Test Hahl Gitano aus AG 6-99

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66 AKUSTIK GITARRE 6/99 DURCH GECHECKT Fotos (4): Schuhmann Z unächst aber ein kleiner einleitender historischer Exkurs. Das Design stammt, wie so viele bedeutende Neue- rungen, bereits aus den 30er Jahren. Diesmal nicht einer rührigen Konstruktionsabteilung eines großen amerikanischen Unternehmens entsprungen, sondern allein den Überle- gungen und persönlichen Wünschen eines italienischen Konzertgitarristen: Mario Mac- caferri. Wenngleich dieser den Eingang in die Welt der Gitarre zunächst über eine Ausbil- dung zum Gitarrenbauer fand, wurde seine Tätigkeit als Konstrukteur doch zunächst durch eine Karriere als Konzertgitarrist vor- gelegt. Mit seinem Umzug nach London im Jahre 1929 änderte sich dies allerdings, als er seine selbst entworfene und gebaute Gitarre der Firma Selmer präsentierte. Maccaferris Design gefiel, und so einigte man sich auf eine Zusammenarbeit. Allerdings war diese nur von kurzer Dauer, denn bereits nach etwa einem Jahr trennte man sich wieder. Selmer/Paris baute dieses Design noch für weitere 19 Jahre, änderte aber 1934 den Hals- Korpus-Übergang auf den 14. Bund und ver- kleinerte das D-Loch auf ein schmales Oval. Konstruktion Beiden Gitarren gemeinsam ist die äußerst kompakte und eigenständige Formgebung mit einem flach gehaltenen Cutaway (Korpusaus- schnitt), der einen komfortablen Zugang zu den oberen Bünden bietet. Sehr angenehm, gerade bei einem Halsansatz am 12. Bund. Auch die Formgebung des Schalllochs ist identisch. Wie beim Halsansatz entschied sich Gitarrenbauer Ste- fan Hahl für eine Orientierung am Ursprungsmodell. So findet sich die sowohl akustisch wie auch optisch ungemein reizvolle Variante eines Schalllochs in der Form eines großen D. Wird durch den Halsansatz am 12. Bund bereits der Steg mehr zur Mitte hin platziert, vergrößert das D-Loch die vor dem Steg liegende Schwingungsfläche. Swingtime HAHL „GITANO SWING CLASSIC & GITANO CLASSIC DE LUXE“ Von Wolfgang Niemann Wer meint, er kenne schon alles, wird beim Anblick und einem persönlichen Antesten dieser beiden Gitarren angenehm und effektvoll überrascht. Ist das Design nicht unbedingt neu und manchem auch wohl geläufig, stutzt man doch bei näheren Hinsehen: Beide Gitarren sind mit Nylonstrings besaitet, die ihren Halt wie selbstverständlich an einem klassischen Knüpfsteg finden. Darüber hinaus wird zusätzlich die Statik dieses sensiblen Deckenbereichs positiv beeinflusst. An dieser Stelle enden nun die Gemeinsamkeiten. Wird bei der Hahl „Gi- tano Swing Classic“ der Korpus aus Fichte (30 Jahre abgelagerte Alpenfichte mit „Silk- Effekt“) für die Decke und aus Riegelahorn (ausdrucksstark geflammt) für Boden/Zarge gefertigt, findet man bei der „Gitano Classic“ für diese Komponenten kanadische Rotzeder (Mastergrade, 30 Jahre abgelagert) und mas- sives Rio-Palisander. Letzteres ist mittlerweile ein nur noch sehr schwierig erhältliches Tonholz; optisch und akustisch ein Genuss. Auch die Hälse unterscheiden sich sowohl bei den verwendeten Hölzern, beim Griff- brett und bei der Anzahl der Bünde wie auch bezüglich der Maße. Die „Swing Classic“ hat einen Hals aus Ahorn mit einer Mittelfuge aus französischem Walnuss, versehen mit einem Ebenholz-Griffbrett, in das 24 Bün- de sauber eingelassen sind. Die letzten vier Bünde stehen einem allerdings nur für die oberen drei Saiten zur Verfügung. Dem Ur- sprungsmodell entsprechend findet man zur Orientierung in das Griffbrett eingelassene Perlmuttpunkte mit dezenter Entsprechung auf der Griffbrettkante. Traditionell auch die Holzauswahl für die „Classic De Luxe“. Ver- wendet wurde hier sehr gleichmäßig und fein gemasertes Mahagoni, ebenfalls mit einer Mittellage aus französischem Walnussholz versehen. Als Material findet sich für das Griffbrett fein strukturiertes Ebenholz, in das bei der „Classic De Luxe“ „nur“ 20 Bünde ein- gelassen wurden. Folglich endet das Griffbrett in einer schönen Verrundung am Schallloch. Bis auf seitlich am 5. und 7. Bund eingelassene Punkte finden sich keine weiteren Orientie- rungsmöglichkeiten. Ganz in der klassischen Bauweise von Konzertgitarren. Beide Hälse sind einteilig gefertigt, sieht man einmal von dem angeleimten Halsfuß ab. Doch auch die „inneren Werte“ dieser beiden vermeintlich gleichen Gitarren unterscheiden sich. Stefan Hahl orientiert sich bei der „Swing Classic“ am Ursprungsmodell Maccaferris‘. Dessen Beleistung der Decke ist – wenn auch mit Anlehnung an die klassische Fächerbelei- stung von Antonio Torres - deutlich spezieller. Dennoch ist die Auslegung der auf der glei- chen Grundidee der „Classic De Luxe“ mehr an den Hahl-eigenen Solistenkonzertgitarren angelehnt. Auffallend ist die leichte Wölbung von Decke und Boden. Erreicht wurde diese durch eine geringfügige äußere Abflachung der Innenbeleistung und eine unter leichter Spannung durchgeführte Verleimung von Decke, Boden und Innenverstrebungen. Ein alter „Geigenbauertrick“, der nicht nur die Statik verbessert, sondern auch Lautstärke und Durchsetzungskraft erhöht. Klang- und Spieleigenschaften Das von Maccaferri erdachte Design ist in der Tat wirklich als äußerst komfortabel zu bezeichnen. Beide Gitarren liegen perfekt ausbalanciert auf dem Bein, nicht zuletzt auch Toller Ton, variabel einsetzbar: die Hahl „Gitano Swing Classic“ Großer Ton, neue Wege: die Hahl „Gitano Classic De Luxe“ Exzellente Hölzer

