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Teil I Einführung

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Teil IEinführung

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1Einleitung

3Klima – Der Weltuntergang findet nicht statt, 1. Auflage. Gerd Ganteför© 2012 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA. Published 2012 by Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA.

Die Propheten des Weltuntergangs

»Erhöhte Sterblichkeit durch Hitzewellen, Überflutungenund Dürren«»Umfassendes Artensterben rund um den Erdball«

(Vorhersage des Weltklimarats zu den Folgen einer Temperatur-erhöhung um 5 °C [IPCC 2007])

Der drohende Untergang oder nur die Lust am Untergang?

Die Schlagzeilen, die uns täglich erreichen, sind furchterregend.Der Kölner Dom wird vom Meer überflutet werden (Abb. 1), die Wüs-ten werden sich ausbreiten, Stürme bisher unbekannter Stärke wer-den auftreten – und das alles, weil Kohlekraftwerke und Automobileriesige Mengen an Kohlendioxid in die Atmosphäre abgeben [Spiegel1986, IPCC 2007]. Hinzu kommen befürchtete Super-GAUS unsi-cherer Kernkraftwerke, die große Landflächen unbewohnbar machenwerden, und marode Endlager voll radioaktiven Mülls, der das Trink-wasser verstrahlt. Die Folgen des Hungers nach immer mehr Energiekommen einem Weltuntergang nahe.

Aber ist es wirklich so schlimm oder wird übertrieben, weil ein dro-hender Weltuntergang immer auf Interesse stößt?

Hollywood hat den Weltuntergang in vielen Variationen für großeFilme genutzt und weiß um die Publikumswirksamkeit solcher Sze-narien. In jüngerer Zeit dient auch die Klimakatastrophe als Vorlage.Die Filmemacher haben dabei den Vorteil, frei von der Begrenzungdurch lästige Naturgesetze gleichzeitig mehrere Naturkatastrophenhereinbrechen lassen zu können. In dem Film »The day after tomor-row« kommt es zu einer globalen Abkühlung (Vermutlich eine Ver-

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wechslung. Es gibt zwar die Idee, der Golfstrom könne sich bei Er-wärmung abschwächen, was eine Abkühlung zur Folge hätte. DieseAbkühlung würde in Nordeuropa jedoch gerade mal die Erwärmungkompensieren, kälter wird es auf keinen Fall mit diesem Mecha-nismus. Aber ob sich der Golfstrom überhaupt abschwächt, ist um-stritten.) Diese Abkühlung hat eine verheerende Überschwemmungzur Folge (ein Vorzeichenfehler, denn eine Eiszeit bewirkt ein Absin-ken des Meeresspiegels). Interessant ist die Ähnlichkeit des Filmpla-kats von 2004 mit dem Titelblatt des Spiegels (Abb. 1) aus dem Jahr1986.

Um die Publikumswirksamkeit von Katastrophenszenarien wissenauch Wissenschaftler, die ihre vermutlich seriösen Ergebnisse spek-takulär verkaufen wollen. So überbieten sich die Klimaforscher bei-spielsweise im Vorhersagen immer höherer Anstiegsraten des Mee-resspiegels. Während der Weltklimarat zu meiner Meinung nach se-riösen Werten von um die 50 cm in den nächsten 100 Jahren tendiert[IPCC 2007], schaffen es einzelne Forscher immer wieder, mit Pro-gnosen des doppelten und dreifachen Wertes in der Tagespresse er-

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Abb. 1 Titelblatt derWochenzeitschrift »DER SPIEGEL«, Band 33/1986 vom 11. 8. 1986 [Spiegel 1986].Bild: © »Der Spiegel«

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wähnt zu werden [Rahm 2007]. Forscher, die niedrigere Werte als derWeltklimarat prognostizieren, gibt es auch, aber die schaffen es nichtin die Tagesschau.

