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TERESA MEDEIROS Ungezähmtes Verlangen

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TERESA MEDEIROSUngezähmtes Verlangen

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Buch

Pamela Darby ist auf der dringenden Suche nach einem Mannsbild – am besten einem Exemplar ohne allzu ausgeprägten Verstand. Denn um zu ver-hindern, dass ihre Schwester sich ins Unglück stürzt, soll dieses Mannsbild als vermeintlicher Erbe eines verwandten Dukes herhalten, das Vermögen einheimsen – und dann schnurstracks wieder von der Bildfl äche verschwin-den, ohne Ansprüche zu erheben. Und der Zufall kommt ihr zu Hilfe: in

Gestalt eines grauäugigen Schotten, der ihre Kutsche aufhält …Jener Schotte – Connor Kincaid – hat die Hoffnung längst aufgegeben, die Ehre seines Clans wiederherzustellen. Als die bezaubernde Engländerin Pa-mela ihm anbietet, ihr bei der halsbrecherischen Scharade auszuhelfen, hat er nichts zu verlieren und schlägt ein. Gemeinsam machen sich die beiden auf den Weg nach London, wo es sich zeigen wird, wer mehr zu verlieren hat – denn längst schon geht es nicht mehr nur um ein Erbe, sondern auch

um zwei Herzen …

Autorin

Teresa Medeiros schrieb mit 21 Jahren ihren ersten Roman. Seitdem ist sie ein absoluter Publikumsliebling, und ihre Bücher stehen regelmäßig auf den Bestsellerlisten. Sie erhielt zahlreiche Preise und wurde von der Zeitschrift »Affaire de Cœur« als eine der »10 besten Romanautorinnen der USA« aus-gezeichnet. Die Autorin lebt mit ihrem Mann und vier Katzen in Kentucky.

Weitere Informationen unter: www.teresamedeiros.com

Von Teresa Medeiros ist bei Blanvalet bereits erschienen:

Süßes Feuer (35899) • Sündiger Engel (36006) • Geheimnis der Liebe (36223) • Wenn die Nacht dich küsst (36483) • Wilder als ein Traum (35312) •

Gefangene der Leidenschaft (37150)

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Teresa Medeiros

Ungezähmtes VerlangenRoman

Aus dem Englischen von Ute-Christine Geiler

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Die Originalausgabe erschien 2009 unter dem Titel»Some Like It Wild« bei Avon Books,

An Imprint of HarperCollinsPublishers, New York.

Verlagsgruppe Random House FSC-DEU-0100Das FSC-zertifi zierte Papier Holmen Book Cream für dieses Buch liefert Holmen Paper,

Hallstavick, Schweden.

1. Aufl ageDeutsche Erstveröffentlichung April 2010 bei Blanvalet,

einem Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbH, MünchenCopyright © der Originalausgabe 2009 by Teresa Medeiros

Published by Arrangement with Teresa MedeirosDieses Werk wurde im Auftrag der Jane Rotrosen Agency, LLC.,

durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30827 Garbsen, vermittelt.Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2010

by Verlagsgruppe Random House GmbH, MünchenAuszüge aus »Als wir uns trennten« von George Gordon Lord Byron in der Übersetzung

von Otto Gildemeister; aus »Vor dir, mein Lieb, ich scheiden muss« von Robert Burns in der Übersetzung von Johann Philipp Kaufmann; und aus »Wie es euch gefällt« von William Shakespeare in der Übersetzung von August Wilhelm von Schlegel

Umschlaggestaltung: HildenDesign, MünchenUmschlagbild: © Doreen Minuto / Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH,

30827 GarbsenRedaktion: Wiebke Rossa

lf · Herstellung: samSatz: Jouve Germany GmbH & Co KG, Kriftel

Druck und Einband: GGP Media GmbH, PößneckPrinted in Germany

ISBN: 978-3-442-37282-9

www.blanvalet.de

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Widmung

Im Gedenken an Eric Myers. Du warst eines der seltens-ten Geschöpfe überhaupt – ein geborener Athlet und ein umwerfender Kerl, der Volleyball und Star Wars gleicherma-ßen liebte. Niemand hat sich Christus besser zum Vorbild genommen als Du, lieber Freund. Wir sehen uns auf der anderen Seite!

Für Eric Medeiros – ich habe mir immer einen Bruder ge-wünscht, und dann hat der Herr mir dich geschenkt, was andererseits auch wieder zeigt, dass man vorsichtig mit dem sein soll, was man sich wünscht. Danke, dass Du meine Bü-cher liest und mich in Deinem Haus schreiben lässt!

Und für meinen Liebsten Michael – meinen Ehemann, mei-nen Helden und mein Herz. Du machst jeden Tag zu einem großartigen Abenteuer.

