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Okt.09 The Beatles

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Okt.09

The Beatles

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EINSCHLAUFENÜber die Beatles zu schreiben, ist kein leichtes Unterfangen, denn das einfl ussreiche Gesamt-werk der vier Liverpooler wurde in den ver-gangenen Jahrzehnten bereits umfangreich ab-gehandelt. Bis auf die letzten Tonspuren wurde ihr Schaffen analysiert, und auch auf biographi-scher Ebene sind unzählige Bücher erschienen, die das Leben von John, Paul, George und Ringo nachzeichnen.Man kann sich also getrost auf ein paar statisti-sche Details konzentrieren und diese begleitend anfügen. Also beispielsweise die Diskographie:

Please Please Me (1963) With the Beatles (1963) A Hard Day’s Night (1964) Beatles For Sale (1964) Help! (1965) Rubber Soul (1965) Revolver (1966) Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band (1967) The Beatles (White Album) (1968) Yellow Submarine (1969) Abbey Road (1969) Let it Be (1970)

Oder die Liste mit allen Personen, die neben Wachsfi guren, Puppen, Pfl anzen, Musikinstru-

menten und anderen Gerätschaften das Cover von «Sgt. Pepper» zieren. Das wären: Sri Yuk-teswar Giri, Aleister Crowley, Mae West, Len-ny Bruce, Karlheinz Stockhausen, W. C. Fields, Carl Gustav Jung, Edgar Allen Poe, Fred Astaire Richard Merkin, The Varga Girl, Leo Gorcey, Huntz Hall, Simon Rodia, Bob Dylan, Aubrey Beardsley, Sir Robert Peel, Aldus Huxley, Dylan Thomas, Terry Southern, Randy Nauert, Tony Curtis, Wallace Berman, Tommy Handley, Ma-rilyn Monroe, William Burroughs, Sri Mahava-tara Babaji, Stan Laurel, Richard Lindner, Oliver Hardy, Karl Marx, H. G. Wells, Sri Parama-hansa Yagananda, Stuart Sutcliffe, Max Miller, Marlon Brando, Tom Mix, Oscar Wilde, Tyrone Power, Larry Bell, Dr. David Livingston, Johnny Weismuller, Stephen Crane, Issy Bonn, George Bernard Shaw, H. C. Westermann, Albert Stub-bins, Sri Lahiri Mahasaya, Lewis Carroll, T. E. Lawrence, Sonny Liston, Shirley Temple , Albert Einstein, John Lennon, Ringo Starr, Paul Mc-Cartney, George Harrison, Bobby Breen, Mar-lene Dietrich, Mohandas Karamchand Ghandi, Diana Dors und Elvis Presley.

Mit diesen Informationen im Hinterkopf kann der Lesespass beginnen. Viel Vernügen!

Der elfte Beatle

Impressum Nº 08.09DER MUSIKZEITUNG LOOP 12. JAHRGANG

P.S./LOOP VerlagPostfach, 8026 ZürichTel. 044 240 44 25, Fax. …[email protected]

Verlag, Layout: Thierry Frochaux

Administration, Inserate: Manfred Müller

Redaktion: Philippe Amrein (amp), Koni Löpfe

Mitarbeit: Reto Aschwanden (ash), Yves Baer (yba), Thomas Bohnet (tb), Pascal Cames (cam), Christoph Fellmann, Christian Gasser (cg), Nick Joyce, Nino Kühnis (nin), Marc Krebs, Hanspeter Künzler (hpk), Tony Lauber (tl), Mathias Menzl (men), Philipp Niederber-ger, Marco Rüegg, Benedikt Sartorius (bs), Raffael Schuppisser, Martin Söhnlein

Druck: Rotaz AG, Schaffhausen

Das nächste LOOPerscheint am 29. Oktober 2009Redaktions-/Anzeigenschluss: 22.10.2009

Titelbild: The Beatles/EMI Music

Ich will ein Abo: (Adresse)10 mal jährlich direkt im Briefkasten für 30 Franken (in der Schweiz).LOOP Musikzeitung, Langstrasse 64, Postfach, 8026 Zürich, Tel. 044 240 44 25, [email protected]

Betrifft: Wir leben alle in einem gelben Unterseeboot

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RAUSCH OHNE RAUSCHENMit merkwürdiger Verspätung ist das Gesamtwerk der Beatles einem Remas-ter-Programm unterzogen worden. Das klangliche Resultat überzeugt. EMI und Ringo Starr dürften zufrieden sein. Für die Lancierung der Beatles -Alben-Remasters hat man, wie es scheint, einen bedeutungsschweren Zeitpunkt ausge-wählt: Im September vor vierzig Jahren fand ein Meeting statt, bei dem John Lennon die Aufl ösung der Beatles ein-leitete. Diese Information verdanken wir dem englischen Journalisten Ray Connolly. Ausgerechnet in der neusten Ausgabe der «Sunday Times» berichtete er, im Estrich Dut-zende von Kassetten ausgegraben zu haben, auf denen seine Gespräche mit den Beatles und insbesondere mit Lennon festgehalten seien. «Während des Meetings hat Paul end-los schwadroniert, was wir als Nächstes tun sollten», habe Lennon dem jungen Schreiber erzählt. Schliesslich habe er, Lennon, die Geduld verloren – folgender Ausspruch soll ihm dabei herausgerutscht sein: «Du bist doof! Ich will die Scheidung.» Basta! Im folgenden Frühling erst wurde die Trennung dann offi ziell verkündet. Es ist nicht einfach, der mit einer konzertierten medialen Grossaktion sondergleichen verbundenen Herausgabe aller Beatles -Alben in digital neu gemasterter Fassung ohne eine Prise Zynismus zu begegnen. Man weiss ja freilich um die fi nanziellen Nöte der Firma EMI, die sich kaum mehr auf «riskante» musikalische Projekte einlässt und stattdessen si-chere Nummern wie Coldplay veröffentlicht oder «Best of Queen»-Alben. Überdies ist es doch erstaunlich, dass ausge-rechnet der wichtigsten Band der Pop-Geschichte erst jetzt die «Ehre» eines digitalen «Verschönerungs»-Programms zugekommen ist. «Es gibt dafür keinen dubiosen Grund», erklärt indes EMI-Sprecher Paul Bromby auf Anfrage. «Als die neue Technologie vorlag, hat sich das Studio-Team, das sich mit den Beatles befasst, gerade mit Projekten wie der ‹Anthology›, ‹Let It Be…Naked› und ‹Love› beschäftigt.» Jetzt aber lässt man sich nicht lumpen – die Fans sollen nochmals tief in die Tasche greifen. Zur Auswahl stehen die einzeln erhältlichen Beatles -CD sowie ein Box-Set mit dem Gesamtwerk, dazu ein befristet erhältliches Box-Set mit zu-sätzlichen Minifi lmen über das Entstehen der Werke. Zwei weitere Box-Sets enthalten die Stereo- beziehungsweise die Monoversionen der Alben. Das Album «Past Masters» ent-hält alle Singles, die nicht auf Alben erschienen sind.

DER GROSSE HÖR-TEST

Pre-Listening-Session in London: Die geladenen Journalis-ten sitzen im Studio 3 von Abbey Road, mampfen Canapés und lassen sich von Toningenieur Allan Rouse – er erlernte sein Metier einst unter dem legendären EMI-Hausprodu-zenten Hurricane Smith – erklären, was es mit den Remas-ters auf sich hat. Über vier Jahre hinweg haben sechs Leute an dem Projekt gearbeitet. Die analogen Master-Tapes wur-den digitalisiert, so dass die restliche Arbeit – das Säubern der Klänge, das Entfernen von Fremdgeräuschen u. a. – am Computer ausgeführt werden konnte. Dabei widersetzte man sich, so gut es ging, dem modernen Trend, den Sound mittels Kompression radiogener zu machen. «Wir setzten alles daran, die Dynamik der Originale zu bewahren», sagt Rouse. «Bei Remixes, die eine Alternative zu existierenden Werken sein sollen, kann man sich Experimente leisten. Bei

diesen Remasters ging es aber einzig und allein um die Erhaltung und verbes-serte Erschliessung der Ori-ginale.» Endlich gehts los. Zuerst wird jeweils eine Minute eines Stücks in altbekann-tem Sound abgespielt, dar-auf folgt die Neufassung . . . Und wie nun McCartney am Ende der zweiten Zeile von «Helter Skelter» ange-kommen ist – «…and I go for a ride» –, sind die zyni-schen Hintergedanken, die meisten jedenfalls, verfl o-gen. Tatsächlich stehen ei-nem für einen Moment die Haare im Nacken stramm wie seit langem nicht mehr. Im Gegensatz zum ble-chernen und doch breiigen Sound der alten CD ist jetzt nämlich jedes Instru-ment und jedes Beben der Stimme glasklar zu hören.

Bei Reinigungen dieser Art kommt beim Hörer manchmal das mulmige Gefühl auf, er wohne einer musikgewordenen Blinddarmoperation bei. Nicht so hier: Diese Alben wirken frisch, als wären sie erst vorgestern aufgenommen worden. Bald vergisst man, dass die Patina der Geschichte ausradiert worden ist, die für viele Musikfans ein Teil des (nostalgi-schen) Pop-Erlebens ist. Dass man die Songs alle schon tau-sendmal gehört hat, spielt keine Rolle mehr. Ob der Fülle neuer Details, die es zu entdecken gilt, gerät man in einen Pionier-Rausch.

RINGO IST ZUFRIEDEN

Zufrieden mit den Remasters dürfte nicht zuletzt Ringo Starr sein. Er, so verrät Rouse nur halb im Scherz, habe in das Remastering eingewilligt unter der Bedingung, dass man ihn nachher besser höre. «Tatsächlich hat er unter den damaligen Bedingungen gelitten», meint der Ingenieur. «Man hatte ein Vier-Spur-Gerät und benützte zuerst eine Spur für Gitarre, eine für Bass, eine für Drums und eine für Keyboard. Dann hat man diese vier Spuren zu einer einzigen Spur zusammengemischt und bei einer nächsten Aufnahme-Runde die restlichen drei Spuren mit anderen Instrumenten gefüllt. Der Vorgang wurde oft mehrmals wiederholt. Bei jeder Runde wurde Ringo dabei etwas leiser.» – Nun hört man Ringo Starr endlich richtig.

Hanspeter Künzler

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KAFFEEKLATSCHBeatles? Ein Brotaufstrich? Eine Sirup-marke? Das Tamil-Wort für Laubsäge? Mitnichten. Die Beatles waren eine Band, und nicht die schlechteste. Bei Kaffee und Kuchen trafen sich Connaisseur (Tom Krailing) und Haderer (der Schreiber) und klatschten über «Rubber Soul». Ein föhniger Sonntagnachmittag im Altweibersommer, of-fene Fenster, Kinderkieksen, Brunnenplätschern. Es klopft an der Tür. Tom Krailing, diverse «Rubber Soul»-Edi-tionen und Sekundärliteratur unterm Arm, stürmt in die sonnendurchfl utete Besenkammer des protokollierenden Gastgebers.

Jürg Odermatt (JO): Beatles, Sonnenschein, Kaffee und Ku-chen. Prima, oder? Würden wir über Velvet Underground reden, müsste es morgens um halb vier sein. Wir sässen auf einem speckigen Sofa in einem schimmligen Backstage...Tom Krailing (TK): ...und würden freebasen statt Sacher-torte essen. JO: Obwohl: John Lennon nannte «Rubber Soul» ein Pot-Album.TK: Das versteh ich jetzt nicht. Bochum? Gelsenkirchen? Dortmund? Schalke? Die Beatles hatten doch eher so ne Hamburg-Connection...JO: ...nee, du Hirni. Pot, Marihuana. TK: Oh. Ich kapiere.

Alsbald läuft «Drive My Car» über JOs Hi-End-Equip-ment. In der neu aufgeräumten Version, allerdings kurzer-hand auf dem virtuellen Graumarkt organisiert.

JO: 36 Minuten Spielzeit. Das nenn ich ein schlankes Al-bum. Klassisch! Klassischer Opener auch. Der Titel soll ja ne Bluesfl oskel sein und drum irgendwas mit Körpersäfte-tausch zu tun haben.TK (dozierend): Nun, «Rubber Soul», tönt wie «Rubber Sole», Gummisohle, see?! Der britische Wortspielzwang. (mit leicht schmerzverzerrtem Gesicht): Hier, diese digital aufgebrezelte Rassel. Völlig übertrieben – das tut weh! Apropos schlankes Album: Die Band musste sich beim Aufnehmen sputen, die Platte sollte pünktlich zum Weih-nachtsgeschäft 1965 auf dem Markt sein. Ab dem 12. Ok-tober hatten sie innerhalb eines Monats alles im Kasten. Die Nummer «Wait», einen Outtake vom «Help!»-Album, packte man kurzerhand mit drauf, um «Rubber Soul» voll zu machen. Am 3. Dezember war Release. Chakalaka! (nimmt ein Gäbelchen Sachertorte).JO (verschlagen): Ja, ja, ja. Beatlemania. Du hast hier auch die US-Version mit dem golden-braunen Lettering und einer seltsamen Zusammenstellung der Tracks: Da fehlen «Drive My Car», «Nowhere Man», «What Goes On» und «I’m Looking Through You». Dafür hats so Zeugs von «Help!» drauf. TK: «It’s Only Love» und «I’ve Just Seen A Face». Genau. Wohl der Versuch, die Beatles in den Staaten als Folkrock-Band zu positionieren. The Byrds, der neu elektrifi zierte Dylan und so, das war damals der heisse Scheiss der Saison auf der anderen Seite des Atlantiks. JO: Das machte ja eine völlig andere Platte. Der Markt, die Hur!

