TC Vortrag 03 Der Textile Mensch

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Der textile Mensch Die Schafschur, unbekannter Künstler, Holzschnitt 1583 Der Tuchmacher, Holzschnitt aus: Rodericus Zamoreusis Spiegel des menschlichen Lebens, um 1475 TC Vortrag 03 Scriptum mit Anlagen und Quellenmaterial

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Vortrag 03 "Der textile Mensch" im Rahmen der TC-Vortragsreihe. Es wird die Entwicklung vom Fell über die Faser zum Garn, über Filz zum mechanisch erstellten Gewebe bis 1871 beschrieben. Neben Pflanzen als Faserlieferanten - vor allem Leinen und Baumwolle - werden die Verarbeitung und Eigenschaften von Wolle und Seide und die Entwicklung in der Webtechnik thematisiert.

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Der textile Mensch

Die Schafschur, unbekannter Künstler, Holzschnitt 1583

Der Tuchmacher, Holzschnitt aus: Rodericus Zamoreusis Spiegel des menschlichen Lebens, um 1475

TC Vortrag 03 Scriptum mit Anlagen und Quellenmaterial

Page 2: TC Vortrag 03 Der Textile Mensch

1 Anfänge der Bekleidung ............................................................................................. 6 

1.1 Wärmeeffekt durch Fell und Feder ............................................................................................ 6 

1.2 Fell und Leder ............................................................................................................................ 6 

-1.3 Pflanzen zum Bedecken ............................................................................................................ 7 

2 Verbindungstechniken ................................................................................................ 7 

2.1 Riemen und Gürtel ..................................................................................................................... 7 

2.2 Fibeln ......................................................................................................................................... 7 

2.3 Knebel, Knopf, Knoten .............................................................................................................. 7 

2.4 Fasern, Filzen, Fäden, Flechten ................................................................................................. 7 

2.5 Ahle und Nadel .......................................................................................................................... 8 

2.6 Der Werdegang einer Faser im Allgemeinen ............................................................................. 8 

3 Pflanzliche Materialien ............................................................................................... 9 

3.1 Eigenschaften der Cellulose ....................................................................................................... 9 

3.2 Pflanzenstengel als Faserlieferanten .......................................................................................... 9 

3.2.1 Flachs (Lein) ....................................................................................................................... 9 

Exkurs: Die Entwicklung des Webstuhls ................................................................................... 10 

3.2.2 Hanf ................................................................................................................................... 12 

3.2.3 Chinesisches Gras ............................................................................................................. 12 

3.2.4 Große Nessel ..................................................................................................................... 13 

3.2.5 diverse Hanfvarianten ....................................................................................................... 13 

3.3 Blattfasern als Faserlieferanten ................................................................................................ 13 

3.3.1 Neuseeländischer Flachs ................................................................................................... 13 

3.3.2 Aloehanf ............................................................................................................................ 13 

3.3.3 Manilahanf ........................................................................................................................ 13 

3.3.4 Ananashanf........................................................................................................................ 13 

3.3.5 Pikabahanf ......................................................................................................................... 14 

3.4 Fruchthüllen als Faserlieferanten ............................................................................................. 14 

3.4.1 Kokosfaser ........................................................................................................................ 14 

4 Baumwolle ................................................................................................................ 14 

4.1 Arten der Baumwolle ............................................................................................................... 14 

4.2 Baumwollspinnerei – vom Rohstoff zum Garn ....................................................................... 14 

4.2.1 Lockern und Reinigung ..................................................................................................... 14 

4.2.2 Krempeln ........................................................................................................................... 15 

Page 3: TC Vortrag 03 Der Textile Mensch

4.2.3 Laminieren ........................................................................................................................ 15 

4.2.4 Vorspinnen ........................................................................................................................ 15 

4.2.5 Maschinengarn und Feinspinnen ...................................................................................... 15 

4.3 Baumwollgewebe ..................................................................................................................... 16 

4.3.1 glatte Gewebe .................................................................................................................... 16 

4.3.2 geköperte Gewebe ............................................................................................................. 16 

4.3.3 Atlas-Gewebe .................................................................................................................... 17 

4.3.4 Damast-Gewebe ................................................................................................................ 17 

4.3.5 gefärbte Gewebe ............................................................................................................... 17 

4.3.6 gemusterte Gewebe ........................................................................................................... 17 

4.3.7 sammtartige Gewebe ......................................................................................................... 17 

4.4 Ersatz für Baumwolle? ............................................................................................................. 17 

4.5 Cottonisierter Flachs ................................................................................................................ 17 

4.6 Pflanzenfasern im technischen Einsatz .................................................................................... 17 

5 Tierische Materialien ................................................................................................ 18 

5.1 Fell und Haare .......................................................................................................................... 18 

5.2 Abstammung der Wolle ........................................................................................................... 18 

5.2.1 Schaf.................................................................................................................................. 18 

5.2.2 Ziege.................................................................................................................................. 18 

5.2.3 Kamel ................................................................................................................................ 18 

5.2.4 Hase ................................................................................................................................... 18 

5.3 Zusammensetzung der Wolle ................................................................................................... 18 

5.4 Technische Eigenschaften der Wolle ....................................................................................... 18 

5.5 Von Wolle zum Garn ............................................................................................................... 19 

5.6 Wolltuchproduktion ................................................................................................................. 19 

5.6.1Tuchartige Wollzeuge ............................................................................................................ 19 

5.6.2 Loden und Filz ...................................................................................................................... 20 

5.6.3 Kammgarnstoffe................................................................................................................ 20 

6 Seide ......................................................................................................................... 20 

6.1 Vom Ei zum Schmetterling ...................................................................................................... 20 

6.2 Seidenbau ................................................................................................................................. 21 

6.3 Vom Kokon zum Seidenfaden ................................................................................................. 21 

6.4 Seidenweberei .......................................................................................................................... 22 

7 Prüfung und Unterscheidung der Fasern .................................................................. 22 

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7.1 Unterschied zw. Baumwoll- und Leinfaser.............................................................................. 22 

7.2 Unterschied zu tierischen Fasern ............................................................................................. 22 

8 kurz angerissen: Papier ............................................................................................. 23 

9 Anlagen und Quellenmaterial ................................................................................... 24 

Quellenmaterial in Auszügen und zur Ergänzung ......................................................................... 24 

Bildmaterial .................................................................................................................................... 25 

Flachs und Bengalischer Hanf (Sun) ......................................................................................... 25 

Hanf (Cannabis sativa) ............................................................................................................... 26 

Jute und Chinagras ..................................................................................................................... 27 

Sisalhanf (Agave rigida), Piassava-Palme, Neuseeländischer Flachs (Phormium tenax) ......... 28 

Baumwolle (Gossypium herbaceum) ......................................................................................... 29 

diverse Faserpflanzen und Futterpflanzen ................................................................................. 30 

Gewichtswebstuhl ...................................................................................................................... 31 

Mechanischer Webstuhl 1839 .................................................................................................... 32 

Mikroskopische Betrachtung von Fasern ................................................................................... 33 

Sonstiges Material .......................................................................................................................... 34 

Leinwand-Bindung .................................................................................................................... 34 

Köper-Bindung........................................................................................................................... 35 

Atlas-Bindung ............................................................................................................................ 38 

TC-Archiv .................................................................................................................................. 39 

Hintergrundgeschichte der mechanischen Weberei ................................................................... 39 

Die Qual der Maße ..................................................................................................................... 40 

Byssus ........................................................................................................................................ 40 

Jeans und Denim ........................................................................................................................ 41 

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TC-Vortrag No. 3: Der textile Mensch

Mit diesem Vortrag beginnen wir thematisch wiederum in grauer Vorzeit. Stellen Sie sich die

Grundbedürfnisse des frühen Menschen vor, der in der Eiszeit neidisch auf das wärmende oder

schützende Fell seiner Beute oder Gegener geblickt haben dürfte. Gut nachvollziehbar ist daraus,

wie der Jäger sich von seiner Jagdbeute möglichst viel zu Nutzen machte, so auch das Fell, Haare,

Leder oder Federn. Einiges davon hat nahezu unverändert bis in die heutige Zeit überdauert,

anderes wurde kopiert oder perfektioniert. Und da es heute fast zu selbstverständlich ist, mit

Stoffen, Garnen, aber auch mit Seilen und Riemen umzugehen, möchte ich Ihnen aufzeigen, wie der

Mensch vom Jäger mit einem Fell oder einem Grasumhang zur Tarnung oder als notdürftigen

Schutz zum „textilen Wesen“ mit einer Vielzahl von Stoffen und Materialien der Bekleidung

geworden ist.

Sie erhalten heute selbstverständlich auch ein Scriptum. Im Laufe des Vortrags werden Sie Aspekte

von Fasern und Stoffen kennenlernen oder selbst Bekanntes in neuem Licht sehen. Ich danke daher

vorab für Ihre aufmerksame Anwesenheit.

Neben dem Scriptum zum dritten TC-Vortrag erhalten Sie heute auch Stoffproben. Das Scriptum

nehmen Sie sich bitte vom Tisch oder Kaminsims. Die Stoffproben verteilen wir je nach Bedarf.

Gerne stehe ich im Anschluss für Fragen zur Verfügung. Sollte ich diese nicht spontan beantworten

können, geben Sie mir bitte etwas Zeit. Wir recherchieren gern Antworten für Sie. Ebenso erhalten

Sie auf Anfrage auch weiteres Quellenmaterial. Es gibt da in unserem Archiv u. a. ein Konvolut

zum heutigen Thema. Dieses erhalten Sie ebenfalls kostenfrei. Es kann zum Nachlesen und zur

Vertiefung des heute Gehörten dienen.

Ich bitte Sie aber nun: Folgen Sie mir in das Reich von Faser und Faden mit seinen verschlungenen

Pfaden! Und damit wir uns darin nicht verlaufen oder verheddern, habe ich, sozusagen als ‚roten

Faden der Ariadne’, das Inhaltsverzeichnis hier mit aufgestellt. Nicht jeder Punkt wird die gleiche

thematische Tiefe aufweisen. Ich denke, hiermit einerseits der Variationsbreite Rechnung zu tragen

und andererseits schrittweise das Verständnis bei Ihnen zu erwecken, welches dienlich ist, um die

Eigenschaften, Vor- und Nachteile von Fasern, von Stoffen oder der Verarbeitung von Textilien zu

erkennen. Diese Erkenntnis wird Ihnen dann, so hoffe ich, allgemein dienlich sein, um Textilien

bestmöglich zu nutzen.

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1 Anfänge der Bekleidung -1.3 Pflanzen zum Bedecken

TC_Vortrag03_Fasern und Textilien_1 ~ 6 ~

1 Anfänge der Bekleidung

1.1 Wärmeeffekt durch Fell und Feder

Der Anfang der Bekleidung dürfte in der Beobachtung des Urmenschens begründet liegen, dass bestimmte Felle, auf denen er sich am Feuer gebettet haben mag, wärmer waren als andere. Oder dass eine Lage Federn aus der gerupften Beute sich umso wärmer und weicher anfühlte, je mehr der kleinen Flaumfedern darin enthalten waren.

Heute wissen wir natürlich mehr über diese Dinge und können mit unseren Naturwissenschaften, vor allem der Physik, erklären, dass das Luftpolster zwischen den Haren und Federn den Luftaustausch und somit auch den Wärmeaustausch beeinflusst. Der Urmensch wird allein aufgrund zufälliger Beobachtung, Erfahrungen und Versuchen aber dazu gekommen sein, die Qualität von Lagerstätten zu verbessern, in dem er trockenes Laub, Gras und später Fell und Federn als wärmendes Polstermaterial erkannte.

1.2 Fell und Leder

Je mehr Luft zwischen den Haaren gehalten werden kann, umso wärmer oder besser isolierend ist das Fell. Tiere, die in Kältezonen leben oder der kalten Jahreszeit mit einem Winterfell trotzen, liefern meist die besten Felle. Hier stehen mehrere Haartypen für verschiedene Funktionen. Lange Deck- und Grannenhaare stabilisieren und schützen das Fell, Sie bilden mit ihren Enden die äußerste Schicht. Durch Sträuben und Schütteln können diese Haare vielleicht auch aufgestellt werden. Dazwischen liegen kürzere feste Haare, die zusammen mit den Grannen ein Deckhaar bilden. Diese Haare weisen noch ziemlich glatte Strukturen auf und sind unempfindlich gegen Schmutz und Feuchtigkeit. Wollhaare oder Flaum bilden dann die eigentlich wärmende Schicht. Diese müssen aber gegen Feuchtigkeit geschützt werden. Das Tierfell wird meist durch Fette einen Schutz gegen eindringende Feuchtigkeit bieten.

