Technische Universitat Berlin¨ · 2013-06-17 · Formged ¨achtnislegierungen oder auch...
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Technische Universitat Berlin
Institut fur Mathematik
Formgedachtnislegierungen
Franz Wieck 326557 BSc. Maschinenbau
Bachelor-Arbeit 2013
Betreuer: Prof. Dr. Etienne Emmrich
8. Marz 2013
Hiermit erklare ich an Eides statt, dass ich die vorliegende Arbeit selbststandig und
eigenhandig sowie ausschließlich unter Verwendung der aufgefuhrten Quellen und Hilfs-
mittel angefertigt habe.
Berlin, den 8. Marz 2013
.........................................
Inhaltsverzeichnis
1 Eine exotische Anwendung 3
2 Mikroskopische Mechanismen und verschiedene
makroskopische Erscheinungen 5
2.1 Ein-Weg-Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
2.2 Zwei-Weg-Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
2.3 All-Round-Effekt –
Eine einzigartige Art des Zwei-Weg-Effekts . . . . . . . . . . . . . . . 8
2.4 Superelastizitat und spannungsinduziertes Martensit . . . . . . . . . . 10
3 Praktische Anwendungen 12
4 Mathematische Modellierung 15
4.1 Impulsbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
4.2 Energiebilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
4.3 Entropiebilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
4.4 Freie Energie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
4.5 Formulierung des Problems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
5 Ausblick 36
6 Literaturverzeichnis 38
1
Abbildungsverzeichnis
1 Anwendung von Formgedachtnislegierungen in der Zauberkunst
(Quelle: http://www.stolina.de 11.09.2012, 1:08 Uhr) . . . . . . . . . 3
2 Umwandlung Austenit und Martensit
(Abbildung angelehnt an Fig. 1.2 aus [10]). . . . . . . . . . . . . . . . 6
3 Schematische Darstellung von Ein- und Zwei-Weg-Effekt
(Quelle: vergleiche Abbildung 3.2/3.2 aus [5]) . . . . . . . . . . . . . . 7
4 Umwandlung Austenit und Martensit im Zwei-Weg-Effekt . . . . . . . 9
5 Schematische Darstellung des All-Round-Effekts
(Quelle: Bild 3.7 aus [5]) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
6 Vergleich Superelastizitat und “konventionelles”Verhalten
in einem Spannungs-Dehnungs-Diagramm . . . . . . . . . . . . . . . . 11
7 Schematische Darstellung zweier praktischer Anwendungen . . . . . . . 14
8 Stent aus Ni-Ti-Legierung
[Quelle: www.meko.de 31.01.2013, 17:25 Uhr] . . . . . . . . . . . . . . . 15
9 Energiedichte fur eine 1-D-Martensitumwandlung
(vergleiche Abbildung 2.13 in [22]) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
10 Auswirkung einer externen Belastung auf Energiedichte und Material-
struktur (vergleiche Abbildung 2.2 u. 2.3 in [24]) . . . . . . . . . 28
11 Temperaturabhangigkeit der freien Energie nach Landau
(vergleiche Abbildung 2.18 in [22]) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
12 Eigenschaften nematischer Fluide
(Quelle: Abbildung 3 und 6 in [28]) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
2
1 Eine exotische Anwendung
Ein schon seit mehreren Jahren bekannter Effekt in der Zauberkunst wird auf der In-
ternetseite von Stolina Magie (http://www.stolina.de) folgendermaßen fur 19,50e
angepriesen:
Abbildung 1: Anwendung von Formgedachtnislegierungen in der Zauberkunst
(Quelle: http://www.stolina.de 11.09.2012, 1:08 Uhr)
Dieser “Zauberdraht“ besteht aus einer sogenannten Formgedachtnislegierung und stellt
dem geneigten Leser anschaulich dar, welche Effekte Formgedachtnislegierungen ha-
ben konnen. Es handelt sich um einen Ein-Weg-Effekt in Form eines freien Form-
gedachtnisses (spater dazu mehr) und keineswegs um Zauberei.
Formgedachtnislegierungen oder auch Shape-Memory-Alloys verhalten sich besonders.
Wird eine Formgedachtnislegierung unterhalb einer kritischen Temperatur bleibend
plastisch verformt, so ist hierbei noch kein Unterschied zu einem reinen Metall zu er-
kennen. Wird jedoch dieser verformten Formgedachtnislegierung thermische Energie in
3
Form von Warme zugefuhrt, so nimmt sie wieder ihre ursprungliche Form an, d.h. sie
erinnert sich an den Zustand vor der plastischen Verformung [2].
4
2 Mikroskopische Mechanismen und verschiedene
makroskopische Erscheinungen
“Als Legierung wird eine Substanz mit noch uberwiegend metallischem Cha-
rakter bezeichnet, die mindestens aus zwei Elementen besteht, wovon min-
destens eines zur Ausbildung der metallischen Eigenschaften ein Metall sein
muss.“[1]
Formgedachtnislegierungen sind entweder zweiphasige oder mehrphasige Legierungen.
Diese Klasse von Legierungen ist in ihrem thermischen, chemischen und mechanischen
Verhalten maßgeblich durch ihre Legierungszusammensetzung bestimmt [1]. Die Legie-
rungszusammensetzung der Schmelze muss fur ein Material mit Formgedachtniseffekt
eine Genauigkeit von einem Zehntel bis zu einem Hundertstel eines Prozents besitzen,
wohingegen zum Beispiel bei der Herstellung rostfreien Stahls eine Genauigkeit von 2%
ausreicht [14].
Die thermoelastische martensitische Phasenumwandlung ist eine fest-fest diffusionslose
Phasenumwandlung und begrundet den Formgedachtnis-Effekt [5]. Die zwei beteiligten
Phasen werden Martensit und Austenit genannt. Diese zwei Feststoff-Phasen verhal-
ten sich bei Temperaturen und Belastungen verschieden. So liegt Austenit bei hohen
Temperaturen und kleinen Belastungen stabil vor, wohingegen Martensit bei niedrigen
Temperaturen oder großen Belastungen stabil vorliegt [7].
Auf atomarer Ebene wird der Austenit-Martensit-Ubergang durch Transformation des
Kristallgitters reprasentiert [7]. Kristallographisch bedeutet dies, dass die Austenit-
Phase (Hochtemperatur) und die Martensit-Phase (Niedertemperatur) unterschiedlich
geordnete Gitterstrukturen aufweisen [5]. Die Umwandlung der Kristallgitter kann mit
einer makroskopischen, d.h. sichtbaren, Formanderung verbunden sein und wird ent-
weder durch Kraft und/oder Warme initiiert. Die Zusammenhange zwischen den Pha-
sen Austenit und Martensit, der mikro- und makroskopischen Erscheinung und der
auslosenden Mechanismen Kraft und Warme stellt Abbildung 2 exemplarisch an einer
Buroklammer aus einer Nickel-Titan-Legierung dar.
5
Anmerkung: Die verwendeten Temperaturen sind aus “Engineering aspects of shape memory
alloys“ [8] entnommen und wurden fur eine Ti-Pd-Ni-Legierung experimentell ermittelt.
2.1 Ein-Weg-Effekt
Spannung
Abkühlung
Verfo
rmung
Erwärm
ung
Weg
Temperatur
Austenit
Martensit
entzwillingtes Martensit
Abbildung 2: Umwandlung Austenit und Martensit
(Abbildung angelehnt an Fig. 1.2 aus [10]).