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Schottische Highlands1814

»Ich brauche einen Mann«, verkündete Pamela Darby so sachlich, wie sie äußern würde: »Ich brauche ein Stück Spit-ze« oder »Ich brauche frische Rüben für den Eintopf heute Abend«.

Ihre Halbschwester, die ihr in der Kutsche gegenübersaß, blickte von der abgegriffenen Ausgabe von La Belle Assemblée auf, die sie studiert hatte. Die Zeitschrift und die darin abge-bildeten Modezeichnungen waren längst überholt, aber das hielt Sophie nicht davon ab, die bunten Stiche der neuesten Mode von vor zwei Jahren sehnsüchtig zu bewundern oder die Anleitung zu verschlingen, wie man Rouge auftragen sollte, damit es die Wangen einer jungen Dame mit einem perfekten Rosenhauch überzog.

»Was ich brauche – was wir brauchen«, verbesserte Pamela sich, »ist nicht nur irgendein Mann, sondern ein strammer schottischer Bursche mit mehr Muskeln als Hirn.« Sie senkte die Stimme und ahmte den schottischen Dialekt so perfekt nach, dass selbst Bonnie Prince Charlie stolz auf sie gewesen wäre. »Ein Kerl, der mühelos den Anweisungen von zwei gewitzten Mädchen folgt, die mehr Verstand haben als er.«

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»Und ich schätze, diese beiden Mädchen sollen wir sein?«, riet Sophie und hob fragend eine Augenbraue. Sie zuckte zu-sammen und wurde auf dem abgenutzten Sitzpolster hin und her geschleudert, als die Kutsche schwankte, ehe sie einen weiteren holperigen Weg in Angriff nahm, der sich hierzu-lande ungestraft Straße zu nennen wagte. »Und wie sollen wir deiner Meinung nach diesen gut aussehenden Dummerjan auftreiben? Sollen wir den Kutscher bitten, im nächsten Ort anzuhalten, damit wir Plakate anschlagen können?«

Voll Zuversicht, dass ihre Schwester bei der albernen Spin-nerei mitmachen würde, und sei es nur, um sich die langen Stunden auf der Straße zu vertreiben, biss Pamela sich auf die Unterlippe. »Hm … keine schlechte Idee. An Plakate hatte ich noch gar nicht gedacht. Wie wäre es denn, wenn wir darauf schreiben: ›GESUCHT: Begriffsstutziger, breitna-ckiger Schotte, der sich als verschollener Erbe eines Herzogs ausgibt‹. Vielleicht können wir in jedem Dorf, durch das wir kommen, eines auf dem Dorfplatz aufhängen.«

»So wie das im letzten Ort? Das vor dem gefährlichen Stra-ßenräuber warnt, auf dessen Kopf eine Belohnung ausge-setzt ist und der die Gegend hier unsicher macht – indem er Reisende ausraubt und unschuldige junge Frauen verführt?«

Sophies spöttische Bemerkung holte Pamelas befl ügelte Fantasie jäh auf den felsigen Boden der Tatsachen zurück. Sie erinnerte sich noch zu gut an das Plakat. Eine grobe Zeichnung war auch darauf gewesen, die einen maskierten Mann mit festem Kinn zeigte, eine Pistole in der Hand und ein skrupelloses Glitzern in den Augen. Gegen ihren Willen hatte sie sich zu dem Bild hingezogen gefühlt und war mit den Fingerspitzen ganz leicht das unvermutete Grübchen in

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seiner rechten Wange nachgefahren. Sie konnte nicht umhin, sich zu wundern, was einen solchen Mann dazu treiben konn-te, sich dem Gesetz und den Geboten Gottes zu widersetzen und zu stehlen, was er haben wollte, statt dafür zu zahlen. Als Sophie zu ihr getreten war, hatte Pamela sich rasch von dem Plakat abgewandt aus Sorge, dass ihre Schwester in dem stäh-lernen Blick des Räubers ein Echo ihrer eigenen wachsenden Verzweifl ung entdecken könnte.

Die Erinnerung an diesen Blick sandte ihr einen vertrau-ten Schauer über den Rücken. Sie war sich des Umstandes schmerzlich bewusst, dass zwei junge Frauen, die allein durch diese wilde und raue Landschaft reisten, leicht Opfer von Argwohn und missbilligenden Blicken werden konnten. Aber sie hatten nicht die Mittel, Lakaien anzustellen, die ihnen ei-nen Anstrich von Achtbarkeit verliehen hätten, oder Reiter als Schutz für das Gefährt, das sie gemietet hatten, nachdem sie in Edinburgh aus der Postkutsche gestiegen waren. Sie mussten sich einfach auf den ältlichen Kutscher und seine angestaubte Muskete verlassen, um ihr Leben und ihre Tu-gend zu verteidigen.