Bei Federn liefert ein ähnlicher Aufbau aus Deckgefieder und Daunen das mehrschichtige Konstrukt, welches die isolierende Luftschicht gewährleistet. Sie erkennen den Effekt, wenn sich Vögel im Winter aufplustern, um so diese Schicht zu verstärken.

Generell gilt also, dass eine schützende Deckschicht und eine wärmende Unterschicht zusammen den Aufbau eines Luftpolsters ermöglichen. Luft leitet Wärme wesentlich schlechter als Wasser oder die meisten festen Gegenstände. Wird die Luft nicht allzuschnell ausgetauscht, verbleibt die Körperwärme an ihrem Ort. Leder selbst, also die Lederschicht der unbehaarten Haut, ist frei von Haaren. Die wärmende Funktion ist hier nur bedingt möglich. Aber der Schutz vor Witterung und Stößen oder Schnitten kann eine Lederbekleidung begehrlich machen. Die Kunst des Gerbens beschäftigt sich mit der Konservierung und Aufarbeitung von Leder, der Kürschner wiederum beschäftigt sich mit der Fellverarbeitung.

Fell- oder Lederstücke lose auf dem Körper zu tragen führt bald zu der Einsicht, dass eine Verbindung oder Polsterung dieser ‚Stücke’ nützlich ist, um bessere Bewegungsfreiheit zu erlangen. Vielleicht auch, um mehr Komfort oder hierarchischen Aspekten Rechnung zu tragen. Es mag ja auch sein, dass der Jäger Kraft und Geschick durch das Tragen des Fells seiner gefährlichen oder seltenen Beute zur Schau stellt oder sogar magische Kräfte daraus bezieht.

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2 Verbindungstechniken 2.4 Fasern, Filzen, Fäden, Flechten

TC_Vortrag03_Fasern und Textilien_1 ~ 7 ~

-1.3 Pflanzen zum Bedecken

Neben den tierischen Produkten waren auch pflanzliche Produkte im Fokus der frühen Kulturen. Matten aus langen Schilfhalmen, Palmwedeln oder ähnlichem Material dürften zuerst für Lagerung und Transport genutzt worden sein. Aber auch Riemen, alternativ zu Lederriemen dürften im Rahmen der aufkommenden Flechtkunst ihre Bedeutung gewonnen haben. Das Wissen um die Flechtkunst wird auch die Grundlagen für die Verbindung von Fellen oder Leder gebildet haben. Vor allem wird sich daraus aber die Erkenntnis über die Faserstruktur bestimmter Pflanzen ergeben haben. Doch dazu später mehr.

2 Verbindungstechniken Werfen wir erst einmal einen Blick auf die Möglichkeiten, flächige Materialien wie Felle oder Leder miteinader zu verbinden.

2.1 Riemen und Gürtel

Pflanzen mit nicht verholzten langen Trieben, es müssen nicht zwangsläufig Kletterpflanzen sein, liefern geeignetes Material, um z. B. ein Band zu flechten. Das mögen Hilfsmittel gewesen sein, um Haare oder Matten zusammenzuhalten. Während die meisten einfachen Pflanzenfasern auf Dauer durch Bewegung und Feuchtigkeit instabil werden, scheinen tierische Produkte aus Leder, Sehnen oder Darm, aber auch Haare oder Federn wesentlich robuster zu sein. Breitere Riemen konnten als Gürtel herhalten, wenn auch das Prinzip einer Gürtelschnalle noch nicht bekannt war. Einen breiten Lederstreifen zu knoten bedeutet, einen widerspenstigen Knoten oder Schlaufen zu erhalten. Schlankere Riemen sind besser handhabbar.

2.2 Fibeln

Eine der frühen Verbindungsmöglichkeiten auf technischer Grundlage waren Fibeln. Letztlich ein Querriegel, welcher durch zwei Löcher in einem Stück Leder geführt werden konnte. Durch einen geflochtenen oder metallischen Ring gekontert lieferte dies schon eine recht stabile Verbindung. Später wurden Fibeln auch für die Fixierung von Stoffen genutzt. Das Prinzip erkennen Sie heute noch in der Gürtelschnalle.

2.3 Knebel, Knopf, Knoten

Beidseitig angebrachte Riemen bieten eine Verbindung via Knoten an. Eleganter sind jedoch stationäre Verbindungselemente. Nach dem gleichen Prinzip funktionieren Knebelverbindungen. Eine Schlaufe aus einem Riemen liefert ein einfaches Widerlager für einen Riegel. Hierzu kann ein einfaches Stück Holz, Horn, Knochen oder eine Kralle dienen. Ein Riemen mit verknotetem Ende könnte ebenfalls als Vorläufer eines Knopfes betrachtet werden.

2.4 Fasern, Filzen, Fäden, Flechten Das erste textile Produkt wird der Filz gewesen sein. Im eigenen Haar aber auch an seinen Lagerstätten, wo der frühe Mensch seine Felle zu Leder verarbeitete, konnte er die Erfahrung machen, dass Haare unter regelmäßigem Druck und Bewegung mit der Zeit verfilzen und diese Filzplacken ab einer bestimmten Dicke gegen Feuchtigkeit und Kälte schützen. Filz ist ein ziemlich chaotischer Verbund, welcher durch Druck und Bewegung auf eine größere Menge von Fasern, vornehmlich Haaren entsteht. Heute verwenden wir gezielt Walk- und Stampfmaschinen, um Filz zu erzeugen. Der Filzstoff ist eine universelle Grundlage für viele

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2 Verbindungstechniken 2.6 Der Werdegang einer Faser im Allgemeinen

TC_Vortrag03_Fasern und Textilien_1 ~ 8 ~

Anwendungen: Hüte, Mützen, Decken, Stiefeln, Schuhe, Strümpfe, Socken, Sohlen zum Einlegen in die ledernen Schuhe, Mäntel u. Kleider. Neben Haaren, vor allem Wolle kann aber auch Pflanzenmaterial zum Filzen genutzt werden. Zu diesem Zwecke eingesetzte Pflanzenfasern können alleine oder in Mischung mit Tierhaaren gefilzt werden. Alleine die Erläuterung, welche Haare für welche Filzhüte eingesetzt werden, müsste diese Veranstaltung unnötig verlängern. In dem Quellendokument finden Sie daher umfangreiche Information hierzu. Interessant für uns zu wissen: Das wohl älteste Textil dürfte Filz gewesen sein.

2.5 Ahle und Nadel

Doch bei der Verarbeitung von Leder, Fell und Filz ist der Mensch nicht geblieben. Er wird zum Stechen von Löchern Hilfsmittel benutzt haben. Zuerst einen Dorn, einer Ahle, mit welchem man für einen Faden oder eine Faser ein Loch vorbereitet. Aus diesem dürfte sich letztlich die Nadel entwickelt haben, welche durch eine Haken oder ein Öhr einen Faden durch das vorgefertigte Loch zieht oder gar das Loch direkt erzeugt und den Faden nachzieht. Solche Nadeln kennen wir heute noch in Form von Pfrimen der Seiler, Sattler und Segelmacher sowie als Häkelnadeln, Stricknadeln und Nähnadeln. Die Kenntnis über die Funktion der Nadel, welche einen Faden hinter sich herzieht, wird sich später im Weberschiffchen erneut wiederfinden.

2.6 Der Werdegang einer Faser im Allgemeinen

Damit Sie eine grobe Übersicht über die potentiellen Schritte der Faserverarbeitung im Allgemeinen bekommen, stelle ich Ihnen hier eine Übersicht am Beispiel der Baumwollmanufaktur ausgehend von der geernteten Baumwolle vor. Nicht alle Prozesse kann ich heute en detail vorstellen. Auf einzelne Positionen werde ich aber eingehen, wenn ich dies für das Verständnis als sinnvoll erachte.

Prozesse der Spinnerei:

1. Reinigen und Auflockern

2. Kratzen oder Krämpeln

3. Strecken ohne Drehung

4. Strecken mit Drehung

5. Vorspinnen

6. Feinspinnen

7. Zwirnen

8. Durchziehen durch Dampf

9. Haspeln und Herstellung der Strähne

10. Verpacken

Prozesse der Weberei:

1. Spulen

2. Scheeren

3. Schlichten

4. Vorbereitung des Einschusses

5. Weben

Prozesse der Färberei: Färben

Prozesse der Appretur:

1. Sengen oder Brennen

2. Bleichen

3. Stärken

4. Mangen

Einen Teil der vorgenannten Prozesse werde ich alleine schon aus Zeitrgünden in einem Folgevortrag aufgreifen, der dann Waschen und Färben zum Hauptthema haben wird. Wenden wir uns heute zuerst den potentiellen Faserlieferanten zu. Hierbei stellt sich dann auch zwangsläufig die Frage, wie Fasern zu Garn und dieses zu Geweben verarbeitet wird.

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3 Pflanzliche Materialien 3.2 Pflanzenstengel als Faserlieferanten

TC_Vortrag03_Fasern und Textilien_1 ~ 9 ~

3 Pflanzliche Materialien Ich habe die Betrachtung der Materialien zuerst vornehmlich auf Fell und Leder fokussiert, da dies die ersten robusten Materialien sind, welche als Nebenprodukt der Jagd anfallen und somit mit die ersten genutzten Materialien gewesen sein mögen. Aber der Sammler wird auch andauernd mit pflanzlichem Material konfrontiert gewesen sein. Auch hier gibt es mehr oder weniger geeignete Pflanzenteile, welche die nötigen physikalischen Eigenschaften für eine technische Verarbeitung und somit ggf. auch eine textile Nutzung aufweisen.

3.1 Eigenschaften der Cellulose

Warum es überhaupt so etwas wie Pflanzenfasern gibt, wird dem Urmenschen egal gewesen sein. Wir hingegen interessieren uns dafür, denn bei technischen Prozessen ist die Kenntnis über die Struktur der Faser von Bedeutung. Wir wollen ja einen Faden oder Zwirn erzeugen, ein robustes Garn zum Befestigen oder als Grundgerüst für ein Gewebe oder eine weiche wärmende Faser, welche sich angenehm auf der Haut trägt ohne zu kratzen. Wieso gibt es also überhaupt lange Pflanzenfasern? Worin begründen sich ihre Eigenschaften?

Dies liegt vor allem an der Struktur eines Grundbausteins der Pflanze: der Zellulose. Diese ist derart gebunden und verkettet, dass sie nicht wasserlöslich ist und die molekulare Grundsubstanz für Fasern darstellt. Je nach Vernetzung der Zellulosemoleküle liefert die Pflanze lange oder kurze, längliche oder voluminösere Fasern. Interessant sind diese Fasern aber nur, wenn diese einerseits fest genug, andererseits geschmeidig genug sind – eine Eigenschaft, die meist auch mit der Spaltbarkeit einhergeht. Wenn diese Fasern dann auch noch bleichbar sind, um den zukünftigen Stoff dann nach Belieben einzufärben, ist dies ebenfalls wünschenswert. Schauen wir uns doch mal einige der typischen Pflanzen an, welche uns heute solche Fasern liefern. Ich denke, ein paar werden Ihnen bekannt sein.

3.2 Pflanzenstengel als Faserlieferanten

Meist wird der Stengel einer Pflanze die Faser liefern, ist die Pflanze doch bestrebt, mit einem langen Stengel den Trieb zum Licht oder zu einem neuen Standort zum Wurzeln zu dirigieren.

3.2.1 Flachs (Lein)

Linum usitatissimum ist der botanische Name, auf Deutsch: vielgebräuchlicher Lein. Einige von uns kennen die hochgewachsenen blaublütigen Pflanzen, welche während der Samenreife geerntet in Bündeln getrocknet werden. Die genügsame Pflanze braucht eigentlich nur ausreichend Wasser, besonders im Mai und Juni. Immerhin hat diese Pflanze eine meterlange Pfahlwurzel, adäquat zu ihrem fast 1 Meter hohen Trieb. So ist denn die Fahrt ins Blaue im Juli ein Aufruf zur Erntehilfe des Flachses. In der Flachsraufe oder Flachsriffel werden die Pflanzen über einen Metallkamm gezogen und so die noch nicht reifen Samenkapseln von den Stengeln getrennt. Neben der Faser des Leins wird aus den Samen Leinöl gewonnen.

Schon die alten Ägypter kannten den Flachsanbau (3.000 v.Chr.), welcher seinen Weg auch nach Mitelleuropa gefunden hat, vor allem in Nordfrankreich, Belgien und Holland – wo bei maritimem Klima die besten klimatischen Verhältnisse für den Flachsanbau herrschen (Brüsseler Spitze). Aber auch China, Rußland und natürlich Ägypten sind typische Flachsanbauländer.