Der Weltuntergang in der Frühzeit: eine Strafe der Götter

Weltuntergänge als Folge menschlicher Sünden sind seit Jahrtau-senden Bestandteil religiöser Überlieferungen. Bereits in der Bibelwerden die Menschen mehrfach durch Naturkatastrophen für ihreAusschweifungen bestraft. Wie der heute prognostizierte Anstieg desMeeresspiegels war auch die Sintflut eine Folge des Fehlverhaltensder Menschen (Abb. 2), nämlich die Strafe des alttestamentarischenGottes für die Bosheit der Menschen. In 1. Mose 6,5 heißt es: »Gottsah sich die Erde an: Sie war verdorben, denn alle Wesen aus Fleischauf der Erde lebten verdorben.« Vertreter der Umweltorganisationenwürden dieser Beurteilung möglicherweise auch heute noch zustim-men. Auch der Untergang von Sodom und Gomorrha wird in der Bi-bel als Strafe Gottes für menschliche Ausschweifungen erzählt. EineStelle im Lukas-Evangelium dazu lässt an die heutige Konsumgesell-schaft denken: »Sie aßen und tranken, kauften und verkauften,pflanzten und bauten. Aber an dem Tag, als Lot Sodom verließ, reg-

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Abb. 2 Mittelalterliche Darstellung der Sintflut [Dolce 1558].Bild: Ludovico Dolce, 1558, Ovid, Met. I, 291

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nete es Feuer und Schwefel vom Himmel und alle kamen um.« (Lukas17, 28–29). Auch der moderne Mensch isst, trinkt, kauft und verkauft,pflanzt und baut. Aus der Sicht des Alten Testaments sind viele An-nehmlichkeiten der modernen Konsumgesellschaft Völlerei und Sin-neslust und damit Sünden. Vielleicht wird aus dieser Tradition herausvon vielen auch die heute drohende Klimakatastrophe als Strafe fürdie Konsum- und Spaßgesellschaft erwartet.

Aber was wird eigentlich bestraft? Es erscheint fast, als würden dieMenschen, wenn es ihnen gut geht, eine Strafe für dieses »Gut-Ge-hen« erwarten. Nehmen wir das Beispiel Nahrungsmittel: Praktischalle Esswaren, die gut schmecken, sind auf die eine oder andere Artschädlich. Der Schokoladenriegel beispielsweise schädigt die Zähne,macht dick, belastet die Umwelt, weil die Kakaobohne von weit hereingeflogen werden muss, und begünstigt die Ausbeutung der Drit-ten Welt, weil die Kakaobauern unter schlechten Bedingungen lebenmüssen. Ganz anders verhält es sich da mit dem einheimischen Müs-liriegel. Unverständlich ist allerdings, warum der Geschmackssinn,der uns in langen Jahrmillionen der Evolution von der Natur ge-schenkt wurde, derartig versagt, wenn es um die Gesundheit und dieUmwelt geht. Und das gilt nicht nur für Schokoladen- und Müslirie-gel. Mit überwältigender Mehrheit sind Speisen, die nicht schme-cken, gesund und umweltfreundlich, während Leckerbissen in jederHinsicht schädlich sind. Aber der Geschmackssinn hat doch eigent-lich die Aufgabe, die guten von den schlechten Nahrungsmitteln zutrennen. Sollte er sich so irren? Oder ist es vielleicht doch so, dass vie-le Nahrungsmittel, die gut schmecken, auch gut sind? Und dass derMensch nur gerne glaubt, dass etwas Gutes schlechte Folgen hat?Denn wenn man lange genug sucht, findet sich sicher für jedes Nah-rungsmittel eine schädliche Nebenwirkung.

Die Klimakatastrophe passt genau in dieses Denkschema. Prak-tisch alle Dinge, die in der heutigen Konsumgesellschaft Spaß ma-chen, schaden dem Klima: Urlaub auf Gran Canaria, ein schnellesAuto, in der heißen Badewanne liegen, am Wochenende entfernteVerwandte besuchen, exotische Früchte essen. All das steht unter derStrafe des drohenden Weltuntergangs. Aber die Ähnlichkeit zu alttes-tamentarischen Überlieferungen ist zu groß, als dass man solche Pro-phezeiungen einfach so glauben sollte.

