in Abbildung 3 gegen-übergestellt.

Abbildung 3: Gegenüberstellung der Heizwerte, sowie Wasser- und Aschegehalte, der bei den verschiedenen Einsatzszenarien zu erwartenden Inputs

Die Ergebnisse zeigen, dass durch das veränderte Sammelsystem „Nasse und Trockene Tonne“ Kassel Veränderungen der Inputmengen und Inputqualitäten für die Müllverbrennung zu erwarten sind, je nachdem, wie die Nutzung der verschiedenen Fraktionen vorgesehen wird.

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Ramona Schröer, Arnd I. Urban

178

Am konkreten Beispiel des MHKW Kassel, in dem der Restmüll des Stadtgebiets Kassel etwa ein Viertel der gesamten Inputmenge beträgt, liegen die zu erwartenden Inputmengenveränderungen bei umgerechnet minus 10 bis plus 5 Ma.-%. Aufgrund des geringen Massenanteils des je nach Einsatzszenario anfallenden Inputs werden sich die zu erwartenden Änderungen der Inputzusammensetzung vermutlich nur geringfügig auswirken.

4 Zusammenfassung

Auf Basis der bisherigen Versuchsergebnisse ließ sich ein erster Überblick über die durch das neue Sammelsystem „Nasse und Trockene Tonne“ Kassel zu erwartenden Veränderungen der Mengen und Qualitäten der in Müllverbrennungsanlagen einge-tragenen Abfälle geben, die anhängig vom gewählten Einsatzszenario sind.

Zur Beurteilung der Qualitäten wurden der Ersatzbrennstoff aus der Nassen Tonne und Sortierrest aus der Trockenen Tonne in einer Technikumsverbrennungsanlage ver-brannt. Beide Brennstoffe zeigten bei der Verbrennung ein typisches und erwartetes Verhalten. Der Ersatzbrennstoff wies einen Heizwert von 9.200 kJ/kg auf. Die CO- und Staubkonzentrationen waren anlagenspezifisch unauffällig. Der Chlorgehalt betrug 0,26 Ma.-%. Insgesamt kann der Ersatzbrennstoff als unproblematischer Abfallbrennstoff bewertet werden. Der Sortierrest besaß einen hohen Heizwert von 10.800 kJ/kg. Bezogen auf die eingesetzte Kleinanlage überschritten die Staubkonzentrationen den Grenzwert und die CO-Konzentrationen waren leicht auffällig. Der Chlorgehalt betrug 0,67 Ma.-%. Der Sortierrest hat für den Einsatz in Müllverbrennungsanlagen einen relativ hohen Heizwert, sollte ansonsten aber in diesen Anlagen ohne Probleme verbrannt werden können.

Die Versuchsergebnisse zeigen, dass durch das veränderte Sammelsystem Verände-rungen der Inputmengen und Inputqualitäten für die Müllverbrennung zu erwarten sind. Bei einem Einsatz sämtlicher anfallenden Fraktionen (Sortierrest aus der Trockenen Tonne, Ersatzbrennstoffe, Sortierrest aus der Nassen Tonne und Gärrest) ist mit einer Zunahme der Inputmenge von 17 Ma.-% bezogen auf die derzeitige Restabfallmenge zu rechnen. Werden der Sortierrest aus der Trockenen Tonne und der Ersatzbrennstoff aus der Nassen Tonne andersweitig eingesetzt und nur der Sortierrest aus der Nassen Tonne und der Gärrest in Müllverbrennungsanlagen verbrannt, nimmt die Inputmenge um fast 40 Ma.-% bezogen auf die derzeitige Restabfallmenge ab. Gerade in Bezug auf die je nach Einsatzszenario zu erwartenden Heizwerte ist zu prüfen, welche Fraktionen zusammen in Müllverbrennungsanlagen verbrannt werden sollten.

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Auswirkungen eines veränderten Sammelsystems auf die Verbrennung im MHKW Kassel

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5 Literaturverzeichnis

Schröer, R.; Urban, A. (2008): Qualitätskontrolle von Ersatzbrennstoffen im Technikumsmaßstab, in: Bilitewski, B., Werner, P., Rotter, S., Hoffmann, G. (Hrsg.): EBS – Analytik, Anforderungen – Probleme – Lösungen, Institut für Abfallwirtschaft und Altlasten, Technische Universität Dresden, 195-204.

Schröer, R.; Morgan, R. M.; Urban, A. I. (2007): Nasse + trockene Restabfalltonne - Ein neues Sammelsystem für Kassel?, in: Urban, A., Halm, G., Morgan, R. (Hrsg.): Weiterentwicklung der Abfallsammlung - Abfallwirtschaft ohne Duale Systeme?, Fachgebiet Abfalltechnik, Universität Kassel, 111-121.

Schröer, R.; Schirmer, M.; Urban, A. I. (2006): Verbesserte Chloruntersuchung von Brennungsstoffen im Technikumsmaßstab. in: Urban, A., Faulstich, M., Bilitewski, B. (Hrsg.): 11. Fachtagung Thermische Abfallbehandlung, Fachgebiet Abfalltechnik, Universität Kassel, 231-242.

Seeger H. (2005): Untersuchungen zur Bestimmung des Verbrennungsverhaltens von festen Abfallstoffen, Dissertation, Fachgebiet Abfalltechnik, Universität Kassel, 113 S..

Seeger, H.; Kock, O.; Urban, A. I. (2003): Experimentelle Bestimmung des Verbrennungsverhaltens von Abfällen. in: Urban, A., Bilitewski, B., Faulstich, M. (Hrsg.): 8. Fachtagung Thermische Abfallbehandlung, Fachgebiet Abfalltechnik, Universität Kassel, 263-274.

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Ramona Schröer, Arnd I. Urban

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B. Bilitewski, A.I. Urban, M. Faulstich (Hrsg.)

14. Fachtagung Thermische Abfallbehandlung

Auswirkungen des ElektroG auf den Schadstoffeintrag im Restabfall

Dipl.-Ing. Alexander Janz Prof. Dr.-Ing. habil. Dr. h.c. Bernd Bilitewski

Technische Universität Dresden

Dresden

Schriftenreihe des Fachgebietes Abfalltechnik Universität Kassel

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Alexander Janz, Bernd Bilitewski

182

1 Einführung und Zielsetzung

Das Gesetz über das Inverkehrbringen, die Rücknahme und die umweltverträgliche Entsorgung von Elektro- und Elektronikgeräten (Elektro- und Elektronikgerätegesetz – ElektroG) vom 16. März 2005 schreibt gemäß § 9, Abs. 1 i. V. m. § 24 die getrennte Erfassung elektrischer und elektronischer Altgeräte seit dem 24. März 2006 verbindlich vor [ElektroG 2005]. Die Verfasser stellten im Jahr 2006 die These auf, dass trotz dieser Pflicht zur getrennten Erfassung

• weiterhin elektrische und elektronische Altgeräte (EAG) in nennenswertem Umfang über den Restabfall entsorgt werden und

• diese EAG für hohe Schwermetallbelastungen des Restabfalls verantwortlich sind [Janz et al. 2007].

Einerseits sind Freisetzung und Distribution dieser Schadstoffe während der Behand-lungsverfahren und der Deponierung verbunden mit Gesundheits- und Umweltgefähr-dungen. Die gezielte Separation und Aufbereitung besonders wertstoffreicher EAG-Komponenten (Leiterplatten, Kupferleitungen und ähnliche) führt andererseits zu einer Entlastung des Primärrohstoffbedarfs.

Im vorliegenden Beitrag werden Elektronikschrottanteile in häuslichen Restabfällen vor Inkrafttreten des ElektroG mit den Ergebnissen nach Inkrafttreten des ElektroG ver-glichen. Zudem werden die Schwermetallbeiträge von EAG und Gerätebatterien im deutschen Restabfall sowie das Abreicherungspotenzial durch Aufbereitung unter-sucht.

2 Vorgehen

Zur Feststellung des Masseanteils am Restabfall vor Inkrafttreten der Getrennt-haltungspflicht wurden Sortieranalysen unterschiedlicher Kommunen recherchiert und ausgewertet. Zur Feststellung der Masseanteile nach Inkrafttreten der Getrennt-haltungspflicht wurde eine Sortieranalyse des Restabfalls der Stadt Dresden durch-geführt. In diesem Zuge wurden insgesamt 14,2 Mg feste Restabfälle aus unterschied-lichen Siedlungsstrukturen auf den Gehalt an EAG hin untersucht. Vereinfachend wurde davon ausgegangen, dass das Sortierergebnis qualitativ die Situation im über-wiegenden Teil Deutschlands widerspiegelt. Elektr(on)ische Altgeräte und deren Einzelteile wurden aus dem Restabfall separiert und kategorisiert. In der Folge wurden auf Grundlage von Voruntersuchungen bestimmte Gerätetypen und -bauteile (Leiter-platten) ausgewählt, die besonders hohe Konzentrationen und Frachtbeiträge an Schwermetallen erwarten lassen [Rotter et al. 2006]. Diese wurden auf ihre Schwer-metallbelastung hin untersucht. Gerätebatterien unterliegen gemäß der deutschen Batterieverordnung (BattV) ebenfalls der Pflicht zur getrennten Erfassung. Daher wur-

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Auswirkung des ElektroG auf den Schadstoffeintrag im Restabfall

183

den im Zuge der praktischen Untersuchungen auch lose und geräteinterne Batterien und Akkus aus dem Restabfall separiert. Die Batterien wurden zudem hinsichtlich ihres Chemismus sortiert. Auf Grundlage einer umfangreichen Literaturauswertung wurde die Schwermetallbelastung der einzelnen Batterietypen bestimmt. Aus den Schwer-metallkonzentrationen der EAG und Batterien sowie deren Masseanteil im Restabfall wurde ihr jeweiliger Beitrag zur Schwermetallfracht des Restabfalls errechnet. Die separierten elektr(on)ischen Altgeräte wurden sortiert in Gerätegruppen, welche gemäß Anhang I des ElektroG kategorisierbar sind, und in alle „anderen“ EAG. Die Katego-risierung erfolgte unter Anwendung der „Hinweise zur Anwendungsbereich ElektroG“ vom BMU [BMU 2007]. Des Weiteren wurden sämtliche abgetrennten Batterien in Typenklassen unterteilt und verwogen.

3 EAG im Restabfall vor und nach Inkrafttreten der Getrennthaltungspflicht

Bezüglich des E-Schrott-Gehalts im Restabfall wurden vor Umsetzung des ElektroG mehrere Voruntersuchungen in Rheinland-Pfalz, Berlin, Brandenburg und Sachsen durchgeführt. In den Jahren 2004 bis 2005 waren in den sortierten Stichproben zwischen 0,4 bis 1,5 Gewichtsprozent tonnengängige Altgeräte enthalten (Tab. 1).

Die Untersuchungsergebnisse zeigen für Dresden einen Masseanteil EAG von 1,3 % an der Stichprobe. Das gewichtete Mittel für das gesamte Stadtgebiet beträgt 0,98 % und bewegt sich auch nach der Umsetzung der Getrennthaltungspflicht im Bereich der Erfahrungswerte der Vorjahre. Von der Gesamtmasse der separierten EAG ließen sich rund 48 % gemäß ElektroG kategorisieren, der Rest setzte sich überwiegend aus Teilen der Kfz-Elektronik, einzelner Kabel, sowie Leuchten aus Haushalten zusammen.

Tabelle 1: Elektronikschrott im Restabfall (erweitert nach Rotter et al. [2006])

Sortierte Abfallmenge

davon EAG EAG- Anteil an der

Stichprobe

Ort / Region Zeit

[kg] [kg] [Stück] [Masse-%]

Rheinl.-Pfalz Feb./April 04 6.719 51 --- 0,8 Rheinl.-Pfalz Feb./April 04 8.965 71,1 --- 0,8 Rheinl.-Pfalz Feb./April 04 7.122 106,8 --- 1,5 Berlin Nov. 04 1.561 6,5 26 0,4 Sachsen Feb. 05 4.500 36,0 69 0,8 Brandenburg Aug. 05 1.650 9,9 13 0,6 Sachsen Okt. 05 1.050 13,3 24 1,3 Berlin Nov. 05 1.524 16,0 14 1,0 Dresden Juni/Sept. 06 14.168 178,3 110 1,3

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Alexander Janz, Bernd Bilitewski

184

4 Probenaufbereitung und Analyseverfahren

Die nachfolgende Feinaufbereitung der EAG-Proben wurde im umweltanalytischen Labor des IAA durchgeführt. Die getrockneten Proben wurden mittels einer Schneid-mühle (Labormühle Retsch SM 2000) oder nach Versprödung mit flüssigem Stickstoff mittels einer Rotormühle (Ultrazentrifugalmühle Retsch ZM 200) feinzerkleinert. Die Schwermetallanalytik wurde nach einem Mikrowellendruckaufschluss mittels Atom-Absorptionsspektroskopie durchgeführt.

5 Beiträge zur Schwermetallfracht im Restabfall

Die entfrachteten Restabfallproben weisen erwartungsgemäß geringe Schwermetall-konzentrationen im Vergleich zu Leiterplatten und Batterien auf (Tab. 2). Die Spann-breite beim entfrachteten Restabfall reicht von 3 mg/kg TS bei Cadmium bis 388 mg/kg TS bei Zink.

Tabelle 2: Schwermetallkonzentrationen in Gerätebatterien, Leiterplatten und Restabfall und Beiträge zur Gesamtfracht (Analyse Restabfall Dresden)

Cad

miu

m

[mg/

kg T

S]

Spe

zifis

cher

Fr

acht

beitr

ag

Nic

kel

[mg/

kg T

S]

Spe

zifis

cher

Fr

acht

beitr

ag

Zink

[mg/

kg T

S]

Spe

zifis

cher

Fr

acht

beitr

ag

Chr

om

[mg/

kg T

S]

Spe

zifis

cher

Fr

acht

beitr

ag

Ble

i

[mg/

kg T

S]

Spe

zifis

cher

Fr

acht

beitr

ag

Restabfall 3 43 % 63 74 % 388 73 % 260 100 % 179 86 %

Leiterplatten 92 2 % 7.676 9 % 9.197 2 % 336 0 % 29.170 14 %

Batterien lose 1.688 21 % 9.111 6 % 186.826 21 % 0 0 % 0 0 %

Batterien in EAG 14.836 35 % 66.784 11 % 159.336 4 % 0 0 % 0 0 %

Gerätebatterien, welche in Summe lediglich zu 0,05 % im Dresdner Restabfall vor-gefunden wurden, sind für etwa 56 % der gesamten Cadmiumfracht im Restabfall ver-antwortlich (Abb. 1). Verursacht wird dieser hohe Wert durch Nickel-Cadmium-Akku-mulatoren. Typische cadmiumhaltige EAG wie Solarzellen, Kathodenstrahlröhren, PVC-haltige Bauteile etc. wurden bei der Sortieranalyse nicht vorgefunden. Zink wird zu etwa einem Viertel durch Zink-Kohle-Batterien in den Restabfall eingetragen. Ledig-lich 0,05 % des Restabfalls bestehen aus integralen oder losen Leiterplatten, welche 14 % der Bleifracht im Restabfall verursachen. Dies ist auf den Einsatz von bleihaltigen Loten zurückzuführen.

In Tabelle 3 werden die jährlichen Gesamtfrachten an Schwermetallen für den Rest-abfall der Stadt Dresden und Deutschlands hochgerechnet.

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Auswirkung des ElektroG auf den Schadstoffeintrag im Restabfall

185

Tabelle 3: Beiträge zur Schwermetallfracht im deutschen Restabfall

Mit Gerätebatterien werden in Deutschland etwa 21 Mg/a von insgesamt 38 Mg/a Cadmium in den Restabfall eingetragen. Bundesweit errechnet sich ein Bleieintrag von rund 180 Mg/a durch Leiterplatten in den Restabfall, was etwa 14 % der Gesamtfracht von 1.278 Mg/a entspricht. Bleihaltige Batterien wurden nicht festgestellt. Dies kann der Pfandpflicht für Starterbatterien oder einem größeren Umweltbewusstsein der Bürger bei der Entsorgung großer Batterien geschuldet sein. Zink wird mit 698 Mg/a zu etwa 21 % durch lose Batterien in den Restabfall eingetragen. Hier kann mit einer rückläu-figen Tendenz gerechnet werden, da Zink-Kohle-Batterien kontinuierlich Marktanteile gegen Alkali-Mangan-Batterien verlieren [SGR 2008]. Der Beitrag an Gesamt-Chrom wird mit annähernd 100 % durch den Restabfall geleistet. Eine gewisse Verschiebung hin zu Elektroschrott kann durch verchromte Kunststoff- und Metallgehäuse verursacht werden, welche im Zuge dieser Untersuchung nicht beachtet wurden. Lediglich 0,4 Mg Quecksilber werden jährlich durch Knopfzellen bundesweit eingetragen.

6 Ausblick und Diskussion

Gerätebatterien sowie elektronische und elektronische Altgeräte werden trotz der Pflicht zur getrennten Erfassung gemäß BattV und ElektroG weiterhin im nennens-werten Umfang über den Restabfall entsorgt. Trotz ihres geringen Gewichtanteils an der Rohabfallmenge von etwa 1 % zeichnen sie für hohe Frachtbeiträge an Schwer-metallen verantwortlich, was Tabelle 3 sowie die Abbildung 1 am Beispiel von Cad-mium verdeutlichen. Aufsummiert liegen die Frachtbeiträge (EAG und Gerätebatterien) bezogen auf die Gesamtfracht des jeweiligen Schwermetalls im gemischten Restabfall in einer Spannweite von 14,1 % bei Blei bis 57,5 % bei Cadmium.

Fraktion [kg/a] Fracht-Beitrag [kg/a] Fracht-

Beitrag [kg/a] Fracht-Beitrag [kg/a] Fracht-

Beitrag [kg/a] Fracht-Beitrag [kg/a] Fracht-

BeitragBatterien lose 48,6 21,3% 0 0,0% 4.207 21,3% 183 5,8% 0 0,0% 1,2 48,9%Batterien im Gerät 79,2 34,7% 0 0,0% 851 4,3% 357 11,3% 0 0,0% 1,3 51,1%Leiterplatten 3,4 1,5% 1.088 14,1% 343 1,7% 286 9,1% 13 0,1% n. b. 0,0%RM entfrachtet 96,9 42,5% 6.613 85,9% 14.369 72,7% 2.323 73,8% 9.634 99,9% n. b. 0,0%Summe 228,2 100% 7.702 100% 19.770 100% 3.149 100% 9.646 100% 2,5 100%

[Mg/a] Fracht-Beitrag [Mg/a] Fracht-

Beitrag [Mg/a] Fracht-Beitrag [Mg/a] Fracht-

Beitrag [Mg/a] Fracht-Beitrag [Mg/a] Fracht-

Beitrag

Batterien lose 8,1 21,3% 0,0 0,0% 698,0 21,3% 30,3 5,8% 0,0 0,0% 0,2 48,9%Batterien im Gerät 13,1 34,7% 0,0 0,0% 141,2 4,3% 59,2 11,3% 0,0 0,0% 0,2 51,1%Leiterplatten 0,6 1,5% 180,6 14,1% 56,9 1,7% 47,5 9,1% 2,1 0,1% n.b. 0,0%RM entfrachtet 16,1 42,5% 1097,3 85,9% 2.384 72,7% 385,5 73,8% 1.598 99,9% n.b. 0,0%Summe 38 100% 1.278 100% 3.280 100% 522 100% 1.601 100% 0,4 100%

HgCd Pb Zn Ni

BR

D

Cr

Dre

sden

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Alexander Janz, Bernd Bilitewski

186

Abbildung 1: Fraktionsspezifische Beiträge zur Cadmiumfracht des Restabfalls

Die Identifikation und Abtrennung kleiner elektrischer und elektronischer Altgeräte lässt einen hohen personellen und finanziellen Aufwand erwarten, da Rotter et al. [2006] keine Identifikationskriterien zur automatischen Ausschleusung kleiner EAG aus gemischten Restabfällen gefunden haben. Empfehlungen zur gezielten Entnahme von Elektronikschrott aus Restabfall sind daher von der anschließenden Behandlungs-methode abhängig. Die thermische Behandlung des Restabfalls auf dem Niveau deut-scher Verbrennungstechnologie und Abgasreinigung lässt keine Notwendigkeit zur expliziten Batterie- und EAG-Separierung erwarten. Bei der mechanisch-biologischen Behandlung besteht nach Ansicht der Verfasser im Gegensatz dazu Forschungsbedarf.

