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Teil 2. Entflechtung Abschnitt 1. Gemeinsame Vorschriften f'ti.r Verteilernetzbetreiber und Transportnetzbetreiber Vorbemerkung: N ovellierung der Entflechtungsvorschriften aufgrund des dritten Binnenmarktpakets Energie Literatur: Baur / Hampcl, Die schlanke Netzgesellschaft - (k)ein rechtliches Auslaufmodell?, RdE 2011 , 385ff.; Baur/ Pritsche / Poos chke, Ownership Unbundling von Energienetzen und der euro- päi sche Schutz des Eigentums, DVBI. 2008, 483 ff.; Boers, Konsequenzen des 3. Energiebinnen- marktpakets ftir die Verteilnetzbetreiber, N&R 2011, 16ff.; Büde nbender/ Rosin, Eckpunkte der Energierechtsreform 2011, RdE 2010, 197ff.; Däupne r, Alle guten Dinge sind drei? Die Weiter- ent\vicklung des energiewirtschaftliehen Regulierungsrahmens durch das dritte EG-Energiepa- ket , NuR 2009, 214ff; König / Schreiber!Spi ckermann, Defizitäres Entflechtungsregime? Eine kriti- sche Analyse der Entflechtungsvorschriften in dem Entwurf des dritten Liberalisierungspakets der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, NuR 2008, 7ff; Kühling /Hermeier, Eigentums- rechtliche Leitplanken eines Ownership-Unbundlings in der Energiewirtschaft, et 1-2/ 2008, 134ff .; Kühling/Pisal, Die Umsetzung der EU-Entflechtungsvorgaben im EnWG 2011 , et J-2/2012 , 127ff; Kühling/Rasbach, Kernpunkte des novellierten EnWG 2011- Regulierungs- ausbau im Zeichen der "Energiewende", RdE 2011 , 332ff.; Mayen/Karpenstein, Eigentumsrecht- li che Entflechtung der Energievers orgungsnetze, RdE 2008, 33ff.; Michaelis /Ke mper, Die Umset- zung des sog. !TU-Modells des 3. EU-Energie-Binnenmarktpaketes in Deutschl and und Frankreich, RdE, 2012, !Off.; Eigentumsrechtliche Entflechtung der Übertragungs- netze, 2009; Müller, Eine preistheoretische Betrachtung des Ownership Unbundling, et 1-2/ 2006, 34ff.; Müller- Terpitz/ Weigl, Ownership Unbundling- ein gemeinschaftsrechtlicher Irr- weg?, EuR 2009, 343ff.; Pis a!, Entflechtungsoptionen nach dem 3. Energiebinnenrnarktpaket, 2011; cker, Die Zusammensetzung des Auf sichtsorgans beim Independent Transmission Opera- tor (ITO), et 11/2009, SOf.; Unbundling und Mathematik- zum Aufsichtsorgan beim Independent Transmission Operator, et 12/2009 , 74f.; ders., OU- ISO- ITO: Die Un- bundling-Optionen des 3. EU-Liberalisierungspakets, et 9/2009, 82ff.; Schreiber, Die Änderun- gen des Gemeinschaftsrechtsrahmens ftir den Energiesektor im Überblick: das dritte Legislativpa- ket , NuR 2009, 154ff.; Storr, Die Vorschl äge der EU-Kommission zur Verschärfung der Unbundling-Vorschriften im Energiesektor, EuZW 2007, 232ff.; Wiedmann !Lmt geifeldt, Ver- scrftes Unbundling in der deutschen Energiewirtschaft (Teil 1) , et 3/2004, 158ff.; di es., Ver- schärftes Unbundling in der deutschen Energiewirtschaft (Teil2), et 4/2004, 248ff. Inhaltsübersicht Rn. A. Einleitung . . . . . . . • . . 1 B. Anforderungen des dritten Binnenmarktpaketes ...••. , • 4 I. Entstehungsgeschichte . ...... ••... , .• .. 4 II. Anwendungsbereich . . . .. .. •. , . • • . • • • . . . 6 III. Entflechtungsoptionen . . ...... •• ..... 11 1. Ownership Unbundling • , ••. , •.. , 12 2. Independent System Operator - ISO ... .•.• , • .• .... 15 3. Independent Transmission Operator - ITO ........ , ... . 18 Hälseher 251