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66 AKUSTIK GITARRE 6/99

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Zunächst aber ein kleiner einleitender historischer exkurs. Das Design stammt, wie so viele bedeutende Neue-

rungen, bereits aus den 30er Jahren. Diesmal nicht einer rührigen konstruktionsabteilung eines großen amerikanischen unternehmens entsprungen, sondern allein den Überle-gungen und persönlichen Wünschen eines italienischen konzertgitarristen: Mario Mac-caferri. Wenngleich dieser den eingang in die Welt der gitarre zunächst über eine Ausbil-dung zum gitarrenbauer fand, wurde seine tätigkeit als konstrukteur doch zunächst durch eine karriere als konzertgitarrist vor-gelegt. Mit seinem umzug nach London im Jahre 1929 änderte sich dies allerdings, als er seine selbst entworfene und gebaute gitarre der Firma Selmer präsentierte. Maccaferris Design gefiel, und so einigte man sich auf eine Zusammenarbeit. Allerdings war diese nur von kurzer Dauer, denn bereits nach etwa einem Jahr trennte man sich wieder. Selmer/Paris baute dieses Design noch für weitere 19 Jahre, änderte aber 1934 den hals-korpus-Übergang auf den 14. Bund und ver-kleinerte das D-Loch auf ein schmales Oval.

KonstruktionBeiden gitarren gemeinsam ist die äußerst kompakte und eigenständige Formgebung mit einem flach gehaltenen cutaway (korpusaus-schnitt), der einen komfortablen Zugang zu den oberen Bünden bietet. Sehr angenehm, gerade bei einem halsansatz am 12. Bund. Auch die Formgebung des Schalllochs ist

identisch. Wie beim halsansatz entschied sich gitarrenbauer Ste-fan hahl für eine Orientierung am ursprungsmodell. So findet sich die sowohl akustisch wie auch optisch ungemein reizvolle Variante eines Schalllochs in der Form eines großen D. Wird durch den halsansatz am 12. Bund bereits der Steg mehr zur

Mitte hin platziert, vergrößert das D-Loch die vor dem Steg liegende Schwingungsfläche.

