The Division PCGH Special Kor

4
The Division Das große Making-of: von der Playmobil-Stadt zum virtuellen Big Apple v. Benjamin Kratsch/John Gaudiosi Twitter: @TheDudelino Auf der South by Southwest, einer Konferenz für Technologie und Design in Austin sprach Massive Entertainment ausführlich über die Entwicklung von The Division, warum dabei zahlreiche Autotüren zu Bruch gingen, welch zentrale Rolle Physical Based Shader spielen und warum ausgerechnet der Schnee eine der höchsten technischen Hürden war. Wussten Sie eigentlich, dass das New York aus The Division als Kartonstadt in einem Keller von Massive Entertainment entstanden ist? Ubisofts CEO Yves Guilemot war von der Idee so begeistert, dass die Schweden innerhalb von nur fünf Tagen eine Konzeptstudie erstellen mussten. „Wir haben also aus Holz und Pappmaschee einen Straßenzug gebaut, bemalt und Modell-Autos darin platziert“, erinnert sich der technische Art-Director Rodrigo Cortez. Anschließend hat sein Team je eine Playmobilfigur als Scharfschütze an einem Fenster und eine andere hinter einer Mauer auf der Straße platziert und von den Waffen Bindfäden zu den Autos geführt. „An den Bindfäden konnte man kleine Ringe rutschen lassen, die unsere Kugeln simuliert haben und da wo sie einschlagen sollten, stanzten wir Löcher in die Autos.“ Eine recht abenteuerliche Art einen Prototyp zu erstellen, doch im Jahr 2012 war Massive zum einen noch kein großes Studio und zum anderen existierte die Snowdrop-Engine noch nicht. „Wir hatten vorher mit Ubisoft Paris zusammen XIII entwickelt, einen Shooter mit Cel-Shading-Look. Ansonsten waren wir ein reines Strategiestudio, bekannt für Ground Control und World in Conflict. Wir wollten mit dem Modell vor allem zeigen, wie wir das bekannte Szenario mit maximaler Liebe zum Detail verheiraten werden.“ Was nicht immer ganz einfach sei in Europa, weil es in Schweden ähnlich harte Waffengesetze gebe wie in Deutschland. „Das war der Grund, warum Ubisoft uns vorgeschlagen hat mit Red Storm Entertainment zu kooperieren.“ Eine Sache der Physik: Autoscheiben platzen nicht bei Beschuss mit einer Berreta

Transcript of The Division PCGH Special Kor

The Division Das groe Making-of: von der Playmobil-Stadt zum virtuellen Big Apple

v. Benjamin Kratsch/John GaudiosiTwitter: @TheDudelino

Auf der South by Southwest, einer Konferenz fr Technologie und Design in Austin sprach Massive Entertainment ausfhrlich ber die Entwicklung von The Division, warum dabei zahlreiche Autotren zu Bruch gingen, welch zentrale Rolle Physical Based Shader spielen und warum ausgerechnet der Schnee eine der hchsten technischen Hrden war.

Wussten Sie eigentlich, dass das New York aus The Division als Kartonstadt in einem Keller von Massive Entertainment entstanden ist? Ubisofts CEO Yves Guilemot war von der Idee so begeistert, dass die Schweden innerhalb von nur fnf Tagen eine Konzeptstudie erstellen mussten. Wir haben also aus Holz und Pappmaschee einen Straenzug gebaut, bemalt und Modell-Autos darin platziert, erinnert sich der technische Art-Director Rodrigo Cortez. Anschlieend hat sein Team je eine Playmobilfigur als Scharfschtze an einem Fenster und eine andere hinter einer Mauer auf der Strae platziert und von den Waffen Bindfden zu den Autos gefhrt. An den Bindfden konnte man kleine Ringe rutschen lassen, die unsere Kugeln simuliert haben und da wo sie einschlagen sollten, stanzten wir Lcher in die Autos. Eine recht abenteuerliche Art einen Prototyp zu erstellen, doch im Jahr 2012 war Massive zum einen noch kein groes Studio und zum anderen existierte die Snowdrop-Engine noch nicht. Wir hatten vorher mit Ubisoft Paris zusammen XIII entwickelt, einen Shooter mit Cel-Shading-Look. Ansonsten waren wir ein reines Strategiestudio, bekannt fr Ground Control und World in Conflict. Wir wollten mit dem Modell vor allem zeigen, wie wir das bekannte Szenario mit maximaler Liebe zum Detail verheiraten werden. Was nicht immer ganz einfach sei in Europa, weil es in Schweden hnlich harte Waffengesetze gebe wie in Deutschland. Das war der Grund, warum Ubisoft uns vorgeschlagen hat mit Red Storm Entertainment zu kooperieren.