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Wissenschaftlich fundierte Weltuntergangsprophezeiungen

Der damals hoch angesehene Astronomieprofessor JohannesStöffler sagte im Jahr 1499 für den 5. Februar 1524 eine große Flut vor-aus [Stöffler 1524]. Dann würden alle Planeten in einem Sternbild ste-hen und es wäre sogar nach heutigem Wissen vorstellbar, dass ihrevereinte Anziehungskraft eine besonders hohe Flutwelle bewirkenkönnte. Die Prophezeiung wurde verbreitet, woraufhin die Menschenin Panik gerieten, Archen bauten und Berge bestiegen. Die Vorhersa-ge veranlasste schließlich auch den Kurfürsten von Brandenburg, mitreichlich Proviant einen Berg aufzusuchen. Die Konstellation der Pla-neten traf tatsächlich ein, denn die Berechnungen von ProfessorStöffler waren korrekt. Aber sie war ohne Einfluss auf den Wasser-stand, da die Kräfte viel zu gering sind, wie wir heute wissen.

Heute sind die Vorhersagen einer Katastrophe oder eines Welt-untergangs immer wissenschaftlich fundiert. Doch die alttestamenta-rische Idee der Bestrafung für Ausschweifungen lebte in den letztenJahrzehnten wieder auf. Ein bekanntes Beispiel ist das Waldsterben.In der Ausgabe des Spiegels vom 16. 11. 1981 warnen Fachleute vor ei-ner »Umweltkatastrophe von unvorstellbarem Ausmaß … Die erstengroßen Wälder werden schon in den nächsten fünf Jahren sterben.Sie sind nicht mehr zu retten.« [Spiegel 1981]. Ausgelöst wurde dasWaldsterben durch Abfallprodukte der ausschweifenden Wohlstands-gesellschaft – genauer gesagt, das Schwefeldioxid aus den Abgasender Autos und der Kraftwerke. Auch diese Katastrophe ist nicht ein-getreten. Allerdings unterscheidet sich das Waldsterben in einemwichtigen Punkt von den Untergangserzählungen der Vorzeit: DieAktivitäten des Menschen haben tatsächlich – das heißt, wissen-schaftlich nachweisbar – Schäden verursacht. Durch die Abgase sindBäume krank geworden oder sogar abgestorben.

Auch die besondere Stellung der Planeten im Jahr 1524 hatte wirk-lich eine stärkere Gezeitenkraft zur Folge, die tatsächlich eine erhöh-te Flut auf der Erde bewirkte. Allerdings nicht in der von HerrnStöffler vorhergesagten katastrophalen Höhe, sondern in der Grö-ßenordnung von Millimetern.

Dieses Muster setzt sich fort: Die Visionen des Untergangs sindübertrieben, aber es steckt ein Kern wissenschaftlicher Wahrheit dar-in. Die Verfechter der Untergangsszenarien übertreiben praktisch im-mer, da sie so der Aufmerksamkeit der Menschen sicher sein können.

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Eine realistische Einschätzung der Gefahr ist aber notwendig, um ver-nünftige Maßnahmen einleiten zu können – sonst kann es zu unsin-nigen Panikreaktionen wie beim Kurfürsten von Brandenburg kom-men. Auf der anderen Seite darf eine Warnung auf der Basis wissen-schaftlicher Erkenntnisse nicht ignoriert werden.

Weltuntergangsdrohungen als Mittel zur Macht

Ein wesentlicher Antrieb einzelner Menschen oder auch von Grup-pen von Menschen ist das Streben nach Macht. Macht bedeutet zumeinen materiellen Reichtum, zum anderen ist es ein Grundbedürfnisdes Menschen, seinem Nächsten seine Lebensart aufzuzwingen. DieAndrohung eines Weltuntergangs ist ein perfektes Mittel, um dieseallzu menschlichen Gelüste durchzusetzen. Welches Argument gibtes gegen eine Partei, die für den Fall, dass sie nicht gewählt wird, mitdem Weltuntergang droht? Religiöse Fanatiker nutzen dieses Argu-ment immer wieder zur Durchsetzung ihrer Weltanschauung. Undsie haben den Vorteil, frei von den Nöten des Finden-Müssens einerwissenschaftlichen Begründung zu sein – sie drohen einfach mit derStrafe Gottes. Die Klimakatastrophe eignet sich ebenfalls hervorra-gend dazu, seinem Nachbarn die eigene Lebensart aufzuzwingen –allerdings mit dem lästigen Nachteil, dass eine wissenschaftliche Be-gründung mitgeliefert werden muss. Dazu wird eine kleine Ge-schichte erzählt, die ganz ähnlich wirklich passiert ist (siehe Kasten).