Bei einer Temperatur oberhalb von Af = 107C (Austenit-Finish) (vgl. Abb. 2: Markie-
rung 1 ) ist die Buroklammer in ihrer funktionsfahigen Form. Kristallografisch betrachtet
besteht die Buroklammer bei dieser Temperatur aus reinem Austenit. Diese Kristallstruk-
tur bleibt beim Abkuhlen (verringern der Temperatur) solange erhalten, bis die Temperatur
Ms = 95C (Martensit-Start) erreicht wird. Bei diesem Abkuhlen verandert sich die außere
Form der Buroklammer nicht. Wird die Temperatur Ms unterschritten, beginnt die Umwand-
lung von Austenit zu Martensit. Diese Umwandlung ist nicht mit einer außeren Formanderung
der Buroklammer verbunden, aber es andert sich die Kristallstruktur. Das Austenit-Gitter
wird durch Scherung in eine verzwillingte Martensitstruktur umgewandelt [5]. Bei weiterer
Abkuhlung, bis zu der Temperatur Mf = 65C (Martensit-Finish) hat sich das gesamte
Austenit-Gitter in Martensit transformiert (vgl. Abb. 2: Markierung 2 ). Nachdem die
6
Martensit
Ein-‐Weg-‐Effekt
reversibel verformt
1)
2)
3)
4)
erwärmt (Austenit)
abgekühlt (Zustand 1)
(a) Ein-Weg-Effekt
Martensit
Zwei-‐Weg-‐Effekt
stark verformtes Martensit (mit irreversiblem Anteil)
1)
2)
3)
4)
erwärmt (Austenit)
abgekühlt (Martensit)
(b) Zwei-Weg-Effekt
Abbildung 3: Schematische Darstellung von Ein- und Zwei-Weg-Effekt
(Quelle: vergleiche Abbildung 3.2/3.2 aus [5])
Austenit-Martensit-Umwandlung bei der Temperatur Mf vollstandig abgeschlossen ist, wird
die Temperatur konstant gehalten und die Buroklammer wird durch eine außere Kraft blei-
bend verformt (diese Langenanderung kann bis zu 7% betragen, bei NiTi sogar bis zu 10%
[8]). Die durch die Kraft ausgeloste Verformung hat einerseits eine außere Formanderung
der Buroklammer zur Folge und andererseits einen Effekt auf die Gitterstruktur des Mar-
tensits. Die verzwillingte Martensitstruktur wird geschert und durch die Verschiebung der
Zwillingsgrenzen entzwillingt [10]. Die verformende Kraft wird nun wieder weggenommen
und die verformte Buroklammer verbleibt in ihrer entzwillingten Martensit-Struktur bei ei-
ner Temperatur T ≤ 65C (vgl. Abb. 2: Markierung 3 ), solange bis die Temperatur wie-
der erhoht wird. Kristallografisch und außerlich andert sich bei der verformten Buroklammer
beim Erhohen der Temperatur solange nichts, bis die Temperatur As = 90C (Austenit-Start)
uberschritten wird. (Einschub: Da As und Ms unterschiedliche Temperaturen sind, wird bei
der Um- und Ruckumwandlung von Austenit/Martensit eine Hysterese durchlaufen, die bei
Formgedachtnislegierungen typischerweise zwischen 20 und 40C liegt [8]) Nach Uberschreiten
der Temperatur As andert sich die Kristallstruktur und damit verbunden die außere Erschei-
nung der Buroklammer (dies muss nicht miteinander einhergehen). Beim Erwarmen von der
Temperatur As = 90C bis zur Temperatur Af = 107C (Austenit-Finish) stellt sich die
ursprungliche Kristallorientierung und damit die ursprungliche, funktionsfahige Gestalt der
Buroklammer wieder ein (2: Markierung 1 ) [5]. Dieser Vorgang kann beliebig oft wiederholt
werden und wird als Ein-Weg-Effekt (bzw. One-Way-Effect) bezeichnet.
7
2.2 Zwei-Weg-Effekt
Wie Abbildung 3 zeigt, gibt es neben dem Ein-Weg-Effekt noch den Zwei-Weg-Effekt. Ob das
Material einen Ein- oder Zwei-Weg-Effekt aufweist, hangt von der Temperatur und von der
Legierungsgruppe (z.B. NiTi, Cu-Zn-Al etc.) und von der Geschichte des Materials ab.
Die einzelnen Zustande zeigt Abbildung 3 im Vergleich.
Im Vergleich zum Ein-Weg-Effekt, beschreibt der Zwei-Weg-Effekt (vgl. Abb. 3 (b)) das Ma-
terialverhalten, wenn die Formgedachtnislegierung zwei bestimmte Formen annehmen kann.
Diese zwei (vgl. Abb. 3 (b): Zustand 3 und 4) bestimmten Zustande sind nur durch die Tem-
peraturniveaus bestimmt und nicht wie beim Ein-Weg-Effekt durch eine verformende Kraft.
Damit ein Material einen solchen Zwei-Weg-Effekt aufweist, sind spezielle mechanische und
thermische Werkstoffbehandlungen notwendig [5].
Um einen Zwei-Weg-Effekt dem Material anzutrainieren, muss das Material aus einer Form-
gedachtnislegierung z.B. in seiner Niedertemperaturphase (Martensit) stark verformt werden
(vgl. Abb. 3 (b) Zustand 2). Diese Verformung muss starker sein als beim Ein-Weg-Effekt, da-
mit bei dieser Verformung irreversible Verzerrungen der Martensit-Struktur auftreten. Durch
diese irreversiblen Anteile wird die außere Gestalt der beiden Phasen (Martensit und Auste-
nit) verandert. Der zweite Effekt dieser Verforumg ist, dass eine fest bestimmte innere und
somit auch außere Form der Martensit-Phase erreicht wird. Wird, wie gerade beschrieben,
die Martensit-Phase derartig verformt, weist das Material beim Erwarmen und Abkuhlen
einen Zwei-Weg-Effekt auf. Perkins und Hodgson beschaftigten sich ausfuhrlich mit diesen
verschiedenen Methoden der Werkstoffbehandlungen [8].
Wird der Zwei-Weg-Effekt in das schon im Kapitel 2.1 verwendete Spannungs-Dehnungs-
Temperatur-Diagramm schematisch dargestellt, ergibt sich folgende Hysterese.
2.3 All-Round-Effekt –
Eine einzigartige Art des Zwei-Weg-Effekts
Der All-Round-Effekt ist eine besonders ausgepragte Form des Zwei-Weg-Effekts [5] (vgl.
Abb. 5) und ist bis heute nur bei Ni-Ti Legierungen nachgewiesen worden [9]. Um einer Ni-
reichen NiTi-Legierung einen solchen Effekt zu induzieren, bedarf es viel mehr Aufwand als
beim herkommlichen Zwei-Weg-Effekt. Nach Perkins und Hodgons ist ein typischer Herstel-
lungsprozess durch folgende Prozess- und Zustandsgroßen gekennzeichnet [11].
8
Spannung Weg
Temperatur T
c
Erwärmung
Abkühlung
Abbildung 4: Umwandlung Austenit und Martensit im Zwei-Weg-Effekt
Martensit
verformt und gealtert(Hochtemperaturphase)
1)
2)
3)
4)
abgekühlt
erwärmt
All-‐Round-‐Effekt
Abbildung 5: Schematische Darstellung des All-Round-Effekts
(Quelle: Bild 3.7 aus [5])
9
Der gerade Stab (5: Zustand 1) wird bei seiner Niedertemperatur-Phase bis zu einer Tempe-
ratur von 400C [11] erwarmt (5: Zustand 2) und dann bei dieser Temperatur stark verformt.
