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TEXTBEGRIFF undTEXTUALITÄTSKRITERIEN

2014/2015

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Allgemeines• Es gibt keine verbindliche linguistische Definition von Text.• Texte sind schriftliche und mündliche sprachliche Einheiten,

die aus mehr als einem Satz bestehen (können).• „Sprachliche Organisationsform mit spezifischen

Struktureigenschaften - losgelöst von der Bindung an gewisse Inhalte." (Linke u.a. 1994, S.212).

• Eine formal abgrenzbare Art der Äußerung, die mehr als einen Satz umfasst, also eine Folge von Sätzen mit inhaltlichem Zusammenhang." (Gansel/Jürgens 2002, S.11).

Alltagssprachliche Definitionen: Schrift, Länge, Struktur, Inhalt

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de Beaugrande, Robert-Alain / Dressler, Wolfgang Ulrich: Einführung in die Textlinguistik. Tübingen 1981.

• Text als „kommunikative Okkurrenz (...), die sieben Kriterien der Textualität erfüllt. Wenn irgendeines dieser Kriterien als nicht erfüllt betrachtet wird, so gilt der Text als nicht kommunikativ. Daher werden nicht-kommunikative Texte als Nicht-Texte behandelt.“ (DE BEAUGRANDE / DRESSLER, 1981, S. 3.)

1. Textkohäsion2. Textkohärenz3. Intentionalität4. Akzeptabilität5. Informativität6. Situationalität7. Intertextualität

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1. Kohäsion• Art, wie die Komponenten des OBERFLÄCHENTEXTES

miteinander verbunden sind, … grammatische Formen und Konventionen ... K. beruht also auf GRAMMATISCHEN ABHÄNGIGKEITEN (ebd.)

• HEINZ VATER (21994:32): K. ist die grammatische Relation zwischen Einheiten des Textes. Sie tritt satzübergreifend auf.

Verweis durch Pronomina – Koreferenz (?)a. Paul hat mit Fritz gesprochen. Er kommt morgen.b. Paul hat einen neuen Roman geschrieben. Er ist wirklich

spannend.c. Paul ist mit Flocki zum Tierarzt gegangen. Er hat ihm eine

Spritze gegeben.

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1. KohäsionRekurrenzd. Paul hat angerufen. Paul kommt morgen.e. Die Katze hier gefällt mir besser als die Katze da.f. Zwei und zwei ist vier.g. Und läuft und läuft und läuft. (VW-Werbung)h. Grenzen Grenzen Grenzen Ein Bein Ein Bein Graben / Graben /

Ein Bein. (Kurt Schwitters, Beingrenzen)partielle R. – Graben – grub – Gräbergrab; - Wortbildung: Brüderchen und Schwesterchen; Gockel, Hinkel

und Gackeleia- Parallelismus: Blatt am Zweig, Zweig am Ast, Ast am Baum Rekurrenz als künstlerisches Mittel

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1. KohäsionEllipsei. „Ich liebe dich!“ – „Ich dich auch!“j. Asbest in Zollstocker Gesamtschule gefunden (Kölner Stadtanzeiger,

6.7.90:1) – Telegrammstil von Zeitungsüberschriftenk. Franz bestellte zwei und der Kellner brachte vier Eier.- oft strukturell bestimmbar, aber nicht immer- ≠ Aufschwellungk. Und der Haifisch, der hat Zähne, und die trägt er im Gesicht. (Brecht,

Haifischsong)

l. Veni, vidi, vici. [Ausspruch Caesars über seinen Sieg bei Zela, 47 v. Chr.] (bildungsspr.): das war ein überaus rascher Erfolg; kaum angekommen, schon erfolgreich.

m. Ich kam, sah und siegte.n. Mach auf! o. Gib her!