Früher lagerten die gerauften Bündel dann vier bis sechs Wochen auf dem Feld zur Röste. Hier rotteten die feucht gehaltenen Bündel aus Stengel und Wurzel zu Stroh (Thauröste, Land- oder Luftrotte). Alternativ wurden unter Wasser gerottet (Wasserröste). Hierbei gärt das Pflanzenmaterial und es treten unangenehme Ausdünstungen auf, welche Luft und Wasser

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3 Pflanzliche Materialien 3.2 Pflanzenstengel als Faserlieferanten

TC_Vortrag03_Fasern und Textilien_1 ~ 10 ~

unangenehm verpesten. Alternativ wird daher nun der Flachs in Bottichen der Warmwasserröste unterzogen oder mittels Dampf gerottet. Ziel ist es u. a., das Pektin zu Pektinsäure umzusetzen und die schützenden Pflanzenwachse abzubauen, um die Fasern schonend freizulegen.

Die derart durch Rottung freigelegten Lang-Fasern zwischen zwischen 50 cm und 1,8 m Länge sind für die Garn- oder Stoffproduktion interessant. Die Pflanzen werden getrocknet und dann gebrochen. So werden holzige Bestandteile vom faserigen Bast getrennt. Holziges Material kann dann ausgeschüttelt werden.

Die letzte Aufarbeitung ist dann das Hecheln. Zu kurze Fasern und restliche Verunreinigungen werden hierdurch enfernt, der Bast gespalten und die langen Fasern ausgerichtet und geglättet.

Die kürzeren Fasern (das Gewirre oder Hede) landen in der Papierproduktion (Papiergeld), in der Seilerei oder werden wie Baumwolle zu minderwertigerem Gespinst weiterverarbeitet.

Der gehechelte Flachs wird durch das Spinnen zum Garn. Die Fasern werden hierbei auseinandergezogen (gestreckt) und gedreht, dass ein gleichmäßiger Faden entsteht. Mehrere Fäden werden wiederum ineinandergedreht zu Zwirn.

Für das weitere Verständnis halte ich es nun für notwendig, die Entwicklung des Webstuhls grob darzulegen. Dieses Werkzeug verarbeitet aber nicht nur Leinen, sondern nahezu alle anderen zu Garn verarbeiteten Fasern. Das Thema Garn führt uns unweigerlich zur Spinnerei. Auch dieses Thema soll hier nur rudimentär am Beispiel der Baumwollverarbeitung angerissen werden. Spinnerei und Weberei sind mittlerweile Themen der Großindustrie und der technische Wissenschaften.

Exkurs: Die Entwicklung des Webstuhls

Die Entwicklung des Webstuhls ist eine lange, aber interessante Geschichte der Verbesserungen einer ursprünglich rein manuellen Tätigkeit der Gewebeproduktion. Ich möchte hier aufzeigen, welches die wesentlichen Merkmale dieser doch extrem wichtigen Erfindung der Menschheit sind. Anfänglich dürfte es sich bei der einfachen Handwebkunst um aufgespannte Fäden eines Faserbündels an einem Stab oder ähnlichem wie einer Harfe gehandelt haben. Quer dazu konnte man dann einen Faden einlegen – so konnte man ein flaches Flechtwerk mit gekreuzten Fäden erzeugen. Die Spannung der Fäden musste noch manuell erzeugt werden.

Im Webstuhl werden parallel aufgespannte Fäden (Kette) durch rechtwinklig dazu geführte Fäden (Schuss) miteinander gekreuzt verbunden. Im Webstuhl wird jeder zweite Kettfaden mit Schlaufen an einem Stab (Litzenstab) befestigt. Die Fäden bilden ein Fach. Wird der Litzenstab angehoben, öffnet sich ein (entgegengesetzter) Spalt zwischen den Fäden, das Gegenfach. In das jeweilige Fach kann der Schussfaden gelegt und mit einem Kamm angedrückt werden.

Während im alten Gewichtswebstuhl seit der Jungsteinzeit die Kettfäden noch senkrecht durch Gewichte auf Spannung gehalten wurden, werden sie in den nachfolgenden Webstühlen waagrecht gespannt. Die Fächer werden im Trittwebstuhl durch einen Tritt bedient, der zwei Litzenstäbe ansteuert. So bleiben die Hände des Webers frei. Der Kamm wird durch eine Lade ersetzt.

Der Schuss wird im moderneren Webverfahren durch ein Schiffchen mit darinliegender Spule ausgeführt. Anfangs noch von Hand durch das Fach geworfen, wird dies mit der Erfindung von John Kay 1733 durch den „Schnellschützen“ optimiert. Hierdurch kann der Webstuhl auch breiter werden.

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3 Pflanzliche Materialien 3.2 Pflanzenstengel als Faserlieferanten

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Nun wird der Webstuhl mechanisiert: Schon gibt es Patente für Spinnmaschinen (Spinning Jenny von James Hargrave, 1764). Warum sollte man also nicht auch die wiederkehrenden Fuß- und Handgriffe am Webstuhl mechanisieren? Edmond Cartwright, ein englischer Geistlicher, stellte sich 1784 diese Frage. 1785 reichte er das erste Patent hierzu ein.

1802/04 zeigten Ratcliffe und Roß, wie man die Kette mittels Stärke oder Leim auch außerhalb des Webstuhls maschinell schlichten kann (Verstärkung der Kettfäden). 1830 zeigt sich, dass die maschinengewebten Gewebe aus dem Kraft-Webstuhl gleichmäßiger sind und die Produktivität zugleich höher ist.

Die dichten Leinengewebe werden auch als Leinene Zeuge benannt. Je länger die Kettfäden, desto länger die Stoffbahn. Die maximale Breite wird durch die Breite des Webstuhls und die Anzahl der Kettfäden bestimmt. Je nach Einrichten der Kettfäden an verschiedenen Bäumen kann neben dem klassischen Kreuzgewebe (Leinwand, Leinen, Linnen) auch ein einfaches Muster gewebt werden. Farbige Muster sind möglich, wenn ein Teil der Fäden zuvor eingefärbt wurde. Das können einzelne Kettfäden sein, aber auch durch Einsatz mehrerer Schützen unterschiedliche Farben im Schuss.

Will man aber komplizierte Muster weben, müssen Kettfäden einzeln bewegt werden. Hierzu bedient eine zweite Person eine zusätzliche Zugeinrichtung, den sogenannten Harnisch.

In Lyon wurden schon 1727/28 Steuerungssysteme über gelochtes Papier und Nadeln bzw. Lochkarten und Haken erfunden, die zwar die zweite Arbeitskraft nicht einsparten, aber die Arbeit erleichterten.

1735 wurde in Wien eine Art Nockenwalze für die Steuerung erfunden, die über kleine Häkchen die jeweiligen Harnischfäden direkt anhob, so daß die zweite Arbeitskraft überflüssig wurde. Der Umfang des Musters war allerdings durch die Größe der Walze stark limitiert.

Der brillliante Automatenerfinder Vaucanson wurde 1741 Inspektor der Seidenmanufakturen in Lyon. 1745 stellte er eine Webmaschine vor, die durch ein Pferd oder einen Esel in einem Göpel betrieben werden konnte und zur Mustersteuerung ebenfalls mit einer Nockenwalze arbeitete. Die Maschine wurde von der Lyoner Weberzunft jedoch abgelehnt. Frustriert vermachte Vaucanson sein Modell dem Pariser "Conservatoire des arts et métiers".

Joseph-Marie Jacquard wird 1752 in Lyon geboren. Er entstammt einer Weberfamilie. Sein Vater besitzt eine Werkstatt mit mehreren Webstühlen, seine Mutter arbeitet in einer Seidenmanufaktur als Mustereinleserin. Das Ziehen der Musterfäden ist eine selbstverständliche Kinderarbeit in diesem Gewerbe. Die schwere Arbeit in der Weberei ist dem jungen Jacquard verhasst. Er erlernt deshalb das Buchbinder-Handwerk. Nach dem Tod seiner Eltern erbt der Zwanzigjährige die ungeliebte Webwerkstatt. Doch statt die Weberei zu betreiben, beschäftigt er sich vor allem damit, die Musterwebtechnik zu mechanisieren. Seine unproduktiven Versuche bringen ihn in große materielle Not.

Die Revolution unterbricht seine Forschungen. 1795 wendet sich Jaquard in Lyon wieder seinen Mechanisierungsversuchen zu. Nun findet er auch Unterstützung und verwirklicht einige wichtige Verbesserungen, die ihm Preise und Anerkennung einbringen. Auf Napoleons Geheiß wird Jacquard 1804 an das "Conservatoire des arts et métiers" berufen, um mechanische Erfindungen zu machen. Dort entdeckt er die zerlegten Reste der Webmaschine von Vaucanson. Er rekonstruiert die Maschine und studiert sie gründlich. Die besten Elemente der bisherigen Mustersteuerungen fasst er dann zu einer neuen Konstruktion zusammen, die er bis zur technischen Reife perfektioniert.

Nach einjähriger Arbeit hat er den Jacquard-Webstuhl entwickelt. Die wesentliche Verbesserung seines Musterwebstuhls gegenüber allen seinen Vorläufern besteht darin, dass

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3 Pflanzliche Materialien 3.2 Pflanzenstengel als Faserlieferanten

TC_Vortrag03_Fasern und Textilien_1 ~ 12 ~

es ihm gelingt, das Endlosprinzip der Lochkartensteuerung mechanisch an den Platz der Nockenwalze zu setzen. Jacquard hat seinen Kindheitstraum erfüllt und die Funktion des "Ziehjungens" wegrationalisiert. Zugleich hat er ein Prinzip gefunden, das es ermöglicht, Muster von beliebiger Komplexität mechanisch herzustellen.

Der Jaquardwebstuhl ermöglicht die Ansteuerung einzelner Kettfadens und somit das Weben von Mustern. Er liefert leinenen Damast, aber auch Drell oder Zwillich. Beim Damast sind die Muster nur auf einer Seite und werden durch die Kette erzeugt. Beim Zwillich sind die Muster auf beiden Seiten zu sehen und werden durch den Schuss gebildet.

1806 versucht Napoleon mit einem Dekret den Einsatz des neuen Webstuhls in der Seidenfabrikation Lyons durchzusetzen. Doch der Widerstand ist enorm. Erst als die englische Konkurrenz die Maschine einzusetzen beginnt, setzt sie sich in Frankreich rasch durch.

Zur Weiterentwicklung der Webtechnik gibt es mannigfache Verbesserungen in diesem Jahrhundert. Sie können sich hierzu mit Hilfe des Scriptums informieren.

Die Bedeutung und die Konsequenzen der Jacquardmaschine betreffen nicht nur die Arbeit im Textilgewerbe, wo mit weniger Arbeitsaufwand mehr und billiger produziert werden konnte. Die Produkte selbst veränderten sich dramatisch. Individuelle kunsthandwerkliche Gestaltung wurde durch technisch perfekte Muster, aber oft auch künstlerisch triviale Massenware ersetzt.

Aus exklusiven Luxusartikeln der höfischen Repräsentation wurden bürgerliche Konsumgüter. Die Jacquardmaschine ist aber auch ein wesentlicher Schritt in der Geschichte der Datenverarbeitung. Jacquard gelang es, die Lochkartentechnik bis zur Programmsteuerungsreife zu perfektionieren.

Leinen ist nicht knitterfest. Daher wird die Appretur des leinernen Zeug angewandt, welche gestärkt und mittels Walzen (Kalander) geglättet in den Handel kommen. Durch das appretieren wird die Faser gestärkt, das Gewebe aber auch flacher und starrer. Es gibt aber auch locker gewebte Leinenstoffe, z. B. der Batist. Etwas dichter ist das Kammertuch. Eine weitere Aufstellung der Leinengewebe finden Sie im Scriptum.

Die Verfahren des Bleichens möchte ich im Rahmen meiner Ausführungen zum Thema Waschen und Färben in einem anderen Vortrag darlegen.

3.2.2 Hanf

Der Hanf (Cannabis sativa) hat eine untergeordnete Funktion für die Stoffproduktion. Der Faden aus Hanffaser ist grober und wegen der höheren Haftreibung fester als ein Leinenfaden. Besondere Einsatzzwecke sind die Segeltücher und das Tauwerk (Seilerei).