Bei diesen 400C wird der verformte Stab in einer Spannvorrichtung gehalten und dort 50 h
[11] einer Alterung unterzogen (5: Zustand 2). Bei erfolgreicher Prozessfuhrung kann der Stab
nun alleinig durch Abkuhlen die eine Gestalt (5: Zustand 3) und durch Erwarmen eine ande-
re Gestalt (5: Zustand 4) annehmen. Diese zwei verschiedenen außeren Erscheinungsformen
unterscheiden sich mehr als beim herkommlichen Zwei-Weg-Effekt (3).
Durch den Alterungsprozess werden linsenformige Ausscheidungen im Kristallgitter eingela-
gert, die Spannungen induzieren. Diese eingelagerten, spannungsinduzierten Ausscheidungen
bewirken, dass sich beim Abkuhlen aus der Hochtemperaturphase nicht gleich die Martensit-
Phase bildet, sondern sich davor noch eine Zwischenphase bildet. Diese Zwischenphase wird
als vormartensitische- oder R-Phase bezeichnet, weil das Material in dieser Phase eine rhom-
boedrische Gitterstruktur aufweist [11],[12]. Wird ein Material mit einem induzierten All-
Round-Effekt aus seiner Hochtemperaturphase (Austenit) abgekuhlt, entsteht durch thermo-
elastische Gitterumwandlungen die R-Phase, die sich durch eine sehr geringere Hysterese (1-2
C) und einem geringen reversiblen Effekt von maximal 1% auszeichnet [12].
2.4 Superelastizitat und spannungsinduziertes Martensit
Dieses Kapitel basiert auf Kapitel 4 in “Engineering aspects of shape memory alloys“ [13].
Die Entstehung von Martensit ist ein thermoelastischer Vorgang, d.h. bei einer Abkuhlung
zwischen Ms und Mf wachsen die vorhandenen Martensitplatten, und neue Martensitkeime
entstehen, wohingegen bei anschließender Temperaturerhohung die Martensitplatten schrum-
pfen und die entstandenen Keime wieder verschwinden [13]. Dieser Vorgang tritt sowohl beim
Ein-Weg- als auch beim Zwei-Weg-Effekt auf. Das durch Abkuhlung entstandene Martensit
induziert im Bauteil keine Spannung.
Auf der anderen Seite gibt es einen Zusammenhang zwischen Temperatur und Spannung.
Sowohl das Erhohen der Spannung als auch das Herabsetzen der Temperatur bewirken eine
Stabilisierung der Martensit-Phase [ebd.]. Durch diesen linearen Zusammenhang kann durch
eine angreifende Kraft (diese induziert Spannungen im Bauteil) Martensit oberhalb von Ms
vorhanden sein. Dieses durch Spannung entstandene Martensit wird als stress-induziertes
Martensit bezeichnet [ebd.].
Wird eine Formgedachtnislegierung im Temperaturbereich zwischen As und Md verformt
10
Spannung
Temperatur T
Weg
konventionellerWerkstoff
Superelastizität bei FGL
Abbildung 6: Vergleich Superelastizitat und “konventionelles”Verhalten
in einem Spannungs-Dehnungs-Diagramm
(Md ist die Hochsttemperatur, bei der gerade noch Martensit vorhanden sein kann), zeigt
das Material ein superelastisches Verhalten (vergleiche Abbildung 6).
Somit kann eine Formgedachtnislegierung aus CuZn bis zu 9% vollstandig reversibel verformt
werden [ebd.]. Im Gegensatz zu Elastomeren, bei denen das Spannungs-Dehnungs-Diagramm
fur eine isotherme Verformung auf dem gleichen ”Weg” verlauft, zeigt die Spannungs-Dehnungs-
Kurve fur die Superelastizitat bei Formgedachtnislegierungen eine Hysterese.
11
3 Praktische Anwendungen
Temperatur, Spannung und Dehnung sind die beschreibenden physikalischen Großen fur die
Verwendung von Formgedachtnislegierungen. Stockel unterteilt die Anwendung von Form-
gedachtnislegierungen in vier Hauptgruppen [15].
Die vier Hauptgruppen zur Anwendung von Formgedachtnislegierungen sind [ebd.]:
• Freies Formgedachtnis (Bewegung)
• Unterdrucktes Formgedachtnis (Kraftentwicklung)
• Zyklische Bewegung (Arbeitsverrichtung)
• Pseudoelastisches Verhalten
Der “Zauberdraht“ in Kapitel 1 ist ein typisches Beispiel fur die Anwendung von Form-
gedachtnislegierungen als freies Formgedachtnis. Das Erinnerungsvermogen des Materials
wird nach einer plastischen Verformung durch die Temperaturerhohung uber Af angeregt, so
dass sich die ursprungliche Gestalt wieder einstellt. Weitere Anwendungsmoglichkeiten sind
Anzeigeelemente, Spielzeuge und ahnliche Bereiche, in denen keine genauen Anforderungen an
die technischen Kennwerte (Temperatur-Hysterese, Spannung, etc.) notwendig sind [ebd.].
Wird der durch Warme induzierte Umwandlungsprozess zu der Austenit-Phase behindert,
liegt ein unterdrucktes Formgedachtnis vor [15]. Eine gekuhlte Muffe wird uber zwei Roh-
renden gesteckt und dann durch Warme zum Schrumpfen gebracht (siehe Abbildung 7(a)).
Diese Art von Rohrverbindungen werden bei Flugzeugen fur die Hydraulik-Leitungen, bei
hoch belasteten Pipelines und bei Schrumpfringen zum Dichten verwendet [16]. Einerseits ist
diese Moglichkeit fur Verbindungselemente geeignet, andererseits fur explosions- und brand-
gefahrdete Einbauraume [15]. Die folgenden vier vorwiegend technisch genutzten und wirt-
schaftlich interessantesten Formgedachtnislegierungen sind [2]:
• Nickel-Titan
• Kupfer-Zink-Aluminium
• Kupfer-Aluminium-Nickel
• Eisen-Basis-Legierungen
12
Eigenschaft Material
Einheit NiTi Cu-Zn-Al Cu-Al-Ni
Dichte [g/cm3] 6,4-6,5 7,8-8,0 7,1-7,2
Elektrische Leitfahigkeit [106 · 1/Ωm] 1-1,5 8-13 7-9
Zugfestigkeit [N/mm2] 800-1000 400-700 700-800
Bruchdehnung [%] 40-50 10-15 5-6
Maximale As-Temperatur [C] 120 120 170
Maximaler Ein-Weg-Effekt [%] 8 4 5
Maximaler Zwei-Weg-Effekt [%] 5 1 1,2
Zulassige Spannung [N/mm2] 250 75 100
Verminderung des Effekts [%] kein Abbau ca. 10% ca. 10%
bei thermischen Zyklen [Anzahl] 100 000 10 000 1 000
Tabelle 1: Eigenschaften von Formgedachtnis-Materialien
(vergleiche Tabelle 2.2 in [15])
In Tabelle 1 ist eine Auswahl an mechanischen und thermischen Eigenschaften der Materialien
mit Formgedachtniseffekt gegenubergestellt.
Eine weit verbreitete technische Anwendung von Formgedachtnislegierungen sind Stellelemen-
te. Stellelemente zeichnen sich durch reversible Bewegungszyklen aus. Diese Bewegungszyklen
konnen verschiedene Bewegungsarten ausfuhren, zum Beispiel Torsion, Biegung, Verlangerung
und Verkurzung [12]. Der Bewegungszyklus wird entweder uber indirekte Warmezufuhr (Erwar-
mung des umgebenden Fluids) oder direkt durch einen durch das Bauteil gefuhrten Strom-
fluss, ausgelost. Ein anschauliches Beispiel fur ein mittels Stromfluss angesteuertes Stellele-
ment, ist ein thermischer Schutzschalter (siehe Abbildung 7 (b)). Ein thermischer Schutz-
schalter unterbricht den Stromkreis bei Uberstrom und biegt sich, nachdem sich der Strom
wieder reguliert hat, zuruck und schließt somit den Stromkreis wieder. Beeindruckend sind
auch die in den 60er Jahren von der NASA entwickelten Antennen mit Formgedachtniseffekt.