Abbildung 2 zeigt beispielhaft die Cadmiumkonzentration im Trockenstabilat als Funk-tion der Abreicherung von elektrischen und elektronischen Altgeräten und Batterien. Hiernach müssen rund 65 % EAG und Batterien vor der Trockenstabilisierung abge-trennt werden, um die Qualitätskriterien der Gütegemeinschaft Sekundärbrennstoffe und Recyclingholz e. V. (BGS) erfüllen zu können. Es ist jedoch bisher nicht hinrei-chend untersucht, inwiefern Schwermetalle aus Elektronikschrott und Gerätebatterien während der Intensivrotte (nachgeschaltete Metallseparierung) freigesetzt werden können und die Grundbelastung des Trockenstabilats erhöhen.

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Auswirkung des ElektroG auf den Schadstoffeintrag im Restabfall

187

Abbildung 2: Cadmiumkonzentration im Trockenstabilat in Abhängigkeit des Separierungsgrads

7 Literaturverzeichnis

BMU – Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (2007): Hinweise zum Anwendungsbereich des ElektroG. Internet: http://www.umweltdaten.de/abfallwirtschaft/elektrog/anwendungsbereich.pdf (Recherchedatum: 18.03.2007)

Gesetz über das Inverkehrbringen, die Rücknahme und die umweltverträgliche Entsorgung von Elektro- und Elektronikgeräten (Elektro- und Elektronikgerätegesetz – ElektroG) vom 16. März 2005

Janz, A., Rotter, S. (2006): Detection of Recycling Materials and Hazardous Substances in Waste Electrical and Electronic Equipment with Automatic Sorting Technologies. Vortrag im Zuge der Achema 2006 am 15.05.2006, Frankfurt/Main.

Janz, A., Rotter, S., Bilitewski, B. (2007): The contribution of WEEE to the content of hazardous substances and recycables in residual household waste. Vortrag auf dem „International Waste Management and Landfill Symposium SARDINIA 2007“.

Rotter, S., Janz, A., Bilitewski, B. (2006): Charakterisierung von kleinen elektrischen und elektronischen Altgeräten (EAG). Teil 1+2. Müll und Abfall 7/8-2006, Berlin.

SGR – Stiftung Gemeinsames Rücknahmesystem (2008): Erfolgskontrolle gemäß §10(1) BattV. Internet: http://www.grs-batterien.de/ger/informationen/download/ erfolg06.pdf. (Recherchedatum: 12.01.2008).

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Alexander Janz, Bernd Bilitewski

188

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B. Bilitewski, A.I. Urban, M. Faulstich (Hrsg.)

14. Fachtagung Thermische Abfallbehandlung

Wie wirkt sich die Papiernachfrage auf den Input in Verbrennungsanlagen aus?

Dipl.-Ing. Thomas Kügler Prof. Dr.-Ing. habil. Dr. h.c. Bernd Bilitewski

Intecus GmbH

Dresden

Schriftenreihe des Fachgebietes Abfalltechnik Universität Kassel

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Thomas Kügler, Bernd Bilitewski

190

1 Einführung

Im Bereich der Papierindustrie sind in den letzten 15 Jahren signifikante Veränderungen der Stoffströme infolge gesetzlicher Regelungen (VerpackV, Selbstverpflichtung der graphischen Papierhersteller, Verarbeiter, Druckfarben-hersteller etc.) sowie durch technische Weiterentwicklungen im Bereich der Altpapieraufbereitung, der Deinkingtechnologie und der Abwasserreinigung zu verzeichnen. Weiterhin spielen die Entwicklung des Altpapiermarktes und des Entsorgungsmarktes eine wesentliche Rolle.

Mit dem vorliegenden Beitrag soll die Entwicklung der getrennten Altpapiererfassung und die Auswirkung auf die Inputqualitäten von Verbrennungsanlagen gezeigt werden.

2 Papierherstellung, Verbrauch und Entwicklung der Erfassungsmengen

Im Auftrag des VDP wurde 1990 von INTECUS für die alte Bundesrepublik ein Modell erarbeitet und bis heute fortgeführt, das die Mengenströme für Papier in allen Herstel-lungs- und Verbrauchsstufen beinhaltet [INTECUS 1992].

Der Vergleich zeigt folgende Entwicklungen:

• Die Gesamtproduktion stieg von 12,941 Mio. Mg Papier, Pappe und Karton auf 22,656 Mio. Mg.

• Die Marktversorgung wurde 1992 durch einen Nettoimportüberschuss realisiert, ab dem Jahr 2002 entstand ein Nettoexportüberschuss, so dass die Marktversorgung mit Papier- und Pappeprodukten aus dem Ausland nicht mehr notwendig ist.

• Steigerung der Abschöpfung des Altpapierpotenzials von 55,3 % im Jahr 1992 auf 84,0 % im Jahr 2006; dabei stieg die Menge an getrennt gesammeltem Altpapier von 6,785 Mio. Mg auf 13,889 Mio. Mg im Jahr 2006 an.

• Der Anteil von nicht getrennt gesammeltem Altpapier am Abfallpapier beim End-verbraucher lag im Jahr 1992 bei 44,7 % (absolut 5,483 Mio. Mg); im Jahr 2006 wurden 2,647 Mio. Mg Altpapier nicht getrennt gesammelt (Anteil: 16,0 %).

• Vom nicht getrennt gesammeltem Altpapier wurden 1992 3,915 Mio. Mg deponiert (Anteil: 71,4 %); im Jahr 2006 wurden 0,284 Mio. Mg deponiert (Anteil: 10,7%).

• Der Anteil des über die Monotonne gesammelten Altpapiers stieg von 44 % auf 57 %, hingegen ist die Erfassungsmenge über das System Depotcontainer auch absolut rückläufig.

Das Altpapierpotenzial und die getrennte Erfassung beim Endverbraucher (haushalts-nah und gewerblich) zeigen sich wie folgt (Abb. 1).

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Wie wirkt sich die Papiernachfrage auf den Input in Verbrennungsanlagen aus?

191

Abbildung 1: Entwicklung der Altpapiererfassung in Abhängigkeit vom theoretischen Altpapierpotenzial beim Endverbraucher [Bilitewski 2005]

Insbesondere bei der gewerblichen Sammlung ist in den letzten Jahren ein Anstieg der Erfassungsmengen zu verzeichnen. Deutlich gesenkt wurde das nicht erfasste Alt-papier beim Endverbraucher. Einen Vergleich des nicht getrennt gesammelten Altpapiers sowie des darin enthaltenen nicht stofflich verwertbaren Anteils am Altpapier zeigt beispielhaft für die Jahre 1992 und 2006 die Abbildung 2.

Abbildung 2: Anteile des verwertbaren und nicht verwertbaren Anteils des Altpapiers zur Abfallentsorgung

Entwicklung der haushaltsnahen und gewerblichen Altpapiererfassung in Abhängigkeit vom Altpapierpotenzial beim Endverbraucher

2,33,9 4,4 5,0 5,3 4,8

5,7 6,1 6,2 6,3 6,3 6,1 5,9 6,1 6,13,5

2,93,2

3,54,2 5,0

4,54,9 5,3

6,0 6,3 6,3 6,26,8 7,4

5,35,5 4,2

4,0 2,7 2,63,1

3,23,3

3,6 2,9 2,5 3,22,7 2,2

6,3

2,2

7,6

2,6

2,6

5,1

0,0

2,0

4,0

6,0

8,0

10,0

12,0

14,0

16,0

18,0

1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006

Altp

apie

rerf

assu

ng in

Mio

. Mg

Haushaltsnahe Altpapiererfassung

Nicht erfasstes Altpapier beim Endverbraucher

Gewerbliche Altpapiererfassung

Altpapier zur Abfallentsorgung 1992 und 2006

0

1

2

3

4

5

6

1992 2006

[Mio

Mg]

AP zur Abfallentsorgung davon nicht getrennt gesammeltdavon nicht verwertbar

88 %

55 %12 %

45 %

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Thomas Kügler, Bernd Bilitewski

192

Zum Einen ist erkennbar, dass das verwertbare, jedoch nicht getrennt gesammelte Alt-papier sowohl absolut, als auch prozentual deutlich gesenkt werden konnte. Zum Anderen zeigt sich aber auch, dass der Anteil an nicht verwertbarem Altpapier sich im Vergleich zu 1992 mehr als verdoppelt hat.

Entwicklung der getrennten Altpapiererfassung in den Bundesländern

Bei der Auswertung der Abfallbilanzen der Bundesländer fallen hinsichtlich der kom-munalen Erfassungsmengen der letzten Jahre folgende Entwicklungen auf (Abb. 3):

• Nach rückläufiger Tendenz von 2000 bis 2003 stieg die kommunale Altpapier-erfassungsmenge auf über 76 kg/(E*a) an.

• Steigerungen bei der kommunalen Erfassungsmenge gab es in den letzten Jahren überwiegend in den westlichen Bundesländern [Beispiel Rheinland-Pfalz] (These: Einführung Monotonne und niedriger Anfangswert; weitere Einführung von verur-sachergerechten Systemen).

• Ein Rückgang beziehungsweise eine Stagnation bei der kommunalen Erfassungs-menge ist überwiegend in den östlichen Bundesländern [Beispiel Sachsen] fest-stellbar (These: verstärkte Abschöpfung durch gewerbliche Altpapiersammlungen).

Interessant vor dem Hintergrund des extrem schwankenden Marktes für Altpapier der letzten Monate dürfte die Entwicklung der Jahre 2008 und 2009 werden.

Abbildung 3: Entwicklung des kommunalen Altpapieraufkommens von 2000 bis 2007; hervorgehobene Darstellung für Rheinland-Pfalz, Sachsen und Mittelwert

Entwicklung des kommunalen Altpapieraufkommens in Deutschland 2000 - 2007; Stand 01/09

50,0

55,0

60,0

65,0

70,0

75,0

80,0

85,0

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007

Jahre

Altp

apie

rauf

kom

men

[kg/

(E*a

)]

Baden-WürttembergBayernBerlinBrandenburgBremenHamburgHessenMecklenburg-VorpommernNiedersachsenNordrhein WestfalenRheinland-PfalzSaarlandSachsenSachsen-AnhaltSchleswig-HolsteinThüringengewichteter Mittelwert

(Abfallbilanzen der Länder 2000 - 2007)

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Wie wirkt sich die Papiernachfrage auf den Input in Verbrennungsanlagen aus?

193

Für die Schwankung des Restabfalls in Abhängigkeit der Bebauungsstruktur wurden 16 Abfallanalysen aus städtischen Entsorgungsgebieten und 21 Abfallanalysen aus länd-lichen Entsorgungsgebieten ausgewertet. Tendenziell ist in ländlichen Entsorgungs-gebieten im Vergleich zu städtischen Gebieten ein deutlich geringerer durchschnitt-licher Altpapieranteil feststellbar (Abb. 4). Die Darstellung der Minimal- und Maximal-Werte zeigt jedoch auch, dass die Schwankungsbreite des Altpapiers in den betrach-teten Entsorgungsgebieten in wesentlich geringerem Umfang ausgebildet ist.

Abbildung 4: Anteil Altpapier im Restabfall in städtischen und ländlichen Entsorgungsgebieten

3 Auswirkungen auf den Input von Verbrennungsanlagen

Im Jahr 2006 wurden 2,647 Mio. Mg Altpapier der Abfallentsorgung zugeführt. Davon sind 1,453 Mio. Mg/a nicht verwertbares Altpapier, so dass als noch vorhandenes Alt-papierpotenzial zur getrennten Sammlung noch 1,194 Mio. Mg beziffert werden können. Davon gehen rund 0,985 Mio. Mg in die thermische Behandlung.

Bei voller Abschöpfung dieser Menge gehen der thermischen Abfallbehandlung somit rund 1 Mio. Mg verloren.

Altpapieranteil im Restabfall zwischen 2001-2007

12,9%

8,1%0,0%

5,0%

10,0%

15,0%

20,0%

25,0%

Min Max Median

[Ma.

-%]

Städtische Entsorgungsgebiete (n=16)

Ländliche Entsorgungsgebiete(n=21)

Altpapieranteil im Restabfall zwischen 2001-2007

12,9%

8,1%0,0%

5,0%

10,0%

15,0%

20,0%

25,0%

Min Max Median

[Ma.

-%]

Städtische Entsorgungsgebiete (n=16)

Ländliche Entsorgungsgebiete(n=21)

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Thomas Kügler, Bernd Bilitewski

194

Auswirkungen auf den Heizwert des Restabfalls

Durch die Entnahme des Altpapiers aus dem Restabfall kommt es zu einer Verrin-gerung des Heizwertes, da die Papierfraktion zu den heizwertreicheren Fraktionen der Abfälle gehört. Sowohl für den Hausmüll als auch für das Altpapier gibt es insbeson-dere in Abhängigkeit der Zusammensetzung Schwankungen im Heizwert.

Ausgehend von einem Heizwert von 9.000 kJ/kg sinkt der Heizwert bis auf 8.590 kJ/kg bei vollständig getrennter Erfassung des verwertbaren Altpapiers (Abb. 5) unter der Voraussetzung, dass Altpapier einen durchschnittlichen Heizwert von 14.000 kJ/kg und Hausmüll einen durchschnittlichen Heizwert von 9.000 kJ/kg aufweist. Im Bilanzjahr 2006 liegt die Menge an Restabfall und Gewerbeabfall zur thermischen Verwertung bei 13,0 Mio. Mg pro Jahr [Statistisches Bundesamt 2008].

Abbildung 5: Heizwertentwicklung von Restabfall in Abhängigkeit der Altpapierentnahme

Auswirkungen auf weitere verbrennungsrelevante Parameter

Hinsichtlich der verbrennungsrelevanten Parameter gibt es eine Vielzahl von Analysen sowohl für das Altpapier, als auch die Restabfallfraktion. Für die folgenden Betrach-tungen wurden die Analysen des BayLfU [2003] genutzt.

Das Altpapier im Restabfall stellt eine Schadstoffsenke dar (Tab. 1).

Heizwertentwicklung des Restabfalls bei der Entnahme von Altpapier

8.3008.4008.5008.6008.7008.8008.9009.0009.100

0% 20% 40% 60% 80% 100%

Altpapierentnahme [%]

Hu

[kJ/

kg]

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Wie wirkt sich die Papiernachfrage auf den Input in Verbrennungsanlagen aus?

195

Tabelle 1: Gegenüberstellung ausgewählter Parameter der Altpapierfraktion im Restabfall und des Restabfalls (Datenquelle: BayLfU 2003)

Parameter Papierfraktion [mg/kg TS]

Restabfall [mg/kg TS]

Anteil in der Papierfraktion [%]

Chlor 1.550 6.238 24,8%

Schwefel 970 2.761 35,1%

Blei 14 208 6,7%

Cadmium 2,3 9,6 24,0%

Chrom 30 336 8,9%

Kupfer 54 353 15,3%

Mangan 52 293 17,7%

Nickel 9,7 38 25,5%

Quecksilber 0,057 0,191 29,8%

Zink 139 505 27,5%

Zinn 8,9 26,5 33,6%

Mit einer Altpapiervorwegnahme wird sich die Konzentration der dargestellten Para-meter im Restabfall erhöhen. Dies soll im Folgenden beispielhaft durch die Entwicklungen der Parameter Chlor (Abb. 6) und Schwefel (Abb. 7) sowie Blei (Abb. 8) und Chrom (Abb. 9) gezeigt werden.

Abbildung 6: Entwicklung des Chlorgehaltes im Restabfall in Abhängigkeit der Altpapierentnahme

Entwicklung des Chlorgehaltes im Restabfall bei der Entnahme von Altpapier

6.0006.1006.2006.3006.4006.5006.6006.7006.8006.9007.000

0% 20% 40% 60% 80% 100%

Altpapierentnahme [%]

[mg/

kg T

S]

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Thomas Kügler, Bernd Bilitewski

196

Abbildung 7-9: Entwicklung des Schwefel-, Blei- und Chromgehaltes im Restabfall in Abhängigkeit der Altpapierentnahme

Entwicklung des Bleigehaltes im Restabfall bei der Entnahme von Altpapier

200205210215220225230235240245250

0 0,2 0,4 0,6 0,8 1

Altpapierentnahme [%]

[mg/

kg T

S]

Entwicklung des Schwefelgehaltes im Restabfall bei der Entnahme von Altpapier

2.600

2.650

2.700

2.750

2.800

2.850

2.900

2.950

0% 20% 40% 60% 80% 100%

Altpapierentnahme [%]

[mg/

kg T

S]

Entwicklung des Chromgehaltes im Restabfall bei der Entnahme von Altpapier

325330335340345350355360365370375

0% 20% 40% 60% 80% 100%

Altpapierentnahme [%]

[mg/

kg T

S]

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Wie wirkt sich die Papiernachfrage auf den Input in Verbrennungsanlagen aus?

197

Auswirkungen auf die Quantität und Qualität von EBS

Die Auswirkungen auf Quantität und Qualität (Heizwert) von EBS aus mechanisch-biologischen Abfallbehandlungsanlagen wurde beispielhaft an drei Anlagen exem-plarisch untersucht (Abb. 10).

Abbildung 10: Auswirkung der Altpapiervorwegnahme auf den Input von MBA-Anlagen und den EBS-Output der Anlagen

Im Vergleich der drei untersuchten Anlagen zeigt sich, dass die Auswirkungen auf die Inputmenge durch den Altpapieranteil im Input bestimmt wird, hingegen beim EBS-Output die Verfahrenstechnik der Aufbereitung die Menge an EBS signifikant bestimmt.

Die Berechnung der Auswirkungen auf den Heizwert von EBS durch eine Altpapier-vorwegnahme zeigt, dass der Heizwert nahezu unverändert bleibt. Vielmehr spielt der Kunststoffanteil und der Wassergehalt im EBS die entscheidende Rolle (Tab. 2).

Tabelle 2: Auswirkungen der Altpapiervorwegnahme auf den Heizwert des EBS-Output von MBA-Anlagen

Heizwertentwicklung beim EBS

EBS 1 [kJ/kg]

EBS 2 [kJ/kg]

EBS 3 [kJ/kg]

Altpapiervorwegnahme: 0 % 13.067 16.003 14.901

Altpapiervorwegnahme: 100 % 12.712 16.396 15.173

Veränderung in % - 2,7 2,5 1,8

Auswirkung der Altpapiervorwegnahme auf den Input MBA-Anlagen und die EBS-Menge -ausgewählte Beispiele-

25%29%

41%

31%

24%

18%

85%

80%

92%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

100%

Input MBA 1 Input MBA 2 Input MBA 3 Output EBS 1 Output EBS 2 Output EBS 3

[Ma.

-%]

AP-Vorwegnahme 0%AP-Vorwegnahme 100%

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Thomas Kügler, Bernd Bilitewski

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4 Fazit

Derzeit sind fast 1,2 Mio. Mg Altpapier im Restabfall enthalten, welches getrennt erfasst und verwertet werden könnte. Davon gehen fast 1,0 Mio. Mg Altpapier in die thermische Behandlung. Eine getrennte Erfassung dieses Altpapiers hätte neben der Mengenreduzierung eine Heizwertabsenkung und eine Konzentrationserhöhung von verbrennungsrelevanten Parametern zur Folge. Die Konzentrationserhöhung liegt durchschnittlich im Bereich von 5 bis 7 %, kann im Einzelfall jedoch höher liegen.

