Themenblatt Jugendliche HIV-Aids

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Jugendliche und HIV/Aids Zahlen und Fakten zu HIV/Aids Der HIV-Virus breitet sich nach wie vor aus. Immer mehr Menschen leben mit der Infektion und der Krankheit. Die Medikamente werden zwar immer besser, aber zu wenig Menschen haben Zu- gang zu ihnen. Weltweit sind etwa 33,4 Millionen Menschen mit HIV infiziert. Der grösste Teil von Ihnen, 22,4 Millionen, lebt in Afrika südlich der Sahara (Subsahara). Jährlich sterben zwei Millionen Menschen an Aids, 1,4 Millionen davon alleine in der Subsahara. Es gibt weltweit 25 Millionen Aidswaisen, 15,7 Millionen von ihnen leben in der Subsahara. Und man geht von einer hohen Dunkelziffer in Indien, Russland und China aus. Mehr als 4 Millionen Menschen erhalten heute antiretrovirale Medikamente, die aber nur bei regelmässiger Einnahme wirk- sam sind. Weitere 10 Millionen Menschen würden diese Therapie auch dringend brauchen. Mittels antiretroviraler Therapie kann die Virusvermehrung im Körper verlangsamt werden. Peter Piot, der ehemalige Direktor von UNAIDS, vergleicht folgende Zahlen: «Auf zwei Personen, die beginnen, antiretrovirale Medikament zu nehmen, kommen fünf, die sich neu infizieren.» Von den 2,7 Millionen Menschen, die sich jährlich neu mit HIV infizieren, ist rund ein Drittel (920000) zwischen 15–24 Jahre alt. Das heisst, dass sich täglich 2500 junge Menschen mit HIV anstecken. Rund 5 Millionen junge Menschen leben mit der HIV- Infektion. HIV/Aids verändert die Gesellschaft HIV/Aids ist bei weitem nicht nur ein medizinisches Problem. Die sozialen und gesellschaftspolitischen Folgen sind frappant. Für Kinder und Jugendliche heisst dies unter anderem, dass sie nicht nur durch die Krankheit belastet werden. Sie müssen auch früh sehr viel Verantwortung und viele Aufgaben übernehmen. HIV/Aids hat enorme soziale und ökonomische Auswirkungen. In Ländern, in denen die Krankheits- und Todesrate besonders hoch ist, müssen Kinder und Jugendliche Aufgaben übernehmen, die normalerweise Erwachsene innehaben. Kinder und Jugendliche führen sogenannte Kinderhaushalte und sorgen für ihre jünge- ren Geschwister und für kranke Erwachsene. In den Kinderhaus- halten fehlt das elterliche Einkommen weil die Eltern entweder krank oder verstorben sind. Die Jugendlichen können nicht in Es gibt weltweit 25 Millionen Aidswaisen, 5 Millionen junge Menschen leben mit der HIV- Infektion. Foto: tdh-Archiv Jugendliche müssen oftmals schon sehr viel Arbeit und Verantwortung übernehmen. Sie kümmern sich um die kranken Eltern und die jüngeren Geschwister. Foto: tdh-Archiv

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Jugendliche und HIV/Aids

Zahlen und Fakten zu HIV/AidsDer HIV-Virus breitet sich nach wie vor aus. Immer mehr Menschen leben mit der Infektion und der Krankheit. Die Medikamente werden zwar immer besser, aber zu wenig Menschen haben Zu-gang zu ihnen.Weltweit sind etwa 33,4 Millionen Menschen mit HIV infiziert. Der grösste Teil von Ihnen, 22,4 Millionen, lebt in Afrika südlich der Sahara (Subsahara). Jährlich sterben zwei Millionen Menschen an Aids, 1,4 Millionen davon alleine in der Subsahara. Es gibt weltweit 25 Millionen Aidswaisen, 15,7 Millionen von ihnen leben in der Subsahara. Und man geht von einer hohen Dunkelziffer in Indien, Russland und China aus.

Mehr als 4 Millionen Menschen erhalten heute antiretrovirale Medikamente, die aber nur bei regelmässiger Einnahme wirk-sam sind. Weitere 10 Millionen Menschen würden diese Therapie auch dringend brauchen. Mittels antiretroviraler Therapie kann die Virusvermehrung im Körper verlangsamt werden. Peter Piot, der ehemalige Direktor von UNAIDS, vergleicht folgende Zahlen: «Auf zwei Personen, die beginnen, antiretrovirale Medikament zu nehmen, kommen fünf, die sich neu infizieren.»

Von den 2,7 Millionen Menschen, die sich jährlich neu mit HIV infizieren, ist rund ein Drittel (920000) zwischen 15–24 Jahre alt. Das heisst, dass sich täglich 2500 junge Menschen mit HIV anstecken. Rund 5 Millionen junge Menschen leben mit der HIV-Infektion.