Sie zwang sich zu einem Lächeln. »Nach dem, was ich über die wilden Highlander gehört habe, sind sie eher geneigt, ihre Schafe zu schänden als fremde Frauen.« Sie fuhr mit einer Hand über ihr Retikül und bezog Trost aus dem Gedanken an das, was sie in dem schmalen Seidentäschchen verstaut hatte.

Sophie wickelte sich seufzend eine ihrer Locken um den Zeigefi nger und erklärte: »Ich kann immer noch nicht glauben, dass wir den ganzen weiten Weg hierher umsonst gemacht haben sollen. Du hast die Alte in Strathspey ge-

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hört. Ihren Worten zufolge ist der Erbe des Herzogs vor etwa dreißig Jahren im Kindesalter gestorben. Weder er noch seine Mutter haben den ersten Winter in den Highlands überlebt.«

»Und ich kann wirklich gut verstehen, wieso«, bemerkte Pamela halblaut und steckte die Hände tiefer in ihren Pelz-muff. Sie war sogar noch enttäuschter gewesen als Sophie, als sie entdeckt hatten, dass die Spur, der sie den ganzen letzten Monat lang hoffnungsvoll gefolgt waren, kalt geworden war. Kälter sogar noch als dieses gottverlassene Land, in dem schneidende Winde wehten – selbst wenn die Sonne schien. Kälter als die eisigen Regentropfen, die auf einen niederpras-selten, sobald man beschlossen hatte, den Regenschirm weg-zustecken. Kälter als die Feuchtigkeit, die bis in die Knochen drang und einem das Gefühl gab, als würde einem nie wieder wirklich warm werden.

»Warum vergessen wir nicht einfach die Belohnung und kehren nach Hause zurück?«, wollte Sophie wissen.

»Ein guter Plan, in der Tat … wenn wir noch ein Zuhause hätten.«

Ein trauriger Schleier trübte das Funkeln in Sophies hell-blauen Augen, und Pamela bereute es sogleich, dass sie sich zu einem derart scharfen Ton hatte hinreißen lassen. Bis vor sechs Monaten war das Crown Theatre in der Drury Lane das einzige Heim gewesen, das die Schwestern gekannt hatten. Sie waren quasi hinter der Bühne geboren und von ihrer Mutter, einer Schauspielerin, immer als sehr schöne Produktionen bezeichnet worden. Aber jetzt war das The-ater fort, nur noch Schutt und Asche nach dem tragischen Brand, bei dem ihre Mutter umgekommen war und der auch

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sie das Leben gekostet hätte, wenn sie nicht zu der Zeit in ihrer Wohnung in der Nähe geschlafen hätten. Pamelas Kehle schnürte sich zu, und ein vertrauter, bitterer Schmerz erfasste sie. Ihr einziger Trost war die Gewissheit, dass ihre Mutter sich nie gewünscht hatte, ihre legendäre Schönheit zu überleben – oder deren verheerende Wirkung auf ihre Verehrer.

Eine Schönheit, die in dem blassgoldenen Schimmer der Locken ihrer Halbschwester fortlebte. Locken, die zu einer Frisur gestutzt waren, die Sophies herzförmiges Gesicht per-fekt umrahmte. Das Gesicht mit den vollkommenen Lippen und der zierlichen, geraden Nase. Unter den Balletttänzerin-nen wurde gemunkelt, dass Sophies Vater ein reicher franzö-sischer Graf gewesen sei, der ihre Mutter ebenso charmant wie unwiderstehlich gefunden und ihr sein Herz geschenkt hatte, dann aber nach Frankreich zurückgekehrt war und dort – im wahrsten Sinne des Wortes – den Kopf verloren hatte, ehe er um ihre Hand anhalten konnte.

Pamela war überzeugt, dass ihr eigener Vater ein boden-ständiger Engländer gewesen sein musste. Wie sonst ließen sich ihr Haar und ihre Augen erklären, die von einem völlig gewöhnlichen Braunton waren? Ihre Züge in dem ovalen Gesicht waren gleichmäßig, aber kaum bemerkenswert, und der angenehme Anfl ug von Fülle in ihren Wangen hätte ge-nauso gut zu einem Milchmädchen aus Yorkshire gepasst. Sie besaß genug Rundungen, um einen Mann in Versuchung zu führen, aber nichts, was ihn dazu bewegen würde, ihr seine Hingabe zu beweisen, indem er sich von der London Bridge in die eisigen Fluten der Themse stürzte, wie man es einem der heißblütigeren Verehrer ihrer Mutter nachsagte.