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Teil 2. Entflechtung

Abschnitt 1. Gemeinsame Vorschriften f'ti.r Verteilernetzbetreiber und Transportnetzbetreiber

Vorbemerkung: N ovellierung der Entflechtungsvorschriften aufgrund des dritten Binnenmarktpakets Energie

Literatur: Baur/Hampcl, Die schlanke Netzgesellschaft - (k)ein rechtliches Auslaufmodell?, RdE 2011 , 385ff.; Baur/ Pritsche/ Pooschke, Ownership Unbundling von Energienetzen und der euro­päische Schutz des Eigentums, DVBI. 2008, 483 ff.; Boers, Konsequenzen des 3. Energiebinnen­marktpakets ftir die Verteilnetzbetreiber, N&R 2011, 16ff.; Büdenbender/Rosin, Eckpunkte der Energierechtsreform 2011, RdE 2010, 197ff.; Däupner, Alle guten Dinge sind drei? Die Weiter­ent\vicklung des energiewirtschaftliehen Regulierungsrahmens durch das dritte EG-Energiepa­ket, NuR 2009, 214ff; König /Schreiber!Spickermann, Defizitäres Entflechtungsregime? Eine kriti­sche Analyse der Entflechtungsvorschriften in dem Entwurf des dritten Liberalisierungspakets der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, NuR 2008, 7ff; Kühling /Hermeier, Eigentums­rechtliche Leitplanken eines Ownership-Unbundlings in der Energiewirtschaft, et 1-2/ 2008, 134ff.; Kühling/Pisal, Die Umsetzung der EU-Entflechtungsvorgaben im EnWG 2011 , et J-2/2012, 127ff; Kühling/Rasbach, Kernp unkte des novellierten EnWG 2011- Regulierungs­ausbau im Zeichen der "Energiewende", RdE 2011 , 332ff.; Mayen/Karpenstein, Eigentumsrecht­liche Entflechtung der Energieversorgungsnetze, RdE 2008, 33ff.; Michaelis / Kemper, Die Umset­zung des sog. !TU-Modells des 3. EU-Energie-Binnenmarktpaketes in Deutschland und Frankreich, RdE, 2012, !Off.; Möllit~ger, Eigentumsrechtliche Entflechtung der Übertragungs­netze, 2009; Müller, Eine preistheoretische Betrachtung des Ownership Unbundling, et 1-2/ 2006, 34ff.; Müller- Terpitz / Weigl, Ownership Unbundling- ein gemeinschaftsrechtlicher Irr­weg?, EuR 2009, 343ff. ; Pisa!, Entflechtungsoptionen nach dem 3. Energiebinnenrnarktpaket, 2011; Säcker, Die Zusammensetzung des Aufsichtsorgans beim Independent Transmission Opera­tor (ITO), et 11/2009, SOf.; Schmidt-Pre~ifJ, Unbundling und Mathematik- zum Aufsichtsorgan beim Independent Transmission Operator, et 12/2009, 74f.; ders., OU- ISO- ITO: Die Un­bundling-Optionen des 3. EU-Liberalisierungspakets, et 9/2009, 82ff.; Schreiber, Die Änderun­gen des Gemeinschaftsrechtsrahmens ftir den Energiesektor im Überblick: das dritte Legislativpa­ket, NuR 2009, 154ff.; Storr, Die Vorschläge der EU-Kommission zur Verschärfung der Unbundling-Vorschriften im Energiesektor, EuZW 2007, 232ff.; Wiedmann !Lmtgeifeldt, Ver­schärftes Unbundling in der deutschen Energiewirtschaft (Teil 1), et 3/2004, 158ff.; dies., Ver­schärftes Unbundling in der deutschen Energiewirtschaft (Teil2), et 4/2004, 248ff.