SwingtimehAhL „gitANO SWiNg cLASSic & gitANO cLASSic De Luxe“

Von Wolfgang Niemann

Wer meint, er kenne schon alles, wird beim Anblick und einem persönlichen Antesten dieser beiden Gitarren angenehm

und effektvoll überrascht. Ist das Design nicht unbedingt neu und manchem auch wohl geläufig, stutzt man doch bei

näheren Hinsehen: Beide Gitarren sind mit Nylonstrings besaitet, die ihren Halt wie selbstverständlich an einem

klassischen Knüpfsteg finden.

Darüber hinaus wird zusätzlich die Statik dieses sensiblen Deckenbereichs positiv beeinflusst. An dieser Stelle enden nun die gemeinsamkeiten. Wird bei der hahl „gi-tano Swing classic“ der korpus aus Fichte (30 Jahre abgelagerte Alpenfichte mit „Silk-effekt“) für die Decke und aus riegelahorn (ausdrucksstark geflammt) für Boden/Zarge gefertigt, findet man bei der „gitano classic“ für diese komponenten kanadische rotzeder (Mastergrade, 30 Jahre abgelagert) und mas-sives rio-Palisander. Letzteres ist mittlerweile ein nur noch sehr schwierig erhältliches tonholz; optisch und akustisch ein genuss. Auch die hälse unterscheiden sich sowohl bei den verwendeten hölzern, beim griff-brett und bei der Anzahl der Bünde wie auch bezüglich der Maße. Die „Swing classic“ hat einen hals aus Ahorn mit einer Mittelfuge aus französischem Walnuss, versehen mit einem ebenholz-griffbrett, in das 24 Bün-de sauber eingelassen sind. Die letzten vier Bünde stehen einem allerdings nur für die oberen drei Saiten zur Verfügung. Dem ur-sprungsmodell entsprechend findet man zur Orientierung in das griffbrett eingelassene Perlmuttpunkte mit dezenter entsprechung auf der griffbrettkante. traditionell auch die holzauswahl für die „classic De Luxe“. Ver-wendet wurde hier sehr gleichmäßig und fein gemasertes Mahagoni, ebenfalls mit einer Mittellage aus französischem Walnussholz versehen. Als Material findet sich für das griffbrett fein strukturiertes ebenholz, in das

bei der „classic De Luxe“ „nur“ 20 Bünde ein-gelassen wurden. Folglich endet das griffbrett in einer schönen Verrundung am Schallloch. Bis auf seitlich am 5. und 7. Bund eingelassene Punkte finden sich keine weiteren Orientie-rungsmöglichkeiten. ganz in der klassischen Bauweise von konzertgitarren. Beide hälse sind einteilig gefertigt, sieht man einmal von dem angeleimten halsfuß ab. Doch auch die „inneren Werte“ dieser beiden vermeintlich gleichen gitarren unterscheiden sich. Stefan hahl orientiert sich bei der „Swing classic“ am ursprungsmodell Maccaferris‘. Dessen Beleistung der Decke ist – wenn auch mit Anlehnung an die klassische Fächerbelei-stung von Antonio torres - deutlich spezieller. Dennoch ist die Auslegung der auf der glei-chen grundidee der „classic De Luxe“ mehr an den hahl-eigenen Solistenkonzertgitarren angelehnt. Auffallend ist die leichte Wölbung von Decke und Boden. erreicht wurde diese durch eine geringfügige äußere Abflachung der innenbeleistung und eine unter leichter Spannung durchgeführte Verleimung von Decke, Boden und innenverstrebungen. ein alter „geigenbauertrick“, der nicht nur die Statik verbessert, sondern auch Lautstärke und Durchsetzungskraft erhöht.

