Thai Pongal 2014 Frankfurter Neue Presse

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Wie Tamilen das neue Jahrbegrüßen450 Gäste feierten beim Fest des Bildungsvereins Thamilalayam Frankfurtim Bürgerhaus Enkheim

Die tamilische Diaspora-Gemeinde in Frankfurt und Umgebung ist großund lebendig. Um ihre Kultur fernab ihrer Heimat Sri Lanka zu bewahren,schicken viele Tamilen ihre Kinder auf die Sprachschule des tamilischenBildungsvereins im Dornbusch. Dieser feierte jetzt Thaipongal-Fest inEnkheim.

Bergen-Enkheim.

Selvaratnam Ratnaroopan ist ein Mann mit breitem Lächeln und sanftem Gemüt. Er lässt sich

nicht aus der Ruhe bringen. In seiner Funktion des Vorsitzenden und Schriftführer des

tamilischen Bildungsvereins Thamilalayam Frankfurt 1995 ist das eine wertvolle Eigenschaft.

Thamilalayam bedeutet übersetzt „tamilische Schule“, womit die Sprachschule des Vereins in

der Friedlebenstraße gemeint ist, die Ratnaroopan leitet.

Unterricht für 210 Kinder

Derzeit werden dort jeden Samstag 210 Kinder und Jugendliche von 21 Lehrern in tamilischer

Sprache und Kultur unterrichtet. „Unsere hier geborenen Kinder sollen unsere Sprache nicht

vergessen“, erklärt Ratnaroopan. Die Sprache sei natürlich zentrales Element der vielfältigen

tamilische Kultur. Zur Kultur gehören auch zahlreiche Feste – am Samstag nun wurde das

Thaipongal-Fest, gleichsam Erntedank- und Neujahrsfest der Tamilen, im Volkshaus Enkheim

gefeiert.

Traditionell wird am 14. Januar die erste Reis- und Getreideernte des Jahres gefeiert, indem

man Pongal kocht, ein süßes Reisgericht. In Enkheim wohnten mehr als 450 Menschen

kreativen Tanzchoreographien und Preisverleihungen der Schüler (für Schreib- oder

Malwettbewerbe) bei. Die Kleidung vieler Tamilen spiegelte dabei ihre reiche Kultur wieder:

Viele Männer, darunter Selvaratnam Ratnaroopan, trugen weiße Hemden und Wickelröcke,

Vetti genannt, und noch mehr Frauen waren in kunterbunt strahlende Saris gehüllt.

Doch vielen Tamilen ging es lange Zeit nicht so gut, sie teilten das Schicksal mit Ratnaroopan.

Der heute 56-Jährige war 1983 gezwungen, seine Heimat im Norden Sri Lankas wegen des

dort herrschenden Bürgerkriegs zu verlassen und über Russland und die ehemalige DDR ins

westdeutsche Exil zu gehen. Bis 2009 versuchten die „Befreiungstiger von Tamil Eelam“ — eine

paramilitärische Organisation, die wegen massiver Menschenrechtsverletzungen und zahlreicher

Selbstmordanschläge unter anderem von der Europäischen Union als Terrororganisation

eingestuft wird — einen unabhängigen Staat zu errichten. Heute herrscht offiziell Frieden, doch

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flammen immer wieder Konflikte auf.

Der Sehnsucht nach heimischer Tradition, Kultur und Sprache verleiht die tamilische Diaspora-

Gemeinde daher Ausdruck in Vereinen und Schulen wie jener Thamilalayam — in Frankfurt

und Umgebung gibt es etwa 10 000 Tamilen, in ganz Deutschland etwa 80000.

Wie erhaltenswert und resistent gegenüber anderen Einflüssen die tamilische Kultur ist, zeigt

sich etwa in ihrer Literaturgeschichte: Sie ist 2000 Jahre alt. Dabei war Sri Lanka über

Jahrhunderte portugiesische, holländische und schließlich britische Kolonie, es leben Hindus,

Buddhisten, Christen und Moslems auf der singhalesisch geprägten Insel im Indischen Ozean —

Tamilen sind dort die kleinste Minderheit. Viele Tamilen leben auch im indischen Bundesstaat

Tamil Nadu, wo ihre Sprache, Tamil, Amtssprache ist.

Verschnörkelte Schrift

Für deutsche Zungen und Augen wirkt Tamil sehr fremd, die verschnörkelte Schrift ähnelt dem

alt-indischen Sanskrit, ist von diesem aber kaum beeinflusst. Thamilalayam-Schülerin Silviya

Soulbary (20), BWL-Studentin aus Hasselroth bei Gelnhausen, erklärt daher: „Tamil ist eine

schwere Sprache. Sie hat alleine 247 Schriftzeichen“. Hinzu käme außerdem ein großer

Unterschied zwischen geschriebener und gesprochener Sprache.

Mit leicht hessischem Akzent — Soulbary wurde in Limburg geboren, ihre Eltern flohen vor 21

Jahren aus Sri Lanka — betont sie aber, sie und ihre Mitschüler nähmen freiwillig und wegen

eines historischen Bewusstseins am Tamil-Unterricht teil: „Wenn wir unsere Muttersprache nicht

lernen, versickert sie“.

Artikel vom 20.01.2014, 03:00 Uhr (letzte Änderung 20.01.2014, 02:44 Uhr)

Artikel: http://www.fnp.de/lokales/frankfurt/Wie-Tamilen-das-neue-Jahr-

begruessen;art675,734856

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