Eine Sache der Physik: Autoscheiben platzen nicht bei Beschuss mit einer Berreta

Red Storm sitzt nmlich in Morrisville, North Carolina, wo es sehr viel mehr Mglichkeiten fr Waffenexperimente gibt. Uns ist aufgefallen, dass die meisten Spiele die Waffenphysik aus Hollywood adaptiert haben, erklrt der gebrtige Schwede mit mexikanischen Wurzeln. Ergo sei er mit seinem Team nach North Carolina geflogen und habe dort mit Red Storm mehrere Wochen mit allen mglichen Kalibern von der einfachen Beretta ber MP5s bis zu klassischen M4-Sturmgewehren oder Hightech-Kalibern wie der F2000 auf ausrangierte Autos geschossen. Uns ist dabei aufgefallen, dass Sicherheitsscheiben in Fahrzeugen bei Beschuss gar nicht so schnell platzen, wie man das vielleicht denken knnte. Warum auch? Die Kugel tritt gerade ein und hat wenig Widerstand, zischt also direkt durch und hinterlsst ziemlich akkurate Lcher. Das soll The Division natrlich wiederspiegeln. Massive ist durchaus stolz darauf, hier keines dieser berdrehten Hollywood-Machwerke abzuliefern. Wenn Sie Battlefield: Hardline in der Kampagne gespielt haben, werden Sie sicherlich auch geschmunzelt haben ber Autos, die selbst durch einen leichten Rammsto bei 150 km/h mit einer Feuerwalze explodieren, als wre ein Pfund C4 auf der Motorhaube detoniert.

Schneeflocken fallen auf Uniformen und mssen trocknen

The Division drfte wohl einer der realistischsten Shooter werden, die je entwickelt wurden. Auch weil Schneeflocken nicht einfach nur als Textur auf der Uniform der Agenten landen, sondern physikalisch korrekt vom Himmel fallen und sich auf der Schulter ansammeln. Wer lange im Schnee steht, sieht bald aus wie ein Schneemann. Gehen Sie anschlieend in eine Polizeistation, betreten ein Krankenhaus oder einen anderen beheizten Raum, schmilzt der Schnee, verwandelt sich zu Wasser, bensst die Kleidung und muss erst wieder trocknen. Unser Gehirn ist extrem gut darin jede noch so kleine Unregelmigkeit im Ablauf seiner Umwelt zu entlarven, erklrt David Polfeldt, der als Managing Director Massive Entertainment bereits seit 2008 leitet. Der Grund warum es in Spielen eher selten schneit ist wohl, dass es zum einen sehr rechenintensiv ist und zum anderen schwer umzusetzen. Der Schnee hat uns etliche Nerven gekostet. Polfeldt grinst. Schnee besteht ja aus Eiskristallen, die eigentlich transparent sind. Das Licht wird aber an den Grenzflchen der Kristalle und der umgebenden Luft reflektiert und gestreut. Durch die diffuses Reflexion wirkt es wei. Daher sei es gar nicht so einfach eine realistische Winterlandschaft nachzubilden, weil in der Stadt natrlich ein gewisser Smog herrscht. Sobald der Tauprozess einsetzt, wird der Schnee verunreinigt und ndert dann auch seine Farbe. In Grostdten wie New York werden Sie nur an ein wenigen Orten eine perfekte Mrchen-Weihnachtslandschaft vorfinden, das muss unser Spiel natrlich transportieren. Auch ansonsten haben sich die Schweden viele Gedanken ber eine realistische Darstellung des Winters gemacht. Autoreifen seien ja in der Regel nicht sauber, rollen die ber den Schnee, bekommt er einen braun-schwrzlichen Ton. Wer genau hinsieht, kann an Hand des Profils des Reifenabdrucks erkennen, ob gerade ein PKW, Mllauto oder Truck hier entlang gerollt ist. Ist es ein Mllauto, waren es hchstwahrscheinlich die Cleaner. Eine fanatische Gruppierung, die jeden Infizierten direkt bei lebendigem Leib verbrennen will um eine weitere Ausbreitung zu verhindern.