Die Hanfverarbeitung ähnelt stark der des Flachses. Auch hier wird die Pflanze geröstet, getrocknet, gebrochen und dann in der Hanfreibe gequetscht. Zu lange Pflanzen werden nach dem Reiben aufgeteilt (Stoßen des Reihhanfes). Danach wird wie beim Flachs geschwungen und gehechelt. Die weitere Verarbeitung (Spinnen und Weben) erfolgt wie beim Leinen.

3.2.3 Chinesisches Gras

Das als Chinagras oder Tschuma benannte Pflanzenmaterial kommt von Nesselpflanzen (Urtica s. Boemeria nivea und heterphylla). Diese Pflanzen wachsen in China, aber auch in Ostindien, Mexico, am Missisipiedelta, Cuba, Russland an der Wolga und anderen Orten. In China werde diese Fasern nicht gesponnen, sondern von Hand zusammengesetzt und gerollt. Da das Garn hierdurch keinen Drill erfährt, ist es glatt und glänzend. Das hieraus gewonnene

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3 Pflanzliche Materialien 3.3 Blattfasern als Faserlieferanten

TC_Vortrag03_Fasern und Textilien_1 ~ 13 ~

Grasleinen oder China Grass-cloth ist ursprünglich grün/braun, lässt sich aber bleichen und färben.

3.2.4 Große Nessel

Die große Nessel Urtica dioica liefert mit ihrem feinen Bast das nach ihr benannte Nesseltuch.

3.2.5 diverse Hanfvarianten

Es gibt etliche Pflanzen, welche aufgrund ihrer Ähnlichkeit unter dem Begriff ‚Hanfpflanzen’ geführt werden, botanisch aber unterschiedlicher Herkunft sind. Sie bieten je nach ihrer eingeschränkten Qualitäten nur vereinzelte Einsatzmöglichkeiten.

Ramié oder Ramêehanf (Urtica s. Boemeria utilis) u. a. aus Borneo, Java, Sumatra liefert 1-2 Meter langen Fasern ähnlich dem groben Flachs. Die Fäden aus dieser Nessel-Variante sind jedoch glanzlos und relativ steif.

Rheahanf (Urtica s. Rhea tenacissima)

Jutehanf (Corchorus capsularis,C. textilis, C. olitorius und C. siliquosus) ist für Sack- und Packtuch, nicht für Seile geeignet.

Hisbiscushanf, auch unter dem Namen Bombay-Hanf oder Umbaree bekannt (Hibiscus cannabinus) für Tauwerk in England.

Sunnhanf, auch Janapam oder ostindischer Hanf, (Crotalaria juncea) ähnlich dem gewöhnlichen Hanf, liefert aber kürzere Faser und geringere Festigkeit.

3.3 Blattfasern als Faserlieferanten

Neben den Pflanzenstengeln liefern lange und große Blätter, vor allem von Palmen, Agaven und Bananenpflanzen interessante Grundmaterialien.

3.3.1 Neuseeländischer Flachs

Die Koradi oder Korere-Faser mit ihrem seidigem Glanz liefert der Neuseeländische Flachs (Phormium tenax) mit seinen feinen geraden Blattfasern. Die Fasern daraus sind härter, steifer und rauher als die des gewöhnlichen Hanfs.

3.3.2 Aloehanf

Die Pitta oder Pite-Pflanzen haben sie bestimmt schon das eine oder andere Mal gesehen. Sie kommt aber nicht nur in Mexico, sondern auch in Peru, West- und Ostindien zu Einsatz. Diverse Agavearten liefern die Blattfasern (Agave americana, A. vivpara, A. foetida, ...). Die gelblichweißen Fasern werden in der Seilerei genutzt.

3.3.3 Manilahanf

Die Pinasfaser oder Avaka komt aus Ostindien und Inseln des Indischen Archipels. Lieferanten sind Musa textilis, M. troglodytarum und M. paradisiaca. Die gelblich- bis bräunlichweißen Fasern werden in der Seilerein (Glockentaue) aber auch für Taschen oder Möbeldamast und in der Seilerei eingesetzt.

3.3.4 Ananashanf

Pinna oder Ananashanf liefern die Ananaspflazen Westindiens sowie Zentral- und Südamerikas. (Ananassa sativa bzw. Bormelia ananas)

Page 14: TC Vortrag 03 Der Textile Mensch

4 Baumwolle 4.2 Baumwollspinnerei – vom Rohstoff zum Garn

TC_Vortrag03_Fasern und Textilien_1 ~ 14 ~

3.3.5 Pikabahanf

Pikabahanf (Piassava) wird in Brasilien aus den Palmblättern der Attalia funifera in der Seilerei genutzt.

3.4 Fruchthüllen als Faserlieferanten

Eine besondere Form der Faser stellt die Kokosfaser dar, welche die Kokosplame als bastartiger Schutz um die harte Kokosnuss bildet.

3.4.1 Kokosfaser

Cocos nucifera, die Kokosnusspalme, liefert elastische und feste rotbraune Fasern aus der Umhüllung der Kokosnuss-Frucht. Die gewonnene Faser hieraus nennt man auch Coir oder Kair. Verwendet werden diese in der Seilerei, für Teppiche, Matten und Flechtwerke.

4 Baumwolle Der Klassiker der moderen Pflanzenfasern ist die Baumwolle. Sie ist der größte Konkurrent zum Flachs. Das weiche Gespinst aus dem Innern der Samenkapseln muss aufbereitet werden, bevor daraus eine technisch nutzbare Faser entsteht. Mit der Mechanisierung des Webstuhls, der schon aus der Leinenproduktion bekannt ist, hat die Baumwollspinnerei- und Weberei einen großen Aufschwung genommen.

4.1 Arten der Baumwolle

Es gibt mehrere Arten aus der Gattung Gossypium, welche gemeinhin als Baummwollstrauch bezeichnet werden. Ebenso weit gestreut ist die Verbreitung dieser Pflanzen, vor allem in der tropischen und gemäßigten Zone Nordamerikas – vor allem Mississippi, Georgia, Louisiana und Alabama – Australien, Asien und Europa. Details zu den einzelnen Arten finden Sie im Scriptum. Die walnussgroße Fruchtkapsel mit drei bis fünf Fächern platzt im reifen Zustand auf und die Baumwolle quillt mit erbsengroßen eingelagerten Samen watteartig hervor.

4.2 Baumwollspinnerei – vom Rohstoff zum Garn

Vor dem weiteren Transport werden die ölhaltigen Samen entfernt. Hierzu hat Whitney eine Entkörnungsmaschine auf Basis von Kreissägeblättern entwickelt. 20 Sägeblätter mit über 100 Umdrehungen pro Minute reißen die Fasern durch ein Gitter, welches die Kerne zurückhält. Aus den Samen gewinnt man z. B. Öl oder nutzt diese als Futtermittel oder Dünger. Alternativ werden bezahnte Zylinder, Krempelzylinder eingesetzt. Aus 30 Pfund roher Baumwolle gewinnt man ein Pfund Öl.

4.2.1 Lockern und Reinigung

Wie Sie sicher wissen, wird die rohe Baumwolle in Ballen von ca. 400 Pfund in gepresster Form transportiert. Daher müssen die Fasern vor dem Spinnen gelockert und weiter gereinigt werden. Von Hand aus dem Ballen gelöst wird das Material geschlagen und gelockert. Alternativ wird hierzu eine bezahnte Rolle, der Wolf, eingesetzt. Auch die danach eingesetzten Geräte verwenden rotierende Elemente zum Rupfen, Lockern und Reinigen: z. B. Willow (stumpfe Nockenwalze), Whipper (Schläger mit Ventilatoren kombiniert)

Hiernach wird das Rohmaterial in einer Schlagmaschine (Batteur étaleur) zu einer dünnen, lockeren Wattebahn geformt und auf Walzen gewickelt.

Page 15: TC Vortrag 03 Der Textile Mensch

4 Baumwolle 4.2 Baumwollspinnerei – vom Rohstoff zum Garn

TC_Vortrag03_Fasern und Textilien_1 ~ 15 ~

4.2.2 Krempeln Diese Wickel werden nun mit Kratz-und Krempelmaschinen gekämmt und die Fasern so zunehmend parallel gezogen. Diese Watte wird mit Kämmen von den Kratzzylindern gelöst und durch Trichter u. Walzen zu einem Band zusammengezogen.

4.2.3 Laminieren Diese Bänder werden zu dünneren ausgestreckt und dabei auf den sogenannten Strecken und Duplierstühlen häufig dupliert. Mehrere Bänder werden in ein einziges zusammengeleitet, welches nach dem Austritt aus der Maschine eine bedeutend größere Länge hat, als die der darin vereinigten Bänder zusammengenommen hatten.

4.2.4 Vorspinnen Unter Garn versteht man den entweder mit der Hand (auf Spindeln od. Spinnrädern) od. mit Spinnmaschinen aus Baumwolle gesponnenen Faden. Die Feinheit, Gleichförmigkeit u. Güte desselben ist sowohl nach der Güte der dazu verwendeten Baumwollensorte verschieden, als auch nach der Art des Spinnens. 4.2.4.1 Handspinnerei und einfache Spinnmaschine Auf die Handspinnererei und Spinnräder möchte ich hier nicht eingehen – sie ist oft der Maschinenspinnerei gewichen, da seit 1770 das englische Maschinengarn sich sowohl durch seine Gleichheit u. Glätte bei geringerem Preis gegen das Handgarn behauptet. Dieses Spinnen geschieht mit der Spinnmaschine. Schon im Jahre 1767 wurde die sogenannte Spinn-Jenny von Hargreaves, erfunden. Man konnte gleich Anfangs 8 Fäden wie einen einzigen spinnen. Später wurden 80–120 Spindeln bedient. 4.2.4.2 Spinnstuhl Da jedoch einfache Spinnmaschinen dem Garn nicht die für die Fäden des Aufzugs nötige Festigkeit u. Dichtheit geben, wurde diesem Mangel bald durch die Einführung des Spinnstuhles abgeholfen. Um den eigentlichen Faden spinnen zu können, bedarf es noch der Operation des Vorspinnens. Das erste Vorspinnen gibt das grobe Vorgespinnst (Lunte), einen gedrehten Faden von der Dicke eines Federkiels. Das zweite Vorspinnen reduziert diesen Faden auf die Dicke eines mäßigen Bindfadens (Vorgarn).

4.2.5 Maschinengarn und Feinspinnen Eine Spinnmaschine, welche aus zwei Paar Walzen besteht, die durch eine mechanische Kraft bewegt werden, spinnt eine große Anzahl Fäden von beliebiger Feinheit u. Dichte. Nur die Zuführung der Baumwollbänder und dem Anknüpfen abgerissener Fäden erfordern manuelle Bedienung. Auch bei den Spinnmaschinen und Spinnstühlen gab es viele Entwicklungsschritte. Hier seien nur die Namen Richard Arkwright (Wasserspinnmaschine), Hargreave, Danforth () und Crompton genannt. Aus der Entwicklung bedingt wurden viele Maßeinheiten und Begriffe der englischen Spinnerei international übernommen. Parallel hierzu gibt es französische und deutsche Fachbegriffe. Die Garne werden gehaspelt. Aus 7 Gebinden (échevette, lea, ley, skein, rap) bestehende Einheiten heißen im Deutschen Strähne oder Schneller (écheveau, hank oder number). Jedes Gebinde besteht aus 80 Fäden (tours, threads, bouts) von 1,5 Yards (54 engl. Zoll). Ein Schneller hat demnach eine konstante Fadenlängevon 840 Yards (980 Wiener Ellen). Die Anzahl solcher Schneller, welche auf ein Pfund geht, wird als Nummer angegeben. Sie definiert die Feinheit des englischen Maschineng-arns, Twist genannt. Im Handel kommen Twist-Garne von Nr. 8 bis Nr. 240 vor. Crompton verband die Zylinder Arkwrights mit der ausziehenden drehenden Spindel Hargreaves und nannte seine Maschine Mule (d. h. Maultier, Bastard aus zwei Maschinen),

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4 Baumwolle 4.3 Baumwollgewebe

TC_Vortrag03_Fasern und Textilien_1 ~ 16 ~

hieraus gewonnenes Garn heißt Mule-Twist. Durch die Einführung der Selfactors (Selbstwirkende Mulemaschinen mit Wasserkraftantrieb) wurden diese Maschinen soweit verbessert, dass eine Spindel in 6 Tagen etwa 21 Schneller von Nr. 20 liefert und zu zwei doppelten Maschinen (240 Spindeln) nur ein Spinner angestellt zu werden braucht. Das Maschinengarn ist entweder zur Weberei bestimmt, und zwar die stärkeren Sorten zur Kette, die weicheren zum Schuss; oder es dient zur Strumpfwirkerei, zur Verzwirnung als Strick-, Stick- und Nähgarn oder auch zur Dochtfabrikation. Das stärkste, festeste englische Maschinengarn heißt Water-twist (Watergarn), das weniger gedrehte Mule-twist (Mulegarn). Das Watergarn wird in England auf Drosselmaschinen (Throstles), das Mulegarn aber auf Mulemaschinen gesponnen. Water-twist wird in der Weberei wegen seiner starken Drehung meist als Kette genutzt. Mule-twist weist alle Grade der Drehung auf. Es ist zum Schuss bestimmt. Es gibt auch eine Mittelsorte, Medio oder Halbkette genannt. Zu den höheren Nummern des Watergarns wird besonders langhaarige Baumwolle gebraucht; doch wird auch eine bedeutende Quantität von Watergarn aus der kürzeren Baumwolle (aus Surate) gesponnen. Drosselmaschinen findet man in Deutschland nur selten, da dort das Zettel- oder Kettengarn fast nur auf Mules gesponnen wird. Diese Gespinnste bezeichnet man in England mit Medio oder Mock Water, weshalb eine Vergleich zwischen dem deutschen Kettengarn und dem englischen Water-twist nicht statthaft ist. Die Unklarheit durch die unterschiedlichen landesspezifischen Maße will ich hier nicht befördern. Im Scriptum finden Sie eine Übersich zur Umrechnung zwischem englischem Maschinengarn und dem württembergischen Schneller unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Gewichtseinheiten. Zum Thema der Spinnerei gibt es ganze Monographien sowie unzählige Fachartikel. Einen kleinen Teil kann Ihnen der TC auf Anfrage zugänglich machen.

