Tauchunfälle im Kaltwasser · PDF fileTauchunfälle im Kaltwasser vermeiden...

Tauchunfälle im Kaltwasser vermeiden Strategien des

Verbandes Deutscher Sporttaucher e.V.

TL-Tagung der CMAS.CH - Januar 2012 Frank Ostheimer

Stab Fachbereich Tauchausbildung im Verband Deutscher Sporttaucher e.V.

Verband Deutscher Sporttaucher e.V. Frank Ostheimer TL Tagung CMAS.CH, Januar 2012

VDST – Zahlen und Fakten

•  Gegründet 1954 •  Gründungsmitglied der CMAS 1959 •  80 000 Mitglieder in 1000 Vereinen •  VDST (Bundesverband) + 17 Landesverbände •  6800 Ausbilder (3300 TL+ 3500 Übungsleiter/Trainer) •  115 DiveCenter im In- und Ausland •  Verbandszeitung SPORTTAUCHER •  Vertreter für „Tauchen“ im Deutschen Olympischen Sportbund •  Kooperation mit NAUI seit 2011 •  Vertrag mit FFESSM seit 2011 (CMAS***, CMAS TL3) •  Technisches Tauchen, Rebreather, Apnoe, Finswimming,

Orientierungstauchen, UW-Rugby, Schulsport


Lizenzgeber für Partner der CMAS Germany

DLRG

Barakuda

EDA

VIT

Geschäftsstelle: Offenbach/Main

UDI

VEST

ICMC

FST

IDA


...zur Person

Tauchen: •  VDST TL1 Prüfung 1984 (Moniteur*) •  Mitglied im VDST Stab Ausbildung

- besteht aus sechs VDST/CMAS TL4 - Strategie

•  Seit 2004 Landesausbildungsleiter Hessen •  Autor: VDST Zeitung SPORTTAUCHER •  Nitrox-, Trimix-, Rebreathertauchen

Beruflich: •  Diplom Ingenieur, Studienrat •  5 Jahre Fa. Poseidon Kiel/Göteborg

u.a. Schulung der Servicetechniker


Übersicht

1. Tauchunfälle 2011 in D/A/CH 2. Eistauchunfall 2006 – Untersuchungsergebnisse 3. Strategien zur Unfallvermeidung im VDST 4. Ausrüstung – Atemregler, Vereisung, Konfiguration 5. Einfluss Inflatorbedienung 6. Notfallprozeduren 7. Solotauchen


Tauchunfälle 2011 in D/A/CH 17 Tote 20 Verletzte (Alle Angaben ohne Gewähr!)

26 Fälle Quellen: www.taucher.net und www.4u.ch (Fachstelle für Tauchunfallverhütung)

30.10. Murnersee/D 30.06. Wolfgangsee/A (Bewusstlosen gere:et)

23.10. A:ersee/A 24.06. A:ersee/A

15.10. Wien/A 19.06. Starnbergersee/D

02.10. Genfersee/CH (Solo) 06.06. Starnbergersee/D (Bewusstlosen gere:et)

01.10. Hemmoor/D 04.06. Walensee/CH

29.08. A:ersee/A 28.04. Bodensee/D (Solo)

24.08. Silbersee/D (Schnuppertauchen) 08.04. A:ersee/A

14.08. Starnbergersee/D (verloren) 03.04. Genfersee/CH

30.07. Stechlinsee/D (Bewusstlosen gere:et) 19.03. Thunersee/CH

23.07. Haselbachtal/D 26.02. Davos/CH (Apnoe)

19.07. Maggia/I 30.01. Uetersen/D (Apnoe)

15.07. Damp/D 23.01. Walensee/CH (Bewusstlosen gere:et)

11.07. Zürichsee/CH 12.01. Bodensee/D

Vereisung vermutet


....haben 70 Jahre Ausrüstungsentwicklung und fast 60 Jahre Tauchausbildung nichts genützt...?

Jacques-Yves Cousteau 1942


Unfallauslöser

54%

17%

29%

Technisch Medizinisch Verhalten

„…ein guter Taucher kann auch mit schlechter Ausrüstung tauchen….“

Quelle: Förderkreis Sporttauchen, Dr. Dietmar Berndt


Hight Tech Atemregler ....aus der Werbung.....

•  „Luftlieferleistung 1800 l/min...“

•  „...Rekord mit dem xxxx: Solo-Tieftauchen auf -313 m“...