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Pamela bedauerte ihre achtlosen Worte noch mehr, als So-phie ihr zierliches Kinn reckte und die Zähne zusammenbiss, um ihr Zittern zu verbergen. »Die Belohnung des Herzogs ist nicht unsere letzte Hoffnung, weißt du? Ich könnte sehr wohl uns beide versorgen. Das Angebot des Viscounts steht noch.«

Pamela runzelte die Stirn. »Das ist kein gefühlsduseliges Melodram. Ich habe nicht die Absicht, die Tugend meiner Schwester an den Meistbietenden zu verschachern, nur um ein Dach über dem Kopf zu behalten.«

Sophie hob eine schmale Schulter zu einem lässigen Ach-selzucken, das ihre gallische Abstammung unterstrich. »Du musst nicht so prüde sein. Maman hat sich für ein Leben jenseits gesellschaftlicher Einschränkungen entschieden. Warum nicht auch ich?«

»Mama war eine Schauspielerin. Ihr Preis war Liebe, nicht Geld.«

»Ist es denn ausgeschlossen, dass eine Frau beides hat?«, fragte Sophie sehnsüchtig.

»Oh, du kannst es eine Saison lang in den Armen des Vis-counts erleben. Bis er deiner Reize müde wird, sich in eine Balletttänzerin verguckt und beschließt, dich an seine Freun-de weiterzureichen.« Pamela streckte die Hand aus und strich Sophie fürsorglich eine Locke hinters Ohr. »Ich möchte nicht grausam sein, Liebes, aber es ist ein kurzer Weg von einer Mätresse zur Hure. Ich habe Mädchen gesehen, die sogar noch jünger und schöner waren als du, die sich auf der Fleet Street zu Markte tragen mussten. Ich werde nicht zulassen, dass du noch vor deinem neunzehnten Geburtstag an der Franzosenkrankheit stirbst.«

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»Aber der Viscount schwört, dass er mich anbetet. Er hat gesagt, seit er mich im Chor von Pygmalion erblickt hat als ich fünfzehn war, kann er an nichts anderes und keine andere mehr denken.«

»Seine Frau eingeschlossen«, bemerkte Pamela trocken.Sophies Miene trübte sich bei diesem Nachsatz.Pamela drückte ihre behandschuhte Hand. »Verschwende

an den Schuft keinen weiteren Gedanken. Wenn wir die Be-lohnung des Herzogs nicht bekommen können, werden wir es einfach noch einmal mit der Bühne versuchen.«

Sophies zarte Nasenfl ügel bebten, als sie wenig hoffnungs-voll schnaubte. »Dann sind wir dazu verdammt, in der Gosse zu verhungern.«

Während ihre Schwester sich wieder hinter ihre Zeitschrift zurückzog, um Trübsal zu blasen, lehnte Pamela sich mit ei-nem Seufzen in die zerschlissenen Polster zurück. Sie war am Ende sowohl mit ihren überzeugenden Argumenten als auch mit ihrer guten Laune. So schön ihre Mutter auch gewesen war, unseligerweise hatte es ihr an praktischem Verstand ge-mangelt. Nachdem Pamela von dem Anwalt erfahren hatte, dass sie beinahe mittellos waren, hatten Pamela und Sophie versucht, sich ihren Lebensunterhalt auf die einzige Art und Weise zu verdienen, die sie kannten: auf der Bühne. Aber ihr bislang einziger Versuch auf den Brettern, die die Welt bedeuten, hatte triumphal begonnen und katastrophal ge-endet.

Sophies ätherische Schönheit hatte das Publikum wie er-hofft in Bann geschlagen – als sie die Bühne betrat, hatten alle entzückt nach Luft geschnappt. Aber der Bann war jäh gebrochen worden, als Sophie den Mund geöffnet und ihre

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Zeilen so hölzern vortragen hatte, dass ein Kritiker sich zu der Bemerkung hatte hinreißen lassen, der Intendant hät-te sie besser in einen Sarg nageln sollen, um ihren Auftritt zu verhindern. Alle ihre schönen Träume von Ruhm und Reichtum waren in einem Hagel verdorbenen Gemüses und lauter Buhrufe zerplatzt. Sie waren gezwungen gewesen, ihre Habseligkeiten noch in derselben Nacht zu packen und vor der wütenden Menge zu fl iehen.

Seitdem waren sie ständig unterwegs gewesen. Wenn sie nicht bald eine Möglichkeit fanden, ihre Taschen zu füllen, ehe sie nach London zurückkehrten, würde ihr nächstes Gastspiel nicht im Theater, sondern im Armenhaus statt-fi nden.

Pamela blickte aus dem Kutschenfenster in die düstere Dämmerung. Es stand noch mehr auf dem Spiel, als So-phie ahnte. Aber sie konnte es nicht ertragen, ihre Schwester mit der hässlichen Wahrheit zu belasten. Wolken zogen wie Schatten ihrer Ängste über die Spitzen der Berge in der Fer-ne. Sie war zu müde, länger darüber nachzugrübeln, und ließ sich vom Schaukeln der Kutsche in einen rastlosen Schlum-mer wiegen.