TK: In der Tat. Krass, aber so wurde es gemacht. JO: Zurück zur klassischen Version. «Rubber Soul» also. Ein ziemlich fl aues Album. Das der LOOP-Boss mir schmackhaft zu machen versuchte mit dem Argument, ich sei ja ein Soulexperte. Abgesehen vom Albumtitel gibts da aber wenig zu holen. Wenn schon, ist «Revolver» das Soulalbum der Beatles. TK: Exakt! «Got To Get You Into My Life»! JO: «Taxman»! TK: Dass es dieser Song nicht in die «Rolling Stone»-Charts der besten 100 Beatles-Songs geschafft hat, ist unfassbar. JO: Yup. Wie würdest du «Rubber Soul» im Beatles-schen Gesamtoeuvre denn einordnen?TK (erneut dozierend): Es ist eindeutig ein Übergang-salbum und steht zwischen den frühen Sachen...JO: ...diesem «Love, Love, Yeah, Yeah»-Zeugs?...TK: ...genau, und den spä-teren, komplexeren Songs, den sophisticateteren Tex ten, den Studioexpe-rimenten. Auf «Rubber Soul» gings damit los. Die Sitar hier in «Norwegian Wood», oder das mit hal-ber Geschwindigkeit auf-genommene Klavier von George Martin in «In My Life», das beim Abspielen im Normaltempo hoch-gepitcht wird und so ei-nen Barock-Appeal kriegt. Verzerrte Bässe. Schwer komprimierte Klaviere. Allerhand Perkussion. Rin-go verwendet auch mal ne Streichholzschachtel als Shaker. Ausserdem ist «Rubber Soul» ein frühes «richtiges» Album, also mehr als eine Sammlung von Singles. JO (nörgelnd): Obwohl sie in derselben Session «Day Tripper» und «We Can Work It Out» aufnahmen, die dann als Doppel-A-Seite-Single herauskamen... Eigenartige Veröffentli-chungspolitik. Na ja, wie heute eigentlich. Hits! Hits! Hits! Wären die beiden Tracks auf dem Album

gelandet – statt «Nowhere Man» und «What Goes On» oder «I’m Looking Through You» – wäre «Rubber Soul» ja ziemlich gut geworden.TK: «Norwegian Wood» soll auf eine Affäre Lennons mit Sonny Drane, der Frau des Cover-Fotografen Robert Free-man anspielen, sie war ein Model und 1964 auch im – al-lerersten – Pirelli-Kalender drin. Halt krass verschlüsselt und alles, Lennon war ja verheiratet und ein echter Para-noiker. Pikant, ist es nicht?JO: «I once had a girl, or should I say, she once had me» – damit nen Song zu beginnen, ist auch nicht ohne.

JO und TK rühren schweigend im Kaffee. «You Won’t See Me». Brunnengeplätscher.

JO: Mann, «Nowhere Man» geht mir echt auf den Geist. Dämliche Melodie. Überhaupt, mein Freund und Coppers-tinger, ich muss es wieder mal loswerden, sind die Beatles eine grob überschätzte Band. Sie, nun ja, berühren mich nicht. Ich kann sehen und hören: Ja ja, gute Melodien, schöne Harmonien, ein Bass, der nicht immer den Grund-ton spielt, die gegenläufi gen Bewegungen von Gesangs- und Instrumentallinien und ein Schlagzeuger mit komischen Ideen hat, die noch gut sind. Aber da schwingt so eine Stre-ber-Attitüde mit: Schaut mal, wie genial ich gestern grad wieder war... Und apropos Soul: Grooven tut das ja nun nicht gerade. Ist eher «Wooden Soul» (lacht leicht hyste-risch und verschluckt sich an seinem Stück Sachertorte).TK (versonnen): Ich ahne, was du sagen willst, alter Teu-felsadvokat. Und dass man etwa die Kinks über all dem Beatles-Hype völlig vernachlässigt, geht natürlich gar nicht. Andererseits ist es schon unglaublich, was diese Band für eine Entwicklung durchmachte von 1962 bis 1969. Die-ses Vorwärtsstürzen, diese Lust am Experimentieren, am Blödeln, am Alles-Verwursten und In-eine-schlanke-Form-Zwingen. Da kam enorm viel gutes Material zusammen. Ausserdem waren die noch keine 30, als sie sich aufl östen. JO: Stimmt. Fuck. Mein Lieblingsalbum früher war übri-gens das blaue (lacht verzagt).TK: Mein Vater hatte das auf Tape im Auto, das rote auch. Neben Fats Domino und einer K-Tel-Kompilation von El-vis. So kam ich auf den Geschmack. JO: Was hältst du denn von dieser neuen Edition? Ringo fi ndet sie ja gut, weil das Schlagzeug jetzt lauter sei (lacht, dass der Kaffee überschwappt). Tom Etter schwört eben-falls darauf. Ich glaube, er hat «Yellow Submarine» ge-kauft...TK: Die Idee ist super und überfällig. Da passierte ja lang gar nichts. Eigentlich unfassbar. JO (im Kirschnebel): Vielleicht wollte Jacko das nicht...TK (unbeirrt): Wenn nun die Originale digital entstaubt werden und etwas mehr Dynamik in die Aufnahmen kommt, ist das schlichterdings prima, ausserdem sind diese Neueditionen – im Gegensatz zu den ersten Beatles-CD-Releases – wirklich sehr liebevoll aufgemacht. Shaker und Rasseln sind für meinen Geschmack etwas zu penetrant jetzt. Das ist aber ein Detail. Ob die Songs so mehr Sex haben, ist nochmals eine andere Frage. Aber hey: Wer «die Originale» will, kann sich nach wie vor das Vinyl aufl egen.JO: Word! Auch wenn die Nadeln am iPod von eher min-derer Qualität sind. Shit, «The Word» ist zwar ne Hippie-hymne, aber die groovt ja tatsächlich ganz ordentlich. Ne «Taxman»-Blaupause. Und jetzt: «Michelle». Ist zwar un-glaublich cheesy, aber auch ein unglaublicher Ohrwurm. Wusstest du, dass die «I love you, I love you, I love you»-Passage von Nina Simone geklaut ist? TK: Très bien! Ja, in ihrem Cover von «I Put A Spell On You» machte sie was Ähnliches, und John schlug Paul vor,

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das einzubauen, aber die Betonung von «you» auf «love» zu verschieben.JO: Nina Simone! DAS ist richtig gut! (giesst Kaffee in den Kirsch nach). Ich mag ja Ringo, aber als Singer/Songwriter nur bedingt. «What Goes On» tönt genau so, wie wenn ne Garagenband im Proberaum kifft und einer in die Dröh-nung hinein sagt: «Hey, ich hab grad ne crazy Idee: Lasst uns so tun, als wärn wir ne Countryband.» TK: File under «typisch britischer Humor». Wobei Ringo selbst zugibt, dass er zu dem Song ungefähr fünf Wörter beigetragen hat...JO (grinst mit schokogussverschmiertem Mund): Ringo ist ein cooler Scheisser. Hast du eigentlich mal was von den Beatles gecovert?TK: Im Vergleich zu all den Dylan- und Neil-Young-Covers nur sehr sporadisch. Ich wagte mich ein paarmal an «Elea-nor Rigby». Und mit Buffalo Ballet spielten wir eine Weile lang «Happiness Is A Warm Gun», bis einer der Züris mal ausrief, das sei also ne ziemliche Scheissversion. Aber solo und akustisch sind Beatles-Sachen echt schwierig zu spie-len.

Auf dem Platz unten Pärchen beim Sonntagsspaziergang. Die einen schieben Kinderwagen mit Doppeldiffusor. Halbwüchsige mit Budget-Energydrinks in der Hand hö-ren Electroschraddel aus Handyspeakern. Lennon saugt dieweil Luft ein, bevor er «Girl» singt.

JO (leise): Schöne Nummer eigentlich. «She‘s the kind of girl you want so much it makes you sorry. Still you don‘t regret a single day.» Uh. Verdammt schöne Nummer sogar. Shit. TK (besänftigend, weise): Lass es zu, mein Freund. Die kriegen jeden weich. Sie lachten sich natürlich schlapp, weil sie es schafften, die «Tit-tit-tit-tit»-Chöre an George Martin vorbei auf die Platte zu schmuggeln. Lennon sagte viel später, dass «Woman» so etwas wie eine erwachsene Version von «Girl» sei.

Leise wabert der Dunst von Kirschwasser. Brunnen- und Gesprächsgeplätscher haben sich längst vermischt. Sa-chertortenreste. Kaffeesatz. Zwei Nirgendwomänner. Ein Tisch.

TK (sich aufraffend, noch einmal dozierend, forsch): Ab «Rubber Soul» begannen Lennon und McCartney ver-stärkt, je für sich zu komponieren. Nach wie vor gabs aber ihr Ideen-Pingpong. Wusstest du, dass oft der Mittelteil ei-nes Songs – die Beatles reden jeweils von Mid Eight – vom Gegenpart geschrieben wurde? Wusstest du fürderhin, dass sich Lennon/McCartney nur bei zwei Songs im Nachhin-ein darüber stritten, wer welchen Anteil daran hatte? Einer läuft gerade: «In My Life» – neben «Norwegian Wood» mein Favorit auf «Rubber Soul».JO: Kann ich verstehen. Im «Playboy»-Interview sagte Lennon, dass McCartneys Beitrag der Mittelachter und seine zweite Stimme seien... TK: ...während McCartney behauptet, er hätte in Johns Haus an dessen Mellotron die ganze Melodie zu Lennons Textidee erfunden, indem er sich von Smokey Robinson in-spirieren liess, du weisst schon: «You’ve Really Got A Hold On Me», «Tears Of A Clown» und so. «Geh und trink ne Tasse Tee oder sonst was. Lass mich damit zehn Minuten allein, und ich mach es», soll er zu John gesagt haben...JO (etwas Milchschaum vor dem Mund): ...verstehst du jetzt, was ich meine, wenn ich von Strebern rede, die ihre Genialität ausstellen? Und hör dir diesen Musikwissen-schaftlerschwurbel zu «In My Life» an (zitierend): «Seine kantige Vertikalität, die eine ganze Oktave in typischen weiten – und schwierigen – Sprüngen umfasst, trägt mit Sicherheit eher McCartneys Handschrift als die Lennons, obwohl das Stück perfekt zu dessen Stimme passt.» Alter, wen interessiert kantige Vertikalität? Das sind doch Pop-songs. Wen interessiert der Mittelachter? Wengelwengel. Ein Akkord. Alles gut. Ein zweiter, alles perfekt. Schwierige Sprünge? Wovon redet er? Vom dreifachen Salchow? Fuck.TK (sanft): Für die Musikwissenschaftler und ihr Geseier können die Beatles nix, Amigo.

«Wait» läuft durch. Wie der Kirsch durch die zunehmend trockenen Kehlen.

JO: Gott, Harrison hatte es damals schon erwischt, die Me-lodie von «If I Needed Someone» tönt ja wie direkt aus dem Shankar-Workshop. Auch ohne Sitar.TK: War aber offensichtlich von den Byrds entlehnt. Die 12-Saitige, die Harmonien und alles. Harrison schick-te Roger McGuinn eine Aufnahme auf Tape, noch bevor «Rubber Soul» erschien. Das sagt einiges. Ausserdem war «If I Needed Someone» der einzige Harrison-Song, den die Beatles je live spielten. JO: Was du alles weisst, Muchacho. TK: Da staunst du. Ich weiss noch mehr: Die Eingangszeile zu «Run For Your Life», dem letzten Track auf «Rubber Soul», klaute Lennon – der seinen Song später hasste – aus Elvis Presleys «Baby, Let’s Play House».JO (mit glasigen Augen): Ich staune. Der King. Sowas von visionär. Damals gabs doch noch gar keinen House. Fran-kie Knuckles war ja eben erst geboren. TK (ringt um seine Contenance): Mh. Ahh. Tzz. Uu.JO (jäh verschmitzt): Ha. Gotcha. Ich weiss zwar nicht, welche Farbe Lennons Unterhose am Tag hatte, als sie den Song aufnahmen. Wahrscheinlich war sie gelb, haha. Aber die Nummer «Baby, Let’s Play House» schrieb der aus Nas-hville stammende Bluesgitarrist Arthur Gunter und brachte sie 1954 auf «Excello» heraus. Er durfte zwar Presley nie die Hand schütteln, aber er bekam einen Tantiemen-Check über 6500 Dollar. Immerhin.TK: Na denn Prost!JO: Ja.