•  „...101 Taucher 40 Minuten lang gleichzeitig aus einer einzigen xxxx ersten Stufe atmeten...“

•  „...Überbalancierte membrangesteuerte 1.Stufe mit „Dry Chamber“ zum Schutz vor Vereisung....“

•  „...für alle erdenklichen Tauch-Einsätze...“


Atemreglertechnik...alles klar?

•  VIVA Venturi Initated Vacuum (Venturiausgelöste Vacuumunterstützung). Anwendung des Injektoreffektes in der zweiten Stufe bei Scubapro.

•  VAD Vortex Assisted Design (Wirbelunterstützte Ausführung) Anwendung des Injektoreffektes in der zweiten Stufe; Fa. Mares

•  DFC Dynamic Flow Control (Dynamische Strömungsregelung) Anwendung des Injektoreffektes in der ersten Stufe. Fa. Mares. •  CBS Constant Bleed System

Belüftung der Wasserkammer der ersten Stufe aus dem Mitteldruck bei Fa. Sherwood

•  CW Kit Cold Water Kit, Zusatzausrüstung, um Atemregler kaltwassertauglich zu machen

•  NCC-System (Natural Convection Channel) Oberflächenvergrößerung gewährleistet eine höhere Wärmezufuhr, Mares

•  SMC (Sheet Molding Compound) Faser-Matrix-Verbund) Scubapro

•  P.P.B.-System (Peak Performance Balancing) Scubapro

•  PVD-Beschichtung (Physical Vapour Deposition) höchster Härtegrad bei Metallen, Scubapro


.....6 Monate im Winter 2005/2006

•  30.11.05, Hemmoor: 1 Toter, Ausrüstungsprobleme •  06.01.06, Attersee: 2 Schwerverletzte, Vereisung •  04.02.06, Hessen: 2 Tote, Eistauchen,

Vereisung - Ausrüstungsmängel •  05.03.06, Sorpesee: 1 Toter, Eistauchen, Vereisung •  02.05.06, Epplesee: 3 Taucher mit RTH in Kammer,

2 Vereisungen auf 30m •  05.05.06, Edersee: 1 Toter, Probleme Atemregler

auf 30m

Quelle: Zeitungsmeldungen/Polizeiberichte


Eistauchunfall Hessen 2006 – zwei Tote

Quelle: Dr. Dietmar Berndt



•  Ermittlungsdauer 12 Monate •  D: Wenig Gutachter: Bundesmarine...Dr. Berndt... •  70 S. Gutachten – 3 Ordner Ermittlungsakten •  Obduktion •  Analyse Taucherfahrung und Brevets •  Istaufnahme der Ausrüstung vor Ort •  Auftriebsmessung-/berechnung Anzug/Jacket •  Zerlegung der Ausrüstung •  Auswertung der Tauchcomputer •  Gasanalyse •  ....



•  DTSA** 146 TG in 15 Jahren VDST TL2 1800 TG, taucht seit 27 Jahren, seit 23 Jahren

VDST-Moniteur, TEC-Ausbildung •  4 Atemregler: 3 defekt bzw. nicht kaltwassertauglich!!! •  Erste und zweite Stufen von ungleichen Herstellern •  Ein 2x7L Doppelgerät wegen falsch montierter

Reserveschaltung nur zur Hälfte gefüllt (Manometer: „voll“) •  Ein 3L „AG“ enthielt 30ml Wasser, starken Rost,

AG mit 6 Jahren TÜV (Argon-Markierung) •  Leinenführung – Bodenprofil - Absprachen



Auslöser: Vereisung + •  Ungeeignete Ausrüstung •  Schlechte Wartung •  Feuchtigkeit in DTG •  Schlechte Absprachen •  Schlechte Planung •  Ungeübt im Leinentauchen

VDST: •  Einführung Eistauchregeln •  Kaltwasserempfehlungen

für Atemregler •  Ausbildung Leinentauchen •  Kein Eistauchunfall

seit 2006! Quelle: Dr. Dietmar Berndt


Strategien zur Unfallvermeidung im Kaltwasser

•  Unfallauslöser Tauchausrüstung bewusst machen: - Atemregler-Auswahl - Feuchtigkeit in TG und Atemregler vermeiden - Wartung vom Fachmann – nix für Bastler

•  Notfallprozeduren (Luftnot – Vereisung) •  Konfiguration (Hauptregler mit langem MD-Schlauch...) •  Tauchsparten gezielt ausbilden (Bsp. Eistauchen,