Pamela erwachte von den Geräuschen, die sie in den ver-gangenen Jahren in zahllosen Theateraufführungen gehört hatte – dem Knall einer Pistole gefolgt von dem kühnen Ruf: »Stehen bleiben. Geld oder Leben!«

»Hast du daran gedacht, den Blitztopf anzuzünden, So-phie?«, murmelte sie verschlafen, ohne die Augen zu öffnen. »Und denk auch daran, den Vorhang fallen zu lassen, wenn der Schurke besiegt ist.«

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Sie schmiegte sich tiefer in die Polster, um wieder ihren Träumen nachzuhängen, als sie hart an der Schulter gepackt wurde und jemand sie heftig schüttelte. »Pamela! Pamela, wach auf! Wir werden überfallen.«

Pamela riss die Augen auf und schaute in das entsetzte Gesicht ihrer Schwester.

Die Kutsche schaukelte nicht länger, sondern war schwan-kend zum Stehen gekommen. Eines der Pferde wieherte unruhig, dann herrschte unheilschwangere Stille. Inzwi-schen war es draußen völlig dunkel, und hinter dem Fenster herrschte samtige Nacht.

Pamela schnappte nach Luft. Was, wenn sie sich nicht län-ger darauf verlassen konnten, dass der Kutscher ihr Leben und ihre Tugend verteidigen würde? Was, wenn er leblos auf der Straße lag, ein Loch in der mageren Brust?

Sie schluckte ihr Entsetzen hinunter, legte sich einen Fin-ger auf die Lippen und umklammerte Sophies behandschuh-te Hände. Verängstigt kauerten sie nebeneinander, hielten den Atem an und lauschten.

Die Stille schien zu wachsen, undurchdringlich zu werden. Schließlich aber wurde sie gebrochen von Schritten, die sich der Kutsche näherten. Vielleicht war es ja bloß der Kutscher, der kam, um ihnen zu sagen, dass alles in Ordnung sei, fl ehte Pamela innerlich. Dass der Pistolenschuss und der Ruf, der ihr das Blut in den Adern hatte erstarren lassen, nicht mehr als ein missratener Streich von Dorfjungen gewesen war, die mehr Übermut als Verstand hatten.

Aber die gedämpften Schritte schienen diesen Gedanken zu verhöhnen. Man brauchte Übung und geschmeidige Be-wegungen, um eine so steinige Straße zu bewältigen, ohne

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einen einzigen Stein anzustoßen. Und jeder, der diese Fä-higkeit erworben hatte, konnte genauso gut einem Mann die Kehle aufschlitzen, um an dessen Geldbeutel zu kommen, oder mitten in der Nacht in das Schlafgemach einer Frau schleichen, ihr mit einer Hand den Mund zuhalten und ihr seinen Willen aufzwingen.

Da es ganz den Anschein hatte, als würden sie dem un-aufhaltsamen Nahen der Schritte ohnehin nicht entkommen können, entzog sie ihrer Schwester ihre Hand, nachdem sie Sophies ein letztes Mal tröstend gedrückt hatte, und fasste in ihr Retikül. Ihre Finger schlossen sich um den schweren Griff des Gegenstandes, der sich darin befand, und hörten auf zu zittern.

Die Schritte verstummten ebenfalls und machten einer Stille Platz, die noch furchteinfl ößender war.

Pamela schob Sophie mit ihrem freien Arm hinter sich; dann wartete sie darauf, dass der Kutschenschlag aufgeris-sen würde, dass ein Arm hineinfassen, sie packen und grob herauszerren würde.

Langsam knarzend öffnete sich die Kutschentür. Von ihrem Angreifer war nichts zu sehen, nur ein gähnender Spalt tat sich in die Dunkelheit auf, die sie zu verschlingen drohte.

Dann erklang aus der Finsternis eine Stimme, die in dro-hendem Ton erklärte: »Ich weiß, dass Sie da drin sind. Ich kann Sie atmen hören. Kommen Sie mit erhobenen Händen heraus, oder ich schieße Sie geradewegs in die Hölle.«

Pamela konnte spüren, wie Sophie sich verängstigt gegen ihren Rücken presste und zitterte wie ein kleines Vöglein, das in die Klauen eines furchtbaren Raubtieres geraten war. Und

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genau diese Angst ihrer Schwester war es, die ihr den Mut verlieh, die Lippen zusammenzupressen und die Schultern zu straffen. Dieser gesichtslose Schurke konnte ihr vielleicht das Leben nehmen und die Tugend rauben, aber es gab eine Sache, die sie schon immer ohne Hilfe anderer hatte verlieren können: ihre Geduld.