4.3 Baumwollgewebe

Die Baumwollgewebe zeichnen sich neben der Stärke des verwendeten Garns durch ihre technische und letztlich optische Struktur aus. Ich stelle Ihnen nur ein paar Vertreter vor.

4.3.1 glatte Gewebe

Glatte Gewebe haben meist parallele Kettfäden (Kattun, Nanking, Shirting, Kambrick oder Kammertuch, Baumwollbatist, Jaconet, Perkal, Gingham, Baumwoll-Barège, Haincord, Musselin, Organdin, Baumwoll-Stramin). Gekreuzte Kettfäden weisen Tüll und Gaze auf.

Die Leinwandbindung ist die klassische Form mit regelmäßigem Wechsel, wodurch es auch keine Ober- oder Unterseite des Gewebes gibt. Nach jedem Einschießen wird jeder zweite Kettfaden gewechselt, wodurch ein regelmäßiges Kreuzmuster entsteht. Der Stoff ist sehr fest und relativ starr.

4.3.2 geköperte Gewebe

Köper oder Croisé ist der Namensgeber dieses Gewegebtyps. Baumwollmerino, Drill oder Drell, Bast, Satin (engl. Leder) und Barchent (fustian) zählt man zu den geköperten Geweben. Bei der Köperbindung liegen regelmäßig mehr als ein ein Kettfaden oder mehr als ein Schussfaden auf einer Seite. Hierdurch entsteht ein Grat, der je nach Bindung in eine Richtung verläuft. Denim (Jeans) ist ein sehr bekanntes Köpergewebe (Kette weiß, Schuss blau).

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4 Baumwolle 4.6 Pflanzenfasern im technischen Einsatz

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4.3.3 Atlas-Gewebe

Im Gegensatz zur Köperbindung weist die Atlas-Bindung eine (scheinbar) unregelmäßige Bindung auf, welche dazu führt, dass viele Fäden parallel auf einer Seite liegen, bevor sie gelegentlich durch einen Wechsel des Faches gebunden werden. Hierdurch entstehen besonders bei glänzenden, feinen Fäden je nach Lichteinfall optisch besonders ansprechende Oberflächen. Diese Stoffe sind meist auch sehr leicht und faltenbildend.

4.3.4 Damast-Gewebe

Die Damast-Bindung entsteht durch individuelles Heben und Senken der Kettfäden, wodurch nahezu beliebige Muster erzeugt werden können. Dies setzt voraus, dass die Kettfäden sehr stabil sein müssen. Erst mit dem Jaquard-Webstuhl konnten industriell Damaststoffe produziert werden. Zuvor waren diese schweren Stoffe extrem hochpreisig, bedingt durch die reine Handarbeit verbunden mit teurem Material (metallischen Fäden oder Seide) und der künstlerischen Schaffenskraft des Webers und seiner Helfer zum Ziehen der der Kettfäden.

Einfarbige Damastgewebe weisen bei entsprechendem Lichteinfall das Muster auf (z.B. Damast-Tischdecken). Bedingt durch die asymmetrische Bindung hat Damast immer eine Ober- und Unterseite.

4.3.5 gefärbte Gewebe

Beaverteen ist ein gefärbter, wie ein Wolltuch geschorener Barchent, die feinere Variante davon.

4.3.6 gemusterte Gewebe

Dimity, gemusterte Drelle und Barchente, Baumwolldamast und Piqué sind Vertreter der gemusterten Baumwollstoffe.

4.3.7 sammtartige Gewebe

Manchester und Baumwollsamt sind bekannte Vertreter der sammtartigen Baumwollerzeugnisse.

4.4 Ersatz für Baumwolle?

Sie haben zuvor von mir so viele potentielle Pflanzenfasern benannt bekommen. Dennoch scheinen sich die Webereien auf Baumwolle, Flachs (Leinen), Wolle und Seide spezialisiert zu haben. Dies sind nunmal diejenigen Produkte, welche für die Massenproduktion in der Weberei geeigent sind und welche als Endprodukt am geeignetesten erscheinen. Die anderen Faserstoffe sind zwar auch existent, haben aber gegenüber den vorgenannten Webprodukten sowie Leder und Loden nur eine untergeordnete Nischenposition.

4.5 Cottonisierter Flachs

Man kann zwar Flachsfasern kürzen und chemisch so behandeln, dass sie dem Flaum der Baumwolle ähneln, doch leiden die Haupteigenschaften der Faser: Länge und Stärke. Auch die Festigkeit schwindet.

4.6 Pflanzenfasern im technischen Einsatz

Kurze Pflanzenfasern finden wir in Papier und Pappe wieder. Lange Fasern werden auch zu Netzen, Seilen und Tauen verarbeitet. Lunten und Dochte für Kerzen und Öllampen sind ebenfalls pflanzlicher Herkunft. Als Dämmaterial oder Verstärkung z. B. im Lehmputz finden

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5 Tierische Materialien 5.4 Technische Eigenschaften der Wolle

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wir auch Pflanzenfasern im weiteren Sinne. Ebenso dienen Stroh und Schilf sowie Seegras als Dachbedeckung und Polstermaterial.

5 Tierische Materialien Neben den Texttilien aus Pflanzenfasern stellen tierische Produkte eine ganze Reihe alternativer Fasern und Gewebe.

5.1 Fell und Haare

Ausgehend vom Fell oder anderen ‚Oberflächenbedeckungen‘ eines Tieres ist das Grundmaterial von horniger Substanz. Je nach Feinheit der Struktur sprechen wir von Horn, Schuppe, Stachel, Borste, Haar oder Wolle. Diese Strukturen sind zusammengesetzt. Für die Verarbeitung zu einem Garn ist nur die Wolle interessant. Diese ist feiner, nicht mehr straff, sondern wellenförmig gebogen/gekräuselt und weist weniger Pigment auf.

5.2 Abstammung der Wolle

Die Grundstruktur ist wie beim Haar in epithelartige Membran, Rindensubstanz und Marksubstanz zu unterscheiden. Hierdurch ergeben sich je nach Zusammensetzung unterschiedliche Eigenschaften und eine schuppige Oberfläche.

5.2.1 Schaf

Vom Schaf kommt der größte Anteil der Wollproduktion. Schafswolle wird gereinigt und entfettet, bevor sie zu Garn weiterverarbeitet werden kann.

5.2.2 Ziege

Bestimmte Ziegenarten liefer n ebenfalls brauchbare Wolle: Kaschmirwolle, Mohair- oder Kämelwolle, Alpakawolle oder Pakohaar.

5.2.3 Kamel

Das Schafkamel oder Vikugne aus den Höhenlagen von Peru, Chile und Mexiko liefert eine Wolle, die mittlerweile oft mit anderen Wollsorten gemischt verarbeitet wird.

5.2.4 Hase

Seidenhasen liefern Wolle, die meist nur zur Beimischung genutzt wird.

5.3 Zusammensetzung der Wolle

Rohe Wolle besteht aus der Hornsubstanz (Keratin), Wollfett und Schweiß sowie weiteren Verunreinigungen. Nach der Reinigung bleiben je nach Eingangsqualität 50-80 % als reine luftgetrocknete Wolle zurück. Die Fette können u. a. zu Lanolin oder zu Leuchtgas weiterverarbeitet werden (Suintergas).

5.4 Technische Eigenschaften der Wolle

Neben der Farbe spielen Eigenschaften wie Feinheit (Faserdurchmesser), Geschmeidigkeit, Grad der Kräuselung und Rauhheit der Oberfläche eine Rolle. Je schuppiger die Oberfläche, desto stärker neigt die Faser zum Verfilzen. Die Festigkeit liegt bei 2,6 bis 44 Gramm, also dem Gewicht, unter dem ein einzelnes Wollhaar reißt. Die Höhe einer Faser ist die Länge in der natürlichen, gekräuselten Form.

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5 Tierische Materialien 5.6.1Tuchartige Wollzeuge

TC_Vortrag03_Fasern und Textilien_1 ~ 19 ~

Die Länge gibt die Faserlänge in der gestreckten Form ohne Kräuselung an. Hieraus ergibt sich der Einsatz als Streichwolle (Länge < 15 cm) für gewalkte Tücher oder als Kammwolle (Länge > 9-12 cm) für glatte Wollzeuge.

5.5 Von Wolle zum Garn

Die Rücken- oder Pelzwäsche findet vor der Schur (gegen Pfingsten) statt. Sie darf nicht zu stark entfetten, soll aber Verunreinigungen beseitigen. Wieder getrocknet, werden die Schafe geschoren. Aus Gerbereien kommt Gerber- oder Raufwolle, meist mit kürzeren Fasern.

Das Vließ kann in edle und unedle Teile gegliedert werden. Schulterblätter, Seiten und Weichen sowie die Seitenfläche der Hinterschenkel liefern die edlen Teile der Wolle. Das restliche Vließ weist kürzere Wollfasern auf. Je nach Qualität gibt es Sorten. Vormals nur vier: Prima, Secunda, Tertia und Quarta. Numher gibt es noch Super-Elekta und Elekta als höhere sowie Quinta und Sexta als niedrigere Qualitätsstufen.

In der Wollspinnerei wird die Wolle zum Garn, welches entweder zu Streichwolle bzw. rauher tuchartiger Wollstoffe oder zu Kammwolle mit glatten Wollstoffen verwendet wird.

Die Wolle durchläuft bis zu acht Stufen: Wäsche (Fabrikwäsche zum Entfetten), Färben, Wolfen (Auflockern), Einfetten (um Verfilzen bei maschineller Bearbeitung zu vermeiden), Streichen (Krempeln/Kratzen), Vorspinnen (Vorgespinnst oder Vorgarn), Feinspinnen (Garn) und letztlich das Haspeln des Wollgarnes. Die Feinheit des Garns wird meist durch die Angabe der Fadenlänge in Metern, welche 1 kg wiegt, angegeben.

5.6 Wolltuchproduktion

Das Wolltuch zählt zu den glatten Geweben, deren Schuss abwechselnd durch die gekreuzten Kettfäden führt, eine Bindung wie bei den Leinwandstoffen. Dieses Wollgewebe nennt der Tuchmacher Loden. Dieser Stoff wird gewaschen (entfettet) und von Knoten oder Fremdkörpern befreit. Das nachfolgende Walken erzeugt dann eine filzartige Decke, Kett- und Eintragfäden verschmelzen förmlich zu einer Schicht, einem gleichförmigen kurzhaarigen Pelz. Hierdurch entsteht das charakteristisch glatte Tuch. Durch Rauhen und Scheren wird die Oberfläche verfeinert.

Die nun folgenden letzten Schritte nennt man auch Ausrüsten des Tuches. Zum einen wird das Tuch mit heißem Wasserdampf bearbeitet, um einen gleichförmigen Glanz zu erhalten und die Rauhheit zu mildern (Decatieren). Beim Bürsten werden die Wollhaare der Oberfläche ausgerichtet. Beim Pressen erzeugt man mit Hilfe von Glanzpappen und erhitzten eisernen Platten Glanz und ansprechende Oberfläche des nun verkaufsfertigen Tuches.

