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dabei erst noch frische Wald- statt ab- gasgeschwängerte Ver- kehrsluft atmen. «Die Pfadi ist sicher kein schlechter Verein», gibt der 15-Jährige diploma- tisch zu Protokoll. Er weiss aber nicht, ob Langnau überhaupt eine Pfadi hat, und es scheint ihn nicht sonderlich zu interessieren. «Es gefällt mir bei den Kadetten.» Das hat auch an seiner Liebe zu Motoren zu tun. Patrick ist Formel-1-Fan, liest die Automagazine des Vaters und erkennt die meisten Automarken von weitem. Mofas darf er schon fahren, und für ihn ist klar, dass er mit 16 die Rollerprüfung und mit der Volljährigkeit schnellstmöglich die Au- toprüfung machen wird. Die Fahrstunden wird er aus seinem Kadettensold bezahlen; 1500 Franken haben sich bereits zu- sammengeläppert. Der Autodirigent Die Autofahrer teilt er in drei Kategorien ein: freundliche, unfreundli- che und solche, die beim Warten auf sein Zeichen fast einschlafen. Manch- mal gebe es wilde Hupkonzerte verärgerter Lenker, erzählt Patrick. Da heisst es: Nicht hinhö- ren, Ruhe bewahren. Manche rufen ihm «Trot- tel» nach, andere bedan- ken sich winkend für die Durchfahrt. Wie gefällt es ihm denn, in so jungen Jahren schon Herr der Autos zu sein? Er horcht auf. «Herr der Autos?» Ein Lächeln stiehlt sich auf sein Gesicht. «Cooler Ausdruck!» Er relativiert aber gleich; er sei ja nicht Chef aller Len- ker. «Ich bestimme bloss, wann sie fahren dürfen und wann nicht.» Dann fügt er verschmitzt an: «Aber es ist schon lässig, all die Autos zu dirigieren; für einige Stunden ‹Herr der Autos› zu sein, auch wenn – oder gerade weil – ich selbst noch keines fahren darf.» Patrick Schlumpf ist seit drei Jahren ein Verkehrs- kadett. Er mag Autos und steht gern auf den Strassen – auch wenn seine Kollegen dies uncool finden. Von Nicole Trossmann Langnau. – Im Café, in dem das Gespräch für die Zeitung stattfin- det, bestellt sich Patrick Schlumpf erwartungsgemäss eine Cola. Er trägt Labelshirt und Kapuzenpulli, wie viele seines Alters. Dann aber sorgt der 15-Jährige für Erstaunen, indem er einen dicken Ordner und eine noch dickere Aktenmappe aus dem Rucksack kramt, das Café- tischchen ächzt unter der unge- wohnten Last. Die Papierstapel do- kumentieren Patricks drei Jahre bei den Verkehrskadetten, so sau- ber sortiert, wie man es eher von einem gestandenen Banker denn von einem Teenager erwarten würde. Patrick blättert sich durch Rapporte von Einsätzen – letztes Jahr hatte er rund 16 –, Aufgebote und Soldblätter. Sogar den ersten Brief, den er von den Verkehrska- detten bekam, bewahrte er auf: die Einladung zur Infoveranstaltung. Skeptische Mutter Diese markierte den Anfang, als sie, an den Sohn adressiert, vor drei Jahren ins Haus der Schlumpfs in Langnau flatterte. Die Mutter sah den Absender und legte den Brief nur widerwillig in Patricks Zimmer, wie er Jahre spä- ter erfahren sollte: Das Mami habe sich Sorgen gemacht um die Ge- sundheit des Sohnes, wenn der stundenlang Abgasen ausgesetzt Der Herr der Autos bestimmt, wo es langgeht sei. Patrick selbst stört sich nicht daran: «Ich treibe viel Sport, esse nicht ungesund und rau- che nicht.» Heute ist er froh, dass der Vater die Mutter überzeugte, dem Sohn das neue Hobby zu erlauben: «Danke, Papi.» 6 Franken pro Stunde Patrick besuchte die Infoveranstaltung, beur- teilte sie als «spannend» und entschied, die Aus- bildung zum Verkehrs- kadetten in Angriff zu nehmen. Seine Wochen- enden seien frei gewe- sen; die Gitarrenstun- den, der Turnverein wie die Leichtathletik fielen auf Werktage. Verspürte er denn Lang- weile an den Samstagen? Er schüttelt den Kopf. Selbstverständlich könne er sich selbst be- schäftigen. «Ein weiteres Hobby hat aber zeitlich noch reingepasst.» Wie- der erstaunt der Jugend- liche durch seine Aus- drucksweise, die sehr er- wachsen anmutet. Der Anfang der Aus- bildung war hart: «Es war Winter, wir standen eine Ewigkeit auf den Strassen, in Reih und Glied, jeweils einer diri- gierte die Autos.» Nach einem halben Jahr Aus- bildung – eine lange Zeit für einen Zwölfjährigen – galt Patrick als Anwärter, bei der nächsten Gene- ralversammlung wurde er aufgenommen, durfte sich von nun an Ver- kehrskadett nennen und erhielt 6 Franken Lohn pro Stunde. Später stieg er zum Gruppenführer auf. Mit blitzenden Augen erzählt er, wie sein Herz höher geschlagen habe, als er von der Beförderung erfuhr. Gruppenführer, nämlich, werde man nicht einfach so: «Ich musste immer pünktlich sein, gute Ein- sätze leisten, mitdenken statt nur mitmachen, eigene Vorschläge bringen, kurz: positiv auffallen.» Unter der neuen Verantwortung blüht er auf; manches darf er schon selbst entscheiden. Ob er stolz sei auf seine Kaderposition? «Sehr zu- frieden», korrigiert er bescheiden. Eine Schwäche für Motoren Patrick ist mit Herzblut Ver- kehrskadett, auch wenn dies unter den Kollegen in der Schule nicht als besonders cool empfunden wird. Als er bei einem Jugendspiel in der Schwerzi auf Kollegen stösst, grinsen die von einem Ohr zum andern, als sie den Kamera- den in der ungewohnten Uniform erblicken. Patrick zuckt mit den Schultern; das macht ihm nichts aus. Die Uniform könnte er aller- dings auch in der Pfadi tragen und BILD SILVIA LUCKNER Ein Junger, der auf der Strasse gelandet ist: Konzentrierter Patrick Schlumpf. ZUR PERSON Patrick Schlumpf Der 15-Jährige ist seit drei Jah- ren bei der Verkehrskadetten- Abteilung Albis und inzwi- schen Gruppenführer. Nach den Sommerferien geht er ins Gymnasium Enge, für später liebäugelt er mit einem Job bei der Polizei. Mit seiner Familie wohnt er in Langnau. (tro)