Wenn der Satellit seine Position im Weltall eingenommen hat, konnen diese Antennen uber
Strom ausgefahren werden.
Ein typisches Beispiel fur Stellelemente, welche auf indirekte Warmezufuhr reagieren, sind
Biegebleche mit Formgedachtniseffekt. Diese Biegebleche haben die Aufgabe, die Luftungsklap-
pen je nach Temperatur zu offnen oder zu schließen.
Die kurze Reaktionszeit des Formgedachtniseffekts und die große Arbeitsleistung pro Einheits-
volumen bieten die Moglichkeit Stellelemente fur die Robotertechnik aus Formgedachtnislegier-
ungen zu fertigen [27].
13
RohrVerbindungsmuffe mit Formgedächtniseffekt
stark unterkühlt
Verbindungsmuffe mit Formgedächtniseffekt
fertig montiert bei Raumtemperatur
(a) Rohverbindungsmuffe
Biegeblech mit Formgedächtniseffekt
Stromkreis geschlossen
Biegeblech mit Formgedächtniseffekt
Bei Überstrom -‐ Stromkreis nicht geschlossen
(b) Funktionsweise eines thermischen Schalters
Abbildung 7: Schematische Darstellung zweier praktischer Anwendungen
In der Medizintechnik beschrankt sich die Verwendung von Formgedachtnismaterialien auf
Ni-Ti-Legierungen. Diese Legierungsart zeichnet sich neben dem stark ausgepragten Erinne-
rungsvermogen zusatzlich durch eine hohe Biokompatibilitat aus. Diese zwei Charakteristika
bieten die Moglichkeit sogenannte Stents zu entwickeln (siehe Abbildung 8). Stents haben
die Aufgabe Blutgefaße zu stabilisieren. Dafur werden die Stents in die Blutgefaße eingesetzt
und expandieren durch die Korperwarme von selbst. Auch Fuhrungsdrahte fur Zahnspangen
oder Formstucke zum Ausrichten von Bruchen sind weit verbreitete Anwendungen [16].
Und nicht zuletzt die in den letzten Jahren immer popularer gewordenen TITANflex - Brillen-
rahmen, welche nach starker Verformung wieder in Ihre ursprungliche Gestalt zuruck gehen
[ebd.].
14
Abbildung 8: Stent aus Ni-Ti-Legierung
[Quelle: www.meko.de 31.01.2013, 17:25 Uhr]
4 Mathematische Modellierung
Dieses Kapitel basiert auf Kapitel 3 in “Mathematische Modellierung und Analyse von Form-
gedachtnislegierungen in mehreren Raumdimensionen“ [19]. Ausgehend von einer kontinu-
umsmechanischen Betrachtung eines Korpers Ω ⊆ Rn (n = 2, 3) als materielles Volumen mit
zeitlich konstanter Masse dmdt = 0 unter Zuhilfenahme der Impulsgleichung wird eine Bewe-
gungsgleichung zur Beschreibung von Phasenubergangen hergeleitet. Die Massenbilanz folgt
aus konstanter Dichte, konstantem Volumen und dem nicht vorhandenen Massenaustausch
uber den Rand des Volumens. Anschließend wird die Energiebilanzgleichung, welche sich aus
dem 1. Hauptsatz der Thermodynamik ergibt, aufgestellt und spater durch die neu eingefuhrte
Große der (spezifischen) Entropie η insoweit eingeschrankt, als dass die daraus resultierende
Bewegungsgleichung den 2. Hauptsatz der Thermodynamik in Form der Clausius-Duhem-
Ungleichung erfullt.
Es gibt eine Vielzahl an Modellierungsmoglichkeiten. Diese verschiedenen Modelle unter-
scheiden sich hinsichtlich ihrer Genauigkeit. Kohl [23] unterscheidet drei Arten von ma-
thematischen Modellen: mikroskopisch, mesoskopisch und makroskopisch (vergleiche Tabel-
le 2). Bei einer mikroskopischen Beschreibung wird die Kinematik der Gitteratome unter
Berucksichtigung der verschiedenen Martensitvarianten sehr detailliert wiedergegeben. Hin-
15
Beschreibungsebene Grundelemente des Modells Theoretischer Hintergrund
Mikroskopisch Gitteratome, Grenzflachen, Festkorperphysik
Defekte
Mesoskopisch Domanen, Korner Festkorperphysik,
statistische Thermodynamik
Makroskopisch Volumenelemente, Bauteile statistische Thermodynamik
Tabelle 2: Beschreibungsebenen von Modellen fur martensitische Umwandlungen
(vergleiche Tabelle 3.3 in [23])
gegen wird bei einem mesoskopischen Modell die von den einzelnen Phasen eingenommenen
Volumenbereiche und deren Wechselwirkung zueinander beschrieben [ebd.]. Diese zwei Mo-
dellarten beinhalten Potentiale und konstitutive Gleichungen, welche nicht experimentell er-
mittelt werden konnen. Dem gegenuber steht die Beschreibung auf makroskopischer Ebene.
Dabei wird von einem gemittelten Materialverhalten ausgegangen, welches sich oftmals in
Abhangigkeit vom Anteil der beteiligten Phasen ergibt [ebd.].
Um jeden Punkt des Korpers eindeutig zu identifizieren, bietet sich die Lagrangesche Dar-
stellung an, auch bekannt als materielle Darstellung. Hierbei wird aus einer spannungsfreien
Referenzlage (zum Beispiel Austenit-Phase) fur die Zeit t0 der Korper aus allen materiellen
Punkten x, die den Korper aufbauen, beschrieben. Die danach auftretende Deformation des
Korpers wird durch
Ω x → u(x, t) ∈ Rn
beschrieben. Die Lage des materiellen Punktes x zur Zeit t wird durch u angezeigt. Die
Ableitung des Positionsvektors u ergibt den Geschwindigkeitsvektor ut und die zweimali-
ge Ableitung von u ergibt den Beschleunigungsvektor utt. Verschieben sich alle Punkte des
Korpers gleich, hat sich der Korper bewegt, aber es treten keine Verzerrungen auf. Diese Ver-
zerrungen werden mathematisch durch den Verzerrungstensor F := ∇u beschrieben. Treten
keine Starrkorperbewegungen auf, so reduziert sich F auf einen symmetrischen Verzerrungs-
tensor [17]. Die Transformation materieller Linien von der Referenzkonfiguration dx bei t0 zu
16
der Momentankonfiguration du ist durch die Vorschrift
du = Fdx
gegeben. Fur die Transformation von Flachenelementen gilt
da = (detF) F−TdA
(dA ist das Flachenelement in der Referenzkonfiguration) und fur Volumenelemente
dv = (detF)dV.
Der Deformationsgradient beschreibt die lokale Deformation und lasst sich immer eindeutig
in
F = RU = VR
zerlegen [20]. Der orthogonale Tensor R beschreibt die Starrkorperdrehung und die zwei Ten-
soren U und V sind symmetrisch und positiv definit und beschreiben mathematisch die Stre-
ckung des Korpers [ebd.]. Eine bessere Beschreibung fur einen Korper, welcher ausschließlich
verzerrt wird, ist der Greensche Verzerrungstensor
E =1
2(C− I),
da dieser bei Starrkorperbewegung verschwindet [ebd.]. Dabei ist C = FTF der rechte Cauchy-
Green-Tensor und I der Einheitstensor ist.