Inhaltsübersicht Rn.

A. Einleitung . . . . . . . • • . . 1 B. Anforderungen des dritten Binnenmarktpaketes ...••. , • 4

I. Entstehungsgeschichte . ......••... , .• . . 4 II. Anwendungsbereich . . . .. .. •. , . • • . • • • . . . 6

III. Entflechtungsoptionen . . ......••..... 11 1. Ownership Unbundling • , ••. , •.. , 12 2. Independent System Operator - ISO ... .•.• , • • .•.... 15 3. Independent Transmission Operator - ITO ........ , ... . 18

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Vor §§6ff. Teil2. Entflechtung

C. UmsetzungimEnWG . • • • .............. . . I. Systematik der Umsetzung . . . . . . .... , . , .•••...•

I!. Neuerungen im Verteilnetzbereich .•....•...•. III. Entflechtung der Transportnetzbetreiber ..•....••..••

Rn. 22 22 24 26

D. Vollzug der Regelungen . • . . .•.•••.•• , , . 27 I. Vollzug im Bereich der Transportnetze . . . • . . . . . . . . . . 28

1!. Vollzug im Bereich der Verteilnetze . . . • • • . . . • • .• 1. Vermerke der GD Energie und Verkehr . , , , ..••.••. 2. ERGEG Guidelines . 3. Gemeinsame Auslegungsgrundsätze

A. Einleitung

29 31 35 36

1 Durch das Gesetz vom 28.7. 2011 wurden die Vorschriften zur Entflechtung er-heblich modifiziert. Die bisherigen funfParagraphen wurden durch 15 neue Para­graphen vollständig ersetzt. Hinzukommen vier Paragraphen, die die Zertifizierung der Transportnetzbetreiber betreffen (§§ 4a-4d) und ausschließlich dem Vollzug der Entflechtungsvorschriften dienen.

2 Die umfangreichen Änderungen im Entflechtungsregime beruhen auf den Vor-gaben des 3. Binnenmarktpaketes Energie. Dies betrifft vor allem die sog. eigen­tumsrechtliche Entflechtung der Transportnetzbetreiber, aber auch einige Modifika­tionen und Verschärfungen im Bereich der die Verteilnetzbetreiber betreffenden Entflechtungsvorschriften.

3 Hauptstreitpunkt im politischen Prozess zum am 25.6.2009 verabschiedeten dritten Binnenmark_tpaket Energie war die Frage der Verschärfung der Entflech­tungsvorschriften flir Ubertragungsnetzbetreiber im Elektrizitätsbereich und Fernlei­tungsnetzbetreiber im Gasbereich. Der bisherige Rechtszustand, der auf den sog. Be­schleunigungsrichtlinien beruht, sah ftir sämtliche N etzbetreiber lediglich eine gesellschaftsrechtliche Trennung vor. Erzeugung, Vertrieb und Netztätigkeiten konn­ten auch auf der obersten Netzstufe in einem Konzern geftihrt werden.

B. Anforderungen des dritten Binnenmarktpaketes

I. Entstehungsgeschichte

4 Die Existenz von integrierten Energieversorgungsunternehmen sah die Kom-mission als zentralen Hemmschuh bei der Schaffung funktionierenden Wettbewerbs an (Mitteilung der Kommission, Aussichten fur den Erdgas- und den Elektrizitäts­markt, KOM(2006) 841 endg., S. 11 ff.). Der Richtlinienvorschlag der Kommission vom 19. 9. 2007 sah daher ftir die Übertragungs- und Fernleitungsnetze die Einfuh­rung des Ownership Unbundling (OU) vor. Nicht nur im politischen Raum war dieser Vorschlag der Kommission äußerst umstritten, vielmehr stieß er auch auf er­hebliche verfassungsrechtliche und unionsrechtliche Bedenken (vgl. l'vJ.ayen/Karpen­stein, RdE 2008, 33; Möllinger, Eigentumsrechtliche Entflechtung der Ubertragungs­netze, 2009, S. 237ff.).