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Florian starrte missmutig auf denverbliebenen Zettel in seiner Hand.Da hatte er es geschafft, eine Dokto-randenstelle zu finden – wenn auchnur eine halbe, aber immerhin – undnun schien seine Promotion daranzu scheitern, dass er keine Wohnungfand. Wie überall, war es auch in die-ser Universitätsstadt schwierig, be-zahlbaren Wohnraum zu finden. AmSchwarzen Brett in der Mensa hingeneinige Zettel mit Angeboten vonfreien Zimmern in Wohngemein-schaften, kurz »WG« genannt. Seitden 70ern hatten sich solche WGsetabliert. Man sah sie als Alternative

zum als kleinkariert und restriktivempfundenen Familienleben und alsChance, endlich die eigenen Idealevon Freiheit und Toleranz leben zukönnen. Ein Konzept, das auch Flori-an gefiel.

Aber offenbar hatte er in den Au-gen der WG-Bewohner das falscheStudienfach gewählt – trotz derenIdeen von Freiheit und Toleranz.Denn in den letzten zwei Stundenhatte er sich etliche Variationen von»Oh Gott, aber doch kein Physiker!Physiker bauen Kernkraftwerke undruinieren die Umwelt!« anhörenmüssen. Na, was sollte es, diese letz-

Eine kleine Geschichte: Eine besonders tolerante Wohngemeinschaft

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Untergangsprophezeiungen mit Substanz

1972 sagten die Computersimulationen des Club of Rome einenKollaps der Industrieproduktion und der Bevölkerungszahl spätes-tens bis zum Jahr 2100 voraus (Abb. 3), da Bevölkerungsexplosionund Wirtschaftwachstum die Rohstoffvorräte erschöpfen (»Die Gren-zen des Wachstums« [Rome 1972]). Die Lebenserwartung nimmtstark ab, da mit dem Zusammenbruch der Produktion Nahrungsmit-tel knapp werden und sich die medizinische Versorgung verschlech-tert.

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te Telefonnummer konnte er nunauch noch wählen.

Und tatsächlich – diese WG warso frei und tolerant, dass er zum Be-werbungsgespräch eingeladen wur-de. Offenbar bekam er endlich ein-mal die Chance, zu erzählen, dass ergar nicht die Absicht hatte, Kernkraft-werke zu bauen, sondern sich inRichtung »alternative Energien« spe-zialisieren wollte.

Als Florian sich am Küchentischniedergelassen hatte, schenkte derSprecher der WG, der sich als Tho-mas vorgestellt hatte, ihm Tee einund setzte sich ihm gegenüber.

»Also«, begann Thomas, »der Teeist selbstverständlich aus fairemHandel. Und genau darum geht esuns in unserer Wohngemeinschaft –wir wollen besonders bewusst leben,die Menschenrechte achten und denGenerationen der Zukunft eine Chan-ce geben. Daran musst du dich eben-falls halten, wenn du hier wohnenwillst. In unseren Kühlschrank dürfennur Bioprodukte, wir essen nichts,was Konservierungsstoffe enthält,nur Obst und Gemüse, das der Sai-son entspricht.«

Florian dachte an die Äpfel in sei-nem Rucksack. Wann genau hattenÄpfel Saison? Er würde seine Omafragen müssen, die hatte einen Gar-ten. In der Jackentasche fühlte er den

Schokoriegel. War der aus fairemHandel? Wohl eher nicht. Da würdeer wohl auf Müsliriegel mit Biotro-ckenfrüchten der Saison umsteigenmüssen. Florian öffnete den Mund,um zu fragen, was denn im WinterSaison hatte, aber Thomas dozierteweiter. Kommentare von Florianschienen ihn nicht zu interessieren.