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SA: O-TON FR: ESSEN & TRINKEN DO: KÖPFE MI: JUNG DI: SCHAUFENSTER MO: LEUTE Patrick Schlumpf ist seit drei Jahren ein Verkehrs- kadett. Er mag Autos und steht gern auf den Strassen – auch wenn seine Kollegen dies uncool finden.

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TA LSE LETZTE 64 05.06.2008 05.06.08 08:49:30

C: Rhea.B: Indra.

W I E D E R M E I S T E R , S O D E R H U N D

Wem gehört welcher Hund?Auflösung in der morgigen Ausgabe

Anita Honegger.Gertrud Bachmann. Katja Hink.BILDER LAURA SCHURR

Trudy Köhler.

A: Daphne.

DIE LETZTE64 Tages-Anzeiger · Donnerstag, 5. Juni 2008

SA: O-TONFR: ESSEN & TRINKENDO: KÖPFEMI: JUNGDI: SCHAUFENSTERMO: LEUTE

D: Butch.

dabei erst noch frischeWald- statt ab-gasgeschwängerte Ver-kehrsluft atmen. «DiePfadi ist sicher keinschlechter Verein», gibtder 15-Jährige diploma-tisch zu Protokoll. Erweiss aber nicht, obLangnau überhaupt einePfadi hat, und es scheintihn nicht sonderlich zuinteressieren. «Es gefälltmir bei den Kadetten.»