Snowdrop: Eine Engine, die auf Schnelligkeit getrimmt ist

Wir haben in Schweden generell eher ein Problem mit Autoritten, flachst der Chef von Massive Entertainment. Wir sind ein sehr demokratisch geprgtes Land und immer skeptisch, wenn uns irgendjemand sagt, was wir tun sollen. Entsprechend schwierig gestalteten sich frher die Meetings um ber Gameplay-Mechaniken oder atmosphrische Details zu entscheiden. Auch deshalb hat Massive die Snowdrop-Engine entwickelt, weil sie durch ihre You See Is What You Get-Aufbereitung auf schnelle Prototypen-Entwicklung ausgerichtet ist. Als Beispiel nennt er die tragbare Drohne, die sich jederzeit einsetzen lsst. Wir htten sicherlich unendliche Stunden in Meetings verbrennen knnen mit der Frage: soll die Drohne selbst bewaffnet sein oder nur ablenken? Ergo haben wir einen Prototyp erstellt, damit experimentiert und dabei schnell festgestellt, dass wir die taktische Tiefe stren, wenn die Drohne zu autark arbeitet. Letztlich kam Polfeldts Team zur Entscheidung, dass der Spieler selbst das Ziel anwhlen soll und die Drohne nur zum Blitzdingsen dient, damit der Feind nur geblendet wird, aber manuell erschossen werden muss. Wir haben extrem viel Zeit auf die Entwicklung der Engine an sich verwendet, aber das hat sich gelohnt, bekrftigt auch Cortez. Angenommen wir haben ein brennendes Haus, dann knnen wir mit einem Regler skalieren wie hoch die Flammen schlagen. Die daraus resultierende Entwicklung von Ru und Rauch berechnet die Engine vollautomatisch. Snowdrop basiert dabei auf einem Node-System. Die Designer knnen die Grundanimation des Feuers per Pfeil auf unterschiedliche Stockwerke eines Gebudes legen, die Engine berechnet dann wie sich die Flammen verhalten mssen. Auch den Einfluss von unterschiedlichen Kugeltypen oder Feuer auf diverseste Materialien hat die Engine eingespeichert. Natrlich muss der Einschlag einer Kugel in das Chassis eines Autos anders aussehen als auf Beton oder Holz. Je nachdem mit welchem Kaliber Sie schieen, wird das Material vielleicht nur leicht perforiert, nicht durchschlagen. Whrend Holzpalisaden wiederum bei Beschuss aus einer halb-automatischen Waffe vllig zerfetzt werden. Physical Based Shading und ein lebendes Manhattan, statt einer Kulisse

Hollywood kann es sich oft einfacher machen als wir, weil sie ihren Zuschauer an der Leine durch Szenarien fhren, die komplett geskriptet sind, erklrt Polfeldt. Wir hingegen knnen nicht mit Kulissen arbeiten, weil sich unsere Welt stndig verndert. Durch das dynamische Wettersystem seien physikalisch basierte Shader extrem wichtig, weil Regen, der an einer ebenen Zellophan-Plane herunterluft, ganz andere Shader bentigt als Beton, Holz oder Glas. Was uns offen gestanden vorher nicht bewusst war, ist wie schwierig es eigentlich ist New York einzufangen, weil die Stadt noch immer viel Geschichte versprht. Bei uns in Europa wurde im Laufe der Zeit fast alles modernisiert, aber in Brooklyn oder Queens werden Sie auch heute noch Tankstellen aus den 1980ern wiederfinden. Und dann gibt es noch so viele andere Dinge, von denen Massive auf der SXSW-Konferenz in Austin erzhlte. Etwa, wie sich wilde Hunde nach dem biologischen Terrorangriff verbreiten und Ratten in den U-Bahnschchten. Ob die wohl auch erst trocknen mssen, wenn sie vorher im Schnee rumgetollt haben?