5.6.1Tuchartige Wollzeuge

Tuchartige Wollzeuge durchlaufen nur einen Teil der vorgenannten Behandlung.

Flanell: Glatt oder geköpert gewebt und nur wenig gewalkt ist dieses Wollzeug nur auf der rechten Seite gerauht und nicht oder nur einmal geschoren. Der Einschuss ist immer mit Streichwollgarn erstellt. Die Kette kann Kammgarn, Baumwollgarn oder Floretseide sein.

Swanskin (Schwanenhaut) ist ein feiner, geköperter Flanell.

Kasimir ist nur einmal gerauht, aber ansonsten wie Wolltuch mehrfach geschoren. Dieses kurzhaarige sehr dünne Wollzeug ist durchscheinend.

Fries, Flaus oder Coating sind dicke grobe Wollzeuge, bei denen man beim Ausrüsten auf das Scheren verzichtet. Mit dickeren Fäden, langhaariger Wolle und stärker gewalkt kommen die Friessorten Sibirienne, Kalmouck (Biber) und Düffel in den Handel.

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6 Seide 6.1 Vom Ei zum Schmetterling

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Der Hosenstoff Buckskin ist geköpert, ungerauht und einseitig glatt geschoren. Eine leichtere Variante davon ist Doeskin.

Kirsei wird als grobes Wollzeug ohne Appretur für Mäntel im Militär, Marine, Eisenbahn etc. eingesetzt. In diese Kategorie gehören auch die Kotzen (Fußdecken, Pferdedecken).

5.6.2 Loden und Filz

Unter nur geringem Walken entsteht Papiermacherfilz. Früher hergestelltes Filztuch (ohne Spinnen und Weben direkt gefilzte Wollfasern) ist nunmehr bedeutungslos. Loden existiert als Fachbegriff der Tuchmacher als Vorstufe zum Tuch. Der Lodenstoff hingegen entsteht durch intensives Walken und Stampfen von Wollfasern meist unter Einsatz von Seifen.

5.6.3 Kammgarnstoffe

Kammwolle (lange Wolle) dient zur Herstellung des Kammgarns. Je nach Verarbeitung der Kammwolle unterscheidet man zwischem eigentlichem Kammgarn und Halbkammgarn. Letzteres ist ein Übergang von Kammgarn zum Streichgarn. Es wird z. B. zum Sticken, Stricken und Wirken oder in der Teppichfabrikation verwendet. Halbkammgarn entsteht aus langer Wolle, die aber nicht gekämmt, sondern gekrempelt, dann aber wie Kammgarn auf Kammgarnmaschinen zu Garn verarbeitet wird.

Für Kammgarn kommt Schafwolle, Mohair, Alpaka oder Gemische aus Wolle und Baumwolle, oder Wolle und Seide zum Einsatz. Die Gemischten Garne nennt man auch Phantasiegarne.

Wie Leinen gewebt gibt es eine Vielzahl von glatten Wollstoffen. Aus Kamelhaar gefertigt wurde Perkan – dessen preiswerte Variante aus Kammgarn heißt Moor. Kamlot wird aus Kamelhaar im Kammgarnschuss und Kette hergestellt. Mühlbeuteltuch aus stark gedrehten Kammgarnen wird für Mehlbeutel und Beutelmaschinen genutzt.

Orleans entsteht mittels gezwirnter Baumwoll-Kette und Kammgarn im Schuss. Der Stoff wird hiernach gesengt, gewaschen, gefärbt, geschoren und warm gepresst.

Vertreter geköperter Wollstoffe sind: Merino, Sergen, Thibet oder Oelpresstuch.

Vertreter der Atlas-Bindung sind Kalmang oder Lasting (für Kravatten, Damenschuhe und Möbelüberzüge).

Gemusterte Kammgarnstoffe werden vor allem für Westen und Hosen, aber auch für Schuhe und Möbel genutzt (Woll- oder Möbeldamast, Shawls, Umschlagtücher). Wollseidene Shawls sind als Plaids, Tartans oder Kabyles bekannt.

Als letzte Kategorie sind noch die samtartigen Stoffe wie Wollsammet, Wollplüsch und Velpel zu erwähnen.

6 Seide Die Seidenproduktion will ich hier aus Zeitgründen nur verkürzt benennen. Gerne informiere ich Sie individuell oder stelle Ihnen Quellenmaterial zu diesem Thema zur Verfügung.

6.1 Vom Ei zum Schmetterling

Ein Schmetterling schlüpft nicht wie Wirbeltier aus einem Ei. Vielmehr entwickelt sich diese Insektengattung vom Ei über eine Raupe nach mehreren Häutungen zu einer Puppe und nach einer Metmorphose von ca. 15-20 Tagen aus dieser zum Schmetterling. Manche Raupen spinnen sich hierzu zum Schutz in einen Kokon ein. Die Raupe des Seiden- oder

Page 21: TC Vortrag 03 Der Textile Mensch

6 Seide 6.3 Vom Kokon zum Seidenfaden

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Maulbeerspinners produziert für ihren Kokon einen extrem feinen, elastischen Endlosfaden, welchen sich der Mensch nutzbar gemacht hat.

Der Seidenschmetterling misst zwischen den ausgebreiteten Flügeln etwa 40-50 mm, erscheint schmutzig weiß, mit einigen lederfarbenen Linien und hat auf jedem Vorderflügel einen undeutlichen halbmondförmigen Fleck. Das Weibchen legt wenigstens 200, häufig über 500 bläuliche Eier, technisch Grains genannt. Diese lassen sich im Kühlen, bei einer Temperatur unter 18° C, lange aufbewahren und weit versenden, während sie in einer etwas höheren Temperatur auskriechen. Fünfzig Gramm Grains, das Produkt von 300-360 Schmetterlingen, ergeben 40-60000 kleine schwärzliche Räupchen, die binnen 4-5 Wochen herangewachsen sind, sich währenddem viermal häuten und einen immer stärkern Appetit entwickeln. Über die Details der mühsamen Aufzucht ist hier hinwegzugehen.

6.2 Seidenbau

Die Raupe des Seidenspinners (Bombyx mori) und verwandte Arten sind nach der dritten oder vierten Häutung ausgewachsen und spinnen sich mit Hilfe ihrer zwei Spinndrüsen am Kopf einen Kokon für die Puppenruhe. Im Seidenbau werden für die diversen Arten des Seidenpinners die Futterpflanzen kultiviert und die Raupen darauf bis zu Puppenruhe gehalten. Durchbissene Kokons sind für die Seidengewinnung nahezu wertlos. Ein Großteil der Puppen wird daher acht Tage nach dem Einspinnen zur Seidenverarbeitung gesammelt und mit heißem Wasser, Dampf oder heißer Luft getötet.

6.3 Vom Kokon zum Seidenfaden

Die Oberfläche des Doppelfadens und die Oberfläche des Kokons insbesondere sind durch einen organischen Kitt (Seifenleim oder Sericin) miteinander verbunden, welcher sich in Seifenwasser löst. Jeder Kokon ist also die Quelle für einen langen doppelten Proteinfaden. Die Kokons werden zuerst nach Farbe und Unversehrtheit sortiert. In heißem Wasser löst sich der Oberflächenleim und einzelne Fadenenden können aufgegriffen und zu mehreren (3-10, gröbere Seide bis 20) zusammen gehaspelt werden. Der hierbei entstehende Faden verbindet sich aufgrund verbliebener Leimreste beim Trocknen während des Haspelns, also nicht durch eine Drehung wie beim Spinnen von Wolle oder Leinen! Die Hasplerin führt dem zu haspelnden Faden regelmäßig neue Kokonfäden zu, so dass der Faden regelmäßig, knoten- und flockenfrei ist. Ein Kokon liefert ca. 900 m Faden mit 0,16 bis 0,2 (max. 0,25) Gramm Rohseide. Die nicht zu haspelnden Fäden werden wie Wolle als Floretseide (Seidengarn) weiterverarbeitet.

Mehrere Fäden der Rohseide werden zu einem Seidenfaden zusammengedreht. Sie erhalten so eine einheitliche Dichte und Rundung. Durch eine Zwirnung (Moulinierung) mehrerer solcher Seidenfäden werden diese dann miteinander verbunden – es entsteht dann die gezwirnte Seide.

Organsinseide (als Kettfaden) besteht aus der Rohseide von drei bis acht Kokons mit starker Rechtsdrehung. Zwei solcher Rohseidenfäden werden dann mouliniert.

Tramaseide (als Einschussfaden) kann aus drei bis 12 geringeren Kokons gefertig werden. Mehrfädige Tramaseide ist nur leicht und links moulinisiert und hierdurch weicher und flacher.

Maraboutseide wird aus drei Fäden weißester Seide extrem gezwirnt, gefärbt und erneut gezwirnt, wodurch sie hochfest wird.

Poilseide aus mehreren ungedrehten Kokonfäden wird zusammen mit Gold- oder Silberfäden gezwirn zu Herstellung von Tressen genutzt.

Page 22: TC Vortrag 03 Der Textile Mensch

7 Prüfung und Unterscheidung der Fasern 7.2 Unterschied zu tierischen Fasern

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Nähseide/Cousir aber auch Strick- und Häkelseide wird Rohseide von 3-22 Kokons gedreht.

Die Feinheit der Seide wird durch Titrieren bestimmt und in Gewicht pro Länge (400 Ellen bzw. 475 Meter)in Grains oder Denier ausgedrückt. Je höher das Gewicht, desto grober ist die Ware. 12 deniers = 288 grains. Da Seide mehr oder weniger fein gebundenes Wasser enthalten kann (i. d. R. 15% ) welches nicht durch die äußere Beschaffenheit auffällt, wird im Handel wir die Seide konditioniert, wobei der Feuchtegehalt durch eine Behörde amtlich ermittelt wird (Seidenkonditions- und Trocknungsanstalten).

Wird die Seide von ihrem Leim gänzlich befreit (Entschälen), erhält sie den typischen Glanz und kann bestens gefärbt werden: entschälte oder gekochte Seide.

6.4 Seidenweberei

Die Seidenweberei verläuft im Wesentlichen wie die Baumwoll-, Leinen- oder Kammgarnweberei, jedoch mit Organsinseide als Kette und Trama als Schuss. Gemischte Stoffe weisen Seide in der Kette auf, während oft hochwertige feine Garne im Schuss eingesetzt werden (Kammwolle, Alpaka, Mohair).

Die Kette bildet häufig ein mehrfacher, nicht gezwirnter Faden (größere Dicke und Dichte des Gewebes).

Leichte Seidenstoffe wie Atlas und Taffet werden zusätzlich gummiert. Schwere Seidenstoffe werden feucht gepresst, wodurch ein welliger Schimmer (Moirierung) oder gar Zeichnungen durch Pressen mit gravierten Metallplatten (Gaufriren) auftreten.

Wie z. B bei der Wollweberei gibt es glatte (Taffet, Gros), geköperte (Sergen, Atlas, Satin), gemusterte (Drouget, Chagrin, Satinet, Reps, Seidendamast, Brillantstoff, Pequin) sowie Samt (Sammet, Plüsch) und Gaze (Marle, Seidenstramin, Krepp/Flor, Beutelgaze, Barège).

Eine besondere Form stellt die Byssus-Seide dar. Sie wird aus Byssus-Fäden gewonnen. Dies sind die Fäden, mit denen sich Muscheln auf Steienen aber auch im Sand verankern. Auf Sardinien gibt es wohl noch eine Seidenweberei, welche diese Kunst beherrscht.

Aber Obacht. Verwechseln Sie Byssus-Seide nicht mit dem Byssus-Tuch, einem hochfeinen, fast durchsichtigen Leinengewebe, quasi eine Art Leinengaze. Aus moralischen Gründen wurde manchenorts den Frauen aufgetragen, Byssus-Tuch nicht alleinig als Oberbekleidung zu tragen, allenfalls in Form eines Schleiers.

7 Prüfung und Unterscheidung der Fasern

7.1 Unterschied zw. Baumwoll- und Leinfaser

Der Unterschied wird durch diverse chemische Methoden versucht, welche jedoch mehr oder weniger unsicher sind. Am besten prüft man die Fasern mit einem Mikroskop. Hiermit können die Fasern sicher unterschieden werden. Leinenfasern sind starrer, walzenförmig und nicht um sich selbst gedreht (Fig. 195). Hanffasern sind demgegenüber starrer und am Ende verzweigt. Fig. 196 zeigt die elastische Baumwollfaser mit ihrer in sich gedrehten, abgeflachten Struktur.