Der Vorhang fällt.

tom krailing (l), jürg odermatt (r)

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Die Beatles sind wieder vereint – als Videospielfi guren in «The Beatles: Rock Band». Das freut die Fans. Und auch die Musikindustrie, die ein Geschäft wittert.Ringo Starr winkt kurz mit einem Drumstick ins Publikum. Paul McCartney streift sich den Pony aus der Stirn. Dann legen sie los mit «I Feel Fine». George Harrison lässt die Finger über das Griffbrett fl iegen und John Lennon wippt mit dem rechten Fuss. John Lennon, das bin ich. Ich habe mir seine Rickenbacker-325-Gitarre um den Hals gehängt. Konzentriert versuche ich, die Akkorde zu spielen. Den Gitarrenhals im Takt auf und ab bewegend, gebe ich mir dabei Mühe, möglichst locker auszusehen. Man darf sich durchaus etwas in Pose werfen, wenn man ein Rockstar ist. «The Beatles: Rock Band» heisst das Videospiel, das ei-nem ermöglicht, in die Rolle der Beatles zu schlüpfen. Hier hört man sich die Musik nicht nur an, sondern spielt sie. Die Kabel der Plastikgitarren und Mikrofone münden zwar nicht in einen Verstärker, aber in eine Spielkonsole. Auf dem Fernseher wird auf einer Leiste angezeigt, welche Schlagzeugtrommel oder welcher Gitarrenknopf – Saiten gibt es keine – wann betätigt werden muss. Instrumenten-Karaoke könnte man das auch nennen.

IN BESTER GESELLSCHAFT

«Mir gefällt es, dass die Menschen die Möglichkeit be-kommen, die Musik in all ihren Facetten zu erleben», liess Sir Paul McCartney verlauten. Und für Ringo Starr, den zweiten noch lebenden Beatle, ist das Game «die natürli-che Fortsetzung der Beatles in der computerisierten Welt des 21. Jahrhunderts». Die legendäre Popband feiert ein Comeback, bei dem jeder mitmachen kann. Im «Story»-Modus lässt sich die ganze Karriere spielend Revue pas-sieren › von den ersten Konzerten in kleinen Klubs bis zum fulminanten Auftritt auf dem Dach des Apple-Gebäudes in London. Meinen Auftritt als John Lennon habe ich eben-falls in einem kleinen Klub gehabt, ganz real auf der Bühne des Moods in Zürich. Dort haben Mitte August Game- und Musikjournalisten das Spiel ausprobieren können. Nach gewissen Anfangsschwierigkeiten spielt sich unsere ad hoc zusammengestellte Gruppe ganz gut ein. Während wir uns immer besser in die Musikerrolle hineinfühlen und die Umwelt ausblenden, tauchen unsere computeranimier-ten Beatles auf dem TV im Song «Octopus’ Garden» in eine malerische Unterwasserwelt ab. Für die Performance von «I Am the Walrus» ziehen sie sich die Tiermasken der «Magical Mystery Tour» über – für die verschiedenen Songs haben die Entwickler passende grafi sche Ambiente geschaffen.

BEING JOHN LENNON

Auf der Disk enthalten sind 45 der grössten Hits der Pilz-köpfe, etwa «I Want to Hold Your Hand», «Back in the U.S.S.R» oder «Here Comes the Sun», präpariert zum Mitspielen und Mitsingen. Weitere Stücke können gegen Bezahlung vom Internet-Store heruntergeladen werden. Gespielt werden kann mit den Instrumenten von «Rock Band 1» und «Rock Band 2». Wer allerdings seine Rolle als Beatle ernst nimmt, der braucht John Lennons Ricken-backer-325-Gitarre oder Paul McCartneys Höfner-Bass. Nachbildungen dieser Instrumente aus Plastik können se-parat erworben werden.

EIN MILLIARDENGESCHÄFT

In den letzten Jahren haben Musikspiele wie «Guitar Hero», «Singstar» oder eben «Rock Band» stark an Popularität gewonnen, so dass die taumelnde Tonträgerindustrie darin einen neuen Absatzmarkt für Musik gefunden hat. Diesen Frühling gab MTV Games bekannt, mit der «Rock Band»-Reihe allein in den USA bereits mehr als eine Milliarde Dol-lar Umsatz gemacht zu haben. Beigetragen hat dazu auch, dass 40 Millionen kostenpfl ichtige Lieder heruntergeladen wurden; 600 verschiedene stehen zur Auswahl. Dazu kom-men Song-Pakete, die als Add-ons auf DVD oder Blu-Ray separat erworben werden können – Abba oder die Queens für «Singstar», AC/DC für «Rock Band». Als Videospielheld soll auch der King of Pop wieder aufer-stehen. Gemäss einem Pressesprecher von Jacksons Firma MJJ Productions hat der King noch vor seinem Tod Texte für ein Game eingesprochen. Um was für ein Spiel es sich handelt, ist allerdings noch nicht bekannt. Jede Wette aber, dass Jacko darin den Moonwalker so graziös vorführt wie zu seinen besten Zeiten.

Raffael Schuppisser

«The Beatles: Rock Band», Harmonix/ MTV Games/ EA. Wii (Fr. 79.–, ohne

Instrumente), Xbox 360 und Playstation 3 (Fr. 99.–).

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LASS ES EINFACH RAUS!Dieser Mann ist längst eine lebende Le-gende, wie man sie heutzutage nur noch ganze selten antrifft. Er zupft, zeichnet und erklärt musikalische Kontexte, die er nicht missen möchte: Klaus Voormann.Über den Bassisten und Grafi ker Klaus Voormann, 71, muss man nicht viel erzählen. Der gebürtige Berliner ge-staltete 1966 das legendäre Beatles-Cover «Revolver», er war Mitglied der Plastic Ono Band, und von ihm stammt die Idee, dass sich John Lennon für «Imagine» ans Klavier setzen sollte. 2003 veröffentlichte Voormann seine Erinne-rungen, diesen Sommer legte er mit einer CD nach. Der schüchterne und bescheidene Musiker traf für seine erste Soloplatte Paul und Ringo und viele alte Freunde mehr. Auch wenn die Vorgabe fürs Interview lautete, dass «Klaus im Mittelpunkt steht» (Christina Voormann) mussten ein paar Fragen zu den Beatles sein, fand Pascal Cames. Klaus Voormann hatte nichts dagegen.

Klaus, Du und Deine Mitmusiker wirken so verdammt jung. Was ist das Geheimnis?Musik hält jung. Wenn du den Film (DVD) anschaust merkst du, dass wir es verstanden haben zu altern. Bonnie (Bramlett) kommt auf Krücken ins Studio, Dr. John muss fast schon kriechen – aber wenn sie spielen und singen merkt man, wie jugendlich sie geblieben sind. Ich glaube, dass es alleine schon die Tatsache sich für die Musik zu entscheiden, der Grund ist, warum man jung bleibt.

Wie war das bei Dir?Ich habe John einen Brief geschrieben, weil ich nicht wuss-te, ob ich Musiker werden soll. Der schrieb mir, «Klaus, du musst das machen!» Aber ich wusste gar nicht, worauf ich mich einlasse, kleine Gigs und Gagen, schlechte Hotels... Aber wenn man Musiker ist, kann man nicht anders.

Spielst du noch täglich Bass?Ja, ich habe mir ein achtsaitiges Teil gebaut mit drei Bass- und fünf Gitarrensaiten. Das geht durch zwei Verstärker durch. Ich spiele keine klassischen Sachen, nur ein bisschen Rhythmus und Melodie.

Komponiert hast du so gut wie nie. Warum eigentlich?Im Nachhinein ärgert es mich. Ich bin zu schüchtern. Aber ich kannte Bob Dylan, George Harrison, John Lennon, Paul McCartney und ich dachte, «ach, da lass ich lieber die Finger davon.» Ich weiß, ich hätte komponieren können.

Mit Bonnie, die «My Sweet Lord» und «So Far» singt, hattest du ja schon 1970 Kontakt. Sie sang die back up Vocals für «So Far», einen deiner weni-gen Kompositionen. «So Far» wurde damals von George produziert. Du und Billy Preston waren bei der Session für «My Sweet Lord» und «All Things Must Pass» dabei. Wie geht es dir mit diesen Erinnerungen?Ja, die Stücke sind mir sehr vertraut. Gerade Billy hätte ich gerne dabei gehabt. Das letzte Mal hatte ich ihn in L.A. Getroffen, als wir die DVD «Concert For Bangla Desh» vorstellten. Jim Keltner und Ringo am Schlagzeug, ich am Bass, Billy spielte Orgel und sang. Das ist jetzt das Schwie-rige, wenn die Teile nicht mehr da sind und eigentlich auch nicht zu ersetzen sind. Mit Billy ist es wirklich schade, er war immer sehr positiv und brachte eine tolle Atmosphäre mit. Und jetzt ist er plötzlich weg.

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Mit Paul hast du in den 70er-Jahren nie gespielt. Wie kam es zu «I’m In Love Again»?Als die Beatles 1961 Top Ten Club spielten, war ich im Publikum. Stu wollte lieber mit Astrid auf dem Sofa sitzen und drückte mir seinen Bass in die Hand. Ich sollte für Stu spielen! «Komm’, los spiel» sagten die Beatles holten mich auf die Bühne. Ich habe mich aber nur an den Bühnenrand gesetzt. Dann spielten wir «I’m In Love Again». Darum spielen wir dieses Lied zusammen.

Und wenn du beim spielen die Augen zu machst, dann bist du im Top Ten Club?Ja, richtig. Paul wusste gleich um welches Fats Domino Stück es sich handelt und wann wir es zum ersten Mal zu-sammen gespielt haben. Das war toll.

Von Paul wirst du als toller Freund und totales Arschloch bezeichnet. Wie ist das zu verstehen?Ich hatte Paul um das Vorwort gebeten und ihm gesagt, dass er nun die Gelegenheit hat zu schreiben, was für ein Arschloch ich wirklich bin. Das war natürlich ein Witz, den man seltsamerweise in England versteht, aber nicht in Deutschland.

Wie bist du für «A Sideman’s Journey» vorgegangen?Also, es hat mich schon Überwindung gekostet meine Freunde anzurufen und sie um einen Gefallen zu bitten. Mit Paul ist das Eis gebrochen. «Das ist ja eine tolle Idee», hat er gesagt und nach der dritten Zusage ging es fast wie von selbst.

Einige Musiker sind «nur» durch Songs vertreten, wie zum Beispiel John Lennon. «Blue Suede Shoes» hast du ja schon einmal gespielt und zwar auf der «Live Peace in Toronto».Genau, den Song hatte ich auf meiner Liste. John hat ihn ja ständig gespielt, damals in Hamburg in den Clubs und dann eben auch in Toronto. Es ist schon sehr traurig, dass viele dieser wunderbaren Menschen nicht mehr da sind. Das ging nicht nur mir so, sondern auch Bonnie, die Geor-ge sehr gut kannte. Wir waren oft sehr melancholisch.

Empfindest du deine beiden Begabungen Grafik und Musik als Fluch?Nee, aber es ist schwierig. Einerseits hätte ich gerne Musik studiert und bin irgendwann auf einem Level... – na ja, es war schon in Ordnung. 1979 habe ich die Entscheidung getroffen die Musik hinter mir zu lassen. Bei mir ist beides im Herzen, da kann ich nichts machen. Als ich mich wieder darauf einliess, habe ich gemerkt, wie viel Spass das macht. Die Musik war halt immer da.

Wie geht es jetzt bei Dir musika-lisch weiter?Ich lass’ das jetzt erstmal ruhen, gehe ganz meinem Gefühl nach. Es wird keine Tour geben und auch keine Konzerte.

Du zeichnest wieder?Ja, ich habe den Zeichen-stift in der Hand.

Darf ich dir noch drei Beatles-Fragen stellen?Okay.

Anfang der Siebzigerjahre hast du Musik mit John, George und Ringo gemacht. Warst du der Bote zwi-schen den Beatles?Nee, die haben doch alle Kontakt miteinander ge-habt und konnten doch gut reden. Ich war halt immer ein Teil davon: George, Bil-ly und ich oder John, Yoko und ich. Das war immer

eine Konstellation von Freunden. Wir haben die Stücke nicht schnell eingespielt sondern haben uns immer mit der Musik auseinandergesetzt. Das ist schon eine schöne Erin-nerung. Ich musste nie Noten runter spielen oder mir sagen lassen, was ich spielen soll.

Wie hoch war Anfang der Siebzigerjahren die Chance, dass es zu einer Reunion kommt?Also das war vorbei. Für mich war das schon viel früher vorbei, eigentlich schon seit «Revolver», als sich die enge Freundschaft der vier zu verändern begann. Ab «Revolver» entwickelten sich die Beatles zu Persönlichkeiten, die eige-ne Wege gingen. Das führte zu Auseinandersetzungen.

Hast du mit den ex-Beatles auch Beatles-Songs gejammt?Das war kein Thema. John hatte vielleicht einen Song aus Beatles-Tagen, ein Überbleibsel, in der Schublade, den wir dann gespielt haben. Aber George und John haben ja stän-dig neue Songs geschrieben. Mit Ringo war es ganz lieb, der hat ja Hilfe von seinen Freunden gebraucht. Der hatte ein paar Akkorde, aber der Mittelteil fehlte. Aber Beatles-Songs waren kein Thema mehr.

Interview: Pascal Cames

Klaus Voormann: «A Sideman’s Journey» (Mercury/Universal)

Klaus Voormann: «Warum spielst du Imagine nicht auf dem weißen Klavier,

John?» (Heyne Verlag), 328 Seiten, München 2003, Fr. 26.90.

