Themenheft - Erneuerbare Energien · 2 THEMENHEFT FORSCHUNG ERNEUERBARE ENERGIEN Editorial...

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THEMENHEFT FORSCHUNG · N o 2010 TF · N o 6 · 2010 ERNEUERBARE ENERGIEN ERNEUERBARE ENERGIEN

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T H E M E N H E F T F O R S C H U N G

Erneuerbare Energien

Univers i tä t S tut tgar t • 2010

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TH E M E N H E FT FORSCH U NG E R N E U E R BAR E E N E RG I E N2

Editorial

ImpressumDas T H E M E N H E F T F O R -S C H U N G wird herausgegebenim Auftrag des Rektorats der Uni-versität Stuttgart.

Konzeption und KoordinationThemenheft Forschung:Ulrich Engler, Tel. 0711/685-82205, E-Mail: [email protected]

Wissenschaftlicher KoordinatorErneuerbare Energien:Stefan Tenbohlen

Autoren Erneuerbare Energien:Jürgen Apfelbeck, Rüdiger Barth,Thomas Brendel, Harald Drück,Christian Ehling, Ludger Eltrop, K. Andreas Friedrich, Niklas Hart-mann, Anke Helbig, WolfgangHeidemann, Ni Jinchang, HennerKerskes, Jürgen Köhler, ChristophKruck, Hans Müller-Steinhagen,Robert Pitz-Paal, Liv Prönneke,Alexander Probst, Christian Sattler,Günter Scheffknecht, MichaelSchmidt, Markus Schubert, AnjaSchuster, Michael Struschka,Rainer Tamme, Stefan Tenbohlen,Patrick Wajant, Jürgen H. Werner,Renate Zapf-Gottwick, Heinz-Georg Zäpfle-Tann, Bastian Zinßer

Titelseite und GrundlayoutThemenheft Forschung:Zimmermann Visuelle Kommu-nikation, Gutenbergstraße 94 A,70197 Stuttgart

Druck und Anzeigenverwaltung:Alpha InformationsgesellschaftmbH, Finkenstraße 10, 68623 Lam-pertheim, Verkaufsleitung: Peter Asel, Internet: http://www.alphapublic.de, Tel. 06206/939-0,Fax 06206/939-232

© Universität Stuttgart 2010ISSN 1861-0269

Das T H E M E N H E F T F O R -S C H U N G wird gedruckt aufRecycling-Papier weiß matt ober-flächengeleimt, aus 100% Altpapier,lebensmittelunbedenklich undalterungsbeständig.

Liebe Leserinnen und Leser,

im Jahr 1991 unterstützte der Autor dieserZeilen das Lektorat des Verlages bei derdeutschen Ausgabe des Greenpeace-Klassi-kers „Global Warming“ und wir stolpertendamals noch darüber, ob Nachhaltigkeitauch die beste Übersetzung für den Termi-nus ‚Sustainability‘ sei. Heute wird der An-spruch auf Nachhaltigkeit auf zahlreichenGebieten eingefordert, besonders aber in all jenen Bereichen der Energieversor-gung, die sich unter dem Label der Er-neuerbarkeit versammeln lassen. Wennsich selbst die vom Öl-Boom des letztenJahrhunderts profitierenden Staaten nunbei der Erforschung der ErneuerbarenEnergien an die Spitze setzen wollen, wie gerade Abu Dhabi, kann man wohlkonstatieren, dass ein allgemeiner Para-digmenwechsel ansteht.

Im laufenden Jahr der Energie in Deutschlandkommt das T H E M E N H E F T F O R -S C H U N G der Universität Stuttgart zuden Potentialen der Erneuerbaren Ener-gien gerade rechtzeitig, um weiter andiesem Wechsel zu arbeiten. NachhaltigeEnergieerzeugung, nachhaltiges Wirt-schaften, nachhaltiger Ressourceneinsatz,soziale Nachhaltigkeit – Sustainability –kennt heute bereits viele Forschungs-gebiete. Und es erscheint daher keineswegsabwegig, dass auch die Organisation der

Wissenschaft selber Nachhaltigkeit erzie-len möchte. Denn hat sie das in ihrenMethoden nicht immer schon getan,wenn sie die Wahrheit zum Ziel hatte?Heute darf es erlaubt sein, auf ein Sustain-able Stuttgart zu hoffen, in dessen Zentrumeine Universität Stuttgart steht, die Nach-haltigkeit zu ihrem Prinzip macht.

Durch die gerade erfolgte Einrichtung desüberaus erfolgreichen, fakultätsübergrei-fenden Studiengangs Erneuerbare Energien istdie interdisziplinäre Breite an der Univer-sität Stuttgart bereits sichtbar geworden.Bei der Erstellung dieser Ausgabe diesesT H E M E N H E F T s F O R S C H U N Güberraschte uns dennoch die Vielfalt derwissenschaftlichen Forschung. Damit fügtsich dieser Band nahtlos in die Heftreiheein, deren Aufgabe es bekanntlich ist, wis-senschaftliche Profile vorzustellen, die sichüber bestehende Fach- und Organisations-grenzen hinweg ausbilden können oderbereits ausgebildet haben. •

Ulrich Engler

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TH E M E N H E FT FORSCH U NG E R N E U E R BAR E E N E RG I E N4

InhaltEditorial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2

Geleitwort des Rektors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

Neuer Strom in alten Netzen? . . . . . . . . . . . . . . . 8Anforderungen an die elektrische Energieversorgung der ZukunftStefan Tenbohlen, Alexander Probst, Patrick Wajant

Windenergie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20Auf dem Weg zur konventionellen Energie?Martin Kühn, Tobias Klaus

Thermische Solartechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32für Kälte, Wärme und StromThomas Brendel, Harald Drück, Wolfgang Heidemann, Henner Kerskes, Hans Müller-Steinhagen, Robert Pitz-Paal, Christian Sattler, Rainer Tamme

Bioenergie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46Ihr Beitrag zur nachhaltigen EnergieversorgungGünter Scheffknecht, Anja Schuster, Michael Struschka

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I N HALT 5

Solarzellen aus Silizium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54Schritt für Schritt zu höheren Wirkungsgraden und ErträgenChristian Ehling, Anke Helbig, Jürgen Köhler, Liv Prönneke, Markus Schubert, Jürgen H. Werner, Renate Zapf-Gottwick, Heinz-Georg Zäpfle-Tann, Bastian Zinßer

Effizienzsteigerung mit Brennstoffzellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66Elektrochemische Energiewandlung und -speicherungK. Andreas Friedrich

Potentiale erneuerbarer Energien . . . . . . . . . . 76in der GebäudetechnikMichael Schmidt, Ni Jinchang

Speicherkraftwerke und Elektroautos . . . . . . 84Zukunftstechnologien zur Integration fluktuierender WindstromerzeugungLudger Eltrop, Christoph Kruck, Niklas Hartmann, Rüdiger Barth, Jürgen Apfelbeck

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Z U M G E LE IT 7

Geleitwort des Rektors

Der weltweit steigende Energiebedarf auf der einen Seite und die Endlichkeit der fossilenRessourcen auf der anderen Seite zusammenmit deutlichen Anzeichen für einen Klimawan-del weisen dem Einsatz und der ErforschungErneuerbarer Energien (EE) eine Schlüsselstel-lung für eine nachhaltige Energieversorgungzu. Das Bundesministerium für Bildung undWissenschaft hat das Wissenschaftsjahr 2010unter das Motto „Die Zukunft der Energie“gestellt und unterstreicht dabei die heraus-ragende Bedeutung der Energieforschung.

Die in den letzten Jahrzehnten gemachten Prog-nosen und Szenarien haben die Potentiale derErneuerbaren Energien sowohl unter ökologi-schen wie ökonomischen Gesichtspunkten im-mer wieder systematisch unterschätzt. Dabeisind diese enorm: allein für Deutschland sagtdas Bundesumweltministerium ein jährlichesInvestitionsvolumen von circa 12 MilliardenEuro in Erneuerbare Energien voraus.

Die Universität Stuttgart, die in der Energie-forschung in Deutschland seit Jahrzehntenführend ist, hat diese Entwicklung früh auf-gegriffen und in einem erfolgreichen For-schungsprogramm umgesetzt. Die DeutscheForschungsgemeinschaft hat in einer aktuellenStudie festgehalten, dass im Bereich „Energie-forschung und -technologie“ die UniversitätStuttgart mit 12 Mio. Euro im Berichtszeitraum2005–2007 mit großem Abstand an der Spitzebei der Förderung durch den Bund steht. Dasentspricht einem Anteil von 14 Prozent dergesamten Fördersumme aller Hochschulen inDeutschland. Dies gilt ebenso bei der Förde-rung durch die Europäische Union im Bereich„Nachhaltige Energiesysteme“. Hier entfallenmit 9,5 Mio Euro sogar 22,1 Prozent der Ge-samtförderung auf die Universität Stuttgart.

Die Universität profitiert dabei auch von ihremaktiven wirtschaftlichen und gesellschaftlichenUmfeld in der Region Stuttgart. Zusammenmit der Fraunhofer Gesellschaft, der Hoch-schule für Technik und zahlreichen Firmen derRegion konnten die Institute der UniversitätStuttgart unter anderem den Zuschlag zu einervon acht Modellregionen für Elektromobilitätbeim Wettbewerb des Bundesverkehrsministe-riums nach Baden-Württemberg holen. Unddas eng mit der Universität verbundene For-schungsinstitut für Kraftfahrwesen und Fahr-

zeugmotoren (FKFS) hat Ende 2009 bei der Lan-desinitiative Elektromobilität 2,5 Mio Euro fürden Wandel zu einem Forschungs- und Ent-wicklungszentrum für Hybrid- und Elektro-fahrzeuge erhalten.

Die Tradition der Stuttgarter Aktivitäten im Be-reich der Erneuerbaren Energien reicht weitzurück. Erinnert sei an dieser Stelle zuletzt andie Einrichtung des ersten deutschen Stiftungs-lehrstuhls für Windenergie im Jahr 2004 sowiedie Einrichtung des Stiftungslehrstuhls Wasser-kraft in 2008 an der Universität Stuttgart. Undim Wintersemester 2009/10 startete mit einemenormen Zulauf aus ganz Deutschland der inseiner interdisziplinären Konzeption einzigarti-ge Studiengang Erneuerbare Energien, an dem21 Institute aus sieben Fakultäten beteiligt sind.Forschung und Lehre auf diesem Gebiet sind inder Wissenschaftskultur unserer Universitättief verwurzelt und besitzen weit verzweigteAusläufer in zahlreiche Disziplinen.

Es war also geradezu überfällig, dass in unseremT H E M E N H E F T F O R S C H U N G dieQuerschnittsdisziplin der Erneuerbaren Ener-gien vorgestellt wurde. Ich möchte an dieserStelle den Autoren und dem wissenschaft-lichen Koordinator des Heftes, Prof. Dr.-Ing.Stefan Tenbohlen, für ihren zusätzlichen Ein-satz für das Public Understanding of Sciencedanken.

Die Erforschung der Erneuerbaren Energien hatnicht nur eine große Tradition, sondern auchdurch die ausgezeichneten experimentellenBedingungen an unserer Universität eine span-nende Zukunft. Und wir werden alles daransetzen, dass der wissenschaftliche Nachwuchsauf allen Ebenen die dafür nötige Unterstüt-zung erhalten wird.

Viel Vergnügen bei der Lektüre wünscht

Wolfram Ressel, Rektor

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1. RAHMENBEDINGUNGEN

Die Herausforderungen des 21. Jahrhundertsan die Energieversorgung sind seit Oskarvon Miller und Westinghouse ungleichgrößer geworden. Während die elektrischeEnergieversorgung zum ausgehenden 19.

Jahrhundert noch eine Nischenanwen-dung war, ist heutzutage die umfassendeVersorgung mit elektrischer Energie nichtmehr wegzudenken. Große Veränderun-gen der Energieversorgungssysteme, die,

TH E M E N H E FT FORSCH U NG E R N E U E R BAR E E N E RG I E N8

Neuer Strom in alten Netzen?

Anforderungen andie e lekt r ische Energ ieversorgung der Zukunf t

Die Rahmenbedingungen der

Erzeugung und Verteilung elek-

trischer Energie und die dazu-

gehörige Technologie befinden

sich in einem stetigen Wandel.

Während der letzten Dekaden

des 19. Jahrhunderts stritten

Thomas Alva Edison und George

Westinghouse im so genannten

„Stromkrieg“ um die Technologie

der Netze. Edison bevorzugte die

Gleichspannung und zog mit

nicht gerade zimperlichen PR-

Kampagnen gegen Westinghouse

zu Felde. Tiere wurden mit Wech-

selspannung getötet, um die

Gefahren dieser Technik zu belegen. Edison ersann eigens das Verb „to westinghouse“

dafür. Nachdem 1891 Oskar von Miller die Überlegenheit der Wechselspannung durch Über-

tragung einer Leistung von 70 kW von Lauffen am Neckar nach Frankfurt gezeigt hatte,

konnte auch Westinghouse mit Nikolai Teslas Hilfe den Stromkrieg für sich und die Wechsel-

spannung entscheiden. Mit den Umbau des konventionellen Kraftwerksparks und der In-

tegration der Erneuerbaren Energien in die Stromnetze steht die elektrische Energieversor-

gung nun wieder vor großen Herausforderungen.

Virtual power plant

Central power plant

Houses

Offices

Wind-turbines

Industrial plants

Fuel cells

CHPStorage

Micro-turbines

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N E U E STROM N ETZ E 9

wie wir im Folgenden noch sehen werden,unumgänglich sind, erfordern Investitio-nen in Milliardenhöhe.

Die wohl gewaltigsten Veränderungen er-geben sich aus der globalen Klimaerwär-mung aufgrund der Verbrennung fossilerEnergieträger. Um die Klimaerwärmungaufzuhalten oder zumindest den Tempe-raturanstieg abzumildern, ist eine signi-fikante Absenkung der CO2-Emissionenerforderlich. Gegenwärtig beruht einGroßteil der Stromerzeugung auf der Ver-brennung fossiler Rohstoffe, im wesent-lichen Braun- und Steinkohle. Verfahrenzur Abtrennung und unterirdischen Spei-cherung des CO2 sind zwar in Erprobung.Allerdings sinkt dadurch der Wirkungs-grad der Kraftwerke, da ein Teil der Ener-gie zur Abscheidung des CO2 benötigtwird. Des weiteren ist die Lagerung desCO2 in der Bevölkerung umstritten. Einesorgfältige Prüfung von möglichen Lager-stätten und Versuche im großtechnischenMaßstab sind somit unabdingbar.

Eine Möglichkeit, elektrische Energie imgroßen Stil nahezu CO2-frei zu erzeugen,ist die Nutzung der Kernenergie. WegenSicherheitsbedenken gegenüber Kernkraft-werken und der nach wie vor ungeklärtenEndlagerproblematik stellt die nachhaltigeNutzung der Kernenergie keine Optiondar. Der Kernenergieausstieg, der unterder Rot-Grünen Koalition beschlossenwurde, macht innerhalb der kommendenJahre die Substitution von über 21 GWKraftwerksleistung notwendig.

Die Lücken in der Erzeugung sollen Erneu-erbare Energien (EE) mit ihrer CO2-freienStromproduktion schließen. Nach denZielen der Bundesregierung soll 2020 derAnteil der Erneuerbaren Energien amStrommix 30 Prozent betragen. Gemäß desLeitszenarios 2009 des Bundesministeriumsfür Umwelt, Naturschutz und Reaktor-sicherheit kann der Beitrag der EE zur

Stromversorgung von 92,8 TWh/a im Jahr2008 bis 2020 auf 196 TWh/a steigen (01)

[1]. Bezogen auf den ermittelten Brutto-stromverbrauch des Jahres 2020 liegt derBeitrag der EE bei 35,2 Prozent. Im Jahr2030 werden mit 317 TWh/a bereits 58 Pro-zent des im aktualisierten Leitszenario er-rechneten Bruttostromverbrauchs durchEE gedeckt. Insgesamt ist in 2020 eine Leis-tung von 79 GW an EE-Anlagen installiert,der doppelte Wert von 2008. Den Löwen-anteil wird hierbei die Windkraft bilden.Dies hat mehrere Gründe. Die Photovol-taik wird dank Subventionen und fallen-der Kosten weiterhin zunehmen, aber beiweitem nicht so stark wie die Windenergie.Bei der Wasserkraft ist nur noch ein gerin-ger Zuwachs durch Modernisierungsmaß-nahmen und Neubau zu erwarten, da einGroßteil der geeigneten Standorte bereitsgenutzt wird. Die Biomasse besitzt nochein großes Potential, obgleich hier einegewisse Konkurrenz zur Nahrungsmittel-produktion besteht. Bei der Geothermieist zwar ein großes Potential vorhanden,bisher gibt es allerdings erst wenige funk-tionierende Anlagen.

The electrical power supply in Europe is in a profound process of change. In order to mitigate global warming, a significant reduction in CO2-emissions is required. According to the objectives of the German Federal Government, the share of renewables in electricity supply ought to be 30% in 2020. In ad-dition to the retrofitting of conventional power stations, major investments in distributed generation units are therefore inevitable. To integrate the volatilerenewable energy sources in the existing electrical grid on a large scale, the transmission system is not only to be expanded but also needs to get smarterthrough the use of information and communication technology, even down to the distribution level. This so-called SMART GRID should interconnectDispersed Energy Resources (DER, e.g. renewable energy sources, fuel cells, small combined heat and power plants) and adaptable customer loads. Thecontrol of the load according to the actual available power in the grid can be performed by means of smart meters. In that respect also electric vehicles are an interesting option, because they can provide system services by controlled loading or feeding the grid. Thus an active research field at the Instituteof Power Transmission and High Voltage Technology (IEH) is the integration of renewable energy sources and electric vehicles into the power system.

SUM MARY

01

Stromerzeugung aus EE in Deutsch-land unter den Bedingungen der EEG-Novelle [1]

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2. ÜBERTRAGUNGSNETZ

2.1. Übertragungstechnologien

Das Übertragungsnetz transportiert die elek-trische Energie von den Kraftwerken zuden Lastschwerpunkten. In Deutschlandwerden hierfür im HöchstspannungsnetzWechselspannungen von 220 kV oder 380 kV genutzt. Die Wechselspannungkonnte sich aus mehreren Gründendurchsetzen. Zum einen lässt sich durcheinen Generator eine dreiphasige Wechsel-

spannung erzeugen, mit der ein Drehfeldfür Elektromotoren erzeugt werden kann.Während bei einem Gleichstrommotorzwangsweise Schleifringe eingesetzt wer-den müssen, kann darauf z. B. bei Dreh-strom-Asynchronmotoren verzichtet wer-den, was zu geringerem Verschleiß undWartungsaufwand führt. Zum anderenlässt Wechselspannung sich leicht trans-formieren, was für die Überbrückung län-gerer Distanzen unerlässlich ist, da eineverlustarme Übertragung nur mit hoherSpannung möglich ist. Seit dem Jahr 2009sind in China Pilotanlagen mit einer Span-nung von 1100 kV in Betrieb, um die weitentfernten Kraftwerke an die Lastzentrenanzubinden. Dabei gilt es, zahlreiche tech-nologische Herausforderungen in Bezugauf Dimensionierung und Bau der Be-triebsmittel, Netzaufbau und -betrieb zumeistern.

Leitungen bilden im umgebenden Isolations-medium ein elektrisches Feld aus. Bei derVerwendung von Wechselspannung führt

das permanente Umpolen dieses Feldes zueinem Blindstrom, der sich dem Laststromauf der Übertragungsleitung überlagert.Hierdurch wird die Übertragungskapazitätder Leitung reduziert. Insbesondere beimEinsatz von Kabeln mit ihren relativ ho-hen Kapazitätsbelägen führt der größereBlindleistungsbedarf zu einer Begrenzungder Übertragungslänge. In (02) sind diedurch den Blindstrom reduzierten über-tragbaren Leistungen in Abhängigkeit derBetriebsspannung des Kabels dargestellt.Zur besseren Vergleichbarkeit sind die Leis-tungen auf die Nennleistung Sn des Kabel-systems bezogen. Bei Einsatz von moder-nen 380 kV VPE-Kunststoffkabeln kannbeispielsweise bei einem maximalen Leis-tungsverlust von zehn Prozent nur bis zueiner Länge von ca. 45 Kilometern Energieübertragen werden. Während die in (02)

angegebenen Längen für die Übertragungin städtische Ballungsräume normaler-weise ausreichen, sind sie z. B. bei der See-kabelübertragung deutlich zu kurz. EineKompensation des Blindleistungsbedarfsist zwar möglich, aber meist unwirtschaft-lich. Die immer wiederkehrende Forde-rung, bei zukünftigen Netzausbauten Frei-leitungen durch Kabel zu ersetzen, ist sonicht nur wegen der etwa dreifachen Kos-ten, sondern auch wegen der beschränk-ten Übertragungslänge technisch nichtsinnvoll oder z. T. auch unmöglich.

Die Hochspannungsgleichstromübertragung(HGÜ) ist heute das Mittel der Wahl, umdiese Längenbeschränkung praktisch auf-zuheben. Da die Gleich- und Wechselrich-terstationen aber einen sehr großen Inves-titionsbedarf darstellen, lohnt sich dieHGÜ bei Freileitungen erst ab mehrerenhundert Kilometern Länge und ist somitfür Deutschland eine nur sekundäre Op-tion beim Netzausbau. In China mit sei-nen großen Übertragungsdistanzen sindTrassen mit einer Spannung von 800 kVgeplant oder teilweise bereits in Betrieb.Die Anbindung von Offshore-Windparksmuss auf Grund der oben erläutertenBlindleistungsproblematik durch HGÜ-Kabel erfolgen.

Dabei werden heute zwei Technologien zumGleich- bzw. Wechselrichten eingesetzt.Zum einen die netzgeführten Stromrich-ter, die bereits seit Jahren auch für höchsteLeistungen im Bereich mehrerer GW ein-gesetzt werden. Die dort verwendetenThyristorventile lassen sich nur ein- undnicht ausschalten. Folglich ist eine Kom-

02

Auf die Nennleistung normierteübertragbare Leistung eines modernenVPE-Kunststoffkabels in Abhängig-keit der Leitungslänge

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mutierungsblindleistung vonnöten, diedas Netz aufbringen muss. Ein Betrieb die-ser Anlage ist ohne ein funktionierendesNetz also nicht möglich. Die selbstgeführ-ten Anlagen sind dieser Beschränkungnicht unterworfen. Die Ventile dieses An-lagentyps – meist IGBTs – lassen sich imkHz-Takt ein- und ausschalten. DurchFortschritte auf dem Gebiet der Leistungs-elektronik können diese Anlagen heuteeinen Leistungsbereich von mehrerenhundert MW abdecken.

2.2. Netzausbau

Der oben genannte Ausbau der Offshore-Windenergie und die politisch forcierte zu-nehmende Abkehr vom Prinzip der ver-brauchsnahen Erzeugung bedingen natür-lich auch einen Ausbau der Übertragungs-kapazität des Netzes. Schon heute müssenauf Grund von Netzengpässen in Nord-deutschland Windparks zeitweise ab-geschaltet werden. Die Basis für die Netz-ausbauplanung auf Grund der Netzinte-gration der Windenergie bildet die DENA-Netzstudie aus dem Jahr 2005 [2]. Laut die-ser müssen bis 2010 461 Kilometer und bis2015 zusätzliche 390 Kilometer neue Lei-tungstrassen gebaut und bestehendeverstärkt werden. Die Kosten für diesenNetzausbau wurden auf 1,1 Mrd. Eurogeschätzt. Ohne diese Maßnahmen ist derwachsende Anteil Erneuerbarer Energiennicht vernünftig in das Netz einzubinden.Den Vorgaben der DENA-Studie hinkt dieRealität aber weit hinterher. Die für dasGenehmigungsverfahren erforderlichenZeiten übersteigen die Zeit für denTrassenbau um den Faktor fünf. Selbstwenn die Bauanträge genehmigt sind,können Klagen von Anwohnern oderGrundstücksbesitzern Projekte über Jahreverzögern. Ob das „Gesetz zur Beschleuni-gung des Ausbaus der Höchstspannungs-netze“ hier wirklich für eine deutlicheErleichterung sorgt, wird sich noch zeigenmüssen.

2.3. Systemdienstleistungen

Innerhalb eines Übertragungsnetzes müssenzu jedem Zeitpunkt Erzeugung und Verbrauch elektrischer Energie im Gleich-gewicht sein. Ist der Verbrauch höher als die Erzeugung, wird den rotierendenGeneratoren Energie entzogen – die Netz-frequenz sinkt. Ein plötzlicher Ausfall

eines großen Kraftwerkblocks führt dem-nach zum sofortigen Absinken der Fre-quenz und würde ohne Gegenmaßnah-men zum automatischen Abschalten vonVerbrauchern bis hin zum teilweisen oderkompletten Zusammenbruch der Strom-versorgung, dem so genannten Blackout,führen. Um einem solchen Leistungs-ungleichgewicht schnell entgegen wirkenzu können, besteht daher ein Bedarf fürdie sofortige Aktivierung von schneller

positiver Regelleistung. Die europäischenNetzbetreiber sind zur Vorhaltung einerprimären Regelleistung von 3000 MW ver-pflichtet, die innerhalb von 30 Sekundenaktiviert werden kann. Diese Primär-regelleistung entspricht einem angenom-menen Ausfall zweier Großkraftwerke mit

Notwendiger Ausbau des Über-tragungsnetzes zur Integration derWindenergie [2]

Leistungsgleichgewicht zwischenErzeugung und Verbrauch

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je 1500 kW. Zur Aktivierung werden inden thermischen Kraftwerken, die in derRegel angedrosselt gefahren werden, dieEinlassventile geöffnet, um mehr Dampfauf die Turbinenschaufeln zu bringen.Außerdem werden Speicher- und Pump-speicherkraftwerke gestartet.

Der Großteil der Erneuerbaren Energiennahm bisher nicht an dieser Leistungs-Frequenzregelung teil, da sie nur einensehr geringen Teil zur Stromerzeugungbeitrugen, der Anschluss in der Regel amMittel- oder Niederspannungsnetz erfolgteund die Anlagen nicht über die notwendi-

gen Regelungs- oder Kommunikations-einrichtungen verfügten, um dies zu leis-ten. Da der Anteil der Erneuerbaren Ener-gien und durch deren Volatilität auch derBedarf an Regelleistung stetig wächst,müssen sie in Zukunft auch Systemdienst-leistungen bereitstellen. In der „Verord-nung zu Systemdienstleistungen durchWindenergieanlagen“ werden System-dienstleistungen für Neuanlagen, die nachdem 30.06.2010 errichtet werden, fest-geschrieben. Neben der Bereitstellung vonBlindleistung ist auch die eingespeisteWirkleistung ab 50,2 Hz mit einem Gra-dienten von 40 Prozent der momentanverfügbaren Leistung pro Hz abzusenken.Im Bereich von 51 Hz bis 51,5 Hz werdendie Windkraftanlagen gestaffelt durch denÜberfrequenzschutz vom Netz getrennt.Generell können Windkraft und Photo-voltaik bei zu hoher Frequenz die Ein-speiseleistung absenken. Jedoch geht hierdie Energie, sofern sie nicht gespeichertwird, verloren. Eine gesteuerte Leistungs-

steigerung ist im allgemeinen nicht mög-lich. Die Biomasse ist hier im Vorteil, da siezu den steuerbaren Erneuerbaren Ener-gien gehört. Ist im Netz ein Überangebotan Strom vorhanden, kann das Biomasse-heizkraftwerk seine Leistung herunter-fahren und der Brennstoff, die Biomasse,wird eingespart. Bei sinkender Frequenzkann die Leistung des Heizkraftwerkshochgefahren werden.

Ein weiteres aktuelles Problem der Fre-quenzhaltung stellt der Stromhandel dar.Die Liberalisierung des Strommarktsverfolgt das Ziel eines intereuropäischen

Wettbewerbsauf demElektrizitäts-markt. Dieshat weit rei-chende Kon-sequenzeninsbesonderefür denBereich derErzeugung.Ein Energie-versorgungs-unterneh-men kannfür denStrom ingroßem StilEnergie ausverschiede-

nen Regelzonen beziehen oder selbst er-zeugte Energie an außerhalb der eigenenRegelzone ansässige Abnehmer verkaufen.Stromhändler des eigenen Energieversor-gungsunternehmens oder freie Strom-händler kaufen oder verkaufen auf eigeneRechnung Strom. Während vor der De-regulierung der überwiegende Teil desStrombedarfs von integrierten Unter-nehmen im Lastfolgebetrieb bereitgestelltwurde, führen die neuen Randbedingun-gen im deregulierten Strommarkt zumÜbergang auf eine fahrplanbasierte Last-deckung. Die Erzeugung folgt somit nichtmehr einem prognostizierten kontinuier-lichen Verlauf des Strombedarfs sonderndeckt lediglich die Bestellungen seitens derStromhändler basierend auf zeitgeraster-ten Fahrplänen ab. Im europaweitenStrommarkt haben sich überwiegendProdukte mit einer Stundenrasterung alsStandardprodukte etabliert. Durch die Ab-weichung zwischen Fahrplan und physi-scher Nachfrage kommt es insbesondere

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Frequenzabweichungen durch Fahrplan-änderungen [3]

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an den Übergabezeitpunkten des Zeit-rasters zu Ungleichgewichten zwischenerzeugter und verbrauchter Wirkleistung.Da elektrische Energie innerhalb eines Ver-bundnetzes nicht in nennenswertem Um-fang gepuffert werden kann, führt diesesUngleichgewicht zur sofortigen Abwei-chung von der Sollfrequenz des elektri-schen Netzes.