Klang- und SpieleigenschaftenDas von Maccaferri erdachte Design ist in der tat wirklich als äußerst komfortabel zu bezeichnen. Beide gitarren liegen perfekt ausbalanciert auf dem Bein, nicht zuletzt auch

Toller Ton, variabel einsetzbar: die Hahl „Gitano Swing Classic“

Großer Ton, neue Wege: die Hahl „Gitano Classic De Luxe“

Exzellente Hölzer

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Technische Daten

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ANzEIGE

durch die schlanke kopfplatte. trotz ih-rer massiven hals-maße liegen beide hälse angenehm in der hand. Aber an dieser Stelle sei

darauf hingewiesen, dass bei hahl – ähn-

lich einer Bestellung von Maßschuhen – jede gitarre dem Musiker „in die hand“

gebaut wird. Alle Wün-sche bezüglich Mensur

und halsmaßen so-wie bestimmte hol-zoptionen (siehe technische Daten) werden berücksich-tigt. So ist es auch

nicht als unbedingt repräsentativ anzuse-

hen, dass der hals der „gitano Swing classic“

mit einem Maß von 52/62 (Sattel/12. Bund) deutlich breiter und gewöhnungsbedürftiger ist als der der „classic De Luxe“ (48/58). Die Saitenlage ist ausreichend komfortabel einge-stellt, ein Ansetzen der Saiten, auch bei star-kem Anschlag, ist nicht der Fall. und auch hier ist eine einstellung des instruments auf die individuellen Vorstellungen des Musikers möglich. tonlich kann man beiden instru-menten die erfüllung hoher Ansprüche be-scheinigen. Beiden instrumenten ist gemein,

dass der ton schnell und leicht anspricht, lange ausklingt und sich beim Ausschwingen feine Obertöne dem grundton zumischen und so für eine angenehme Farbigkeit und Frische des klanges sorgen. Über den Sinn der griffbrett-erweiterung bei der „gitano Swing classic“ lässt sich sicherlich streiten, da Nylonsaiten nun einmal umso schlechter schwingen, je mehr sie verkürzt werden. Aber kann es schaden? Der eine oder andere wird es vielleicht nutzen. in einem unmittelbaren Vergleich merkt man schließlich, weshalb rio-Palisander die erste Wahl für hochwerti-ge gitarren ist. So weist der ton der „classic DeLuxe“ noch ein Quäntchen mehr an ele-ganz, klarheit und tiefe auf. Doch Sensibili-

Modell „Gitano Swing Classic“Herkunft DeutschlandDecke Alpenfichte, massiv,Korpus Riegelahorn, Boden und Zargen massiv,Hals Ahorn/franz. Walnuss, 3-tlg.Bindings MahagoniGriffbrett EbenholzMensur 650 mmAnzahl der Bünde 24Halsbreite Sattel 52 mmHalsbreite 12. Bund 62 mm Mechaniken Schaller „Gold“Lackierung Nitrocellulose, Hochglanzempf. Verkaufspreis 6.200,- DM inkl. LuxuskofferOptionen Decke: Fichte o. Zeder, Boden/Zargen: Ahorn o. ostindischer Palisander, Hals: Ahorn o. Mahagoni, „De Luxe“- Ausführung: Rio-Palisander massiv für Boden/Zarge, Mensur, Halsbreite, Tonabnehmer-System (Aufpreis)

Modell „Gitano De Luxe“Herkunft DeutschlandDecke kanadische Rotzeder, massiv,Korpus Rio-Palisander, Boden und Zargen massiv,Hals, Mahagoni/franz. Walnuss, 3-tlg.Bindings Rio-PalisanderGriffbrett EbenholzMensur 650 mmAnzahl der Bünde 20Halsbreite Sattel 48 mmHalsbreite 12. Bund 58 mm Mechaniken Reischel „De Luxe“Lackierung Nitrocellulose, HochglanzEmpf. Verkaufspreis 8.900,- DM inkl. LuxuskofferOptionen Decke: Fichte o. Zeder, Mensur, Halsbreite, Griffbrett-Extension, Tonabnehmer-System (Aufpreis)

tät und Dynamik können beiden instrumen-ten bescheinigt werden. unterschiedliche An-schlagsarten werden sauber abgezeichnet und sind in der Dynamik gut zu kontrollieren.

FazitBeide instrumente bieten gitarrenbaukunst auf höchstem Niveau. eine überzeugende kombination aus besten tonhölzern, Lack, Leim und kunstvollem handwerk. Wem die klassische Nylonstring zu traditionell ist oder wer nach neuen tonlichen Ausdrucksmög-lichkeiten sucht, für den könnte es interes-sant sein, sich mit diesen beiden gitarren näher zu beschäftigen.

Weit in das Schallloch reichendes Griff-

brett

Cutaway