Das hat auch an seinerLiebe zu Motoren zu tun.Patrick ist Formel-1-Fan,liest die Automagazinedes Vaters und erkenntdie meisten Automarkenvon weitem. Mofas darfer schon fahren, und fürihn ist klar, dass er mit 16die Rollerprüfung undmit der Volljährigkeitschnellstmöglich die Au-toprüfung machen wird.Die Fahrstunden wird eraus seinem Kadettensoldbezahlen; 1500 Frankenhaben sich bereits zu-sammengeläppert.

Der Autodirigent

Die Autofahrer teilt erin drei Kategorien ein:freundliche, unfreundli-che und solche, die beimWarten auf sein Zeichenfast einschlafen. Manch-mal gebe es wildeHupkonzerte verärgerterLenker, erzählt Patrick.Da heisst es: Nicht hinhö-ren, Ruhe bewahren.Manche rufen ihm «Trot-tel» nach, andere bedan-ken sich winkend für dieDurchfahrt. Wie gefälltes ihm denn, in so jungenJahren schon Herr derAutos zu sein? Er horchtauf. «Herr der Autos?»Ein Lächeln stiehlt sichauf sein Gesicht. «Cooler

Ausdruck!» Er relativiert abergleich; er sei ja nicht Chef aller Len-ker. «Ich bestimme bloss, wann siefahren dürfen und wann nicht.»Dann fügt er verschmitzt an: «Aberes ist schon lässig, all die Autos zudirigieren; für einige Stunden‹Herr der Autos› zu sein, auchwenn – oder gerade weil – ich selbstnoch keines fahren darf.»

Patrick Schlumpf ist seitdrei Jahren ein Verkehrs-kadett. Er mag Autos undsteht gern auf den Strassen– auch wenn seine Kollegendies uncool finden.

Von Nicole Trossmann

Langnau. – Im Café, in dem dasGespräch für die Zeitung stattfin-det, bestellt sich Patrick Schlumpferwartungsgemäss eine Cola. Erträgt Labelshirt und Kapuzenpulli,wie viele seines Alters. Dann abersorgt der 15-Jährige für Erstaunen,indem er einen dicken Ordner undeine noch dickere Aktenmappe ausdem Rucksack kramt, das Café-tischchen ächzt unter der unge-wohnten Last. Die Papierstapel do-kumentieren Patricks drei Jahrebei den Verkehrskadetten, so sau-ber sortiert, wie man es eher voneinem gestandenen Banker dennvon einem Teenager erwartenwürde. Patrick blättert sich durchRapporte von Einsätzen – letztesJahr hatte er rund 16 –, Aufgeboteund Soldblätter. Sogar den erstenBrief, den er von den Verkehrska-detten bekam, bewahrte er auf: dieEinladung zur Infoveranstaltung.

Skeptische Mutter

Diese markierte den Anfang, alssie, an den Sohn adressiert, vordrei Jahren ins Haus derSchlumpfs in Langnau flatterte.Die Mutter sah den Absender undlegte den Brief nur widerwillig inPatricks Zimmer, wie er Jahre spä-ter erfahren sollte: Das Mami habesich Sorgen gemacht um die Ge-sundheit des Sohnes, wenn derstundenlang Abgasen ausgesetzt

Der Herr der Autos bestimmt, wo es langgehtsei. Patrick selbst störtsich nicht daran: «Ichtreibe viel Sport, essenicht ungesund und rau-che nicht.» Heute ist erfroh, dass der Vater dieMutter überzeugte, demSohn das neue Hobby zuerlauben: «Danke, Papi.»

6 Franken pro Stunde

Patrick besuchte dieInfoveranstaltung, beur-teilte sie als «spannend»und entschied, die Aus-bildung zum Verkehrs-kadetten in Angriff zunehmen. Seine Wochen-enden seien frei gewe-sen; die Gitarrenstun-den, der Turnvereinwie die Leichtathletikfielen auf Werktage.Verspürte er denn Lang-weile an den Samstagen?Er schüttelt denKopf. Selbstverständlichkönne er sich selbst be-schäftigen. «Ein weiteresHobby hat aber zeitlichnoch reingepasst.» Wie-der erstaunt der Jugend-liche durch seine Aus-drucksweise, die sehr er-wachsen anmutet.