So treten durch den Übergang vom Last-folgebetrieb zum Fahrplanbetrieb regel-mäßig zum Stundenwechsel sehr großeFrequenzabweichungen auf, die durch diePrimärregelreserve ausgeregelt werden

müssen. In (05) sind der über die Winter-monate gemittelte Netzfrequenzverlaufund der entsprechend gemittelte Gesamt-lastgang im Verbundnetz dargestellt. Da-bei ist deutlich zu erkennen, wie Ampli-tude und Richtung der stündlichen Fre-quenzabweichungen direkt mit den Last-gradienten korrelieren. Ein ähnliches,aber etwas weniger ausgeprägtes Verhal-ten lässt sich auch für die Sommermonatefeststellen [3].

Zum einen beanspruchen diese für deneigentlichen Netzbetrieb unnötigen Leis-tungsregelungen die für die Regelenergiezuständigen Kraftwerksblöcke dauerndund erhöhen so Materialbeanspruchungund Verschleiß. Zum anderen steht diePrimärregelreserve nicht mehr im Falleeines gleichzeitig auftretenden Ausfallsvon Erzeugerleistung zur Verfügung undes kommt somit zu einer Beeinträchti-gung der Netzzuverlässigkeit. Gegenmaß-

nahmen wurde im Rahmen einer Disser-tation an der Universität Stuttgart [3]untersucht und werden nun auf der Ebeneder Regelzonenbetreiber diskutiert.

3. VERTEILNETZ

3.1. Aufgabe und Aufbau

Die Aufgabe des Verteilnetzes ist die Vertei-lung der elektrischen Energie von denUmspannwerken über zwei oder mehrereSpannungsebenen zu den Netzstationen,die das Niederspannungsnetz und die

daran angeschlossenen Verbraucher mit400 V Drehstrom oder 230 V Wechsel-strom versorgen. Dabei kommen in städti-schen Netzen ab 10 kV vorwiegend Kabelzum Einsatz, da die zu überbrückendenLängen vergleichsweise kurz und die Span-nung und damit die nötige Blindleistungrelativ gering ausfallen. Mit steigendemAnteil der Erneuerbaren Energien fälltdem Verteilnetz mit der Integration dervon Photovoltaikanlagen und kleinerenWindparks erzeugten elektrischen Energieeine neue Aufgabe zu.

3.2. Virtuelle Kraftwerke

Gerade Photovoltaik- und Windkraftanlagenweisen eine starke Wetter- bzw. Witte-rungsabhängigkeit auf. In (06) ist dieSchwankungsbreite der Windenergieein-speisung durch die Viertelstundenwertefür den Monat November 2009 dargestellt.

06

Volatilität der Stromerzeugung ausWindenergie – Tagesminima undTagesmaxima der 1/4-Stunden-Leistungsprofile (Quelle: BDEW)

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Innerhalb eines Tages ist eine Schwan-kungsbreite von bis zu 12 GW zu erken-nen. An mehreren Tagen gab es Zeiten, indenen weniger als 1000 MW aus Windener-gie eingespeist wurde. Dies ist unter demGesichtspunkt der Versorgungssicherheitbedenklich, da in diesen Zeitraum auchdie Jahreshöchstlast fällt, die natürlichdurch Kraftwerksleistung gedeckt seinmuss.

Um regionale klimatische Schwankungenund Abweichungen von der am Tag zuvorprognostizierten Erzeugungskapazität aus-zugleichen, fasst man verschiedene An-lagen in einen Verbund zusammen, der einso genanntes „virtuelles Kraftwerk“ bildet.Obwohl die Leistung der einzelnen Anlagevergleichsweise niedrig und u. U. fluk-tuierend ist, ergibt sich im Verbund eineLeistung und eine Verfügbarkeit, diedurchaus vergleichbar mit konventionel-len Kraftwerken ist [4]. Fasst man beispiels-weise Windparks und Solaranlagen ineinem virtuellen Kraftwerk zusammen, sokann der Windpark trotzdem Strom lie-fern, selbst wenn keine Sonne scheint undumgekehrt. Durch einen Verbund von vie-len Anlagen wird die Versorgungssicher-heit erhöht, da die Standort- und Wetter-abhängigkeit reduziert wird und sich auchdie Prognostizierbarkeit verbessert. Einzel-ne Wolken, die ein Solarpanel verdecken,sind schwerer zu prognostizieren als Tief-druckgebiete, die eine ganze Region be-wölken. Dazu müssen die Anlagen aberkommunizieren können, so dass die Bio-gasanlagen hochfahren, um die Windflau-te zu kompensieren.

Das ‚Erneuerbare Energien Gesetz‘ und das‚Gesetz zur Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung‘ macht den Netzbetreibern zurVorgabe, sämtliche Energie aus solchenQuellen selbst bei einem Überangebot insNetz einzuspeisen und nach festgesetztenTarifen zu vergüten. Im Zweifelsfall müs-sen konventionelle Kraftwerke herunter-gefahren werden, um dies auszugleichen.Nur wenn die Netzstabilität gefährdet ist,darf die aus Erneuerbaren Energien ein-gespeiste Leistung reduziert werden. DieAnlagenbetreiber von Erneuerbaren Ener-gien haben somit keinen Anreiz, ihre Er-zeugung dem Verbrauch anzupassen, wasbei einer fluktuierenden Einspeisung vor-teilhaft wäre. Des Weiteren waren für klei-ne Anlagen keine Kommunikations-schnittstellen vorgesehen, da dies zu auf-wändig war. Aber erst die intelligente

Regelung und Kommunikation zwischenErzeugungseinheiten und Lasten gewähr-leisten bei einem hohen Anteil volatilerErzeuger die Systemstabilität. Folgerichtigwird solch ein intelligentes Netz auch als „Smart Grid“ bezeichnet. Die Ein-beziehung von Wind-, Sonnen- und Last-prognosen in das System sowie die Ver-knüpfung von intelligenten Zählern undsteuerbaren Verbauchern eröffnet hier eingroßes Optimierungspotential. Neue Tech-nologien und sinkende Preise im Markt fürKommunikationstechnik haben einendeutlichen Entwicklungsschub ausgelöst.Dies ist gleichzeitig der Bereich, in demzur Zeit die größten Forschungsanstren-gungen unternommen werden. Dabeimuss die KommunikationsinfrastrukturAnforderungen, wie beispielsweise Sicher-heit gegen Missbrauch und ausreichendeReaktionsgeschwindigkeit, erfüllen. Bis-lang spielen Informations- und Kommuni-kationstechnologien (IKT) in der Energie-versorgung noch keine große Rolle. Sobesteht erheblicher technologiepolitischerHandlungsbedarf, um die großen Optimie-rungspotenziale der IKT für den Energie-bereich zu erschliessen.

3.3. Lastbeeinflussung

Auch auf Seiten der Verbraucher bestehtHandlungsbedarf. Nach der Ölkrise wurdeauf elektrische Nachtspeicherheizungengesetzt, die mit günstigerem Nachtstromgeladen wurden. Somit war man zumeinen unabhängig vom Öl und hatteandererseits die Möglichkeit, den nächt-lichen Energieüberschuss der Grundlast-kraftwerke zu nutzen. Elektrische Nacht-speicherheizungen sind aus klimaproble-matischer Sicht nicht sinnvoll, wenn derzum Betrieb notwendige Strom aus Kohlegewonnen wird. Es ist ineffizient, Kohle imKraftwerk zu verfeuern, aus der dadurchgewonnenen Wärmeenergie mit einemgeringen Wirkungsgrad von etwa 40 Pro-zent elektrische Energie zu erzeugen, nurum diese dann wieder beim Verbraucherin Wärmeenergie umzuwandeln. DieseBetrachtung ändert sich allerdings schlag-artig, wenn der Strom CO2-frei aus Er-neuerbaren Energien gewonnen wird.Durch Nachtspeicherheizungen beständedie Möglichkeit, die Last in großem Maß-stab der Erzeugung anzupassen. Intelli-gente, kommunikationsfähige Stromzäh-ler und flexible Tarife sind allerdings not-

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wendig, um den Verbrauchern einen An-reiz dazu zu geben.

3.4. Smart Metering

Intelligente Zähler, auch Smart Meter ge-nannt, sind elektronische Stromzähler, beidenen der aktuelle Verbrauch über das In-ternet abgefragt werden kann. Durch dieAnalyse des Verbrauchs wird der Verbrau-cher für das Thema Energiesparen sensi-bilisiert. Erste Praxiserfahrungen zeigen,dass durch das damit einhergehende höhe-re Effizienzbewusstsein zwischen drei undfünf Prozent an Strom eingespart werdenkönnen. Weitere Kosteneinsparungenkönnen durch die automatische Zählerab-lesung realisiert werden. Smart Meteringbietet den Energieversorgern die Möglich-keit, zeitabhängige, adaptive Tarife einzu-führen, die den Verbrauch besser steuern.Hierdurch hat zum einen der Kunde einenKostenvorteil, wenn er z. B. seine Wasch-maschine erst nach 21 Uhr einschaltet,zum anderen der Netzanbieter, der so eineMöglichkeit hat, das Lastprofil zu beein-flussen, indem er den Kunden einen finan-ziellen Anreiz gibt, bei großer Netzauslas-tung Strom zu sparen. So wird wenigerRegelenergie benötigt, um Lastspitzen zukompensieren. In weiterer Zukunft könn-te dies mit Hilfe der intelligenten Zählerauch automatisiert werden. Dies setztallerdings voraus, dass Haushaltsgeräte„kommunikationsfähig“ werden. Somitkönnten Geräte wie zum Beispiel Gefrier-truhen oder Wärmepumpen immer dannin Betrieb genommen werden, wenn einhohes Stromangebot herrscht. SmartMeter sind damit ein Herzstück für SmartGrids – also die Aufrüstung der Strom-netze mit Informations- und Kommunika-tionstechnologie. Durch intelligente Netzekönnen die stark fluktuierenden Erneuer-baren Energien besser in das bestehendeEnergieversorgungssystem integriert wer-den. Seit dem 1. Januar 2010 ist bei Neu-bauten und Altbausanierung der Einbauvon intelligenten Stromzählern verbind-lich vorgeschrieben. Bis zum Jahr 2022müssen in Deutschland 42 MillionenStromzähler ausgetauscht werden. Aller-dings stecken die automatisierte Verbrau-chersteuerung und die zur Verbreitungder Zähler notwendigen Geschäftsmodellez. Z. noch in den Kinderschuhen.

3.5. Speichertechnologien

Ein weiteres wichtiges Element in der Ener-gieversorgung der Zukunft und in einemSmart Grid sind Energiespeicher, die ge-nutzt werden können, wenn Über- oderUnterkapazitäten im Netz auftreten. DieSpeicherung von elektrischer Energie isteine Aufgabe so alt wie die Existenz derStromnetze selbst. Weil Strom in großemMaßstab nur schwer und mit großen Ver-lusten gespeichert werden kann, wird dieEnergieerzeugung dem Energieverbrauchnachgeführt, so dass hier ein Gleich-gewicht herrscht. Jedoch ändert sich dieNachfrage nach Strom über den Tag hin-weg (05). Um die benötigte zusätzlicheEnergie beispielsweise zur Mittagszeit zurVerfügung zu stellen, können Speicherverwendet werden. Diese werden zurSchwachlastzeit, also normalerweisenachts, geladen, und im Bedarfsfall wiederentladen. Diese Speicher sind unverzicht-bar, um kurzfristige Lastspitzen auszu-gleichen.

Als Energiespeicher im Stromnetz habensich seit Anfang des 20. JahrhundertsPumpspeicherkraftwerke bewährt. Siebestehen im Wesentlichen aus einemOber- und einem Unterbecken, welchehöhenmäßig möglichst weit auseinanderliegen. Nun ist das Kraftwerk einerseits inder Lage, Strom zu liefern, indem es Was-ser vom Ober- ins Unterbecken ablässtund damit Generatoren antreibt. Anderer-seits kann es beispielsweise in Zeiten einesStromüberangebots Energie speichern,

Smart Grid

Internetfähiger intelligenter Strom-zähler (Smart Meter)

08

07

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indem es Wasser wieder vom Unter- insOberbecken pumpt. So wird in der NachtEnergie aus Grundlastkraftwerken gespei-chert und zu Spitzenlastzeiten am Tagzusätzlich zur Verfügung gestellt. NeueSpeichertechnologien, wie z. B. Druckluft-speicher, bei denen Druckluft in Kavernengespeichert wird, sind in der Entwicklung.Für den weiteren Einsatz der Erneuerba-ren Energien in der Stromerzeugung sindsie unverzichtbar, da Speicher helfen, diePrognostizierbarkeit zu verbessern, indemsie überschüssigen Strom aufnehmen,sofern der tatsächlich produzierte Stromdie Prognose übersteigt, beziehungsweiseStrom abgeben, sollte die Prognose unter-schritten werden.

3.6. Elektromobilität

Einen hohen Wirkungsgrad im Vergleich zuden zwei zuvor erwähnten Speichertech-nologien haben Batterien. Problematischist allerdings der z. Z. noch sehr hohePreis und die beschränkte Lebensdauer.Dies könnte sich in den nächsten Jahrenallerdings schnell ändern, da zur Zeit dieBatterietechnik in den Mittelpunkt derForschung gerückt ist. Batterien sind eineSchlüsseltechnologie für den Durchbruchvon Elektroautos, weshalb die Forschungauf diesem Gebiet sowohl vom Bund alsauch von der Automobilindustrie starkgefördert wird. Elektroautos haben diverseVorteile gegenüber Autos mit Verbren-nungsmotor:

• Elektromotoren erzeugen vor Ortkeine Abgase und können einen Bei-trag zur Verringerung des Schadstoff-ausstoßes in Ballungszentren liefern;

• Elektromotoren sind deutlich war-tungsärmer;

• durch elektrisches Bremsen kann Ener-gie zurückgewonnen werden;

• einfaches kostengünstigeres Tanken ander Steckdose, kein Verschütten/Ver-dunsten;

• kein Energieverbrauch bei Staus oderAmpelstopps.

CO2- und Schadstoffemissionen werdennicht nur aus den Städten zu den Kraft-werken verlagert, sondern darüber hinausauch deutlich reduziert. Die Ziele der EUsehen eine Reduktion der Treibhausgas-emissionen im Verkehr auf 120 g CO2 bis2012 und 95 g CO2 bis 2020 vor. An dieserStelle können Elektroautos einen wesent-lichen Beitrag leisten. Ein Smart ForTwoelectric drive erzeugt nur 65 g/km CO2

(geladen mit deutschem Strommix 541 gCO2 / kWh). Die vergleichbare Benziner-variante erzeugt bereits 103 g/km und dieDieselvariante 88 g/km. Jedoch hat derDiesel weitere Nachteile wie den erhöhtenAusstoß von Stickoxiden und Feinstaub,die zu einer Belastung der Umwelt undder Gesundheit führen. Des Weiteren istabzusehen, dass sich, wie oben ausgeführt,die elektrische Energieerzeugung in dennächsten Jahren strukturell ändern wirdund ein zunehmender Anteil aus Erneuer-baren Energien erzeugt wird. Durch dieModernisierung des Kraftwerksparks sinktdamit zusätzlich jedes Jahr der Treibhaus-gasausstoß pro kWh.

Jedoch haben Elektroautos auch einigeNachteile, wie die erhöhten Anschaffungs-kosten, lange Ladezeiten und geringeReichweite, die alle mit dem Batteriespei-cher zu tun haben. Derzeit haben Elektro-autos eine Reichweite zwischen 150 und350 Kilometern. Dies erscheint im erstenMoment relativ wenig, da Tanken ver-gleichsweise lästig ist. Jedoch bedeutet dasTanken bei einem Elektroauto lediglich,dass man, wenn man zuhause ist, denWagen an eine Steckdose anschließt. 90 Prozent der Tagesfahrstrecken sindkürzer als 100 Kilometer. Dabei beträgt die durchschnittliche Tagesstrecke sogarnur 30 Kilometer. Lediglich für längereStrecken wäre es notwendig, die Batteriezwischendurch zu laden. So genanntePlug-In Hybride könnten bei längerenStrecken und leerer Batterie auf denBenzinmotor umschalten, aber währendder täglichen Fahrten zur Arbeit vollstän-dig mit Strom gespeist werden, da dieBatterie jeden Abend geladen wird.

Die herkömmliche Autobatterie ist eine Blei-Säure-Batterie. Sie zeichnet sich durcheine hohe Zyklenfestigkeit und einen

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günstigen Preis aus. 2000 Zyklen und eineLebensdauer von 6 bis 12 Jahren sind üb-lich. Die Blei-Säure-Batterie kostet etwa100 bis 300 EUR/kWh. Sie ist jedoch nichtgeeignet, das gesamte Fahrzeug anzutrei-ben, da die spezifische Kapazität lediglich25 Wh/kg beträgt. In mobilen Anwendun-gen sind Lithium-Ionen-Batterien quasider Standard geworden. Sie zeichnen sichdurch eine hohe spezifische Kapazität voncirca 120 Wh/kg aus, was sie sehr viel leich-ter als Blei-Säure-Batterien macht. Aller-dings verlieren sie etwa 20 Prozent ihrerKapazität nach 500 Zyklen, was ihreLebensdauer verkürzt. Zudem sind sie mit500 bis 1000 EUR/kWh deutlich teurer,aber trotzdem momentan die erste Wahl,wenn es um Elektromobilität geht. ZurZeit forschen viele, wie zum Beispiel Li-Tec (ein Zusammenschluss von Evonikund Daimler), an der Verbesserung derLithium-Ionen Batterie und es wurden be-reits deutliche Fortschritte gemacht, wasdie Lebensdauer betrifft. Die Kosten zurHerstellung werden ebenso fallen, wennsich Elektrofahrzeuge durchsetzen und dieAbsatzmenge steigt [5].

Die Verbreitung von Elektrofahrzeugenstellt das Netz vor neue Herausforderun-gen. Das Ziel der Bundesregierung ist es,eine Million Elektrofahrzeuge in Deutsch-land im Jahr 2020 zugelassen zu haben [6].McKinsey rechnet dabei in den Metropo-len sogar schon mit einer Rate von 16 Pro-zent Neuzulassungen von Plug-In Hybri-den im Jahr 2015. Es stellt sich die Frage,ob das derzeitige Stromnetz dieser Verbrei-tung gewachsen ist oder ob zusätzlicheMaßnahmen getroffen werden müssen.Nach der Arbeit, wenn viele Berufstätigenach Hause fahren, wird das Auto bei-spielsweise zum Laden an die Steckdoseangeschlossen. Zu dieser Zeit wird dieStromnachfrage rapide steigen. Auf deranderen Seite können Elektroautos auf-grund der in ihnen verbauten Speicher,

welche die meiste Zeit am Tag ungenutztauf einem Parkplatz stehen, auch dazu bei-tragen, das Netz zu entlasten und regene-rative Energien im Verbund mit einem vir-tuellen Kraftwerk besser zu nutzen, indemsie zu Starklastzeiten Strom zurück insNetz einspeisen. Für Stromerzeuger undNetzbetreiber ist dieses Konzept interes-sant, da sie weniger Regelleistung bereit-halten müssen und auch bei großen Spei-chern Kapazität sparen können. Für denHalter eines Fahrzeugs kann es ebenso in-teressant sein, das eigene Fahrzeug fürRegeldienste zur Verfügung zu stellen, dadieser beispielsweise dafür entsprechendentlohnt wird. Heutzutage stehen diesemvehicle-to-grid genannten Konzept aller-dings noch die hohen Kosten für die Ener-giespeicherung in der Lithium-Ionen-Batterie entgegen. Unter der realistischenAnnahme, dass 2015 der Anschaffungs-preis 400 EUR/kWh und die Lebensdauer5000 Ladezyklen betragen, wären die Kos-ten für die Speicherung einer kWh achtCent. Dies ist sicherlich ein Wert, der dieseTechnologieoption auch sinnvoll erschei-nen läßt.

Neue Tarife sind gegenwärtig in der Planung.Teilweise sehen diese Tarife vor, keinenStrom zu handeln, sondern die Mobilitätselbst. Die Idee von Better Place etwa ist,dass der Kunde zwar das Elektroautokauft, aber ohne Batterie (www.better-place.com). Diese ist Eigentum von BetterPlace. Das Konzept sieht vor, vollautoma-tische Batteriewechselstationen flächen-deckend aufzubauen, so dass lange Warte-zeiten beim Aufladen wegfallen. Währenddie Batterien in den Wechselstationengeladen werden, könnte Better Place mitden ungenutzten Energiespeichern zusätz-lich Netzdienstleistungen durch Bereit-stellen von Regelenergie erbringen. •

Stefan Tenbohlen, Alexander Probst,

Patrick Wajant

Die elektrische Energieversorgung Europas befindet sich in einem tief greifenden Veränderungsprozess. Um die Klimaerwärmung abzumildern, ist einesignifikante Absenkung der CO2-Emissionen erforderlich. Nach den Zielen der Bundesregierung soll daher 2020 der Anteil der erneuerbaren Energienan der Stromversorgung 30 Prozent betragen. Neben der Ertüchtigung des konventionellen Kraftwerksparks sind daher große Investitionen in dezentraleErzeugungseinheiten unumgänglich. Um die z. T. sehr volatilen erneuerbaren Energien im großen Maßstab in die bestehende Stromnetze integrieren zukönnen, müssen die Übertragungsnetze nicht nur ausgebaut, sondern auch durch Informations- und Kommunikationstechnik bis hinunter auf die Verteil-ebene intelligenter gemacht werden. So sind aktuelle Forschungsthemen am Institut für Energieübertragung und Hochspannungstechnik (IEH) dieIntegration Erneuerbarer Energien in die Stromnetze der Zukunft. Hierbei könnte die Bereitstellung von Systemdienstleistungen durch Elektrofahrzeuge,wie z. B. gesteuertes Laden oder Rückeinspeisung in das Netz, eine viel versprechende Option sein.

ZUSAM M ENFASSUNG

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LITERATUR

• [1] Leitszenario 2009: Langfristszenarien undStrategien für den Ausbau erneuerbarer Energien inDeutschland, Bundesministeriums für Umwelt,Naturschutz und Reaktorsicherheit, www.erneuerbare-energien.de, 2009

• [2] DENA-Netzstudie: EnergiewirtschaftlichePlanung für die Netzintegration von Windenergie inDeutschland an Land und Offshore bis zum Jahr2020, Deutsche Energie Agentur GmbH (dena),Köln, 2005

• [3] T. Weißbach, Verbesserung des Kraftwerks- undNetzregelverhaltens bezüglich handelsseitiger Fahr-planänderungen, Dissertation Universität Stuttgart,2009

• [4] VDE-Studie: Smart Distribution 2020, VirtuelleKraftwerke in Verteilungsnetzen – Technische, regu-latorische und kommerzielle Rahmenbedingungen,2008

• [5] VDE-Studie: Energiespeicher in Stromversor-gungssystemen mit hohem Anteil erneuerbarerEnergieträger – Bedeutung, Stand der Technik,Handlungsbedarf, 2009

• [6] Bundesregierung, Nationaler EntwicklungsplanElektromobilität, August 2009

Prof. Dr.-Ing. Stefan Tenbohlenstudierte an der RWTH Aachen Allgemeine Elektrotechnik und promo-vierte dort am Institut für Allgemeine Elektrotechnik und Hochspan-nungstechnik über die „Entladungsentwicklung in gasisolierten Schalt-anlagen“. Von 1997 bis 2004 war er bei der AREVA Schorch Trans-formatoren GmbH in Mönchengladbach in verschiedenen verantwort-lichen Positionen tätig. Seit 2004 leitet er das Institut für Energieüber-tragung und Hochspannungstechnik an der Universität Stuttgart.Professor Tenbohlen ist Mitglied des Vorstands der energietechnischenGesellschaft im VDE.

Alexander Probststudierte an der Universität Stuttgart Technische Kybernetik und ist der-zeit wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Energieübertragungund Hochspannungstechnik. Er forscht auf dem Gebiet der Elektromobili-tät und ihrer Auswirkung auf die elektrischen Netze.

Patrick Wajantstudierte an der Universität Stuttgart Elektro- und Informationstechnikund ist derzeit wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Energie-übertragung und Hochspannungstechnik. Er forscht an dynamischenModellen dezentraler Einspeiser und deren Einfluss auf die elektrischenNetze.

DIE AUTOREN

KontaktUniversität Stuttgart, Institut für Energieübertragung und HochspannungstechnikPfaffenwaldring 47, 70569 Stuttgart, Tel. 0711/ 685-67870, Fax 0711/ 685-67877E-Mail: [email protected], Internet: www.uni-stuttgart.de/ieh

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Der Mensch nutzt die Kraft des Windes seitetwa 4000 Jahren. In Mesopotamien,Afghanistan und China wurden schonfrüh neben dem Schiffsantrieb windbetrie-bene Schöpf- und Mahlwerke entwickelt.Die ersten Formen von Windmühlen ver-wendeten ein Windrad mit vertikaler Ach-se, das durch die vom Wind auf die Rotor-

blätter ausgeübte Widerstandskraft ange-trieben wurde. Diese als Widerstandsläuferbezeichnete Bauform erreichen nur einengeringen Wirkungsgrad von maximal etwaeinem Viertel der im Folgenden beschrie-benen Auftriebsläufer [2]. Heute werdensie deshalb nur noch in Form der verbrei-teten Schalenstern-Anemometer zurWindmessung eingesetzt.

In Nordeuropa wurden ab etwa dem 12.Jahrhundert andere Windmühlentypenwie die Bockwindmühle und die Hollän-derwindmühle als wichtige Ergänzungzum Antrieb durch menschliche und tieri-sche Muskelkraft entwickelt. Der entschei-dende Fortschritt dieser historischenabendländischen Windmühlen bestehtnicht in der meist horizontalen Orientie-rung der Rotorachse, sondern in der hö-heren Strömungsgeschwindigkeit an denRotorblättern und dem Antrieb durch dieaerodynamische Auftriebskraft senkrechtzur Strömungsrichtung. Bei einem in derStrömung gewissermaßen mitschwim-menden Widerstandsläufer ist die Relativ-geschwindigkeit am Rotorblatt, die letzt-endlich die Antriebskraft bewirkt, stetskleiner als die Windgeschwindigkeit. Auf-triebsläufer können hingegen durch dieÜberlagerung von Windgeschwindigkeitund Umfangsgeschwindigkeit höhereAnströmgeschwindigkeiten realisieren.Nur so lassen sich die für eine optimaleAbbremsung des Windes erforderlichen

TH E M E N H E FT FORSCH U NG E R N E U E R BAR E E N E RG I E N20

WindenergieAuf dem Weg zur konvent ionel len Energ ie?

In Deutschland drehen sich inzwischen mehr als 20.000 Windräder,

die im Mittel pro Jahr 7,25 Prozent des Strombruttoverbrauchs er-

zeugen. Damit übertreffen sie hierzulande jede andere erneuerbare

Energieform [1]. Das Bundesumweltministerium hält bis zum Jahre

2030 sogar einen Anteil von 25 Prozent für möglich. Welches Poten-

tial steckt noch in der Windenergie? Welche technologischen, wirt-

schaftlichen und politischen Entwicklungen haben dies ermöglicht?

01

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Kräfte erzeugen, und der Anteil der demWind entzogenen Leistung nähert sichdem theoretischen Maximum von 59 Pro-zent an [2].

Die bekanntesten Formen dieser Arbeits-maschinen waren die vierblättrige Hollän-der-Windmühle und die zum Pumpen von Wasser eingesetzte langsam laufende„Westernmill“ mit zwanzig und mehr Ro-torblättern – die erste industriell in gro-ßen Stückzahlen hergestellte Windkraft-anlage, die zudem für den automatischenBetrieb ohne menschliche Bedienungdurch einen Müller auskam. Ein robustesRegelungssystem mit zwei Windfahnenermöglichte es, das Windrad in den Windzu drehen und es auch wieder herauszu-drehen, um die Leistung bei Starkwind zubegrenzen.

1. Dreiblättrige Schnellläufer

Das Aufkommen der Dampfmaschine undspäter der Elektromotoren resultierte zurZeit der industriellen Revolution in einemNiedergang der Windmühle als Arbeits-maschine. Nur die Westernmill wird teil-weise noch als dezentrale Wasserpumpeeingesetzt. Die erste zur Erzeugung vonElektrizität eingesetzte Windmühle ent-wickelte 1891 der Däne Paul La Cour. Ererkannte, dass es neben einer Erhöhungdes aerodynamischen Wirkungsgradesauch konstruktiv günstig ist, wenn dieUmfangsgeschwindigkeit ein Vielfachesder Windgeschwindigkeit beträgt. Bei die-sen sogenannten Schnellläufern sind nurwenige, sehr schlanke Blätter erforderlich,und der Generator wird mit einer relativhohen Drehzahl und entsprechend klei-nem Drehmoment angetrieben. AlbertBetz, Frederick W. Lancaster und Nikolai J.

Joukowski verallgemeinerten zeitlich pa-rallel diese Erkenntnisse und leiteten denmaximalen aerodynamischen Wirkungs-grad von 59 Prozent ab.

Alle Windenergieanlagen erfordern ein Ver-fahren zur Begrenzung der aufgenomme-nen Leistung und der Belastungen, da dieim Wind enthaltene Leistung mit der drit-ten Potenz der Windgeschwindigkeit an-steigt. Hierzu haben sich ausgehend vonLa Cour und fortgesetzt durch Wind-energiepioniere in Dänemark, Frankreich,USA und Deutschlandzwei Konzepte durch-gesetzt: Stall und Pitch.