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AUF EINKAUFSTOURMit ihrem Spätwerk waren die Beatles Wegbereiter des Albums als Kunstform. MP3 veränderte die Hörgewohnheiten zurück zum Einzeltrack. Ein kleiner Ein-kaufsführer zu den besten Songversion.Die Beatles-Remasterer haben das einzig richtige gemacht. Es sind, wie der Name eigentlich impliziert, Restaurierun-gen der Originalaufnahmen und keine Remixe. Produzent George Martin legte den Bass jeweils auf die rechte Laut-sprecherspur und das Schlagzeug auf die linke. Dies wurde bei den Remasters beibehalten. Puristen können nach wie vor bemängeln, dass der Klang der Aufnahmen im Ver-gleich zur Vinylaufnahme zu clean klingt. Dennoch klingen die Remasters, da sie für Stereoformat aufgenommen wur-den, auf der Stereoanlage am besten. Die «Neuerscheinun-gen» der letzten 15 Jahre, «Live at the BBC», «Anthology», «Yellow Submarine Songtrack», «1», «Let It Be Naked» und «Love» wurden ab dem Songtrack auf die modernen Hörgewohnheiten des Surroundsounds remixed. Zwar sind es noch immer Stereoaufnahmen, kommen aber im Virtual-Surround-Sound daher, und man hat das Gefühl, inmitten der Beatles zu stehen, da man jedes Instrument einzeln hört. Bei den Remasters erkennt man nun auch jedes einzelne Instrument, doch hat man nicht das Gefühl von der Band umgeben zu sein.

Sgt. Pepper’s Lonley Hearts Club Band: Hier ist die Re-mastered-Version vorzuziehen. Zum ersten Mal klingt das eröffnende Gitarrenriff als Weckruf und wirkt wie ein Blitz-schlag. «Sgt. Pepper» war für die neue Stereoabmischung konzipiert, deshalb Finger weg von den Songtrack-Versi-onen. Die beste Sgt.-Pepper-Version lieferte Paul auf seiner World Tour 1989/90 ab, als er die beiden Songstücke mit einem zweiminütigen Gitarrensolo verband. Zu hören auf «Tripping The Life Fantastic». Die von John gesungene «Sgt. Pepper’s Reprise» bildet seit 2002 Pauls Konzerten-de, im Medley mit «The End». Hörenswert und sogar als

7.1-Abmischung auf der BluRayDisc «The Space Between US». Die Finger zu lassen ist allerdings von der Live-8-Version von Paul mit U2, die nur als Down-load erhältlich ist. Macca ist schwach bei Stimme und U2 erstarren in Ehrfurcht, so dass jegliches Feuer fehlt.

A Day in the Life: Zürich war eine der 12 europä-ischen Städte, in der in ei-ner Exklusiv-Vorführung der digital überarbeitete «Yellow Submarine»-Film gezeigt worden war – und genau bei «A Day In The Life» versagte das Surround System im Kino! Es ist der fehlende Song auf dem Songtrack, und obwohl Schlüsselszene in der Love-Show ebenfalls fehlend auf dem Soundtrack. Deshalb gilt: nur die Remastered Version kaufen. Dasselbe gilt übrigens für sämtliche Beatlesalben von 1962 bis Mitte 1964. Gespannt darf man auf das Jahr 2012 warten, wenn – wie gerüch-teweise angesprochen – Ste-ven Sonderbergh den Film als 3D-Animation in die Kinos bringen will.

She Came In Through The Bathroom Window: Hier gibt es nur den Song auf «Anthology 3». Joe Cocker durfte sich Anfang 1969 ei-

nen Song auswählen und wählte das Demo, eine gepfl egte Bluesrock-Nummer. Als ein Monat nach Cockers Version die Beatles-Version auf «Abbey Road» erschien, hatte man zwei komplett verschiedene Songs.

Helter Skelter: Die «Remaster»-Version ist deutlich besser als die 30-Jahr-Jubiläumsedition des weissen Albums von 1998. Seit 2004 ist der Song in Pauls Live-Set – bei «Yes-terday» begannen die Leute nach zwei Stunden Dauerregen den Letzigrund zu verlassen, bei «Helter Skelter» kehrten sie nochmals zurück. Entweder kauft man die «Remaster»-Version oder Pauls DVD «In Red Square» von 2004.

Revolution 9: Sowohl «Tomorrow Never Knows» auf Revolver wie «Revolution 9» auf dem weissen Album er-halten durch die Remasters neues Leben eingehaucht und machen sogar richtig Spass beim Hören.

Eleanor Rigby: Nachdem die «Anthology» die Streicher-begleitung pur geliefert hat, fi ndet sich auf «1» der beste Sound. Ebenfalls hörenswert ist der Remix auf «Love».

While My Guitar Gently Weeps: Hier gibt es zwei Songs: die Albumversion mit Eric Clapton an der Gitarre ist am besten auf der Remastered-Version des weissen Albums. Ein Ärgernis ist die sogenannt «karriereumspannende» Best-of von George Harrison, die im Juni dieses Jahres er-schien, denn seine Beatles-Songs erschienen nur in Liveauf-nahmen. Den letzten Feinschliff des auf der «Anthology» veröffentlichten Demos erhielt der Song mit dem Streicher-arrangement auf «Love». Hier wird einmal mehr deutlich, welche Perlen die Beatles verworfen hatten.

I’ve Got a Feeling: Der letzte Lennon/McCartney-Song überhaupt, zu fi nden auf «Let It Be». Paul macht wie bei «Oh Darling» oder «Maybe I’m Amazed» auf Shouter, John steuert den Mittelteil bei. Einer der wenigen Songs, die Phil Spector auf der Original-Abmischung von «Let It Be» nicht mit seinem Wall Of Sound ruiniert hat. Dennoch ist die «Naked-Version» im Sourround Sound besser und schlägt sogar Pauls Live-Version auf «In Red Square».

Yves Baer

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BABY GENIUS > baby geniusALVIN ZEALOT > ready to rumble

PARTIES BREAK HEARTS > life is too short …MOTHERS PRIDE > mothers pride

COUNT GABBA > the lady’s gone. the song …HEJ FRANCIS! > hej francis!

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DER FÜNFTE BEATLEIm Umfeld der Fab Four wimmelt es nur so von Leuten, die irgendwie auch dazu-gehören. Wer genau denn nun aber der fünfte Beatle ist, bleibt offen.Sie waren vier. John, Paul, George und Ringo. Zwar pro-bierten die Beatles, nachdem sie im Sommer 1961 aus Hamburg nach Liverpool zurückgekehrt waren, noch ei-nen Bassisten namens Chas Newby aus. Stuart Sutcliffe, der ursprüngliche Mann am Bass, war in Hamburg bei seiner Freundin geblieben. Doch nach wenigen Konzerten wurde der Neue wieder entlassen, Paul McCartney über-nahm den Bass, und der arme Chas Newby schaffte es nicht einmal in die Galerie derer, die man gelegentlich den «fünften Beatle» nennt. Und wohlgemerkt, das sind viele, über ein Dutzend. Jimmy Nicol zum Beispiel, der 1964 für den erkrankten Ringo Starr an 17 Konzerten spielte, hat es auf die Liste geschafft. Besonders hoch gehandelt wird sein Name natürlich nicht, und auch der Nachruhm der beiden Singles, die er später mit Bands aufnahm, die The Shubdubs oder The Spotnicks hiessen, hält sich in engen Grenzen. Besser im Rennen um den virtuellen fünften Platz bei den Beatles sind da schon die zwei Musiker, die Mit-glied der Band waren, bevor diese ab 1962 auf der ganzen Welt berühmt wurde: Stuart Sutcliffe natürlich, der bereits erwähnte Bassist, der die Band 1961 verliess, sowie der Schlagzeuger Pete Best, der im Sommer 1962 durch Ringo Starr ersetzt wurde, kurz nachdem die Beatles bei ihrer spä-teren Plattenfi rma vorgespielt hatten.

MIT HALBRUHM BEKLECKERT

Stuart Sutcliffe hatte keine Zeit mehr, sich über die ver-passte Chance zu ärgern, er starb bald an einer Hirnblu-tung. Dem ersten Schlagzeuger setzte der Rausschmiss al-lerdings zu. Nach einem Selbstmordversuch arbeitete Best als Bäcker und auf dem Arbeitsamt von Liverpool, bevor er begann, seinen mit Halbruhm bekleckerten Namen zu nutzen: Er gründete die Pete Best Band (die bis heute CDs herausbringt), schrieb seine Autobiografi e und wurde ab 1995 wenigstens fi nanziell versöhnt - dank der Beatles-«Anthology», auf der Best auf frühen Aufnahmen zu hören ist. Seither fl iessen die Tantiemen.

Nicht einmal die Beatles selber waren sich einig, wer denn als fünfter Beatle in Frage käme. George Harrison war 1988, als seine alte Band in die «Hall of Fame» aufgenom-men wurde, offenbar so aufgewühlt, dass er davon sprach, es gebe zwei «fünfte Beatles». Er meinte erstens Neil Aspi-nall, einen Jugendfreund der Band, der in den Sechzigern zu ihrem Fahrer, Roadmanager, gelegentlichen Mitmusiker an Tamburin oder Mundharmonika und schliesslich zum CEO ihrer Plattenfi rma Apple aufgestiegen war. Und zwei-tens Derek Taylor, der als junger Journalist die ebenfalls jungen Beatles positiv besprochen hatte, so in den engeren Zirkel der Band gelangt und schliesslich zu ihrem Presse-chef geworden war.

DER ZEHNTE BEATLE

Paul McCartney freilich hält nichts von dieser Auswahl: «Wenn es einen fünften Beatle gab, dann war das Brian Ep-stein», soll er gesagt haben. Tatsächlich trug der Manager der Beatles so viel zum Erfolg der Band bei, dass es neben ihm für die Auszeichnung zum «fünften Beatle» nur einen ernsthaften Konkurrenten geben kann: George Martin, den klassisch gebildeten Musiker, der im Studio unzählige mu-sikalische Ideen beitrug und der zwischen 1962 und 1970 fast alle Beatles-Stücke produzierte.Ähnlich bedeutend war (und ist) höchstens noch William Stuart Campbell - vorausgesetzt, man glaubt der Legende, Paul McCartney sei 1966 gestorben und durch sein Loo-kalike ersetzt worden. Als «fünfter Beatle» geniesst Camp-bell darum eine etwas makabre, letztlich aber unantastbare Ausnahmestellung. Etwas weiter hergeholt war es da, den Fussballer George Best oder den Boxer Muhammad Ali als «fünften Beatle» zu bezeichnen – allein aufgrund ihrer re-bellischen Attitüde, die sie in den 60er-Jahren zu Ikonen der Populärkultur machte.Das Gerede um einen «fünften Beatle» inspirierte immer wieder auch das Humorgewerbe: 1983 etwa spielte der Ko-miker Eddie Murphy in der amerikanischen TV-Sendung «Saturday Night Live» einen von der Geschichte vergesse-nen Saxofonisten, der für seine frühere Mitgliedschaft bei den Beatles eine absurde Beweiskette führt. Die britische BBC präsentierte in ihrer Comedysendung «Fist of Fun» derweil einen «Special Guest», der glaubhaft machte, bei ihm handle es sich um niemand Geringeren als den «zehn-ten Beatle».

Christoph Fellmann

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MEISTERWERKER

Am 1. Juni 1967 erschien «Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band». Das wohl berühmteste Album der Beatles hat vieles bewirkt und unzählige Musiker inspiriert. Dennoch wird es überschätzt.Um diese Platte ist ein Kult mit Refl exwirkung entstan-den. Über Jahrzehnte hinweg wurde «Sgt. Pepper’s Lo-nely Hearts Club Band», wie das achte Album der Beatles heisst, von der Fachpresse als wichtigstes Werk der Musik-geschichte gefeiert, Horden von Fans zerbrachen sich die Köpfe über die symbolträchtige LP-Hülle, auch hat das Al-bum unzählige Neuinterpretationen, Nachempfi ndungen und Persifl agen inspiriert. Wer 1967 nicht zugegen war, wird sich fragen, was der ganze Rummel eigentlich soll. Ein Erklärungsversuch: Nie zuvor hatte man eine derart souve-räne Montage von Rocksounds und Orchestraltexturen ge-hört wie auf «Sgt. Pepper», auch hatte sich zuvor kein an-deres Album so klar als Gesamtkunstwerk empfohlen. Weil die Stücke ineinander übergingen und im thematischen und synästhetischen Einklang mit Peter Blakes berühmtem Co-ver zu schwingen schienen, glaubte man, mit «Sgt. Pepper» die Geburtsstunde einer neuen Kunstform zu erleben: jene des Konzeptalbums.