Ohne sich weiter um Sophies verzweifelten Griff nach ihren Röcken zu kümmern, stand sie auf und sprang aus der Kutsche.

Sie stolperte über den Saum ihrer Pelisse, fi ng sich aber gleich wieder, richtete sich auf und rückte mit einer empörten Geste ihren verrutschten Hut zurecht. »Wer, um Himmels willen, hat denn Ihren Text geschrieben, Sir? Ich habe noch nie einen so grässlichen Mumpitz gehört: ›Stehen bleiben‹ und ›Geld oder Leben‹? ›Kommen Sie mit erhobenen Händen he-raus, oder ich schieße Sie geradewegs in die Hölle.‹ Sie würden nicht eine einzige Vorstellung in der Drury Lane überstehen! Da würde der Vorhang fallen, noch ehe der erste Akt zu Ende wäre. Ist Ihnen noch nie der Gedanke gekommen, dass Sie einen viel überzeugenderen Bösewicht abgäben, wenn Sie nicht so schrecklichen Schwachsinn reden würden?«

Als Pamela langsam wieder zur Vernunft kam, merkte sie, dass sie dicht vor dem gesichtslosen Schatten stand. Einem gesichtslosen Schatten, der sie um mehr als einen Fuß über-ragte. Die beeindruckende Breite seiner Schultern verdeckte das Licht des aufgehenden Mondes.

Sein Schweigen war eine eigene Waffe, so wirksam, dass sie beinahe aus der Haut gefahren wäre vor Schreck, als er schließlich sagte: »Was wäre Ihnen lieber, Mädchen? Soll ich Sie erst in die Hölle schießen und später den Schwachsinn

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von mir geben? Ich fürchte, ohne Publikum, das es zu schät-zen weiß, wäre es noch weit weniger überzeugend.«

Sein spöttisches Brummen war so rau wie Sackleinen, aber zugleich so weich wie Samt. Es war, als striche er mit der Blüte und dem stacheligen Stiel einer Rose zugleich über ihre bebende Haut.

Pamela wich ein Stück zur Seite, wollte seine Aufmerk-samkeit von der Kutsche und Sophie ablenken. Aber die Bewegung bereute sie sogleich, als auch er sein Gewicht ver-lagerte, wobei das Mondlicht auf den schimmernden Lauf seiner Pistole fi el. Die Waffe lag in seiner Hand, als sei er dazu geboren, sie zu halten.

Zu spät erinnerte sie sich wieder an den armen Kutscher. Sie schaute nach vorne auf den Kutschbock und entdeck-te ihn dann ausgestreckt auf der Straße liegend, so wie sie es insgeheim befürchtet hatte. Ein entsetzter Ausruf ent-schlüpfte ihr. Sie hob ihre Röcke und machte unwillkürlich einen Schritt in seine Richtung.

Der Straßenräuber verstellte ihr sogleich den Weg, und seine lautlosen Bewegungen waren drohender als der Ruf jedes anderen Mannes. »Er ist nicht tot. Nicht lange, und er hat sich wieder erholt. Ihm bleiben höchstens eine schmer-zende Beule am Kopf und eine Geschichte, die er seinen Kumpanen in der Dorfkneipe erzählen kann, während sie ihm ein paar Pints Ale ausgeben.«

Wie um seine Worte zu beweisen, regte sich der Kutscher und ließ ein schwaches Stöhnen hören. Pamela schaute wie-der zum Kutschbock. Seine Muskete steckte immer noch ordentlich in der Halterung. Er hatte offensichtlich gar keine Chance gehabt, sie zu ziehen.

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Die Erleichterung machte sie kühn genug, den Räuber empört anzustarren. »Einen feinen Beruf haben Sie sich da gewählt, Sir! Alte Männer angreifen und hilfl ose Frauen einschüchtern.«

Er trat einen Schritt nach vorn und stand nun so dicht vor ihr, dass sie die Wärme spüren konnte, die sein Körper unter dem Stoff seines Hemdes ausströmte. »Sie scheinen mir nicht sonderlich eingeschüchtert, Mädchen. Oder gar hilfl os.«

In Wahrheit war sie gelähmt vor Angst. Aber sie verbarg ihre Furcht hinter einem empörten Schnauben. »Ich habe einfach noch nie einen Tyrannen dulden können.«

»Und was veranlasst Sie zu glauben, ich hätte mir diesen Beruf gewählt?« Seine Stimme war spöttisch und gleichzeitig beinahe zärtlich, sodass ihr ein Schauer über den Rücken lief. »Was, wenn er mir von einem grausamen Schicksal aufgenö-tigt wurde?«

»Wir alle müssen Entscheidungen treffen, wenn wir Herr über unser eigenes Schicksal sein wollen.«

»Und sind Sie Herrin Ihres Loses?«Seine boshaften Worte trafen unerwartet schmerzlich ins

Ziel. Nach dem Tod ihrer Mutter hatte sie rasch entdeckt, dass eine Frau ohne Geld und ohne männlichen Beschützer der Gnade dieser Welt schutzlos ausgeliefert war. Alles, was sie tun konnte, war zuzusehen, wie eine Möglichkeit nach der anderen – zusammen mit ihren Träumen – wie Seifenblasen in der Luft zerplatzte.