In der einfachsten Bauart(Stall) sind die Rotorblät-ter fest mit der Nabe ver-bunden (01). Die Dreh-zahl hält ein direkt an dasNetz gekoppelter Asyn-chrongenerator praktischkonstant. Dabei handelt essich um einen generato-risch betriebenen, üblichenDrehstrommotor. Bei stär-kerem Wind kommt es zu einer Verände-rung der Anströmrichtung, die aus dervektoriellen Addition von Windgeschwin-digkeit und Umfangsgeschwindigkeit

Der rasante Ausbau der Windenergie innerhalb der letzten fünfzehn Jahre wurde maßgeblichdurch die technologische Entwicklung und günstige politische Rahmenbedingungen gefördert.Neben der weiteren Verbesserung der Effizienz und Wirtschaftlichkeit der Windenergie-anlagen gewinnen nun politische Fragen an Bedeutung. Hierzu zählen die Integration insVerbundnetz und in die internationale Energiewirtschaft sowie ein gesellschaftlicher Konsens in Energiefragen. Damit befindet sich die Windenergie auf dem Weg von einer alternativenzu einer konventionellen Energiequelle. Diese kann zukünftig entscheidend zu einer klima-verträglichen und bezahlbaren Stromversorgung beitragen.

ZUSAM M ENFASSUNG

01

Stall-geregelte Anlage • Aufbau einerstall-geregelten Windenergieanlage mitGetriebe und konstanter Drehzahl derFirma NEG-Micon (Grafik: Bundes-verband Windenergie)

Stall-Konzept • links: Leistungsbegrenzung bei Windzunahme durch Strömungs-abriss (engl. stall); rechts: Leistungskurve durch den Strömungsabriss begrenzt.

Pitch-Konzept • Links: Leistungsbegrenzung bei Windzunahme durch Abregelnmit Blattwinkelverstellung (engl. pitch); rechts: Leistungskurve.

0302

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resultiert. Diese Vergrößerung des Anstell-winkels zwischen der Anströmrichtungund der Profilsehne führt an der Saugseiteder Blätter zur Strömungsablösung (engl.

stall). Das bewahrt die Wind-turbine vor überhöhter Leis-tung, da sich der Auftriebvermindert und der Wider-stand erhöht (02).Dieses einfache und robusteSystem führte 1957 JohannesJuul ein, es ist nach seinemUrsprungsland als „dänischesKonzept“ bekannt. Es er-möglichte Mitte der 1980er-Jahre den erstmaligen Ein-satz Strom erzeugenderWindenergieanlagen in gro-ßer Zahl mit 15 bis 20 MeterRotordurchmesser und einerLeistung von 50 bis 100 kW.In den folgenden zehn Jah-ren wurde das Konzept zumAktiv-Stall-Konzept weiter-entwickelt. Dazu müssen dieRotorblätter um ihre Längs-achse drehbar in der Nabegelagert sein. Durch ein Ver-stellen der Rotorblätter um

wenige Grad hin zu größeren Anstellwin-keln (Hinterkante in den Wind gedreht)lässt sich dabei der Strömungsabriss aktiv beeinflussen und zuverlässig diegewünschte Nennleistung einstellen.

Das zweite Konzept zur Leistungsbegren-zung basiert auf einer stärkeren Verstel-lung des Blattwinkels (engl. pitch). Nimmtdie Windgeschwindigkeit nach Erreichender Nennleistung zu, so wird das Blatt mit der Vorderkante in den Wind gedreht(03). Die Verringerung des Anstellwinkelsbegrenzt Leistung und Belastungen.

Maßgebend für diese am Leichtbau orientier-te Konzeptlinie war unter anderem derStuttgarter Windenergiepionier UlrichHütter, Ordinarius für Flugzeugbau zwi-schen 1965 und 1980. Er hatte 1942 über dieAuslegung von Windenergieanlagen pro-moviert und setzte diese Arbeiten in denNachkriegsjahren, als zunächst die Luft-fahrtforschung stark reglementiert war,bei den Allgaier-Werken in Uhingen fort.Ab 1950 wurde die WE-10 in Serie produ-ziert, die deutschlandweit erste Wind-energieanlage mit aerodynamisch opti-mierten Blättern. Ein von Studierendenrestauriertes Exemplar mit 10 Meter Ro-tordurchmesser wurde auf dem Campus

der Universität Stuttgart vor dem Institutfür Flugzeugbau wiederaufgebaut (04).Die technologisch als Urmodell modernerWindenergieanlagen geltende AnlageStGW34 der Studiengruppe Windenergie(StGW) mit 34 Meter Durchmesser und100 kW Leistung wurde 1957 auf demTestfeld Schnittlingen bei Stötten auf derSchwäbischen Alb errichtet.

Diese pitch-geregelte Zweiblattanlage mitPendelnabe verwendete erstmals Blätteraus glasfaserverstärktem Kunststoff, eineBauweise, die sich ab den 1980er-Jahren alsStandard etablierte. Damals war es die ers-te Anwendung eines völlig neuen Werk-stoffs für ein so großes Konstruktionsbau-teil; erst später folgten Anwendungen inder Luftfahrt und anderen Industrieberei-chen. Ende der 1960er-Jahre – die kurzeZeitspanne des billigen Öls und derEuphorie über die friedliche Nutzung derKernenergie war angebrochen – kamendie Forschung und die industriellenAktivitäten in der Windenergie zum Er-liegen. Erst 1974 nach der Ölpreiskrisewurde wieder nach Alternativen gesucht.In Deutschland, Schweden, England undden USA entstanden große Experimental-anlagen, die sich an den Prinzipien derHütter’schen Anlagen orientierten, wäh-rend in Dänemark an der Konzeptlinieeinfacherer, robusterer und meist kleine-rer Stall-Anlagen gearbeitet wurde. AmInstitut für Aero- und Gasdynamik derUniversität Stuttgart (IAG) wurden vonFranz Xaver Wortmann spezielle Profilefür Windrotoren entwickelt, eine Traditiondie sich bis heute in der aeroakustischenErforschung von besonders geräusch-armen und leistungsfähigen Profilformenfortsetzt. Das Stuttgarter Institut fürComputeranwendungen führte numeri-sche und experimentelle Untersuchungenzur Aeroelastik, Regelung und Belastungs-reduktion von Windturbinen durch. Umdie durch diese Universitätsinstitute unddie Deutsche Forschungs- und Versuchs-anstalt für Luft- und Raumfahrt (DFVLR),das heutige Deutsche Zentrum für Luft-und Raumfahrt (DLR), etablierte „Stutt-garter Schule“ entstand in den 1980er-Jahren ein erstes industrielles Umfeld. Die süddeutschen Firmen Dornier, MAN,MBB und Voith bauten Windenergieanla-gen mit mehreren hundert kW bis zu dreiMW Leistung und 100 Meter Durchmesser.Leider blieben dies jedoch meist nur Proto-typen. Die böige Kraft des Windes war

Hütter-Modell • Das Urmodell allermodernen Windanlagen, 1949 vonProfessor Hütter entwickelt, steht seit2003 auf dem Vaihinger Campus.Foto: Eppler

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damals noch nicht mit Großanlagen zubezähmen. Durch das 250-MW-Förder-programm der Bundesregierung und vorallem das so genannte Stromeinspeise-gesetz entwickelte sich ab 1991 eine neueBranche, da nun Windstrom zu einemerhöhtem Preis durch die Energieversor-gungsunternehmen abgenommen werdenmusste. In Wilhelmshaven wurde dasDeutsche Windenergieinstitut (DEWI) vonehemaligen Mitarbeitern des DLR, das sichinzwischen aus der Windenergie verab-schiedet hatte, gegründet. Kleinere Unter-nehmen in den windreicheren norddeut-schen Küstenländern, die das StuttgarterKnow-how zunächst mit der robustenBauweise der dänischen Anlagen kombi-nierten, bauten erfolgreich Windenergie-anlagen. Ausgehend von Rotordurch-messern von 15 bis 20 Meter wuchsen dieAnlagen evolutionär in ihrer Größe undtechnischen Komplexität. Dabei setzte sichdie Verwendung von drei Rotorblätternaus strukturdynamischen, akustischenund ästhetischen Gründen durch.

2. Von netzgebundenen zu netz-stützenden Windenergieanlagen

Auch wenn sich die äußere Form von Wind-energieanlagen in den letzten 15 bis 20Jahren nicht mehr verändert hat, so voll-zog sich im Innern doch eine rasante tech-nische Entwicklung: Stets größere undeffizientere Turbinen speisen den elektri-schen Strom in immer besserer Qualitätund zu geringeren Kosten ins Verbundnetzein. Entscheidend hierfür war die Einfüh-rung des drehzahlvariablen Betriebs, dernun als Windturbinen bezeichneten An-lagen.

Schon bald zeigte sich, dass Anlagen mitkonstanter Drehzahl die Böigkeit desWindes selbst bei sehr schneller Blatt-winkelverstellung nicht vollständig aus-regeln konnten und größeren, kurz-zeitigen Leistungsschwankungen sowieentsprechenden Strukturbelastungen undNetzrückwirkungen ausgesetzt waren. DieVorteile des Pitch-Konzepts – konstanteNennleistung sowie gutes Anlauf- undSturmverhalten – lassen sich nur in Kom-bination mit einer gewissen Drehzahl-variabilität realisieren. Dies erfordertjedoch zusätzlichen Aufwand im elektri-schen System. Hierzu haben sich vonanfänglich drei nun zwei Bauarten eta-bliert.

Zunächst setzte vor allem die dänischeFirma Vestas ein Verfahren ein, das eine biszu zehnprozentige Drehzahlvariabilitäterreicht. Dies gelingt mit einer schnellenRegelung der Drehzahlnachgiebigkeit(Schlupf) des netzgekoppelten Asynchron-generators. Durch das Zusammenspiel des

nun als Schwungrad fungierenden Rotorsmit der etwas langsameren Pitch-Rege-lung lassen sich Windschwankungen ober-halb der Nennwindgeschwindigkeit rechtbefriedigend ausregeln.

Besonders in Deutschland wurde durch dieoben genannten Experimentalanlagen abden 1980er Jahren, kommerziell ab 1995,ein Konzept mit vollständiger Drehzahl-variabilität entwickelt, das heute in mehrals der Hälfte aller neuen Anlagen ver-wendet wird. Während der Ständer desAsynchrongenerators nach wie vor direktans Netz gekoppelt ist, wird dem Genera-torläufer durch einen Umrichter genaudiejenige Stromfrequenz aufgeprägt oderentnommen, die zum Einstellen dergewünschten Drehzahl erforderlich ist.Durch einen derartigen doppelt-gespeistenAsynchrongenerator lässt sich die Dreh-zahl zwischen der Einschaltwindgeschwin-digkeit bei etwa 3,5 m/s und dem Errei-chen der Nennwindgeschwindigkeit beietwa 11 bis 13 m/s annähernd verdoppeln.Der Rotor arbeitet nahe an seinem aero-dynamischen Optimum, aerodynamischeGeräusche sind effektiv reduziert. Ober-halb der Nennwindgeschwindigkeit pen-delt die Drehzahl dann noch um circa

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Pitch-geregelte Anlage • Aufbau einerDrehzahl-variablen, Pitch-geregeltenWindenergieanlage ohne Getriebe der Firma Enercon (Grafik: Bundes-verband Windenergie)

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±10 Prozent, um wiederum in Arbeits-teilung mit der Pitch-Verstellung dieBöigkeit des Windes auszuregeln.

Der naheliegendste, wenn auch aufwendigs-te Weg zu einer vollständigen Drehzahl-variabilität liegt in einer elektrischen Ent-koppelung des Generators durch einenUmrichter mit einem Gleichstrom-zwischenkreis. Bei diesem, in der Regelmit einem Synchrongenerator realisiertenKonzept wird die gesamte Leistung durchden Frequenzumrichter geführt. DurchSteuerung der Erregung im Läufer lässtsich die Drehzahl bis zum dreifachen Wertder Anlaufdrehzahl variieren. Die FirmaEnercon, Marktführer in Deutschland,praktiziert dieses Konzept sehr erfolgreichbei getriebelosen Anlagen mit einem spe-ziell entwickelten, direkt angetriebenen,vielpoligen Synchrongenerator (05). Mitt-lerweile wird das Prinzip wegen exzellen-ter Netzverträglichkeit und Unabhängig-keit von der lokalen Netzfrequenz auchvereinzelt in getriebebasierten Maschinenverwendet, die immer noch circa 85 Pro-zent des Weltmarktes abdecken.

Inzwischen haben sich die beiden letzt-genannten Konzepte pitch-geregelter,drehzahlvariabler Anlagen am Marktdurchgesetzt und die einfachen, robustenStall-Anlagen praktisch verdrängt. Dieteilweise oder vollkommene Entkopplungdes Generators vom Netz bewirkt einesehr viel bessere Netzverträglichkeit undermöglicht es unter Umständen sogar, daselektrische Verbundnetz zu stützen. DerPhasenwinkel zwischen Strom und Span-nung (Leistungsfaktor) kann variabel ein-gestellt werden. Negative Netzrückwir-kungen, wie Schaltströme, Spannungs-und Leistungsschwankungen sowie Ober-wellen, lassen sich vermeiden oder starkreduzieren. Außerdem verhalten sich dieAnlagen nun unempfindlich gegenüberNetzstörungen, wie kurzzeitigen Span-nungseinbrüchen.

3. Leichtbau, Anlagenintelligenzund Zuverlässigkeit

Heutige Windenergieanlagen gehören mitbis zu 127 Meter Rotordurchmesser undeiner Nennleistung von 6 MW zu dengrößten rotierenden Maschinen. Sie trot-zen den äußerst rauen Umgebungsbedin-gungen in der bodennahen atmosphäri-schen Grenzschicht durch den Einsatzaufwendiger Regelungstechnik, beispiels-

weise durch Überwachung einer Vielzahlvon Betriebsparametern oder laser-opti-scher Fasersensoren zur Messung derBelastungen in den Blättern. Außerdemkommen moderne Werkstoffe, wie Kohle-faserverbund oder dynamisch hochfesteGuss- und Schmiedelegierungen, zumEinsatz.

Durch die zeitliche und räumliche Strukturvon Böen wirkt jeder lokale Windstoßmehrfach auf die umlaufenden Blätter.Innerhalb der Auslegungsdauer von zwan-zig Jahren treten daher bis zu eine Milliar-de Lastwechsel auf – eine in anderenBereichen unbekannte Größenordnung.Gleichzeitig erfordern die immer größerwerdenden Anlagen leichtere Bauweisen.Andernfalls würden wegen der ständigenWechselbiegung durch das Eigengewichtder Blätter problematische Materialspan-nungen auftreten. Aktuelle Forschungs-projekte setzen daher unter anderem aufdie Verbesserung der experimentellen undnumerischen Verfahren zur Ermittlungder Auslegungslasten für Rotorblätter,Triebstrang, Pitch- und Giersystem sowieTurm. Außerdem sollen durch individuel-le Pitchverstellung und passive Mechanis-men, die auf Faserverbundtechnologienbasieren, Lasten reduziert und zugleich dieErträge erhöht werden. Großes Potentialverspricht die Regelung von Windenergie-anlagen unter Zuhilfenahme einer laser-optischen Böenprognose mittels LiDAR(Light Detecting and Ranging).

Die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber kon-ventionellen Kraftwerken erfordert Kos-teneinsparungen, die sich nicht nur durchgrößere Stückzahlen, sondern vor allemdurch effizientere Anlagen realisieren las-sen. Da häufig der maximale aerodynami-sche Leistungsbeiwert recht gut angenä-hert wird, versucht man vor allem die In-vestitionskosten pro produzierter Kilo-wattstunde zu reduzieren, beispielsweisedurch aktive und passive Schwingungs-dämpfung, Ausregeln von Belastungensowie die Umsetzung von Leichtbau-konzepten. Darüber hinaus lassen sich dieBetriebskosten zum Beispiel durch eineweitere Steigerung der Anlagenzuverläs-sigkeit senken. Die technische Verfügbar-keit von Anlagen, das heißt der Zeitanteil,in dem die Turbine betriebsbereit ist, liegtinzwischen bei 98 bis 99 Prozent [4].Trotzdem sind weitere Verbesserungen inder Haltbarkeit der teuren KomponentenRotorblatt und Getriebe sowie in der

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Zuverlässigkeit der elektrischen Kompo-nenten und Sensoren notwendig. Dies be-trifft insbesondere Anlagen der Megawatt-klasse, die seit Ende der 1990er Jahre undzu Beginn dieses Jahrzehnts, oft nach zukurzer Erprobungszeit, in größeren Stück-zahlen installiert wurden.

4. Windenergie im Aufwind –Offshore-Anlagen

Seit einigen Jahren erlebt die Windenergie-nutzung einen weltweiten Boom. Bis Ende2008 wurden weltweit insgesamt etwa121.000 MW installiert, davon allein etwa27.000 MW im Jahr 2008. Der Weltmarkt,an dem die deutschen Hersteller von An-lagen und Komponenten einen Anteil vonknapp 29 Prozent der Wertschöpfungbesitzen (2008), wächst jährlich im Durch-schnitt mit über 20 Prozent (06) [5, 6].

Bei einem Umsatz von knapp acht Milliar-den Euro beträgt der Exportanteil derdeutschen Anlagen- und Komponenten-hersteller mittlerweile 82 Prozent. Wenn-gleich Deutschland inzwischen nichtmehr der wichtigste Markt ist, findet einweiterer Ausbau in anderen europäischenLändern, den USA und den aufstrebendenasiatischen Schwellenländern, insbesonde-re in der Volksrepublik China und Indien,statt. Windenergie entwickelt sich zueinem nicht mehr zu vernachlässigendenTeil des globalen Energiesystems, in demdie deutsche Industrie eine führende Rollebehaupten kann. Mit zunehmendemWachstum dieser Märkte gewinnen mehrund mehr Fragen der Erschließung derenormen Windressourcen auf dem Meer,der Integration in das internationaleEnergiesystem, der Wirtschaftlichkeit unddes Natur- und Umweltschutzes sowienicht zuletzt der sozialen Akzeptanz anBedeutung.

Die küstennahen Meeresgebiete bieten fürdie Windenergie enormes Potenzial. Nebeneinem Mehrertrag von 40 bis 50 Prozentgegenüber guten Küstenstandorten stehenauch größere Flächen als an Land zurVerfügung. Das Bundesumweltministeri-um rechnet innerhalb der nächsten fünf-zehn Jahre offshore mit der Installationvon 15 GW gegenüber einer weiterenInstallation von 10 GW an Land.

Nach den ersten Ideen für Offshore-Wind-projekte in den 1970er Jahren wurden inden 1990er Jahren kleinere europäischeDemonstrationsprojekte gebaut. Ab 2000begann man dann erstmals mit der Re-alisierung kommerzieller Windparks mitbis zu 160 MW Leistung unter Verwen-dung von Windenergieanlagen der 1,5- bis 2-MW-Klasse. Bis zum Jahresende 2008betrug die installierte Leistung offshoreknapp 1500 MW. Das entspricht etwa 1,2 Prozent der weltweiten Windenergie-leistung. Die Betriebserfahrungen sind bis-her überwiegend positiv und unterstützendie weitere Entwicklung, die derzeit vorallem in Großbritannien, Dänemark, denNiederlanden und Schwe-den stattfindet. Wie beijeder neuen Technik, gabes auch hier Rückschläge.So mussten Mitte 2004 imersten großen dänischenOffshore-Windpark HornsRev, zwei Jahre nach des-sen Errichtung, alle 80 An-lagen abgebaut und kost-spielig an Land instand-gesetzt werden – dieTransformatoren und Ge-neratoren waren der Belas-tung durch das Salzwassernicht gewachsen. Hierzeigte sich die Branche ge-reift genug, um derartigeBelastungen zu bewälti-gen: Bis Mitte Dezemberdesselben Jahres waren alleAnlagen wieder am Netz.

Entwicklung • Internationale Entwick-lung der jährlich neu installiertenWindenergieleistung seit 1990 undPrognose bis 2013 (Grafik: BTMConsult ApS)

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Aufbau • Installation einer 5-MW-Offshore-Windenergieanlage mit 126 Meter Rotordurchmesser vor derschottischen Küste im August 2006(Grafik: REpower Systems AG)

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In Deutschland stellen die großen Wasser-tiefen von 25 bis 40 Meter und Küsten-entfernungen von 30 bis über 100 Kilo-meter vor allem eine finanzielle Hürde fürerste Projekte dar. Das erste „echte“ Off-shore-Projekt in Deutschland ist das Test-feld „alpha ventus“ 45 Kilometer nördlichder Insel Borkum, das seit August 2009 inBetrieb ist. Zwölf Windenergieanlagen derzur Zeit leistungsstärksten 5-MW-Klassekommen dort zum Einsatz, wie sie aktuellnur von vier deutschen Herstellern an-geboten werden. 2006 wurde eine derartigeAnlage auf einem Fundament in 44 MeterWassertiefe vor der schottischen Küste auf-gebaut (07). Der Stiftungslehrstuhl Wind-energie der Universität Stuttgart koordi-niert zwei Projekte der wissenschaftlichenBegleitforschung im Windpark „alphaventus“. Hierbei wird einerseits die laser-optische Windmessung mittels LiDARweiterentwickelt, andererseits werden dieEntwurfsannahmen der Offshore-Wind-energieanlagen in Kooperation mit zehnanderen Partnern verifiziert. Von besonde-rer Bedeutung sind dabei die Beschreibungder Einflüsse der maritimen atmosphäri-schen Grenzschicht auf die Leistungsabga-be, die Strömungsbedingungen in großenWindparks, die auftretenden aero- undhydrodynamischen Lasten sowie die Über-wachung der Windenergieanlagen. WeitereProjekte befassen sich mit der Entwicklungvon Tragstrukturen und Fundamenten,dem Netzanschluss sowie der Ökologie.Hieraus werden sich weitreichende Er-kenntnisse für die Planung und die Errich-tung der bereits genehmigten und zukün-ftiger deutscher und internationaler Off-shore-Parks ergeben.

Für die zukünftige Entwicklung der Wind-energie existieren unterschiedliche Vor-hersagen. Eine Marktstudie der Euro-päischen Windenergieagentur (EWEA)vom Dezember 2007 [7] beschreibt folgendeSzenarien: Es wird ein Wachstum des jähr-lichen Marktes von derzeit etwa 500 MWauf 1000 bis 1500 MW in 2010 und 1700 bis3000 MW im Jahre 2015 erwartet. Kumu-liert bedeutet dies eine Steigerung derGesamtkapazität in Europa von 1,1 GWEnde 2007 auf 3 bis 4 GW Ende 2010 und 20bis 40 GW im Jahre 2020. Die wichtigstenMärkte werden voraussichtlich Groß-britannien und Deutschland sein. Dasdänische Büro BTM Consult prognosti-ziert für das Jahr 2013 eine weltweiteGesamtleistung offshore von 11,7 GW,

davon 10,8 GW in Europa. Der größte Zu-wachs wird auch in absehbarer Zukunft anLand stattfinden, weswegen der Anteil derOffshore-Windenergie an der installiertenGesamtleistung im Jahre 2013 auf nichtmehr als drei Prozent geschätzt wird [8].

5. Netzintegration trotz schwan-kender Leistung

Allgemein wird angenommen, dass sich Er-neuerbare Energieträger wie Wind undSonne bis zu einem Anteil von 20 Prozentohne größere Probleme in ein Verbund-netz integrieren lassen. Obwohl eine sol-che Situation im Jahres- und Landesmittelin Deutschland erst in etwa fünfzehnJahren zu erwarten ist [9], stellt die Inte-gration neuer Anlagen schon heute einetechnische und wirtschaftliche Heraus-forderung dar. Dies liegt an der regionalenKonzentration in den nord- und ostdeut-schen Küstenländern sowie den täglichenund saisonalen Windschwankungen.Zeitweise übersteigt die Windenergie-einspeisung dort die Netzlast, während zuanderen Zeiten kaum Windenergie in derRegion zur Verfügung steht.

Eine dezentrale Einspeisung in die schwacheNetzperipherie, neue Erzeugungs- undVerbrauchsstrukturen und die Markt-liberalisierung erfordern eine Umgestal-tung der Jahrzehnte alten Struktur deseuropäischen Versorgungsnetzes in einTransportnetz für große Handelsströme.Eine von der Deutschen Energie Agentur(dena) im Konsens mit der Energiewirt-schaft und der Windenergiebranchedurchgeführte Studie untersuchte im Jah-re 2005 die Konsequenzen einer Erhöhungdes Windstromanteils auf 15 Prozent biszum Jahre 2015. Demnach bestehen keinewesentlichen technischen Hindernisse undes werden nur moderate Mehrkosten auf-treten. Rund 400 Kilometer des vorhande-nen 380-kV-Verbundnetzes müssen ver-stärkt und rund 850 Kilometer neu gebautwerden. Das entspricht fünf Prozent desderzeitigen Übertragungsnetzes. In zehnJahren werden die Mehrkosten je nachSzenario zwischen 0,39 und 0,49 ct/kWhfür private Haushalte und 0,15 ct/kWh für die Industrie betragen. Hierbei sindneben dem Netzausbau auch die erhöhteEinspeisevergütung und die Regel- undReservehaltungskosten abzüglich vermie-dener Kosten konventioneller Erzeugung,enthalten [10].

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Seit 2003 wird bei Neuanlagen in Gebietenmit hohem Windstromanteil ein Erzeu-gungsmanagement angewendet, das demÜbertragungsnetzbetreiber die Drosselungoder Abschaltung bei zu geringer Netzlastoder Netzengpässen erlaubt. Bei konven-tionellen Kraftwerken führt ein solchesVerfahren zu einer Brennstoff- undKosteneinsparung. Dagegen kann es fürWindenergieerzeuger einen empfindlichenEinnahmeverlust bedeuten, weil hier dieBetriebs- und Finanzierungskosten nahezugleich bleiben.

Neue Anlagen benötigen zusätzliche Kapazi-täten im Netz, aber Akzeptanzproblemeund langwierige Verfahren erschweren diePlanung neuer Freileitungen. Neue Lö-sungsansätze wie konventionelle Erdkabeloder neue bipolare Kabelkonzepte mithoher Kapazität verfolgt die Energiewirt-schaft teils zögerlich. Jedoch schlummernauch im derzeitigen Verbundnetz noch er-hebliche Kapazitätsreserven, wenn bei käl-terer Witterung oder stärkerem Wind dietatsächliche thermische Übertragungs-leistung ausgenutzt wird. Durch Messungvon Wetterdaten können 30 Prozent, miteinem Monitoring der Leitungstemperatursogar bis zu 100 Prozent höhere Strömeübertragen werden [11]. In Deutschlandwurde 2006 erstmalig ein solches Monito-ring durchgeführt, das in anderen EU-Ländern schon länger verwendet wird.

Die Betriebsführung des Verbundnetzesdurch die vier deutschen Netzbetreiberbesteht vor allem aus einer permanentenAnpassung der eingespeisten Erzeugungs-leistung an die schwankende Last. Leis-tungserzeugung und Stromeinkäufe wer-den jeweils 24 Stunden im Voraus geplant.Durch Zu- und Abschalten von unter-schiedlich schnell regelbaren Kraftwerkenund die kurzzeitige Pufferung über dieRotationsenergie der Generatoren undTurbinen erreicht man ein Gleichgewicht.Während bisher nur die Lastschwankun-gen und mögliche Kraftwerksstörungenauszugleichen waren, wird nun das Aus-regeln durch die Schwankungen der vorrangig abzunehmenden Windenergieerschwert. Windenergie-Prognosepro-gramme werden eingesetzt, um die er-forderliche Kapazität an konventionellenKraftwerken und von zusätzlicher Regel-energie zu minimieren. Inzwischen liegtdie durchschnittliche Abweichung von 24-Stunden-Vorhersagen bei etwa 6,5 Prozent(ausgedrückt als quadratischer Mittelwert

des Fehlers normiert auf die installierteLeistung) [12].

Erhebliche Prognoseabweichungen tretenvor allem durch Zeitverschiebungen beimDurchzug von Wetterfronten und damitkorrespondierenden großen Leistungs-gradienten auf. Unter solch ungünstigenBedingungen kann die Windeinspeisung ineiner Regelzone um mehrere Gigawattinnerhalb einiger Stunden abnehmen.Weitere Prognoseverbesserungen und eineReduktion von Reserveleistung sind durchEinsatz neuer Kommunikationstechniken,eine flexiblere Kraftwerksplanung undeinen kurzfristigen Ausgleich zwischenden Netzbetreibern möglich. SinnvolleMaßnahmen umfassen die Kurzzeitkorrek-tur der 24-Stunden-Prognose, die Messungder tatsächlich erzeugten Windleistungund die Einführung von kürzerenHandelszeiträumen an den Strombörsen(Intraday-Handel). Aktuelle Forschungs-projekte, die unter anderem vom Zen-trum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW)und dem Stiftungslehrstuhl Windenergieverfolgt werden, setzen hier beispielsweisedarauf, den Prognosefehler für den Ertragvon Windenergieanlagen mit einem An-satz basierend auf rekurrenten neuronalenNetzen zu minimieren. Eine auf dieserMethode beruhende verbesserte Vorher-sage von Sturmabschaltungen kann zueiner Verringerung des Vorhaltebedarfs fürReserveleistung führen. Zusätzliche Kraft-werke sind dabei nach der Dena-Studie biszum Jahr 2015 zur Bereitstellung vonRegel- und Reserveleistung in keinem Fallerforderlich: Im Mittel reicht eine Stun-den- und Minutenreserve konventionellerKraftwerke in Höhe von acht bis neunProzent der installierten Windenergieleis-tung aus.

Um die traditionell sehr hohe Netzstabilitätund Versorgungssicherheit in Deutschlandaufrecht zu erhalten, wurden 2003 neueNetzanschlussregeln für Windenergie-anlagen eingeführt, die nun bestimmteKraftwerkseigenschaften einhalten müs-sen. Zuvor installierte Windenergieanla-gen müssen entsprechend den früherenBedingungen bei Netzfehlern augenblick-lich abgeschaltet werden. Das könnte imungünstigen Falle zu einem schlagartigenAusfall von mehreren Gigawatt an Leis-tung und Instabilitäten im europäischenStromverbund führen. Mit modernenWindenergieanlagen mit Umrichter-

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technologie, Nachrüstungen und eineohnehin notwendige Netzmodernisierunglassen sich diese Risiken jedoch minimie-ren. So kann die Netzsicherheit auch beieinem weiteren Windenergiezuwachs ge-währleistet werden.