Auf EBS hat die Altpapiervorwegnahme einen signifikanten Einfluss auf EBS-Mengen. Der Heizwert von EBS bleibt durch eine Altpapiervorwegnahme nahezu unverändert.

Signifikante Auswirkungen wird eine Altpapiervorwegnahme auf den biogenen Anteil im Input von Verbrennungsanlagen haben.

5 Literaturverzeichnis

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Bilitewski, B. (2005 und Fortschreibung): Stoffstrom Papier in der Bundesrepublik Deutschland; Müllhandbuch, Band 5, Kennzahl 8613, Juni 2005AEA Energy & Environment (2007): Strategic Analysis of the UK Energy from Waste Market.

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B. Bilitewski, A.I. Urban, M. Faulstich (Hrsg.)

14. Fachtagung Thermische Abfallbehandlung

EBS-Schnelltests: Eine Ergänzung zur konventionellen Qualitätssicherung?

Dipl.-Ing. Gaston Hoffmann, Dipl.-Ing. Daniel Schingnitz

Technische Universität Dresden

Dresden

Prof. Dr.-Ing. Vera Susanne Rotter, Dipl.-Ing. Annekatrin Lehmann

Technische Universität Berlin

Berlin

Dr. rer. nat. Thomas Marzi, Dr.-Ing. Edda Möhle

Fraunhofer Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik

Oberhausen

Schriftenreihe des Fachgebietes Abfalltechnik Universität Kassel

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Gaston Hoffmann, Daniel Schingnitz, Thomas Marzi, Edda Möhle, Vera Susanne Rotter, Annekatrin Lehmann

200

1 Qualitätssicherungsmaßnahmen

Die Herstellung und Verwertung abfallstämmiger Brennstoffe wurde aufgrund des Preisanstieges für Regelbrennstoffe wie Braun- und Steinkohle ein viel diskutiertes Thema. Obgleich es keine einheitliche Definition dieser Brennstofftypen gibt, ist die geläufigste Bezeichnung „Ersatzbrennstoff“ (EBS). Vorwiegend findet eine Unterteilung von EBS in, mittels Mechanisch-Biologischer Verfahren aufbereiteten, Siedlungsabfälle und Reststoffe aus Industrie und Gewerbe statt. Als feste Sekundärbrennstoffe (SBS) werden nach DIN CEN/TS 15359 Stoffe aus nicht gefährlichem Abfall zur Energie-gewinnung in Verbrennungs- und Mitverbrennungsanlagen bezeichnet.

Im Jahr 2006 wurden in Deutschland rund 3 Millionen Tonnen EBS aus Siedlungs-abfällen, sowie 4 Millionen Tonnen EBS aus Gewerbeabfällen hergestellt [Schingnitz 2008]. Die vorhandenen Verwertungskapazitäten für EBS in Deutschland reichen zur-zeit noch nicht aus. Mit steigenden Qualitätsanforderungen der EBS-verwertenden Kraftwerke an die EBS gewinnen auch geeignete Qualitätssicherungsmaßnahmen an Bedeutung. Die stark schwankenden, vom Aufbereitungsschritt abhängigen, Eigen-schaften der EBS beeinflussen die Qualitätssicherungsmaßnahmen. Voraussetzung für einheitliche Qualitätsanforderungen bilden umfangreiche Vorgaben hinsichtlich der Probenahme, -aufbereitung und -analyse. Eine Hauptunterteilung der Qualitätsanfor-derungen für EBS erfolgt in:

• Brennstofftechnische Parameter (Korngröße, Heizwert und Wassergehalt) • Schwermetallkonzentrationen sowie • Konzentrationen von Halogenen und Schwefel.

Der limitierende Faktor bei der thermischen Verwertung von EBS ist der Chlorgehalt, da dieser die Hauptursache für korrosive Reaktionen in den thermischen Verwertungs-anlagen für abfallstämmige Brennstoffe ist. Somit stellen Identifikation und Analyse vorhandener Chlorverbindungen im EBS die Grundlage von effektiven Qualitätssiche-rungsmaßnahmen dar. Die Betreiber von EBS-Mitverbrennungsanlagen stellen strenge Qualitätsanforderungen an den EBS aus Abfall.

Geringere Anforderungen an die EBS werden von den Betreibern von EBS-Monoverbrennungsanlagen gestellt. Die Tabelle 3 gibt eine Übersicht über die Qualitätsanforderungen der EBS-Verwertungsanlagen.

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EBS-Schnelltests: Eine Ergänzung zur konventionellen Qualitätssicherung?

201

Tabelle 3: Qualitätsparameter für EBS in Mit- und Monoverbrennungsanlagen [Rotter 2008]

Mitverbrennung Monoverbrennung Qualitäts-parameter

brennstoff-/ anlagentechnische

Bedeutung Zement-

werk Kohle-

kraftwerk EBS-Kraftwerk

Heizwert HU (kJ/kg OS)

Einfluss auf Durchsatz der Anlage

→ Erlöse > 20.000 > 18.000 12.000 - 16.000

Wassergehalt (Gew.-%)

Einfluss auf Heizwert / Durchsatz der Anlage < 15 < 15 - 25 < 30 - 40

Aschegehalt (Gew.-% TS)

Entsorgungskosten < 15 <15 - 20 < 25 - 30

Chlorgehalt (Gew.-% TS)

Korrosionsschäden Beeinflussung der Qualität von (Neben)Produkten des Prozesses

Reststoffentsorgung

< 1 0,5 - 1,5 < 1 - 1,5

Schwermetall-gehalt (mg/g TS)

Umweltauswirkungen Beeinflussung der Qualität von (Neben)Produkten des Prozesses

nach RAL GZ 724

nach RAL GZ 724

TS: Trockensubstanz; OS: Originalsubstanz

Die notwendigen Qualitätssicherungsmaßnahmen zur Einhaltung der geforderten Grenzwerte der EBS variieren zwischen EBS-Herstellern und Verwertern. So ist das Ziel der Betreiber von Aufbereitungsanlagen eine Optimierung der Verfahrensschritte der EBS-Aufbereitung, wohingegen für die Betreiber der Verwertungsanlagen der Anlagenschutz und die Einhaltung gesetzlicher Grenzwerte in den Vordergrund rückt. Um die jeweils angestrebten Qualitätsparameter zu realisieren und die Abweichungen so gering wie möglich zu halten, ist eine Grundvoraussetzung der Analytik der EBS, dass die gewonnenen Ergebnisse möglichst zeitnah dem Anlagenbetreiber vorliegen und reproduzierbar sind. So wird es den Anlagenbetreibern ermöglicht, bei abweichenden Qualitätsparametern die Anlagen- und Verfahrenstechnik kurzfristig anzupassen.

Im Folgenden wird kurz die Standardanalytik dargestellt und mögliche Varianten eines Schnelltests für EBS untersucht.

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Gaston Hoffmann, Daniel Schingnitz, Thomas Marzi, Edda Möhle, Vera Susanne Rotter, Annekatrin Lehmann

202

2 Standardanalytik für Ersatzbrennstoffe

Analysevorschriften für EBS werden in verschiedenen Regelwerken und Normen auf europäischer und nationaler Ebene beschrieben. Grundlegend wird die klassische Feststoffanalytik in die fünf Arbeitsschritte Probenahme, Probenaufbereitung, Proben-aufschluss, Probenanalyse sowie Auswertung der Analyseergebnisse unterteilt. In dem vorliegenden Vergleich der Standardanalytikverfahren mit den Schnelltestmethoden wird vorrangig auf die Analytik der Chlorkonzentrationen in den EBS-Proben einge-gangen. Die auftretenden Problematiken bei der Probenahme werden nicht betrachtet.

Zur Bestimmung des Chlorgehaltes in Brennstoffen stehen die Vorschriften [DIN 51727: Feste Brennstoffe], [DIN CEN/TS 15289: Feste Biobrennstoffe] und [DIN CEN/TS 15408: Feste Sekundärbrennstoffe] zur Diskussion. Die nachfolgende Tabelle fasst die wesentlichen Aussagen der Bestimmungen zusammen. Obwohl eine eindeu-tige Zuordnung von Ersatzbrennstoffen zu einer der genannten Gruppen nicht vorgenommen wird, erscheint eine Bestimmung nach [DIN CEN/TS 15408] am sinn-vollsten, da diese für feste Sekundärbrennstoffe aus „unterschiedlicher Herkunft“ anzuwenden ist. Als Bestimmungsverfahren wird hier eine Kombination aus Aufschluss der Probe in einer Bombe mit Sauerstoff und anschließender Quantifizierung des Chlo-ridgehaltes in der Aufschlusslösung mittels Ionenchromatographie vorgeschlagen. Neben der Wahl anderer geeigneter Quantifizierungsverfahren wird die Möglichkeit der Verwendung von direkten, automatischen Geräten vorgeschlagen. Dabei wird aller-dings bemerkt, dass im Vorfeld der eigentlichen Untersuchungen nachgewiesen wer-den muss, dass diese automatischen Analyseverfahren zu denselben Ergebnissen füh-ren. In wie weit dies bei solch heterogenen Stoffgemischen wie Ersatzbrennstoffen überhaupt möglich ist, sei an dieser Stelle dahin gestellt.

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EBS-Schnelltests: Eine Ergänzung zur konventionellen Qualitätssicherung?

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Gaston Hoffmann, Daniel Schingnitz, Thomas Marzi, Edda Möhle, Vera Susanne Rotter, Annekatrin Lehmann

204

2.1 Aufschlussverfahren in einer Bombe mit Sauerstoff

Der Aufschluss in einer Bombe mit Sauerstoff stellt den ersten Schritt der Bestimmung des Chlorgehaltes in einer auf < 1 mm zerkleinerten Prüfmenge dar. Eine vorherige Trocknung der Probe ist nicht zwingend erforderlich. Die Prüfmenge beträgt gewohn-heitsgemäß 1 g. Als entscheidendes Kriterium für die Probeneinwaage wird die Homo-genität der Probe genannt. Wie die Homogenität der Probe festgestellt werden soll, wird nicht beschrieben. Im Anschluss an die Einwaage erfolgt die Herstellung eines unzerbrechlichen Pellets. Mit welcher Kraft oder Apparatur dies erfolgen soll, wird ebenfalls nicht dargestellt. Im nächsten Schritt wird die Bombe mit 10 ml Absorptions-lösung und Sauerstoff befüllt. Generell wird als Absorptionslösung KOH-Lösung mit einer Konzentration von 0,2 mol/l empfohlen. Allerdings kann auch Wasser bei einer Konzentration von weniger als 1 Gew.-% verwendet werden. Weitere Absorptions-lösungen werden nicht genannt. Nach der Verbrennung ist mindestens 10 Minuten bei Raumtemperatur ein Temperaturausgleich herbeizuführen. Ein Spülen der Bombe genauso wie ein Leiten der Abgase während der Entspannung der Bombe wird nicht gefordert.

2.2 Quantifizierung des Halogengehaltes

Der Chloridgehalt der oben geschilderten Aufschlussdurchführung kann nach dem fol-genden Analyseverfahren bestimmt werden:

• EN ISO 10304-1/2: Bestimmung von gelösten Anionen mittels Flüssigkeits-Ionen-chromatographie - Teil 1: Bestimmung von Bromid, Chlorid, Fluorid, Nitrat, Nitrit, Phosphat und Sulfat.

• ISO 9297: Bestimmung der gelösten Anionen mittels Ionenchromatographie - Teil 2: Bestimmung von Bromid, Chlorid, Nitrat, Nitrit, Orthophosphat und Sulfat in Abwasser.

• ISO 10359-1: Bestimmung von Fluorid; Teil 1: Elektrochemisches Verfahren für Trinkwasser und gering belastetes Wasser.

• EN ISO 17294-2: Anwendung der induktiv gekoppelten Plasma-Massenspektro-metrie (ICP-MS) - Teil 1: Allgemeine Anleitung.

3 Schnelltests für Ersatzbrennstoffe

Neben der Standardanalytik für abfallstämmige Brennstoffe können diverse weitere Verfahren genutzt werden, um die Eigenschaften dieser Energieträger zu bewerten. Eine geeignete Variante, um die Ergebnisse der notwendigen Analysen dem Anlagen-betreiber möglichst kurzfristig zur Verfügung zu stellen, sind Schnelltests. Hierbei kann es sich zum einen um Verbrennungsversuche des Versuchsgutes im Labormaßstab als Aufschlusssystem des Probematerials handeln und zum anderen kann die Röntgen-fluoreszenzanalyse (RFA) eingesetzt werden. Ziel der jeweiligen Verfahren ist die

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EBS-Schnelltests: Eine Ergänzung zur konventionellen Qualitätssicherung?

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Analyse der ausgewählten Qualitätsparameter mit möglichst geringem Aufwand an Personal und Analysegeräten sowie die Begrenzung weiterer Analysekosten. Derartige Schnelltests können ergänzend zur Standardanalytik durchgeführt werden. Beispielhaft für die Anwendung von Schnelltests zur Bestimmung von Qualitätskriterien der EBS wird auf 2 Varianten eingegangen.

3.1 Verbrennungssystem

Im Rahmen eines AiF-Zutech Projektes mit dem Forschungsthema „Entwicklung eines Schnelltests zur Produktoptimierung von Ersatz- und Sekundärbrennstoffen“ wurden durch die teilnehmenden Projektpartner Fraunhofer Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT Oberhausen, dem Fachgebiet für Abfallwirtschaft der TU Berlin und dem Institut für Abfallwirtschaft und Altlasten der TU Dresden weitreichende Untersuchungen durchgeführt, die die brennstofftechnischen Parameter ausgewählter Modellsubstanzen und realer Ersatz- und Sekundärbrennstoffe beleuchteten. Dabei wurde das Hauptaugenmerk der Untersuchungen auf die Parameter Wassergehalt, Heizwert, Chlorgehalt und Aschegehalt der EBS gelegt [Marzi 2008].

Alle relevanten Qualitätsparameter wurden mit standardisierten Methoden analysiert, um eine Basis zu schaffen, mit welcher es möglich ist, gewonnene Daten des ent-wickelten Verbrennungssystems zu vergleichen. Infolge der ermittelten Analysedaten wurde ein Konzept einer Demonstrationsanlage erarbeitet, welches auf der thermi-schen Umsetzung des Versuchsgutes basiert. In Abbildung 1 ist dieses Konzept veran-schaulicht. In 2 Öfen herrschen jeweils unterschiedliche Temperaturen. Im Ofen 1 wird bei 130 °C das in der Probe enthaltene Wasser verdampft und die Probe somit voll-ständig getrocknet. Mittels Wägung der Probe vor und nach dem Durchlaufen des Ofens 1 wird der Wassergehalt der Probe bestimmt. Im zweiten Ofen wird die Probe bei 1.000 °C vollständig verbrannt. Dabei werden die Konzentrationen an Kohlenstoffdioxid (CO2) und Chlorwasserstoff (HCl) analysiert. Somit kann eine vollständige thermische Umsetzung der Versuchsprobe sichergestellt werden und zudem auch die Chlorkonzentration in der Probe analysiert werden. Durch Gewichtsanalyse der Probe nach der Verbrennung wird der Aschegehalt bestimmt.

Auf Grundlage dieses angepassten Konzeptes zur Analyse diverser Qualitätspara-meter der EBS wurde bei der Ofenbaufirma HTM Reetz eine entsprechende Ofen-apparatur in Auftrag gegeben. Diese Apparatur basiert auf den 2 entsprechend dimensionierten Rohröfen, in denen die Probe in einem Quarzrohr erhitzt wird. Der Probenhalter, es handelt sich um eine Quarzplatte, die auf zwei Haltestangen aufliegt, sitzt auf dem verfahrbaren Gegenstück eines Flanschringes. Mindestens eine der Haltestangen ist innen hohl und trägt ein Thermoelement zur Messung der Probentemperatur. In der Position zwischen den Öfen befindet sich eine elektronische

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Waage zur jeweiligen Bestimmung des Massenverlustes der Probe. In Abbildung 2 ist der prinzipielle Aufbau der Apparatur dargestellt.

Abbildung 1: Prinzip der Demonstrationsanlage [Marzi 2008]

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EBS-Schnelltests: Eine Ergänzung zur konventionellen Qualitätssicherung?

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Abbildung 2: Prinzip der Demonstrationsanlage [Marzi 2008]

Zur Gewährleistung einer ausreichenden Verweilzeit der entstehenden Gase und somit zur vollständigen Verbrennung der Probe im Ofenraum 2 wird dieser mit der doppelten Ofenrohrlänge ausgestattet. Die Ofendurchmesser betragen jeweils 46 mm. Damit die nahezu vollständige Chloranalyse möglich ist, sollte die Abkühlstrecke hinter den Ofen-raum 2 so kurz wie möglich gehalten werden. Die Gasführung für die Analytik der Rauchgase hinsichtlich Chlor- und Kohlenstoffdioxidkonzentrationen wird gegebenen-falls nach ersten Testbetrieben der Demonstrationsanlage angepasst oder verändert.

Nach der Fertigstellung der Demonstra-tionsanlage inklusive Rauchgasanalyse sollen zeitnah Tests der Demonstrations-anlage durchgeführt werden. Hierfür werden anfänglich standardisierte Pro-ben verwendet, um die Verbrennungs-eigenschaften (zum Beispiel zugeführter Sauerstoffstrom, abgesaugter Volumen-strom, Verweilzeiten der Proben) der Apparatur optimal einzustellen. Anschlie-ßend werden die eigens erstellten Stan-dardproben und die realen Ersatz- und Brennstoffproben in der Demonstrations-anlage verbrannt und die ermittelten Werte mit denen verglichen, welche mit-tels standardisierter Verfahren ermittelt wurden.

Ziel einer derartigen Analyseapparatur ist die Bereitstellung eines Analysegerätes für EBS-Hersteller und Verwerter, damit diese die notwendigen Qualitätskriterien

der vorliegenden EBS zeitnah und ohne großen apparativen Aufwand bestimmen können. In Abbildung 3 ist der Aufbau des Ofensystems mit Analysewaage dargestellt.

3.2 Röntgenfluoreszenzanalyse

Verbrennungssysteme zur Bestimmung qualitativer Eigenschaften von Ersatzbrenn-stoffen besitzen den Nachteil, dass sie relativ zeitaufwändig sind und somit nur unzu-reichend für Schnelltests geeignet sind. Problematisch hierbei sind die notwendigen Verfahrensschritte für die Probe. Meist ist eine Trocknung, Zerkleinerung und ein Auf-schluss der Probe notwendig, bevor die Bestimmung der qualitativen Eigenschaften

Abbildung 3: Ofensystem des Schnelltests

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Gaston Hoffmann, Daniel Schingnitz, Thomas Marzi, Edda Möhle, Vera Susanne Rotter, Annekatrin Lehmann

208

geschehen kann. Bevor die Analyseergebnisse eines Verbrennungssystems bekannt sind, haben die EBS den Produktions- und Verwertungsprozess schon durchlaufen.