EINSTEINL

Tatsächlich markierte «Sgt. Pepper» den Augenblick, in dem die Popmusik ihren rechtmässigen Platz an der Seite von Politik, Wissenschaft und Kultur einforderte: Das viel zitierte Artwork, auf dem die Beatles sich neben so illustren Figuren wie Edgar Allen Poe, Albert Einstein und Marilyn Monroe einreihten, war nicht bloss ein aufwändiger Jux. Sondern eine Standortbestimmung der zur intellektuellen Reife herangewachsenen Beat-Generation, die nicht mehr nur belächelt oder gar ignoriert werden wollte. Und das, obschon «Sgt. Pepper» nicht das beste oder gar das innovativste Beatles-Album war: Viele der Ideen hat-te man bereits auf «Revolver» (1966) gehört, allerdings schlüssiger und weniger aufwändig inszeniert: So stellt das ergreifende «Eleanor Rigby» das melodramatische «She’s

Leaving Home» in den Schatten, verliert sich Harrison, der die Sitar schon in «Love You To» ausgepackt hatte, in «Within You Without You» (wofür er Ravi Shankar und Begleiter ins Studio einlud). Mit «Tomorrow Never Knows» erreichten die Beatles auf «Revolver» ihren psy-chedelischen Höhepunkt, den sie mit «Lucy In The Sky…» nicht zu übertreffen vermochten. Ganz egal, wie experimentierfreudig sich die Beatles auf «Revolver» auch zeigten: Stets respektierten sie das klas-sische Format des Drei-Minuten-Songs. Bei «Sgt. Pepper» spielten sie nach ganz eigenen Regeln, das aber nur stre-ckenweise überzeugend: Die apokalyptische Zugabe «A Day in the Life» gilt zurecht als einfl ussreiche Meisterleis-tung, die unzähligen anderen Songs (etwa David Bowies «Space Oddity») Pate stand. Doch sind auch Banalitäten wie «When I’m Sixty-Four» oder «Lovely Rita» zu hören › Lieder, die schon damals etwas müde klangen.

ELVIS

«Erst durch das Lied ‹Sgt. Pepper› kamen wir überhaupt auf die Idee, ein Konzept-Album zu machen», erinnerte sich Beatles-Produzent George Martin, der mit seinen Strei-cher- und Bläserarrangements wichtige Arbeit verrichtete. In seinem mittlerweile vergriffenen Buch «Summer Of Love» er-zählt Martin, dass die Anekdote, wonach Elvis Presley einst seinen Cadillac auf eine Tournee schickte, ohne selbst mitzufahren, die konzertmüden Beatles sehr beeindruckt und amüsiert hatte. «Warum machen wir kein Album, das eine Show ist, und schicken dieses auf Tournee, anstatt selber zu gehen?», soll McCartney gesagt haben. Soweit die ursprüngliche Idee. Aber die Stücke zwischen Sozialrealismus («She’s Leaving Home») und LSD-Phan-tasmen («Lucy In the Sky With Diamonds») ergaben kein Konzeptalbum, auch wenn das heute noch gerne herum-gereicht wird. Von einer zusammenhängenden Geschichte fehlt auf « Sgt. Pepper » jede Spur, vielmehr ringen zwei ge-gensätzliche Ideen um Dominanz: auf der einen Seite spie-len die Beatles mit den Alter-Egos der Lonely Hearts Club Band, auf der anderen blenden sie zurück in ihre Kindheit in Liverpool.

GEBURT

In Wirklichkeit war «Sgt. Pepper» die Geburtsstunde des Albums als Konzept, und so auch als neuer Stützpfeiler der Plattenindustrie, die Popmusik bis anhin in erster Linie als Singles-Markt betrachtete. Weil bei «Sgt. Pepper» das

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Ganze grösser war als die Summe seiner Teile, liessen sich die neuen Beatles-Stücke nicht aus dem Album-Kontext lösen. Das merkte Produzent George Martin, als er zwei, ursprünglich für «Sgt. Pepper» eingespielte Songs im Feb-ruar 1967 für eine Veröffentlichung auf Single (und nicht auf dem nachfolgenden Album) freigab. Dadurch fehlten «Strawberry Fields Forever» und «Penny Lane» auf «Sgt. Pepper», was die Kohärenz der LP schmälerte. Heute noch spürt man die Lücke, die diese Kernstücke der Beatles’schen Liverpool-Reminiszenzen hinterlassen haben. «Das war der grösste Fehler meiner berufl ichen Laufbahn», bekannte Martin später: «Einen der beiden Songs als A-Seite heraus-zubringen und zum Beispiel mit «When I’m Sixty-Four» zu kombinieren, wäre die bei weitem klügere Entscheidung gewesen.» Stattdessen wurden zwei starke Songs auf dem Single-Markt verheizt. Nicht ganz zufällig hatte zu dieser Zeit eine noch unbe-kannte Band gerade einen Major-Plattenvertrag mit Prä-zedenzcharakter abgeschlossen: Pink Floyds Abkommen mit dem EMI-Konzern war gemäss ihrem Manager Peter Jenner das erste in der Geschichte der englischen Musikin-dustrie, das eine Plattenfi rma zur Veröffentlichung von LPs verpfl ichtete, anstatt diese von respektablen Single-Verkäu-fen abhängig zu machen.

MISCHMASCHINEN

Für das Album-Konzept von «Sgt. Pepper» wurden in den Abbey-Road-Studios alle verfügbaren Tricks und Kniffe angewandt. Da den Beatles und George Martin lediglich 4-Spur-Bandmaschinen zur Verfügung standen, mussten Aufnahmen exakt geplant und zwischendurch immer wie-der neu abgemischt werden, um die begrenzten technischen Möglichkeiten ausschöpfen zu können.

Für Spontaneität war kaum Platz, und obwohl man den Musikern die Live-Erfahrung anhört, hat ihr Zusammen-spiel etwas Beschwertes, als wüssten sie, dass sie für die Ewigkeit arbeitet. Heute glaubt man dem Werk die schwie-rigen Bedingungen anzuhören, unter denen es eingespielt wurde. Bezeichnenderweise kehrten die Beatles auf ihren letzten Alben zu konventionelleren Arbeitsweisen und Songfor-men zurück – und scheuten sich später auch nicht, Kri-tik an ihrem Magnum Opus zu äussern. So meinte Ringo Starr: «Mir persönlich gefallen ‹Revolver› und das ‹Weisse Album› viel besser, weil wir uns dort auf das Wesentliche konzentriert haben. Auf ‹Sgt. Pepper› haben wir uns regel-recht ausgetobt, danach konnten wir den ganzen Studio-Wahnsinn wieder ablegen.»

WAHNSINN

Gerade dieser Wahnsinn machte wiederum «Sgt. Peppers» Breitenwirkung aus, wie etwa Phil Collins bestätigt: «Die-ses Album hat sich ungeheuer auf den Umgang der Leute mit Platten ausgewirkt. Es öffnete eine Tür und zeigte allen, dass es da noch andere Räume gab und man in diesen Räu-men herumspielen konnte. Und trotzdem konnte man eine solche Platte immer noch verkaufen.» Mit anderen Worten: Ohne «Sgt. Pepper» wäre das Album nie zum Abenteuerspielplatz der Rockbands avanciert, wä-ren den Musikfans spannende Platten versagt geblieben. Kein Wunder, dass der Kult um «Sgt. Pepper» über 40 Jah-re angehalten hat – und dass man gerne über einige seiner gravierenden Makel hinweghört. Hier rechtfertigt die Wir-kung die Ursache. Meistens ist es umgekehrt.

Nick Joyce / Marc Krebs

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DIE NEUEN PLATTEN

White DenimFits(Fulltime Hobby/MV)

Mit seinem letztjährigen Debüt «Workout Holiday» bewies das Garagenrock-Trio aus Austin, dass es keine Angst vor Stilbrüchen hat. Auf «Fits» sprengen White Denim nun so gut wie alle Stilgrenzen. Das Album beginnt mit glü-henden Gitarrenriffs, rol-lenden Bässen und einem Schlagzeug, das die Songs vorantreibt, zusammenhält und gestaltet. Begeisternder Garagenrock, durchwirkt von trockenem Blues, la-konischem Punk, düsteren Postpunk-Einsprengseln, hymnischen Refrains, schillerndem Glam und, im brillanten «El Hard At-tack», sogar einem Schuss Tropicália. Nach fünf har-ten Songs kommt der erste Bruch: «Sex Prayer» und «Mirror and Reverse» mäandern durch psychede-lische und prog- bis kraut-rockige Gefi lde. Dann der nächste Bruch: Mit «Paint Yourself» landen White Denim im weiten Feld von Americana, Folk und Bossa Nova; der Gesang mutiert vom Gebrüll zu einem äthe-rischen Falsetto, und mit «Regina Holding Hands» erklingt sogar eine stilechte Ballade. Ist das zuviel für 12 Songs und 37 Minuten? Ja und nein. Bei wiederhol-tem Hören wird man nach der anfänglichen Verwir-rung über die in alle Rich-tungen drängenden Songs gewahr, dass White Denim das Kunststück gelingt, sich trotz tausend durchklin-genden Referenzen nicht zu verzetteln. Grosse Leistung.

cg.

Laura GibsonBeasts of Seasons(Souterrain Transmissions/Irascible)

«Beasts of Seasons» ist be-reits Laura Gibsons viertes Album, für Ihren Rezen-senten ist die Folk-Song-writerin aus Portland den-noch eine Neuentdeckung. Hinter dem herzig heidni-schen Cover verbirgt sich ein Album, das in zwei Tei-le gegliedert ist. Zunächst hören wir die «Commu-nion Songs», dann die «Funeral Songs». Sparsam arrangiert sind beide Teile. Die akustische Gitarre wird gemächlich gezupft, ge-streichelt und sachte ange-schlagen. Piano, Fiedel und ein bisschen Schlagzeug geben den Arrangements Schraffur, im Zentrum aber steht die dunkle, brüchige Stimme. Die lakonisch me-lancholischen Lieder haben es nicht im Geringsten ei-lig, «Shadows On Parade» etwa bringt es zum Auftakt auf siebeneinhalb Minuten. Mit diesem Kleinod von einem Album platziert sich Laura Gibson in der Nach-barschaft von Marissa Nadler und Tour-Gspänli Alela Diana. Die wurden in der «Spex» unlängst als «Lagerfeuer-Gitarren-Elsen» abgewatscht, weil sie das Neofolk-Revival ins «Biedermeierlich-Konfek-tionierte» und in «Pseudo-Naturalismus» überführen würden. Unsereiner aber begrüsst eine weitere jun-ge Songwriterin, die das Wohnzimmer mit feinen Klängen wärmt – egal ob man nur konzentriert lauscht oder parallel die Bibliothek mit den ganzen Kunstkacktraktaten neu sortiert.

ash.

FijiFun Factory(Muve)

Fiji zum Dritten. Was hat uns die Berner Band auf dem Vorgänger «Le Loup» mit mitreissenden Klub-knallern begeistert. Also übersehen wir das plum-pe Cover und wenden uns direkt der Musik zu. Auf «Fun Factory» regiert hörbar das Bemühen um künstlerische Weiterent-wicklung – die Arrange-ments sind dichter, detail-verliebter und raffi nierter. Das erhöht die Halbwert-zeit, geht aber zulasten der Trefferquote. Vielleicht war es das Trio leid, Abend für Abend die plakativen Gas-senhauer des Vorgängers («Ulla», «Dance My Boo-gie» und «Tu Es Où») in die Klubs zu ballern. Doch diese Instant-Hits waren es, deretwegen man der Band auf der Stelle verfi el und nur noch tanzen wollte. Zudem berauben sich Fiji ohne Not einer Hauptat-traktion: Die französischen Texte unterstrichen die Di-va-Attitüde, mit der Sänge-rin Simone De Lorenzi dem pumpenden Elektro-Pop der Brüder Menk und Si-mon Schüttel Charme und Sex verlieh. Nun intoniert sie (wie schon auf dem De-büt) meist anglophon, was – im Verbund mit dem an-scheinend unvermeidlichen Auto-Tune – dazu beiträgt, dass die ehedem glamourö-se Truppe auf einmal recht gewöhnlich klingt. So er-innert «Fun Factory» an Molokos «Statues», denn hüben wie drüben führt der Wille zur Veränderung vom berauschenden Pop zu sau-berem Kunsthandwerk.

ash.

Sound SurprisenDas Spanien der sechziger Jahre stellt man sich gerne als kulturelle Einöde vor, unterdrückt von General Francos Schergen, tief durchtränkt von schwärzestem Katholizis-mus und mit inquisitorischer Strenge alles auslöschend, was auch nur entfernt nach Jugendkultur, Subversion oder gar einer Lockerung der Sitten roch. Francos Spanien war zweifellos kein fröhlicher Ort, und die spanische Kultur fand weitgehend im Exil statt – doch keine Diktatur der Welt wird es je schaffen, Jugendkultur und Rock’n’Roll ganz zu verhindern. Davon legen die beiden «Sensacional Soul»-Doppel-CDs des famosen Labels Vampisoul aus Madrid Zeugnis ab. Nachdem sich Vampisoul mit seinen Ausgrabungen von Latin-, Rhythm’n’Blues- und anderen Perlen einen Namen gemacht hat, machte es sich auf Spu-rensuche in der Heimat. Und wurde fündig. Und wie!«Sensacional Soul» ist ein ebenso faszinierender wie schweisstreibender Einblick in die spanische Jugendkultur der Sechzigerjahre. Damals gehörte die Liebe der Subkultur ganz der Psychedelia und dem Soul. Das fehlende techni-sche Equipment verunmöglichte allerdings die Entwicklung einer nennenswerten einheimischen Psychedelia, so dass die Bands umso vehementer eintauchten in die schwarze Musik Amerikas und sich bereitwillig beeinfl ussen liessen von den Four Tops, James Brown, Sly Stone und anderen.Die Einfl üsse sind gut hörbar, und immer wieder glaubt man Riffs, Melodien, Bläsersätze etc. der einschlägigen Monsterhits zu erkennen. Sehr originell ist das nicht, aber das tut hier wenig zur Sache – viel entscheidender sind die Hingabe, die Begeisterung und die Hitze, mit der Bands wie Los Gatos Negros, Los Albas, Los Gogo oder Los Roller dem Soul eine hispanische Note geben. Der Titel «Sensacional Soul» ist allerdings leicht irreführend oder zu eng gefasst. Vor allem Volume 2 bricht immer wieder aus dem klassischen Soul aus und stösst vor in Richtung R&B, Rock’n’Roll, Boogaloo bis hin zu scharfem Garagen-Rock.Einzelne aus den 69 Songs der beiden «Sensacional Soul»-Doppel-CDs hervorheben zu wollen, ist schwierig, ja müs-sig. Störende Füller sind keine auszumachen, auch wenn den CDs eine etwas strengere Verdichtung keinen Schaden angetan hätte – man hat bisweilen den Eindruck, dass da Sammler am Werk sind, die diese Zeit möglichst komplett dokumentieren wollen. Dennoch: «Sensacional Soul» ist eine faszinierende Sache.