Ein steigender Anteil von täglich schwan-kender Windenergieleistung wird mittel-fristig Energiespeicher im Kraftwerksmaß-stab erfordern, da neue Pumpspeicher-Wasserkraftwerke in Deutschland nicht zu erwarten sind. Die Speicherung durchelektrolytisch erzeugten Wasserstoff alsAlternative besitzt einen sehr geringenSystemwirkungsgrad. Auf absehbare Zeit

wird es sinnvoller sein, durch den Einsatzvon Windenergie fossile Brennstoffe einzu-sparen und Windschwankungen gegebe-nenfalls mit konventionellen Kraftwerkenzu überbrücken [13]. Relativ gute Zu-kunftsaussichten besitzen unterirdischeadiabate Druckluftspeicher, die durchWärmerückgewinnung Wirkungsgradeum 70 Prozent erreichen könnten. Aller-dings werden erste Anwendungen diesernoch völlig neuen Technologie nicht vor2015 erwartet. Langfristig können durchden Einstieg in die Elektromobilität auchdie Energiespeicher von FahrzeugenSchwankungen aus Wind- und Sonnen-energie auffangen und so das Netz stabi-lisieren.

6. Wirtschaftlichkeit

Das Stromeinspeisegesetz (1991 bis 2000) unddas Erneuerbare Energien Gesetz (ab April2000) haben den Ausbau der Windenergiein Deutschland maßgeblich stimuliert,

weil sie eine Mindestvergütung für Wind-strom und die damit verbundene Pla-nungssicherheit erreicht haben. Techno-logische Weiterentwicklung und der Baugroßer Stückzahlen haben die Anlagen-kosten weiter sinken lassen. Derzeit kosteteine Anlage mit 2 MW Leistung, 90 MeterRotordurchmesser und 105 Meter Naben-höhe circa 2,3 Millionen Euro ab Werk,zuzüglich 25–30 Prozent Infrastruktur-kosten im Windpark. An einem küsten-nahen Referenzstandort (5,5 m/s mittlereJahreswindgeschwindigkeit in 30 MeternHöhe) können etwa 6,1 GWh pro Jahrerzeugt und damit 1750 Haushalte mitjeweils vier Personen versorgt werden.

Wichtiger als die reinen Investitionskostensind die spezifischen Kosten pro produzier-ter Kilowattstunde. (08) zeigt eine infla-tionsbereinigte Reduktion der Anlagen-kosten pro jährlich erzeugter kWh amReferenzstandort von deutlich über 50Prozent zwischen 1990 und 2007. Aus die-ser Entwicklung ergibt sich eine Lernkurvemit einem Fortschrittsgrad von 91 Pro-zent, seit 1997 von 93 Prozent. Das heißt,bei jeder Verdoppelung der Leistung fielendie Kosten um neun Prozent (sieben Pro-zent) (08).

Während 1991 die Einspeisevergütung nochmaximal 18,31 ct/kWh betrug, verringertesie sich bis zum Jahre 2006 um 59 Prozentauf einen mittleren Wert von 7,44 ct/kWh.Diese historische Entwicklung wird imaktuellen Erneuerbare Energien Gesetz(EEG) extrapoliert und regelmäßig über-prüft. Die Mindestvergütung für neu inBetrieb genommene Anlagen an Land ver-ringert sich von einem Jahr zum nächstenum nominal ein Prozent. Unter Berück-sichtigung der Inflation müssen also neueAnlagen pro Jahr um circa drei Prozentkosteneffektiver werden.

Zwischen 2006 und 2008 sind jedoch wegender steigenden Rohstoffpreise für Kupferund Stahl sowie die weltweit stark zuneh-mende Nachfrage die Verkaufpreise vonWindenergieanlagen in Deutschland umfast 30 Prozent gestiegen. In der Novellie-rung des EEG zum 1.1.2009 wurde demRechnung getragen. Onshore steigen dieGrundvergütung von 4,97 ct/kWh auf 5,02 ct/kWh und die erhöhte Anfangsver-gütung von 7,87 ct/kWh auf 9,2 ct/kWh,bei einer von zwei auf ein Prozent redu-zierten Degression. Erstmals wird ein Sys-temdienstleistungsbonus von 0,5 ct/kWhfür moderne Anlagen eingeführt, die die

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Anlagenkosten • Entwicklung der An-lagenkosten bezogen auf den Jahres-energieertrag am Referenzstandort inAbhängigkeit der insgesamt installier-ten Leistung (Grafik: ISET)

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Stabilität des Verbundnetzes stützen kön-nen. Offshore sinkt die Grundvergütungvon 5,95 ct/kWh auf 3,5 ct/kWh bei einer von 8,74 ct/kWh auf 15 ct/kWh (13 ct/kWh bei Inbetriebnahme nach 2015) erhöhten Anfangsvergütung. Ab2015 wird zudem für Offshore-Anlageneine jährliche Degression von fünf Prozenteingeführt. Bei dem so genannten Re-powering (Ersetzen alter Anlagen durchneue Anlagen mit höherem Ertrag) wurdedie Anfangsvergütung um 0,5 ct/kWherhöht.

Eine andere Regelung des EEG berücksich-tigt die große Bedeutung der lokalenWindbedingungen für die Wirtschaftlich-keit. Hierdurch bestimmt sich die Höheund die zeitliche Staffelung der unter-schiedlichen Vergütungsstufen währenddes zwanzigjährigen Vergütungszeitraums.Offensichtlich unwirtschaftliche Projektesind inzwischen von einer Förderung aus-geschlossen. Besonders günstige Bedin-gungen gelten hingegen für Offshore-Standorte und das Repowering.

Die starke weltweite Nachfrage nach Wind-energieanlagen wird nicht nur durch denUmwelt- und Klimaschutz, sondern durchdie inzwischen an sehr guten Landstand-orten erreichte Wirtschaftlichkeit gegen-über neu zu bauenden konventionellenKraftwerken vorangetrieben. Ein aktuellerinternationaler Kostenvergleich (09), derdie Preissteigerungen im Kraftwerks- undWindenergiemarkt berücksichtigt, ver-deutlicht dies.

7. Naturschutz und Akzeptanz

Mit dem Aufkommen größerer Windparkshat diese Form der Erneuerbaren Energiezunehmend Akzeptanzprobleme bekom-men. Windkraftanlagen wirken sich abernur lokal und in vergleichsweise geringemMaße negativ aus. Dies muss man ver-gleichen mit anderen Natureingriffen, wieder Anreicherung der Atmosphäre mitCO2- und Schadstoffemissionen, Verkehr,Freileitungen und vielem mehr. An-gesichts der direkt spürbaren Konsequen-zen der traditionellen Energieversorgungist nach wie vor eine deutliche Mehrheitder Bundesbürger für einen weiteren Aus-bau der Windkraft. Trotzdem tritt häufigein paradoxes Verhalten auf, englisch tref-fend als „Not in my backyard!“-Phänomen(NIMBY) charakterisiert: Windkraft ja,aber nicht vor meiner Haustür.

Für konkrete Windparkprojekte ist dahereine sozial- und umweltverträglichen Pla-nung unverzichtbar. Sie muss die Interes-sen der lokalen Bevölkerung einbeziehenund anerkannte Mindeststandards desNatur- und Landschaftsschutzes berück-sichtigen [14]. Hierdurch wird eine häufigbeobachtete politische Voreingenommen-heit und Polarisierung auf allen Seitenvermieden, die kaum mit wissenschaft-lichen Fakten oder technischen Lösungenzu beseitigen ist.

8. Ökologie und Wirtschaft

Vor dem Hintergrund der Klimaproblematikbefindet sich die Elektrizitätswirtschaft ineinem Dilemma. In den nächsten Jahr-zehnten steht ein Großteil der Kraftwerks-kapazität zur Erneuerung an. Mit etwa 596Gramm emittiertem CO2 pro produzierterKilowattstunde liegt die Bundesrepublikzur Zeit deutlich über dem europäischenDurchschnitt [15, 16]. Eine Fortsetzung desderzeitigen Erzeugungsmixes bei einemnur moderat ansteigenden Anteil Erneuer-barer Energie scheint wenig aussichtsreich,insbesondere auch angesichts der Selbst-verpflichtung der Bundesregierung, dieCO2-Emissionen gegenüber den Wertenvon 1990 um 40 Prozent zu senken.

Ein gesellschaftlicher Konsens über denNeubau von Kernkraftwerken ist nicht zuerwarten; auch die Entsorgung verbrauch-ter Brennelemente ist nicht geklärt. Dieverbleibenden Optionen der CO2-armenStromerzeugung aus fossilen Energie-quellen sind wenig überzeugend: Die nochreichlich vorhandenen Kohlereservenkönnen weiter ausgebeutet und in Kraft-werken mit technologisch unausgereifterCO2-Abscheidung und -Sequestrierung(CCS) mit hohen Infrastrukturkosten und

09

Energiegestehungskosten • Vergleichder Energiegestehungskosten für On-und Offshore-Windparks mit verschie-denen konventionellen Energieträgern(Grafik: Windpower Monthly 1/2008)

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Effizienzverlusten von bis zu 40 Prozentverstromt werden [17]. Auch eine politischriskante, mittelfristig teure und lediglichCO2-reduzierte Verstromung von impor-tiertem Erdgas erscheint problematisch.

Zu den steigenden Rohstoffpreisen kommenso bei der Verwendung fossiler Energie-träger die ökologischen und politischenKosten hinzu, die sich auf der einen Seiteaus dem Vermeiden und Bewältigen vonUmweltschäden und auf der anderen Seiteaus entstehenden einseitigen Abhängig-keiten von Rohstofflieferanten aus oft po-litisch instabilen Regionen ergeben. Kurz-fristig können diese Ansätze sicherlich zueiner Reduktion der CO2-Emissionen bei-tragen, langfristig tragfähig im Sinne einernachhaltigen Energieversorgung bei über-schaubarer Kostenentwicklung sind sie je-doch nicht.

Als neue Herausforderungen treten die be-schriebene Netzintegration ErneuerbarerEnergien und die Anpassung der energie-wirtschaftlichen Strukturen auf. Das Insti-tut für Solare Energieversorgung (ISET) in Kassel zeigte 2005, wie die Stromversor-gung Europas und seiner Nachbarn unterausschließlicher Nutzung ErneuerbarerEnergie mit bereits heute weitgehend ent-wickelten Technologien und zu Strom-gestehungskosten sehr nahe am heuteÜblichen gesichert werden könnte [18].Zentrales Element eines solchen Konzeptsmit sehr hohem Windenergieanteil ist derregionsübergreifende Ausgleich der An-gebotsschwankungen erneuerbarer Ener-gieformen untereinander. Dies kann miteiner Kombination verschiedener Energie-quellen und durch Energietransport ineinem transkontinentalen Verbundnetzauf der Basis von Hochspannungsgleich-stromübertragung (HGÜ) mit geringenVerlusten (10 bis 15 Prozent) erreichtwerden. Eine ähnliche Idee wird im kleine-ren Rahmen mit dem Konzept dezentralerKombikraftwerke verfolgt, bei denenWetterprognosen und Prognosen des Last-verlaufs als Ausgangsdaten für die An-lagensteuerung genutzt werden, die dannje nach realer Erzeugung und Bedarf an-gepasst wird. Biogasanlagen und Pump-speicherwerke gleichen aus Wind undSonne entstehende Lastschwankungenaus. Erste Erfahrungen mit einer Pilot-anlage scheinen erfolgversprechend [19]und stützen und ergänzen die Ergebnisseder ISET-Studie. Mit dem DESERTEC-Projekt schließt die deutsche Industrie an

diese Ideen an und beginnt Strategien inRichtung eines integrierten Kraftwerk-parks auf Basis Erneuerbarer Energien zuentwickeln.

Im Rahmen internationaler Energiesystemeverbessern sich so die technischen undwirtschaftlichen Perspektiven deutlich. Bei weiter steigenden Rohstoffkosten wirdprognostiziert, dass bereits 2015 ein Ener-giemix aus Erneuerbarer Energie (ohnePhotovoltaik) kostengünstiger ist als ausfossiler Strombereitstellung [9]. Damit istder weitere zügige Ausbau ErneuerbarerEnergie mittelfristig ein Garant für eineStabilisierung der Strompreise und damitletztlich auch für die Wettbewerbsfähigkeitder deutschen Industrie. • Martin Kühn,

Tobias Klaus

Literatur

• 1 J. P. Molly, Status der Windenergienutzung inDeutschland, Stand 30.06.2009, DEWI GmbH2009, www.dewi.de/dewi/index.php?id=47&L=1

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• 3 H. Dörner, Drei Welten – ein Leben, Prof. Dr.Ulrich Hütter – Hochschullehrer, Konstrukteur,Künstler, 2. Aufl., Selbstverlag, 2002

• 4 Institut für Solare Energieversorgung (ISET),Windenergie Report Deutschland 2005, reisi.iset.uni-kassel.de

• 5 VDMA, BWE, Die deutsche Windindustrie imWeltmarkt, 2009, www.wind-energie.de/fileadmin/dokumente/statistiken/WE%20Deutschland/090723_PK_BWE_VDMA.pdf

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• 7 EWEA, Delivering Offshore Wind Power inEurope, European Wind Energy Association(EWEA), Dezember 2007, www.ewea.org/filead-min/ewea_documents/images/publications/offshore_report/ewea-offshore_report.pdf

• 8 BTM Consult Aps, World Market Update 2008,März 2009

• 9 J. Nitsch, Leitstudie 2008: Weiterentwicklung der„Ausbaustrategie Erneuerbare Energien“ vor demHintergrund der aktuellen KlimaschutzzieleDeutschlands und Europas, Untersuchung im Auf-trag des Bundesministeriums für Umwelt, Natur-schutz und Reaktorsicherheit, Oktober 2008,www.bmu.de/erneuerbare_energien/downloads/doc/42383.php

• 10 Deutsche Energie-Agentur (dena), Energiewirt-schaftliche Planung für die Netzintegration vonWindenergie in Deutschland an Land und Offshore

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• 11 Bundesverband Windenergie, Pressemitteilung18.9.2006, www.wind-energie.de

• 12 B. Lange, Wind Power Prediction in Germany –Recent Advances and Future Challenges, EuropeanWind Energy Conference (EWEC), Athen 2006

• 13 G. Eisenbeiß, Physik in unserer Zeit, 2005, 36(3), 135

• 14 Deutscher Naturschutzring (DNR), Umwelt-und naturverträgliche Nutzung der Windenergie anLand, Bonn 2005, www.wind-ist-kraft.de

• 15 Umweltbundesamt, Climate Change 01/07:Entwicklung der spezifischen Kohlendioxid-Emissio-nen des deutschen Strommix, Berlin, April 2007

• 16 Umweltbundesamt, Climate Change 06/03:Anforderungen an die zukünftige Energieversorgung,Berlin, Aug. 2003

• 17 Umweltbundesamt, CCS – Rahmenbedingungendes Umweltschutzes für eine sich entwickelnde Tech-nik, Mai 2009

• 18 G. Czisch, Szenarien zur zukünftigen Strom-versorgung – Kostenoptimierte Variationen zur Ver-sorgung Europas und seiner Nachbarn mit Strom auserneuerbaren Energien, Universität Kassel, Disser-tation, 2005

• 19 H. Emanuel, R. Mackensen, K. Rohrig, Dasregenerative Kombikraftwerk, Abschlussbericht,Kassel, April 2008

Internet• Bundesumweltministerium:

www.erneuerbare-energien.de• European Wind Energy Association:

www.ewea.org• World Wind Energy Report 2008:

www.unendlich-viel-energie.de/en/wind/details/article/53/world-wind-energy-report-2008.html

• Stiftungslehrstuhl WindenergieUniversität Stuttgart:www.uni-stuttgart.de/windenergie

Martin Kühngeb. 1963, Studium der PhysikalischenIngenieurwissenschaften in Hannover,Berlin und Delft, bis 1999 wissenschaft-licher Mitarbeiter der TU Delft, danachbis 2003 Project Manager OffshoreEngineering bei GE Wind EnergyGmbH, 2001 Dissertation TU Delft,seit 2004 Inhaber des ersten deutschenLehrstuhls für Windenergie, UniversitätStuttgart.

Tobias Klausgeb. 1967, Studium der Politikwissen-schaft in Bonn, Frankfurt und Dublin, seit2008 Mitarbeiter am StiftungslehrstuhlWindenergie der Universität Stuttgart.

DIE AUTOREN

KontaktProf. Dr. Dipl.-Ing. Martin KühnStiftungslehrstuhl Windenergie (SWE)Allmandring 5B, 70550 StuttgartTel. 0711/ 685-68258E-Mail: [email protected]: http://www.ifb.uni-stuttgart.de/index.php/institut/41-stiftungslehrstuhl-windenergie-swe

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1. Einleitung

Im Rahmen der Nachfolgeregelung für diebeiden aus Altersgründen ausscheidendenInstitutsleiter wurde im April 2000 die Lei-tung des Instituts für Thermodynamikund Wärmetechnik (ITW) der UniversitätStuttgart und des Instituts für TechnischeThermodynamik (ITT) des DeutschenZentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR)in Personalunion an Prof. Hans Müller-Steinhagen übertragen. Die beiden Insti-tute haben heute zusammen 240 Mitarbei-ter/innen (ITW = 40, ITT = 200), von de-nen ca. 160 in Stuttgart, 60 in Köln-Porz,15 in Almería/Spanien und fünf in Ham-burg stationiert sind. Die Struktur undHauptarbeitsgebiete der beiden Institutekönnen (01) entnommen werden.

Insgesamt beschäftigen sich über 100 Wissen-schafter/innen mit Forschungs- und Ent-wicklungsarbeiten zur thermischen Nut-zung der Solarstrahlung im Temperatur-bereich von 0 °C bis 1.500 °C. Damit ist derVerbund aus ITW und ITT die größte For-

schergruppe auf diesem Themengebiet inEuropa und möglicherweise weltweit.

2. Bedeutung der Wärme-bereitstellung

In Deutschland werden heute 50 Prozent desEndenergiebedarfs im Wärmemarkt umge-setzt, alleine 40 Prozent der energiebeding-ten CO2-Emissionen entstehen bei derWärmebereitstellung. Diese Zahlen unter-streichen die herausragende Bedeutungdes Wärmemarktes für einen erfolgreichenKlimaschutz. Durch die vollständige ener-getische Sanierung des gesamten Gebäu-debestandes kann der Endenergieeinsatzzur Wärmebereitstellung bis zum Jahr2050 fast halbiert werden.

Um den Anteil Erneuerbarer Energien denAusbauzielen der Bundesregierung ent-sprechend schnell ansteigen zu lassen, istwegen der begrenzten Biomassepotenzialeinsbesondere ein schneller Ausbau derSolar- und Erdwärmenutzung erforder-lich. Dem BMU „Leitszenario“ entspre-

TH E M E N H E FT FORSCH U NG E R N E U E R BAR E E N E RG I E N32

ThermischeSolartechnik für Kälte,

Wärme und Strom

Die thermische Nutzung der Solarenergie kann einen ent-

scheidenden Beitrag zur Klima- und Ressourcenschonung

leisten. Die Anwendungsmöglichkeiten reichen von der sola-

ren Trinkwassererwärmung und Raumheizung über die Bereit-

stellung von solarer Wärme für industrielle Prozesse sowie die

solarthermische Klimatisierung und Stromerzeugung bis hin

zur thermo-chemischen Herstellung von Treibstoffen.01 Stadtwerke Crailsheim

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chend kann bis zum Jahr 2050 knapp dieHälfte des dann noch verbleibendenWärmebedarfs mit Erneuerbaren Energiengedeckt werden.

Die thermische Nutzung der Sonnenstrah-lung ist jedoch nicht auf die Erwärmungvon Wasser und die Beheizung von Ge-bäuden beschränkt. Der industrielle undgewerbliche Prozesswärmebedarf inDeutschland beträgt gegenwärtig etwa1.800 PJ/a, davon rund 500 PJ/a unterhalb200 °C. Dies entspricht etwa fünf Prozentdes gesamten Endenergiebedarfs. Die so-lare Bereitstellung der Prozesswärme mitentsprechend geeigneten Kollektoren undWärmespeichern könnte deshalb zusätz-lich einen erheblichen Beitrag zur Minde-rung des Verbrauchs an fossilen Energie-trägern und der damit verbundenen Emis-sionen beitragen.

Weitere Anwendungen von solar bereit-gestellter Wärme sind

• die solare Klimatisierung und Kälteerzeu-gung,

• solarthermische Kraftwerke für die Strom-erzeugung im MW bis GW Bereich,

• die Herstellung von solaren Brennstoffenwie zum Beispiel Synthesegase oder Was-serstoff.

Trotz der vielfältigen Anwendungen derSonnenwärme wird ihre Bedeutung häufigim Vergleich zu anderen Technologien zurNutzung der Erneuerbaren Energien starkunterschätzt. (02) zeigt jedoch einen Ver-gleich der im Jahr 2008 weltweit installie-ren Kapazitäten. Bei der gegenwärtigenMarktentwicklung kann davon ausgegan-genen werden, dass sich die führendeRolle der Solarthermie in den kommen-den Jahrzehnten noch weiter verstärkenwird.

3. Solaranlagen zur Trinkwasser-erwärmung und Raumheizungim Einfamilienhaus

Die Wärmeerzeugung mit Solarenergie hatbereits eine mehr als 30jährige Geschichtein Deutschland. Zum Ende des Jahres 2008waren in Deutschland thermische Solar-anlagen mit einer Wärmeleistung von ins-gesamt 7,9 GWth bzw. einer Kollektor-fläche von 11,3 Mio. m2 installiert. Dieseerzeugten im Jahr 2008 insgesamt 4520GWh Solarwärme, wodurch mehr als 1,2Mio. Tonnen CO2-Emissionen vermiedenwurden. Dennoch werden heute erst 0,3

Prozent des deutschen Wärmebedarfs mitSolarwärme gedeckt. Es wird davon aus-gegangen, dass bis 2020 europaweit imDurchschnitt 1 m2 Kollektorfläche proEinwohner installiert werden kann. DaDeutschland heute bereits den europäi-schen Durchschnitt übertrifft, könntenhier bis zum Jahr 2020 möglicherweiseschon 2 m2 Sonnenkollektorfläche instal-liert werden. Mit insgesamt 160 Mio. m2

Kollektorfläche bzw. 112 GWth installierter

The thermal use of solar radiation can make an enormous contribution to the conservation of climate and natural resources. This ranges from the provision of heat for water, buildingsand industrial processes to solar thermal air conditioning and power generation, and finallythermo-chemical production of fuels. Already today, more useful energy is provided by these technologies than by any other process using renewable energies, with the exception ofthe well-established hydropower. Together, the Institute for Thermodynamics and ThermalEngineering in the University of Stuttgart and the Institute of Technical Thermodynamics ofthe German Aerospace Centre (DLR) are amongst the leaders in the international researchand development effort to exploit this almost unlimited source of energy.

SUM MARY

01

02

Im Jahr 2008weltweit instal-lierte Leistungund Energie-bereitstellung

Elliptischer Son-nensimulator fürdie Vermessungvon Receiverroh-ren für Parabol-rinnenkraftwerke

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thermischer Leistung würde dann übersechs Prozent des Wärmebedarfs gedecktwerden.

Solarwärme wird in Deutschland heute pri-mär zur solaren Trinkwassererwärmungund Unterstützung der Raumheizunggenutzt. Hierzu kommen in mehr als 98Prozent aller Fälle Einzelanlagen für indi-viduelle Gebäude zum Einsatz. Überwie-gend handelt es sich hierbei um solareKombianlagen, die sowohl zur Trinkwas-sererwärmung als auch zur Heizungs-unterstützung dienen. Auf diese Anlagen-technologie entfällt der weitaus größteTeil der im Jahr 2008 neu installiertensolarthermischen Leistung von 1,47 MWth

bzw. 2,1 Mio. m2 Kollektorfläche.

Vereinzelt werden große solarthermischeAnlagen zur solaren Wärmeversorgungvon Mehrfamilienhäusern sowie Verbund-systeme, sogenannte solare Nahwärme-systeme zur Wärmeversorgung gesamterSiedlungsgebiete eingesetzt. IntegralerBestandteil von Solaranlagen sind Wärme-speicher, deren Speicherzeit meist im Be-reich von wenigen Tagen liegt, jedochauch mehrere Monate (saisonale Wärme-speicher) betragen kann. Im Hinblick aufden Nichtwohnungsbereich sind typischeEinsatzgebiete von thermischen Solar-anlagen die solare Kühlung und Prozess-wärmeerzeugung für Industriebetriebe,Gewerbeimmobilien und öffentliche Ein-richtungen wie z. B. Schwimmbäder.

Thermische Solaranlagen zur Erwärmungdes Trinkwassers und für die Unterstüt-zung der Raumheizung haben bereitseinen hohen technischen Stand erreicht.Sie bestehen als zentrale Komponentenaus einem Sonnenkollektor, einemWärmespeicher und einer Regelung (03).Der Kollektor absorbiert die von der

Sonne kommende Solarstrahlung undwandelt diese in Wärme um. Die erzeugteWärme wird über ein in einem hydrau-lischen Kreislauf (Solarkreislauf) zirkulie-rendes Wärmeträgerfluid einem Warm-wasserspeicher zugeführt. Zusätzlich wirddieser Speicher ggf. durch eine konventio-nelle Nachheizung (z. B. Öl- oder Gaskes-sel) beheizt. Vom Speicher ausgehend wirddas Leitungsnetz für die Trinkwarmwas-serversorgung sowie Raumheizung undggf. weiterer Verbraucher wie z. B. einSchwimmbad, mit Wärme versorgt. DerBetrieb der Anlage wird durch eine Rege-lung kontrolliert, die z. B. die Pumpe imSolarkreislauf ein- und ausschaltet sowiedie Nachheizung aktiviert.

Etwa ein Drittel der heute in Ein- und Zwei-familienhäusern installierten Solaranlagendient ausschließlich der Trinkwassererwär-mung und etwa zwei Drittel aller Anlagenunterstützen zusätzlich die Raumheizung.Heute übliche solare Kombianlagen besit-zen eine Kollektorfläche von etwa 10 bis 20 m2 und Speichervolumina im Bereichvon 0,7 bis 1,5 m3. Beim Einsatz in einem‚üblichen‘ Einfamilienhaus kann mit die-sen Anlagen eine Reduktion des Gesamt-energieverbrauchs für Heizung undWarmwasser von ca. 20 bis 30 Prozent er-reicht werden. Soll ein deutlich größererAnteil der benötigten Energie von derSonne geliefert werden, so sind größereKollektorflächen und/oder Speicherkapa-zitäten erforderlich.

Ein zukünftiges Ziel für den Gebäudebereichist die Etablierung des sogenannten „100%SOLARAKTIVHAUSes“ als Baustandard.Beim „100% SOLARAKTIVHAUS“ wird dergesamte Wärme- und Kältebedarf zu 100Prozent durch Solarwärme gedeckt. Ent-sprechend den Vorgaben der europäischenund deutschen Solarthermie-Technologie-plattform (ESTTP, DSTTP) soll dieses Zielbis spätestens 2030 erreicht sein. Zusätzlichzum Neubaubereich ist es das Ziel, imGebäudebestand den Verbrauch fossilerEnergieträger durch die sogenannte „solaraktive Sanierung“ deutlich zu reduzieren.

4. Solarunterstützte Nahwärmeund Saisonale Wärmespeiche-rung

Für die Wärmeversorgung von größerenWohnsiedlungen mit mindestens 100Wohneinheiten wurden in den vergange-nen Jahren Konzepte entwickelt, die bei

Prinzipieller Aufbau einer solarenKombianlage

03

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möglichst geringen Mehrkosten den fossi-len Brennstoffbedarf zur Wärmeversor-gung um bis zu 50 Prozent und mehr re-duzieren. Ein wichtiger Baustein dieserVersorgungskonzepte ist die Nutzung vonsolarthermischer Energie in Nahwärme-versorgungssystemen mit saisonalerWärmespeicherung. Seit 1993 wird durchdie Energieforschungsprogramme Solar-thermie-2000 und Solarthermie2000plus u. a. die Technik der Langzeit-Wärme-speicherung einschließlich des technischenSystems zur Nutzung der gespeichertenWärme entwickelt und in Pilotanlagenverwirklicht. Elf Anlagen mit Langzeit-Wärmespeicher, die im Rahmen des Ener-gieforschungsprogramms Solarthermie-2000plus von verschiedenen Instituten –so auch dem Institut für Thermodynamikund Wärmetechnik – wissenschaftlich-technisch begleitet werden, sind in Betrieb.

Große Solaranlagen mit bis zu 7000 m2 Kol-lektorfläche sind heutzutage Stand derTechnik. Die zeitliche Verschiebung zwi-schen Solarstrahlungsangebot im Sommerund maximalem Wärmebedarf im Winterwird über die saisonale Wärmespeicherungausgeglichen, für die vier erprobte Tech-niken zur Verfügung stehen. Diese müssenjedoch weiterentwickelt werden, um diederzeit noch hohen Baukosten zu redu-zieren.

(04) zeigt das Schema einer solar unter-stützten Nahwärmeversorgung mit Lang-zeit-Wärmespeicher. Die von den Sonnen-kollektoren gewonnene Wärme wird überdas Solarnetz zur Heizzentrale transpor-tiert und bei Bedarf über ein Wärme-verteilnetz den Gebäuden zugeführt. DieKollektoren sind auf den Dächern der Ge-bäude montiert, die möglichst nahe an derHeizzentrale liegen.