5 Die 2009 beschlossenen Elektrizitäts- und Gasrichtlinien sehen als Kompromiss neben der eigentumsrechtlichen Entflechtung ftir die Mitgliedstaaten die Möglichkeit vor, die Modelle des unabhängigen N.etzbetreibers (Independent System Opera­tor - ISO) und des unabhängigen Ubertragungs- bzw. Fernleitungsnetzbetreibers (Independent Transmission Operator- ITO) zu wählen. Nach Art. 9 VIII GasRI 09 bzw. EltRI 09 bestehen diese Optionen allerdings nur in den Fällen, in denen das

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Vorbemerkung Vor§§ 6ff.

Übertragungsnetz bzw. das Fernleitungsnetz am 3. ':1.200':1 einem vertikal integrierten Unternehmen gehörte. Damit können sich die nationalen Gesetzgeber für einen Be­standsschutz bezüglich des Netzeigentums in einem integrierten Energieversorgungs­unternehmen entscheiden, soweit diese Unternehmen am 3. 9. 2009 ein vertikal in­tegriertes Unternehmen gebildet haben. Für alle anderen Unternehmen gilt das Ownership Unbundling, auch wenn der nationale Gesetzgeber von den Möglichkei­ten des ISO oder ITO Gebrauch machen will.

11. Anwendungsbereich

Vom Anwendungsbereich her gelten die verschärften Entflechtungsvorschriften 6 für Übertragungsnetze (Elektrizität) bzw. Fernleitungsnetze (Gas).

Der Begriff des ybertragungsnetzes ist in der EltRl 09 nicht definiert. Art. 2 Nr. 3 7 EltRl 09 definiert Ubertragung als "den Transport von Elektrizität über ein Höchst­spannungs- und Hochspannungsverbundnetz zum Zwecke der Belieferung von Endlcunden oder Verteilern, jedoch mit Ausnahme der Versorgung". Abzugrenzen ist die Ubertragung von der Verteilung. Diese wird in Art. 2 Nr. 5 EltRl 09 definiert als "Transport von Elektrizität mit hoher, mittlerer oder niedriger Spannung über Ver­teilernetze zum Zwecke der Belieferung von Kunden, jedoch mit Ausnahme der Ver­sorgung". Betrachtet man allein die Spannungsebenen, erg)bt sich bezüglich der Hochspannungsebene (11 0 kV) eine Schnittmenge. Um ein Ubertragungsnetz han­delt es sich aber nur, wenn in dem Netz auch die Höchstspannungsebene vorhanden ist. Dies ergibt sich aus dem Gebrauch der Konjunktion "und" in Art. 2 Nr. 3 EltRl 09.

In Deutschland existieren vier Übertragungsnetzbetreiber, deren Netz sich auf 8 die Höchstspannungsebene (380/220 kV) beschränkt. Lediglich ein Unterneh­men ist Teil eines integrierten Energieversorgungsunternehmens, bei einem weiteren Netzherreiber besteht noch eine Minderheitsbeteiligung des integrierten Unterneh­mens. Zwei Unternehmen haben keine gesellschaftsrechtliche Verbindung mehr zu einem integrierten Energieversorgungsunternehmen. Nur für die erstgenannten Un­ternehmen kann es daher zur j\nwendung der Regelungen über den ITO kommen. Dementsprechend sind zwei Ubertragungsnetzbetreiber als ITO zertifiziert worden, ein Unternehmen als eigentumsrechtlich entflochten i. S. d. § 9 EnWG. Einem ei­gentumsrechtlich entflochtenen Unternehmen wurde die Zertifizierungverweigert.