»Deshalb nehmen wir auch in denMietvertrag auf, dass bestimmteHandlungen zur fristlosen Kündi-gung führen – wie zum Beispiel derBesitz einer Aluminiumdose CocaCola.«

Fristlose Kündigung? Wegen einerDose Coca Cola? Florian starrte ihnan. Die Dose in seinem Rucksackenthielt zwar Pepsi, aber vermutlichwar auch das ein Grund, aus derWohnung zu fliegen. Ob als Nächs-tes eine Taschenkontrolle angeordnetwurde?

Als Thomas ihm die lange Listeder Verfehlungen präsentierte, die ei-ne fristlose Kündigung zur Folge hät-ten, stand Florian bereits im Flur undschulterte seinen Rucksack. Ihm wareingefallen, dass sein Onkel einenWohnwagen hatte. In dem könnte erfür ein paar Wochen auf dem Cam-pingplatz wohnen. Dem Onkel wärees egal, welches Behältnis FloriansGetränk umhüllte.

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Auch diese Vorhersagen ähneln wieder dem klassischen Schema,dass ausschweifendes Verhalten (nämlich der hohe Konsum und dieskrupellose Ausbeutung der Rohstoffe) durch eine Katastrophe mitHunger, Krankheit und Tod im Schlepptau bestraft wird. Es ist natür-lich keine Bestrafung durch eine übergeordnete Instanz, sondern die»natürliche« Konsequenz eines Fehlverhaltens wie der morgendlicheKater nach einem Gelage. Abb. 3 zeigt, dass nach den Vorhersagen desClub of Rome das Wachstum bis 2020 weitergehen wird. Erst dannkehrt die Entwicklung um und Produktion und Bevölkerung nehmenab. Damit ist allerdings nicht gemeint, dass das Bevölkerungswachs-tum quasi von selbst abflacht, sondern dass Hunger und Krankheitendie Menschheit dezimieren. Diese Vorhersage könnte noch immerrichtig sein, da sie einen Zeitraum betrifft, der in der Zukunft liegt.

Heute, 30 Jahre nach dem Erscheinen der »Grenzen des Wachs-tums«, beherrscht die Prognose des Weltklimarats (Intergovernmen-tal Panel on Climate Change, IPCC) die Diskussion [IPCC 2007]. Wie-der wird die Menschheit vor den Wirkungen weiterer Ausschweifun-gen gewarnt. Als Fehlverhalten wird jetzt die Emission von Treib-hausgasen angeprangert, verursacht durch viele menschlicheAktivitäten innerhalb einer Industrie- und Konsumgesellschaft. Die

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Abb. 3 Typisches Ergebnis des Compu-termodells des Club of Rome [Rome1972]. Die Prognosen variieren mit den

Annahmen über die Menge der verfügba-ren Rohstoffe und die zukünftigen politi-schen Entscheidungen.

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angekündigten Konsequenzen sind Stürme, Dürren und wieder eineglobale Überflutung. Erstaunlich und unverständlich ist allerdings,dass in den Analysen des Weltklimarats die Bevölkerungsexplosionpraktisch nicht diskutiert wird – wogegen diese in der Veröffentli-chung des Club of Rome ein Hauptthema war.

Werden die Katastrophen eintreten?