Eine beschleunigte Variante der Chlorbestimmung im EBS bildet die Röntgenfluores-zenzanalytik (RFA). Im Anschluss der Bestrahlung der Probe mit Röntgenstrahlung wird mittels der detektierten Fluoreszenzstrahlung die Konzentration des zu analy-sierenden Elementes Chlor ermittelt. Genaue Analysegrundlagen der RFA beschreiben [Rutsch 2008] und [DIN 51577-4: 1994]. Für die Analyse von EBS vor Ort wird die Anwendung von RFA-Handscannern diskutiert, da diese flexibel und schnell einsetzbar sind. Grundlegender Vorteil der RFA ist der Verzicht auf übermäßig viele Zerkleine-rungsschritte des Probematerials und des sonst notwendigen Aufschlusses der Probe. Es muss aber bei der Verwendung der RFA-Methode darauf geachtet werden, dass eine ausreichende Menge an Einzelanalysen getätigt wird. Ursache hierfür ist, dass bei Verwendung eines RFA-Scanners nur eine geringe Menge des Probematerials analy-siert wird und somit eine große Schwankungsbreite einzelner Messwerte auftreten kann. Dies kann aber unter Umständen durch eine geeignete Analysenhäufigkeit oder Rastermessung ausgeglichen werden. Am Institut für Abfallwirtschaft und Altlasten der TU Dresden werden diesbezüglich Untersuchungen mit EBS durchgeführt. Ein geeig-neter Anwendungsbereich derartiger RFA-Handscanner ist die Hotspot-Erkennung (zum Beispiel PVC) in EBS-Aufbereitungs- und Verwertungsanlagen.

4 Schlussfolgerungen

Die Sicherung der Brennstoffqualitäten durch EBS-Hersteller, als auch durch EBS-Verwerter spielt für die Marktfähigkeit von Ersatz- und Sekundärbrennstoffen eine enorme Rolle. Hierbei ist es wichtig, dass standardisierte Analyseverfahren verwendet werden. Basierend auf den in Zukunft gewonnenen Analysedaten der Schnelltests mittels Verbrennungssystem oder RFA-Technologie für EBS und dem Vergleich mit der Standardanalytik für EBS wird es möglich sein, zukünftig ein Schnelltestverfahren zu entwickeln, welches den Betreibern von EBS-Aufbereitungs- und Verwertungsanlagen eine zeitnahe Qualitätssicherung ihrer Produkte gewährleistet. Um allerdings belast-bare Ergebnisse zu erzielen, sind die beschriebenen Methoden zu validieren und auf ihre endgültige Eignung zu prüfen.

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EBS-Schnelltests: Eine Ergänzung zur konventionellen Qualitätssicherung?

209

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Gaston Hoffmann, Daniel Schingnitz, Thomas Marzi, Edda Möhle, Vera Susanne Rotter, Annekatrin Lehmann

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B. Bilitewski, A.I. Urban, M. Faulstich (Hrsg.)

14. Fachtagung Thermische Abfallbehandlung

Zügige und schlanke Genehmigungsverfahren bei der Realisierung von Ersatzbrennstoffkraftwerken

Dipl.-Ing. Norbert Suritsch

Müller-BBM GmbH

Planegg

Schriftenreihe des Fachgebietes Abfalltechnik Universität Kassel

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Norbert Suritsch

212

1 Einführung

Die aktuellen Erfahrungen bei Genehmigungsverfahren für Ersatzbrennstoffkraftwerke (EBS-Kraftwerke) zeigen, dass es in der Bevölkerung nach wie vor große Akzeptanz-probleme für Anlagen zur Verwertung von Abfällen durch thermische Verfahren gibt. Trotz langjährig bewährter Rauchgasreinigungstechniken und umfassender Emissions-überwachungsvorschriften, trotz des Deponierungsverbotes unbehandelter Abfälle und trotz der aus Sicht des Klimaschutzes gebotenen thermischen Verwertung des in Abfällen enthaltenen Energieinhaltes haben EBS-Kraftwerke ein Imageproblem, das zum Teil von Interessensgruppen gezielt geschürt und verstärkt wird.

Aufgrund des vorgeschriebenen öffentlichen Genehmigungsverfahrens gemäß § 10 BImSchG in Verbindung mit der UVP-Pflicht gemäß § 3b UVPG liegen die Genehmi-gungsantragsunterlagen einen Monat zur Einsicht für die betroffene Bevölkerung aus. Hierbei kommt der Prognose der durch das Vorhaben hervorgerufenen Zusatz-belastung durch Luftschadstoffe besondere Bedeutung zu, da bei relevanten Immis-sionsbeiträgen zeit- und kostenaufwändige Vorbelastungsmessungen drohen. Von einem „zügigen und schlanken Genehmigungsverfahren“ kann keine Rede mehr sein.

Der vorliegende Beitrag fasst die gutachterlichen Erfahrungen aus einer Vielzahl von laufenden und abgeschlossenen Genehmigungsverfahren zusammen und leitet hier-aus Handlungsempfehlungen für künftige Vorhaben ab. Nachdem die Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft) als einschlägige und bundeseinheitliche Verwaltungsvorschrift im Jahr 2002 umfassend novelliert wurde, wird aufgrund der Länderhoheit im immissionsschutzrechtlichen Vollzug auf unterschiedliche Interpreta-tionen und Vorgehensweisen in einzelnen Bundesländern hingewiesen.

2 Die Bedeutung der irrelevanten Zusatzbelastung

Mit der Novellierung der TA Luft hat der Begriff der „irrelevanten Zusatzbelastung“ einen enormen Stellenwert für die Rechtssicherheit eines Genehmigungsverfahrens erhalten. Gemäß Nr. 4.1 der TA Luft hat die zuständige Behörde bei der Prüfung, ob der Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen sicher-gestellt ist, zunächst den Umfang der Ermittlungspflichten festzustellen.

Hierbei kann unter drei optionalen Voraussetzungen die Bestimmung von Immissions-kenngrößen (und damit insbesondere der Kenngrößen für die Vorbelastung) entfallen:

a) wegen geringer Emissionsmassenströme, b) wegen einer geringen Vorbelastung oder c) wegen einer irrelevanten Zusatzbelastung.

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Zügige und schlanke Genehmigungsverfahren bei der Realisierung von Ersatzbrennstoffkraftwerken

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Um die Voraussetzung der Option a) zu erfüllen, dürfen die schadstoffspezifischen Bagatellmassenströme der TA Luft 2002 (die gegenüber der TA Luft 1986 teilweise drastisch abgesenkt wurden) nicht überschritten werden. Nachdem die wirtschaftlich sinnvolle Größenordnung eines EBS-Kraftwerkes jedoch bei einer Verbrennungskapa-zität von wenigstens 50.000 bis 100.000 Mg/a beginnt, werden die hieraus abgeleiteten Volumenströme in Verbindung mit der zu unterstellenden Ausschöpfung der Emis-sionsbegrenzungen der 17. BImSchV diese Randbedingung in aller Regel nicht erfüllen können. Die resultierenden Schadstoffemissionen werden – in Abhängigkeit von der Anlagengröße – die meisten oder alle Bagatellmassenströme überschreiten.

Die Kriterien für die Einhaltung der Option b) werden in Nr. 4.6.2.1 der TA Luft konkre-tisiert. Die kritischen Schadstoffe sind meist Stickstoffdioxid (NO2) und Schwebstaub (PM-10) mit dem Kfz-Verkehr als maßgeblichem Verursacher. Die jeweiligen Immis-sionswerte wurden in der TA Luft ebenfalls deutlich reduziert. Für NO2 muss die Vor-belastung einen Jahresmittelwert von 34 µg/m³ unterschreiten; bezüglich Schwebstaub (PM-10) darf die Überschreitungshäufigkeit des 24-Stunden-Konzentrationswertes von 50 µg/m³ als Mittelwert der zurückliegenden drei Jahre nicht mehr als 15 Über-schreitungen pro Jahr aufweisen. Nahezu an jedem Standort wird es jedoch stärker befahrene Straßen mit eingeschränkten Austauschbedingungen geben, in deren Nah-bereich diese Kriterien wahrscheinlich nicht eingehalten werden können.

Somit bleibt zur Vermeidung von Vorbelastungserhebungen die Option c). Es muss der Nachweis einer irrelevanten Zusatzbelastung in Form einer Immissionsprognose erbracht werden. Der Forderung nach einer irrelevanten Zusatzbelastung ist im Übri-gen als Genehmigungsvoraussetzung zwingend erforderlich, wenn bereits die Vor-belastung die Immissionswerte der TA Luft überschreitet. Hinsichtlich der jeweiligen Definition der irrelevanten Zusatzbelastung sei an dieser Stelle auf die entsprechenden Abschnitte der TA Luft verwiesen (s. Nummern 4.2.2 Buchstabe a), 4.3.2 Buchstabe a), 4.4.1 Satz 3, 4.4.3 Buchstabe a) und 4.5.2 Buchstabe a)).

Zwei Aspekte, die sich gegenüber der TA Luft 1986 geändert haben, sind in diesem Zusammenhang noch erwähnenswert:

• Beim Nachweis einer irrelevanten Zusatzbelastung „kann davon ausgegangen werden, dass schädliche Umwelteinwirkungen durch die Anlage nicht hervorge-rufen werden können“ (s. Nr. 4.1 der TA Luft). Der einschränkende Hinweis auf hinreichende Anhaltspunkte für eine Sonderfallprüfung nach Nummer 4.8 gilt nur für die Optionen a) und b), nicht jedoch für die Option c).

• Außerdem ist die Rundungsregel nach Nr. 2.9 der TA Luft in Verbindung mit der Stellensignifikanz des jeweiligen Irrelevanzkriteriums zu beachten. Eine zusätzliche Schadstoffdeposition von 5,4 vom Hundert des zugehörigen Immissionswertes erfüllt demnach gerade noch das Irrelevanzkriterium („nicht mehr als 5 vom Hun-dert des jeweiligen Immissionswertes“), da zunächst die entsprechende Rechen-

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Norbert Suritsch

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größe mit einer Dezimalstelle mehr als der Zahlenwert zur Beurteilung zu ermitteln ist. Das Endergebnis ist dann in der letzten Dezimalstelle zu runden sowie in der gleichen Einheit und mit der gleichen Stellenzahl wie der Zahlenwert anzugeben.

Die sorgfältige und sachgerechte Erstellung einer Immissionsprognose, deren Methodik sich exakt an den Vorgaben des Anhangs 3 der TA Luft auszurichten hat, ist somit von maßgeblicher Bedeutung für die Genehmigungsfähigkeit eines EBS-Kraftwerkes.

Die gegenüber dem vergleichsweise einfachen Gauß-Modell hohe Komplexität des in der TA Luft 2002 vorgeschriebenen Lagrange-Partikelmodells schafft eine Fülle von Detailfragen, die im Folgenden beleuchtet werden.

3 Festlegung der Schornsteinmindesthöhe

Im Vorfeld einer Immissionsprognose muss zunächst die nach TA Luft erforderliche Schornsteinmindesthöhe bestimmt werden. Hierbei sind bei einem EBS-Kraftwerk vor allem bei kleineren Anlagen aufgrund der vorsorgeorientierten Emissionsbegrenzungen der 17. BImSchV und der hieraus resultierenden vergleichsweise geringen Emissions-frachten meist die baulichen Mindestanforderungen ausschlaggebend. Zusätzliche Anforderungen können sich durch die Umgebungsbedingungen (Bebauungs- und Bewuchshöhe im weiteren Umfeld, Geländeprofil) ergeben.

Bei einer Kesselhaushöhe im Bereich zwischen 40 und 50 m als dem höchsten Bau-körper werden die gereinigten Abgase im Regelfall unter Beachtung der 20 Grad-First-regelung in einer Mindesthöhe zwischen 50 und 70 m in die Atmosphäre abzuleiten sein.

Da die Schornsteinbauhöhe somit weniger als das 1,7-fache der Gebäudehöhe beträgt, muss der Gebäudeeinfluss (die Gebäudeumströmung, aber auch die potenzielle Aus-bildung von Leeverwirbelungen) mit Hilfe eines diagnostischen Windfeldmodells berücksichtigt werden. Dies kann dazu führen, dass für einzelne Schadstoffkom-ponenten (insbesondere hinsichtlich der Deposition von Schwermetallen) die Irrele-vanzkriterien der TA Luft nicht eingehalten werden.

Eine Erhöhung der Schornsteinbauhöhe (zum Beispiel über das 1,7-fache der Gebäu-dehöhe) wird allerdings in einzelnen Bundesländern nicht als immissionsmindernde Maßnahme anerkannt. Der Schornstein kann zwar vom Vorhabensträger höher gebaut werden, die Irrelevanz der Zusatzbelastung muss jedoch bei der gemäß TA Luft bestimmten Mindestschornsteinhöhe nachgewiesen werden (diese Vorgehensweise wurde in einem Genehmigungsverfahren selbst bei einem vorhandenen Schornstein gefordert!).

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Zügige und schlanke Genehmigungsverfahren bei der Realisierung von Ersatzbrennstoffkraftwerken

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Hier besteht aus gutachterlicher Sicht dringend Abstimmungs- und Handlungsbedarf (zum Beispiel über den LAI/Länderausschuss für Immissionsschutz) im Hinblick auf eine bundeseinheitliche Vorgehensweise, da in der Vergangenheit die fachrechtliche Auswirkungsbeurteilung in aller Regel auf der Grundlage der geplanten oder vorhan-denen Schornsteinhöhe und nicht nach der Schornsteinmindesthöhe erfolgte.

Das Ziel der Vermeidung einer Politik der hohen Schornsteinhöhe kann die restriktive Vorgehensweise nach Auffassung des Autors nicht rechtfertigen, da durch die anspruchsvollen Emissionsbegrenzungen dem Vorsorgegebot in technischer Hinsicht bereits in ausreichendem Maße Rechnung getragen wurde.

4 Möglichkeiten zur Einhaltung der Irrelevanzkriterien

Wie bereits ausgeführt überschreiten am ehesten die Schwermetalldepositionen die zugehörigen Irrelevanzkriterien. Welche planerischen und gutachterlichen Möglich-keiten gibt es nun, wenn bei einer konservativ durchgeführten Immissionsprognose die Irrelevanzkriterien der TA Luft überschritten werden?

Oberste Richtschnur hierbei sollte vor allem die Verhältnismäßigkeit der Mittel sein. Die naheliegende Festlegung von Emissionsbegrenzungen über die Anforderungen der 17. BImSchV hinaus sollte zunächst nur dann in Betracht kommen, wenn die strengeren Grenzwerte kein aufwändigeres Rauchgasreinigungsverfahren bedingen, da dann in aller Regel das oben genannte Verhältnismäßigkeitsgebot verletzt wird.

Es gibt aber durchaus eine Reihe von zielführenden Möglichkeiten, durch freiwillige Restriktionen im Genehmigungsantrag eine irrelevante Zusatzbelastung und damit eine rechtssichere und schlanke Genehmigung zu erlangen.

Im Einzelnen ist zu nennen:

Begrenzung des Jahresvolumenstroms und damit auch der Emissionsfrachten

Durch eine solche Begrenzung können Stillstands- und Revisionszeiten, Teillast-zustände, Fahrweisen mit Sauerstoffgehalten unterhalb des Bezugssauerstoffgehaltes sozusagen als Gutschriften im Rahmen der Immissionsprognose verwendet werden. Da die Irrelevanzkriterien als Jahresmittelwerte festgelegt sind, hat diese Vorgehens-weise den Vorteil, dass sie zu keinerlei Einschränkungen bei den Halbstunden- oder Tagesmittelwerten führt; hier stehen die vollen Grenzwerte der 17. BImSchV zur Verfü-gung.

Insbesondere bei Wirbelschichtfeuerungen (die im Regelbetrieb bei Sauerstoffgehalten unter 6 Vol.-% gefahren werden) kann hierdurch eine Verringerung der als Jahresmittel auszuweisenden Zusatzbelastung um bis zu 30 % nachgewiesen werden, ohne dass dies zu faktischen betrieblichen Einschränkungen führt.

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Norbert Suritsch

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Erhöhung der Abgasmindesttemperatur im Volllastbetrieb

Die Erhöhung der Abgastemperatur führt naturgemäß zu einer höheren, thermisch bedingten effektiven Quellhöhe, was die Verdünnung der emittierten Schadstoffe begünstigt. Der Effekt ist vergleichsweise gering (< 10 % Verringerung im Immissions-maximum) und steht zudem im Widerspruch zu dem Gebot der effizienten und spar-samen Energienutzung.

Festlegung von Betriebserwartungswerten für die mit einem Summengrenzwert versehenen Schwermetalle

Unterstellt man in der Immissionsprognose die zwar unrealistische, aber theoretisch aufgrund der im Regelfall heterogenen Brennstoffzusammensetzung nicht auszu-schließende Ausschöpfung des Summengrenzwertes durch die Emissionen einer ein-zelnen Komponente (dies entspricht der genehmigungsrechtlich anzusetzenden Grenzfallbetrachtung), so treten für Depositionen einzelner Komponenten (zum Beispiel Cadmium, Thallium, Arsen, Nickel) am ehesten Überschreitungen des jewei-ligen Irrelevanzkriteriums auf.

Eine wichtige Einflussgröße ist in diesem Zusammenhang die Depositionsgeschwin-digkeit beim Auftreffen der Abgasfahne an der Erdoberfläche. Diese hängt wiederum ganz wesentlich vom aerodynamischen Durchmesser der Staubpartikel ab, an die sich die Schwermetalle angelagert haben. Hierfür bedarf es einer fachlich fundierten Abschätzung der Korngrößenverteilung des emittierten Reststaubes im Reingasstrom der Abluft, da in den seltensten Fällen konkrete Angaben verfügbar sind.

Auch das mit einem Einzelgrenzwert versehene Quecksilber muss in diesem Zusam-menhang genannt werden. Aufgrund der ganz überwiegenden (gasförmigen) Emission metallischen Quecksilbers kann davon ausgegangen werden, dass die reale Deposi-tion regelmäßig überschätzt wird.

Durch realitätsnahe und zu begründende Annahmen kann für die genannten Kompo-nenten meist die Irrelevanz nachgewiesen werden. Es muss aber dann bei manchen Genehmigungsbehörden davon ausgegangen werden, dass diese Annahmen zu Ein-zelbegrenzungen der betreffenden Komponenten in den Nebenbestimmungen des Genehmigungsbescheides führen. Die Vorgehensweise in den einzelnen Bundes-ländern ist auch hier nicht einheitlich.

Unabhängig von den späteren Festsetzungen eines Genehmigungsbescheides sollten schon in den Ausschreibungsunterlagen des Anlagenplaners entsprechende Garantie-zusicherungsoptionen enthalten sein.

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Zügige und schlanke Genehmigungsverfahren bei der Realisierung von Ersatzbrennstoffkraftwerken

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5 Umgang mit Vorbelastungen

Sofern mit den genannten Möglichkeiten die Irrelevanzkriterien nicht erfüllt werden können und weiterführende Emissionsbegrenzungen unverhältnismäßig sind, besteht dennoch die Möglichkeit, die Genehmigungsfähigkeit der geplanten Anlage ohne zeit-aufwändige gesonderte Vorbelastungsmessungen nachzuweisen.

In Nr. 4.6.2.1 der TA Luft ist hierzu ausgeführt:

„Kriterien für die Notwendigkeit der Ermittlung der Vorbelastung

Die Ermittlung der Vorbelastung durch gesonderte Messungen ist mit Zustimmung der zuständigen Behörde nicht erforderlich, wenn nach Auswertung der Ergebnisse von Messstationen aus den Immissionsmessnetzen der Länder und nach Abschätzung oder Ermittlung der Zusatzbelastung oder auf Grund sonstiger Erkenntnisse festgestellt wird, dass die Immissionswerte für den jeweiligen Schadstoff am Ort der höchsten Belastung nach Inbetriebnahme der Anlage eingehalten sein werden.“

Wie bereits erwähnt bereitet der Nachweis der Irrelevanz für die Deposition von Cad-mium, Thallium, Nickel, Arsen und Quecksilber am ehesten Schwierigkeiten. Für diese Komponenten liegt die Vorbelastung in aller Regel deutlich unter 50 % des Immis-sionswertes, es sei denn, im Einwirkungsbereich der geplanten Anlage befindet sich ein bedeutsamer Emittent der genannten Stoffe.

Unabdingbar ist die Zustimmung der zuständigen Behörde; durch die Beteiligung des jeweiligen Landesumweltamtes liegt im Regelfall eine ausreichende Datenbasis vor.