Christian Gasser

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The Big PinkA Brief History of Love (Musikvertrieb)

Die Wurzeln der beiden Bandmitglieder von The Big Pink liegen im Indus-trial und Electro-Clash. Robbie Furze hat bei Panic DHH und Alec Empire ers-te Erfahrungen gesammelt, während sich sein Kom-pagnon Milo Cordell vor allem als leitendes Mitglied des Merok-Labels einen Namen gemacht hat. Mit The Big Pink kommt nun die Essenz dieser Erfahrun-gen aufs Parkett. Die har-ten Gitarren-Riffs, die man sich von Nine Inch Nails und Alec Empire gewohnt ist, werden in Watte ver-packt, mit poppigen Melo-dien versehen, mit nasalem und nonchalantem Gesang unterlegt und in Monoto-nie eingelullt, ohne dass die Emotionalität erstickt wird. The Big Pink sind aber nicht monokausal erklärbar. Im Hintergrund werkelten Alan Moulder (My Blood Valentine, NIN, Smashing Pumpkins) und Rich Cos-tey (Mastodon, Muse, New Order). Die harten Momente, wie sie im Hit «Velvet» zelebriert werden, sind auf «A Brief History of Love» eher die Ausnahme. In ihren wirklich grossar-tigen Momenten zeigt sich das Duo reduziert, nimmt Tempo weg, verstrickt sich in Samples und Kakopho-nie. Herrlich!men.

men.

Joe HenryBlood From Stars(anti-/Phonag)

Seit etwa fünfzehn Jahren geht Joe Henry unaufdring-lich, aber unbeirrbar und stilsicher seinen Weg. Als Produzent bescherte er den Soul-Legenden Solomon Burke und Bettye Lavette sensationelle Comebackss. Er arbeite mit Allen Tous-saint, Ani DiFranco, Elvis Costello und anderen. Als Musiker entwickelte er sich vom Rootsrocker zum Avant-Blues-Jazzer, der auf Meisterwerken wie «Scars» (2001) und «Tiny Voices» (2003) die Gratwanderung zwischen Experiment, Im-provisation und Song per-fekt beherrschte und die Americana um eine ganz eigene Note bereicher-te. Gemessen an «Tiny Voices» ist sein 11. Album «Blood From Stars» zwar kein Rückschritt, aber eine Konsolidierung. Joe Hen-ry nimmt den Blues als Ausgangspunkt für seine dreizehn Songs; diese sind vielschichtig und reich in-strumentiert, aber zurück-haltend produziert. Dank dieser Zurückhaltung ent-falten die unterschiedlichen Soundtexturen grosse at-mosphärische Dichte und machen aus «Blood From Stars» ein ruhiges, von un-terschwelligen Spannungen und nächtlichen Stimmun-gen in warmen Sepiatönen durchtränktes Album.

cg.

Funny van DannenSaharasand(JKP/Warner Music)

Über den lustigen Berliner Liedermacher habe ich hier immer mal wieder geschrie-ben, und bislang wurde ich nicht müde, den Sänger meines Jahrgangs zu lo-ben und zu preisen. Beim letzten Album «Trotzdem Danke!» (2007) hatte ich mich noch gewundert, dass dem Mann die Ideen nicht. Mit «Saharasand» ist es nun allerdings fast soweit, dass man den einen oder anderen Song eher gequält wahrnimmt. «Pfl anzendis-co» zum Beispiel, ein lang-weiliger Song: gähn. Dann aber wieder nimmt einen Funny, der 1995 mit sei-nem Solodebüt und gran-diosen Songs erstmals auf-getaucht ist, doch wieder mit. Wenn er bekennt, dass er, der klampfende Gitarre-ro einmal «saugefährlich» klingen möchte oder mit seiner «Katzenpissepistole» auch bei den Bankern vor-beischauen würde. Dazu das absurde «Simp-sonsplakat», eine absurd-traurige Lovestory oder, Funny ganz Feminist, das Problemlösungslied «Sa-menstau»: «Es liegt nicht am Wetter, an der Globali-sierung, es liegt am Samen-stau.»

tb.

DistelmeyerIch geb es zu: Als «professioneller Musikmensch» wird man abgestumpft. Zu viele Konzerte, zu viele Platten. Das geht nicht spurlos an einem vorüber. Und es sind dann – ehrlich gesagt – wenige Neuerscheinungen, auf die ich mich richtig freue.Jochen Distelmeyers Solodebüt ist eine davon. Was war man traurig, als sich Blumfeld vor zwei Jahren nach sechs exzellenten Alben aufgelöst haben. Diese für die deutsch-sprachige Musik so wichtige Hamburger Band, die gleich-wohl zumindest in den letzten Jahren umstritten war. Blumfeld-Konzerte waren immer Ereignisse, Interviews mit dem Sänger und Songschreiber Jochen Distelmeyer eine willkommene Abwechslung: gegenüber anderen Musiker-kollegen ist der 42-Jährige ein eloquenter und interessanter Gesprächspartner, der sich bei aller Intellektualität ein gu-tes Mass an «Normalität» bewahrt hat.Die Messlatte für «Heavy» liegt also hoch, die Erwartun-gen an das Solo sind gross. Und die Erwartungen werden für meine Ohren erfüllt. Distelmeyer schliesst an die gros-sen Momente mit Blumfeld an. Sowohl an die ruppige Indie-Rock-Frühzeit als auch an die spätere, melodische Pop-Phase.Zehn Songs, die mit jedem Hören wachsen, ein paar sehr gut, der Rest gar fantastisch. Es geht los mit der A-Cappel-la-Nummer «Regen», ehe die heftigere erste Single «Wohin mit dem Hass?» mit einem Video, das eher provoziert als das Kasperl-Theater, das Rammstein im Moment mit ih-rem neuen Machwerk «Pussy» aufführen. Song Nummer drei heisst «Er» und ist recht dunkel und hat wieder diese repetitiven Gitarrensounds, die man auch als alter Sonic-Youth-Fan mag. «Lass uns Liebe sein» ist dann der poppi-ge Distelmeyer, der eben auch so kann. Das zeigt er auch auf dem wunderschönen Liebeslied «Nur mit Dir». Zuvor hören wir mit «Hinter der Musik» allerdings einen rocken-den Distelmeyer – fast wie früher, möchte man sagen.

Thomas BohnetJochen Distelmeyer: «Heavy» (Sony Music)

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Kurt VileChildish Prodigy(Musikvertrieb)

Kurt Vile ist ein amerika-nischer Troubadour, der Traditionelles mit Zeitge-nössischem verbindet. Sein Sound oszilliert zwischen klassischem Folk-Rock und Psychedelic/LoFi-Sounds aktueller Prägung. So fi nden sich auf «Chil-dish Prodigy» stampfende Fuzz-Rocker wie der Ope-ner «Hunchback» oder der Instant-Hit «Freak Train», wie auch eingekehrte und kontemplative Folk-Songs wie «Overnite Religion». Die bezeichnet Vile auch gerne als «bedroom Tom Pettyy». Und genau dort, in seinem Schlafzimmer, hat Vile bis vor zwei Jah-ren musikalisch mehrheit-lich gewirkt – bevor das Micro-Indie-Label Gulcher Records 2008 sein Debüt «Constant Hitmaker« her-ausbrachte. Einzige Remi-niszenz aus diesen Tagen auf dem neuen Album ist «Overnite Religion». Ne-ben seinen Solo-Outputs wirkte Vile hauptamtlich als Frontmann der Phila-delphia-Indie-Rocker War on Drugs, die ihr Debüt 2008 auf Secretly Cana-dian veröffentlichten. Das wird sich in Zukunft wohl diametral ändern, denn Viles Solo-Karriere erfährt dieser Tage einen enormen Boost. Matador Records, Mitglied des Indie-Label-Dreigestirns mit Sub Pop und Domino Records, hat Vile kürzlich gesignt und wird „Childish Prodigy“ Anfang Oktober weltweit veröffentlichen. Danach geht‘s auf Nordamerika- und Europa-Tour.

men.

Gretchen Par-latoIn a Dream(Obliq Sound)

Mit Gretchen Parlato kann man zurzeit nichts falsch machen. Die nicht mehr ganz so junge Frau aus L.A. hat grosse Gönner und Be-wunderer, zum Beispiel die Jazzgurus Herbie Hancock und Wayne Shorter. Auch die einschlägigen Musik-gazetten schreiben, da wo ihr zweites Album schon veröffentlicht ist, Lob um Lob. Warum eigentlich? Vielleicht weil die Frau mit dem süssen Vornamen also mal wirklich Jazz macht und nicht nur schöne Lie-der zu einer ausgefuchsten und wohltemperierten (und wie so oft langweiligen) Begleitung spielt. Parlatos Stimme ist gar nicht auf-dringlich, sie wispert und fl üstert und formt klacken-de Laute in der Mundhöh-le. Sie ist Teil des hibbeligen perkussiven Geschehens aus Fingerschnippen, Klat-schen, ein bisschen Gitarre, Piano-Solo etc. etc. Welche Worte sie singt, ist eigent-lich gar nicht so wichtig, weil ihre Stimme zum Inst-rument wird. Sie dominiert nicht, und das ist eigentlich das Betörende an dieser Platte. Parlatos Begleiter (Pianist, Gitarrist, Bassist, Schlagzeuger) puzzeln ihr eine Art Neo-Bossa-Nova zusammen, und Songs wie «I Can‘t Help It» von Ste-vie Wonder klingen auf ein-mal wieder neu und aufre-gend. So soll es sein.

cam.

Volcano ChoirUnmap(Musikvertrieb)

«Unmap» beginnt wie eine Songskizze, und im Grunde bleibt das bis zum letzten Ton des letzten Songs auch so. Justin Vernon alias Bon Iver, seit seinem Debüt der neue Singer/Songwriter-Darling der Indie-Presse, hat für «Unmap» mit der Drone-Band Collections of Colonies of Bees zu-sammengespannt. Wer indes schöne Folk-Songs erwartet wie bei Bon Iver, gespickt mit Kaminfeuer-Stimung, schlüssigen Song-strukturen und Ohrwurm-Refrains, der wird von Volcano Choir enttäuscht. Wer jedoch genauer hin-hören mag, der fi ndet ein Kleinod, bestehend aus Songfragmenten, die es sich auf einem cleveren Sound-teppich gemütlich machen und erst im Laufe der Zeit zusammenfi nden. Das Al-bum klingt dadurch herr-lich unfertig und ist nicht zuletzt deshalb äusserst lie-benswert. Es braucht noch etwas Arbeit, bevor sich die Schönheit dieser Songs offenbart. Ist man bereit, diese zu investieren, wird man belohnt.

men.

Daniel JohnstonDaniel Johnston, der Grossmeister des LoFi, der ungekrön-te König der knappen und passenden Worte zu Liebe und Leben (vor allem aber: Liebe) ist zurück. «Is and Always Was» heisst sein jüngster Langspieler, und auch bei dieser Platte denkt man wieder: «Mein Gott» und «Der Arme». Von Song zu Song zu Song lispelt sich das Schwergewicht durch locker federnde, rockende und zuweilen auch Billy-Joel-hafte Tracks. Johnston gibt sich dabei manchmal iro-nisch-witzig («Fake Records of Rock and Roll»), manch-mal tierlieb («Queenie the Doggie») und mal verzweifelt kontemplativ («I Had Lost My Mind»). Letztendlich lan-det Johnston aber auch auf «Is And Always Was» wieder dort, wo er durch seine ganze Diskographie hindurch im-mer wieder landete: versunken in einem Meer von ewiger Sehnsucht nach seiner grossen Jugendliebe und Traumfrau Laurie Allen. Und verzehrt sich und ist wütend und hofft aber immer auch noch. Zum Beispiel bei «High Horse», zum Beispiel bei «Without You», zum Beispiel bei «Tears». Und es sind natürlich diese Momente, in denen der von Psychopharmaka stark angeschwollene LoFi-König er-neut über sich hinauswächst. Auch wenn das Piano nicht mehr verstimmt vor sich hinklimpert und auch wenn die Gitarre nicht mehr hypernervös rumschrammelt, wie das auf seinen alten, legendären Kassetten noch der Fall war. Klar ist das alles nicht immer nur lustig. Wer den Doku-mentarfi lm «The Devil and Daniel Johnston» gesehen hat, weiss das. Es überrascht denn auch kaum, dass der Mann hin und wieder zu Sätzen wie «Without you / I’d be free at last» kommt. So sehr man Johnston wünschen mag, dass ihn seine Dämonen endlich loslassen, so sehr muss man Johnston auch wünschen, dass er Laurie Allen und seine Liebe zu ihr nie schleifen lassen möge. Denn Laurie Allen ist zu guten Teilen Daniel Johnston. Ist es, war es immer und bleibt es wohl auch noch eine ganze Weile. Eigentlich schaurig, eigentlich traurig – aber eben auch, nun, schön.