In Fig. 197 ist zum Vergleich eine Schafwollfaser zu sehen. Diese ist dicker und weist eine schuppige Oberfläche auf.

7.2 Unterschied zu tierischen Fasern

Einige chemische Eigenschaften zwischen Horn bzw. Keratin und Cellulose sind offensichtlich. Hieraus ergeben sich chemische Unterschiede, welche eine Unterscheidung

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8 kurz angerissen: Papier 7.2 Unterschied zu tierischen Fasern

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ermöglichen. Dies geht selten zerstörungsfrei, da agressive Chemikalien oder Feuer zum Einsatz kommen. Sicher kann die Struktur der Fasern in einem Gewebe mit einem Mikroskop durchgeführt werden. Fig. 251: Haar einer Haidschnuckenwolle, Fig. 252: Haar einer Non-plus-ultra-Wolle bei gleicher Vergrößerung. Hier ist der der unterschiedliche Feinheitsgrad der Wollfasern deutlich erkennbar.

Der glatte Seidenfaden Fig. 253 unterscheidet sich deutlich von der geschuppten Wollfaser in Fig. 254, einem Wolle/Seide-Gemisch oder der langzelligen Pflanzenfaser in Fig. 255, einem Wolle/Baumwolle-Gemisch.

8 kurz angerissen: Papier Ich gehe davon aus, dass einigen von Ihnen Begriffe wie Papyrus oder Pergament bekannt sind. Es wurden aber auch Rinden, Blätter, Wachs, Schiefer, Blei und andere flache Materialien genutzt, um Schriftzeichen oder Zeichnungen festzuhalten. Details zur Geschichte der Schreibmaterialien entnehmen Sie bitte dem Scriptum.

Papier ist der moderne Nachfolger von Papyrus. Papier kann als dünner Filz aus Pflanzenfasern betrachtet werden. Je nach Ausgangsmaterial weist Papier entsprechende Eigenschaften auf bzgl. Reißfestigkeit – diese ist ggf. in einer Richtung geringer und liefert einen saubereren Riss, im rechten Winkel dazu aber einen unregelmäßigen Riss. Feine Pflanzenfasern, vornehmlich Leinen, werden in Wasser aufgeschwemmt, in dünnen Schichten über ein Tuch oder Sieb abgeschöpft. Bei mechanischer Papierherstellung kommen Walzen zum Einsatz, welche ein endloses Band schöpfen. Durch Pressen und Trocknen entsteht das Papier, welches durch Bleichen, Färben und mit Zuschlagstoffen in seiner Oberfläche noch angepasst werden kann (Leimen). Hierdurch entscheidet sich auch die Saugkraft oder das Fließverhalten von Tinte.

In grober, aber reißfesterer Form kann es auch als Verpackungsmaterial dienen.

Falls gesteigertes Interesse besteht, stelle ich die Papierproduktion gerne in einem separaten Vortrag vor.

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9 Anlagen und Quellenmaterial Bildmaterial

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9 Anlagen und Quellenmaterial

Frageblock

Ausklang

Quellenmaterial in Auszügen und zur Ergänzung

Handbuch der chemischen Technologie, Kapitel IV. und V.; Johannes Rudolf Wagner, Leipzig

1871

Die Baumwollspinnererei in allen ihren Theilen; Benno Niess, Weimar 1869

Die Spinnerei, Weberei und Appretur auf der Weltausstellung zu Paris 1867; Dr. Hermann

Grothe, Berlin 1868

Grundriss der mechanischen Technologie Bd. 2; Karl Karmarsch, Hannover 1841

Handbuch der gesamten Spinnerei und Weberei, Michael Ulean, Quedlinburg/Leipzig 1847

Über mechanische Leinen-Spinnerei; F. Breunlin, Stuttgart 1838

Handbuch der Technologie oder rationelle Darstellung der technischen Gewebe; Dr.

Christoph Bernoulli, Basel 1840

Pierer’s Universal-Lexikon, 4. Auflage, Altemnburg 1857–1865

diverse andere Quellen

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9 Anlagen und Quellenmaterial Bildmaterial

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Bildmaterial

Flachs und Bengalischer Hanf (Sun)

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9 Anlagen und Quellenmaterial Bildmaterial

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Hanf (Cannabis sativa)

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9 Anlagen und Quellenmaterial Bildmaterial

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Jute und Chinagras

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9 Anlagen und Quellenmaterial Bildmaterial

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Sisalhanf (Agave rigida), Piassava-Palme, Neuseeländischer Flachs (Phormium tenax)

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9 Anlagen und Quellenmaterial Bildmaterial

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Baumwolle (Gossypium herbaceum)

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9 Anlagen und Quellenmaterial Bildmaterial

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diverse Faserpflanzen und Futterpflanzen

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9 Anlagen und Quellenmaterial Bildmaterial

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Gewichtswebstuhl

Nachbildung eines Gewichtswebstuhls aus Lappland

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9 Anlagen und Quellenmaterial Bildmaterial

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Mechanischer Webstuhl 1839

Mechanischer Webstuhl der Mechanischen Baumwollspinnerei und Weberei Augsburg (SWA), von der Firma André Köchlin & Co., Mühlhausen (Mulhouse, Alsace) für 310 Francs Stückpreis 1839 geliefert. Dieses Exemplar war bis 1894 in Betrieb. Heute: Technisches Museum, München, Inv.-Nr.: 1907/12315.

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9 Anlagen und Quellenmaterial Bildmaterial

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Mikroskopische Betrachtung von Fasern

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9 Anlagen und Quellenmaterial Sonstiges Material

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Sonstiges Material

Leinwand-Bindung

Die Leinwandbindung ist die einfachste der drei Grundbindungen beim Weben. Veraltete Bezeichnungen sind „Tuchbindung“ für Wollgewebe und „Taftbindung“ für Gewebe aus Filamentgarnen.

Kein anderes Gewebe weist eine so enge Verkreuzung von Kett- und Schussfäden auf, dabei kommt jeder Kettfaden abwechselnd über und unter einem Schussfaden zu liegen. Der Bindungsrapport umfasst zwei Kett- sowie zwei Schussfäden und ist in der Abbildung durch die schwarzen Felder gekennzeichnet.

Gewebe mit Leinwandbindung zeigen auf rechter (oberer) und linker (unterer) Warenseite das gleiche Warenbild, d. h., sie sind bindungsgleich. Außerdem sind sie gleichseitig, d.h., dass die Bindung gleich viele Ketthebungen und -senkungen aufweist.

Je nach verwendeter Faser- und Garnart und Fadendichte zeichnen sich leinwandbindige Gewebe durch hohe Scheuer- und Schiebefestigkeiten aus, umgekehrt sind sie dafür schlecht drapierbar (Faltenwurf).

Von der Leinwandbindung existieren einige Varianten:

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9 Anlagen und Quellenmaterial Sonstiges Material

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Quer- oder Kettrips Längs- oder Schussrips Panamabindung

Gewebe mit Ripsbindungen sind durch Rippen gekennzeichnet.

Der Querrips hat eine hohe Kettdichte, die Kettfäden überdecken dabei zwei oder mehr Schussfäden. Man nennt ihn auch Kettrips, da die meist feinen Kettfäden das Oberflächenbild der Ware auf rechter wie linker Warenseite bestimmen.

Der Längsrips (auch Schussrips) ist sozusagen das Gegenteil des Querrips. Die Schussfäden überdecken zwei oder mehr gleichbindende Kettfäden. Durch die beim Weben benötigte hohe Schussdichte sinkt die Produktivität, weshalb man Längsrips seltener herstellt. Aussehen und Eigenschaften des Gewebes sind hauptsächlich vom Schuss abhängig.

Die Panamabindung zeigt ein würfelartiges Warenbild, welches durch zwei oder mehr nebeneinander gleichbindende Kettfäden entsteht, die zwei oder mehr ins gleiche Fach eingetragene Schussfäden überdecken.

Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Leinwandbindung

Köper-Bindung

Die Köperbindung (auch kurz Köper oder Twill) ist – neben der Leinwand- und der Atlasbindung – eine der drei Grundbindungsarten für gewebte Stoffe. Köperbindungen sind am schräg verlaufenden Grat zu erkennen. Das bekannteste Gewebe in Köperbindung ist der Denim, der blau-weiße Jeansstoff. Verläuft der Grat von links oben nach rechts unten, spricht man von einem S-Grat-Köper; verläuft er von links unten nach rechts oben, handelt es sich um einen Z-Grat-Köper, entsprechend der Ausrichtung des Mittelteils der beiden Buchstaben.

Außerdem wird zwischen Kett- und Schussköper unterschieden, je nachdem, ob die Kett- oder Schussfäden oben überwiegen. Der Weber nennt die obere Seite beim Weben auf der Maschine oder dem Webstuhl das „rechte Warenbild“. Der bekannte Denim zum Beispiel ist ein Kettköper: Die Kette ist blau, der Schuss weiß. Auf der Webmaschine wird Denim so gewoben, dass die blauere Seite oben ist. Um die Mechanik der Webmaschine zu schonen, wird Denim heute meist mit der „kettlastigen“ Seite (im o. a. Fall die Warenoberseite/das

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9 Anlagen und Quellenmaterial Sonstiges Material

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rechte Warenbild/blaue Seite) nach unten gewoben. Des Weiteren wird dadurch ein Schutz vor Verschmutzungen der eigentlichen Warenoberseite in der Weberei erreicht.

Von Köpergeweben gibt es gleich- und ungleichbindige Varianten. Gleichbindend bedeutet, dass das Gewebe auf beiden Seiten, fachsprachlich auf linker wie rechter Warenseite, gleich aussieht.

Je nach verwendeter Bindung und Fadendichte können Köper dicht, glatt und strapazierfähig, aber auch weich und locker sein.

Es gibt einige Variationen und Ableitungen der Köperbindung:

Gleichgratköper: Hier verteilen sich Kett- und Schussfäden gleichmäßig über die Oberfläche (die Anzahl der Ketthebungen und -senkungen im Rapport ist gleich), weshalb sie auch als gleichseitig bezeichnet werden. Bis auf die Richtung des Grats sind beide Warenseiten gleich.

Mehrgratköper weisen zwei verschieden breite Grate auf, es gibt sie als Kett-, Schuss- oder gleichseitige Köper.

Breitgratköper weisen sehr breite Grate auf, die mindestens aus je zwei Kett- oder Schusshebungen bestehen (Ketthebung = Kettfaden oben, Schusshebung = Schussfaden oben). Es gibt gleich- und ungleichseitige Breitgratköper.

Steilgratköper entsteht unter anderem bei Verwendung einer hohen Kettdichte. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass ihre Grate im Gegensatz zu den meisten Köpern (mit etwa gleich großer Kett- und Schussdichte) nicht im Winkel von 45 Grad verlaufen.

Flachgratköper sind sozusagen das Gegenteil von Steilgratköpern. Sie weisen eine hohe Schussdichte auf und sind deshalb auch Schussköper.

Spitzgratköper (auch Zick-Zack-Köper) entsteht durch Wechseln der Gratrichtung. Dabei wird zwischen Quer- und Längsspitzgratköper sowie Spitzkaroköper unterschieden.

Fischgratköper entstehen durch Wechsel der Gratrichtung, wobei beim Wechsel im Gegensatz zum Spitzgratköper die Bindungspunkte um einen oder mehrere Schüsse verschoben werden.

Kreuzköper zeigen nicht die typischen Grate. Sie entstehen durch Halbierung des Rapportes in Kett- oder Schussrichtung und gleichzeitigen Wechsel der Bindungsrichtung (zwischen Z- und S-Richtung, analog zu den Z- und S-Köpern)

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9 Anlagen und Quellenmaterial Sonstiges Material

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Denim

Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/K%C3%B6perbindung

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9 Anlagen und Quellenmaterial Sonstiges Material

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Atlas-Bindung

Bei der dritten Grundbindung, der Atlasbindung, führt der Schuss unter einem Kettfaden hindurch, danach über mehr als zwei Kettfäden hinweg, und so weiter. Der nächste Schussfaden verlagert dies um mindestens zwei Kettfäden (i. d. R. nach rechts) und auch nach oben (i. d. R. um eins). Auf diese Weise entsteht ein Gewebe, auf dem auf der Oberseite die parallelen Schussfäden bei weitem überwiegen, was dem Stoff einen vom Lichteinfall abhängigen Glanz verleiht. Der Stoff ist zweiseitig, auf der Rückseite überwiegen entsprechend die Kettfäden (man unterscheidet daher wie bei der Köperbindung zwischen Kettatlas und Schussatlas).