HIV/Aids verändert die GesellschaftHIV/Aids ist bei weitem nicht nur ein medizinisches Problem. Die sozialen und gesellschaftspolitischen Folgen sind frappant. Für Kinder und Jugendliche heisst dies unter anderem, dass sie nicht nur durch die Krankheit belastet werden. Sie müssen auch früh sehr viel Verantwortung und viele Aufgaben übernehmen. HIV/Aids hat enorme soziale und ökonomische Auswirkungen. In Ländern, in denen die Krankheits- und Todesrate besonders hoch ist, müssen Kinder und Jugendliche Aufgaben übernehmen, die normalerweise Erwachsene innehaben. Kinder und Jugendliche führen sogenannte Kinderhaushalte und sorgen für ihre jünge-ren Geschwister und für kranke Erwachsene. In den Kinderhaus-halten fehlt das elterliche Einkommen weil die Eltern entweder krank oder verstorben sind. Die Jugendlichen können nicht in

Es gibt weltweit 25 Millionen Aidswaisen, 5 Millionen junge Menschen leben mit der HIV-Infektion. Foto: tdh-Archiv

Jugendliche müssen oftmals schon sehr viel Arbeit und Verantwortung übernehmen. Sie kümmern sich um die kranken Eltern und die jüngeren Geschwister. Foto: tdh-Archiv

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die Schule gehen und keine Ausbildung machen, weil das Geld für Schuluniformen und Material nicht da ist und sie sich um Haushalt, Geschwister und Eltern kümmern müssen. Dies führt unweigerlich in die Armut.

Waisen leben oftmals bei der erweiterten Familie oder kom-men bei Pflegeeltern unter. Diese Lösung ist eigentlich besser, als wenn sie in Waisenheimen untergebracht werden. Aber sie haben laut UNAIDS oftmals weniger Zugang zu Bildung und me-dizinischer Versorgung als leibliche Kinder.

Jene Waisen, die ganz auf sich alleine gestellt sind, laufen Gefahr, ausgebeutet und missbraucht zu werden. Sie leben auch mit erhöhtem Risiko, sich mit HIV anzustecken.

Mädchen und junge Frauen sind im Allgemeinen gefährde-ter sich mit HIV zu infizieren als männliche Jugendliche. In den meisten Ländern West- und Zentralafrikas ist die HIV-Verbreitung bei jungen Frauen 2–5 mal höher als bei jungen Männern. Junge Frauen haben aufgrund gesellschaftlicher Konventionen häufig weniger Zugang zu Bildung, Aufklärung und auch zu Kondomen. Frauen werden auch häufig zu ungeschütztem Sex gezwungen.

Prävention und UnterstützungEinfache Lösungen gibt es nicht. Es braucht ver-schiedene Ansätze, um die Ausbreitung des Virus zu verhindern und die Betroffenen zu unterstützen. Community based Organisationen, wie sie terre des hommes schweiz unterstützt, reagieren auf die Bedürfnisse und die spe-zifischen Situationen in der jeweiligen Gemeinschaft. So auch beim Thema HIV/Aids. Es ist essentiell, nicht nur die auf ver-schiedenste Weise von HIV/Aids betroffenen Kinder und Ju-gendlichen zu unterstützen, sondern die ganze Dorfgemein-schaft einzubeziehen. Studien haben zum Beispiel gezeigt, dass in Gemeinschaften, die finden, HIV-Infizierte seien schuldig, weil sie die Krankheit in die Gemeinschaft gebracht hätten, we-niger Kondome benutzt werden. Die Gemeinschaft spielt auch eine grosse Rolle wenn es darum geht, Kinder und Jugendliche zu unterstützen – seien sie verwaist oder infiziert.

Bei Informationstreffen und Diskussionen, die terre des hommes schweiz-Partnerorganisationen organisieren, wird ein Boden von Toleranz und Solidarität geschaffen. Damit wird zum Beispiel verhindert, dass Verwandte Waisen aus den Häusern der Eltern vertreiben und sich ihren Besitz aneignen.

Jugendliche sind eine Schlüsselgruppe im Kampf gegen die Ausbreitung des HI-Virus auf sexuellem Weg. Noch immer fehlt

In Kinderklubs können die Kinder Probleme besprechen und zusammen spielen. Foto: tdh-Archiv

Aufgrund gesellschaftlicher Konventionen haben Mädchen oftmals weniger Zugang zu Aufklärung und Verhütungsmitteln als männli-che Jugendliche. Foto: tdh-Archiv

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vielen jungen Menschen notwendiges Wissen zu HIV/Aids. Wissen alleine reicht nicht aus, um ein Verhalten langfristig zu ändern, es ist aber Voraussetzung. Laut letzten UNAIDS-Daten haben welt-weit durchschnittlich nur 40 Prozent der jungen Männer und 38 Prozent der jungen Frauen zwischen 15–24 Jahren ausreichendes Wissen zu HIV/Aids und wie sie sich davor schützen können. In manchen Ländern und Regionen ist dieses Wissen jedoch sehr viel kleiner. Es kursieren auch nach wie vor gefährliche Mythen wie der, dass Sex mit einer Jungfrau von HIV heilen kann.