Nino Kühnis

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Magic Christi-anEvolver(Dirty Water Records)

«Magic Christian» hiess ein legendärer Kinofl op von 1969 mit Peter Sellers, Rin-go Starr und Raquel Welch (welch eine Traumbeset-zung!). Kann man getrost vergessen. Was auf «Evol-ver» unter dem selben Ban-ner segelt, entpuppt sich als wahre Supergroup des ka-lifornischen Rock‘n‘Roll: Cyril Jordan (The Flamin’ Groovies) an der Gitarre, Clem Burke (Blondie) an den Drums, Eddie Munoz (The Plimsouls) am Bass und Paul Kopf am Mikro – vier Könner, die voller Energie und Enthusiasmus der goldenen Ära des Rock neue Facetten abringen. Magic Christian sind keine Coverband. Alle Songs ih-res Debütalbums stammen aus der Feder von Cyril Jordan – mit Ausnahme eines Beatles- und zwei-er Pete-Townshend-Titel. Als Songschreiber besitzt Jordan immer noch diese ganz spezielle Pop-Sensibi-lität, welche an die besten Flamin’-Groovies-Stücke, aber auch an Lennon/Mc-Cartney erinnert. Und als Gitarrist lässt er die zwölf-saitige Rickenbacker 360 so wunderbar jubilieren, dass ich unweigerlich an George Harrison auf «Ti-cket to Ride» denken muss. Magic Christian vereinen das Beste aus Sixties-Ga-ragerock, Stones-Groove und Power-Pop. Das ist kein platter Retro-Sound, sondern schlicht Musik, die glücklich macht.

tl.

Sweet / HoffsUnder the Covers Vol. 2(Shout! Factory)

Sinnlicher, etwas süsser, aber auf jeden Fall ani-mierter als Scarlett Johans-son mit Pete Yorn (laut PR-Text «die Neuaufl a-ge von Serge Gainsbourg und B.B.» – dass ich nicht lache!) klingen Matthew Sweet und Susanna Hoffs. Nach einem Album voller Sixties-Klasssiker («Under the Covers Vol. 1», 2006) nimmt sich das Duo nun die Seventies vor. In drei Jahren droht uns wohl – als logische Konsequenz – ein Machwerk mit Covers von Spandau Ballet und Kajag-oogoo. Seis drum. Also die Siebziger: Soft-Pop (The Raspberries, Fleetwood Mac), Countryrock (Little Feat und Grateful Dead), dazu Verschrobenes von Big Star, Todd Rundgren, George Harrison («Bewa-re of Darkness») und John Lennon («Gimme Some Truth»). Alles Relikte der Poplandschaft vor den Sex Pistols. Mit Rod Stewarts Jukebox-Heuler «Maggie May» und Mott The Hoop-les Glam-Rock-Hymne «All the Young Dudes» ge-lingen Sid & Susie lediglich mediokre Kopien. Auch Carly Simons «You’re So Vain» reisst in der wenig originellen Hoffs-Version nicht wirklich vom Ho-cker. Doch dann heben die Bangles-Frontfrau und ihr musikalischer Partner mit Derek and the Dominos’ superbem «Bell Bottom Blues» und einer betören-den Version des Yes-Titels «I’ve Seen All Good Peop-le» ab. Unglaublich.

tl.

XXXX(XL/Musikvertrieb)

Mit ihrem selbstbetitelten Debüt legen XX, vier blei-che und schwarz gewande-te Teenager aus Südlondon, ein beängstigend abgeklär-tes und eigenständiges Al-bum vor. Nach einer kur-zen, auf zwei vorgängigen EPs dokumentierten Phase des Suchens haben XX ihren Stil gefunden: Die Songs sind ausgebremst, der Sound ist reduziert. Der unterkühlt tropfende Bass, die klirrende Gitarre, das traurige Keyboard und das trockene, schwarzen Funk-Schlagzeug sind nur so präsent wie notwendig. Mit diesem atmosphärisch stimmigen Minimalismus bauen XX eine Spannung auf, die von Song zu Song wächst, ohne je durch ei-nen erlösenden Ausbruch oder einen versöhnlichen Refrain aufgelöst zu wer-den. Die leeren, leicht ver-hallten Räume bedeuten indes nicht Offenheit, son-dern Klaustrophobie – XX stehen spürbar im düsteren Keller der Pubertät. Diesen Eindruck verstärken die Stimmen: dunkel und sou-lig die des Bassisten Oliver Sims, spröd und gehaucht die der Gitarristin Romy Madley Croft. Obschon die meisten Songs Duet-te sind, wirkt es eher, als nuschelten sie ihre Klagen über die Liebe und das Verlassenwerden aneinan-der vorbei. Verhuscht und scheu, gleichzeitig aber auch selbstbewusst und stilsicher – «XX» ist ein be-eindruckendes Debüt von berückender Schönheit.

cg.

Chris CacavasLove’s Been Discon-tinued(Blue Rose)

Chris Cacavas, der seit sie-ben Jahren der Liebe wegen in Süddeutschenland lebt, wird gerne als so eine Art Indie-Version oder kleine Ausgabe von Neil Young gehandelt. Jedenfalls seit der Keyboarder seit 1988 solo bzw. mit eigener Band unterwegs ist. Ältere Lese-rInnen kennen den Tasten-Wizzard aus Tucson, der musikalisch in LA gross geworden ist, allerdings als einstiges Mitglied der for-midablen Green On Red sowie als Gast-Musiker auf zahlreichen Alben und bei Liveshows der Kollegen von Giant Sand bis Steve Wynn. Auch auf dem neu-en Solowerk klingt Caca-vas wieder wie ein kleiner Bruder von Neil Young. Zwölfmal unspektakulä-res, handgemachtes, gutes Songwriting. Cacavas am Keyboard, aber auch an den Gitarren, eine Spur Psychedelic, etwas Count-ry. Schöne Platte.

tb.

Music For Your HeartTurning Marvel(Sunday Service)

«Auf Tour zu sein war immer ein Mordsspass, auch wenn die Bezahlung armselig, die Unterkunft schmierig und die Verpfl e-gung mangelhaft war», er-zählte Sandra Zettpunkt. Als Schlagzeugerin trom-melte sie für fünf Bands, war mehr on the road als zuhause in Hamburg und hetzte von einem Adrena-linkick zum nächsten. Ir-gendwann begann sie sich dem Songschreiben zu widmen.Das schüchterne «Turning Marvel» ist ihr Debüt. Alle zwölf Songs klingen, als wä-ren sie ein Soundtrack für eine Dokumentation über protestantische Engel, die etwas unterkühlt, beschei-den, durchsichtig, schwe-bend, klar und fair sind. Sandra Zettpunkts Gesang ist fast schüchtern, vor Refrains scheint sie Angst zu haben. Klar, es könn-te gut klingen, wenn sie Wörter und Zeilen mehr-mals singen würde, aber sie lässt bewusst Lücken, zwischen den Wörtern und auch in der Begleitmusik. Die Gitarre klingt ebenso verhuscht und reduziert und mus dann auch noch für Grooves sorgeb der Bass bekommt die Aufga-be doch ein bisschen für Groove zu sorgen. Manch-mal gehen die Songs auch los, aber mit angezogener Handbremse. Die in Bern lebende Sandra Zettpunkt singt meist auf englisch, manchmal aber auch auf deutsch. «Ohne Grund bist du bodenlos» – so mehrdeutig kann Pop sein.

cam.

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EMILY JANE WHITE

neues Album

"Victorian America"

Grosse Songs, wunderschöne

Arrangements und eine Stimme die

berührt. Fans von Cat Power

werden entzückt sein!

erhältlich ab 12. Oktober

IRASCIBLED I S T R I B U T I O N

im Konzert 19.11.09

Gaswerk - Winterthur

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Times New VikingBorn Again Revisited(Matador/Irascible)

Vor genau elf Monaten wurde an dieser Stelle eine neues goldenes Zeitalter eingeläutet . Shitgaze hiess die Strömung, die Ehrlich-keit in den Pop zurück-bringen sollte. 8-Spurauf-nahmen wurden für einmal nicht auf Vinyl gepresst, um den Sammlern den letz-ten Franken aus der Tasche zu klauen, sondern aus Prinzip. Es wurde (wieder einmal) erkannt, dass gute Musik auch gut ist, wenn sie grauenhaft aufgenom-men ist. Alos: Abwinken zu Studioexzessen und Editierwahn, Fokussieren auf den Song. Nicht zu-letzt war und ist das auch ein Eingeständnis an die Realität. Denn die viel-versprechende neue Band der Stadt spielt ihre ersten Konzerte nicht im Klub mit der fetten Anlage, sondern in irgendeinem Keller. Es scherbelt und überschlägt und ist trotzdem grossartig. Genauso waren auch die Platten der Shitgaze-Bands. Auch «Born Again Revi-sited», der Zweitling von Times New Viking. Das Trio rumpelt sich durch kurze und kürzeste Songs, als gäbe es keine VU-Me-ters. 15 grossartige Rohdi-amanten in katastrophaler Qualität. Und das ist im-mer noch grossartig.

nin.

PhoniquesF Is For Faith(Verte/Irascible)

Rock aus der Romandie und kein Ende. Diesmal mit einem Welschwalliser Quartett, das nach Gigs in allen relevanten Spiel-stätten der frankophonen Schweiz sein Debüt vor-legt. Wir vernehmen un-gestüme Energie, die sich stampfend, trampelnd, vorwärts stürmend Bahn bricht. Dann entdecken wir Prog-Elemente: Über-raschende Rhythmus- und Harmoniewechsel, Instru-mentalpassagen mit zwei-stimmigen Gitarren nach Metallerart, und da und dort gedämpfte Töne («A Night at the Roystone») mit Schellenkranz, Schram-meklampfe und getupf-tem Fender Rhodes. Meist aber setzen Phoniques auf Wucht – das Klangbild ist tiefergelegt und eingeebnet, selbst der Gesang völlig im Mix integriert. Ein dumpf malmender Sound, der hypnotisierend wirkt, über die ganze Laufzeit von rund einer Stunde aber etwas zu gleichförmig und undurch-dringlich gerät. Denn Sän-ger Stefan Clay verfügt über eine Entschlossenheit in der Stimme, mit der er die Songs deutlicher akzen-tuieren könnte. Überhaupt dürfte sich die Band trauen, noch etwas prägnanter zu agieren. Denn auch wenn der Verzicht auf Vorder-gründiges zum rohen Reiz beiträgt, würden ein, zwei à point produzierte Songs Respekt und Wohlwol-len in echte Begeisterung verwandeln. Wir sind ge-spannt aufs Zweitwerk.

ash.

45PrinceDie LP von den The Smith Westerns und die Garage-Ace-tates-Serie auf Norton Records liessen nicht viel freie Spiel-zeit für neue Singles. Nur Personal & The Pizzas (Bubble Dumb) vermochten da ihren Käse dazu zu geben. «Brass Knuckles» ist ebenso unschuldiger Girl-Group-Pop wie Ramones-Punk, einfach am Anfang des neuen Jahrhun-derts. Eine erste Version sowie «Nobody makes my girl cry but me» kommen wie ein Pack Chips schwerfällig und ein-fältig daher, und man kann die Finger trotzdem nicht da-von lassen. Die zweite Version ist dann jedoch aufgepeppt mit frischen Kräutern. Führende Ärzte empfehlen, das gan-ze Jahr über mehrmals täglich davon zu konsumieren.Wer auch im Sommer nicht verzichten wollte auf ein reich-haltiges Vinyl-Büffet, dem standen nahrhafte Wiederver-öffentlichungen zur Auswahl. So hat Rhino/Electra etwa von The Stooges «1969»/«Real Cool Time» mitsamt Boss-Hülle neu aufgelegt. Und solange dieser Allzeit-Klassiker im Schul-Musikunterricht nicht Blockfl ötenpfl ichtübung ist, kann man nicht oft genug mit dem Finger darauf zei-gen. Sollte demnächst nämlich tatsächlich «Raw Power» den Weg zurück auf die Bühne fi nden, wird damit beschä-menderweise wohl immer noch kein Hallenstadion gefüllt. Doch die Nackenhaare brechen noch jedes Mal, wenn es mit «Well, Awright» losgeht. Der Engländer Vince Taylor schaffte es im Frankreich der Sechzigerjahre dank seinem später von Elvis kopier-ten schwarzen Leder-Outfi t als Elvis-Kopie zu einiger Be-rühmtheit, bevor ihn die Drogen knickten. Unsterblichkeit erlangte er duch seinen 1958 veröffentlichten Song «Brand New Cadillac». Dieser dunkle, aggressive und bedrohliche Rocker war seiner Zeit um etliches voraus. Später sollten The Clas damit ein nicht allzu glückliches Händchen be-weisen, was dann aber später von The Milkshakes berich-tigt wurde.