Zum Glück ist trotz aller Vorhersagen die Welt bisher noch nichtuntergegangen. Zwei Vorhersagen – die des Club of Rome und die desWeltklimarates – betreffen aber eine Zeit, die heute noch in der Zu-kunft liegt. Beides sind Vorhersagen auf der Basis sorgfältiger Beob-achtungen und Berechnungen. Deren Ergebnisse sind meiner Mei-nung nach ähnlich den Rechnungen von Professor Stöffler auf jedenFall richtig. Aber kommt es wirklich zu einer globalen Katastrophewie in der in Abb. 1 gezeigten Vision? Und welche Maßnahmen sinddie wirkungsvollsten, um den globalen Folgen der Klimaveränderun-gen zu begegnen? Im vorliegenden Buch werde ich erläutern, dasssich das Klima zwar ändern wird, aber mit weniger katastrophalenFolgen, als die Medien und verschiedene Gruppierungen der Gesell-schaft derzeit verkünden. Vorhersagen, die über hundert Jahre undmehr in die Zukunft reichen, sind immer unsicher. Zum Beispiel hät-ten vor hundert Jahren Hochrechnungen der Menge an Pferdeäpfelnbewiesen, dass die europäischen Städte im Jahr 2000 im Pferdemistversinken. Auch die Kohlendioxidemissionen aus Benzin und Dieselsind heute ein großes Problem, aber in 30 Jahren nicht mehr, weil dasErdöl dann aufgebraucht ist (Abb. 4). Bei Trends, die auf rein physi-kalischen Gesetzen beruhen (wie zum Beispiel dem Temperaturan-stieg als Folge der anwachsenden Menge an Treibhausgasen), sindlangfristige Prognosen glaubwürdiger als wenn gesellschaftlicheEinflüsse eine Rolle spielen (wie technische Entwicklungen bei derFortbewegung). Aber auch hier sind 100 oder 200 Jahre eine langeZeit und der Weltklimarat beschränkt sich daher fast immer auf Aus-sagen über die nächsten 100 Jahre. Aber Vorhersagen müssen immerunter dem Aspekt betrachtet werden, dass ein Prophet, der will, dassman ihm zuhört, eine Katastrophe ankündigen muss und nicht bloßeinen warmen Winter.

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Das Konzept des Buches und seine Thesen

Das Konzept

Abseits der allgemeinen »Lust am Untergang« gehe ich in diesemBuch einen anderen Weg. Die wissenschaftlichen Informationen zuden Themen Bevölkerung, Energie und Klima werden in verständ-licher Form zusammengestellt und die drei Themengebiete mitein-ander verknüpft (Abb. 5). Betrachtet man nämlich nur einen Aspekt,kann das zu falschen Entscheidungen führen, die vielleicht sogar dasGegenteil dessen bewirken, was man eigentlich angestrebt hat. Sowachsen die Kohlendioxidemissionen zwar auch deswegen, weil inden Industrieländern Energie vergeudet wird – aber vor allem wach-sen die globalen Emissionen deshalb, weil die Bevölkerung alle 12 Jah-re um eine Milliarde Menschen zunimmt [UN 2008]. Um die Klima-risiken zu reduzieren, muss das Bevölkerungswachstum daher redu-ziert werden. Dazu müssen die richtigen Prioritäten gesetzt und dieRisiken abgeschätzt werden. Sind die Klimaänderungen wirklich so

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Abb. 4 Jährliche Menge an Treibhausga-sen, die durch die Verbrennung von Erdölin die Atmosphäre abgegeben wird. Etwa

im Jahr 2100 wird sich die Menge starkverringern, da dann nur noch wenig Ölübrig ist [Hub 1987].

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gefährlich, dass um jeden Preis (zum Beispiel durch den Einsatz vonaus Mais gewonnenem Biodiesel) vorrangig die Kohlendioxidemis-sionen reduziert werden müssen? Oder muss in erster Linie das Be-völkerungswachstum unbedingt gestoppt werden, weil es bald nichtmehr genug Lebensmittel gibt? Welches sind die richtigen Prioritä-ten?

Das Risiko einer Klimaänderung und die Versorgung der Mensch-heit mit Energie sind eng miteinander verknüpfte Problembereiche,da viele Methoden der Energieerzeugung mit der Emission von Treib-hausgasen verbunden sind. Umweltschützer propagieren den Einsatzregenerativer Energien. Diese Energien sind jedoch teurer und dashat Folgen. In Teil II des Buches werde ich ausführen, dass arme Län-der mit einem starken Bevölkerungswachstum auf preisgünstigeEnergie angewiesen sind. Nur wenn diese Länder einen höheren Ent-wicklungsstand erreichen können, können wir auf ein Ende des Be-völkerungswachstums hoffen. Und nur dann kann die Umweltzer-störung, bei der die Kohlendioxidemissionen nur ein Faktor von vie-len sind, gestoppt werden (Abb. 6). Eine ökonomische und sozialeEntwicklung dieser Länder ist aber nur möglich, wenn preiswerteEnergie in ausreichend großer Menge verfügbar ist. Eine Verknap-pung oder Verteuerung von Energie würde im Gegenzug zu einemwieder beschleunigten Bevölkerungswachstum führen. Dann bestehtkeine Chance mehr, ein Gleichgewicht zwischen Natur und Menschzu erreichen.