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1. KohäsionWortfolgep. LANGSAM SPIELENDE KINDER

LANGSAMSPIELENDE KINDER

Junktion (Konnektor, Konnektiv)q. Kahn kritisierte seinen Chef. Er wurde entlassen.temporal, kausal etc.Tempora

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2. KohärenzViele Autoren machen keinen Unterschied zwischen

Kohäsion und Kohärenz.• semantisch-kognitive Aspekte• pragmatische Zusammenhänge zwischen Sprechakten• Inhaltliche (d.h. kognitive) Zusammenhänge• Sinnkontinuität• Textwelt ist etwas „Kognitives“: Konzepte (Einheiten des Wissens)

und Relationen• Diskrepanz zwischen Konzept und Wissen, dann gibt es keine

Sinnkontinuität. Der betreffende Text ist für den Rezipienten sinnlos.

• Relationen von Konzepten („Eigenschaft/Besitzer von ...“)

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3. Intentionalität• gezieltes Handeln; Textrezipient unterstellt dem Texproduzenten,

dass dieser einen kohäsiven und kohärenten Text produzieren will bezieht sich auf Vorgänge der Textproduktion und Textrezeption verwenderzentriert

- wird häufig (z.B. H. Vater) als Textualitätskriterium kritisiert; I. Ist nicht textspezifisch, sondern Voraussetzung jeglicher Kommunikation

Textproduktion setzt als sprachliches Handeln Planung zwecks Situationslenkung voraus, Intentionalität v o r B e g i n n der Textproduktion und w ä h r e n d der Realisierung, z. B. auch durch Korrekturen. "In einem weiteren Sinn des Wortes bezeichnet Intentionalität alle Mittel, die Textproduzenten verwenden, um ihre Intentionen im Text zu verfolgen und zu realisieren." (Beaugrande/ Dressler 1981: 122)

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4. Akzeptabilität und 5. InformativitätAkzeptabilität• auch verwenderzentriert• wird auch kritisiert, eher Voraussetzung als Kriterium• Einstellung des Textrezipienten, einen kohäsiven und kohärenten Text zu

erwarten, der für ihn nützlich oder relevant ist.• Akzeptabilität bezieht sich außerdem auf die Angemessenheit der

verwendeten SprachmittelInformativität• Ausmaß der Erwartetheit / Unerwartetheit oder Bekanntheit /

Unbekanntheit / Ungewissheit sowie Wahrscheinlichkeit bzw. Unwahrscheinlichkeit der dargebotenen Textelemente

s. Rufen Sie uns an, bevor Sie graben. Später kommen Sie vielleicht nicht mehr dazu.

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Informativität – Beispiele (Beaugrande/Dressler 1981: 10-11)

• Das Meer besteht aus Wasser.• Das Meer besteht aus Wasser nur in dem Sinn, dass Wasser die

darin hauptsächlich vorkommende Substanz ist. Tatsächlich ist es eine Lösung aus Gasen und Salz, dazu kommt noch eine riesige Anzahl lebender Organismen […]

• Rufen Sie uns an, bevor Sie graben. Später kommen Sie vielleicht nicht mehr dazu.

• Rufen Sie uns an, bevor Sie graben. Bei Ihnen könnte ein Untergrundkabel liegen. Wenn Sie das Kabel durchreißen, haben sie keinen Anschluss mehr und Sie könnten sogar einen heftigen Elektroschock erleiden. Dann wären Sie nicht mehr in der Lage uns anzurufen.

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6. Situationalität und 7. IntertextualitätSituationalitätFaktoren, die einen Text für eine Kommunikationssituation

relevant machen. Zeit, Ort, Vorwissen, Weltwissen ...z.B. Vorlesung

Intertextualität – Texte stehen mit anderen Texten in Verbindung

o Bezug auf die Textsorte- Texte mit typischen Musterno Bezug auf andere Texte- Literatur, Werbung, Zeitungsüberschriften- Anspielungen

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Textinterne Kriterien: Kohäsion und KohärenzKommunikativ-pragmatische Prinzipien:Situationalität, Intentionalität, Informativität, AkzeptabiliätTextkonventionen: Textmuster, Textregularitäten, Textklassen • hängen nicht vom Sender ab„Man hat davon auszugehen, dass Texte immer von jemandem für jemanden mit

einer bestimmten Intention gemacht werden und dass das ‚Leben‘ der Texte davon abhängt, ob jemand sie als eine intentional und auf eine bestimmte Wirkung hin verfasste Mitteilung rezipiert und ihnen Sinn gibt. Andernfalls bleiben sie unabgeschlossene Entitäten.“ (FIX, ULLA: Text und Textlinguistik, in: JANICH 2008, 25)

Kulturalität als neues Kriterium?