Im Gasbereich ist die Fernleitung in Art. 2 Nr. 3 GasRl 09 defmiert. Fernleitung ist 9 danach der "Transport von Erdgas durch ein hauptsächlich Hochdruckfernleitun­gen umfassendes Netz, mit Ausnahme der vorgelagerten Rohrleitungsnetze und des in erster Linie im Zusammenhang mit der lokalen Erdgasverteilung bestehenden Teils von Hochdruckfernleitungen, zum Zwecke der Belieferung von Kunden, jedoch mit Ausnahme der Versorgung". Verteilung als Gegenbegriff ist nach Art. 2 Nr. 5 GasRl 09 der "Transport von Erdgas über örtliche oder regionale Leitungsnetze zum Zweck der Belieferung von Kunden, jedoch mit Ausnahme der Versorgung".

In Deutschland existierten vor der Energierechtsnovelle 2011 zehn überregio- 10 nale Fernleitungsnetzbetreiber. Lediglich eines dieses Unternehmen war nicht Teil eines integrierten Energieversorgungsunternehmens. Inzwischen hat sich die Struktur - zunächst in Einzelfällen durch die Europäische Kommission im Rahmen von Verpflichtungszusagen in kartellrechtlichen Missbrauchsverfahren erzwungen -durch die vollständige oder mehrheitliche Veräußerung von Fernleitungsnetzbetrei­bern deutlich verändert. Die BNetzA hat 2012/2013 zwei Fernleitungsnetzbetreiber als eigentumsrechtlich entflochten i. S. d . § 9 zertifiziert, neun Unternehmen wurden als ITO zertifiziert. Zumindest zwei dieser Unternehmen sind inzwischen eigentums­rechtlich entflochten.

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Vor§§ 6ff. Teil2. Entflechtung

111. Entflechtungsoptionen

11 Unter der Voraussetzung, dass Übertragungsnetze bzw. Fernleitungsnetze arn 3. 9. 2009 Teil eines integrierten Energieversorgungsunternehmens waren, stehen nach den Richtlinien drei Modelle zur Verfügung. Beim Ownership Unbund­ling muss der Netzbetreiber Eigentümer des Netzes sein. Er darf von einem integrier­ten Unternehmen nicht kontrolliert werden. Beim ISO-Modell darf das integrierte Energieversorgungsunternehmen Eigentümer des Netzes sein, der Netzbetreiber darf aber nicht vom integrierten Energieversorgungsunternehmen beherrscht wer­den. Beim ITO-Modell muss der Netzherreiber Eigentümer des Netzes sein. Er darf aber Bestandeeil eines integrierten Energieversorgungsunternehmens sein. Seine Un­abhängigkeit muss durch zahlreiche Kautelen gewährleistet sein.

12 .. 1. Ownership Unbundling. Die Entflechtung der Übertragungsnetze und Ubertragungsnetzbetreiber bzw. Fernleitungsnetze und Fernleitungsnetzbetreiber ist in Art. 9 EltRI 09 bzw. GasRI 09 geregelt. Allgemein wird die dort vorgesehene Entflechtung als "Ownership Unbundling" bezeichnet.

13 Vom vorherigen Rechtszustand unterscheidet sich das Ownership Unbundling zunächst dadurch, dass der Netzbetreiber Eigentümer des Netzes sein muss. Eine Ausnahme gilt nach Art. 9 V EltRI 09/GasRI 09 für grenzüberschreitende Joint-Ven­eures von Netzbetreibern. Durch einen detaillierten Inkompatibilitäten-Katalog in Art. 9 I und II wird die eigentumsrechtliche Separierung konkretisiert. Der dabei zentrale Begriff der Kontrolle ist in Art. 2 Nr. 34 EltRI 09 bzw. in Art. 2 Nr. 36 GasRI 09 definiert. Dabei wurde die Definition aus der Fusionskartellverordnung (Art. 3 I VO (EG) 139/2004) übernommen. ·