Den Zusammenhang zwischen Geschwindigkeit und Deformation stellt der Geschwindigkeits-
gradient L dar. Dieser Geschwindigkeitsgradient lasst sich in einen symmetrischen und einen
antisymmetrischen Anteil
L = D+W (1)
aufteilen, wobei
D =1
2
L+ LT
17
auch als Verzerrungsgeschwindigkeitstensor und
W =1
2
L− LT
als Wirbeltensor bezeichnet wird [ebd.].
4.1 Impulsbilanz
Die zeitliche Anderung des Gesamtimpulses ist gleich die Summe aller auf den Korper wirken-
den Krafte [25]. Die Summe der Oberflachenkrafte τ auf dem Rand S und der Volumenkrafte
fv (zum Beispiel die Schwerkraft) ergibt die resultierende Kraft f ,
f =
Ω
fv dV +
∂Ω
τ dS.
Mit dem Impulsvektor
p =
m
ut dm =
Ω
ρut dV
eines Korpers folgt aus der zeitlichen Anderung des Gesamtimpulses
dp
dt= f
die Impulsbilanzgleichung in der Form
d
dt
Ω
ρut dV =
Ω
fv dV +
∂Ω
τ dS. (2)
Wird auf die Oberflachenkrafte das Cauchysche Tetraederargument angewandt [18] (in [17]
auch als Cauchysches Spannungsprinzip bezeichnet), so folgt mit dem Normalenfeld n auf
dem Rand S der Zusammenhang
τ = σPK n, (3)
18
wobei σPK den 1. Piola-Kirchhoffschen-Spannungstensor, welcher sich auf die Momentankon-
figuration bezieht. Es gilt
σPK = (det F ) σ F−T.
Dabei ist σ der Cauchysche Spannungstensor, welcher auf der Referenzkonfiguration arbeitet.
Fur den Cauchyschen Spannungstensor gilt σ = σT (siehe Beweis in [20]). Der 2. Piola-
Kirchhoffsche-Spannungstensor
σPK = (detF )F−1σF−T
ist im Gegensatz zum 1. Piola-Kirchhoffsche-Spannungstensor symmetrisch, σPK =σPK
T
[20].
Die Anwendung des Integralsatzes von Gauß (auch bekannt als Divergenzsatz) auf die Ober-
flachenkraft fuhrt zu
∂Ω
τ dS =
Ω
div τ dV. (4)
Wird die (4) in Gleichung (2) eingesetzt, ergibt sich
d
dt
Ω
ρut dV =
Ω
fv dV +
Ω
div τ dV.
Mit der Beziehung (3) folgt
d
dt
Ω
ρut dV =
Ω
fv dV +
Ω
div σPK dV
=
Ω
fv + div σPK
dV.
Die vorhandene Beziehung gilt nun fur beliebige Referenzvolumina Ω. Somit folgt die Dif-
fentialgleichung
ρutt = div (σPK) + fv. (5)
19
4.2 Energiebilanz
Das Kontinuum wird als geschlossenes System betrachtet, d.h. Energie und Warme durfen
uber die Systemgrenzen treten, aber keine Masse. Die Gesamtenergie Eges des betrachteten
Korpers ist die Summe seiner inneren Energie E und seiner kinetischen Energie K [18].
Im Folgenden werden fur spezifische Energien (bezogen auf die Gesamtmasse) immer kleine
Buchstaben verwendet (zum Beispiel e als innere spezifische Energie mit der Einheit J/kg).
So ergibt sich fur die gesamte Energie
Eges = E +K =
Ωρe dV +
1
2
Ωρ |ut|2 dV.
Laut dem 1. Hauptsatz der Thermodynamik ist Energie eine Erhaltungsgroße. Sie kann weder
vernichtet, noch erzeugt werden, sondern nur in andere Energieformen umgewandelt werden.
Es gibt drei Prozesse, welche die Gesamtenergie des Systems beeinflussen [18]:
• Warmezufuhr uber die Oberflache des Korpers (q bezeichnet den Warmeflussvektor),
• Oberflachen- und Volumenkrafte die am Korper Arbeit verrichten (siehe Abschnitt 4.1),
• durch Strahlung zugefuhrte Energie (mit r als spezifische Strahlungsdichte).
Die zeitliche Anderung der Gesamtenergie lasst sich mit der Energiebilanz
d
dtE +
d
dtK = W +Q (6)
fur ein geschlossenes System berechnen, wobei die Warmezufuhr und die uber Strahlung
zugefuhrte Energie in Q zusammengefasst werden:
Q =
Ωρr dV −
∂Ωq · n dS. (7)
Die am Korper Arbeit verrichtenden Krafte werden in W
W =
∂Ω(σPKn) · ut dS +
Ωfut dV
20
zusammengefasst. Die beiden GroßenWarme und Arbeit sind Prozessgroßen, d.h. zeitabhangig.
Somit ergibt sich die Energiebilanz (Gleichung (6) ) zu
d
dt
Ωρe dV +
1
2
Ωρ |ut|2 dV =
∂Ω(σPKn) · ut dS +
Ωfut dV +
Ωρr dV −
∂Ωqn dS.
Zusammengefasst und fur Ω ⊆ Ω folgt aus der Energiebilanz in integraler Form
d
dt
Ω
ρe+
1
2ρ |ut|2
dV =
Ω(fut + ρr) dV +
∂Ω
(σPKn) · ut − qn
dS. (8)
Mit der Umformung
σPKn · ut =uTt σPKn
=uTt σ
PKnT
=nTσPK
Tut
=σPK
Tut · n
folgt die Gleichung in der Form
d
dt
Ω
ρe+
1
2ρ |ut|2
dV =
Ω(fut + ρr) dV +
∂Ω
(σPK)Tut
· n
− qn
dS (9)
und mit dem erneuten Anwenden des Divergenzsatzes entsteht der Ausdruck
d
dt
Ω
ρe+
1
2ρ |ut|2
dV =
Ω(fut + ρr) dV +
Ωdiv
(σPK)Tut
dV −
Ωdiv q dV.
Wird die “Produktregel“ fur die Divergenz
div(σut) = divσT
· ut + σT : ∇ut
berucksichtigt [ebd.], folgt aus der Energiebilanz in integraler Form (Gleichung (8)) die um-
geformte, differentielle Form
ρet + ρutt · ut = fut + ρr + divσPK
· ut + σPK : ∇ut + divq. (10)
21
Dabei gilt fur
div A =n
i=1
∂Ai
∂ui
und
A : B =n
i=1
Aij · Bij ,
wenn A und B Tensoren zweiter Stufe sind. Wird das Skalarprodukt von (5) mit ut gebildet,
ρutt · ut = div σPK · ut + fv · ut
und nun von der Energiebilanz in differentieller Form (Gleichung (10)) subtrahiert, bleibt
ρet = ρr + σPK : ∇ut + div q. (11)
4.3 Entropiebilanz
Eine weitere Große aus dem Bereich der Thermodynamik ist die Entropie S (Joule/Kelvin).
Diese Große ist im 2. Haupsatz der Thermodynamik enthalten und schrankt den 1. Haupsatz
ein. Um Gleichungen zu entwickeln, welche Vorgange thermodynamischer Art realistisch be-
schreiben, durfen diese Gleichungen die Beschaffenheit der Entropie nicht verletzen, mussen
also den 2. Haupsatz der Thermodynamik erfullen und im Speziellen die Clausius-Duhem-
Ungleichung. Da alleine eine Definition der Entropie schon arge Schwierigkeiten bereitet und
fur das Verstandnis in dem hier betrachteten Zusammenhang eine vollstandige Beschreibung
dieser Große nicht notwendig ist, werden nur einige hier notwendige Merkmale dieser Zu-
standsgroße aufgezahlt:
• Entropie kann nicht vernichtet, sondern immer nur erzeugt werden.