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Text als prototypisches Konzept (SANDIG 2000:108)

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Beispieltexte

I. Kochanweisung für eine PilzsuppeInhalt der Packung in ¾ Liter kochendes Wasser

einrühren und aufwallen lassen. Bei geringer Wärmezufuhr 5 Minuten kochen und dabei gelegentlich umrühren.

Bitte beachten: Reste der Pilzsuppe nicht wieder aufwärmen.

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Beispieltexte

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aus: H. Vater 21994:46

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BeispieltexteII. Bericht eines Gastarbeiters

Klein, nicht viel Schule1; heute hundert Prozent besser Spanien; mein Sohn, zehn Jahre, immer Schule2, alle Schule3 … heute vier Schule4 neu, mein Dorf, eine Schule5 vielleicht hundert Kinder.

Analysieren Sie den Text unter den folgenden Gesichtspunkten: Pronominalisierung Ellipse Koreferenz von ‚Schule‘? Zeitverhältnisse

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Beispieltexte

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aus: H. Vater 21994:48

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Chat-Beispiel1 ***___Babsi (babsi@[...].snafu.de) has joined #berlin2 <THC> *huch* oma?3 <Lemmi> kass <--- guck nich so bloed4 *** Placebo sets mode: +o ___Babsi5 <__Babsi> naaaaaabend :)6 <THC> moin babs :)7 <kass> lemmi *stoss*8 <oma_de> hallo THC und hai auch babsi :)9 <Gronf> *kassauffress..schling*10 <__Babsi> ooooooomaaaaaaaa :))11 <kass> lemmi 8btwzustoss*12 <Lemmi> tach babsi, wie war die sonnenallee fete, biste mit mir13 zusammengestossen?14 <Gul_Maki> hoi babs15 <Gronf> hi Babsilain :)16 <__Babsi> oma: war nix mit gestern :((((17 <kass> gronf *kotz*18 *** Engelchen (˜laura@[...].aol.com) has left #berlin (Engelchen)19 <__Babsi> Hi Gronfi..biss ja auch da .)20 *** Hoogey has quit IRC (Connection reset by peer)21 <tooth> ((22 *** toth (+Jozo@[...].hr) has left #berlin (tooth)23 <THC> oma ist mnemo schon wieder da oder noch? *grins*24 <kass> oma *halloele*25 <Gronf> kass: hey.. reiher nich, wenn ich dir fresse :)26 <__Babsi> lemmi: war kalt *bibber*27 <Lemmi> kass <--- na sag mal, wenn das wer liest, ich mein dein ruf28 ist ja schnurz, aber meiner ,)))))))))))29 <kass> oma wie war die feia ?30 <oma_de> babsi: hab ich gemerkt :)31 <Gronf> __Babsi: aba latuernich :)32 <Lemmi> __Babsi <-- gabs noch keinen gluehwein?33 <Lemmi> rbw <-- noch am leben?34 <oma_de> kass: nett und ausgiebig :)

aus: Jens Runkehl/Peter Schlobinski/Torsten Siever, Sprache und Kommunikation im Internet, in: "Muttersprache", 2/1998

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Literatur• GANSEL, CHRISTINA und FRANK JÜRGENS (2002/22007): Textlinguistik und

Textgrammatik, Wiesbaden: Westdeutscher Verlag 2002; 2. überarb. u. ergänzte Aufl. Göttingen: Vandenhoeck&Ruprecht.– 1.3. Mekmale der Textualität, S. 23-34.

• LINKE, ANGELIKA, NUSSBAUMER, MARKUS u. PAUL R. PORTMANN (1994): Studienbuch Linguistik, Tübingen: Max Niemeyer Verlag.– 6.1. Vom Satz zum Text, S. 215-223.

• VATER, HEINZ (32001): Einführung in die Textlinguistik. Struktur und Verstehen von Texten. München: Fink (UTB).– 2. Textualität, S. 31-73.