Vom Atlas gibt es nicht viele Abwandlungen, da sich die Bindungspunkte nicht berühren dürfen. Zwei dieser Varianten sind der Streifen- und der Buntsatin. Ein Wechsel zwischen Schuss- und Kettatlas ermöglicht eine Musterung des Stoffes (siehe Damast). Das wohl bekannteste Atlasgewebe ist der Satin, weshalb man auch von Satinbindung spricht.

Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Atlasbindung#Atlasbindung

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TC-Archiv

Ausgesuchte Quellen siehe TCVortrag_03_Der textile Mensch_Quellen.pdf unter http://de.scribd.com/doc/128136979/TCVortrag-03-Der-textile-Mensch-Quellen-pdf

Hintergrundgeschichte der mechanischen Weberei

In Lyon, einem traditionellen Zentrum der Seidenweberei, wurden schon 1727/28 Steuerungssysteme über gelochtes Papier und Nadeln bzw. Lochkarten und Haken erfunden, die zwar die zweite Arbeitskraft nicht einsparten, aber die Arbeit erleichterten. 1735 wurde in Wien eine Art Nockenwalze für die Steuerung erfunden, die über kleine Häkchen die jeweiligen Harnischfäden direkt anhob, so daß die zweite Arbeitskraft überflüssig wurde. Der Umfang des Musters war allerdings durch die Größe der Walze stark limitiert. Der Automatenerfinder Vaucanson wurde 1741 Inspektor der Seidenmanufakturen in Lyon. Vaucansons Automaten sind legendär. Er baute einen Flötenspieler mit vollautomatischem Repertoire. Aus über 1000 Einzelteilen baute er eine bewegliche Ente, die sogar verdauen konnte. 1745 stellte er eine Webmaschine vor, die durch ein Pferd oder einen Esel in einem Göpel betrieben werden konnte und zur Mustersteuerung ebenfalls mit einer Nockenwalze arbeitete. Die Maschine wurde von der Lyoner Weberzunft jedoch abgelehnt. Frustriert vermachte Vaucanson sein Modell dem Pariser "Conservatoire des arts et métiers".

Joseph-Marie Jacquard wird 1752 in Lyon geboren. Er entstammt einer Weberfamilie. Sein Vater besitzt eine Werkstatt mit mehreren Webstühlen, seine Mutter arbeitet in einer Seidenmanufaktur als Mustereinleserin. Das Ziehen der Musterfäden ist eine selbstverständliche Kinderarbeit in diesem Gewerbe. Die schwere Arbeit in der Weberei ist dem jungen Jacquard verhaßt. Er erlernt deshalb das Buchbinder-Handwerk. Nach dem Tod seiner Eltern erbt der Zwanzigjährige die ungeliebte Webwerkstatt. Doch statt die Weberei zu betreiben, beschäftigt er sich vor allem damit, die Musterwebtechnik zu mechanisieren. Seine unproduktiven Versuche bringen ihn in große materielle Not.

1789 bricht die Französische Revolution aus. Lyon steht auf seiten des ancien régime. Die Stadt wird 1793 zerstört. Jacquard, Mitglied eines royalistischen Regiments, muß fliehen, sein Sohn fällt im Kampf. Zwei Jahre später kann er nach Lyon zurückkehren und wendet sich sofort wieder seinen Mechanisierungsversuchen zu. Die Wirtschaft liegt darnieder, aber gerade deshalb findet er Fabrikanten, die ihn unterstützen. Er verwirklicht einige wichtige Verbesserungen, die ihm Preise und Anerkennung einbringen. Napoleon liegt sehr daran, neben der politisch-militärischen auch die ökonomische Vormachtstellung Frankreichs wieder herzustellen. Auf Napoleons Geheiß wird Jacquard 1804 ans "Conservatoire des arts et métiers" berufen, um mechanische Erfindungen zu machen. Dort entdeckt er die zerlegten Reste der Webmaschine von Vaucanson. Er rekonstruiert die Maschine und studiert sie gründlich. Die besten Elemente der bisherigen Mustersteuerungen fasst er dann zu einer neuen Konstruktion zusammen, die er bis zur technischen Reife perfektioniert.

Nach einjähriger Arbeit hat er den Jacquard-Webstuhl entwickelt. Die wesentliche Verbesserung seines Musterwebstuhls gegenüber allen seinen Vorläufern besteht darin, daß es ihm gelingt, an den Platz der Nockenwalze das Endlosprinzip einer Steuerung über gelöchte Brettchen mechanisch zu setzen. Jacquard hat seinen Kindheitstraum erfüllt und die Funktion des "Ziehjungens" wegrationalisiert. Zugleich hat er ein Prinzip gefunden, das es ermöglicht, Muster von beliebiger Komplexität mechanisch herzustellen.

Napoleon ist von Jacquards Steuerungssystem begeistert und gewährt ihm eine lebenslange Rente. 1806 versucht Napoleon mit einem Dekret den Einsatz des neuen Webstuhls in der Seidenfabrikation Lyons durchzusetzen.

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Doch der Widerstand ist enorm. Jacquard wird tätlich angegriffen und mit Prozessen zermürbt. Erst als die englische Konkurrenz die Maschine einzusetzen beginnt, setzt sie sich in Frankreich rasch durch. 1810 erhält Jacquard das Kreuz der Ehrenlegion.

Die Bedeutung und die Konsequenzen der Jacquardmaschine betreffen nicht nur die Arbeit im Textilgewerbe, wo mit weniger Arbeitsaufwand mehr und billiger produziert werden konnte. Die Produkte selbst veränderten sich dramatisch. Individuelle kunsthandwerkliche Gestaltung wurde durch technisch perfekte Muster, aber oft auch künstlerisch triviale Massenware ersetzt.

Aus exklusiven Luxusartikeln der höfischen Repräsentation wurden bürgerliche Konsumgüter. Die Jacquardmaschine ist aber auch ein wesentlicher Schritt in der Geschichte der Datenverarbeitung. Jacquard gelang es, die Lochkartentechnik bis zur Programmsteuerungsreife zu perfektionieren. Er ist damit ein wichtiger Vorläufer von Hollerith und anderen Pionieren der Datenverarbeitung.

Weitere Quellen: http://www.zeno.org/Lueger-1904/A/Baumwollspinnerei+%5B1%5D

Die Qual der Maße

Byssus

Der Byssus-Stoff ist im alten Ägypten und später als hochfeines, durchscheinendes Leinentuch bekannt. Parallel dazu gibt es den Begriff aber auch für Seidentuch aus den Byssus-Fäden einzelner Muschelarten. Dieses sehr teure Seidentuch lässt sich kaum einfärebn und wurde vor allem in der Antike und in Mittelalter produziert.

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Steckmuschel (Pinna L.), Gattung der Flügelmuscheln; die beiden Klappen sind gleich, keilförmig, klaffen auf der einen, sind durch ein langes Band verbunden auf der anderen Seite, das Schloß hat keine Zähne; sind mit dem Barte (Byssus), welcher zu seidenartigen Gespinnsten benutzt wird, am Meeresgrunde befestigt. Das Thier wird Chimaera genannt; Arten: Edle S. (P. nobilis), mit gestreiften u. mit rauchen, rinnenförmigen Schuppen bedeckt; gibt vorzügliche Seide (Muschelseide), welche in Süditalien häufig zu Handschuhen, Strümpfen, ja auch zu größerem Gewebe verarbeitet wird. Andere Arten (P. tetragona, P. pyramidalis) werden oft in Quadersandsteinen versteinert gefunden.

[vgl. Pierer's Universal-Lexikon: Steckmuschel Bd. 16, S. 718 ff.)]

Steckmuschel (Pinna L), Gattung der Vogelmuscheln (Aviculidae), Muscheln mit dreieckigen, vorn spitzen, hinten klaffenden, dünnen Schalen, stecken mit dem spitzen Ende im Schlamm oder Sand und sind durch seine Byssusfäden an der Umgebung befestigt. 30 Arten in fast allen Meeren, 60 fossile vom Devon an, besonders in der Kreide. Die größte Art ist die 70 cm lange schuppige S. (Pinna squamosa L.), im Südlichen Ozean und im Mittelländischen Meer. Diese und die nur 30 cm lange edle S. (P. nobilis L.), im Mittelländischen und Atlantischen Meer, werden namentlich im Busen von Tarent gefischt. Den 10–25 cm langen, gelben Byssus verspinnt man mit Seide und fertigt seine und haltbare Handschuhe, Geldbeutel etc. daraus (s. Byssus). Nicht selten finden sich Perlen in ihr, die aber ziemlich wertlos und oft unschön gefärbt sind. Im Altertum sa belte man von dem sogen. Muschelwächter (Pinnotheres), einem Krebs, der seinen Wirt, die Pinna, vor Gefahren warnen, dafür aber in ihr wohnen sollte. Letzteres ist richtig, ersteres grundlos.

[vgl. Meyers Großes Konversations-Lexikon: Steckmuschel Bd. 18, S. 881 ff.)]

Jeans und Denim Aus Segeltuchstoff hergestellte Hosen und ihre Nachfolgermodelle wurden in Amerika bald zum Standard, insbesondere nachdem Levi Strauss auf die Idee kam, diesen nicht so farbintensiv herzustellen. Der Stoffhändler Levi Strauss schneiderte Hosen für die Goldgräber in San Francisco aus braunem aus Hanffaser hergestellten Segeltuch in der Canvas Webart. Die Idee, die Nähte mit Nieten zu verstärken, hatte der Schneider Jacob Davis. Da er nicht das Geld hatte, um ein Patent anzumelden, wandte er sich an Levi Strauss. Etwa zur gleichen Zeit begann dieser, seine Hosen aus blauem Denimstoff zu fertigen. Ein mit Indogo vollfarbig eingefärbter Stoff erweist seine Qualitäten durch seine intensive Farbe meist im Militär für Uniformen. 1872 wurden zum ersten Mal die Ecken der Hosentaschen mit Nieten verstärkt. Patentiert wurde die Hose am 20. Mai 1873 (Patentnummer 139.121). Inhaber des Patents waren Strauss und Davis gemeinsam. Später wurde auch das braune Segeltuch durch den mit Indigo gefärbten blauen Baumwollstoff Denim abgelöst und die Jeans mit orangefarbenen Nähten und Nieten zur Verstärkung verziert. Schon sehr früh wurde auch von der ursprünglichen Canvas Webart auf die sogenannte Köperbindung gewechselt, was heute als Standard für die meisten Denimstoffe zum Einsatz gelangt. Hierzu wird ungefärbtes Baumwollgarn im Schuss und indigogefärbtes Baumwollgarn in der Kette eingesetzt. Aus dem Namen Stoff Serge de Nîmes entwickelte sich die Kurzform Denim. Der Begriff Jeans stammt aus der französischen Definition jean für geköperten Baumwollstoff. Durch die Köperbindung entsteht dann ein im Gegensatz zum Segeltuch weicherer, aber dichter Stoff, der sich angenehm tragen lässt. Aus diesem Denim lassen sich robuste Latzhosen, Hosen und vereinzelt auch Jacken herstellen. Nach der Erfindung der

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Jeans durch Levi Strauss verbreitete sich die Arbeitshose von San Francisco sehr schnell in Nordamerika bei Cowboys, Farmern, Eisenbahnleuten, Handwerkern und Schwerarbeitern. Die Form war lange in wenigen Unisex Standardformen erhältlich (Straight cut, boot cut Hosen, untaillierte Jacken). Stark belastete Positionen (Ellebogen, Knie, Hosenboden) lassen sich gegebenenfalls mit Lederapplikationen verstärken. Durch eine Nietung an kritischen Stellen als zusätzliche Befestigung der Oberkante aufgesetzter Taschen hat sich quasi ein Standard für Arbeitshosen entwickelt. Die blaue Arbeitshose bekam dann den Namen Jeans in Anlehnung an den Stoff, aus dem sie gemacht wurde. Durch Abwandlung der Färbung des Kettfadens sind auch andere helle Varianten z. B. in beige oder sandfarben möglich, welche als Arbeitsbekleidung aber meist ungeeignet sind. Die Bluejeans ist aufgrund ihrer Verbreitung der Inbegriff der Arbeitshose seit 1852. Da die Färbung des Kettgarns nie vollständig durchgeführt wird (5-7 Färbegänge färben den Faden von außen nach innen, der Kern bleibt ungefärbt), wird sich der Stoff durch Aufrauhen und allmählichen Verschleiß der Fasern aufhellen. Auf die Gelbverfärbung von indigogefärbten Stoffen gehe ich im Rahmen des Vortrags über das Färben und Bleichen ein. Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Jeans