• In einem abgeschlossenen System (kein Transport von Energie- und Stoffstromen)
nimmt die Entropie in realen Prozessen durch Irreversibilitaten zu.
• Arbeit ist entropiefrei, wohingegen Warme immer mit Entropie verbunden ist.
22
Die Entropiebilanzgleichung fur ein geschlossenes System lautet
dS
dt=
Q
θ+ Sgen. (12)
Wobei θ die Temperatur bezeichnet an der Stelle der Systemgrenze, an der der Warmestrom
Q die Systemgrenze uberschreitet. Die Entropieproduktion beschreibt Sgen (generation zu
deutsch Entwicklung) durch irreversible Vorgange. Es gilt Sgen ≥ 0. Fur einen idealen Prozess
gilt Sgen = 0. Da Entropie nicht zerstort werden kann, sind Vorgange bei denen Entropie
erzeugt wird ( Sgen > 0), ohne zusatzlich Arbeit aufzuwenden, nicht umkehrbar. Wird die
Entropiebilanzgleichung (Gleichung 12) um die Entropieproduktion Sgen reduziert, entsteht
dadurch eine Ungleichung
S(t)− S(t0) ≥ t
t0
Q
θdt, (13)
die Clausius-Duhem-Ungleichung fur t ≥ t0. Wird diese Gleichung nach der Zeit differenziert
und die schon vorher genauer definierte Warme Q (vergleiche Gleichung 7) eingesetzt, folgt
daraus die Clausius-Duhem-Ungleichung mit der spezifischen Entropie s in der einen Form
d
dt
Ωs dV ≥
Ω
r
θdV −
∂Ω
q
θ· n dS
und nach Multiplikation mit der Temperatur θ > 0 (da θ in Kelvin angegeben wird) und dem
Divergenzsatz, in der anderen Form
θst ≥ r − θ divqθ
.
Wird von dieser Ungleichung die aus dem letzten Kapitel hergeleitete Gleichung fur die innere
Energie (Gleichung 11) subtrahiert, ergibt sich der folgende Ausdruck
θst − et + σPK : ∇ut +q ·∇θ
θ≥ 0. (14)
23
4.4 Freie Energie
Die Verknupfung zwischen Spannung, Dehnung und Energie beschreibt die Gibbssche Glei-
chung. Fur lineare Dehnungen ε beschreibt die Gibbssche Gleichung
θ ds = de− 1
ρσdε
das Materialverhalten [18]. Fur isotherme Vorgange folgt aus der Gibbsschen Gleichung
d(e− θs) =1
ρσdε,
wobei der Ausdruck
Φ = e− θs, (15)
als (spezifische) freie Energie Φ bezeichnet wird. Wie diese freie Energie beschaffen ist, ist ei-
ne der zentralen Fragen fur die mathematische Beschreibung von Formgedachtnislegierungen.
Wird die freie Energie nach der Zeit abgeleitet und in Ungleichung (14) eingesetzt, folgt
aus der Clausius-Duhem-Ungleichung die Beziehung
−Φt − sθt + σPK : ∇ut +q ·∇θ
θ≥ 0. (16)
Um herauszufinden, von welchen Parametern die einzelnen Prozessvariablen abhangen, wer-
den konstitutive Gleichungen eingefuhrt. Diese Gleichungen haben keine physikalische Be-
deutung, sondern dienen nur als Hilfsmittel, um aus den bereits hergeleiteten Gleichungen
weitere Aussagen treffen zu konnen.
Die konstitutiven Gleichungen sind:
σPK(x, t) = σPK[F (x, t), Ft(x, t), θ(x, t),∇θ(x, t), x] ,
q(x, t) = q[F (x, t), Ft(x, t), θ(x, t),∇θ(x, t), x] ,
s(x, t) = s[F (x, t), Ft(x, t), θ(x, t),∇θ(x, t), x] ,
Φ(x, t) = Φ[F (x, t), Ft(x, t), θ(x, t),∇θ(x, t), x] . (17)
24
Mit der Annahme, dass Φ eine Funktion von F, Ft, θ,∇θ, x ist, folgt aus der totalen Ableitung
Φt =∂Φ
∂F: Ft +
∂Φ
∂Ft: Ftt +
∂Φ
∂θ: θt +
∂Φ
∂(∇θ)·∇θt.
Werden die konstitutiven Gleichungen und Φt in (16) eingesetzt, folgt
−∂Φ
∂F: Ft +
∂Φ
∂Ft: Ftt +
∂Φ
∂θ: θt +
∂Φ
∂(∇θ)·∇θt
− sθt + σPK : ∇ut +
q ·∇θ
θ
≥ 0;
und in sortierter Form mit Ft = ∇ut
σPK − ∂Φ
∂F
: Ft −
∂Φ
∂Ft: Ftt −
s+
∂Φ
∂θ
: θt −
∂Φ
∂(∇θ)·∇θt +
q ·∇θ
θ≥ 0. (18)
Mit der Annahme, dass die Prozessparameter unabhangig voneinander variiert werden konnen,
folgen aus der obigen Gleichung diese Ruckschlusse:
σPK =∂Φ
∂F(19)
∂Φ
∂Ft= 0 (20)
s = −∂Φ
∂θ(21)
∂Φ
∂(∇θ)= 0 (22)
q = 0. (23)
Aus den Beziehungen (20) und (22) ist Φ (siehe Gleichung (17)) nur noch eine Funktion von
Φ(x, t) = Φ[F (x, t), θ(x, t), x].
Des Weiteren folgt aus Gleichung (23)
q[F (x, t), Ft = 0, θ(x, t),∇θ = 0, x] = 0.
Durch die Verzerrung der Gitterstruktur kommt es im Inneren zu dissipativen Effekten, das
bedeutet, dass die aufgewendete mechanische Arbeit durch Reibung an den verschiedenen
Gitterstrukturen in Warme umgewandelt wird. Zusatzlich werden einzelne Elementarzellen
25
bei der Phasentransformation deformiert. Dieser Effekt und die Temperaturerhohung (durch
die Reibung) leisten Beitrage zur freien Energie und werden in σPKd zusammengefasst [20].
Diese Effekte sind sowohl geschwindigkeitsabhangig, als auch abhangig von der Richtung des
Warmeflusses. Werden die Ableitungen Ft = 0 und ∇θ = 0 gesetzt [21], folgt fur
σPK[F (x, t), 0, θ(x, t), 0, x] =∂Φ
∂F[F (x, t), θ(x, t), x]
und fur die vollstandige konstitutive Gleichung
σPK[F (x, t), Ft(x, t), θ(x, t),∇θ(x, t), x] =∂Φ
∂F[F (x, t), θ(x, t), x]
+ σPKd [F (x, t), Ft(x, t), θ(x, t),∇θ(x, t), x]. (24)
Die freie Energie Φ als Funktion des Verzerrungstensor ∇u und der Temperatur θ muss, fur
die Modellierung des Phasenubergangs bei niedriger Temperatur im unbelasteten Zustand,
mehrere Minima aufweisen [19]. Diese Minima reprasentieren die verschiedenen Martensitva-
rianten, je nach Legierungsart treten hier verschieden viele auf.
Die hier betrachtete freie Energie ist durch
Φ := φ0 + φΦ1 + Φ2, (25)
gegeben. Wie dieses Energiepotential Φ beschaffen sein muss, ist fur die mathematische Mo-
dellierung eine der wichtigsten Fragestellungen.