Flusstauchen) •  Solokompetenz fördern (ab CMAS**) – aber ohne alleine zu

tauchen!! •  Die beste „Versicherung“: Ein gut ausgebildetes

Partnerteam mit bekannter, guter und gewarteter Ausrüstung


Kaltwassertest nach EN 250 Berufsgenossenschaft Hohenpeißenberg/Voralpenland

9 Membranregler: alle bestanden 5 Kolbenregler: 3 nicht bestanden


Kaltwassertest EN250 vs. US-Navy

DIN EN 250 US–Navy/Norsok

Testtiefe 50 m 60 m Atemminutenvolumen 62,5 l 62,5 l Testdauer 5 min (1875 barl) 60 min (26250 barl) Kaltwassertest 4 0C <= 0 0C Süßwasser Seewasser Grenzen: Atemarbeit 3,0 J/l 1,4 J/l Einatemdruck 25 mbar 15 mbar Ausatemdruck 25 mbar 15 mbar Regler vor Test: Umgebungstemperatur 12 h auf - 17 0C Test: Prüfkammer Kammer + Praxis


Membranregler – Test OK

Grafiken: www.airscan.de


Kolbenregler – Abbruch nach 50s

Mitteldruck steigt an Regler bläst ab - Ausatemwiderstand steigt



Kolben

Membran

Kälte!!

x

x

Grafik: Werner Scheyer


Sherwood CMS-System

Sinterfilter

Überdruckventil (Gummistopfen)

Trockener Feder-stellraum

Es muss darauf geachtet werden, dass immer Luft aus dem Überdruckventil austritt!



Sherwood CMS-System Sinterfilter defekt...

Quelle: Werner Scheyer


Kolbengesteuerte Regler

Warum gibt es noch kolbengesteuerte Regler? -  Günstig zu bauen -  Einfach zu warten -  Für Tauchbasen

(Warmwasser) sinnvoll


Vereisung

Maximum bei rund 150bar? – Unfälle oft in ersten Minuten des TG



Einfluss Inlatorbedienung auf Temperaturverhalten

Temperaturmessungen nach Inflatorbedienung ohne Atmung!


Erkenntnis: Haupttariereinheit nicht an Hauptatemregler anschließen - Kälteentwicklung verteilen! Vorsicht bei schnellen Abstiegen im Kaltwasser!


Feuchtigkeit in TG und Regler

Wie?

Quelle: Fa. Poseidon, Göteborg


Feuchtigkeit in TG und Atemregler Warum?

•  Kompressor •  Atemregler spülen (Luftdusche!) •  Offene Anschlüsse beim Tauchen •  Leere Stage + erneut abtauchen


Wartung Atemregler, Ventil, Jacket

…wie Wartung? …den hab ich vor 18 Jahren gekauft und er funktionierte bis heute einwandfrei…(VDST TL)

•  Atemregler jährlich zum Fachmann Sinterfilter – Druckprüfungen

•  Alle 2-3 Jahre Ultraschallreinigung (oder nach Herstellerangaben) •  Schläuche selbst kontrollieren (Knickschutz weg!) •  Ventile im Rahmen TÜV Prüfung warten (Reserve jährlich)

Foto: Poseidon/Kiel

Foto: Dr. Berndt


Atemregler sind nichts für Bastler

Zu dieser ersten Stufe gehört Pilotventil = Upstream

Downstream

Erste Stufe, Zweite Stufe + MD-Schlauch sind eine Einheit!!

Upstream

MD steigt überproportional zum Wasserdruck !


Atemregler sind nichts für Bastler BOOT Düsseldorf 2010

Querschnitt Metallflex 90% kleiner als Original-MD!!

2 mm

Original-MD

6,3 mm

Metallflex


Winkelstücke im MD-Bereich Vorsicht!


Notfallprozeduren Luftnot (Out of Air)

Besser so...! Der Hauptregler wird abgeben: dieser funktioniert, ist trocken und es geht schnell


Notfallprozeduren - Zwei getrennte Atemregler ...aber nicht so!

Bild: www.m-waldbrenner.de


Kaltwasser: zwei getrennte, komplette Atemregler

Der Zweitregler wird im Brustbereich fixiert •  Schneller Zugriff für Atemgasspender in Notsituationen •  Brustbereich ist ein geschützter Bereich •  Zweitregler für alle klar sichtbar

Beide Regler „kommen von rechts“ Warum? •  Kein Verheddern mit Tarierschlauch •  Standardisierte Übungen


Zwei getrennte, komplette Atemregler

Ein langer Mitteldruckschlauch am Hauptregler ist Standard •  Mehr Bewegungsfreiheit in Notsituationen •  Beide Partner sind noch handlungsfähig (Bsp. Dekoboje) •  Mehr Bewegungsfreiheit bei Rettung in Engstellen •  Der Partner wird weiterhin fixiert •  Standardisierte Übungen in der Ausbildung der Ausbilder


Langer Mitteldruckschlauch am Hauptregler

Schlauchführung eng anliegend! Kein zusätzliches Risiko!