Entscheidend ist also eine Abwägung der Klimagefahren gegen-über dem Bedarf der bevölkerungsreichen Länder an preiswerterEnergie.

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Abb. 5 Die drei Bereiche Energie, Klima undBevölkerung müssen gemeinsam betrachtetwerden, um die richtigen Entscheidungen treffenzu können.

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Die Ergebnisse des Buches als Thesen

Für diejenigen Leser, die sich nicht durch die volle Länge des Bu-ches arbeiten wollen, werden die Ergebnisse hier als knappe Thesen(siehe Kasten) vorweggenommen. Bevor sich der Leser über die The-sen wundert, sollte er sich folgende Erklärungen ansehen:

1. Einige Umweltenthusiasten, die beim Klima die globale Verant-wortung einfordern, vertreten die Meinung, dass sich die Bevölke-rungsfrage »von selbst« regeln wird. Damit meinen sie Hungers-nöte und Kriege. Solche Meinungen sind nicht akzeptabel.

2. Auch ich würde es begrüßen, wenn der Energiebedarf mit um-weltfreundlichen Energien wie der Solarenergie und der »Energieaus dem Meer« [EON 2008] gedeckt werden könnte. Das ist je-doch leider nicht der Fall. Auch dann nicht, wenn es jeden Tagbeschworen wird.

3. Im Teil IV (Klima) folge ich weitestgehend den Klimamodellendes Weltklimarats [IPCC 2007]. Aber wenn die Prognosen einenSpielraum lassen, dann hebe ich hier nicht die katastrophalste dermöglichen Entwicklungen hervor, sondern die nach meiner Ein-schätzung wahrscheinlichste.

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Abb. 6 Preisgünstige Energie erlaubt esden wenig entwickelten Ländern, einenhöheren Lebensstandard zu erreichenund damit ihre Bevölkerungszahl zu sta-bilisieren. Im nächsten Schritt ist es dannmöglich, auch diese Länder in die Bemü-hungen um einen globalen Klima- undUmweltschutz einzubinden.

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Das Konzept des Buches und seine Thesen 15

Die Klimaerwärmung hat auchVorteile

– Die Vorhersage katastrophaler Stür-me ist Schwarzmalerei.

– Es wird nicht global trockener, son-dern der Niederschlag nimmt zu.

– Die Klimaerwärmung erzeugt mehrLebensraum.

– Eigentlich steuern wir auf eine Eis-zeit zu.

Kohle- und Kernkraftwerke dienenindirekt dem Naturschutz

– Das Bevölkerungswachstum lässtden Energieverbrauch steigen undbelastet die Umwelt.

– Wirtschaftswachstum in armenLändern senkt die Kinderzahl proFrau.

– Die Voraussetzung für ein Wirt-schaftswachstum ist bezahlbareEnergie.

– Kohle- und Kernkraftwerke liefernbezahlbare Energie.

– Kohle- und Kernkraftwerke schüt-zen letztlich das Klima.

– Es gibt gute und schlechte Kern-kraftwerke.

Die regenerativen Energien sindnur ein schöner Traum

– Es gibt eine natürliche Methode derEndlagerung.

– Auch alle regenerativen Energienzusammen reichen nicht.

– Sonnenenergie ist nur in sonnigenLändern sinnvoll.

– Die exotischen Energien werdenimmer Exoten bleiben.

– Die Geothermie bringt mehr als dieSolarthermie.

– Stattdessen wird die Kernfusion dieultimative Lösung sein.

Die Thesen des Buches

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