Die im Sommer anfallende Überschusswär-me wird in den saisonalen Wärmespeichereingespeist, der in den Untergrund desSiedlungsgeländes eingebaut ist. Das überdas Wärmeverteilnetz gelieferte Heizwas-ser versorgt die Heizung und Trinkwasser-erwärmung der Gebäude. Die Heizwasser-erwärmung in der Heizzentrale verwendetdie im Langzeit-Wärmespeicher gespei-cherte Solarwärme und heizt bei Bedarfkonventionell nach. Die Auslegungsricht-linien dieser Anlagen lassen sich verein-facht wie folgt zusammenfassen: Die Sys-temmindestgröße beträgt 100 Wohnein-heiten mit je 70 m2 Wohnfläche. Pro m2

Wohnfläche sollte (0,14 – 0,21) m2 Flach-

kollektor und je m2 Flachkollektor (1,4 –2,4) m3 Wasseräquivalent als Wärme-speicher vorgesehen werden. Eine so aus-gelegte solarthermische Großanlage liefertpro Jahr circa 230 – 350 kWh pro m2 Flach-kollektor für einen solaren Deckungs-anteil von 40 bis 60 Prozent am Gesamt-wärmebedarf.

5. Solarthermische Kühlung

Auch in Deutschland entsteht durch moder-ne Bauformen und -materialien unddurch den zunehmenden Einsatz elektri-scher Geräte ein steigender Bedarf nachRaumklimatisierung. Zur Gebäudeküh-lung im kleinen Leistungsbereich (1 bis 10

kW Kälteleistung) werden heutzutage inder Regel Kompressionskältemaschineneingesetzt. Diese Art der Kälteerzeugungbenötigt als Antriebsenergie elektrischenStrom. Dadurch tritt gerade in Spitzen-lastzeiten im Sommer eine erhebliche Be-lastung der Stromnetze auf, die bis zumZusammenbruch führen kann. Weiterhinsind mit der Erzeugung von elektrischemStrom erhebliche CO2-Emissionen ver-bunden.

Der Einsatz von Anlagen zur solaren Klima-tisierung hat ein enormes Potenzial. Siekönnen Stromnetze im Sommer entlastenund Primärenergie einsparen. Die Nut-zung Erneuerbarer Energien ist hierbesonders attraktiv, weil im Gegensatz zursolaren Beheizung der zeitliche Verlaufvon Nachfrage und Energieangebot weit-gehend identisch sind. Noch sind viele An-

Schema einer solar unterstütztenNahwärmeversorgung

04

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lagen in der Entwicklungs- bzw. Erpro-bungsphase. Damit diese Anlagen auf demMarkt konkurrenzfähig sind, müssen inerster Linie Optimierungen stattfinden.Am ITW wurde eine thermisch angetrie-bene Ammoniak/Wasser-Absorptions-kältemaschine mit einer Kälteleistung von10 kW entwickelt und in einem neuen An-lagenkonzept mit Eisspeicher umgesetzt,um eine maximale Verfügbarkeit an Kälte-leistung zu sichern. Mit einer Prototyp-Anlage werden 115 m2 Bürofläche desInstitutsgebäudes mittels Kühldecken ge-kühlt. Ein weiterer Vorteil der Anlage desITW ist, dass die installierte Solaranlage inden kühleren Monaten zusätzlich für dieGebäudeheizung verwendet wird, wobeidie Absorptionskältemaschine als Wärme-pumpe arbeitet. Somit ist es möglich, miteiner Anlage die komplette Versorgungvon Gebäuden mit Wärme und Kälte zuübernehmen. Als Wärmequelle dienenthermische Solarkollektoren. Die Abwär-me der Kältemaschine wird ausschließlichüber einen Trockenkühler abgeführt. Diewesentlichen Komponenten dieser Anlagesind in (05) gezeigt.

6. Solarthermische Kraftwerke

Solarthermische Kraftwerke nützen fokus-sierte Solarstrahlung, um damit Dampfoder Druckluft bei hohen Temperaturenzu erzeugen, die dann in konventionelleDampf- oder Gasturbinenkreisläufe ein-gespeist werden. Bei Verwendung von effi-zienten Wärmespeichern können solcheGroßkraftwerke in den sonnenreichenLändern planbaren und regelbaren Stromim MW- und GW-Bereich bereitstellen.Am 30. Oktober 2009 wurde von 12 großenUnternehmen die sogenannte DESERTECIndustrial Initiative (DII) gegründet, mitdem Ziel bis zum Jahr 2050 etwa 400 Mrd.Euro in solarthermische Kraftwerke inNordafrika und in Hochspannungs-Gleichstrom-Leitungen (HGÜ) nach Euro-pa zu investieren, um damit 15 Prozent des europäischen Strombedarfs zu decken. Das DESERTEC-Konzept basiert im We-sentlichen auf wissenschaftlichen Arbeitendes DLR Instituts für Technische Thermo-dynamik.

Zwei unterschiedliche Systeme zur groß-technischen solarthermischen Strom-erzeugung in sonnenreichen Ländern sindheute verfügbar, siehe (06). Zum einenlinienfokussierende Systeme, die die kon-

zentrierte Strahlung in ihrer Brennlinieauf ein selektiv beschichtetes Absorber-rohr richten und damit Temperaturen biszu 400 °C im dort zirkulierenden Wärme-träger erzielen. Zum anderen punktfokus-sierende Systeme, bei denen dreidimensio-nal gekrümmte der Sonne nach geführteEinzelspiegel (Heliostaten) die Solarstrah-lung auf einen Wärmetauscher (Receiver)ausrichten, der sich auf der Spitze einesTurms befindet. Dabei können höhereTemperaturen als in den linienfokussie-renden Systemen erzielt werden.

Solarthermische Kraftwerke mit Parabol-rinnenkollektoren werden seit mehr als 20 Jahren in der kalifornischen MojaweWüste betrieben. Lange fand ihre Erfolgs-geschichte keine Nachahmer. Inzwischenwerden jedoch im gesamten Sonnengürtelder Welt neue Kraftwerke gebaut und be-trieben. Allein in Spanien befinden sichzurzeit knapp 200 MW an Solarkraftwer-ken in Betrieb, mehr als 800 MW im Bauund mehrere GW in konkreter Planung.Auch in den USA und in einigen nord-afrikanischen Staaten wird bereits gebautund in zahlreichen weiteren Staaten lau-fen bereits konkrete Planungen. Bis zumJahr 2020 werden weltweit 20 bis 40 GW anSolarkraftwerkskapazitäten erwartet. Dasses soweit gekommen ist, ist nicht zuletztdem DLR zu verdanken, das diese Ent-wicklungen seit mehr als 30 Jahren konti-nuierlich unterstützt hat. Zusammen mitseiner spanischen SchwesterorganisationCIEMAT und Industriepartnern wurde dieTechnik weiterentwickelt und im spani-schen Testzentrum, der Plataforma Solarin Almeria, gemeinsam erprobt.

Kommerziell werden heutzutage überwie-gend Parabolrinnenkollektoren eingesetzt,so zum Beispiel im Anfang 2009 einge-weihten Andasol 1 Kraftwerk in Andalu-sien, dem derzeit größten Solarkraftwerkder Welt. Auf einer Gesamtfläche von fastzwei Quadratkilometern stehen über 600Parabolrinnen-Kollektoren, von denenjeder einzelne 150 Meter lang und 5,7 Me-ter breit ist. Insgesamt haben die Spiegeleine Fläche von über 500.000 Quadrat-metern. In der Mitte dieses riesigen Solar-feldes befindet sich außerdem ein Wärme-speicher. Hier wird in zwei großen Tanksvon 14 Metern Höhe und 36 MeternDurchmesser die überschüssige Energiewährend der Mittagsstunden in 26.000Tonnen flüssigem Salz gespeichert. DasSalz wird durch Sonnenenergie auf bis zuSolare Kälteanlage des ITW

05c

05a Absorptionskältemaschine

05b Solarkollektoren

Trockenkühler

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390 °C aufgeheizt. Mit der gespeichertenWärme kann das Kraftwerk dann bis zu 7,5Stunden nach Sonnenuntergang nochStrom mit voller Leistung (50 Megawatt)liefern. Neben diesem ersten kommerziellbetriebenen Kraftwerk Andasol 1 sind be-reits zwei weitere Solarkraftwerke am sel-ben Ort im Bau: Andasol 2 befindet sichseit Mitte 2009 in der Erprobungsphase mitebenfalls 50 Megawatt, Andasol 3 mit wei-teren 50 Megawatt wird voraussichtlichAnfang 2011 folgen.

Heutzutage ist der Strom aus solarthermi-schen Kraftwerken noch deutlich teurerals konventionell erzeugte Elektrizität. So werden z. B. in Spanien bis zu 27 Cent/kWh vergütet. Durch die rasche Imple-mentierung und die Vergrößerung derAnlagengrößen sind aber schon deutlicheKostensenkungen durch Skaleneffekteerkennbar. Dazu kommen technische Ver-besserungen, die den Wirkungsgrad derAnlage erhöhen, so dass die gleiche Elek-trizitätsmenge mit weniger Kollektorenerreicht werden kann. Auch die Verlänge-rung der Lebensdauer und die Reduzie-rung von Betriebs- und Wartungskostentragen zur Kostensenkung bei. Auf all die-sen Gebieten forscht das DLR häufig inKooperation mit der Industrie. Höhere Ef-fizienzen lassen sich z. B. durch höhereTemperaturen im Wärmeträgermediumerreichen, so dass die Wärmeenergie danneffizienter in mechanische Arbeit um-gewandelt werden kann. Dem DLR ist es z. B. gelungen, in einem TurmkraftwerkLufttemperaturen von über 1.000 °C zuerzeugen und in eine Gasturbine einzu-koppeln. Damit lassen sich längerfristig biszu 40 Prozent Spiegelfläche im Vergleichzu heutiger Kraftwerkstechnik einsparen.Auch kostengünstigere Speichermate-rialien und innovative Kollektor- und Re-flektorstrukturen werden entwickelt underprobt. Insgesamt wird erwartet, dass sichdurch die technische Weiterentwicklungmit solarthermischen Kraftwerken anguten Solarstandorten in den nächsten 15Jahren wettbewerbsfähig CO2-freier Stromnach Bedarf erzeugen lässt.

7. Solare Chemie

Die Nutzung von Solarenergie für chemi-sche Prozesse eröffnet die Möglichkeit, siein solaren Energieträgern wie Wasserstoffaber auch flüssigen solaren Kraftstoffen zuspeichern. Aber auch durch die Vermei-

dung von Energiewand-lungsschritten – wie etwaSolarstrahlung in Wärmeoder Wärme in Strom –können höhere Effizienzenbei ihrem direkten Einsatzals Energiequelle in chemi-schen Prozessen erzieltwerden.

Im DLR Institut für Techni-sche Thermodynamik wirdseit 20 Jahren an der Ent-wicklung solarchemischerProzesse gearbeitet. DerFokus liegt dabei auf derUmsetzung von grund-legenden Forschungs-ergebnissen in praktischeAnwendungen. Die be-arbeiteten Themen reichenvon der solar fotochemi-schen Reinigung von Was-ser über die solare Synthe-se von Fein- und Massen-chemikalien, das solar-thermische Recycling vonRest- und Wertstoffen biszum Schwerpunkt derArbeiten, der Erzeugungvon Energieträgern wieWasserstoff, Synthesegasund daraus erzeugbarenflüssigen Energieträgernwie etwa Methanol. Anzwei Beispielen sollen dieMöglichkeiten der Solar-chemie exemplarisch dar-gestellt werden.

Im Bereich der solaren Was-serreinigung hat das DLRin einer Reihe von natio-nalen und europäischenProjekten Katalysatoren,Verfahren und Anlagenentwickelt, mit dem Zieldie Nutzung von Solar-strahlung hier so effizient und wirtschaft-lich attraktiv zu machen, dass ein Markt-einstieg erfolgen kann. Diese Entwicklungist inzwischen soweit, dass ein kommer-zieller Solarreaktor von Industriepartnernvermarktet wird. Die Technologieentwick-lung wurde unter anderem durch dieDeutsche Bundesstiftung Umwelt in dem Projekt SOWARLA gefördert. EineDemonstrationsanlage mit einer Solar-reaktorfläche von 250 m2 und einer jähr-lichen Reinigungsleistung von 18.000 m2

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Bauformen von solarthermischenKraftwerken (unten Andasol 1 Kraft-werk)

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Wasser wurde im Oktober 2009 in Lam-poldshausen in Baden-Württemberg ein-geweiht, siehe (07). Die SOWARLA Tech-nik wurde 2008 mit dem Energy GlobeAward – Germany ausgezeichnet.

Die solare Wasserstofferzeugung durch ther-mochemische Kreisprozesse zur Wasser-spaltung wird seit annähernd zehn Jahrenin überwiegend durch die EuropäischeUnion geförderten Projekten entwickelt.Einer der bearbeiteten Prozesse ist der sogenannte zweistufige thermochemischeKreisprozess, bei dem spezielle Eisenoxidesolar auf 800 °C aufgeheizt werden, umWasserdampf Sauerstoff zu entziehen und

so Wasserstoff zu erzeugen.Bei der Aufheizung auf über1.200 °C wird die Reaktionrückgängig gemacht und dasEisenoxid gibt den Sauerstoffwieder ab und kann erneutfür die Wasserstofferzeugungeingesetzt werden. Im Pro-jekt HYDROSOL hat dasDLR Institut für TechnischeThermodynamik diesen Pro-zess von Laborversuchenüber Reaktoren, die im Son-nenofen des DLR betriebenwerden und eine Leistungs-aufnahme von < 10 kWhaben, in einen kontinuier-lichen Prozess weiterent-

wickelt. Im Projekt HYDROSOL 2 wurdedann eine vollständig automatisierteAnlage im Maßstab von 2 x 100 kW ent-wickelt, die derzeit erfolgreich auf einemSolarturm der Plataforma Solar de Alme-ría in Spanien betrieben wird. HYDROSOLwurde unter anderem mit dem DescartesResearch Prize 2006 der EuropäischenUnion ausgezeichnet.

8. Wärmespeicher im Temperatur-bereich von 0 °C bis 800 °C

Effiziente Wärmespeicher sind eine wesent-liche Voraussetzung für die weitreichendeNutzung der Solarthermie. Die bisherkommerziell eingesetzten Wärmespeicherverwenden Wasser als Speichermedium,das trotz seiner ansonsten ausgezeichne-ten Stoffwerte Nachteile im Hinblick aufEnergiedichte und Einsatztemperatur auf-weist. Charakteristische Merkmale ther-mischer Speicher sind die für die jeweili-gen Anwendungen hochspezifischen An-forderungsprofile (hinsichtlich Tempera-tur, Wärmeträgermedien, Menge undLeistung der benötigten Energie). Dem-entsprechend befassen sich das ITW unddas ITT in diesem Arbeitsgebiet mit einembreiten Spektrum an Speichertechnolo-gien, Materialien und Methoden. Weiter-hin werden Fragestellungen zur hocheffi-zienten Wärmeübertragung und System-integration gleichermaßen bearbeitet.

Gegenstand der Forschung ist die Entwick-lung fortschrittlicher Speicherkonzeptewie Latentwärmespeicher, Sorptions- undthermochemische Speicher. Im Bereichder (etablierten) sensiblen Speicher liegtder Fokus auf Weiterentwicklungen imHochtemperaturbereich. Dabei zielt dasITW darauf hin, die solaren Deckungs-anteile von Solaranlagen zur Trinkwasser-erwärmung und Raumheizung durch effi-zientere Speicher zu erhöhen. Hierzu wer-den neue Speichertechnologien mit einerhohen Energiedichte erforscht und bereitsetablierte Warmwasserspeicher z. B. inHinblick auf eine Reduktion der Wärme-verluste und eine Verbesserung der ther-mischen Schichtung weiterentwickelt. Fürdie Leistungsprüfung von Warmwasser-speichern für Solaranlagen wurde am ITWein Prüfverfahren entwickelt, dass heuteBestandteil europäischer Normen ist. DieArbeiten des ITT sind auf eine rationellereEnergienutzung in Industrie und Kraft-

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HYDROSOL 2 Reaktor auf dem Solarturm der PlataformaSolar de Almería, Spanien

SOWARLA Demonstrationsanlage,Lampoldshausen

.

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werkstechnik ausgerichtet. Hierbei ist dieSpeicherentwicklung für solarthermischeKraftwerke mit einbezogen.

Die Entwicklung von Speichertypen zur sai-sonalen Wärmespeicherung wird am ITW seit1984 kontinuierlich fortgeführt; der erstedeutsche Langzeitwärmespeicher wurdeauf dem Gelände der Universität Stuttgartgebaut und betrieben. In verschiedenenForschungsvorhaben wurden vier Leit-konzepte für die Wärmespeicherung imUntergrund konzipiert (Heißwasser-, Erd-becken-, Erdsonden- und Aquifer-Wärme-speicher) und in Größen zwischen 1.000 m3

und 60.000 m3 realisiert. Die Entscheidungfür einen bestimmten Speichertyp hängtim Wesentlichen von den örtlichen Ge-gebenheiten, dem Volumen und insbe-sondere von den geologischen und hydro-geologischen Verhältnissen im Untergrunddes jeweiligen Standortes ab.

Der Heißwasser-Wärmespeicher besteht aus einerwassergefüllten Tragkonstruktion z. B.Stahlbeton und ist teilweise im Erdreicheingebaut. Die Wärmedämmung wirdheutzutage durch geeignete schüttfähigeund druckfeste Materialien wie Schaum-glasschotter und Blähglasgranulat amBoden, Deckel und den Seitenwänden vor-gesehen. Als wasserdichte Auskleidung desSpeichers dient z. B. Edelstahlblech. DieSpeicher werden drucklos im Temperatur-bereich von 30 bis 95 °C betrieben. Einethermische Durchmischung des Speicher-inhalts beim Be- und Entladen wird durchLadewechseleinrichtungen z. B. Pralltellerin unterschiedlichen festen Positionenoder höhenvariablen ausgeführt.

Erdbecken-Wärmespeicher können beispielsweiseals Kies/Wasser-Wärmespeicher ausgeführtwerden. Dabei wird eine mit wasserdichterKunststofffolie ausgekleidete Grube miteinem Kies/Wasser-Gemisch als Speicher-medium gefüllt. Der Speicher ist seitlich,oben und unten mit schüttfähigen Mate-rialien wärmegedämmt. Die Ein- und Aus-speicherung der Wärme erfolgt überdirekten Wasseraustausch oder indirektüber Rohrschlangen. Eine statische Trag-konstruktion ist nicht notwendig, da dieauftretenden Lasten über den Kies an dieSeitenwände und den Boden abgetragenwerden. Derzeitig eingesetzte Abdicht-folien begrenzen die Maximaltemperatu-ren auf ca. 90 °C.

Beim Erdsonden-Wärmespeicher werden ca. 20 bis100 Meter lange U-Rohre vertikal ins Erd-

reich verbracht. Dabei muss ein möglichstguter thermischer Kontakt zwischen U-Rohr und Erdreich erreicht werden. BeimDurchströmen der U-Rohre von heißem/kalten Wärmeträgerfluid (z. B. Wasser)wird Wärme in den Untergrund ein- bzw.aus diesem ausgespeichert. Dieser Spei-chertyp kann nur zur Oberfläche hinwärmegedämmt werden. Maximale Spei-chertemperaturen liegen bei etwa 80 °C,begrenzt durch die Lebensdauer des Erd-wärmesonden-Materials.

Beim Aquifer-Wärmespeicher werden natürlichvorkommende, nach oben und untenabgeschlossene Grundwasserschichten zurWärmespeicherung genutzt. Über zweiBrunnenbohrungen („kalte“ und „war-me“ Bohrung) wird dem Speicher Grund-wasser entnommen, dieses über einenWärmeübertrager erwärmt und wieder in den Untergrund eingeleitet. Aquifer-Wärmespeicher stellen sehr hohe Anfor-derungen an die geologischen Verhältnisse(hydraulische Durchlässigkeit, Grund-wasserfließgeschwindigkeit, biologischeund chemische Zusammensetzung desGrundwassers) des jeweiligen Standortes.Die maximale Speichertemperatur ist auf50 °C limitiert, um biologische und geo-chemische Veränderungen im Grundwas-ser zu vermeiden.

Als ein technisch und wirtschaftlich attrakti-ves Konzept für Anwendungen bis 400 °C

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Hochtemperaturbetonspeicher, nochohne Wärmedämmung

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im Bereich industrieller Prozesswärmeund solarer Kraftwerkstechnik werdenFeststoffspeicher mit temperaturfestem Beton ent-wickelt. Gemeinsam mit dem Industrie-Partner Ed. Züblin AG wurde vom ITT ein 400 kWh Speichermodul erfolgreichgetestet. Der Arbeitsbereich des Speichersliegt zwischen 100 und 400 °C. Je nachBetriebsweise kann eine spezifische Spei-cherkapazität von 20 bis 50 kWh proKubikmeter erreicht werden.

Am Institut für Technische Thermodynamikwird jetzt eine Versuchsanlage im Pilot-maßstab aufgebaut, mit der Feststoff-Wärmespeicher für Temperaturen bis 800 °C untersucht werden können.

Zur Stromspeicherung werden gemeinsamvon ITT und ITW neue Speicherkonzepteauf Basis adiabater Druckluftspeicherkraftwerkeuntersucht, um effiziente Lösungen zurNetzintegration großer Mengen an Wind-strom zu entwickeln. Beim adiabatenKraftwerksprozess wird ein Wärmespei-cher benötigt, der die bei der Luftkom-pression entstehende Wärme zwischen-speichert und dadurch Anlagen mit hohenStromspeicherwirkungsgraden von etwa70 Prozent ermöglicht. Hierzu sind Wär-mespeicher erforderlich, die bei Fluidpara-metern von 650 ºC und 100 bar eine sehrgeringe Temperaturgrädigkeit beim Be-und Entladen aufweisen.

Ebenfalls in der Entwicklung befinden sicham ITT Hochtemperatur-Latentwärme (PCM)Speicher für Prozessdampf im Bereich derKraftwerkstechnik und für zahlreiche in-dustrielle Anwendungen. Hierzu werden

unterschiedliche Nitratsalze und -salz-mischungen im Bereich von 140 bis 400 °Cuntersucht. Ein wesentlicher Schwer-punkt der Forschungsarbeiten befasst sichmit der Frage, wie sich Latentmaterialienoder Auslegungskonzepte identifizierenlassen, mit denen das Problem des unzu-reichenden Wärmetransports zwischendem Speichermedium und dem Wärme-trägerfluid befriedigend gelöst werdenkann. Hierzu werden neue Materialienund Auslegungskonzepte erforscht, die aufder Verwendung von hochleitfähigen Wär-meleitstrukturen aus Graphit oder Metallberuhen. Die bisher erzielten Ergebnissezeigen, dass sich hiermit Wärmeleitfähig-keiten im Bereich von 5 bis 15 W/(mK)erzielen lassen, die um ein Vielfaches hö-her sind als die bislang verfügbarer Mate-rialien. Eine Demonstrationsanlage miteiner Speicherkapazität von 1 MWh wurdegemeinsam mit einem internationalenIndustriekonsortium in Spanien errichtetund in Betrieb genommen.

Im Rahmen der Entwicklungsarbeiten zuthermo-chemischen Wärmespeichern werden Ver-fahren erforscht, die auf der Verwendungreversibler chemischer Reaktionen odervon Adsorptionsprozessen beruhen. ZurSpeicherung von Solarwärme wird die Ad-sorption und Desorption von Wasserdampfan Zeolithmaterialien untersucht. Hierzuwurde eine neuartige Materialkonfigura-tion auf der Basis extrudierter Waben-körper entwickelt, die derzeitig für denEinsatz als Kurz- und Langzeitspeichergetestet wird. Für die Entwicklung ther-mochemischer Speicher zur Energierück-gewinnung und Speicherung von Solar-wärme sowie in Industrie- und Kraft-werksprozessen untersuchen ITW und ITTreversible Gas/Feststoffreaktionen. Auseiner Vielzahl potentieller Speicherreak-tion konzentrieren sich die aktuellen Ar-beiten auf Salzhydrate für Anwendungenbis 150 °C und Metallhydroxide für denBereich 150 bis 500 °C. Schwerpunkt derArbeiten sind Simulationen und experi-mentelle Untersuchungen zu Kinetik undStoff- und Wärmetransport sowie die Ent-wicklung einer angepassten Speicheraus-legung und geeigneter Verfahrenskonzep-te. Hiermit sollen die Grundlagen für einenachfolgende technische Umsetzung ge-schaffen werden.

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Schema einer solaren Kombianlage mit zusätzlicher chemischer Wärme-speicherung

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9. Leistungsprüfung undQualitätssicherung

Für die erfolgreiche Implementierung derSolarthermie als ein elementarer Bausteineiner zukünftigen Energieversorgung ist eswichtig, dass die Leistungsfähigkeit vonthermischen Solaranlagen bekannt undihre Funktionsfähigkeit über einen Zeit-raum von 20 bis 30 Jahren gewährleistetist. Für die Prüfung von Sonnenkollekto-ren, Solaranlagen zur Trinkwassererwär-mung und solaren Kombianlagen existie-ren heute bereits europäische Normen, diein den vergangenen zehn Jahren untermaßgeblicher Beteiligung des ITW ent-wickelt wurden. Produktprüfungen nachdiesen Normen werden am „Forschungs-und Testzentrum für Solaranlagen (TZS)“des Instituts für Thermodynamik undWärmetechnik (ITW) durchgeführt –siehe (11).

Das TZS ist heute das größte Prüfzentrumfür thermische Solartechnik in Europa. ImJahr 2002 wurde das TZS durch den DAR(Deutscher Akkreditierungsrat) für dieDurchführung von Prüfungen an ther-mischen Solaranlagen und ihren Kompo-nenten wie z. B. Sonnenkollektoren undWärmespeicher entsprechend den europäi-schen Normen EN 12975, EN 12976 undENV 12977 akkreditiert. Das TZS darfdamit auch Prüfungen gemäß den Regula-rien des europäischen Qualitätslabels„Solar Keymark“ durchführen. Ebenso er-folgen Prüfungen entsprechend den Vor-gaben der US-Amerikanischen Zertifizie-rungsstelle SRCC (Solar Rating and Certi-fication Cooperation).

Zusätzlich zur reinen Prüftätigkeit ist dasTZS sehr stark im F&E-Bereich engagiert.Aktuelle Forschungsprojekte beschäftigensich mit der Entwicklung von Prüfverfah-ren für solarthermische Kälteanlagen undfür Kombinationen aus Wärmepumpenund Solaranlagen, sowie der Entwicklungbeschleunigter Alterungstestverfahren fürsolarthermische Kollektoren und derenKomponenten.

Das ITT des DLR hat 2009 das weltweit ersteQualifizierungszentrum für Komponentenvon solarthermischen Kraftwerken in Be-trieb genommen, die hier unter kontrol-lierten Standardbedingungen vermessen werden können. • T. Brendel, H. Drück,

W. Heidemann, H. Kerskes, H. Müller-Steinhagen, R. Pitz-Paal,

C. Sattler, R. Tamme,

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Außenprüfstände des „Forschungs- undTestzentrums für Solaranlagen (TZS)“des Instituts für Thermodynamik und

Wärmetechnik (ITW)

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DIE AUTOREN

Prof. Dr. Dr.-Ing. habil Hans Müller-Steinhagen

leitet seit 2000 in Personalunion das Institut für Thermodynamik und Wärmetechnik derUniversität Stuttgart (ITW) und das Institut für Technische Thermodynamik (ITT) desDeutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt. Er wurde in zahlreiche nationale und inter-nationale Gremien berufen, darunter auch der Innovationsrat des Ministerpräsidenten undder Nachhaltigkeitsrats von Baden-Württemberg.

Prof. Dr. Robert Pitz-Paalist seit 1993 im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) e. V. in Köln tätig.Seit 2003 ist er Universitäts-Professor für Solartechnik an der RWTH Aachen und leitetdie Abteilung Solarforschung im DLR Institut für Technische Thermodynamik.

Dipl.-Ing. Thomas Brendelist seit 1999 am Institut für Thermodynamik und Wärmetechnik angestellt und dort für Ver-waltung und Infrastruktur verantwortlich. Parallel dazu arbeitet er an einer Dissertation zumThema thermosiphonische Flüssigkeitsförderung und leitet eine Arbeitsgruppe zur Weiter-entwicklung von solar angetriebenen Absorptionskälteanlagen und Wärmepumpen.

Dr.-Ing. Harald Drückist der Leiter des „Forschungs- und Testzentrums für Solaranlagen (TZS)“ am ITW. Er istu.a. Vorsitzender mehrerer deutscher und europäischer Normungsgremien sowie Mitglied der Steuerungsgruppe der deutschen und europäischen Solarthermie-Technologieplattformen(DSTTP, ESTTP).

Dr.-Ing. Wolfgang Heidemannist Leiter der Abteilung Rationelle Energienutzung am Institut für Thermodynamik undWärmetechnik der Universität Stuttgart. In dieses Arbeitsfeld fällt auch die solarunterstütz-te Nahwärmeversorgung mit saisonalen Wärmespeichern.

Dr.-Ing. Henner Kerskeshat an der Universität Stuttgart studiert und promoviert. Er ist als wissenschaftlicher Mit-arbeiter am ITW angestellt und leitet dort die Arbeitsgruppe thermo-chemische Wärme-speicherung

Dr. Christian Sattlerist Diplom-Chemiker, seit 1997 im DLR und leitet das Fachgebiet Solare Stoffumwandlungin der Solarforschung des Instituts für Technische Thermodynamik. Er ist im Vorstand vonN.ERGHY, der Gesellschaft der Forschungseinrichtungen in der europäischen Wasserstoffund Brennstoffzellen Joint Technology Initiative, für den Bereich Wasserstoffproduktion und -speicherung verantwortlich.