Philipp Niederberger

Os MutantesHaih or Amrotecedor(anti-/Phonag)

Dieses Album ist eine klei-ne Sensation, markiert es doch das erste Studiowerk der einfl ussreichen brasilia-nischen Band Os Mutantes seit 35 Jahren. In den Sech-zigern gehörte das Projekt der Gebrüder Sergio und Arnaldo Dias sowie der tol-len Sängerin Rita Lee Jones neben Caetano Veloso und Gilberto Gil mit zu den wichtigsten Vertretern des brasilianischen Tropica-lismo, einer kulturell und musikalischen Bewegung die englischen/amerika-nischen Rock mit Bossa, Nova und brasilianischen Sounds verschmolz, dabei dezidiert politisch auftrat (damals herrschte in Bra-silien eine Miltiärjunta). In den Neunzigerjahren wurden Os Mutantes von jüngeren Musikern der Szene wiederentdeckt. So schwärmte nicht nur Kurt Cobain von der experimi-entierfreudigen Combo, auch Beck oder die Fla-ming Lips, in deren Vor-programm die reformierten Os Mutantes vor drei Jah-ren in US-Shows zu sehen waren. Auf David Byrnes Label Luaka Bop ist 1999 mit «Everything is possib-le» ein schönes Best-Of der alten Os Mutantes erschie-nen.«Haih....» ist wirklich eine erstaunliches Album.. Da prallt psychedelischer Pop auf puren Salsa, Rock auf Latin, Funk auf Brasil-Sounds – eine tolle Mi-schung. Schade nur, dass Rita Lee nicht mehr dabei ist.

tb.

Page 22: The Beatles - loopzeitung.ch€¦ · sich mit den Beatles befasst, gerade mit Projekten wie der ‹Anthology›, ‹Let It Be…Naked› und ‹Love› beschäftigt.» Jetzt aber

Bodennebel mit And Also The Trees

Herbst und hängende Köpfe – ein Klischee, zugegeben. Sagen wir deshalb, dass sich mit And Also The Trees Archetypen der wohligen Tristesse die Ehre geben. Die Band um die Brüder Simon und Justin Jones gehörte einst zu den eigenwilligsten New Wavern. Mit mandolinenartig schwebenden Gitarrenklängen und Sprechgesang im Dichterduktus schufen sie mehr als ein melancholisches Meisterwerk der Achtzigerjahre. In den Neunzigern widmete sich das englische Quartett dann einer Art Americana noir, be-vor es irgendwann vom Radar verschwand. Seit 2003 aber sind zwei neue Songsammlungen erschienen, durch die der Bodennebel kriecht. Den Kreis schliesst nun ein Album mit Akustikversionen älterer Songs. «Unplugged»-Platten sind oft genug kreative Bankrotterklärungen, «When the Rains Come» aber ist eine Wiedergeburt in Moll: And Also The Trees kleiden ihre Lieder in kammermusikalische Arrangements ganz ohne Schlagzeug, nur mit Kontrabass, Gitarre plus etwas Melodica oder Ak-kordeon. Sänger Simon sagt, wie dieses Programm am besten funktioniert: «Du solltest diese Songs an einem ruhigen Ort hören oder im Konzert.» Zum Beispiel beim ersten Auftritt in der Deutschschweiz seit über zehn Jahren. (ash)

13.10., Ziegel oh Lac, Zürich; 14.10., Le Bourg, Lausanne

Jubilieren mit Ikarus Records

Das hatten sie sich wohl auch ein bisschen anders vorgestellt, damals, 2004, als die Jungs der beiden Bands Kid Ikarus und Duara aus Selbsthilfe zu La-belmachern wurden. Features auf DRS2? 21 Tonträger rausgehauen? Die ewigen Indie-Majestäten Disco Doom und Gabardine aufm Roster? Yep, alles passiert. Wat mutt, dat mutt, scheinen sich die an Ikarus Records be-teiligten Bands zu sagen, und so steigt das Kollektiv dieser Tage munter ins sechste gemeinsame Jahr. Zuerst aber wird gefeiert, und zwar – wie es sich gehört – mit einer Konzertserie. Eröffnet wird der Reigen von Kid Ikarus und The Haddocks in Zürich. Sind Erstere eher in Delay-Pedal-Gefi lden zuhause und lassen sich Zeit mit Auf-, Um- und Abbau ihrer instrumenta-len Songs, treten The Haddocks eher songwriterisch auf und wissen man-che Assoziation zum grossartigen, wenngleich völlig unterschätzten Kevin Seconds zu wecken. Und weil man nicht mit leeren Händen zu einem Fest geht, bringen die beiden Bands auch gleich den backfrischen Labelsampler mit, den sich Ikarus Records selber zum Geburtstag geschenkt hat. Konzer-te, Geburifest, Plattentaufe: besser gehts kaum. LOOP-Prädikat: hingehen. (nin)

25.9., Kalkbreite, Zürich (Kid Ikarus); 3.10., Mars-Bar, Zürich (Duara)

Ermitteln mit Göldin & Bit-tuner

Nun sind sie also wieder unterwegs, die beiden grossen Spurensicherer. Ihr aktuelles Album ist eben erschienen und trägt den programmatischen Titel „CSI: Appenzell“, und darauf verhandeln der rappende Dichter Göl-din und der klangbastelnde Denker Bit-tuner einmal mehr alles, was die Menschen zwischen St. Margrethen und Genf bewegt und beschäftigt: UBS-Milliarden, Politiker auf Irrwegen, Gaddafi , öde Fussballspiele und – natürlich – die Finanzkrise. Dabei lässt sich das dynamische Duo auf dem aktuellen Tonträger von Navel-Chef Jari Antti unterstützen, der dem Gesamtsound mit seinem Beitrag zusätzliche Dringlichkeit verleiht. Oder in den Worten des offi ziellen Begleitschreibens: „Im Geiste von Poeten und Bands, die nie aufgehört haben zu sagen, dass ihnen ganz vieles nicht passt, verlieren die Drei vom Grill dennoch nie den Humor und liefern ein fast schon cabaret-eskes Stück Musik ab, das niemand bestellt hat, auf das aber ganz viele schon ganz lange gewartet haben.“ Jetzt ist es draussen. Irgend-wo da draussen. (amp)

25.9., Helsinki, Zürich; 26.9., Helsinki, Zürich; 3.10., Sonic Records, Zürich; 15.10., Rössli, Bern; 16.10., Kaff, Frauenfeld; 17.10., Palace, St. Gallen; 23.10., Exil, Zürich; 24.10., Hirscheneck, Basel; 30.10., Dan’s Farm, Hugelshofen

Unterhalten mit Jonathan Richman

Musik, die ihn berühre, müsse «action packed» sein, sang Jonathan Rich-man einst im gleichnamigen Lied mit seiner unnachahmlichen Stimme über die gewohnt einfach gestrickte, sonnige Akkordabfolge. Denn spektakulär, das sind die Lieder des Mannes aus Boston nur dank dem unnachahmli-chen Vortrag. Richman zelebriert das Herzliche, das Offenherzige wie im kindlichen «Ice Cream Man» und lässt lustig in der Schwebe, ob denn ein Werk wie «I’m Straight» aus dem Protopunk-Debütalbum seiner Mo-dern Lovers eine ironisch gebrochene Geschichte mit dem dauerbekifften Hippie-Johnny oder ein strenges Anti-Drogistenlied ist. Mittlerweile kon-zertiert der 58-Jährige, der einst nach New York zu Velvet Underground pilgerte und die goldene Antifolk-Generation massgeblich prägte, auf den Kleinbühnen dieser Welt im Verbund mit dem Trommler Tommy Larkin, ist bekannt durch Fernsehen und Kinoleinwand und, natürlich, durch sei-nen legendären Ruf als grosser Unterhalter. Auch und gerade dann, wenn der Schlaks in der Lesbenbar tanzt und seine gloriosen Lieder über Meis-termaler anstimmt. (bs)

19.10., Café Kairo, Bern

NACHT SCHICHT

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NACHT SCHICHT

Umschiffen mit The Fiery Furnaces

Eleanor und Matthew Friedberger, die für ihr komplexes Songwriting berüchtigt sind, klingen auf ihrem neuen Tonträger «I’m Going Away» geradezu zugänglich. Fast, aber nur fast, könnten diese Songs auch in ei-nem unscheinbaren Supermarkt laufen. Oder in der kleinen Kneipe gleich um die Ecke. Aus Pianobar-Pop, Ragtime und No Wave basteln die New Yorker Geschwister ein Album, das aller Nostalgie zum Trotz erfrischend klingt. Mit brüsken Tempowechseln, harschen Disharmonien und subtilen Störgeräuschen umschiffen The Fiery Furnaces die Retro-Falle elegant und formuliert Intelligente Popmusik, die nie den offensichtlichsten Weg wählt.

4.10., Bad Bonn, Düdingen

Lichter richten für Joseph Arthur

Wenn sich die Scheinwerfer auf einer Person bündeln, dann verbleiben andere zwangsläufi g im Dunkeln. In den letzten Jahren standen deshalb eine ganze Reihe von US-Songwritern neben Ryan Adams im Schatten. Dabei hätte jemand wie Joseph Arthur durchaus das Potential für ähnliche Erfolge. Auch er haut emsig Alben und EPs raus und auch er beherrscht sämtliche Disziplinen der Liedermacherkunst vom akustischen Folk über schlierige Americana bis zum vollverstärkten Rock. Seine Melodien sind unwiderstehlich, fragen Sie Peter Gabriel, der ihm einen Plattenvertrag ge-geben hat, fragen Sie die Grammy-Jury, die Arthur mehrfach nominierte, fragen Sie die Produzenten verschiedener TV-Serien, die seine Songs auf die Tonspur setzen, wenn kraftvolle Klänge voller Gefühl gefragt sind. Wahrscheinlich ist auch Ihnen schon mal einer dieser wunderbaren Songs nachgelaufen, bloss wussten sie nicht woher der struppige Kerl mit dem rätselhaften Grinsen stammte. Egal. Jetzt kommt Joseph Arthur mit seiner Gitarre in die Stadt und für diesen Abend werden sich alle Lichter auf ihn richten. (ash)

21.10., Theatre de l’Alhambra, Genf; 22. 10., El Lokal, Zürich

Umarmen mit Camera Obscura

Eigentlich sprach nicht sehr viel für Camera Obscura, als sie das erste Mal meine Wege kreuzten. Eine schreckliche komponierte Plattenhülle tat ihr bestes, damit jedermann tunlichst die Finger von ihr liess: Leicht beduselt dreinblickende Sängerin, grässliche Tapete im Hintergrund und durchwegs Fünfzigerjahre-Farben. Der Fall war eigentlich klar. Aber natürlich langt man trotzdem hin, und bis zum heutigen Tag muss ich laut verkünden: zum Glück. Denn die Glasgower Camera Obscura sind seit drei Jahren Dauergast auf meinem Plattenteller. Mit ihrem typischen Glasgowsound zwischen C86, Twee, klirrender Kälte und warmen Umarmungen landeten Camera Obscura denn in der Folge auch auf dem kultigen Label 4AD und haben seither viel zu tun. Zum Beispiel eine gigantische Tour von über 50 Daten zu spielen, die sie auch für ein Konzert in die Schweiz führt. Zum Glück. Ihrer neuen Platte „My Maudlin Career“ zufolge könnte das einer der besseren Abende der Saison werden. (nin.)

13.10., Abart, ZürichKopfschütteln mit T-Model Ford

Über hundert Jahre schon hat sich der auf Tonträger gebannte Blues be-reits entwickelt. Dabei ist er natürlich meistens auf unzähligen belanglosen Irrwegen gelandet und vom Pilgerweg von Blind Willie Johnson, Arthur Crudup, Howlin Wolf, Jessie Mae Hemphill und Mitheiligen abgewichen. Das bisher letzte Stück Weg der Erleuchtung wurde von T-Model Ford und dem mittlerweile verstorbenen R.L. Burnside gepfl astert. Der wohl 80-jährige, höchst sympathische T-Model Ford aus Greenville, Mississippi, wird jeweils begleitet von einem Schlagzeuger und dem Teufel persönlich - anders ist es nicht zu erklären, wie er all den Rhythmus und all die Melo-dien gleichzeitig aus seiner Gitarre herausholt. Doch halt, das ist nichts für Gitarrensoli-Fetischisten, beseelte Blues-Mitklatscher oder ewig gestrige Nostalgiker. Der Taildragger spielt so roh und direkt, dass dem Punk die Spucke wegbleibt, so hypnotisch rhythmisch, dass der Tripmeister auf sein LSD pfeift, und so unglaublich heute, dass selbst John Lee Hooker Staub ansetzt. Und traurig ins Glas schaut auch niemand, denn hier wird ausge-lassen getanzt und aus der Whiskeyfasche getrunken. Früher brauchte es unzählige Plattenfehlkäuf,e um im Dschungel der Blues-platten den gesuchten Tempel zu entdecken und zu merken, dass Blues kein Schimpfwort ist. Dies ist heutzutage wohl mit einem Raub-Download mit anschliessendem Delete um einiges einfacher, aber bestimmt immer noch müssig. Deshalb bietet sich hier die Gelegenheit, gleich On Top Of The Pops einzusteigen. Also, liebe Leserin irgendwelchen Alters, wenn Du für den Bierwerbung-Blues aus Funk- und Fernsehen nur Kopfschütteln übrig hast, stell Dich an diesen wunderschönen Biertresen und gib diesem Blues noch diese eine Chance. Deine Chance. (pin)

5.10., Bad Bonn, Düdingen; 6.10., El Lokal, Zürich,

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