14 Die Entbündelungsvorschriften gelten sektorübergreifend, d. h. ein integriertes Gasversorgungsunternehmen darf keine Übertragungsnetzbetreiber kontrollieren und ein integriertes Elektrizitätsversorgungsunternehmen darf keinen Fernleitungs­netzbetreiber kontrollieren (Art. 9 III EltRI 09 I GasRI 09). Eine wesentliche Ein­schränkung enthalten Art. 9 VIEltRI 09/GasRI 09 für Staatsunternehmen. Hier ist es ausreichend, wenn unterschiedliche öffentlich-rechtliche Stellen die Kontrolle über das Netz bzw. die anderen energiewirtschaftliehen Funktionen ausüben.

15 2. Independent System Operator- ISO. Die Regelungen über die unabhän-gigen Netzherreiber in Art. 13f. EltRI 09/GasRI 09 basieren auf einer Trennung von Netzbetreiberund Netzeigentümer. Nach dieser Option darf das Eigentum arn Netz zwar im Konzernverbund des integrierten Energieversorgungsunterneh­mens bleiben, der Netzbetreiber muss vom integrierten Energieversorgungsunter­nehmen aber völlig- auch eigentumsrechelieh-unabhängig sein.

16 Trotz dieser Unabhängigkeit des Neczbetreibers treffen den Netzeigentümer weitgehende Verpflichtungen. So hat er nach Art. 13 V lit. bEltRI 09/GasRI 09 die vom unabhängigen Netzbetreiber geschlossenen und von der Regulierungsbe­hörde genehmigten Investitionen zu finanzieren bzw. seine Zustimmung zu einer Drittfinanzierung zu erteilen. In diesem Fall ist er verpflichtet, nach Art. 13 V lit. d Garantien zur Verfügung zu stellen.

17 Aufgrund dieser wenig einleuchtenden Konstruktion hat das Modell des unabhän-gigen N etzbetreibers - das bereits in den ersten Kommissionsvorschlägen enthalten war - im politischen Raum keine Zustimmung gefunden (sehr krit. auch Schmidt­Pmlj], et 9/2009, 82, 83ff.; ausf. die Kritik bei Pisa/, Entflechtungsoptionen, S. 221ff.). Zumindest in Deutschland ist von diesem Modell bisher kein Gebrauch ge­macht worden.

18 3. Independent Transmission Operator- ITO. Das Konzept des Independent Transmission Operators sieht eine Stärkung der UnabJ:l:ängigkeit dieser Unternehmen gegenüber ihren Mutterunternehmen vor. Die Ubertragungsnetzbetreiber/

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Vorbemerkung Vor§§ 6ff.

Fernleitungsnetzbetreiber bleiben im Konzernverbund, genießen aber eine starke Autonomie. Die beiden wesentlichen Säulen dieses Konzepts sind die Vollaus­stattung des Netzherreibers und die Unabhängigkeit des Managements (Schmidt­Preuj3, et 9/2009, 82, 84ff.). In Art. 17 I EltRl 09/GasRl 09 ist nicht nur vorgesehen, dass sämtliche Vermögenswerte, die ftir die Geschäftstätigkeit des Netzbetreibers er­forderlich sind, einschließlich der Netze, im Eigentum der Netzherreiber stehen müs­sen. Darüber hinaus ist geregelt, dass das erforderliche Personal beim Netzbetreiber angestellt sein muss. Eine konzerninterne Personalüberlassung ist unzulässig. Perso­nalleasing und Erbringung von Dienstleistungen ftir bzw. durch andere Teile des ver­tikal integrierten Unternehmens sind ausdrücklich untersagt. Dienstleistungen des Netzherreibers ftir das vertikal integrierte Unternehmen sind unter bestimmten Vor­aussetzungen zulässig. Damit können die betroffenen Netzbetreiberanden Sharecl­Services des integrierten Energieversorgungsunternehmens nicht mehr partizipie­ren. Ausdrücklich ist dies ft.ir Rechtsabteilung, Buchhaltung (Art. 17 II lit. h EltRl 09/GasRl 09) und fLir die IT-Systeme (Art. 17 V EltRl 09/GasRl 09) geregelt.