Dr. Rainer Tammeist Diplom-Chemiker und hat auf dem Gebiet der Festköper-Chemie promoviert. Er ist Leiterder Abteilung Thermische Prozesstechnik im Institut für Technische Thermodynamik desDLR. Schwerpunkt seiner wissenschaftlichen Tätigkeit sind Energiespeicherung, thermo-chemische Umwandlungen und Wasserstofferzeugung. Gegenwärtig leitet er den Annex 19„High Temperature Heat Storage“ im IEA Programm „Energy Conservation through EnergyStorage“.

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KontaktUniversität Stuttgart, Institut für Thermodynamik und WärmetechnikPfaffenwaldring 6, 70550 StuttgartTel. 0711/ 685-63536, Fax 0711/ 685-63503E-Mail: [email protected]: http://www.itw.uni-stuttgart.de, Internet: http://www.dlr.de/tt

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1. Einleitung

Biomasse stellt unter den regenerativen Energien den größ-ten Anteil am Gesamtprimärenergieverbrauch und lag imJahr 2007 in Deutschland bei 5,1 Prozent. Durch entspre-chende politische Rahmenbedingungen zur FörderungErneuerbarer Energien auf europäischer und nationalerEbene wird ihr Anteil in den nächsten Jahren weiter zu-nehmen und soll langfristig sogar bis auf einen Anteil von20 Prozent ansteigen.

Im Vergleich zu anderen regenerativen Energieträgern istBioenergie speicherbar und kann so bedarfsgerecht für die

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Bioenergie

Die Bioenergie ist die älteste Energiequelle

der Menschheit und wird bereits seit Tausen-

den von Jahren vom Menschen zum Heizen

und Kochen genutzt. Mit Einführung fossiler

Brennstoffe als Energiequelle hatte die Bio-

masse zunächst an Bedeutung verloren. Der

Trend geht jedoch nach den Energiekrisen

des letzten Jahrhunderts, der Kenntnis über

die Endlichkeit der Ressourcen sowie dem

Wissen über die Auswirkungen der energe-

tischen Nutzung der fossilen Brennstoffe auf

das Klima wieder zu einer stärkeren Nutzung

regenerativer Energieträger. Regenerative

Energieträger sind klimafreundlich, da sie

als CO2-neutral gelten. Das heißt, die gleiche

Menge an CO2, das bei der Verbrennung

frei wird, wurde bereits bei der Entstehung

von Biomasse durch die Photosynthese ein-

gebunden.

01

Ihr Bei t rag zur nachhal t igen Energ ieversorgung

Energiebereitstellung eingesetzt werden. Ein weiterer Vorteil der Biomasse ist ihre Viel-seitigkeit hinsichtlich ihrer Endenergien. So kann Biomasse sowohl der Wärme- undStromgewinnung als auch der Kraftstofferzeugung dienen. In Deutschland wird Biomassezu etwa 55 Prozent in Wärme, zu 30 Prozent in Kraftstoffe und zu 15 Prozent in Stromumgewandelt. Bei der Wärmeerzeugung dominieren feste Biomassen. Dagegen werden beider Stromerzeugung mehr als 50 Prozent flüssige Biomassen und Biogas eingesetzt.

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Das Angebot an festen Biomassen ist viel-fältig und reicht von Holzresten aus derForstwirtschaft und der holzverarbeiten-den Industrie über Reststoffe aus derLandwirtschaft, wie beispielsweise Stroh,bis hin zu speziell für die energetischeNutzung angebauten Energiepflanzen. Zuden flüssigen Biomassen zählen sämtlichePflanzenöle und bei den gasförmigen bio-genen Brennstoffen seinen hier beispiel-haft das Bio-, Deponie- oder Klärgas er-wähnt.

Für die energetische Nutzung der verschie-denen Biomassen stehen unterschiedlicheKonversionstechnologien zur Verfügung,deren Auswahl einerseits durch die einzu-setzende Biomasse und andererseits durchdie gewünschte Nutzenergie beziehungs-weise das gewünschte Endprodukt ge-troffen wird. Bei den thermo-chemischenVerfahren unterscheidet man zwischenVerbrennung, Vergasung und Pyrolyse. Bei der Verbrennung liegt der Fokus aufeinem möglichst vollständigen Umsatzder Biomasse, um daraus Wärme bezie-hungsweise Strom zu erzeugen. Bei derVergasung und Pyrolyse sollen aus derBiomasse vorrangig Ausgangstoffe zurErzeugung von hochwertigen Kraftstoffenoder andere wertvolle Endprodukte her-gestellt werden. Bereits im 19. Jahrhundertwurden durch die Holzverkohlung vielewichtige Rohstoffe für die Chemiewirt-schaft erzeugt. Die bei der Holzverkoh-lung entstandene Holzkohle findet auchheute noch als Aktivkohle wichtige An-wendungsbereiche. Ein weiteres Produktwar der Holzteer, der früher für Anstriche

von Häusern, Schiffen und zum Abdich-ten von Holzfässern eingesetzt wurde.Auch die Holzvergasung blickt auf einelange Geschichte zurück.In Kriegszeiten wurdenbeispielsweise Fahrzeugeaus Mangel an Treibstoffmit Holzvergasern aus-gerüstet und das Holzgasals Kraftstoff für die Moto-ren verwendet.

2. Bioenergie zurWärme-, Strom- undKraftstofferzeugung

Die heutigen Technologien zur Erzeugungvon Wärme aus Biomasse sind weitest-gehend ausgereift. Die Wärmeerzeugungaus Biomasse reicht vom häuslichen Be-

Bioenergy is the oldest energy source and has been used by mankind for thousands of years for heating and cooking. Bioenergy lost its importance withintroduction of fossil fuels but has once again garnered attention due to limited supply of fossil fuels and their contribution to climate change. In compar-ison to other renewable energies bioenergy has several advantages, among them its possibility for storage and energy production on demand.At the Institute of Combustion and Power Plant Technology (IFK), several biomass-related projects are under examination. Small scale firing systemsfor the utilization of biomass in households are for example optimized with respect to emission behavior, or down-stream measures like precipitators orcatalysts are tested in order to reduce the emission of pollutants. For large scale biomass utilization, mostly grate firing systems are employed. In order topredict or evaluate the effect of operation parameters, a CFD model for grate firing furnaces is under development at IFK. For validation of the CFDmodel various measurements are carried out both on a test facility at IFK as well as on an industrial grate-fired boiler.To improve the efficiency of biomass conversion, polygeneration processes are expected to gain higher interest in the future. The combined generation ofheat and cooling can be realized by the successful combination of an absorption-chiller with a biomass boiler for hot water production. In the case of suc-cessful development, biomass can be used in the future for decentralized generation of both heat and cooling. On a larger scale, an innovative fluidizedbed gasification process, the Adsorption-Enhanced-Reforming-process (AER), is under development at IFK in cooperation with the Centre for SolarEnergy and Hydrogen Research (ZSW). The AER-process is a flexible technology for the production of high quality syngas for either heat and powerproduction or the generation of biofuels, like hydrogen or substitute natural gas (SNG), using a broad range of suitable biomass sources.These examples show how biomass-related research can contribute to strengthen the importance of bioenergy in order to ensure a sustainable energy supplyin the future.

SUM MARY

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Fahrzeug mit Holzvergaser

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Verschiedene Biomassen

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reich mit wenigen Kilowatt bis zum ge-werblichen und kommunalen Bereich mitmehreren hundert Kilowatt bis einige Me-gawatt. Die eingesetzten Feuerungstypenreichen von einfachen Kachel- und Scheit-holzöfen über moderne Pellet- und Hack-schnitzelfeuerungen zu automatisiertenRostfeuerungen. Neben Wärme undWarmwasser kann durch die Verbrennungvon Biomasse auch Dampf erzeugt undanschließend in Dampfmotoren oder -turbinen zu Strom umgewandelt werden.Diese Verfahren sind bereits Stand derTechnik. Eine Alternative im kleinen undmittleren Leistungsbereich stellen Gas-motoren dar, die entweder mit Gas ausbiologischen Verfahren wie der anaerobenGärung (Biogas) oder mit Gas aus thermo-chemischen Verfahren, wie der Vergasungvon Biomasse, betrieben werden können.Bei der gasmotorischen Nutzung könnenebenfalls flüssige Biomassen wie verschie-dene Pflanzenöle zum Einsatz kommen.Für größere Leistungsbereiche können zu-künftig auch Gasturbinen an Bedeutunggewinnen. Eine andere potentielle Strom-erzeugungstechnologie der Zukunft mithohen Wirkungsgraden stellt die Brenn-stoffzellentechnik dar. Um eine möglichsthohe Ausnutzung der eingesetzten Bio-massen zu erreichen, wird die sogenannteKraft-Wärme-Kopplung angestrebt, bei dersowohl der erzeugte Strom als auch dieanfallende Wärme genutzt wird.

Neben der Wärme- und Stromerzeugungkann Biomasse auch zur Erzeugung von biogenen Kraftstoffen dienen. Bereitsheute werden Ethanol, Pflanzenöle oderdurch Umesterung von Pflanzenöl gewon-nener Biodiesel als Biokraftstoffe in Ver-brennungsmotoren eingesetzt. Auch überthermo-chemische Wege können Treib-stoffe aus Biomasse gewonnen werden.Das bei der thermo-chemischen Umwand-lung von Biomasse erzeugte Gas dient alsAusgangsstoff für eine anschließende Syn-these biogener Kraftstoffe. Diese synthe-tischen Biokraftstoffe werden als Biomass-to-Liquid-Kraftstoffe (BtL) bezeichnet.Vorteil dieser Verfahren ist die Nutzungder gesamten Pflanze für die Biokraftstoff-erzeugung und damit einer höheren Aus-nutzung der eingesetzten Biomasse imVergleich zu biologisch-chemischen bezie-hungsweise physikalischen Verfahren, beidenen nur der zucker- beziehungsweisestärkehaltige Anteil der Pflanzen genutztwird. Neben den flüssigen Kraftstoffen

können auch gasförmige Kraftstoffe wieBiomethan, auch Substitute Natural Gas(SNG) genannt, oder Wasserstoff aus Bio-masse erzeugt werden. Hierbei wird Bio-oder Vergasungsgas mittels geeigneterVerfahren zu entsprechenden Qualitätenaufbereitet.

3. Nutzung von Biomasse imhäuslichen Bereich

Der Einsatz von Biomasse zur Wärmeerzeu-gung in häuslichen Feuerstätten für festeBrennstoffe – beispielsweise in Stückholz-kesseln oder in Kaminöfen – hat wie ein-gangs bereits erwähnt viele Vorteile undträgt zum Erreichen der politischen Zielefür den Klimaschutz und zur Ressourcen-schonung bei. Diesen positiven Aspektenstehen erhöhte Emissionen von Produktenunvollständiger Verbrennung wie bei-spielsweise toxische organische Verbindun-gen, Geruchsstoffe und Feinstäube aus die-sen Feuerungen entgegen. Handbeschickteund relativ einfach aufgebaute kleineFeuerungsanlagen für stückige Holz-brennstoffe emittieren in vielen Betriebs-zuständen hohe bis sehr hohe Konzentra-tionen von Feinstäuben und organischenVerbindungen. Feinstäube und bestimmteorganische Verbindungen wie beispielswei-se Benzol und polyzyklische aromatischeKohlenwasserstoffe gefährden die Gesund-heit und können unter anderem die Ent-stehung von Atemwegs- oder Herz-Kreis-lauferkrankungen fördern.

Zur Erzeugung von Raum- und Prozess-wärme sowie zur Warmwassererwärmungbei Haushalten werden derzeit sowohl gas-förmige, flüssige als auch feste Brennstoffeeingesetzt. Hierbei wird neben Erdgas vorallem leichtes Heizöl in Feuerungsanlagenverbrannt. Feste Brennstoffe tragen nur zueinem vergleichsweise geringen Anteil zurEnergieversorgung in diesen Bereichen bei.Dieser lag im Jahr 2005 bei etwas wenigerals 10 Prozent. Aufgrund der aktuellenPreissteigerungen bei Erdgas und leichtemHeizöl sowie der Fördermechanismennimmt der Anteil von Biomassen aller-dings in der letzten Zeit merklich zu.

Bei einem Gesamtbestand von rund 34,5 Mil-lionen Feuerungsanlagen in Haushalten inDeutschland im Jahr 2005 stellen Feue-rungsanlagen für Brenngase und festeBrennstoffe mit 13,7 beziehungsweise 13,9Millionen Anlagen die beiden bedeutends-ten Anteile dar. Hierbei besteht der weit-

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aus überwiegende Teil der Feuerungs-anlagen für feste Brennstoffe aus hand-beschickten Hausbrandfeuerstätten, diebeispielsweise als Stückholzkessel, Kamin-öfen, Kachelöfen und Kamineinsätzeinstalliert sind. In diesen handbeschicktenFeuerstätten werden derzeit über 90 Pro-zent der festen Brennstoffe, die im Bereichder Haushalte genutzt werden, verfeuert.

Am Emissionsaufkommen sind die verschie-denen Energieträger allerdings sehr unter-schiedlich beteiligt. So tragen derzeit festeBrennstoffe trotz des relativ geringenAnteils am Endenergieverbrauch überwie-gend zum Emissionsaufkommen an Pro-dukten unvollständiger Verbrennung wieKohlenmonoxid, Kohlenwasserstoffe oderPartikel bei. Nach neuesten Berechnungenkönnen mit festen Brennstoffen betriebe-ne Feuerungsanlagen der Haushalte undKleinverbraucher als eine der Hauptquel-len für Kohlenmonoxid und Feinstaub imBereich dieser stationären Anlagen angese-hen werden. Die handbeschickten Feuer-stätten für feste Brennstoffe tragen über-wiegend zum Emissionsaufkommen vonKohlenmonoxid und Partikeln im Bereichder Haushalte bei.

Dies ist der Grund für intensive Forschungs-und Entwicklungsarbeiten zur weiterenVerbesserung des Emissionsverhaltensdieser kleinen und mittleren Feuerungs-anlagen. Niedrigere Emissionen von Pro-dukten unvollständiger Verbrennung undFeinstaub können beispielsweise durch dieOptimierung des Verbrennungsprozesseserreicht werden. Hiermit beschäftigt sichein aktuelles Forschungsvorhaben für Ein-zelraumfeuerstätten wie Kaminöfen oderKachelofen-Heizeinsätze, bei dem durcheine Verbesserung der Strömungs- undTemperaturverteilung niedrige Schadstoff-emissionen während der Chargenabbrändeerreicht werden sollen.

Auch durch den Einsatz von Sekundärmaß-nahmen wie Katalysatoren oder Staub-filter lassen sich die Schadstoffemissionenvon Biomassefeuerungen deutlich redu-zieren. Beispiel hierfür ist eine Katalysa-torentwicklung als Nach- oder Erstausrüs-tung für Kaminöfen, Kamineinsätze oderKachelofen-Heizeinsatz, die intensiv un-tersucht und deren Wirksamkeit bewertetwurde.

Weitere wichtige Arbeiten am Institut wur-den in Zusammenarbeit mit Herstellernfür Holzkessel im mittleren Leistungs-bereich durchgeführt. Hierbei wurde inmehrjährigen Untersuchungen dieGrundlage für den Einsatz eines Edelstahl-Gewebefilters zur weitestgehenden Ent-staubung der Abgase geschaffen. Mit der-artigen Filtersystemen sind sehr niedrigeStaubkonzentrationen im Reingas mög-lich, die nicht nur auf dem Prüfstand, son-dern auch im praktischen Betrieb der Feu-erungsanlagen sicher eingehalten werden.

Ein weiteres wichtiges Potenzial zur Minde-rung der Schadstoffemissionen liegt in derWeiterentwicklung der Sensortechnik undentsprechenden Regelalgorithmen zurKessel- und Verbrennungsregelung. Hier-zu laufen verschiedene Untersuchungenam Institut. So wurden beispielsweise un-terschiedliche Abgassensoren auf ihre Eig-nung zum Dauereinsatz in verschiedenenBiomassenfeuerungen während einermehrmonatigen Langzeitmessung aninstallierten Feuerungen untersucht.

Wichtige Grundlage zur Weiterentwicklungvon Kesselregelungen ist die genaueKenntnis über das Betriebsverhalten dieserAnlagen im praktischen Heizbetrieb. Dies ist oft nicht bekannt, da die Kessel inder Regel bei Entwicklungsarbeiten undbei der Kesselprüfung unter stationärenBedingungen betrieben werden. Damitsolche Untersuchungen durchgeführtwerden können, wurde am Institut einPrüfstand aufgebaut, mit dem realistischeWärmebedarfsprofile, wie sie beispielsweiseim täglichen Heizbetrieb in Haushaltenanzutreffen sind, abgebildet werden kön-nen. Hiermit sind dann realistische Unter-suchungen an Heizkesseln möglich, die

Lasermessungen zur Geschwindigkeits-verteilung in der Nachbrennkammereines Heizeinsatzes

Katalysatorlinse zum Einbau imAbgasweg (Bild: Institut für Energie-und Umwelttechnik e.V., Duisburg)

05

06

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Filterpatrone aus Edelstahl-Gewebe(Bild: Köb Holzheizsysteme GmbH,Wolfurt, Österreich)

Kaminofen ausgerüstet mit Sensor-technik

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Stärken und Schwächen derKesselregelungen aufzeigen.Laufende Untersuchungenbetreffen z. B. Vergleichs-messungen an Pelletkesselnaus unterschiedlichen Preis-segmenten.

4. Kombinierte Erzeu-gung von Wärme undKälte

Wie bereits erwähnt, wird beider energetischen Nutzungder Biomasse eine möglichsthohe Ausnutzung ange-

strebt. Neben der Kraft-Wärme-Kopplungkann auch die kombinierte Kälte- undWärmeerzeugung aus Biomasse zu hohenAusnutzungsgraden führen. Die kombi-nierte Kälte- und Wärmeerzeugung isteine ökologisch und wirtschaftlich interes-sante Alternative zur reinen Wärmeerzeu-gung aus Biomasse mit einer möglichenHeizwärmeerzeugung im Winter undeiner zusätzlichen Kälteerzeugung imSommer. Am Institut wird daher aktuellzusammen mit verschiedenen Firmen ander Kombination innovativer Verfahrenzur Wärme- und Kälteerzeugung ausBiomasse geforscht. Die neuartige auf dem Resorptionsprinzip basierende Ab-sorptionskälteanlage der Firma MakatecGmbH sowie der FLOX®-Brenner (FLOXist eine Abkürzung für flammenlose Oxi-dation) der Firma e-flox GmbH sind dieinnovativen Kernkomponenten der An-lage zur Kälte- und Wärmeerzeugung. Um neben der Erzeugung von Niedertem-peraturwärme auch eine Nutzkälteerzeu-gung im Sommer zu ermöglichen, wirdvon der Firma Ryll-Tech GmbH ein neu-artiger Kessel zur Wärmeübertragung vomRauchgas auf einen flüssigen Wärmeträgerbei erhöhten Temperaturen bis 140 °Centwickelt. Zudem soll der FLOX®-Bren-ner direkt in den Kessel integriert werden.Bisher gibt es weltweit keine verfügbareTechnologie zur Kälteerzeugung aus orga-nischen Reststoffen im Leistungsbereichunter 100 kW Kälteleistung. Für Groß-anlagen können Verbrennungsanlagen mitDampferzeugung in Kombination mit Ab-sorptionskälteanlagen eingesetzt werden.Im kleinen Leistungsbereich unter 20 kWKälteleistung werden derzeit einige Pro-jekte zur Entwicklung von Absorptions-systemen zur solaren Kühlung durch-

geführt. Zurzeit sind am Markt keineKälteanlagen erhältlich, die im Leistungs-spektrum unter 100 kW Kälteleistungdirekt mit biogenen Brennstoffen betrie-ben werden. Eine erfolgreiche Entwick-lung dieser kombinierten Kälte- undWärmeerzeugungsanlage im kleinenLeistungsbereich unter Nutzung biogenerReststoffe verspricht ein enormes CO2-Minderungspotential gegenüber erdgas-gefeuerten Absorptionskälteanlagen. Ein-satzmöglichkeiten für die kombinierteKälte- und Wärmeerzeugung gibt es imlandwirtschaftlichen und gewerblichenBereich, im Einzelhandelsbereich zurKühlung von Lebensmitteln sowie bei derGebäudeklimatisierung.

5. Entwicklung neuer Verfahrenzur Erzeugung von Wasserstoffund SNG aus Biomasse

Die Erzeugung hochwertiger Produktgasezur energetischen oder stofflichen Nut-zung heimischer Biomasse ist seit gerau-mer Zeit auf erhebliches Interesse ge-stoßen. Gründe hierfür sind die steigendenPreise für fossile Energieträger, vor allemErdöl und Erdgas, sowie die bestehendenAbhängigkeiten von politisch instabilenExportländern. Um mittelfristig auchquantitativ relevante Mengen an Gasenund Kraftstoffen erzeugen zu können, istdie thermo-chemische Vergasung der viel-versprechendste Weg.

Sorptionsgestützte Wirbelschichtvergasungs-verfahren, bei denen zur Beeinflussungder gewünschten Produktgasqualität ad-sorptive Bettmaterialien eingesetzt wer-den, stellen eine vielversprechende Alter-native zu den klassischen thermo-chemi-schen Gaserzeugungsverfahren dar. Damitist die Erzeugung sehr hochwertiger Pro-duktgase möglich. Das Institut erforschtund entwickelt zusammen mit dem Zent-rum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung ein neuartiges Gaserzeugungs-verfahren, den „Adsorption EnhancedReforming“-Prozess (AER), bei demKalziumoxid (CaO) als CO2-Adsorbensgenutzt wird.

Im Gegensatz zur konventionellen Wasser-dampfvergasung wird bei dem AER-Ver-fahren die Biomasse in Gegenwart vonKalziumoxid mit Wasserdampf vergast.Das Kalziumoxid adsorbiert zum einen dasentstehende CO2 und verschiebt dadurchdas Gleichgewicht der Wassergas-Shift-

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Brennkammer eines Pelletkessels

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Reaktion hin zum Wasser-stoff. Außerdem liefert dieAdsorption des CO2 dienotwendige Energie fürden endothermen Ver-gasungsprozess selbst, d. h. der Prozess kann imGegensatz zu anderen Ver-gasungsverfahren auto-therm ablaufen. Die Kar-bonatisierungsreaktion isteine Gleichgewichtsreak-tion und läuft bei atmo-sphärischen Drücken beieiner Temperatur von circa650 °C ab. Das bei der Re-aktion von CaO mit CO2

entstandene CaCO3 wird kontinuierlichaus dem Vergasungsreaktor entfernt undin einem zweiten Reaktor wiederum zuCaO regeneriert. Der aus dem Vergasermitgenommene Restkoks wird in derRegenerationsstufe zusammen mit Luftverbrannt, um die Temperatur des einge-brachten Materials auf die Kalzinierungs-temperatur von 850 bis 900 °C zu erhöhenund den Energiebedarf für die endothermeKalzinierungsreaktion bereitzustellen. Da-bei wird das CO2 ausgetrieben und es stehtwieder regeneriertes CaO für den Verga-sungsprozess zur Verfügung. Neben demVorteil eines autothermen Prozesses undeines nahezu vollständigen Umsatzes dereingesetzten Biomasse ermöglicht dieseintegrierte Prozessführung die Erzeugungeines Produktgases mit einer Wasserstoff-konzentration von mehr als 80 Prozentund gleichzeitig geringen Stickstoff- undCO2-Anteilen. Das Produktgas kann an-schließend durch entsprechende Aufberei-tungsschritte entweder weiter auf Wasser-stoff- und Erdgasqualität aufbereitet oder direkt zur Wärme- beziehungsweiseStromerzeugung genutzt werden. Einweiterer Vorteil der AER-Vergasung liegtin den niedrigen Teerkonzentrationen des Produktgases, was eine anschließendeNutzung beispielsweise in Gasmotorenerleichtert oder zusätzliche Reinigungs-stufen für die weitere Aufbereitung desProduktgases vermeidet. Durch das beidem AER-Verfahren verwendete Kalzium-oxid-Bett kann zudem eine größere Palettean biogenen Einsatzmaterialen verwendetwerden, da auch schwierige Brennstoffeverwertet werden können.

Für die experimentelle Untersuchung desAER-Verfahrens steht neben einer bereits

bestehenden elektrisch beheizten Wirbel-schichtversuchsanlage mit einer Brenn-stoffleistung von 20 kW nun auch einegekoppelte Wirbelschichtversuchsanlagemit 200 kW Leistung für die kontinuier-liche Erprobung des Verfahrens zur Ver-fügung. Mit Hilfe der Versuchsanlagenwerden sowohl optimale Anlagen- undProzessbedingungen für die gewünschteProduktgaszusammensetzung als auchnachgeschaltete Aufbereitungsschritte inZusammenarbeit mit anderen Forschungs-stellen untersucht. Ein weiterer Schwer-punkt der Arbeiten am Institut ist die Er-forschung der Teerbildungs- beziehungs-weise -abbaumechanismen bei der AER-Vergasung sowie die Erweiterung der mög-lichen Einsatzstoffe auf mineralreicheBiomasse wie beispielsweise Stroh oderLandschaftspflegematerial.

6. Optimierung von Biomasse-feuerungen durch Anwendungvon Simulationsmodellen

Rostfeuerungen sind die am häufigsten ein-gesetzten Feuerungstypen für Biomasse immittleren und größeren Leistungsbereich.Bei Rostfeuerungen sind die Ansprüche an die Größe und Feuchtigkeit der Einsatz-stoffe geringer und auch aschereiche Bio-massen können zum Einsatz kommen.Eine bewährte Methode zur Optimierungvon Feuerungsanlagen ist die CFD-Simu-lation, mit deren Hilfe Betriebsproblemebereits vorab identifiziert und die Aus-wirkungen von veränderten Betriebs- undAnlagenparametern auf den Anlagen-betrieb bewertet werden können.

Im Bereich von Großkraftwerken, die mitfossilen Brennstoffen befeuert werden,

0908

200 kW VersuchsanlageSchema des AER-Verfahrens

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werden dreidimensionale Simulations-modelle als Werkzeug zur Absicherung desDesigns und zur Optimierung schon seitgeraumer Zeit verwendet. Durch die Ver-wendung solcher Modelle besteht dieMöglichkeit, zuverlässige Bewertungender Feuerungstechnik vornehmen zu können, potentielle Probleme im Vorfeldzu erkennen und das Wissen über die Verbrennungs- und Schadstoffbildungs-vorgänge in der Feuerung und im Bereichder konvektiven Wärmeübertrager zu ver-tiefen. Ein solches Werkzeug ist das seitvielen Jahren am Institut kontinuierlichentwickelte und mit Messdaten aus Großkraftwerken umfangreich validierte Feuer-raumsimulationsprogramm AIOLOS. Die darin enthaltenen physikalisch-chemi-schen Reaktionsmodelle haben AIOLOSzu einem erprobten und verlässlichenWerkzeug zur Vorhersage der Leistungs-

fähigkeitindustriellerFeuerungs-technik wer-den lassen.AIOLOS ver-fügt unteranderemüber Modellezur Bewer-tung derSchadstoff-bildung, desAusbrandsund der Kor-rosionsgefahr

und kann dadurch zuverlässige Vorher-sagen für eine Vielzahl relevanter Frage-stellungen liefern.

Eine Übertragung des Modells auf die Ver-hältnisse von Rostfeuerungen für biogeneBrennstoffe setzt das Vorhandensein einerin vergleichbarer Güte verifizierten Mo-dellbeschreibung für die Verbrennungs-vorgänge auf dem Rost voraus. Zu diesemZweck wird am Institut ein Projekt in Zu-sammenarbeit mit einem Energieversorgerdurchgeführt, um die benötigten Datenfür die Modellierung der Rostfeuerung zuerhalten. Experimentell werden die Ver-gleichsdaten zur Brennstoffbewegung und-trocknung, zum Brennstoffabbrand undzu den feuerungstechnischen Randbedin-gungen ermittelt. Ziel dieses Projektes istes, durch die Entwicklung und Validierungeines Feuerraummodells zur simulations-gestützten Biomasse-Rostfeuerungsopti-

mierung die Voraussetzungen zu schaffen,um die aus Großfeuerungen bekanntenVorteile der Simulationstechnik auch fürdie Rostverbrennungsanlagen zu nutzen.

Die Modellentwicklung wird von umfang-reichen Experimenten im Versuchs- undGroßanlagenmaßstab unterstützt. Hierfürsteht eine institutseigene Rostfeuerungs-versuchsanlage zur Verfügung. Diese istmit einem horizontalen Vorschubrost fürdie Verbrennung von Holzhackschnitzelnund sonstigen Festbrennstoffen ausgerüs-tet. Die thermische Nennleistung beträgt240 kW. Über zahlreiche Messöffnungenim Bereich des Feuerraums und entlangdes Rauchgaswegs können Temperatur-und Gaskonzentrationsprofile mit hohemDetaillierungsgrad aufgezeichnet werden.Basierend auf diesen Daten wird dasModell der Rostfeuerung entwickelt.