Nach der Theorie von Landau wird ein System immer zu dem Zustand streben, welcher
zum Minimum der freien Energie gehort [16]. Im einfachsten Fall konnen nur zwei Marten-
sitvarianten auftreten. Diese zwei Martensitvarianten sind komplementar und treten gleich
wahrscheinlich auf. Dabei ist die Annahme, dass die Martensitvarianten durch eine ± 45
Scherung des Austenitgitters entstehen. Der Ubersichtlichkeit halber und um das Modell
auf das Wesentliche zu vereinfachen, wird jede Phase durch eine einzelne Parabelfunktion
beschrieben (vergleiche Abbildung 9). So gilt fur die Austenit-Phase [22]
ΦA = Φ0 +KA · d2 |d| ≤ ∆s
26
und fur die Martensitphasen
ΦM± = KM · (d±∆)2 |d| ≥ ∆s.
Abbildung 9: Energiedichte fur eine 1-D-Martensitumwandlung
(vergleiche Abbildung 2.13 in [22])
Die drei Potentialtopfe werden zu je einer Phase zugeordnet und durch Energiebarrieren
voneinander getrennt. Die Frage ist nun, wie verhalten sich die Potentiale bei Tempera-
turanderung und bei Aufbringung einer Last?
Wird die Temperatur erhoht, so verkleinern sich die Potentialtopfe der Martensitvarianten zu
Gunsten des Austenits (siehe Abbildung 11). Bis zu der Temperatur, bei der kein Martensit
mehr vorhanden sein kann und nur Austenit vorliegt. Wird das Bauteil mit einer außeren
Kraft beaufschlagt, bildet sich zusatzlich Martensit. Jedoch nur die Martensitvariante, welche
zu der auftretenden Lastrichtung gunstig liegt (vergleiche Abbildung 10b). Dadurch verrin-
gert sich einerseits der Anteil der komplementaren Martensitvariante und andererseits die
Anzahl der moglichen Austenitvarianten. Dieses Verhalten simuliert die freie Energie, indem
der Graph verzerrt wird (vergleiche Abbildung 10a).
Das Modell von Landau fur einen Phasenubergang erster Ordnung (mit der Verzerrung als
27
-‐ d
(a) Auswirkung einer externen Kraft auf die Ener-giedichte der Phasen
(b) Schematische Darstellung der Schichtstruktureiner pseudoelastischen Formgedachtniszugprobe
Abbildung 10: Auswirkung einer externen Belastung auf Energiedichte und
Materialstruktur (vergleiche Abbildung 2.2 u. 2.3 in [24])
Ordnungsparameter) im Eindimensionalen kann durch folgendes Polynom
Φ = Φ0 + a(θ − θ0)ε2
2− b
ε4
4+ c
ε6
6
simuliert werden (siehe Abbildung 11) [22]. Seelecke [24] schreibt, dass dieses Polynom sechs-
ten Grades mit der wenigen Anzahl an Parametern nicht ausreicht, um das Materialverhalten
fur einen Aktor aus einer Formgedachtnislegierung quantitativ zu beschreiben (Seelecke ver-
wendet eine Funktion aus funf Parabelzugen, welche durch konkave Parabeln voneinander
getrennt sind). Eine auch auf der Landau-Theorie aufbauende Gleichung, welche zwischen
den verschiedenen Phasendeformationen der Martensitvarianten εi mit i = 1, 2 unterschei-
det, ist in der Form
Φ = E(ε− ε1 − ε2)2
2+ b(θ − θ0)(|ε1|+ |ε2|) +
1
2γ(ε1
2 + ε22)
in den Vorlesungsunterlagen von Popov [16] gegeben. Diese Gleichungen beschreiben nur elas-
tische Phasentransformationen.
Einen guten Uberblick, wie sich die Gleichungen andern, wenn zwischen thermoelastisch,
thermoviskoelastisch und thermoplastisch unterschieden wird, findet sich in der Diplomarbeit
von Brocker [26]. Die nachfolgenden Herleitung, Anmerkungen und Gleichungen sind dieser
Diplomarbeit entnommen. Fur die freie Energie unter der Annahme der Thermoelastizitat
28
Abbildung 11: Temperaturabhangigkeit der freien Energie nach Landau
(vergleiche Abbildung 2.18 in [22])
gilt
Φelast(ε, θ) =1
ρ
1
2Eε2 − Eα(θ − θ0)ε−
1
2θ0ρcd(θ − θ0)
2
mit konstanter Warmekapazitat cd. Des Weiteren gilt fur die Spannung der Ausdruck
σelast =ρ∂Φ
ε
=Eε− Eα(θ − θ0).
Fur ein thermoviskoelastisches Verhalten mit der Verwendung eines Kelvin-Elements (Feder
und Dampfer in Reihenschaltung) hat die freie Energie die Form
Φviskoela(ε, εv, θ) =1
ρ
1
2Eε2 − Eα(θ − θ0)ε−
1
2θ0ρcd(θ − θ0)
2 + η(ε− εv)εv
.
Fur die “thermoviskoelastische“ Spannung folgt dann
σviskoela =ρ∂Φ
ε
=Eε− Eα(θ − θ0) + ηεv.
29
Fur die Beschreibung der freien Energie unter Berucksichtigung thermoplastischer Effekte
wird die freie Energie additiv aus einem schon vorher beschriebenen elastischen und einen
plastischen Anteil
Φ = Φelast + Φplast
zusammengesetzt. Weiterhin kann der plastische Anteil in eine isotrope und eine kinematische
Verfestigung
Φplast = Φiso + Φkin
zerlegt werden [26]. Die isotrope Verfestigung
Φiso =1
2ργ(sp − r)2
ist durch die Differenz der inneren Variablen r, welche ausschließlich dissipative Effekte
berucksichtigt, und der gesamten plastischen Dehnung sp gekennzeichnet [ebd.]. Die Motiva-
tion ist, dass aufgrund der Versetzungsbewegungen, welche stark dissipationsbehaftet sind,
dennoch Energiespeicherungseffekte im Werkstoff auftreten [ebd.]. So wird auch die Diffe-
renz zwischen dem dissipativen Anteil y und dem Anteil der Energiespeicherung εp bei der
kinematischen Verfestigung
Φkin =1
ρ
1
2a(εp − y)2
begrundet. Somit ergibt sich schlussendlich die freie Energie fur die Beschreibung thermo-
plastischer Effekte
Φges =1
ρ
1
2Eε2 − Eα(θ − θ0)ε−
1
2θ0ρcd(θ − θ0)
2 +1
2γ(sp − r)2 +
1
2a(εp − y)2
.
Im Nachfolgenden wird die verwendete freie Energie in der schon beschriebenen Form Φ :=
φ0 + φΦ1 + Φ2 verwendet. Wird die schon vorher hergeleitete Beziehung zwischen Span-
nungstensor und innerer Energie (Gleichung (24)) mit der freien Energie (Gleichung (25))
30
differenziert, folgt fur den Spannungstensor
σPK =σ + σPKd
σPK =∂Φ
∂F+ σPK
d
σPK =φΦ1 + Φ
2 + σPKd .
Der Geschwindigkeitsgradient (vergleiche Gleichung (1)) reduziert sich bei reinen Langen- und
Winkelanderungsgeschwindigkeiten materieller Linienelemente (keine Starrkorperrotation) zu
[17]
L = D =1
2
∇ut +∇uTt
.
Fur den geschwindigkeitsabhangigen Anteil des Verzerrungstensor wird
σPKd =
1
2
∇ut +∇uTt
gesetzt.