Jugendlichen fällt es oftmals leichter, mit Personen im glei-chen Alter zu sprechen, wenn es um Persönliches geht. Die Part-nerorganisationen von terre des hommes schweiz unterstützen und organisieren diesen peer support unter Jugendlichen. Ju-gendliche führen Beratungsgespräche mit Gleichaltrigen und beschäftigen sich in Gruppentreffen mit dem Thema HIV/Aids und allem, was damit zusammenhängt. Dazu gehört auch, junge Frauen zu stärken, damit sie sich gegen sexuelle Übergriffe besser wehren können. Jugendliche gehen ausserdem in die Dörfer und suchen dort das Gespräch mit anderen.

Wissen bewahren und teilenBei solchen Treffen und Beratungsgesprächen geht es nicht nur um Prävention. Wichtig ist auch die psychologische Unterstüt-zung und die Beratung, wie die Betroffenen das Leben mit kran-ken Eltern oder ihren Verlust meistern können. Zudem werden die kranken Eltern möglichst einbezogen. Der Tod der Eltern ist für die Kinder und Jugendlichen natürlich ein grosser emotioneller Ver- lust. Zudem bedeutet er aber auch ein Verlust von Wissen, auf das die Jugendlichen angewiesen sind. Die jungen Leute tauschen sich bei den gemeinsamen Treffen zum Beispiel darüber aus, wie man einen Haushalt führt oder Nahrungsmittel anpflanzt.

Angesichts der vielen kranken und verstorbenen Erwachse-nen ist die Selbstorganisation und gegenseitige Unterstützung von Jugendlichen sehr wichtig. So übernehmen sie auch die teilweise Betreuung von jüngeren Waisen, wobei sie von terre des hommes schweiz-Partnerorganisationen unterstützt werden.

Kinder und Jugendliche unterstützen sich beim Hausbau. Foto: Katrin Haunreiter

Mit dem Tod der Eltern geht wichtiges Wissen verloren. Jugendliche tauschen Tipps über den Anbau von Nahrungsmitteln aus. Foto: tdh-Archiv

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Mit Tanz und Theateraufführungen erklären die Jugendlichen der Gemeinschaft wie es ihnen geht und was sie brauchen, um mit ihrer Situation zurecht zu kommen. Foto: tdh-Archiv

Zum Beispiel Osamuliza, MoçambiqueDie terre des hommes schweiz-Partnerorganisation Osamuliza be-gleitet in 20 Gemeinden Kinder- und Jugendklubs in einem Land, in dem HIV/Aids allgegenwärtig ist. Die jüngeren Kinder treffen sich wöchentlich in Kinderklubs, wo zwei ältere Jugendliche für ihre Betreuung zuständig sind. In der Gruppe können die Kinder über ihre Sorgen sprechen und gemeinsam Lösungen finden, aber auch zusammen spielen.

Die Jugendlichen treffen sich in Jugendklubs. Dort diskutie-ren sie über Aufklärung, Verhütung und sexuelle Krankheiten. Sie besprechen aber auch Praktisches und bringen sich zum Beispiel gegenseitig bei, wie man Landwirtschaft betreibt. Für Waisen-kinder, die kein Zuhause haben, bauen die Jugendlichen Häuser.

Auch die Gemeinschaft wird eingebunden. Die Jugendlichen erarbeiten Theaterstücke und präsentieren sie vor der Gemein-de. Die Geschichten handeln vom Verlust der Eltern, von der Ver- antwortung für die Geschwister, der sozialen Ausgrenzung oder vom Wunsch, die Schule zu besuchen.

Osamuliza unterstützt auch Erwachsene, die auf Ge- meinschaftsfeldern Nahrungsmittel für die von HIV/Aids betrof-fenen Kinder produzieren.

Zum Beispiel Humuliza, TansaniaEin Herzstück des Projektes ist die Waisenorganisation VSI. VSI steht für Vijana Simama Imara, «youth stand upright». Die Jugend-lichen unterhalten unter anderem eine Bank. Dort können Kinder und Jugendliche Sparkonten eröffnen sowie zinslose Darlehen und Unterstützungsbeiträge beantragen. So kann zum Beispiel eine Gruppe gemeinsam einen Kleinhandel oder eine Hühner-zucht aufbauen. Ausserdem unterstützen sie sich gegenseitig, wenn jemand Hilfe beim Hausbau oder einfach Trost braucht.

Einige der VSI-Mitglieder sind auch als BeraterInnen für HIV/-Aids in den Dörfern und Schulen tätig. Selbstverantwortung und Solidarität haben einen extrem hohen Stellenwert.