Einschränkend muss an dieser Stelle angemerkt werden, dass es für die Deposition von Quecksilber zwar einen Immissionswert, aber noch kein valides Messverfahren gibt. Die im Rahmen eines Forschungsvorhabens erzielten Ergebnisse lassen erwar-ten, dass es hier in absehbarer Zeit zu Fortschritten und damit zu mehr Rechtssicher-heit kommen wird.

Sofern für die Schadstoffe NO2 und PM-10 im Einwirkungsbereich der Anlage bereits Überschreitungen der Immissionswerte der TA Luft bekannt sind (in Ballungsgebieten ist dies häufig der Fall), sollte darauf geachtet werden, dass die Zusatzbelastung an diesen Aufpunkten des Rechengebietes nach Möglichkeit 1 % des Immissionswertes nicht überschreitet, um die Genehmigungsfähigkeit auf jeden Fall sicherzustellen. Gemäß den Auslegungshinweisen des Länderausschusses für Immissionsschutz kann in diesen Fällen davon ausgegangen werden, dass keine über den Stand der Technik hinausgehende Maßnahmen zur Luftreinhaltung mehr gefordert werden können, da dann der Aufwand für die sich ergebende Minderung des Massenstromes nicht mehr verhältnismäßig ist.

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Bezüglich der Staubemissionen eines EBS-Kraftwerkes kann mit der gängigen Gewe-befiltertechnik auch ein Emissionswert deutlich unter 10 mg/m³ im Tagesmittel ein-gehalten werden. Bei NO2 ist aufgrund der chemischen Umwandlungsprozesse in der Atmosphäre, die im Rechenmodell der TA Luft nachgebildet werden, die vorgenannte Empfehlung auch mit der SNCR-Technik und einer Emissionsbegrenzung von 200 mg/m³ im Tagesmittel erreichbar.

6 Umgang mit problematischen Umgebungsbedingungen

Abschließend sei noch auf einige wichtige Randbedingungen hingewiesen, die die Rechtssicherheit einer Immissionsprognose und damit auch die Genehmigungs-fähigkeit der geplanten Anlage gefährden können.

Meteorologische Daten

Die im Rahmen der Immissionsprognose verwendeten Werte sollen für den Standort der Anlage charakteristisch sein. Da im Regelfall am Standort selbst keine Messungen vorliegen, sind Daten einer geeigneten Station des Deutschen Wetterdienstes oder einer anderen entsprechend ausgerüsteten Station zu verwenden.

Die Einschaltung des Deutschen Wetterdienstes in seiner Eigenschaft als „Amtlicher Gutachter“ hinsichtlich der Prüfung der Übertragbarkeit dieser Daten auf den Standort der Anlage ist in jedem Fall zu empfehlen.

Die im Gaußmodell der TA Luft von 1986 modellbedingt erforderlichen Ausbreitungs-klassenstatistiken (AKS) dürfen nur noch verwendet werden, sofern mittlere Wind-geschwindigkeiten von weniger als 1 m/s im Stundenmittel am Standort der Anlage in weniger als 20 vom Hundert der Jahresstunden auftreten.

Das Lagrange-Partikelmodell der TA Luft 2002 setzt als geschichtliches Episoden-modell im Regelfall die Verwendung einer Ausbreitungsklassenzeitreihe (AKTerm) in stündlicher Auflösung voraus. Neben der räumlichen Charakteristik muss hierbei zusätzlich ein repräsentatives Jahr festgelegt werden, da die meteorologischen Rand-bedingungen von Jahr zu Jahr nennenswert variieren können.

Der Einfluss dieser Schwankungsbreite auf die Vorbelastungssituation ist im übrigen deutlich höher als die prognostizierte Zusatzbelastung, so dass die zuweilen von besorgten Anwohnern geforderten Vorbelastungsmessungen im Sinne einer Beweis-sicherung nicht zielführend sind.

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Zügige und schlanke Genehmigungsverfahren bei der Realisierung von Ersatzbrennstoffkraftwerken

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Geländeunebenheiten

Der Umgang mit Geländeunebenheiten ist in der TA Luft nicht abschließend geregelt. Der Einsatz eines mesoskaligen diagnostischen Windfeldmodells ist ohne weitere Dis-kussion nur zulässig, wenn die Steigung des Geländes den Wert 1:5 nicht überschreitet und wesentliche Einflüsse von lokalen Windsystemen oder anderen meteorologischen Besonderheiten ausgeschlossen werden können.

Für alle anderen Fälle – und diese treten mit Ausnahme der norddeutschen Tiefebene durchaus häufig auf – enthält die TA Luft weder Regelungen noch Empfehlungs-hinweise. Dementsprechend haben sich wiederum länderspezifische Vorgehensweisen etabliert, die vom Einsatz der bereits erwähnten prognostischen Windfeldmodelle bis hin zu sehr pragmatischen Vorgehensweisen (in ebenem Gelände rechnen, Ergebnisse mit Faktor 10 multiplizieren) reichen.

Bei umstrittenen Vorhaben sollte erwogen werden, alle Anströmrichtungen mit einem prognostischen Windfeldmodell berechnen zu lassen. Dies ist zwar vergleichsweise zeitaufwändig (Bearbeitungszeit etwa 8 Wochen), stellt aber die Methode mit der größtmöglichen Rechtssicherheit dar, da hiermit die Zusatzbelastung im Jahresmittel berechnet und mit den zugehörigen Irrelevanzkriterien verglichen werden kann.

7 Allgemeine Empfehlungen für ein zügiges und schlankes Genehmigungsverfahren

Neben den ausführlichen Betrachtungen zur Vor- und Zusatzbelastung durch Luft-schadstoffe sei auf drei Aspekte hingewiesen, die regelmäßig einen großen Einfluss auf die formale und emotionale Akzeptanz eines EBS-Kraftwerkes haben:

a) Die bauplanungsrechtliche Situation

Sofern die bauplanungsrechtliche Situation nicht eindeutig geklärt ist, hängt die immissionsschutzrechtliche Genehmigungsfähigkeit aufgrund der inkludierten Baugenehmigung vom Einvernehmen der Standortgemeinde ab. Insbesondere dann, wenn erst noch ein Bebauungsplan geändert werden muss, kann es zu emotionalen Beeinflussungen der politischen Entscheidungsträger kommen. Der Vorhabensträger sieht sich dann nicht mehr mit einer rechtlichen gebundenen Ent-scheidung einer Genehmigungsbehörde, sondern mit der grundgesetzlich veran-kerten kommunalen Planungshoheit und dem darin enthaltenen Abwägungs-prozess konfrontiert.

Es sollte daher darauf geachtet werden, dass der vorgesehene Standort in einem hierfür ausgewiesenen Industriegebiet liegt.

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Norbert Suritsch

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b) Neben diesem formalen Aspekt kommt einer guten Verkehrsanbindung große Bedeutung für die emotionale Akzeptanz zu. Obwohl formal mit Ausnahme der 500 m-Regel der TA Lärm nicht beurteilungsrelevant, wird immer wieder – und bei ungünstiger Verkehrsanbindung durchaus nachvollziehbar – auf die Belastungen durch Lärm und Lkw-Abgase hingewiesen.

Ein schlüssiges Verkehrskonzept mit zumindest der Option auf einen Gleis-anschluss sowie der Vermeidung von Lkw-Fahrten zur Nachtzeit kann die Akzep-tanz wie auch die Genehmigungsfähigkeit deutlich verbessern.

c) Schließlich sollte auf ein ökologisch und ökonomisch langfristig vernünftiges Energieverwertungskonzept – idealerweise mit Einsatz der Kraft-/Wärme-Kopplung – geachtet werden. Obwohl dieser Aspekt nicht drittschützend für Anwohner ist, stellt das Gebot der sparsamen und effizienten Energieverwendung eine der Betreibergrundpflichten gemäß § 5 Abs. 1 BImSchG dar. Insofern ist es der Öffent-lichkeit schwer vermittelbar, wenn der im EBS-Kraftwerk erzeugte Dampf aus-schließlich zur Stromerzeugung eingesetzt und mehr als zwei Drittel des im EBS enthaltenen Energieinhaltes als Abwärme über einen Luko oder Zellenkühler in die Atmosphäre oder als erwärmtes Kühlwasser in einen Fluss abgegeben wird.

Bereits bei der Standortsuche sollte daher auf das Vorhandensein einer wirtschaftlich erschließbaren Wärmesenke geachtet werden.

Die Erfahrungen zeigen, dass bei Beachtung dieser drei Empfehlungen die Akzeptanz eines EBS-Heiz(!)kraftwerkes entscheidend verbessert werden kann.

8 Zusammenfassung

Für EBS-Kraftwerke ist im Rahmen des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungs-antrages eine Immissionsprognose für die Zusatzbelastung durch Luftschadstoffe ein-zureichen. Das Ziel eines zügigen, schlanken und rechtssicheren Genehmigungs-verfahrens ist nur zu erreichen, wenn diesem zentralen Punkt der Antragsunterlagen besondere Sorgfalt gewidmet wird.

Der vorliegende Beitrag fasst die gutachterlichen Erfahrungen aus einer Vielzahl von laufenden und abgeschlossenen Genehmigungsverfahren zusammen und leitet hier-aus Handlungsempfehlungen für künftige Vorhaben ab.

Aufgrund der Länderhoheit des immissionsschutzrechtlichen Vollzugs haben sich nach Novellierung der TA Luft 2002 deutlich unterschiedliche Vorgehensweisen in den ein-zelnen Bundesländern ausgebildet. Hier besteht aus gutachterlicher Sicht dringend Abstimmungs- und Handlungsbedarf (zum Beispiel über den LAI/Länderausschuss für Immissionsschutz).

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B. Bilitewski, A.I. Urban, M. Faulstich (Hrsg.)

14. Fachtagung Thermische Abfallbehandlung

Ganzheitlicher Kostenvergleich von “Landfill” und “Waste to Energy” in Sao Paulo

Dipl.-Ing. Werner P. Bauer

ia GmbH Wissensmanagement und Ingenieurleistungen

München

Dr.-Ing. Thomas König

GfA Gemeinsames Unternehmen für Abfallwirtschaft

Olching

MR Wolfgang Scholz

Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit

München

Schriftenreihe des Fachgebietes Abfalltechnik Universität Kassel

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Werner P. Bauer, Thomas König, Wolfgang Scholz

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1 Einführung

Auf Einladung des brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva sind im November 2008 in Sao Paulo (Brasilien) Minister und hohe Beamte aus mehr als 100 Staaten zu einer internationalen Konferenz über Biokraftstoffe zusammengekommen.

Im Mittelpunkt der fünftägigen Veranstaltung stand ein Meinungsaustausch über die Frage, wie die Produktion von Bioenergie vorangebracht werden kann, ohne die inter-nationale Nahrungsmittelsicherheit und ökologisch sensible Gebiete zu gefährden.

Für die Frage der Umweltverträglichkeit von Biokraftstoffen ist insbesondere entschei-dend, auf welchen Flächen der Anbau von Energiepflanzen stattfindet. So hat Ethanol aus brasilianischem Zuckerrohr eine hervorragende Treibhausgasbilanz, wenn die Pflanzen auf bisher schon genutzten Flächen angebaut werden. Findet der Anbau aber auf Savannenflächen statt oder verdrängt andere Nutzungen dorthin, kehrt sich die positive Klimabilanz um.

Während Brasilien und der Rest der Welt noch darüber diskutieren inwieweit Bioener-gie der Nachhaltigkeit dient, werden in Sao Paulo nach wie vor Abfälle auf riesigen Deponien abgelagert.

Auf der Klimakonferenz in Posen proklamiert Brasilien die Führungsrolle unter den Schwellenländern. Da Silvas „nationaler Plan zum Klimawandel" ist beeindruckend und markiert einen Richtungswechsel in der Klimapolitik des südamerikanischen Landes. Erstmals legt ein Schwellenland nationale quantitative Emissionsminderungsziele vor. Brasilien setzt vor allem bei den Emissionen durch Entwaldung an. Sie sollen bis 2017 schrittweise um 72 Prozent gesenkt werden. Ab 2015 soll durch massive Aufforstungen ein vollständiger Ausgleich der Entwaldung erreicht werden. Flankiert wird dies durch Maßnahmen im Energiebereich, die auf eine Steigerung der Effizienz, die breitere Nut-zung der erneuerbaren Energien und den Einsatz von Biokraftstoffen abzielen.

Ein wichtiger Bestandteil der Strategien zur Zielerreichung soll die Umsetzung von Waste to Energy Plants (WEP) sein.

Diese Wahrnehmung der thermischen Abfallbehandlung zeugt vom ganzheitlichen Denken bei der industriellen Energieversorgung unter Nutzung eines Brennstoffes, der heute unter enormer CO2-Belastung nach wie vor deponiert wird.

Brasilien befindet sich im Aufschwung. Um den angestrebten Wachstumstrend aufrecht zu erhalten, sind umfangreiche Investitionen in die Infrastruktur und die Hebung natio-naler Energieressourcen vorgesehen.

Die Region Sao Paulo ist ein guter Ort, um Entsorgungssicherheit, Energieversorgung und Klimaschutz zu verbinden.

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Ganzheitlicher Kostenvergleich von “Landfill” und “Waste to Energy” in Sao Paulo

223

Aber noch heute konkurrieren die beiden Systeme

• Ablagerung der Abfälle und • Thermische Behandlung und energetische Verwertung der Abfälle in einer Ver-

brennungsanlage (waste to energy plant).

Information und Aufklärung sind im Vorfeld von Weichenstellungen der Abfallwirtschaft sehr wichtig. Beson-ders, wenn die derzeitige Ablage-rungsstrategie auf der Deponierung beruht. Im Rahmen des technischen Kooperationsprojektes Bayern - Sao Paulo förderte das Bayerische Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz bereits im Jahr 2006 eine Studie, in der den Verantwortlichen eine Ent-

scheidungshilfe angeboten wird. Ein kurzer Blick auf eine der Deponien von Sao Paulo zeigt, welch hoher Standard bei der Deponierung bereits jetzt von der Kommune umgesetzt wird. Die Zeiten wilder Ablagerungen in der Stadt Sao Paulo gehören der Vergangenheit an und Gaserfassung sowie Sickerwasserreinigung sind Stand der Technik.

Der spezielle Blick auf die finanzielle Seite bringt nach aktuellen europäischen Erfahrungen bei der Deponienachsorge jedoch neue Ergebnisse, die im Vergleich der Deponierung mit der thermischen Behandlung zu anderer Wertung kommen.

Nach der Methode der Total Costs of Ownership (TCO) werden die Systeme Deponie und Waste to Energy in ihren gesamten Kosten über die gesamte Laufzeit einschließlich der Nachsorge bei der Deponie gegenüberstellt.

Relevante Stellgrößen dieses Vergleiches (Kosten der Arbeitskräfte, Kosten Baugrund, Bauwerk, Energie) sind in vorliegender Version nach deutschen Erfahrungswerten angesetzt. Sie werden in der Folge im Zuge der Ausgestaltung der Planungen variiert, um so die lokalen Rahmenbedingungen und ihre Entwicklungen in die Zukunft in den Vergleich einzubeziehen.

Die Betrachtung der volkswirtschaftlichen Effekte nach diesem Prinzip verdeutlicht auch die langfristigen Auswirkungen der nur schwer prognostizierbaren zukünftigen Entwicklungen von Inflation und steigenden Energiekosten.

Ein wichtiger Aspekt der langfristigen finanziellen Auswirkungen ist die Finanzierung der Nachsorge. Wenn die hierfür erforderlichen Rückstellungen während der

Abbildung 1: Deponie in Sao Paulo

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Werner P. Bauer, Thomas König, Wolfgang Scholz

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Betriebszeit nicht erwirtschaftet werden können, müssen die zusätzlich anfallenden Kosten durch zukünftige Gebühren oder Steuern gedeckt werden.

Im folgenden Text werden die wesentlichen Ergebnisse dieses Vergleiches dargestellt. Mittlerweile wurde die bilaterale Unterstützung von Bundesstaat zu Bundesstaat durch die Mitwirkung bei der Standortsuche fortgesetzt.

2 Basisdaten

2.1 Zeitplan

Der angenommene fiktive Projektstart für das Deponieszenario als auch des Szenarios der Verbrennungsanlage ist der 01.01.2006. Zu diesem Zeitpunkt beginnen die ein Jahr andauernden Planungsaktivitäten. Fiktiver Baubeginn ist der 1. Januar 2007. Beide Anlagen nehmen den Betrieb am 1. Januar 2007 auf und haben eine Laufzeit von 20 Jahren. Deponierückbau und Anlagenerneuerung nehmen ein Jahr in Anspruch und werden im Szenario der Verbrennungsanlage im Jahr 2028 und im Deponie-szenario im letzten Jahr der Nachsorge, also im Jahr 2067 durchgeführt.

Abbildung 2: Zeitplan

2.2 Abfallaufkommen und Zusammensetzung

Beide Anlagen sind so ausgelegt, dass 500.000 Tonnen Hausmüll pro Jahr verbrannt oder deponiert werden können. Für die Zusammensetzung des Hausmülls wird eine ähnliche Zusammensetzung angenommen, wie sie in der Region São Sebastião durch Restmüllanalysen festgestellt wurde. Grund hierfür ist die Tatsache, dass für diesen

Deponierückbau

Deponienachsorge

Erneuerungsinvestitionen Verbrennung

Betrieb

Bau

Planung

2067………..20282027…………200820072006

Deponierückbau

Deponienachsorge

Erneuerungsinvestitionen Verbrennung

Betrieb

Bau

Planung

2067………..20282027…………200820072006

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Ganzheitlicher Kostenvergleich von “Landfill” und “Waste to Energy” in Sao Paulo

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Bericht keine aktuellen und verifizierbaren Daten zu Hausmüllzusammensetzung und Heizwert aus der Region Sao Paulo zur Verfügung standen.

Um eine optimale Verdichtung der abgelagerten Müllmengen zu gewährleisten, wird davon ausgegangen, dass die Kunststoffhohlkörper aus dem angelieferten Abfall aus-sortiert werden. Deshalb wurde der Anteil der Kunststofffraktion im Hausmüll um 4 % auf 12 % reduziert. Die anderen Fraktionen wurden dementsprechend angepasst.

Der untere Heizwert wurde für die Auslegung der Verbrennungsanlage in Abhängigkeit von der Hausmüllzusammensetzung abgeschätzt. Der untere Heizwert wurde mit etwa 10.000 kJ pro kg angenommen und entspricht etwa dem von europäischem Hausmüll. Das bedeutet, dass der Hausmüll durch Vorsortierung (zum Beispiel MBA) oder Trock-nung aufbereitet werden muss.

3 Deponierung

3.1 Allgemeine Angaben zur Deponierung

Das vorgeschlagene Konzept basiert auf der Annahme, dass eine Hangdeponie errichtet werden kann. Die Bauweise einer Hangdeponie bietet die Möglichkeit, Depo-niesickerwasser sicher und kostengünstig zur erfassen und erlaubt so einen wirtschaft-lichen Betrieb der Deponie. Die detaillierten Daten sind in der zugehörigen Studie dar-gestellt. Hier sollen nur die wichtigsten genannt werden:

Volumen der Hangdeponie [m³]: 10.000.000 Fläche Oberflächenabdichtung [m²]: 345.390

Abbildung 3: Draufsicht Deponie

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Abbildung 4: Querschnitt Deponie

3.2 Kosten der Deponierung

3.2.1 Bauphase

Vorausgesetzt dass der idealisierte Deponiekörper umgesetzt werden kann (Kap. 3.1), wurden die wesentlichen Kosten festgesetzt. Die Ansätze für die Kosten (Grundstücks-kauf, externe Erschließung, Ausgleichsflächen, Herrichten Gelände, Basisabdichtung, Entwässerung, interne Erschließung, Verkehrsflächen, Sickerwasserbehandlung, Sickerwasserbecken, Betriebsgebäude und Waagen, Entgasung, Oberflächenab-dichtung, Rekultivierung, Umladestation, Planung, Detailplanung und Bauüber-wachung), die in den Kostenvergleich Eingang finden, wurden den lokalen Behörden transparent gemacht und mit ihnen diskutiert.