Somit folgt fur die Bewegungsgleichung (5)
ρutt =divσPK
+ fv (26)
ρutt =div
φo + φΦ
1 + Φ2 +
1
2
∇ut +∇uTt
+ fv
und fur die innere Energie (11)
et = ρr +
φo + φΦ
1 + Φ2 +
1
2
∇ut +∇uTt
: ∇ut + div q. (27)
Mit der Definition der freien Energie (vergleiche Gleichung (15)) und dem Zusammenhang
zwischen Entropie und der freien Energie (vergleiche Gleichung (21)) folgt
e =Φ− θ∂Φ
∂θ
e =(φ0 + φΦ1 + Φ2)− θ(φ0 + φΦ1).
31
Damit folgt fur die zeitliche Ableitung der inneren Energie
et = φ0θt + φΦ1θt + φΦ
1 : ∇ut + Φ2 : ∇ut
− θ(φ0 + φΦ1)θt − θφΦ
1 : ∇ut
− (φ0 + φΦ1)θt
et =φ0 + φΦ1 − (φ
0 + φΦ1)
=0
θt
+ (φΦ1 + Φ
2) =σ
: ∇ut
− θ(φ0 + φΦ1)θt − θφΦ
1 : ∇ut
et = σ : ∇ut − θ(φ0 + φΦ1)θt − θφΦ
1 : ∇ut , (28)
mit dem nicht-viskosen Anteil des Piola-Kirchhoffschen-Spannungstensors
σ = σPKd − σPK.
Der Warmeflussvektor, kann mit Hilfe der Fourierschen Warmeleitung
q = −λ∇θ
modelliert werden, wobei λ eine positive Materialkonstante ist, welche die Warmeleitfahigkeit
des Materials beschreibt [20].
Wird dieser Warmeflussvektor in Gleichung (27) eingesetzt
et = ρr +
φo + φΦ
1 + Φ2 +
1
2
∇ut +∇uTt
: ∇ut + div(−λ∇θ);
und mit Gleichung (28) gleichgesetzt und anschließend umsortiert, folgt daraus
−θ(φ0 + φΦ1)θt = − λ∆θ + θφΦ
1 : ∇ut +1
2
∇ut +∇uTt
: ∇ut + ρr
−θ(φ0 + φΦ1)θt = − λ∆θ +
θ∂σ
∂θ+ σPK
d
: ∇ut + ρr. (29)
32
4.5 Formulierung des Problems
Dieser Abschnitt ist angelehnt an Kapitel 3.8 in Zimmer [19].
Die vorliegende Arbeit wird sich nicht mit mathematischen Existenzbeweisen der aufgestellten
Gleichungen oder dergleichen befassen, dennoch sollen die hergeleiteten Gleichungen insoweit
(physikalisch sinnvoll und vertretbar) vereinfacht werden und die Potentiale konkret formu-
liert werden, so dass entweder eine solche Beweisfuhrung oder auch eine Implementierung in
eine geeignete Software (Comsol, Matlab, Abaqus, etc.) moglich ware.
Die zu untersuchenden Gleichungen sind (26)
ρutt = div
σPK +
1
2
∇ut +∇uTt
+ fv in Ω× (0, T [
und (29)
−θ(φ0 + φΦ1)θt = − λ∆θ +
θ∂σ
∂θ+
1
2
∇ut +∇uTt
: ∇ut + ρr in Ω× (0, T ),
mit den Rand- und Anfangsbedingungen
u =g auf ∂Ω× [0, T [,
u(·, 0) =u0 in Ω,
ut(·, 0) =v0 in Ω,
θ =0 auf ∂Ω× [0, T ),
θ(·, 0) =θ0 in Ω.
Mit
φ0 = α+ θ − θ ln(θ),
folgt
−θφ0 = 1.
33
Die Annahme, dass die Warmekapazitat konstant bleibt, wurde schon fruher angewandt,
somit folgt daraus
−θ(φ0 + φΦ1) = const .
Eine Vereinfachung, welche sich aus den experimentellen Beobachtungen ergibt, ist das φ
linear ist, damit folgt
−θφΦ1 = 0.
Fur die mathematische Analyse ist die Annahme, dass weder angreifende Krafte nochWarmestrome
auftreten, legitim. Fur eine Simulation ist diese Vereinfachung naturlich unsinnig, hier wird
davon ausgegangen, dass fv = r = 0 gilt. Daraus folgt fur die zu untersuchenden Gleichungen
in vereinfachter Form
ρutt = div
σPK +
1
2
∇ut +∇uTt
in Ω× (0, T )
und
θt = − λ∆θ +
θ∂σ
∂θ+
1
2
∇ut +∇uTt
: ∇ut in Ω× (0, T ).
34
5 Ausblick
Eine auch auf Phasenubergangen basierende technische Anwendung ist die Verwendung von
Flussigkristallen bei Liquid Crystal Displays. Flussigkristalle konnen je nach Temperatur
fest, flussig oder flussigkristallin vorliegen (vergleiche Abbildung 12a). Bei LCD’s liegt das
Fluid flussigkristallin in einer sogenannten nematischen Phase vor [28]. Nematische Flussig-
kristalle besitzen einen zufallig im Volumen verteilten Massenschwerpunkt (wie Flussigkeiten),
aber im Unterschied zu Flussigkeiten besitzen diese Flussigkristalle eine auf Teilvolumina be-
schrankte lang-weitreichende Ordnung bezogen auf die Orientierung der Molekullangsachsen
[ebd.]. Die typische Modellflussigkeit solcher nematischer Fluide setzt sich aus einer Vielzahl
an langen, geraden und dunnen Staben zusammen. Da die Kristalle an den Enden unterschied-
lich polarisiert sind, lasst sich die nematische Phase uber das gesamte Volumen einheitlich
ausrichten, indem ein Stromfluss durch das Fluid gefuhrt wird (vergleiche Abbildung 12b).
(a) Temperaturabhangiger Ordnungsparameter Sbei Flussigkristallen
(b) Ausrichtung eines Kristalls durch Stromfluss
Abbildung 12: Eigenschaften nematischer Fluide
(Quelle: Abbildung 3 und 6 in [28])
Der Ordnungsparameter
S =1
2
3 cos2 θ − 1
ist die mittlere Abweichung der Molekulachsen (simuliert durch dunne Stabe) von der vor-
gegeben Richtung, wobei θ den Winkel zwischen der Vorzugsrichtung und der Molekulachse
bezeichnet (vergleiche Abbildung 12a) [28].
Nach Landau strebt das System immer zu dem Punkt, welcher zum Minimum der freien
35
Energie gehort. Dieser Ansatz wurde schon fur die Formgedachtnislegierungen verwendet. In
Drapps Dissertation [28] ist die freie Energie in der Form
F =1
2BS(S + 1)− ln
erf
12
√−6BS
√π
√−6BS
gegeben. Wird dieses Energiepotential geplottet, weist diese freie Energie qualitativ den glei-
chen Verlauf auf, wie die freie Energie bei den Formgedachtnislegierungen.
Eine weiterfuhrende Aufgabe bestunde nun darin, Bewegungs- und konstitutive Gleichungen
fur nematische Fluide aufzustellen und den Einfluss der freien Energien zwischen Fluiden und
Legierungen zu untersuchen.
36
Literaturverzeichnis
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e.V., 13., neubearb. u. erw. Aufl., Beuth Verlag, Berlin/Wien/Zurich, 2001.
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Drahten und Federn aus NiTi-Formgedachtnislegierungen, Bochumer Universitatsverlag,
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Memory-Effektes, Grundlagen, Werkstoffe, Anwendungen, Hrsg. Prof. Dr.-Ing. Wilfried
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37
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Industrielle Nutzung des Shape-Memory-Effektes, Grundlagen, Werkstoffe, Anwendun-
gen, Hrsg. Prof. Dr.-Ing. Wilfried J. Bartz, expert-Verlag, Ehningen bei Boblingen, 1988,
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