Langer Mitteldruckschlauch am Hauptregler Nur Originalschläuche verwenden!

bis 200 cm

bis 210 cm

bis 300 cm

bis 270 cm

bis 210 cm

bis 100 cm

bis 210 cm

bis 210 cm

Messungen: keine Nachteile bei Atemarbeit – eher Vorteile in Bezug auf Vereisung


Notfallprozedur - Vereisung am Hauptregler Hauptventil selbst zu drehen

Optionale Übung im VDST bei DTSA**/CMAS** seit 2010


Solo Tauchen wieder in Mode?

29.06.2011 Wolfgangsee •  Tauchpartner bringt

bewusstlosen Tauchpartner zur Oberfläche...Quelle Taucher.net

Alle Argumente bekannt: •  Schlechter Partner gefährdet

doch nur.... •  Tauchlehrer mit Schüler immer

ohne Hilfe •  Kindertauchen •  Rettungstaucher sind auch

alleine (an der Leine)


Tauchunfälle 2011 in D/A/CH 17 Tote 20 Verletzte (Alle Angaben ohne Gewähr!)

26 Fälle Quellen: www.taucher.net und www.4u.ch (Fachstelle für Tauchunfallverhütung)

30.10. Murnersee/D 30.06. Wolfgangsee/A (Bewusstlosen gere:et)

23.10. A:ersee/A 24.06. A:ersee/A

15.10. Wien/A 19.06. Starnbergersee/D

02.10. Genfersee/CH (Solo) 06.06. Starnbergersee/D (Bewusstlosen gere:et)

01.10. Hemmoor/D 04.06. Walensee/CH

29.08. A:ersee/A 28.04. Bodensee/D (Solo)

24.08. Silbersee/D (Schnuppertauchen) 08.04. A:ersee/A

14.08. Starnbergersee/D (verloren) 03.04. Genfersee/CH

30.07. Stechlinsee/D (Bewusstlosen gere:et) 19.03. Thunersee/CH

23.07. Haselbachtal/D 26.02. Davos/CH (Apnoe)

19.07. Maggia/I 30.01. Uetersen/D (Apnoe)

15.07. Damp/D 23.01. Walensee/CH (Bewusstlosen gere:et)

11.07. Zürichsee/CH 12.01. Bodensee/D

Vereisung vermutet


Solotauchen - nicht im VDST!

•  Oberste Grundregel im VDST seit 50 Jahren •  Allein im VDST vier tödliche Unfälle in den letzten fünf Jahren! •  Einziger Komplettausschluss für Versicherung •  Tauchen ist Natur- und Partnersport


Zusammenfassung Strategien gegen Kaltwasserunfälle •  Getrennt absperrbare und bedienbare Ventile mit zwei Komplettreglern •  Membrangesteuerte Regler im Kaltwasser vorziehen •  Keine 1. und 2. Stufen unterschiedlicher Hersteller mischen •  Zweitregler so gut wie Hauptregler •  Keine Ventile mit Reserveschaltung •  Jährlich Wartungscheck beim Fachmann •  Feuchtigkeit in TG/Regler verhindern (Füllen/Stopfen) •  Hauptregler mit langem Mitteldruckschlauch vom Hersteller •  Vorsicht bei Winkelstücken •  Ventilübungen bei Tauchgängen einbauen •  Haupttariermittel nicht an Hauptregler anschließen – Kälteentwicklung

verteilen •  Vorsicht bei schnellen Abstiegen und viel Tarierbedarf •  Praxis- und Ausrüstungsmodule für Tauchlehrer •  Spezialdisziplinen nur mit Zusatzausbildung (Eistauchen, Flusstauchen)


Jeder Taucher soll so gut ausgerüstet und ausgebildet sein, dass er alleine tauchen

könnte – ohne es zu tun!

Zusammenfassung Strategien gegen Kaltwasserunfälle

Foto: Theo Konken


Habt Ihr noch Fragen…? Frank Ostheimer Verband Deutscher Sporttaucher e.V. [email protected]

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