Anhand einer industriellen Biomasse-verbrennungsanlage wird die Verlässlich-keit des entwickelten Modells erprobt.Hierzu werden ebenfalls Messdaten erho-ben, die wesentlich zur Verbesserung undValidierung des Simulationsmodells betra-gen. Dadurch wird eine deutliche Verbes-serung des Rostfeuerungsmodells erwar-tet, mit dem neben der Gesamtfeuerungs-situation in dieser Rostfeuerungsanlageauch Optimierungs- und Verbesserungs-maßnahmen bewertet werden können. Da das Modell auf allgemein gültigenGleichungen beruht, ist die Übertragungauf andere Anlagen möglich. Somit wirddurch die Arbeiten die Möglichkeit derBewertung und Optimierung von belie-bigen Rostfeuerungsanlagen erzielt. •

Günter Scheffknecht, Anja Schuster, Michael Struschka

10

Temperatur- und Sauerstoffverteilungim Feuerraum einer Rostfeuerung alsErgebnisse einer CFD-Simulation mitAIOLOS

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Prof. Dr. techn. Günter Scheffknechtstudierte Maschinenbau an der Technischen Universität Wien. Er arbeitete anschließend amInstitut für Technische Wärmelehre als Universitätsassistent und graduierte 1988 zum Doktorder Technischen Wissenschaften. Zwischen 1988 und 2004 war er in verschiedenen Funktionenbei der Firma ALSTOM in Stuttgart und zuletzt auch in Paris tätig. In den letzten acht Jahrenwar er für die Auslegung von Kraftwerks- und Industriedampferzeugern sowie der zugehörigenFeuerungsanlagen und für den Bereich Forschung und Entwicklung verantwortlich. Im Jahre2004 wurde Dr. Scheffknecht auf den Lehrstuhl „Thermische Kraftwerkstechnik“ der Universi-tät Stuttgart berufen und leitet seither das Institut für Verfahrenstechnik und DampfkesselwesenIVD, nunmehr Institut für Feuerungs- und Kraftwerkstechnik IFK. Die Forschungsschwer-punkte des IFK sind die effiziente und umweltfreundliche Verbrennung und Vergasung vonfossilen und biogenen Brennstoffen. Dabei steht neben der Bereitstellung der Gebrauchsenergie-formen Strom und Wärme zunehmend auch die Umwandlung in andere Energieträger wie zumBeispiel in Kraftstoffe im Zentrum der Forschungsaktivitäten. Prof. Scheffknecht hält Vorlesun-gen zu den Fachgebieten Verbrennung, Dampferzeugung und Energie- und Umwelttechnik. Erist Mitglied in mehreren einschlägigen Ausschüssen und Beiräten. Die technische und wissen-schaftliche Arbeit von Prof. Scheffknecht ist in rd. 170 Publikationen zusammengefasst.

Dipl.-Ing. Anja Schusterschloss ihr Verfahrenstechnik-Studium an der TU Bergakademie Freiberg im Jahre 2003 ab.Von 2004 bis 2006 arbeitete sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Verfah-renstechnik und Dampfkesselwesen IVD der Universität Stuttgart. Seit 2007 leitet sie dieAbteilung Dezentrale Energieumwandlung am Institut. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen u.a. auf dem Gebiet der Verbrennung und Vergasung von Biomasse zur Wärme- und Stromerzeu-gung im dezentralen Bereich.

Dr.-Ing. Michael Struschkaschloss sein Verfahrenstechnik-Studium an der Universität Stuttgart im Jahre 1984 ab. Von1985 bis zur Promotion 1992 arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut fürVerfahrenstechnik und Dampfkesselwesen IVD der Universität Stuttgart. Ab 1992 bis 2002war er mit seinem Ingenieurbüro selbstständig. Seit 2002 ist er wieder als wissenschaftlicherMitarbeiter am IVD tätig. Seine Forschungsschwerpunkte liegen u. a. auf dem Gebiet derBiomasseverbrennung, Messtechnik und Anlagenentwicklung im Bereich kleiner und mittlererFeuerungsanlagen.

KontaktUniversität Stuttgart, Institut für Feuerungs- und KraftwerkstechnikPfaffenwaldring 23, 70569 StuttgartTel. 0711/ 685-68913, Fax 0711/ 685-63491E-Mail: [email protected]: www.ifk.uni-stuttgart.de

DIE AUTOREN

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Heutige Module mit Solarzellen aus kristal-linem Silizium haben Wirkungsgrade um15 Prozent, die darin verschalteten Zellenerzielen in der industriellen Massenpro-duktion bei sehr guten Herstellern etwa 17 Prozent. Allerbeste und kleinflächige

(2 x 2 cm2) Laborzellen haben Wirkungs-grade bis ca. 25 Prozent. Solche Höchst-werte bei Laborzellen erfordern aber einenenormen technologischen Aufwand; groß-flächig und wirtschaftlich herstellbar inindustriellem Maßstab sind diese Zellen

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Solarzellen aus Silizium

Schr i t t f ü r Sch r i t t zu höheren Wi rkungsgraden und Er t rägen

Von allen Möglichkeiten, mit Erneuerbaren Energien Strom zu erzeu-

gen, hat die Photovoltaik das größte Potential. Theoretisch würden

allein die (gesamten) 3000 Quadratkilometer Dachflächen von

Deutschland ausreichen, um im Jahresmittel den gesamten deut-

schen Strom zu erzeugen – mit dem gegenwärtigen technischen

Stand der Photovoltaik. Natürlich ist dieses Bild optimistisch: Zum

einen können nicht die ganzen Dachflächen benutzt werden, weil

Dachfenster, Kamine und solarthermische Anlagen mit der Photo-

voltaik konkurrieren, und schließlich sind nicht alle Dächer optimal

unverschattet nach Süden orientiert. Dennoch, wenn auf die 800

Quadratkilometer günstig gelegenen Dachflächen ca. 100 GW Photo-

voltaikmodule aufgeständert würden, dann ließen sich (je nachdem,

wie die technische Entwicklung bei Speichern weitergeht), etwa 10

bis 20 Prozent des deutschen Stromes mit Photovoltaik bereitstellen.

Bei Verwendung von noch mehr Fläche wäre noch mehr möglich.

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nicht. Wenn der Photovoltaik-Strom inwenigen Jahren unter ca. 20 Cent pro Kilo-wattstunde kosten soll, dann wird mandieses Ziel nur erreichen, wenn i) man dieWirkungsgrade von großflächigen (15,6 x15,6 cm2) hergestellten Zellen auf etwa 20Prozent Wirkungsgrad steigert, ii) mandabei nur sehr kostengünstige, schnelleTechniken einsetzt, iii) diese Herstelltech-niken selbst nur wenig Energieeinsatz er-fordern, iv) die Zellen noch dünner wer-den (z. B. 150 statt 180 µm) und v) die Zel-len in sehr hohen Stückzahlen in einerhoch automatisierten Massenproduktionhergestellt werden können.

(01) zeigt eine typische blau schimmerndeIndustrie-Solarzelle mit den Silber-Kon-taktfingern auf der Vorder- und dem Alu-minium-Kontakt auf der Rückseite. Lichttritt auf der Vorderseite zwischen den me-tallfreien Stellen in die Zelle ein. Die Anti-reflexschicht aus Siliciumnitrid (Si3N4),welche die Zelle blau erscheinen lässt, undeine zusätzliche Oberflächenrauhigkeit,

die „Textur“, sorgen für einen möglichsthohen Lichteinfang. Die durch Photonenerzeugten Elektronen/Loch-Paare trennensich im elektrischen Feld der Raum-ladungszone zwischen dem n-Typ „Emit-ter“ und der p–Typ „Basis“, also am pn-Übergang der Silizium-Diode. Die Elektro-nen laufen in Richtung Vorderseite, dieLöcher in Richtung Rückseite; ein Teil derLadungsträger rekombiniert leider undgeht so verloren. Die Rekombinations-geschwindigkeit verringert sich mit einerverbesserten Oberflächen-Passivierung derSolarzelle und natürlich mit der Qualitätdes Siliziums und seiner Dotierung.

Das Institut für Physikalische Elektronik derUniversität Stuttgart (ipe), das jahrelangeines der weltweit führenden Institute imBereich der Dünnfilmphotovoltaik („zwei-te Generation Photovoltaik“) war, hat voretwa drei Jahren damit begonnen, spezielleTechnologien und Konzepte für solche in-dustriellen Solarzellen aus kristallinemSilizium („erste Generation Photovoltaik“)

The direct conversion of solar energy into electricity, i.e. photovoltaics, offers the highest potential of providing electrical energy among the various renew-able energy sources. Nowadays photovoltaic modules with crystalline silicon solar cells present power conversion efficiencies of 15 percent, small high-effi-ciency cells in the research laboratory reach up to 25 percent. For delivering electrical energy from photovoltaics below 20 cent/kWh, the solar cell efficien-cies must rise. At the same time, low-cost and fast manufacturing methods with low energy consumption are needed, and the wafer thickness must furthershrink. Targeting those challenges, the Institut für Physikalische Elektronik (ipe) develops technologies and concepts of advanced industrial solar cells.Improvements and cost savings arise from integrating thin film as well as laser technologies with the actual manufacturing methods based on screen printing.

SUM MARY

01

02

Mutikristalline Solarzelle mit einer Kantenlänge von 15,6Zentimetern. Die unterschiedliche blaue Farbe ist eine Folgeunterschiedlicher Dicke der ca. 80 Nanometer dicken Silizi-umnitrid-Frontseitenpassivierung, die je nach Oberflächen-orientierung der Kristallite etwas unterschiedlich dickwächst. Das Kontaktgitter wird mit Hilfe von Siebdruck-techniken aufgebracht.

Aufbau einer Solarzelle aus kristallinem Silizium. DieRaumladungszone zwischen dem n-Typ und p-Typ Siliziumist entscheidend für die Trennung der durch das eingestrahlteSonnenlicht erzeugten Ladungsträgerpaare. Blaue Strahlungwird direkt unter der Oberfläche der Zelle absorbiert, rotesLicht dringt tief in die Zelle ein und muss an der Rückseitemöglichst noch einmal zurück in die Zelle gespiegelt werden.Zur Herstellung des pn-Übergangs dienst üblicherweiseeine Eindiffusion von Phosphor in einem Ofen; im Gegensatzdazu verwendet das ipe einen Laserprozess.

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zu entwickeln. Die Stärke des Institutesliegt darin, dass Konzepte der Dünn-schichttechniken (Abscheiden aus derGasphase oder Vakuum), die bisher der„zweiten Generation“ Photovoltaik vor-behalten waren, auf die „erste Generation“angewandt werden. Jedenfalls erscheint esmöglich, die 20 Prozent Wirkungsgrad fürgroßflächige (15,6 x 15,6 cm2) Zellen tat-sächlich zu erreichen. Zusätzlich arbeitetdas Institut auch an Konzepten der „dritten Generation“, d. h. an Versuchen,mit Hilfe der Photonik die Wirkungsgradenoch weiter zu steigern. Vielleicht ent-steht so aus der Kombination von Tech-niken verschiedener „Generationen“ inZukunft eine Photovoltaik „erster Klasse“industrieller Zellen. Neben der Forschungan neuen Zelltechnologien arbeitet das ipeauch an der Vermessung von ganzen So-larmodulen und Photovoltaikanlagen.

1. Laserdotieren: 0,4 Prozentmehr Wirkungsgrad

(02) zeigt den prinzipiellen Aufbau vonSolarzellen aus kristallinem Silizium. Beider konventionellen industriellen Herstel-lung von Solarzellen aus einkristallinemund multikristallinem Silizium erzeugtein Hochtemperaturschritt den Solar-zellen„emitter“, der den für die Funk-tionsweise der Solarzelle entscheidenden„pn-Übergang“ darstellt. Dieser wird inden allermeisten Fällen durch Eindiffun-

dieren von Phosphor in die mit Bor p-Typdotierte Siliziumiziumscheibe, die „Basis“,hergestellt. Der Diffusionsprozess findet ineinem Diffusionsofen über eine typischeZeit von 30 Minuten bei einer typischenTemperatur von 900 °C statt. Der Prozessist deshalb energie- und zeitaufwändig.

(03) zeigt, wie das ipe den pn-Übergang miteinem gepulsten Laser herstellt, anstatteinen Ofenprozess zu verwenden. Hier-zu wird auf die Oberfläche einer Silizium-scheibe, zunächst eine hauchdünne Phos-phorschicht aufgebracht. Anschließendheizt ein circa eine Milliardstel Sekundekurzer Laserpuls die Siliziumschicht in einer Tiefe von weniger als einem Mil-lionstel Meter auf über 2000 °C auf; derRest der Siliziumscheibe bleibt kalt. DerPhosphor an der Oberfläche mischt sichmit dem bei dieser Temperatur flüssigenSilizium und wird dann in Sekunden-bruchteilen in das kristallisierende Sili-zium eingebaut. Für die Qualität derSolarzelle ist es entscheidend, dass derLaser nur auf einen etwa fünf Mikrometerbreiten (aber einige Zentimeter langen)Streifen fokussiert ist; nur so gelingt dieHerstellung des pn-Übergangs in dempatentierten Verfahren völlig defektfrei.Der entscheidende Herstellungsprozess derSolarzelle dauert an jeder Stelle der Solar-zelle nur etwa 0,1 Mikrosekunden. DerLaser wird deshalb Schuss für Schuss imzeitlichen Abstand von weniger als einerzehntausendstel Sekunde über die Ober-fläche der Siliziumscheibe gerastert. Durchdie beschleunigte Entwicklung neuerLasertypen ist es möglich, neue Halbleiter-prozesse auch für Großflächen-Elektronikwirtschaftlich zu gestalten. So ist es mög-lich, auch große Solarzellenflächen in sehrkurzer Zeit zu bearbeiten. Der industrie-taugliche Prozess eignet sich besonders für in Zukunft immer dünner werdendeSolarzellen.

Mit dieser ipe-Technologie hergestellte, kleinflächige Solarzellen liefern bisher Wir-kungsgrade von bis zu 19 Prozent. In Zu-sammenarbeit mit verschiedenen Laser-,Optik-, Automatisierungs- und Solar-firmen arbeitet das ipe jetzt an der Indus-trialisierung des Prozesses, der die Her-stellkosten von Solarzellen weiter senkenwird.

03

Herstellung eines pn-Übergangs mitHilfe des Lasers. An den Stellen, andenen später die streifenförmigenFrontkontakte (siehe (01)) aufge-bracht werden, sorgt der Laser alsFolge der Prozessführung für einebesonders hohe Dotierung („selektiverEmitter“) und verringert so denKontaktwiderstand zwischen denMetallkontakten und dem Halbleiter,was zu einer Erhöhung desWirkungsgrades führt. Bei industriel-len Solarzellen erzielt das ipe auf dieseWeise bis zu 18 ProzentWirkungsgrad.

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Viel wichtiger als dieser Weltrekordwir-kungsgrad für Solarzellen, deren pn-Über-gang überall mit dem Laser hergestellt ist,ist die Erzeugung eines so genannten„selektiven“ Emitters. Hierbei dient derLaser „nur“ dazu, um unter den metalli-schen Kontaktfingern an der Vorderseiteder Solarzelle besonders viel Phosphor ein-zudiffundieren. Dabei wird der elektrischeKontaktwiderstand verbessert und dieVerluste, die bei der Ableitung des Solar-zellenstroms entstehen, reduziert. DasKonzept des „selektiven Emitters“ ist zwarbereits seit über 20 Jahren bekannt, jedochverhinderten seither teure und kompli-zierte Herstellungsschritte eine industriel-le Umsetzung. Basierend auf dem Laser-dotierprozess hat das ipe jetzt ein einfachesVerfahren entwickelt, das in einer konven-tionellen Solarzellenherstellung mit nureinem zusätzlichen Prozessschritt eineselektive Emitterstruktur erzeugt undgleichzeitig alle vorausgehenden undnachfolgenden Prozessschritte beibehält.Hierbei nutzt der Laserdotierprozess einedünne Phosphor-haltige Schicht auf derSolarzellenoberfläche, welche ohnehinautomatisch in einem vorangegangenenFertigungsschritt entsteht. Weil der Laser-strahl exakt auf jede beliebige Stelle derSolarzelle gezielt eingestrahlt werdenkann, können wir auch nur dort Phosphoreindiffundieren, wo er benötigt wird,nämlich genau unter den Kontaktfingern.Zwischen den Kontaktfingern soll dieDotierung niedrig sein, um die Lebens-dauer der durch das Licht erzeugten La-dungsträger nicht durch die sogenannte,dotierungsabhängige „Auger“-Rekombi-nation zu verringern. In Zusammenarbeitmit einem Solarzellenhersteller ist es unsgelungen, allein mit dem Konzept des „se-lektiven Emitters“ den Wirkungsgrad vonindustriellen Solarzellen um über 0,4 Pro-zent von 17,5 auf 18 Prozent zu steigern.

2. Andere Rückseite: 0,8 Prozent mehr Wirkungsgrad

Wie in (02) und der linken Seite von (04)

gezeigt, weisen konventionelle industrielleSolarzellen eine vollflächig siebgedruckteund gefeuerte Aluminium-Rückseite (Al)auf. Dieser Rückkontakt weist zwei signi-fikante Nachteile auf. i) Die Reflexion fürnoch nicht im Silizium absorbierte Strah-lung ist schlecht, was einen Stromverlustnach sich zieht. ii) Die Passivierqualität

(das heißt die Absättigung der offenenGitterbindungen an der Silizium-Ober-fläche) ist mangelhaft, was sich in Span-nungsverlusten durch Rekombinationbemerkbar macht. Beide Faktoren limitie-ren den Wirkungsgrad der Solarzelle.

Wir haben die industrielleAl-Rückseite durch eine sogenannte „Hetero“-Rück-seite ersetzt, die an derSchichtstruktur im Bilderkennbar ist. Die neu-artige Rückseite basiert aufeinem Schichtsystem ausundotiertem (intrinsi-schen) amorphem (i) a-Siund hochdotierten mikro-kristallinem (p+) µc-SiSilizium. Dabei ist die (i) a-Si Schicht für die Absättigung derSilizum-Oberflächenbindungen verant-wortlich, was im Gegensatz zur industriel-len Al-Rückseite eine Erhöhung der Span-nung bedeutet. Die (p+) µc-Si Schichtwirkt als elektrischer Spiegel, der dieLadungsträger von der rekombinations-behafteten Rückseite abhält. Analog dazufungiert die ZnO-Schicht als optischerSpiegel, der im Gegensatz zur Industrie-rückseite höhere Zellströme liefert. Einaufgedampfter Al-Rückkontakt komplet-tiert die neuartige Rückseite. Darüberhinaus basiert das gesamte Schichtsystemauf Niedertemperaturprozessen, die denindustriellen Hochtemperatur-Feuer-schritt umgehen. Somit verbessert dasoptimierte Rückseitenkonzept die beidenoben angeführten Schwachstellen einesindustriellen Rückkontakts.

Ausgangspunkt für die Rückseitenoptimie-rung ist eine auf monokristallinem Silizi-um basierende industriell prozessierte So-larzelle mit einer standardmäßig siebge-druckten und gefeuerten Al-Rückseite, dieeinen Wirkungsgrad von 16,6 Prozent auf-weist. Der Austausch des industriellenRückkontakts durch die optimierte He-terorückseite ermöglicht aufgrund vonSpannungs- und Stromgewinnen eineabsolute Wirkungsgradsteigerung von+0,8 Prozent. Die Ergebnisse zeigen, dassbereits vergleichsweise einfache Zellopti-mierungen den Wirkungsgrad von heutekäuflich zu erwerbenden Siliziumsolar-zellen deutlich verbessern können, waswiederum einen finanziellen Gewinn in Millionenhöhe für das jeweilige Solar-unternehmen bedeutet.

Die Solarzelle auf der linken Seite hateinen ganzflächigen Rückseitenkontaktaus (siebgedrucktem) Aluminium. DerRückseitenkontakt auf der rechten Seitesteigert den Wirkungsgrad um bis zu0,8 Prozent. Die Schichtfolge sorgtnicht nur dafür, dass rotes und infraro-tes Licht (siehe (02)) von der Rück-seite besser in die Zelle hinein zurück-gespiegelt (und dann absorbiert) wird,sondern auch für eine verbesserteLebensdauer der durch das Licht an-geregten Elektron/Lochpaare. Aufdiese Weise steigt der Wirkungsgradder Zelle.

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3. Verbesserte Frontgitter: 0,4 Prozent mehr Wirkungsgrad

Auch in der Optimierung der gitterartigenFingerstruktur auf der Vorderseite stecktnoch viel Potential: Je größer die Zahl undje breiter die Finger auf der Vorderseitesind, umso geringer ist der Widerstand imKontaktgitter, umso geringer sind also dieelektrischen Verluste. Die breiten Finger mithoher Zahl erhöhen aber auch die Ab-schattung und treiben deswegen die opti-schen Verluste nach oben. Das optimale

Kontaktgitter beruht deshalb auf einemKompromiss zwischen elektrischen undoptischen Verlusten. Auch hier hat das ipe eine neue, bisher übersehene Optimie-rungsmöglichkeit gefunden.

(05) zeigt in einem Höhenlinienbild, wie der Wirkungsgrad der Solarzellen von derBreite und Anzahl der Finger abhängt.Konventionelle Zellen haben mit etwa 60im Siebdruck aufgebrachten Fingern vonetwa 120 µm Breite und einer Höhe von 25 µm einen (guten) Wirkungsgrad um 17 Prozent. (05) demonstriert, dass 90 Fin-ger mit einer Breite von 70 µm und einerHöhe 20 µm Wirkungsgrade von über 17,6 Prozent zuließen; der derzeitige Standder Siebdruck-Technik lässt die Produk-tion solcher Frontkontakte aber nochnicht zu. Mit der Siebdruck-Technik undmit Fingerbreiten von 110 µm können wiraber immerhin schon aus einer 17,2 Pro-zent-Solarzelle allein schon durch ein ver-

ändertes Design des Frontgitters eine 17,4 Prozent-Solarzelle herstellen.

Die Zukunft liegt in einer „Feinlinienmetal-lisierung“ mit einer zusätzlichen galvani-schen Abscheidung auf den vorhandenenFingern. Damit wäre zwar ein zusätzlicherSchritt in der Industrieproduktion nötig;aber bei einem zu erwartenden Wirkungs-gradgewinn von absoluten 0,4 Prozent istdies sicherlich ein lohnender Schritt. InKooperation mit einer Firma findet derzeitder Aufbau einer Silber-Galvanisierungs-anlage am ipe statt.

4. Photonik erspart teureSolarzellenflächen

Die konventionelle Photovoltaik „bedecktdie Welt mit Silizium“, d. h. sie versucht,die Solarzellen dorthin zu stellen, wo dasLicht hinkommt. Man kann auch umge-kehrt vorgehen: das Licht dorthin zu len-ken, wo die Solarzellen sind. Eine solcheVorgehensweise ist möglich, wenn mandas Licht mit Spiegeln oder durch Linsenablenkt; solche Systeme sind aber leider zu teuer. Einen Ausweg bieten möglicher-weise Fluoreszenzkollektoren (FluKos). Solche FluKos konzentrieren einfallendesLicht durch Streuung. Da sie Licht ausallen Richtungen einsammeln, eignen siesich für ein konzentrierendes photovoltai-sches System, das nicht nachgeführt werdenmuss.

FluKos bestehen aus Acrylglasplatten, diemit Fluoreszenzfarbstoffen angereichertsind. Wie in (06) gezeigt, absorbieren dieseFarbstoffe einfallende Strahlung einesEnergiebereichs und emittieren Photonenin einem anderen Energiebereich. Dasspektrale Absorptions- und Emissionsver-halten ist charakteristisch für das verwen-dete Material und bestimmt dessen Farbe.

Die Strahlungsemission eines jeden Farb-stoffmoleküls erfolgt gestreut in alle Rich-tungen. Das führt dazu, dass die emittier-ten Strahlen in unterschiedlichen Winkelnauf die FluKo-Oberfläche fallen. Acrylglasist optisch dichter als die umgebende Luftund reflektiert daher wie eine Wasserober-fläche ab einem bestimmten, material-abhängigen Winkel die einfallende Strah-lung. Dadurch leitet der FluKo Licht zuseinen Seitenflächen. Wenn nun unterdem FluKo Solarzellen liegen, erreichenPhotonen durch die Lichtleitung dieseSolarzellen, auch wenn die Photonenursprünglich gar nicht direkt über der

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Konventionelle mit Siebdruck her-gestellte Kontaktgitter haben Finger-breiten von ca. 110 µm, d.h. 0,01 cm.Ausgehend von dieser Fingerbreite beieiner Zelle mit 70 Kontaktfingern undeinem Wirkungsgrad von 17,4 Prozent,lässt sich der Wirkungsgrad alleindurch Verwendung von mehr (aberschmaleren) Fingern bis auf 17,6 Pro-zent steigern. In Kombination mit demLaserdotieren aus (03) und demRückseitenkontakt von (04) kommenso Wirkungsgradverbesserungen von etwa zwei Prozent (absolut) selbst beiindustriellen Solarzellen zustande.

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Solarzelle auf den FluKo trafen. Durch dieLichteinsammlung mit Hilfe des Flukosbesteht die Möglichkeit, Solarzellen zuverkleinern und mit einem Abstand zuein-ander unter dem Kollektor zu verteilen.Auf diese Weise spart man Solarzellenflä-che ein, denn die gesamte Solarzellenflä-che ist kleiner als die beleuchtete FluKo-Fläche. Die im FluKo stattfindende Streu-ung konzentriert die einfallende Sonnen-strahlung, so dass sie auf den Zellen landetund zur Stromerzeugung beiträgt.

Wie im linken Teil von (06) zu sehen, ver-liert der konventionelle Kollektor leiderden Teil der emittierten Strahlen, der un-ter einem kleineren Winkel als dem derTotalreflexion auf die FluKo-Oberflächetrifft. Den Ausweg bietet hier eine energie-selektive photonische Struktur (EPS). Sietransmittiert Strahlung, die der FluKo ab-sorbiert, reflektiert jedoch alle Strahlung,die der FluKo emittiert. Diese Reflexionerfolgt unabhängig von der Einstrahlrich-tung der Photonen. So verbleiben auchStrahlen im FluKo, die die Totalreflexionnicht im Kollektor hält. Die EPS erhöht indiesem System also die Photonensamm-lung und damit die Stromerzeugung.

Fluoreszenzkollektoren haben gegenübergeometrisch konzentrierenden Systemenden großen Vorteil, dass sie Sonnenstrah-lung unabhängig von der Einstrahlrich-tung absorbieren. Sie müssen der Sonnealso nicht nachgeführt werden und kon-zentrieren direktes ebenso wie diffusesLicht. Die zurzeit verwendeten EPS ent-sprechen einem dielektrischen Spiegel.Das bedeutet, dass durch eine definierteAbfolge Multi-Schichten verschiedenerMaterialien mit Dicken im Nanometer-bereich aufeinander aufgebracht werden.Der Aufbau der Schichtstruktur hat eineVariation des Brechungsindexes zur Folge,die die Transmission und Reflexion derEPS bestimmt und sie dem Emissions-verhalten des FluKos anpasst.

Die als EPS verwendeten dielektrischenSpiegel weisen allerdings die Brechungs-indexvariation nur in einer Richtung auf.Auf diese Richtung, also auf senkrechtenEinfall der Sonneneinstrahlung sind dannTransmission und Reflexion angepasst,während für alle anderen Richtungen dietransmittierten und reflektierten Energie-bereiche vom Optimum abweichen. Damitbraucht ein photovoltaisches System mitFluoreszenzkollektor und dielektrischemSpiegel als EPS zur optimalen Photonen-

einsammlung eine teure Nachführung.Außerdem reflektiert die EPS nicht allevon innen auf die FluKo-Oberfläche fal-lenden Strahlen im optimalen Bereichund damit verschlechtert sich die Licht-leitung im FluKo.

Deswegen arbeitet die Forschung an so ge-nannten dreidimensionalen photonischenKristallen. Die Konzepte zur Herstellungbasieren auf der Brechungsindexvariationin allen drei Raumrichtungen. Das ist z. B.durch die Schichtung von Kugeln inNanometergröße möglich. So kommenauch Opale zu ihrem vielfarbigen Schim-mern. Eine andere Lösung besteht imkreuzweisen Stapeln von nanometerdün-nen Stäben, wodurch quaderförmige Zwi-schenräume entstehen, die in allen dreiRaumrichtungen den Brechungsindexgleichermaßen variieren. Auf ganz ähn-liche Weise kommt der Pfauenschwanz zuseinen schimmernden Augen.

5. Solarmodule zum Leuchtenbringen

(07) zeigt ein sogenanntes „Lumineszenz-bild“ eines Solarmoduls. Jede der Zellenim Modul hat eine Kantenlänge von circa16 Zentimetern. Am schnellsten kannman heute ein Solarzelle oder sogar einsolches Photovoltaik-Modul charakterisie-ren, indem man eine externe Spannunganlegt und so das Modul wie eine Leucht-diode zum Leuchten bringt, man sprichtvon „Elektrolumineszenz“. Die Strahlungaus der Solarzelle misst man einfach miteiner im infraroten Bereich hochempfind-lichen Digitalkamera. Der Vorteil dieserMethode liegt zum Einen in ihrer hohenOrtsauflösung bei gleichzeitig sehr gerin-gen Messzeiten im Minuten- bis Sekun-denbereich und zum Anderem im hohenInformationsgehalt der Elektrolumines-zenzbilder.

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Fluoreszenzkollektoren erlauben es,teure Solarzellenfläche einzusparenund das Licht dennoch auf die Solar-zellen zu lenken. Der Kollektor absor-biert Strahlung bei einer Energie E1

und emittiert sie bei einer niedrigerenEnergie E2. Zwischen den Solarzellenauf der Rückseite sind Spiegel an-gebracht. Die photonische Struktur aufder Vorderseite lässt die einfallendeStrahlung mit der Energie E1 durch,aber reflektiert die Strahlung derEnergie E2. Auf diese Weise ist dasLicht in der Anordnung regelrecht„eingesperrt“, bis es schließlich ineiner der Solarzellen absorbiert wird.