Darüber hinaus ist eine sehr weitgehende finanzielle Unabhängigkeit vorgese- 19 hen. So muss der Netzbetreiber etwa nach Art. 18 I lit. b die Befugnis haben, Geld auf dem Kapitalmarkt durch Aufnahme von Darlehen oder Kapitalerhöhung zu beschaf-fen. Der Einfluss des Konzerns wird gegenüber dem bisherigen Rechtszustand erheb-lich vermindert.

Dies zeigt sich auch in den detaillierten Regelungen, die in Art. 19 EltRl 09/ 20 GasRl 09 bezüglich der Unabhängigkeit des Personals und der Unternehmenslei­tung der Netzbetreiber vorgesehen sind. Der Netzbetreiber darf seine Führungskräfte weder im integrierten Konzern rekrutieren (Art. 19 III EltRl 09/GasRl 09), noch dürfen Mitglieder der Unternehmensleitung oder der Verwaltungsorgane anschlie­ßend im integrierten Konzern tätig werden (Art.19 VII EltRl 09/GasRl 09). Diese Regelungen gelten ftir die ersten beiden Führungsebenen und stellen auch schwer­wiegende Eingriffe in die Berufsfreiheit der betroffenen Arbeitnehmer dar.

Besonderen Einschränkungen unterliegt nach Art. 20 EltRl 09/ GasRl 09 der Ein- 21 fluss des integrierten Energieversorgungsunternehmens auf den Aufsichtsrat des Netzbetreibers. Hervorzuheben ist dabei, dass ftir die Hälfte minus eines der Mit­glieder strikte Inkompatibilitätsregeln gelten (vgl. hierzu Schmidt-Pretlj3, et 9/2009. 82, 86f. sowie et 12/2009, 74f. einerseits und Säcker, et 11/2009, 80f. andererseits).

C. Umsetzung im EnWG

I. Systematik der Umsetzung

Der Gesetzgeber hat sich bei der Systematik der Umsetzung an der durch die 22 Richtlinien vorgegebenen Unterscheidung der Entflechtung von Verteilnetzbetrei­bern und Transportnetzbetreibern orientiert. Zunächst enthält das Gesetz im ersten Abschnitt des Teils 2 gemeinsame Vorschriften ftir Verteilnetzbetreiber und Trans­portnetzbetreiber. Neben der Grundsatznorm des§ 6 ist in§ 6a das informatorische Unbundling (§ 9 EnWG 2005) und in§ 6b das buchhalterische Unbundling (bisher § 10 EnWG 2005) ftir Verteilnetzbetreiber und Transportnetzbetreiber gemeinsam geregelt; ergänzende Vorschriften enthalten§§ 6c und 6d. Die rechtliche Entflech­tung der Verteilnetzbetreiber findet sich im zweiten Abschnitt in § 7. Diese Vorschrift entspricht im Wesentlichen der bisher ftir sämtliche N etzbetreiber geltenden Rege­lung des § 7 En WG 2005. Die operationeile Entflechtung der Verteilnetzbetreiber in § 7 a entspricht im Wesentlichen der bisherigen fur sämtliche N etzbetreiber geltenden Regelung des§ 8 En WG 2005.

Die besonderen Entflechtungsvorgaben ftir Transportnetzbetreiber befinden sich 23 im dritten Abschnitt. § 8 enthält die Regelungen zur eigentumsrechtlichen Entflech-

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Vor §§6ff. Teil 2. Entflechtung

tung, die nach der Richtlinienvorgabe und dem En WG den Regelfall darstellt, von dem die Modelle des unabhängigen Systembetreibers (ISO, geregelt in § 9) und des unabhängigen Transportnetzbetreibers (ITO in den§§ 10-10e) die Ausnahme dar­stellen.