3.2.2 Betriebsphase

Auch für die Betriebsphase wurden die Ansätze für die Anzahl der Arbeitskräfte, der erforderlichen Energie, dem Treibstoff für den Fuhrpark inklusive der Deponie-fahrzeuge diskutiert.

Die Entgasung beinhaltet die Kosten für die Wartung sowohl der Gaskollektoren, als auch der Gaserfassung (Gasmotoren und Kompressoren) inklusive Verschleißteilen und dem externen Wartungsservice.

Die Berechnung des Sickerwasservolumens unterscheidet zwischen Sickerwasser aus offenen Verfüllflächen, Sickerwasser aus bereits abgedeckten Flächen sowie Sicker-wasser, das aus Presswasser beim Verdichten des Müllkörpers beim Dünnschicht-einbau resultiert. Oberflächenwasser von noch nicht verfüllten Flächen ist hingegen nicht eingerechnet. Die Kosten für die Verwaltung enthalten allgemeine Kosten, wie Buchhaltung, Büroausstattung ohne Personal. Die Kosten errechnen sich in % der gesamten Personalkosten.

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Ganzheitlicher Kostenvergleich von “Landfill” und “Waste to Energy” in Sao Paulo

227

3.2.3 Einnahmen pro Jahr aus dem Betrieb

Die Abschätzung der möglichen Betriebseinnahmen aus der Gaserfassung erfordert eine Berechnung der voraussichtlich erreichbaren Gasmenge pro Jahr. Über die gesamte Laufzeit wird von einem Ertrag von 21.875.000 EUR ausgegangen.

3.2.4 Nachsorge

In der Nachsorgephase gleichen die Kostenparameter weitgehend denen in der Betriebsphase. Die Einzelparameter sind allerdings in der Nachsorgephase geringer.

3.2.5 Rückbau

Es wurden auch Rückbaukosten angesetzt. Mit Beendigung der Nachsorgephase sollen alle Betriebseinrichtungen beseitigt werden. Dies betrifft auf unserer fiktiven Deponie die 390 Gasbrunnen und andere Einrichtungen, wie Betriebsgebäude, Waa-gen, Verkehrsflächen, Einfriedung und Sickerwasserbecken.

3.2.6 Versicherungen

Während der Betriebs- und Nachsorgephase einer Deponie sind verschiedene Ver-sicherungen erforderlich. Diese beziehen sich in erster Linie auf die Anzahl der beschäftigten Personen.

Die Umwelthaftpflichtversicherung deckt die Ansprüche Dritter gegenüber dem Betrei-ber, die aus Umweltverschmutzungen des Anlagenstandortes hervorgehen.

Die “Directors & Officers Professional Liability Insurance” deckt Ansprüche gegen den Betreiber, die aus fahrlässigem Verhalten, Irrtümern, Unterlassungen und irreführenden Aussagen ihrer Direktoren oder Angestellten resultieren.

Die Unfallversicherung deckt alle Kosten, die von Unfällen mit Angestellten während der Betriebs- und Nachsorgephase resultieren.

3.3 Total Costs of Ownership Deponierung

Nach Festlegung der Basisdaten von Kosten und Einnahmen während der gesamten Laufzeit der Deponie verbleiben mehrere Parameter, wie beispielsweise der Zinssatz für Kredite und die Inflationsrate, die einen großen Einfluss auf die Ergebnisse haben.

Um die Total Costs of Ownership bei Deponierung und Verbrennung ermitteln zu können, werden folgende Parameter angenommen:

Zinssatz [Soll]: 5,00 % Zinssatz [Haben]: 3,00 % Inflationsrate: 2,00 %

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Entsprechend der Inflationsrate steigen die errechneten Abfallgebühren in der Betriebsphase wie folgt:

1. Jahr: 26,78 EUR/Mg 10. Jahr: 32,00 EUR/Mg 20. Jahr: 39,01 EUR/Mg

Um alle Kosten der Nachsorgephase abzudecken, müssen alle erforderlichen Ein-nahmen in der Betriebsphase erwirtschaftet werden.

Zunächst werden die Anfangsinvestitionen und Betriebskosten über eine Kredit-aufnahme finanziert und in den Folgejahren durch Einnahmen aus Gaserfassung und Gasverwertung, sowie durch die Müllgebühren zurückgeführt. Bis zum Ende der Verfüllung im Jahr 2028 summieren sich diese Einnahmen zu einem positiven Cash Flow (Rückstellungen) von 68.000.000 EUR, der ausreicht, um alle Kosten in der Nachsorgephase zu decken und nach 40 Jahren ein ausgeglichenes Ergebnis von ± 0 EUR zu erhalten. Sollte es nicht gelingen, ausreichende Rückstellungen zu erwirtschaften (zum Beispiel bei hoher Inflation), müssen diese Ausgaben von zukünftigen Generationen getragen werden.

Abbildung 5: Cash Flow und Müllgebühren Deponierung

In Abbildung 5 werden die Müllgebühren mit der oberen Linie dargestellt und steigen in der Betriebsphase entsprechend der Inflationsentwicklung (erste Annahme 2 %).

Cash flow und Müllgebühren Deponierung

26,78 [EUR/Mg]

39,01 [EUR/Mg]

32,00 [EUR/Mg]

-50.000.000

-25.000.000

0

25.000.000

50.000.000

75.000.000

100.000.000

2007 2012 2017 2022 2027 2032 2037 2042 2047 2052 2057 2062 2067

-25,00

0,00

25,00

50,00

Cash f low

Waste fee

Liquidität[EUR]

Müllgebühren [EUR/Mg]

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229

Die entstehenden Rücklagen werden im zeitlichen Verlauf in der unteren Linie darge-stellt und zeigen den optimalen Cash Flow in der Bau-, Betriebs- und Nachsorgephase. Die für die Nachsorgephase erforderlichen Aufwendungen werden in der Betriebs-phase anteilig aus den privaten und gewerblichen Ablagerungsgebühren angespart.

4 Anlage zur thermischen Abfallbehandlung

4.1 Basisdaten der thermischen Abfallbehandlungsanlage

Entsprechend der Abschätzung des Aufkommens und der Zusammensetzung des Hausmülls in der Region Sao Paulo (Kap. 2.2) wurde der Auslegungspunkt der Verbrennungsanlage auf einen Heizwert von 10.250 kJ/kg und einen Durchsatz von 500.000 Mg/a festgesetzt. Sollten Heizwert und Hausmüllzusammensetzung stark von den abgeschätzten Werten abweichen, ist entweder eine Voraufbereitung des Haus-mülls oder die gezielte Fokussierung auf energiereiche Abfälle notwendig.

Technische Ausrüstung, Auslegung und die Kostenschätzung basieren auf der Betriebserfahrung bayerischer Verbrennungsanlagenbetreiber, der langjährigen Erfah-rung des Generalunternehmers und Herstellers MARTIN GmbH sowie der Verfasser dieses Artikels. Nachfolgender Schnitt (Abb. 6) zeigt die Prinzipskizze der Verbren-nungsanlage als Basis der nachfolgenden TCO-Berechnungen.

Abbildung 6: Prinzipskizze Schnitt Verbrennungsanlage

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Anlagenkenndaten:

• Jahreskapazität [Mg/a] 500.000 • Anzahl Linien 2 • Verbrennungsleistung pro Linie [Mg/d] 800 • Anzahl Betriebstage pro Jahr 313

Schlackemenge, Kessel- und Filterstaub, Eisenmetalle, NE-Metalle, Dampfleistung und Fernwärmeauskopplung wurden berücksichtigt.

Die diesem Szenario zugrunde gelegte Verbrennungsanlage zeichnet sich durch folgende Komponenten aus:

• Annahmebereich mit 4 Waagen und Verwaltungsgebäude • Entladehalle mit 12 Abwurfbunkern • Abfallbunker mit einer Pufferkapazität von etwa 3-4 Tagen und zugehörigem

Absaugsystem • Müllbeschickung mit Kransystem und Einfülltrichter • Feuerraum und Dampfkessel mit Rückschubrost, Austragsvorrichtung und

Zusatzbrenner • Schlackebunker mit Kransystem • Dampferzeuger • Rauchgasreinigungssystem • Elektrizitätserzeugung (mit Dampfturbine und Ferndampfauskopplung) • Anbindung an Ferndampfnutzung • Schlackeaufbereitung mit Sieben, Metallaustrag und Förderbändern • Anlageninstallationen wie elektrische Installationen, Druckluftversorgung,

Feuerschutzeinrichtungen sind ebenso beinhaltet.

In südlichen Ländern wie in Brasilien ist die Nutzung überschüssiger Energie aus der Verbrennung wohl am besten für industrielle Anwendungen geeignet. Diskutiert wurde, dass bei der Produktion von Bioethanol der Ferndampf zur Ethanoldestillation und -absolution, sowie zur Biomasseaufbereitung oder Säurerückgewinnung verwendet werden kann. Analog zu Verbrennungsanlagen, die in den nördlichen Ländern gebaut wurden, wurde in diesem Szenario die Ferndampfnutzung mit einer Temperatur von 160 °C und einem Druck von 6 bar untersucht.

Das Rauchgasreinigungssystem ist so bemessen, dass die Anforderungen der Europäischen Richtlinie zur Verbrennung von Abfällen eingehalten werden. Die Rauchgasreinigung wird quasitrocken mittels der SNCR-Technologie zur Stickoxid-reduzierung, sowie mit Kalkmilch und Aktivkohle (zum Beispiel HOK) zur Adsorption von Säuren, organischen Schadstoffen und Schwermetallen durchgeführt. Die

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verbrauchte Aktivkohle wird in den Feuerraum zurückgeführt. Zur Rauchgasreinigung werden ebenso Gewebefilter eingesetzt. Folgende Tagesmittelwerte sind einzuhalten:

Tabelle 1: Grenzwerte (Tagesmittelwerte) der Müllverbrennungsanlage

TMW Parameter

[mg/m3] 1)

Gesamtstaub 10

organisch gebundener Gesamtkohlenstoff 10

Kohlenmonoxid CO 50

Chlorwasserstoff HCl 10

Fluorwasserstoff HF 1

Schwefeldioxid SO2 50

Stickstoffmonoxid (NO) und Stickstoffdioxid (NO2) als NOx 200

Dioxine und Furane (ITE) 0,1

Schwermetalle (Sb, As, Pb, Cr, Co, Cu, Mn, Ni, V) [mg/m³] 0,5

Cadmium (Cd), Mercury (Hg), Thallium (Tl) [mg/m³] 0,05

TMW: Tagesmittelwert, 1) Dioxine und Furane in [ng/m³]

4.2 Kosten der thermischen Abfallbehandlungsanlage

4.2.1 Grundstück

Für die vorgesehene Verbrennungsanlage wurde eine erforderliche Fläche von 29.000 m² angesetzt. Die Gesamtgröße der Anlage vom Aufgabebunker bis zum Schornstein beträgt etwa 80 x 160 Meter. Mit einem zusätzlichen einstöckigen Verwal-tungsgebäude und vier Waagen beträgt die gesamt Anlagenfläche rund 14.000 m². Die Flächen für Umrandungen, Verkehr, Ver- und Entsorgungseinrichtungen und Betriebs-gebäude betragen nochmals etwa 15.000 m².

Die Vorbedingung für die Wahl eines Grundstücks ist die Existenz einer weiteren industriellen Anlage zur Nutzung des Ferndampfs aus der Verbrennungsanlage. Der Einheitspreis für das Grundstück ist viel höher als der der Deponie, da eine zentralere Lage gewählt wird. Die Erschließung des Grundstücks wird pauschal mit 150.000 EUR angesetzt.

Entsprechend dem deutschen und europäischen Umweltrecht werden für den Land-verbrauch der Verbrennungsanlage Ausgleichsflächen in der gleichen Größenordnung angesetzt.

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232

4.2.2 Errichtungsphase

Die gesamte Investition für das Gebäude beträgt 23.700.000 EUR. In der Investition sind alle Kosten für Gebäude, Werkstatt, Fundamente für Waagen und ähnliche Einrichtungen ohne technische Ausrüstung enthalten.

Die gesamte Investition für die technische Ausrüstung beträgt 178.500.000 EUR. Ent-halten sind sämtliche Bauteile zur technischen Ausrüstung wie vorab skizziert und in der Studie näher erläutert.

Die Kosten für Planung enthalten Leistungen des Planers oder Eigentümers, die Kosten für Vorplanung, Genehmigungsplanung, Ausschreibung und Vergabe und Ähn-liches. Konstruktion und Ausführung des Anlagenplaners sind in den Konstruktions-kosten enthalten.

4.2.3 Betriebsphase

Die Anlage wird 24 Stunden pro Tag im 3-Schicht-Betrieb geführt. Aufgrund von Krankheit und Urlaub wird ein zusätzlicher Faktor für Personalkosten in Höhe von 15 % der gesamten Personalkosten eingerechnet. Es arbeiten insgesamt 45 Personen in der Anlage.

Sämtliche Wartungsarbeiten werden gemäß dem Grundsatz einer vorsorgenden War-tung und Reparatur durchgeführt, um die Lebensdauer der Anlage zu maximieren. Es wurde daher ein höherer Ansatz für Wartungskosten gewählt, um eine komplette Abnutzung mechanischer und thermischer Anlagenteile nach 20 Betriebsjahren zu vermeiden. Langjährige Erfahrungen bayerischer Anlagenbetreiber zeigen, dass etwa 1 % der Baukosten für die Instandhaltung der Gebäude sowie 3 % der Kosten des M+E-Teils für die Instandhaltung mechanischer und elektrischer Anlagenteile erforder-lich sind, um die genannten Anforderungen zu erreichen.

Neben den Betriebskosten für RWU ist zusätzlich ein Budget für größere Investitionen vorzuhalten. Dieses wird für den Austausch kostenintensiver Anlagenteile oder Ver-schleißteile verwendet. Langjährige Erfahrungen zeigen, dass hierfür 2,5 % der Kosten für Gebäude und technische Ausrüstung bei einer Laufzeit von 20 Jahren zu kalku-lieren sind.

Der Eigenbedarf an elektrischer Energie beläuft sich im Mittel auf 6.700 kWh/h pro Jahr. Dieser Eigenbedarf kann gänzlich aus der in der Anlage produzierten Energie-menge gedeckt werden. Überschüssige Energie kann zudem in das Stromnetz einge-speist und verkauft werden. Weiterer Energiebedarf in Form von Erdgas entsteht durch Verwendung von Hilfsbrennern beim Anfahren der Anlage besipielsweise nach Betriebsunterbrechungen durch Wartungen.

Für den Betrieb der Rauchgasreinigungsanlage sind weitere Betriebsmittel erforderlich. Aufgrund der großen spezifischen Oberfläche hat Aktivkohle ein hohes Rückhalte-

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233

vermögen für verschiedenste Schadstoffe, wie Schwermetalle, Dioxine und Furane, Chlorwasserstoff, Schwefeldioxid et cetera. Verbrauchte Aktivkohle wird dabei wieder der Verbrennung zugeführt. Etwa 400 Mg Aktivkohle werden jährlich benötigt, um die erforderlichen Emissionswerte zu erreichen (Kap. 4.1). Mittels Kalk wird das Rauchgas im Sprühabsorber gereinigt. Für den Betrieb der Rauchgasreinigungsanlage werden jährlich 5.000 Mg Kalk benötigt.

Die SNCR Methode (Selective Non Catalytic Reduction) reduziert Stickoxide zu Stick-stoff und Wasserdampf. 3.000 Mg Ammoniumhydroxid werden für den Betrieb des SNCR-Systems im Jahr benötigt. Betriebsmittel und gewählte Verfahrenstechnik stehen in einem engen Zusammenhang und können nicht isoliert betrachtet werden. So kommt in anderen Verfahrenszusammenstellungen nicht nur Kalk, sondern auch Natriumbikarbonat zum Einsatz.

Der Ascheanteil nach der Verbrennung beträgt 24 % des Abfallinputs bei einem Feuchtegehalt von 18 %. 95 % der Asche können wiederverwertet werden (Tab. 2). Nach der Aufbereitung von Asche sind alle Eisenmetalle und NE-Metalle aussortiert. Einnahmen durch den Verkauf dieser Fraktionen sind im Kapitel 4.2.3.9 beschrieben. Wiederverwertete Asche kann beispielsweise im Straßenbau oder als Zusatzstoff in der Betonherstellung verwendet werden. Die Kessel- und Filterstäube müssen vor der Ablagerung aufbereitet werden.

Tabelle 2: Rückstände aus der Müllverbrennung

Menge Parameter

[Mg/a]

Wiederzuverwertende Asche 89.000

Zu deponierende Asche 6.000

Zu deponierende Kessel- und Filterstäube inkl. Reaktionsprodukte aus der Rauchgasreinigung 22.500

Neben den bereits kalkulierten Personalkosten in der Anlagenverwaltung sind weitere 10 % der Personalkosten für Verwaltungskosten, wie beispielsweise die Buchhaltung oder die Büroausstattung vorzusehen.

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Zur Minimierung der finanziellen Risiken des MVA-Betreibers sind folgende Versiche-rungen angesetzt:

1) Umwelthaftpflichtversicherung

Die Umwelthaftpflichtversicherung deckt die Ansprüche Dritter gegenüber dem Betrei-ber, die aus Umweltverschmutzungen des Anlagenstandortes hervorgehen. Der Versi-cherungsbeitrag ist abhängig von der Durchsatzmenge der Verbrennungsanlage.

2) Anlagenausfallversicherung

Die Anlagenausfallversicherung deckt Verluste, die durch einen unfallbedingten Ausfall nahezu jeglicher technischer Ausrüstung, die unter Druck steht oder mechanische oder elektrische Energie steuert, überträgt, umwandelt oder verwendet, entstehen. Der Versicherungsbeitrag ist abhängig vom Wert der technischen Ausrüstung.

Um die daraus resultierenden Verluste durch die Betriebsunterbrechung des Anlagen-ausfalls zu decken, wird die Anlagenausfallversicherung entsprechend erweitert. Einnahmeausfälle, Ablagerung von Müll und der Verlust von Stromverkäufen werden durch die Folgeschadenversicherung gedeckt. Der Versicherungsbeitrag ist abhängig vom Wert des möglichen Verlustes.

3) Gesamtimmobilienversicherung

Die Gesamtimmobilienversicherung deckt den Ersatz aller Gebäudeteile und –inhalte, die durch Ereignisse, wie beispielsweise Feuer, Hochwasser, Erdbeben, Explosionen, Blitzschlag etc. entstehen. Der Versicherungsbeitrag ist abhängig vom Wert der Gebäude und der technischen Ausrüstung.

Um die daraus resultierenden Verluste durch die Betriebsunterbrechung des Anlagen-ausfalls zu decken, wird die Gesamtimmobilienversicherung entsprechend erweitert. Einnahmeausfälle, Kosten für die Ablagerung von Müll und der Verlust von Strom-verkäufen werden durch die Folgeschadenversicherung gedeckt. Der Versicherungs-beitrag ist abhängig vom Wert des möglichen Verlustes.

4) Haftpflichtversicherung für verantwortliche Führungskräfte (D&O)

Die “Directors & Officers Professional Liability Insurance (D&O)” deckt Ansprüche gegen den Betreiber, die aus fahrlässigem Verhalten, Irrtümern, Unterlassungen und irreführenden Aussagen ihrer Direktoren oder Angestellten resultieren.

Die Deckung umfasst alle Führungskräfte in der Anlage sowie zusätzlich 2 Personen aus dem öffentlichen Bereich und berücksichtigt eine Versicherungssumme von 10 Millionen EUR pro Versicherungsfall.