Selbst solange ihre Mutter noch gelebt hatte, war Pamela den quecksilbrigen Launen ihrer Mutter und den Bedürfnis-sen und Forderungen ihrer jüngeren Schwester ausgeliefert gewesen. Es war immer ihre Aufgabe gewesen, die Scherben

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des zahllose Male gebrochenen Herzens ihrer Mutter aufzu-heben, das Geld zusammenzukratzen und sich nächtelang den Kopf zu zerbrechen, um zu verhindern, dass die Familie auf der Straße landete, wenn ihre Mutter zwischen zwei The-aterproduktionen ohne Engagement war und ihre Liebhaber verschwanden.

»Im Augenblick nicht«, gab sie zu. »Aber andererseits bin nicht ich diejenige mit einer Pistole in der Hand.«

»Was, wenn es aber so wäre? Wären Sie dann etwa bereit, sich dem ersten Mann – oder der ersten Frau – zu ergeben, die Sie als brutalen Tyrannen bezeichnet? Vielleicht habe ich meine Wahl schon vor langer Zeit getroffen, als ich erkannte, dass ich hungrig und barfüßig war, während die Engländer und ihre Taschen immer dicker wurden von den Reichtü-mern, die rechtmäßig den Schotten gehören.«

»Aber sicherlich müssen Sie doch einsehen, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis Sie für Ihre Missetaten vor Gericht gestellt werden.«

»Wenn ein Engländer einem Schotten das Land raubt und die Würde, dann ist das sein von Gott gegebenes Recht. Wenn jedoch ein Schotte einem Engländer die Börse ab-nimmt, dann ist er ein dreckiger räuberischer Verbrecher.« Im Schutz der Dunkelheit schnaubte der Gesetzlose. »Wo liegt da die Gerechtigkeit?«

Pamela klatschte ironisch. »Bravo, Sir. Ich habe mich in Ihnen geirrt. Ihre Leidenschaft verleiht Ihrem Monolog eine rührende Note von Überzeugung. Wenn Ihre Waffe nicht zufällig auf mein Herz gerichtet wäre, wäre ich vielleicht so-gar in Versuchung geführt, Ihrem noblen Versuch, mich um meine Börse zu erleichtern, Beifall zu zollen.«

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Er überraschte sie, indem er langsam die Pistole sinken ließ. Seltsamerweise wirkte er dadurch kein bisschen weniger bedrohlich. Ihr Herz begann, schneller zu klopfen. Vielleicht hatte er beschlossen, sie als Strafe für ihren Hohn mit bloßen Händen zu erwürgen. Sie konnte seine Augen nicht erken-nen, aber sie konnte seinen Blick auf ihrer Haut spüren – so deutlich wie eine Berührung. Angesichts seiner ganzen edlen Reden über die Unterdrückung der Schotten hätte sie gedacht, dass er einen Kilt trüge und ein schimmerndes Clay-moreschwert oder wenigstens einen Dudelsack. Aber er war ganz in Schwarz gekleidet – und die einheitlich dunkle Farbe seines Hemdes, seiner Hose und seiner Stiefel machte ihn beinahe unsichtbar in der Nacht.

Sie trat probehalber einen Schritt zurück, dann noch einen. Er folgte ihr, ahmte jede Bewegung nach. Sie wich weiter zu-rück, fragte sich insgeheim, wie sie diesen gefährlichen Tanz zu ihrem Vorteil nutzen konnte. Wenn sie ihn weiter von der Kutschentür weglocken konnte, wäre Sophie vielleicht klug genug, nach draußen zu schlüpfen, fortzulaufen und Hilfe zu holen.

Oder um ihr Leben zu rennen.Pamela warf einen Blick über ihre Schulter auf die aus-

ladenden Äste der Kiefern, die den steinigen Weg säumten. Es gab nur einen sicheren Weg, ihn abzulenken. Nur eine Chance für Sophie zu fl iehen.

Sie wusste, dass es ihr durchaus eine Kugel im Rücken einbringen könnte, aber dennoch wirbelte Pamela herum, um wegzulaufen.