II. Neuerungen im Verteilnetzbereich

24 Die Entflechrungsvorschriften bezüglich der Verteilnetzbetreiber folgen im We-sentlichen dem Rechtszustand nach dem En WG 2005. Allerdings finden einige Ver­schärfungen statt.

25 Zunächst zu nennen ist die Verpflichtung zur getrennten Markenpolitik nach § 7 a VI En WG. Diese Vorschrift hat zu erheblichen Meinungsverschiedenheiten gefuhrt. Darüber hinaus stellt § 7 a IV 2 En WG eine weitere Verschärfung fllr Verteilnetzbe­treiber dar. Nach dieser Vorschrift müssen die Verteilnetzbetreiber über die erforder­liche Mindestausstatrung verfugen. Durch die Vorschrift wird die Position der Regu­lierungsbehörden zu dem Streitpunkt der "kleinen" oder "großen" Netzgesellschaft gestärkt. Weitere Verschärfungen finden sich beim Gleichbehandlungsbeauftragten (§ 7a V 3 und 4) sowie beim buchhalterischen Unbundling (§ 6b) und beiminforma­torischen Unbundling (§ 6a II 2).

111. Entflechtung der Transportnetzbetreiber

26 Für die Transportnetzbetreiber gelten zunächst die allgemeinen Vorschriften der §§ 6-6 d. Die eigentumsrechtliche Entflechtung als Regelfall ist in § 8 geregelt. In § 9 finden sich Regelungen über den unabhängigen Systembetreiber (ISO). Ausge­sprochen umfangreich- entsprechend der Regelung in den Richtlinien- ist die Re­gelung des unabhängigen Transportnetzbetreibers (ITO) in §§ 10-10e geraten. Allein die Regelungen zum ETO sind umfangreicher als bisher der gesamte Teil 2 des Gesetzes.

D. Vollzug der Regelungen

27 In den Vorauflagen ist stets berichtet worden, dass die Entflechtungsvorschriften selten Gegenstand von Entscheidungen der Regulierungsbehörden geworden sind. Dies hatte seinen Grund auch darin, dass es fllr die konkrete Durchführung der Ent­flechtungsvorschriften kein Genehmigungsverfahren bei der BNetzA gab, sondern dass es zu formliehen Entscheidungen nur im Rahmen von Missbrauchsverfahren kommen konnte. Dieser Zustand gilt heute weiterhin fur die Verteilnetzbetreiber, nicht aber fiir die Betreiber der Transportnetze.

I. Vollzug im Bereich der Transportnetze

28 Der Betrieb eines Transportnetzes bedarf nach dem durch die EnWG-Novelle 2011 eingefugten § 4a der Zertifizierung durch die Regulierungsbehörde. Nach§ 4a III erteilt die Regulierungsbehörde die Zertifizierung des Transportnetzbetreibers, wenn der Transportnetzbetreiber nachweist, dass er entsprechend den Vorgaben der §§ 8 oder 9 oder der§§ 10-10e organisiert ist. Insbesondere die Möglichkeit, nach § 4a IV die Zertifizierungsentscheidung mit Nebenbestimmungen zu verbinden, so­weit dies erforderlich ist, um zu gewährleisten, dass die Vorgaben der § § 8 oder 9 oder der§§ 10-10e erfullt werden, stellt ein ausgesprochen wirksames Vollzugsinstrument ftir die BNetzA dar. Insbesondere hat die BNetzA häufig von der Möglichkeit Ge­brauch gemacht, ihre Sichtweise der Entflechtungsvorschriften durch Nebenbestim­mungen zur Zertifizierungsentscheidung durchzusetzen.

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