5) Unfallversicherung für Angestellte

Die Unfallversicherung deckt alle Kosten, die aus Unfällen mit Angestellten während der Betriebsphase resultieren.

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4.2.4 Betriebseinnahmen – Energie

Der Wirkungsgrad bei der Stromerzeugung in der Verbrennungsanlage beträgt 12 % bei gleichzeitiger Nutzung von Ferndampf. Neben der Nutzung der erzeugten elektri-schen Energie für den Eigenbedarf können weitere 16.100 kWh pro Jahr in das Strom-netz eingespeist werden. Weitere 102.600 kWh pro Jahr stehen als Ferndampf für industrielle Anwendungen zur Verfügung. Analog vergleichbarer Verbrennungsanlagen ist ein Einzelpreis von 0,03 EUR/kWh kalkuliert.

Durch die Bereitstellung von Ferndampf können nennenswerte Einnahmen realisiert werden. Die Wirtschaftlichkeit bei der Verbrennung von Müll hängt daher wesentlich von der Gewinnspanne beim Verkauf von Energie aus Ferndampf ab.

4.2.5 Betriebseinnahmen – Betriebsmittel

Entsprechend der Müllanalysen beträgt der Anteil an Eisenmetallen 3 % oder 15.000 Mg/a. Diese Menge kann nach der Aufbereitung von Asche verkauft werden.

Entsprechend der Müllanalysen beträgt der Anteil an NE-Metallen 2 % oder 10.000 Mg/a. Diese Menge kann nach der Aufbereitung von Asche verkauft werden.

4.2.6 Restwert

Die Betrachtung bayerischer Verbrennungsanlagen zeigt, dass ein Rückbau von Anla-gen nicht stattfindet und dass Standorte von Verbrennungsanlagen normalerweise nicht nach 20 Jahren verlagert oder rückgebaut werden. Tatsächlich werden beste-hende Verbrennungsanlagen durch Reinvestitionen auf dem Stand der Technik gehal-ten. Vor diesem Hintergrund werden ein Rückbau der Anlage und der Verkauf des Grundstücks nicht als praxisnahe Option betrachtet.

Nachfolgend wird stattdessen der Restwert der Verbrennungsanlage für einen fort-laufenden Betrieb als Kostenvorteil gegenüber einem Anlagenneubau an einem neuen Standort abgeschätzt.

Restwert - Gebäude und technische Ausrüstung

Wartung und Reparaturen erhalten die Verkehrsflächen in einem guten Zustand. Die Stahlfassaden und Gebäudekonstruktionen können weiter verwendet werden. Ersatz-investitionen sind in Bereichen mit hohem, betrieblich bedingtem Verschleiß notwendig, so beispielsweise in der Abladehalle oder dem Müllbunker. Der Restwert des Gebäu-des wird mit 25 % des Invests, der zu Beginn des Szenarios getätigt wurde angesetzt.

Die technische Ausrüstung ist hoher betrieblicher Beanspruchung ausgesetzt. Ein Großteil der wichtigen Betriebseinrichtungen müssen in den Betriebsjahren 21 bis 25 ersetzt werden. Deshalb wird der Restwert der technischen Ausrüstung mit 10 % des Invests bewertet, der im zugrunde gelegten Szenario zu Beginn getätigt wurde.

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Restwert - Grundstück

Das Grundstück ist keinem Wertverlust unterworfen. Deshalb wird mit der vollen Inves-tition, die am Beginn des Szenarios für den Erwerb des Grundstücks getätigt wurde, gerechnet.

4.3 Total Costs of Ownership Thermische Behandlungsanlage

Entsprechend der definierten Parameter sind folgende Müllgebühren zur vollständigen Kostendeckung notwendig:

1. Jahr: 19,59 EUR/Mg 10. Jahr: 23,42 EUR/Mg 20. Jahr: 28,54 EUR/Mg

Mit den Müllgebühren sowie den Einnahmen aus Ferndampf, Elektrizität und Mate-rialen (Eisen- und Nichteisenmetalle) können alle Betriebskosten sowie die Rück-zahlungen von Krediten oder Darlehen während der Betriebszeit abgedeckt werden. Zusätzlich wurde der Restwert der Gebäude, der technischen Ausrüstung und des Grundstücks berechnet und am Ende der Betriebszeit im Jahr 2027 als Einnahmen abgezogen.

In nachfolgender Abbildung 6 wird die Müllgebühr durch die obere und die Liquidität durch die untere Linie dargestellt. Im Gegensatz zum untersuchten Deponieszenario fallen keine Kosten für die Nachsorge an.

Abbildung 6: Cash Flow und Müllgebühren bei der Verbrennung

Cash flow und Müllgebühren

Verbrennung

23,42 [EUR/Mg]28,54 [EUR/Mg]

19,59 [EUR/Mg]

-250.000.000

-200.000.000

-150.000.000

-100.000.000

-50.000.000

0

50.000.000

100.000.000

2007 2012 2017 2022 2027 2032 2037 2042 2047 2052 2057 2062 2067

-125,00

-100,00

-75,00

-50,00

-25,00

0,00

25,00

50,00

Cash f low

Müllgebühren

Liquidität[EUR]

Müllgebühren [EUR/Mg]

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5 Zusammenfassung und Total Cost of Ownership (TCO) Vergleich Deponierung – Thermische Abfallbehandlung

Basierend auf den in Kapitel 3 und 4 beschriebenen Abschätzungen werden nachfolgend dargestellte Müllgebühren für die Deponierung und Verbrennung von Hausmüll berechnet. Die Müllgebühren entsprechen den jeweiligen TCO, da über diese alle finanziellen Aufwendungen abgedeckt werden. Während die Betriebskosten und die Investitionen der Deponie und der Verbrennungsanlage weitgehend festgelegt sind, wird der Cash Flow von den Müllgebühren und den erzielbaren Einnahmen beeinflusst, die vorwiegend aus der Energieproduktion resultieren.

Weitere Erträge, die sich aus den Kyoto Mechanismen mit der Eröffnung des “Carbon Credit Markets” oder der Einführung der Clean Development Mechanismen (CDM) ergeben, können erwartet werden. Diese positiven Aspekte sind in diesem Gutachten nicht berücksichtigt.

Besonders die Erträge von Verbrennungsanlagen hängen stark von den Preisen ab, die für den Verkauf von Ferndampf erzielt werden können. Deshalb sind in nachfolgender Graphik die Müllgebühren der Verbrennung in einer Bandbreite in Abhängigkeit von den Erträgen aus der Ferndampfnutzung dargestellt. Die Bandbreite der Müllgebühren bei der Verbrennung durch die obere und untere Linie gekennzeichnet. Die Müllgebühren der Deponierung werden durch die mittlere Linie dargestellt.

Abbildung 7: Vergleich der Müllgebühren 2008 - 2027

Vergleich der Müllgebühren 2008 - 2027

(Inflation: 2,00 %)

0,00

10,00

20,00

30,00

40,00

50,00

60,00

70,00

80,00

90,00

100,00

2007 2012 2017 2022 2027

Mül

lgeb

ühre

n [E

UR

/Mg]

Verbrennung mit Ferndampfnutzung 0,010 EUR/kWh

Deponierung

Verbrennung mit Ferndampfnutzung 0,030 EUR/kWh

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Um die Bandbreite der Müllgebühren detailliert darzustellen, zeigt Abbildung 8 die Müllgebühren bei unterschiedlichen Einheitspreisen für die Ferndampfnutzung zwischen 0,00 EUR/kWh und 0,04 EUR/kWh. Bei der Angabe von „0,00 EUR/kWh“ ist keine technische Ausrüstung zur Ferndampfnutzung kalkuliert. In diesem Fall werden die Investitionen für die technische Ausrüstung um 3.5 Mio. EUR reduziert. Die Elektrizitätserzeugung erfolgt mit einem Wirkungsgrad von 23 %. Hieraus resultieren eine Einspeisung von 37 MW pro Jahr und Erträge von 5.550.000 EUR pro Jahr.

Abbildung 8 zeigt die mit den angegebenen Ansätzen berechneten Müllgebühren im Jahr 2017 in Abhängigkeit von den erzielten Erlösen aus der Ferndampfnutzung bei einer jährlichen Inflationsrate von 2 %. Bei erzielten Erlösen von größer 2,6 Euro Cent pro kWh Ferndampf liegen die Müllgebühren der Verbrennung unter den Müllgebühren der Deponierung.

Nach heutigen Annahmen über die Steigerung der Primärenergiekosten sind diese Erlöse bei guter Planung des Standortes im Sinne einer „waste to energy plant“ ohne Weiteres zu erzielen.

Abbildung 8: Müllgebühren bei Ferndampfnutzung in 2017

Beide TCO-Szenarien für Deponierung und Verbrennung von Hausmüll sind mit einer Inflationsrate von 2 % pro Jahr berechnet. Höhere Inflationsraten führen bei der Deponierung aufgrund der langen Nachsorgedauer zu steigenden Müllgebühren. Im

Müllgebühren bei Ferndampfnutzung in 2017

(Inflation: 2,00 %)

0,00

10,00

20,00

30,00

40,00

50,00

60,00

70,00

80,00

90,00

100,00

0 0,01 0,02 0,03 0,04

Einnahmen Ferndampf [EUR/kWh]

Mül

lgeb

ühre

n [E

UR

/Mg]

Müllgebühren Deponierung

Müllgebühren Verbrennung

FerndampfnutzungStromerzeugung

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Kostenaufteilung Verbrennung

29%

71%

BauphaseBetriebsphase

Kostenaufteilung Deponierung

59%34%

7%

BauphaseBetriebsphaseNachsorgephase

Bau

Betrieb Nachsorge

Bau

Betrieb

Verbrennung Deponierung

Gegensatz dazu sinken bei der Verbrennung die Müllgebühren bei höherer Inflationsrate, da die Investitionen zu Beginn des Szenarios getätigt werden und Erlöse aus Energieverkäufen höher zu Buche schlagen. Die Kostenaufteilung der beiden Szenarien zeigt Abbildung 9. Im Gegensatz zur Verbrennung werden bei der Deponierung etwa 1/3 der Kosten für die Finanzierung der Nachsorge benötigt.

Abbildung 9: Müllgebühren in Abhängigkeit von der Inflationsrate in 2017

Abbildung 10: Kostenaufteilung Verbrennung - Deponierung

Müllgebühren bei unterschiedlichen Inflationsansätzen in 2017

(Einnahmen aus Ferndampf: 0,03 EUR/kWh )

0,00

10,00

20,00

30,00

40,00

50,00

60,00

70,00

80,00

90,00

100,00

1,00 2,00 3,00 4,00 5,00 6,00

Inflation [%]

Mül

lgeb

ühre

n [E

UR

/Mg]

Müllgebühren Deponierung

Müllgebühren Verbrennung

Anstieg derEnergiekosten

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Werner P. Bauer, Thomas König, Wolfgang Scholz

240

Oben beschriebene Parameter belegen die deutlichen Vorteile der Verbrennung von Abfällen bei hoher Energienutzung. Nach intensiver Diskussion vor Ort werden die geringeren Inflationsrisiken hoch bewertet. Weitere Vorteile für die Verbrennung zeigen sich bei einer Betrachtung der beiden Methoden über den angesetzten Betriebszeitraum von 20 Jahren hinaus.

Die Methode der Deponierung von Abfällen benötigt bereits weit vor dem Ende der Betriebsphase eine erneute Standortsuche sowie die Planung einer Nachfolgedeponie. Vor dem Hintergrund der bekannten Probleme, neue qualifizierte Standort zu identifizieren sowie längere Transportwege finanzieren zu müssen, sind bei der Methode der Deponierung für die Folgedeponie höhere Müllgebühren als hier berechnet zu erwarten.

Die Methode der Verbrennung von Abfällen benötigt keinen neuen Standort, da bei ordnungsgemäßer Instandhaltung und Modernisierung die Anlage keinem Verschleiß, der die Lebensdauer begrenzt, unterliegt und somit ein weiterer Betrieb der Verbrennungsanlage am gleichen Ort möglich ist. Es sind ausschließlich zusätzliche Ersatzinvestitionen für die Ertüchtigung der Anlage zu berücksichtigen. In Kombination mit vorbeugender Wartung kann die Betriebsphase mit konstanten Müllgebühren fortgesetzt werden.

Weiterhin ist zu beachten und in die Betrachtungen einzubeziehen, dass eine MVA analog zu einem fossil befeuerten Kraftwerk nach Auslauf der Abschreibungen einen negativen Kostensprung verzeichnet, gleichzeitig jedoch voll funktionstüchtig ist.

Unter Berücksichtigung einer optimalen Standortwahl mit hoher Energienutzung ist auch aus Kostengesichtspunkten eine „Waste to Energy Anlage“ der vermeintlich billigeren Lösung Ablagerung eindeutig vorzuziehen. Die enormen ökologischen Vorteile gegenüber der Deponie setzen wir als bekannt voraus.

6 Standortsuche

Ohne selbst in die Standortsuche vor Ort einzugreifen erfolgte die Mitwirkung dadurch, dass die Kriterien für die Wahl des optimalen Standortes vorgegeben, sprich empfohlen, wurden.

Bei der positiven Darstellung der Ansiedlung einer WEP in einem Industriegebiet wurden zwei Aspekte hervorgehoben:

• Energiepreisentwicklung und • Klimaschutz durch CO2-Reduzierung.

Gegenüber den sicher langfristig steigenden Energiepreisen, die hauptsächlich auf die begrenzten Ressourcen der fossilen Energieträger zurückzuführen sind, kann über die WEP Energie in Form von Ferndampf auch langfristig zu konstanten Preisen

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Ganzheitlicher Kostenvergleich von “Landfill” und “Waste to Energy” in Sao Paulo

241

bereitgestellt werden, da der Brennstoff Müll für die WEP zu festen Konditionen zur Verfügung steht. Die Energieversorgung mit langfristig abgesicherten Konditionen stellt für alle energieintensiven Produktionen einen entscheidenden Standortvorteil dar, mit dem aktiv für den neuen Standort geworben werden kann. Dies gilt nicht nur bei der Neuerschließung eines Industriegebietes sondern beschreibt auch für bereits bestehende Industriegebiete eine positive Standortentwicklung.

Der zweite Aspekt ist die Darstellung des praktizierten Klimaschutzes. Zum einen werden klimaschädliche Methangasemissionen, wie sie bei der Deponierung nie ganz unterbunden werden können vermieden und zum anderen werden durch die thermische Behandlung weitaus höhere Energiepotenziale erschlossen, als bei der Verwertung von Deponiegas über Gasmotoren, wo ausschließlich das Potenzial aus der Umsetzung der organischen Bestandteile des Mülls erschlossen werden kann. Die Substitution fossiler Energieträger durch die in der WEP produzierte Energie trägt weiter zur CO2-Reduzierung bei.

Der optimale Wirkungsgrad der Anlage und damit die maximale CO2-Reduktion lassen sich mit industriellen Partnern, die den bereitgestellten Ferndampf nutzen, erreichen. Eine aktive Standortentwicklung, die neben der reinen Standortsuche für eine WEP auch gleichzeitig die Ansiedlung weiterer Anlagen mit Energiebedarf berücksichtigt, verspricht gute Chancen für die erfolgreiche Umsetzung der Ferndampfnutzung und somit der Wirtschaftlichkeit der WEP.

Ein Beispiel für ein ganzheitliches Konzept wäre die Umsetzung eines Energieparks in dem neben der WEP auch die Produktion von Bioethanol in einer benachbarten Anlage umgesetzt wird. Ebenso sind Kooperationen mit Brauereien, Schlachthöfen oder Betreibern von Tiefkühlhallen möglich.

Integrierte Gesamtplanungen dieser Art können die negative Sicht der Bürger auf eine Müllverbrennung hin zu einer Energie spendenden „Waste to Energy Plant“ positiv verändern.

7 Ausblick

Präsident Da Silva verschreibt sich dem Klimaschutz, da er erkannt hat, dass eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung nicht auf Kosten des Klimaschutzes möglich ist und auch die Schwellenländer substanzielle Beiträge bringen müssen. Es wäre fatal, wenn der enorme Beitrag der WEPs bei dieser Diskussion übersehen werden würde.

Genau hier – bei der Hilfe zur Prioritätensetzung – beginnt die Verantwortung Deutschlands.

Die Internationale Klimaschutzinitiative des Deutschen Bundesumweltministeriums speist sich aus den Erlösen von Emissionszertifikaten, die im Rahmen des europäi-schen Emissionshandels versteigert werden. Mit ihr stehen seit dem Jahr 2009 jährlich

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Werner P. Bauer, Thomas König, Wolfgang Scholz

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120 Millionen Euro zusätzlich zu den Geldern der Entwicklungszusammenarbeit für Klimaschutzprojekte in Entwicklungs-, Schwellen- und Transformationsländern zur Verfügung. Finanziert werden Maßnahmen zum Aufbau einer klimafreundlichen Wirt-schaft.

Diese Mittel – und die dahinterstehende politische Aussage – sollte für deutsche Experten Grund genug sein, in diesen Regionen tätig zu sein und zu bleiben.

8 Literaturverzeichnis

Bewertung des Betriebs der mechanisch biologischen Abfallbehandlungsanlage in São Se-bastião, Brasilien, Projekt - Nr.: 97.2044.2-001.00 São Sebastião & Berlin, GTZ, BRD -Eschborn, November/Dezember 2001

Directive 2000/76/EG of the European Parliament and of the Council on the incineration of waste; December 2000

Machbarkeitsstudie zur Produktion von Ethanol durch Biokonversion an einem Standort in Bayern, atz Entwicklungszentrum, TU München und ia GmbH im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums für Landwirtschaft und Forsten, Juli 2005

Einladung zur Konferenz über Infrastruktur- und Logistikinvestitionen in Brasilien für den 30.01.2006 in Frankfurt, VUBIC Verband Unabhängig Beratender Ingenieure und Consul-tants e.V., BRD - Berlin

Kostenstrukturen bei der thermischen Abfallbehandlung; Dipl.-Ing. Edgar Kaufhold, Dipl.-Ing. Rolf Kaufmann, Dipl.-Ing. Helge Goedecke, BKB Aktiengesellschaft, Helmstedt; 10. Fachta-gung Thermische Abfallbehandlung; Schriftenreihe des Instituts für Abfallwirtschaft und Alt-lasten Technische Universität Dresden; Dresden 2005

Studie sowie die Vorträge der Workshops des technischen Kooperationsprojektes Bayern - Sao Paulo siehe www.ASK-EU.com unter dem Stichwort TCO.