Der Anfang der Aus-bildung war hart: «Eswar Winter, wir standeneine Ewigkeit auf denStrassen, in Reih undGlied, jeweils einer diri-gierte die Autos.» Nacheinem halben Jahr Aus-bildung – eine lange Zeitfür einen Zwölfjährigen –galt Patrick als Anwärter,bei der nächsten Gene-ralversammlung wurdeer aufgenommen, durftesich von nun an Ver-kehrskadett nennen underhielt 6 Franken Lohnpro Stunde.

Später stieg er zumGruppenführer auf. Mitblitzenden Augen erzählt er, wiesein Herz höher geschlagen habe,als er von der Beförderung erfuhr.Gruppenführer, nämlich, werdeman nicht einfach so: «Ich mussteimmer pünktlich sein, gute Ein-sätze leisten, mitdenken statt nurmitmachen, eigene Vorschlägebringen, kurz: positiv auffallen.»Unter der neuen Verantwortung

blüht er auf; manches darf er schonselbst entscheiden. Ob er stolz seiauf seine Kaderposition? «Sehr zu-frieden», korrigiert er bescheiden.

Eine Schwäche für Motoren

Patrick ist mit Herzblut Ver-kehrskadett, auch wenn dies unterden Kollegen in der Schule nicht

als besonders cool empfundenwird. Als er bei einem Jugendspielin der Schwerzi auf Kollegenstösst, grinsen die von einem Ohrzum andern, als sie den Kamera-den in der ungewohnten Uniformerblicken. Patrick zuckt mit denSchultern; das macht ihm nichtsaus. Die Uniform könnte er aller-dings auch in der Pfadi tragen und

BILD SILVIA LUCKNER

Ein Junger, der auf der Strasse gelandet ist: Konzentrierter Patrick Schlumpf.

BöseWimpel

Von Christian Andiel*

Vermutlich ist es blossein ganz dummerZufall. Auf jeden Fall istes aber keine wissen-

schaftlich untermauerte Studie.Trotzdem: Auf dem Weg zurArbeit erlebte ich gleich dreikleine Hupattacken von generv-ten Automobilisten. Erst konntees ein Transporterfahrer nichtfassen, dass sein Vorfahrer nichtdoch noch bei dunkelorangeüber die Kreuzung raste; dannfühlte sich eine reife Blondineder Vorfahrt beraubt und hiebnicht nur auf die Hupe, sondernauch aufs Lenkrad und stiessbedrohlich klingende Flüche inihrer an sich schön klingendenLandessprache aus; am Endeschliesslich fand ein Jungspundden Verkehrsfluss als solcheneinfach zu langsam und mühsam.

Dreimal also suchte die ge-plagte Kreatur ihr Heil in derHupe. Was aber vor allem auffiel:Transporterfahrer und Jungspundhatten eine Schweizer Fahne amAuto montiert, die Blondine einenWimpel aus Portugal. Heisst dasnun, dass diese netten kleinenAccessoires aggressiver machen,weil man quasi die gesamteHeimatnation als Verstärkung imRücken wähnt?

Na ja, vermutlich ist es ebendoch bloss ein ganz dummerZufall. Denn sonst müsste manja den bösen, eigentlich mit nichtszu rechtfertigenden Spruch zi-tieren: Jeder Simpel hat nenWimpel.

* Christian Andiel ist Redaktor.

Z U R P E R S O N

Patrick SchlumpfDer 15-Jährige ist seit drei Jah-ren bei der Verkehrskadetten-Abteilung Albis und inzwi-schen Gruppenführer. Nachden Sommerferien geht er insGymnasium Enge, für späterliebäugelt er mit einem Job beider Polizei. Mit seiner Familiewohnt er in Langnau. (tro)