Aber sie hatte kaum zwei Schritte gemacht, als der Stra-ßenräuber sie am Handgelenk packte und sie grob zu sich

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zerrte, sodass sie ihn ansehen musste. Sie stolperte über einen Stein und taumelte gegen seine breite unnachgiebige Brust. Sie schüttelte sich das Haar aus dem Gesicht und legte den Kopf in den Nacken, um ihn wütend anzufunkeln, und Empörung verdrängte einmal mehr ihre Angst.

Zum ersten Mal schien ihm der Mond ins Gesicht.Pamela erstarrte, und alle Gedanken an Flucht zerstoben.Die schmalen Schlitze in seiner schwarzen Halbmaske aus

Leder zeigten Augen, die so silberhell waren wie der Mond-schein; Pamela stand nahe genug, um jede einzelne Wimper zählen zu können, die sie umrahmten. Seine Nase war kräftig, aber leicht schief, vermutlich von einer oder mehreren Wirts-hausprügeleien, die er wahrscheinlich selbst angezettelt hatte.

Obwohl es für ihn keine Kraftanstrengung sein konnte, sie mit einer Hand festzuhalten, ging sein Atem schwer, und sein Kinn war vorgeschoben, als müsse er einen inneren Kampf mit sich ausfechten.

Es war ein festes Kinn, und seine rechte Wange zierte ein unerwartetes Grübchen. Im Augenblick war sein Mund zu einer grimmigen Linie zusammengepresst, aber es fi el Pame-la nicht schwer, sich die verheerende Wirkung vorzustellen, die dieses Grübchen auf das Herz einer Frau haben würde, sollte er sich zu einem Lächeln hinreißen lassen.

Ihr stockte der Atem. Sie war einfach unfähig, seinem Charme zu widerstehen, so wie vorhin, als sie vor dem Plakat mit seinem Bild gestanden hatte. Es ließe sich sicher einwen-den, dass die grobe Zeichnung jeden hätte darstellen können, aber Pamela hätte ihn überall wiedererkannt.

Er verharrte reglos, wie eine Statue aus Granit, während sie eine Hand hob und mit den Fingerspitzen behutsam über

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seine Wange strich. Das Plakat hatte sich kalt angefühlt; seine Wange war warm und rau vom Bartwuchs.

Er sog hörbar Luft in seine Lungen.»Ich habe das Plakat im Dorf gesehen«, gestand sie und

hob ihren Blick zu seinen Augen. »Wenn sie Sie fangen, wer-den Sie gehängt.«

»Dann ist es vielleicht langsam an der Zeit, dass ich etwas stehle, wofür es sich zu hängen lohnt«, erwiderte er, und sei-ne Stimme war nicht mehr als ein leises Brummen, das sie bis in die Zehenspitzen hinein spürte.

»Was zum Beispiel?«, fragte sie fl üsternd.Er ließ seinen Blick zu ihren Lippen wandern und gab ihr

die Antwort, die sie einerseits fürchtete, nach der sie sich aber auch zugleich sehnte.

Sein Griff um ihr Handgelenk wurde sanfter. Sein schwie-liger Daumen rieb zärtlich über ihren jagenden Puls. Er schloss die Augen und senkte den Mund auf ihren. Seine Lippen waren nicht länger grimmig, sondern weich und ein-ladend warm. Er rieb sie über ihre mit einer Zärtlichkeit, die viel gefährlicher war als rohe Gewalt.

Pamela war wohl vertraut mit der Kunst des Bühnenkus-ses, der leidenschaftlich wirken sollte, ohne das Gefühl tat-sächlich zu wecken. Man erreichte es mit einer ganz leichten Berührung der Lippen – artig und trocken, ohne dass Herzen und Seelen verschmolzen.

Das war der Grund, weshalb es sie derart erschreckte, als der Straßenräuber kühn und fordernd ihre Lippen mit seiner Zunge liebkoste. Da war nichts Artiges oder Trockenes an diesem Kuss. Seine Zunge umspielte ihre – schmeckte sie, neckte sie, folterte sie – drängte sie, ihn tiefer in sich aufzu-

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UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE

Teresa Medeiros

Ungezähmtes VerlangenRoman

DEUTSCHE ERSTAUSGABE

Taschenbuch, Broschur, 400 Seiten, 12,5 x 18,3 cmISBN: 978-3-442-37282-9

Blanvalet

Erscheinungstermin: März 2010

Wunderbar sinnlich, romantisch und heiter Die bezaubernde Pamela Darby braucht dringend einen Mann. Da kommt ihr der attraktiveStraßenräuber Connor Kincaid gerade recht. Er schlägt in den halsbrecherischen Handel ein.Doch Pamela hat nicht mit der verführerischen Sinnlichkeit ihres schottischen Lockvogelsgerechnet …