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Autoren

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Autorenverzeichnis

Dipl.-Ing. Werner P. Bauer ia GmbH Wissensmanagement und Ingenieurleistungen Gotzinger Straße 48/50 D - 81371 München

Birgit Fröhlig, M.A. E.ON Energy from Waste AG Schöninger Straße 2-3 D - 38350 Helmstedt

Prof. Dr.-Ing. Bernd Bilitewski Technische Universität Dresden Pratzschwitzer Straße 15 D - 01796 Pirna

Dr. Oliver Gohlke MARTIN GmbH für Umwelt- und Energietechnik Leopoldstraße 248 D - 80807 München

Dr. Christian Brunner AE&E Austria GmbH & Co. KG Waagner-Biro-Platz 1 A - 8074 Raaba/Graz

Dipl.-Ing. Gaston Hoffmann Technische Universität Dresden Pratzschwitzer Straße 15 D - 01796 Pirna

Dr. Norbert Brückl Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit Rosenkavalierplatz 2 D - 81925 München

Dipl.-Ing. Alexander Janz Technische Universität Dresden Pratzschwitzer Straße 15 D - 01796 Pirna

Prof. Dr. Wolfgang Dekant Universität Würzburg Versbacher Str. 9 D - 97078 Würzburg

Dipl.-Ing. Matthias Kersting Pöyri Energy GmbH Borsteler Chaussee 51 D - 22453 Hamburg

Dipl.-Ing. Uwe Eggenstein ATZ Entwicklungszentrum An der Maxhütte 1 D - 92237 Sulzbach-Rosenberg

Dr.-Ing. Thomas König GfA Gemeinsames Unternehmen für Abfallwirtschaft Josef-Kistler-Weg 22 D - 82140 Olching

Prof. Dr.-Ing. Martin Faulstich Technische Universität München Petersgasse 18 D - 94315 Straubing

Dipl.-Ing. Thomas Kügler INTECUS GmbH Dresden Pohlandstraße 17 D - 01309 Dresden

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Autoren

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Autorenverzeichnis

MinDir Dr. Uwe Lahl Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Robert-Schumann-Platz 3 D - 53175 Bonn

MR Wolfgang Scholz Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit Rosenkavalierplatz 2 D - 81925 München

Dr.-Ing. Jürgen Landgrebe Deutsche Emissionshandelsstelle Bismarckplatz 1 D - 14193 Berlin

Dipl.-Ing. Ramona Schröer Universität Kassel Mönchebergstraße 7 D - 34125 Kassel

Dipl.-Biol. Anna Leipprand, M.E.S. Sachverständigenrat für Umweltfragen Petersgasse 18 D - 94315 Straubing

Dr.-Ing. Werner Schumacher Pöyry Energy GmbH Borsteler Chaussee 51 D - 22453 Hamburg

Dr. rer. nat. Thomas Marzi Fraunhofer Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik Osterfelder Str. 3 D - 46047 Oberhausen

Dipl.-Ing. Norbert Suritsch Müller-BBM GmbH Robert-Koch-Straße 11 D - 82152 Planegg

Dr.-Ing. Edda Möhle Fraunhofer Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik Osterfelder Str. 3 D - 46047 Oberhausen

Dipl.-Ing. Conrad Tschersich AWG Abfallwirtschaftsgesellschaft mbH Korzert 15 D - 42349 Wuppertal

Prof. Dr.-Ing. Vera Susanne Rotter Technische Universität Berlin Straße des 17. Juni D - 10623 Berlin

Prof. Dr.-Ing. Arnd I. Urban Universität Kassel Mönchebergstraße 7 D - 34125 Kassel

Dipl.-Ing. Daniel Schingnitz Technische Universität Dresden Pratzschwitzer Str. 15 D - 01796 Pirna

Dipl.-Ing. Christoph Wünsch Technische Universität Dresden Pratzschwitzer Str. 15 D - 01796 Pirna

Dr. Jörg Zunft E.ON Energy from Waste AG Schöninger Straße 2-3 38350 Helmstedt

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In der Schriftenreihe der Fachtagung sind bisher folgende Bände erschienen:

Herausgeber Bernd Bilitewski, Martin Faulstich, Arnd I. Urban

Band 1 Thermische Restabfallbehandlung ISBN 3-503-03915-5, 1. Fachtagung, Dresden, 1996

vergriffen

Band 2 Thermische Abfallbehandlung Entwicklung von Technik und Kosten einer Kreislaufwirtschaft ISBN 3-88122-892-6, 2. Fachtagung, Kassel, 1997

19,00 €

Band 3 Thermische Abfallbehandlung ISSN 0942-914X, 3. Fachtagung, Garching bei München, 1998

vergriffen

Band 4 Thermische Abfallbehandlung Co-Verbrennung ISBN 3-9805174-7-0, 4. Fachtagung, Dresden, 1999

vergriffen

Band 5 Thermische Abfallbehandlung Zukunft in Deutschland und Europa ISBN 3-89792-003-6, 5. Fachtagung, Kassel, 2000

19,00 €

Band 6 Thermische Abfallbehandlung ISSN 0942-914X, 6. Fachtagung, Garching bei München, 2001

Reste

Band 7 Thermische Abfallbehandlung ISBN 3-934253-09-1, 7. Fachtagung, Berlin, 2002

19,00 €

Band 8 Thermische Abfallbehandlung ISBN 3-937022-01-5, 8. Fachtagung, Berlin, 2003

19,00 €

Band 9 Thermische Abfallbehandlung ISBN 3-937022-3, 9. Fachtagung, Berlin, 2004

29,00 €

Band 10 Thermische Abfallbehandlung ISBN 3-934253-33-4, 10. Fachtagung, Berlin, 2005

29,00 €

Band 11 Thermische Abfallbehandlung ISBN 3-89958-198-9, 11. Fachtagung, München, 2006

39,00 €

Band 12 Thermische Abfallbehandlung ISBN 978-389958-274-1, 12. Fachtagung, München, 2007

39,00 €

Band 13 Thermische Abfallbehandlung ISBN 978-3-89958-662-9, 13. Fachtagung München, 2008

39,00 €

Zuzüglich Porto & Verpackung und inklusive MwSt.

Band 2 bis Band 10: Vertrieb über: Universität Kassel Fachgebiet Abfalltechnik 34109 Kassel

Ab Band 11: Vertrieb über: Kassel university press GmbH Diagonale 10 34127 Kassel

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Inhalt Band 8 (2003)

Radde, C.: Aktuelle Abfallpolitik des Bundes Johnke, B.: Neue europäische Entwicklungen -BAT und Energieeffizienz bei der thermischen

Abfallbehandlung Faulstich, M.; Denk, H.: Bedeutung von Klimaschutz und Emissionshandel bei der thermischen

Abfallbehandlung Keldenich, K.: Modulare dezentrale Kleinverbrennungsanlagen Quicker, P.; Faulstich, M.: Innovatives Verfahren zur dezentralen Klärschlammverbrennung Vehlow, J.; Hunsinger, H.; Seifert, H.:UPSWING - eine Kombination von Abfallverbrennung und

Kraftwerk Metschke, J.: Kesseloptimierung an der MVA Schwandorf Schirmer, M; Rotter, S.; Bilitewski, B.: Vorkommen und Einfluss von Chlor in der

Abfallverbrennung Born, M.: Thermodynamik der Chlorkorrosion bei der Mitverbrennung von Abfällen in der

Kohlfeuerung Neukirchen, B.: Sekundarbrennstoffen in Kohlekraftwerken? Wuttke, J.: Grenzüberschreitende Stoffströme - Notifizierung und Bedeutung für die thermische

Abfallbehandlung Pütz, A.: Abfallverbringung in die Länder Osteuropas und die sich daraus ergebende

Problematik für Deutschland Marutzky, R.: Holzmengenbilanz - Anfall und Verbleib Friedrich, H.: Vergleich von Müllverbrennung und Mitverbrennung - umweltpolitische

Auswirkungen auf Stoffströme für Deutschland und Europa Baum, H. G.; Pehnelt, G.: Benchmarking von Thermischen Behandlungsanlagen in

Deutschland - Ein bundesweiter Vergleich Giglberger, J.: Erfahrungen mit dem Einsatz von Gewerbemüll in bayerischen

Müllverbrennungsanlagen Seeger, H.; Kock, O.; Urban, A. L: Experimentelle Bestimmung des Verbrennungsverhaltens

von Abfällen Bilitewski, B.; Härdtle, G.: Veredlung von Sekundärbrennstoffen durch Aufbereitung

und Pelletierung

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Inhalt Band 9 (2004)

Schnurer, Helmut: Aktuelles Abfallrecht Anderl, Helmut: Thermische Verwertung von Ersatzbrennstoffen in der Wirbelschicht 110 MW

Reststoffverwertungsanlage RV-Lenzing (Österreich) Forkert, Jan; Kappa, Sven; Mielke Frank: Betriebserfahrungen bei der thermischen Verwertung

von Sekundärbrennstoffen im Braunkohlekraftwerk Six, Jörg; Schmitt, Ferdinand: Wirbelschichtfeuerungsanlage Werdohl-Elverlingsen Urban, Arnd L; Bilitewski, Bernd; Faulstich, Martin: Prognosen zu Abfallmengen und

Behandlungskapazitäten für die thermische Behandlung von Abfällen Kuchta, Kerstin: Stoffliche und energetische Verwertung von Shredderrückständen Mocker, Mario; Quicker, Peter; Faulstich, Martin: Möglichkeiten und Grenzen der gemeinsamen

dezentralen Verwertung biogener Roh- und Reststoffe Metschke, Jörg: Korrosion und Korrosionsschutz Crimmann, Peter; Dimaczek, Gerold; Faulstich, Martin: Korrosionsschutz durch Thermisches

Spritzen Zwahr, Heiner: Korrosionsschutz durch galvanisch aufgetragene Nickelschichten Blank, Peter: Betriebserfahrungen mit der Thermoselect-Anlage in Karlsruhe Spindeldreher, Olaf; Usdrowski, Norbert; Hauk, Rolf: Contherm - Thermische Abfallverwertung

im Kraftwerk Johnke, Bernt: BREF/BAT-Entwurf Abfallverbrennung - Stand der Anlagentechnik in Europa Seeger, Hendrik; Urban, Arnd I.: Fortschritte bei der Analyse von Sekundärbrennstoffen in

einer Verbrennungsanlage im Technikumsmaßstab Bleckwehl, Stefan; Walter, Roland; Kolb, Thomas; Seifert, Helmut: Charakterisierung des

Abbrandverhaltens fester Brennstoffe Igelbüscher, Andreas; Aykut, Halas: Weitere Entwicklung der Wirbelschichttechnik am Beispiel

des offenen Düsenbodens Eckardt, Silke; Albers, Henning; Schirmer, Matthias; Bilitewski, Bernd: Einsatz von

Ersatzbrennstoffen in Industrieanlagen Potenziale und wirtschaftliche Aspekte Winkler, Jörg: Vergleich der Abfallbehandlungsalternativen mit vorhandenen

Ökobilanzmodellen

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Inhalt Band 10 (2005)

Trittin, Jürgen: Grußwort Gaßner, Hartmut: Aktuelles Abfallrecht Jung, Gottfried: Der Bericht der LAGA zum Stand der Umsetzung der Ablagerungsverordnung Radde, Claus-Andre: Deponiefreie Siedlungsabfallwirtschaft-Zielstellung 2020 - Utopie oder

realistische Aufgabe? Stengler, Ella: Stand und Perspektiven der thermischen Abfallbehandlung in Europa Haferkamp, Rolf: EBS - Vollständiger Kreislauf durch Einsatz Thermischer Verfahren Mantau, Udo; Wagner, Jörg: Stoffstromanalyse Holz in Deutschland - Dauerhafte Nutzung oder

Abfall? Flamme, Sabine: Bestimmung des biogenen Anteils in Sekundärbrennstoffen Prochaska, Michael; Pomberger, Roland; Lorber, Erich-Karl: Aufbereitungsanlage für

Ersatzbrennstoffe (ThermoTeam-Anlage) - Qualitätsrelevante Anlagenmodifikationen und Weiterentwicklung der Qualitätssicherung

Glorius, Thomas; Hüskens, Jürgen: Verminderung des Chlorgehaltes im Brennstoff durch neue Sortiertechniken

Löschau, Margit; Rotter, Susanne: Einfluss komplexer Entsorgungssysteme auf die Thermische Abfallbehandlung

Treder, Martin; Salamon, Andreas: Energetische Verwertung von niederkalorischen Restabfallfraktionen in einer MVA

Hoepfner, Jürgen: Potenzial der Rostfeuerung zur thermischen Abfallbehandlung Igelbüscher, Andreas: Einsatz der Wirbelschichttechnik in der Abfallwirtschaft - Praktische

Grundlagen, Anwendungsbeispiele Krämer, Jochen: Planung einer energetisch optimierten thermischen Abfallbehandlungsanlage

am Beispiel der HR-AVI-Amsterdam Reimann, Dieter O.: Ermittlung und Bedeutung von Wirkungsgraden und Kennzahlen zur

energetischen Nutzung von Abfallverbrennungsanlagen Kaufhold, Edgar; Kaufmann, Rolf; Goedecke, Helge: Kostenstrukturen bei der thermischen

Abfallbehandlung Zwahr, Heiner: MV - Schlacke - mehr als nur ein ungeliebter Baustoff? Lang, Daniel J.; Seil, Joachim; Scholz, Roland W.; Stäubli, Beat: Die Rolle der thermischen

Abfallbehandlung im Ressourcenmanagement Seeger, Hendrik; Urban, Arnd L: Online-Heizwertbestimmung in einer Müllverbrennungsanlage Schirmer, Matthias: Freisetzungsverhalten von Chlor unter Berücksichtigung von Schwefel und

Alkalimetallen Bendix, Dietmar; Quicker, Peter; Faulstich, Martin: Perspektiven der Vergasungstechnik Faulstich, Martin; Reichenberger, Hans-Peter; Mocker, Mario; Quicker, Peter: Aschen aus

Biomassefeuerungen Bilitewski, Bernd; Faulstich, Martin; Urban, Arnd L: Neue Verfahren - warum sind sie

gescheitert, welche Zukunft haben sie?

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Inhalt Band 11 (2006)

Bernhard, Otmar: Grußwort Vehlow, Jürgen: Internationale Entwicklungen der thermischen Abfallbehandlung Kleppmann, Ferdinand: Entwicklung der thermischen Abfallbehandlung

in der Europäischen Union Radde, Claus-Andre: Entwicklung der Abfallwirtschaft in Deutschland Hoffmann, Peter-Olaf: Auswirkungen der TASi auf die Auslastung von

Müllverbrennungsanlagen in Nordrhein-Westfalen Bendix, Dietmar; Metschke, Jörg: Neue Korrosionsschutzkonzepte für

Abfallverbrennungsanlagen Schettler, D.; Schroer, Kay; Görner, Klaus: Einsatz einer Online-Korrosionsmesssonde

bei der thermischen Abfallbehandlung Grotefeld, Volker; Poos, Bernhard: Betriebssicherheit durch Dokumentation in

Müllheizkraftwerken mit Hilfe von Standardsoftware Beyer, Michael; Hellwig; Udo: Leistungssteigerung durch Wasserumlaufmessung

in Kesselanlagen Schopf, Norbert; Lindner, Walter: Emissions- und kostenoptimierte Brennersysteme Klasen, Thomas; Görner, Klaus; Auel, Werner; Sudau, Bernd: Optimierung des MHW Bremen -

Simulation und Betriebserfahrung Bilitewski, Bernd: Berechnung von CO2-Vermeidungskosten für die Optimierung von

Müllverbrennungsanlagen Kienzl, Norbert; Staber, Wolfgang; Prochaska, Michael; Raber, Georg; Schirmer, Matthias:

Bestimmung des biogenen Anteils in Ersatzbrennstoffen Span, Roland: Stand der CO2-Abscheidung bei Kraftwerken Schröer, Ramona; Urban, Arnd L; Schirmer, Matthias: Verbesserte Chloruntersuchung von

Brennstoffen im Technikumsmaßstab Mocker, Mario; Quicker, Peter; Faulstich, Martin: Dezentrale thermische Abfallbehandlung -

Praxiserfahrungen im Pilotmaßstab Löschau, Margit; Rotter, Susanne: Input-Output-Analyse als Planungs- und

Bewertungsinstrument Johnke, Bernt; Krause, Susann; Hermann, Tim: Erfolge und Pannen bei der Entwicklung der

thermischen Abfallbehandlung. Ein lehrreicher Rückblick. Glorius, Thomas: Erfahrungen mit Produktion und Einsatz gütegesicherter

Sekundärbrennstoffe - RECOFUEL Büchner, Harm-Peter: Was machen neue Anlagen anders? Günther, Johannes: Erste Betriebserfahrungen der TREA Leuna mit integriertem Ballen-

Zwischenlager Gohlke, Oliver: Erfahrungen und Entwicklungen des Anlagenbaus für eine deponiefreie

Abfallwirtschaft 2020

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Inhalt Band 12 (2007)

Jaron, Andreas: Aktuelle Entwicklung der europäischen Abfallwirtschaft Kohler, Ludwig: Bayerische Abfallsituation Bauer, Werner P.: Werden aus Zwischenlager Endlager? Fleck, Edmund: Stand und Entwicklung der thermischen Abfallbehandlung Gass, Horst: Messstrategie und Emissionsüberwachung an stationären Quellen unter

Berücksichtigung der DIN EN 15259 E Metschke, Jörg: Erfahrungen mit wassergekühlten Rosten Nethe, Lutz-Peter: Neue Additive in der Rauchgasreinigung thermischer Prozesse Wandschneider, Jörn: Optimierungsmaßnahmen zur Steigerung des Wirkungsgrades (Beispiel

AVI-Amsterdam und HR-AVI) Mocker, Mario; Quicker, Peter; Faulstich, Martin; Berger, Ralph; Beer, Stefan:

Kleinverbrennungsanlage für Getreide und Stroh – eine Gemeinschaftsentwicklung in der Region Amberg-Sulzbach

Gleis, Markus: Zwischenlagerung von brennbaren Abfällen und verfügbare Behandlungskapazitäten in Deutschland

Flamme, Sabine: Stand der Europäischen Normung für Ersatzbrennstoffe Mantau, Udo: Holzaufkommen und –verwendung zwischen stofflicher und energetischer

Verwendung Schröer, Ramona; Urban, Arnd I.: Kapazitätsvergrößerung durch Schnellverbrennung? Pacher, Christian; Faulstich, Martin; Eggenstein, Uwe; Quicker, Peter:

Treibhausgasemissionen und Minderungspotenziale in Müllverbrennungsanlagen Schirmer, Matthias: Ersatzbrennstoffe und Chlor – ein noch immer ungelöstes Problem Mineur, Martin: Müllverbrennung im Spannungsfeld von Energienutzung und Ökonomie Beckmann, Michael: Wege zur Effizienzsteigerung bei der Abfallbehandlung Bilitewski, Bernd: Ist die MBA gescheitert? Reichenberger, Hans-Peter; Mocker, Mario; Quicker, Peter; Faulstich, Martin: Rückstände aus

verschiedenen Verbrennungsanlagen

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Inhalt Band 13 (2008)

Jaron, Andreas: Entwicklungen neuer Rahmenbedingungen für die Thermische Abfallbehandlung

Frenz, Walter: Grenzüberschreitende erwerbswirtschaftliche Betätigung der Kommunen und Europarecht

Alwast Holger; Birnstengel, Bärbel: Abfallmanagement und Kapazitätsentwicklung in Europa Fehrenbach, Horst: Vollständige Verwertung in einer MVA – Bestandsaufnahme und

Klimabilanz Borghardt, Ralf: Einsatz von EBS in industriellen Kraftwerken – Erfahrungen und

Weiterentwicklungen Pförtner, Michael: Thermische Abfallbehandlung bei EnBW Mielke, Frank; Kappa Sven; Sparmann, Andreas: Die Zukunft der EBS-Verwertung in

Braunkohlekraftwerken aus der Sicht der Vattenfall Europe Oerter, Martin: Entwicklungen für den Sekundärbrennstoffeinsatz in der Zementindustrie Bürgler, Thomas: Ökologische Zweckmäßigkeit für den Einsatz von Kunststoffen als

Reduktionsmittel im Hochofen Neukirchen, Bernd: Erfahrungen in Monoanlagen Wandschneider, Jörn: Energieeffizienz in der AVA Amsterdam – erste Betriebserfahrungen Gohlke, Oliver: Verbesserungspotenziale der Energieeffizienz Kaufmann, Rolf; Zachäus, Dirk: Erzeugung von Strom und Wärme aus Abfall – Bedeutung und

Potenzial Ellersiek, Dietrich-Georg: Hybridregelung zur Optimierung des Betriebs von

Müllverbrennungsanlagen Karagiannidis, Avraam: Perspektiven und Hintergründe für die energetische Abfallverwertung

in Griechenland Buekens, Alfons: Schmelzverfahren – Erfahrungen in Japan Nelles, Michael; Tao Liu; Ke Wu; Morscheck, Gert: Thermische Klärschlammbehandlung –

Ein sinnvoller Entsorgungsweg für das Schwellenland China?!