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Die Leistungsfähigkeit einerSolarzelle ist direkt propor-tional zu ihrer Leistungs-fähigkeit als LED (light emit-ting diode, Leuchtdiode).Eine Solarzelle, die als LEDbetrieben viel Strahlungabgibt, produziert unterBestrahlung mit geeignetemSpektrum eine hohe elektri-sche Leistung. Die Solarzellewird bei der Elektrolumines-zenzmessung als LED betrei-

ben, das heißt, die Solarzelle ist in Durch-lassrichtung geschaltet. Auf Grund strah-lender Rekombination der injiziertenÜberschussladungsträger emittiert die So-larzelle Strahlung im infraroten Spektral-bereich, für den das Auge unempfindlichist. Deshalb wird diese Strahlung mit einerim Infraroten empfindlichen, Peltier-gekühlten Silicium CCD-Kamera „abfoto-grafiert“. Durch Auslesen der Kamerada-ten (Intensität der Strahlung pro Kamera-Pixel) entsteht so ein ortsaufgelöstes Bildder Elektrolumineszenz der Solarzelle.Faktoren, die die strahlende Rekombina-tion und damit die photovoltaische Leis-tungsfähigkeit der Zelle bestimmen, sind z. B. Oberflächendefekte, Kurzschlüsseund Kristallfehler in der Zelle. Stellen mitsolchen Defekten erscheinen im Elektro-lumineszenzbild dunkler.

Die Intensität der Elektrolumineszenz aneinem bestimmten Punkt hängt neben derMaterialqualität von der lokalen Span-nung ab, die in diesem Punkt der Zelle an-liegt. Deswegen enthält ein Elektrolumi-neszenzbild immer auch die Informationüber die Spannungsverluste, die über Zu-leitungswiderstände verloren gehen, da bei der Elektrolumineszenzmessung dieLadungsträger auf dem selben elektrischenWeg in die Solarzelle eingebracht, wie sieim Solarzellenbetrieb auch im Modul aufdem Dach vom Verbraucher abgezogenwerden. Ursachen für hohe Zuleitungs-widerstände sind z. B. ein schlechtes De-sign der Frontgitter, Fingerunterbrechun-gen oder im Modul schlecht verschalteteSolarzellen.

(07) mit den unterschiedlich grauen, qua-dratischen Solarzellen zeigt eine Elektro-lumineszenzaufnahme eines multikristal-linen Silizium Solarmoduls der FirmaSolarWorld bei einem angelegten Stromvon 7,5 A. Der Schwarz/Weiß-Kontraststellt die Intensität der Strahlung dar, wo-

bei Weiß eine hohe Strahlungsintensitätbedeutet. Je heller eine Zelle leuchtet, des-to besser kann die durch den eingeprägtenStrom induzierte Strahlung die Zelle ver-lassen. Das bedeutet im Umkehrschluss,dass an diesen Stellen die von der Sonnegenerierten Ladungsträger gut (ohne vor-her zu rekombinieren) zu den Kontaktengelangen können. Der Wirkungsgrad derSolarzelle ist dort also besonders hoch. DieUrsachen für dunkle Stellen sind entwe-der eine schlechte Qualität des Solarzel-lenmaterials selber oder aber die anliegen-de Spannung ist durch den Spannungs-abfall über einen hohen Zuleitungswider-stand verringert. Gegenstand aktuellerForschung am ipe ist es, zwischen diesenbeiden Möglichkeiten zu unterscheidenund die dadurch entstehenden Verlustequantitativ zu ermitteln.

6. Welche Technologie bringt ammeisten?

(08) zeigt Photovoltaikanlagen, die das ipeseit dem Jahr 2006 an drei unterschied-lichen Standorten betreibt: Stuttgart(Deutschland), Nikosia (Zypern) undKairo (Ägypten). Hierbei geht es darum,den Ertrag der jeweils dreizehn verschie-denen Photovoltaikanlagen unter ver-schiedenen klimatischen Bedingungen zuerforschen.

Die untersuchten Technologien basieren aufmono- und multikristallinen Solarzellenaus Silizium (c-Si), aber auch auf Dünn-schichttechnologien aus amorphemSilizium (a-Si), Kupfer-Indium-Gallium-Diselenid (CIGS) und Cadmium-Tellurid(CdTe). Ziel ist die Ermittlung der optima-len Photovoltaik-Technologie für einenStandort und deren Verhalten physikalischzu erklären. Die Homepage www.ipe.uni-stuttgart.de/pvsystem zeigt die aktuellen Mess-werte aller untersuchten Photovoltaik-anlagen.

Alle aufgebauten Photovoltaik-Anlagenhaben jeweils eine ungefähre Leistung voneinem Kilowatt (kW) und sind für den je-weiligen Standort im optimalen Winkelzur Sonne ausgerichtet. Ein bei allen An-lagen identischer Wechselrichter speist dieerzeugte Solarenergie in das öffentlicheStromnetz ein. Das dreigeteilte Bild zeigtdie Solaranlagen an den drei Standorten.In Nikosia arbeitet das ipe mit der Photo-voltaic Technology Group des Department ofElectrical and Computer Engineering (ECE) der

Elektrolumineszenzaufnahme einesSolarmoduls. Jede einzelne Zelle ist15,6 x 15,6 cm2 groß; sie enthältjeweils zwei breite (horizontale)Streifen, die die Kontaktfinger (siehe(01)) miteinander verbinden. Andiesen Stellen kann keine Strahlungaus den Zellen herauskommen, deshalberscheinen die Streifen dunkel. HelleStellen bedeuten eine gute Qualität derSolarzellen. Die anderen dunklen Stel-len in den Zellen entstehen folglichdurch elektronische Defekte. SolcheBilder enthalten daher Informationenüber die elektrische und optische Qua-lität der Zellen.

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University of Cyprus zusammen. In Kairo er-folgt die Zusammenarbeit mit der GermanUniversity in Cairo (GUC), für welche dieUniversitäten Stuttgart und Ulm Paten-hochschulen sind.

In einem durchschnittlichen Sonnenjahr er-zeugen die Solaranlagen in Stuttgart etwa1000 kWh elektrische Energie pro Jahr undinstalliertem Kilowatt. Dieser Wert ent-spricht ungefähr dem jährlichen Strom-verbrauch einer Person, wobei die c-SiTechnologien ca. 7 bis 9 m2 Dachfläche füreine Leistung von 1 kW benötigen. DieDünnschichtanlagen benötigen für diegleiche elektrische Leistung aufgrund ihresgeringeren Wirkungsgrades 9 bis 18 m2

Dachfläche, erzielen aber dann auf dergrößeren Fläche auch wieder etwa 1000kWh pro Jahr. Bezüglich des Energieertra-ges (kWh/kW) ist der Unterschied zwi-schen den verschiedenen Photovoltaik-Technologien also nicht sehr groß!

Obwohl die höheren Temperaturen in Zy-pern den Wirkungsgrad der Solarmoduleetwas senken, sind die Energieerträge auf-grund der deutlich längeren Sonnenstun-den um circa 64 Prozent höher als inStuttgart. Zwischen den verschiedenenTechnologien ergeben sich maximale Un-terschiede von 15 Prozent im jährlichenEnergieertrag, welche aber zu einem gro-ßen Teil durch die Toleranzen bei derNennleistungsbestimmung (nach demTypenschild) verursacht sind.

Die Untersuchungen in Ägypten ergaben,dass der Sandstaub die Leistung der Solar-anlagen um bis zu 35 Prozent innerhalbeines Jahres beeinträchtigt. Das ThemaReinigung spielt nahe der Wüste eine gro-ße Rolle, wohingegen in Stuttgart der Re-gen die Module ausreichend reinigt.

Neben den feststehenden PV-Anlagen unter-sucht das ipe auch den Energiegewinndurch eine zweiachsige Sonnennachfüh-rung (Tracker) an den verschiedenenStandorten. Hier ergeben sich Energie-

gewinnevon rund30 Prozentgegenüberfeststehen-den Modu-len.

Für privateoder kom-merzielleBetreibervon Solar-anlagensind natür-lich dieEnergie-erträge inBezug zur(nach demTypen-schild!)bezahltenNennleis-tung nachden relativgrobenTypen-schild-angabenausschlag-gebend. Im Fokus der wissenschaftlichen Unter-suchungen steht deshalb die exaktereBestimmung der tatsächlichen Nenn-leistung, sowie das Temperatur- undSchwachlichtverhalten der Solarmodule.Ziel ist es, aus diesen Werten per Simula-tion den Jahresenergieertrag im Voraus zubestimmen und somit die optimale Photo-voltaik Technologie für einen bestimmtenOrt auswählen zu können. •

Christian Ehling, Anke Helbig, Jürgen Köhler, Liv Prönneke,

Markus Schubert, Jürgen H. Werner, Renate Zapf-Gottwick,

Heinz-Georg Zäpfle-Tann, Bastian Zinßer

Jeweils dreizehn verschiedene Photo-voltaikanlagen in Stuttgart (oben),Nikosia (Mitte) und Kairo (unten)dienen dazu, den Jahresenergieertagder unterschiedlichen Technologien fürSolarmodule (kristallines Silizium,amorphes Silizium, Cu(In,Ga)Se2 undCdTe unter verschiedenen klimatischenBedingen zu erforschen. Je nach Mate-rial findet man Unterschiede in derAbhängigkeit der Wirkungsgrade vonTemperatur und Beleuchtungsstärke.

Die direkte Umwandlung von Sonnenlicht in elektrische Energie, die Photovoltaik, bietet das größte Potential zur Bereitstellung elektrischer Energie ausErneuerbaren Energien. Heute erhältliche Photovoltaikmodule mit Solarzellen aus kristallinem Silizium erreichen Wirkungsgrade um 15 Prozent, kleineHochleistungszellen im Labor bis circa 25 Prozent. Um Photovoltaik-Strom in wenigen Jahren unter 20 cent/kWh anbieten zu können, müssen die Wir-kungsgrade weiter steigen; dazu werden kostengünstige, schnelle Herstellungstechnologien mit niedrigem Energieaufwand und noch dünnere Siliziumwafereingesetzt. Hierfür entwickelt das Institut für Physikalische Elektronik (ipe) Technologien und Konzepte fortgeschrittener industrieller Solarzellen.Verbesserungen und Einsparungen ergeben sich dabei aus der Integration von Verfahren der Dünnschicht- und Lasertechnologie mit der heute aktuellenSiebdrucktechnik.

ZUSAM M ENFASSUNG

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Dipl.-Ing. Christian Ehlingstudierte bis Ende 2006 an der Universität Stuttgart

Elektrotechnik und Informationstechnik. SeineDiplomarbeit über „Charakterisierung von laser-induzierten Defekten in kristallinem Silizium“absolvierte er am Institut für Physikalische Elek-tronik (ipe). Seitdem promoviert er zum Thema„Heterorückkontakte für industrielle Siliziumsolar-zellen“.

Dipl.-Nat. Anke Helbigbeendete Anfang 2006 ihr Studium Angewandte

Naturwissenschaft an der TU Bergakademie Frei-berg mit ihrer Diplomarbeit zur „Prozessinduzier-ten Defektanalyse von Solarzellen mittels Mikro-wellen-detektierter Photoleitfähigkeit.“ Seit 2007promoviert sie am ipe zum Thema „QuantitativeAuswertung von Elektrolumineszenzbildern“.

Dr.-Ing. Jürgen Köhlerstudierte Physik an den Universitäten Tübingen und

Stuttgart. Seit 1984 arbeitet er als wissenschaft-licher Mitarbeiter am ipe; er promovierte im Jahr1996 zu „Vorionisation von Excimer-Lasergasenmit Hilfe der stillen Entladung“. Seit 1997 leiteter die Gruppe „Laserprozesse“ am ipe.

Dipl.-Phys. Liv Prönnekestudierte Physikalische Technologien an der TU

Clausthal, wo sie im Frühjahr 2006 mit einerDiplomarbeit zum Thema „Implementierung einesLaserschreibaufbaus zur Herstellung von Wellen-leiterstrukturen“ abschloss. Seit Juni 2006 promo-viert sie am ipe zum Thema „Lumineszenzkollek-toren für Solarzellen aus Silizium“.

Dr.-Ing. Markus Schubertstudierte Elektrotechnik an der Universität Stuttgart

und promovierte im Jahr 1992 am ipe zum Thema„Ramanstreuung an amorphem Silizium und ver-wandten Halbleitern“. Er leitet seit 1996 dieGruppe „Sensorik“ am ipe und ist gleichzeitigstellvertretender Leiter des ipe.

Prof. Dr. Dr. habil. Jürgen H. Wernerstudierte Physik an der Universität Tübingen, pro-

movierte 1983 zum Thema „Korngrenzen in Sili-zium“ am Max-Planck-Institut für Festkörper-forschung in Stuttgart, verbrachte zwei Jahre in den USA, habilitierte sich im Jahr 1992 an der TU München zum Thema „Halbleitergrenz-flächen“ und leitet seit 1996 das ipe.

Dr. Renate Zapf-Gottwickstudierte Physik an der TH Darmstadt Physik und

promovierte dort zum Thema „Herstellung undCharakterisierung von Kohlenstoff-Mikrostruktu-ren“. Nach einer Kinderpause arbeitete sie amMax-Planck-Institut für Festkörperforschung anInGaAs-Nanotubes und GaAs-Quantenpunkten.Seit 2007 leitet sie die Gruppe „Siebdruck“ amipe.

Dipl.-Chem. Heinz-Georg Zäpfle-Tannstudierte Chemie und Elektrotechnik an der

FH Weihenstephan und der TU München, wo er im Jahr 2008 zum Thema „WasserbasierteC2H5OH-Dotierung von Klärschlamm-Dunkel-zellen“ diplomierte. Seit Mitte 2009 promoviert er am ipe zum Thema „Optimierter Verbrauch vonfluiden Rothschild-Phasen in der Programm-Qualität von Solar-Modellen“.

Dipl.-Ing. Bastian Zinßerstudierte an der Universität Stuttgart Elektro- und

Informationstechnik. Seine Diplomarbeit über„Netzgekoppelte Photovoltaik-Anlagen“ schloss er2005 am ipe ab. Seitdem promoviert er am ipezum Thema „Jahresenergieerträge unterschied-licher Photovoltaik-Technologien bei verschiedenenklimatischen Bedingungen.“

DIE AUTOREN

KontaktInstitut für Physikalische ElektronikPfaffenwaldring 47, 70569 StuttgartTel. 0711/ 685-67141Fax 0711/ 685-67143E-Mail: [email protected]: http://www.ipe.uni-stuttgart.de/

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Die technologische Umsetzung gelang da-mals nicht, weil die geeignete Material-und Werkstoffbasis nicht vorhanden war.Während Batterien schon lange in denMassenmärkten präsent sind, nähern sichBrennstoffzellen erst in der heutigen Zeitder breiten Markteinführung. Die hohenKosten, die sich teilweise auf die teurenMaterialien zurückführen lassen, sind

noch ein Hindernis für eine umwelt-freundlichere Energiewandlung mittelsBrennstoffzellen. Es ist daher entschei-dend für den Erfolg dieser Technologie,dass innovative Zellenkonzepte undoptimierte Prozesse für hohe Leistungs-fähigkeit der Brennstoffzellen gefundenwerden, um damit den Materialeinsatz zureduzieren.

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Effizienzsteigerung mit BrennstoffzellenElekt rochemische Energ iewandlung und -speicherung

Seit einigen Jahren spüren wir alle verstärkt,

dass die Ressource Energie knapper wird

und die Auswirkungen des menschlichen

Energieverbrauchs immer stärkeren Einfluss

auf unser Leben haben. Die Veränderung des

Klimas, aber auch das Verschwinden der

natürlichen und unbelasteten Areale, zwingen

die stark wachsende menschliche Gemein-

schaft, nach neuen Energiewandlungslösun-

gen zu suchen. Da unsere technisierte Welt

auf die Verfügbarkeit von Energie angewie-

sen ist, wird die Suche nach energieeffizien-

teren Technologien und die Entwicklung

neuer, von fossilen Energieträgern unabhän-

giger, Technologien immer dringender.

Schon der berühmte Chemiker Wilhelm Ost-

wald hatte um 1900 die Vision („kein Rauch,

kein Ruß“), die umweltschädlichen Verbren-

nungsprozesse durch die direkte elektro-

chemische Energiewandlung mittels Brenn-

stoffzellen zu ersetzen.

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B R E N NSTOFFZ E LLE N 67

1. Elektrischer Antrieb

Laut IPCC (Intergovernmental Panel onClimate Change) ist der Verkehr für etwazwölf Prozent der weltweiten CO2-Emis-sionen verantwortlich, die von über 900Millionen Fahrzeugen auf den Straßen derWelt stammen. Experten gehen davon aus,dass sich diese Zahl in weniger als 30 Jah-ren verdoppeln wird. Für die weltweiteEntwicklung spielt das Automobil – obPkw oder Nutzfahrzeug – eine ernormwichtige Rolle. Es gibt mittlerweile einenbreiten Konsens, dass der Antriebsstrangfür Automobile in der Zukunft elektrischsein wird. Batteriefahrzeuge wären bezüg-lich des Energieverbrauchs grundsätzlichdie effizienteste Lösung. Jedoch zeigen Be-

wertungen der Technologie und des Infra-strukturaufwands für Strom und Wasser-stoff aus der Automobilindustrie (z. B. vonDaimler), dass Wasserstoff in Brennstoff-zellenfahrzeugen bereits mittelfristig,sicherlich aber langfristig, exzellente Per-spektiven hat. Der Kostenaufwand für denAufbau eine Wasserstoffinfrastruktur wirdähnlich wie der für den Aufbau einerflächendeckenden Ladeinfrastruktur gese-hen. Diese Bewertung berücksichtigt dabeitechnische Parameter (wie z. B. Energie-dichten und Wirkungsgrade), Umwelt-aspekte, Infrastrukturaspekte (Stromnetzund Wasserstoffinfrastruktur) sowie dieAnforderungen der Kunden an die Fahr-leistungen der Fahrzeuge. (01) zeigt eineBewertung von Well-to-Wheel-Studien

Electrochemical energy conversion and storage are key technologies for a environmentally friendly energy supply and for securing a future individualmobility. However, to realize this potential an extension of renewable energies is of paramount importance. The development and research activities forfuture technology improvements are described shortly. Hybrid power plants combining high-temperature fuel cells with gas turbines promise very highelectrical efficiency for distributed energy supply and cogeneration of power and heat. The development of a control strategy and the qualification ofSOFC at elevated pressures is a prerequisite for the operation of the plant being researched at DLR and the University of Stuttgart. In addition, compactcell concepts based on cassette arrangement are being developed. The reliable and durable operation of fuel cells requires diagnostic methods which are afurther priority topic. Segmented bipolar plates have been developed to provide a detailed view into the distribution of current densities and temperatures.The civil aircraft application requires a multifunctional approach where all by-products of fuel cells are used, namely the electrical energy, the reactionwater generated for cabin use and the exhaust gases for inerting purposes of the jet fuel tank. First demonstrators have been developed and are beingtested. One important testing platform realized in 2009 is the motor glider Antares DLR-H2, the first piloted aircraft capable of starting with only fuelcell power. The research also comprises the characterization of elementary processes like the conductivity of fuel cell membranes on the nanometer scale.Different membranes have been successfully investigated and their understanding is being used for improvements.

SUM MARY

01

Vergleichende Gesamtenergiebilanz fürPKWs – Well-to-Wheel-Analyse aufBasis von Eucar / Concawe „Well-to-Wheels Report 2004“

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von drei europäischen Forschungsinstitu-tionen Concawe (Forschungsinstitut derÖlindustrie), EUCAR (European Councilfor Automotive R & D) und JRC (JointResearch Center der EU). Die Elektro-fahrzeuge auf Basis von Batterie oderBrennstoffzellen besitzen schon das Poten-zial einer deutlichen Primärenergieeinspa-rung selbst wenn der Wasserstoff aus fos-silen Quellen oder der Strom aus dem jet-zigen EU-Strommix stammt. Das vollePotenzial für Umweltverträglichkeit kannallerdings erst mit der Gewinnung vonWasserstoff oder Strom aus erneuerbarenQuellen (z. B. Wind oder Sonnenenergie)ausgeschöpft werden.

Das DLR entwickelt zwei Brennstoffzellen-technologien: die oxidkeramische Brenn-stoffzelle in planarer Konfiguration bei 800 °C und die Polymer-Elektrolyt-Brenn-stoffzelle für Temperaturen bis max. 130 °C. Die Anwendungsbereiche dieserTechnologien können folgendermaßenzusammengefasst werden:

SOFC (750 bis 950 °C, Kohlenwasserstoffe/Luft)

• stromerzeugende Heizgeräte• Kleinkraftwerke• dezentrale Anlagen der Kraft-Wärme-

Kopplung (auch Prozesswärmeerzeugung)• Bordstromversorgung in Personen-Kraft-

wagen und Last-Kraftwagen• Kombi-Kraftwerke mit Brennstoffzelle

und Gas- bzw. Dampfturbine (Hybrid-kraftwerk)

für die PEFC

• Batteriesubstitute z. B. fürKommunikationsgeräte

• tragbare Stromerzeuger• Hausenergieversorgung

• dezentrale Anlagen der Kraft-Wärme-Kopplung

• Bordenergieversorgung von Flugzeugen• Antrieb von Bussen• Antrieb von Personen-Kraftwagen• Unterseeboote, bemannte Raumfahrt

Prinzip Brennstoffzelle

Brennstoffzellensysteme erzeugen elek-trische Energie und Nutzwärme unmit-telbar aus Brenngasen, während Batte-rien die elektrische Energie aus ihrenAktivmassen beziehen. Brennstoffzel-len können je nach Typ mit Wasserstoff(H2) oder Synthesegas aus Kohlenwas-serstoffen unter Bildung von Wasser,CO2 und der Erzeugung von Gleich-strom und Wärme betrieben werden.Wasserstoffreiches Synthesegas kann inso genannten „Fuel-Prozessoren“ (Re-former, partielle Oxidation oder Kom-binationen und Gasreinigung) ausheute gebräuchlichen Energieträgernwie z. B. Erdgas/Erdöl, oder aus regene-rativen Energieträgern wie z. B. Bio-masse erzeugt werden, und schließlichkann reiner Wasserstoff (H2), der auchsolar erzeugt werden kann, eingesetztwerden.

Wasserstoff oder Synthesegas wird in dereigentlichen Brennstoffzelle jeweils anporösen Gasdiffusionselektroden, dievoneinander durch einen Elektrolytengetrennt sind, umgesetzt. Entspre-chend der Art des Elektrolyten unter-scheidet man alkalische (AFC = Alca-

line Fuel Cell), Polymerelektrolyt(PEFC), phosphorsaure (PAFC =Phosphoric Acid Fuel Cell), Karbonat-schmelze (MCFC = Molten CarbonateFuel Cell) und oxidkeramische Brenn-stoffzellen (SOFC = Solid Oxide FuelCell). Als weitere Variante kommt dieDirekt-Methanol-Brennstoffzelle(DMFC) hinzu, bei der eine wässrigeMethanollösung in einer PEFC-ähn-lichen Zelle umgesetzt wird.

Die wichtigsten Vorteile der Brennstoff-zellentechnik sind:

• Hohe Wirkungsgrade der Elektrizitäts-erzeugung, die vor allem bei relativkleinen Anlagen mit Leistungen vonwenigen Kilowatt bis mehreren Mega-watt diejenigen der konventionellenEnergiewandlungstechniken überstei-gen können

• Auch bei Teillast hoher Wirkungsgrad• Geringe Emissionen von NOx, CO und

CH4

• Sauberes Abgas/Abwasser• Geräuscharmut und Vibrationsfreiheit• Schnelle Dynamik der elektrischen

Ausgangsleistung

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2. Hybridkraftwerke

Eine zukunftsweisende und zudem finan-zierbare Stromerzeugung unter den aktu-ellen Rahmenbedingungen erfordert dieEntwicklung von hocheffizienten Energie-Technologien und Anlagenkonzepten, mitdenen der elektrische Wirkungsgrad vonfossil befeuerten Kraftwerken erhöht undder Schadstoffausstoß zugleich minimiertwerden kann. Ein mögliches Anlagen-konzept, welches diese Forderung erfüllt,ist das Hybridkraftwerk. Hierbei wird eineGasturbine mit einer Hochtemperatur-brennstoffzelle (SOFC) gekoppelt, waslangfristig den höchsten erreichbarenelektrischen Wirkungsgrad bei der Strom-produktion verspricht. Zur Umsetzungeines solchen Kraftwerkes kooperieren dieDLR-Institute für Verbrennungstechnikund Technische Thermodynamik sowiedas Institut für Luftfahrtantriebe der Uni-versität Stuttgart. Hybridkraftwerke aufBasis Bennstoffzellen ermöglichen ähn-liche oder höhere elektrische Wirkungs-grade wie GuD-Kraftwerke (kombinierteGas- und Dampfkraftkraftwerke) schonbei kleinen dezentralen Anlagen im Be-reich von Kilowatt bis Megawatt underlauben dabei die Nutzung der Wärme.

(02) zeigt folgenden Kreislauf: Der Kom-pressor der Gasturbine verdichtet die Luftauf ungefähr 4 bar, dabei erwärmt sichgleichzeitig die Luft. Diese erwärmte,komprimierte Luft wird dann im Rekupe-rator weiter aufgeheizt und steht danndem Brennstoffzellensystem als Katho-denluft zur Verfügung. Auf der Brenn-stoffseite wird das Brenngas ebenfalls aufca. 4 bar verdichtet. Das Hybridkraftwerkerfordert daher die Qualifizierung vonSOFC bei erhöhtem Druck. Hierfür wurde2009 der in (03) gezeigte Teststand in Be-trieb genommen, der es ermöglicht, pla-nare SOFC Zellen und Stapel detailliert zuuntersuchen. Damit können die Einflüssedes erhöhten Drucks auf die Elektro-chemie in den Elektroden genau unter-sucht werden. Die Analyse der Zellenwährend des Druckbetriebs mittels Impe-danzspektroskopie ermöglicht es, auch die internen Modelle exakt zu validieren.Damit können in Zusammenhang mitden Modellen der Systemkomponentengenaue Vorhersagen für den Betrieb desSOFC Systems im Kraftwerksverbundgetroffen werden. Die Gasanalyse am Ein-und Ausgang der Zellen erlaubt darüber

hinaus, Aussagen über den Betriebszu-stand der Zellen zu treffen und liefertweitere Validierungsdaten für Zell- undSystemmodelle. Der Teststand verfügtüber eine sehr exakte Druckregelung mitder die Druckdifferenzen zwischen denReaktionsräumen sowie zwischen Zelleund Umgebung auf bis zu 10 mbar genaugeregelt werden können. Mit dieser ge-nauen Druckregelung ist es möglich,SOFC bei Drücken von bis zu 8 bar zu be-treiben. Mit diesem Teststand sind auchdie Rahmenbedingungen geschaffen,Stacks bei Bedingungen zu betreiben, wiesie später im Kraftwerk auch auftretenwerden, wie Druckschwankungen undLastwechsel.

Zeitgleich wird am Institut für Verbren-nungstechnik das Gasturbinensubsystemdetailliert untersucht. Der Fokus der For-schung liegt hier auf dem Verhalten derGasturbine bei höheren Druckverlustenim System, die im Kraftwerk von derBrennstoffzellenseite ausgelöst werden,sowie auf dem Zusammenspiel der Brenn-kammer und der Turbine mit dem Abgasder Brennstoffzelle. Hierfür wurde eineTurbec Gasturbine vom Typ T100 instal-liert und instrumentiert und mit einemSOFC Simulator gekoppelt. Damit ist der Forschungsverbund in der Lage, alleKomponenten des Systems genau zuuntersuchen und zu verstehen, wo sichProbleme im Kraftwerk ergeben können.

Schema der Hybrid-Kraftwerk-Konfiguration

02

03

Neuer Prüfstand für druckaufgelade-nen Betrieb von Hochtemperaturbrenn-stoffzellen

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3. Festelektrolyt-Brennstoffzelle(SOFC)

Die planare Festelektrolyt-Brennstoffzelle(SOFC) des DLR-Stuttgart sieht dünn-schichtige Elektrolyt- und Elektroden-schichten vor, die mit Hilfe des Plasma-spritzverfahrens auf porösen metallischenTrägersubstraten aufgebaut werden. Diese Tragfunktion wird durch eine porösemetallische Struktur auf der Anodenseite(die negative Elektrode) ausgeübt, diegleichzeitig für eine gleichförmige Brenn-gaszuführung zu sorgen hat. Die Gesamt-dicke der Membran-Elektrodeneinheit(MEA) beträgt dabei lediglich circa 100–150 µm. Diese Dünnschichtbauweiseermöglicht eine Verringerung der Verlustein der Zelle, ein Absenken der Betriebs-temperatur auf 650–750 °C und weist auchVorteile bei Thermo- und Redoxzyklie-rung der Zelle auf.

Auf Grund der hohen thermischen Belas-tungen, die sowohl bei der Zellherstellungals auch während des Zellbetriebs auf-treten, werden an das metallische Träger-substrat hohe Anforderungen gestellt. Alsrein metallische SOFC-Komponente musses neben einem porösen gasdurchlässigenGefüge für die anodenseitige Brenngas-versorgung eine hohe elektrische Leit-fähigkeit, eine an den Elektrolyten an-gepasste thermische Ausdehnung und vorallem eine adäquate chemische Stabilitätin feuchten, kohlenstoffhaltigen Brenn-gasatmosphären aufweisen.

Die nach dem DLR-Spritzkonzept herge-stellten plasmagespritzten Zellen zeigenein hohes Potenzial für stabilen Betrieb beizyklischer Betriebsweise. Sowohl währendder Durchführung von thermischen Zyk-len (schnelle Aufheizung bzw. Abküh-lung) als auch durch chemische Oxidationund anschließende Reduktion der Elektro-den wird nur eine geringe Degradationbeobachtet. Während des stationärenLangzeitbetriebs von Zellen wird eineDegradation von etwa ein bis zwei Prozentpro 1000 Stunden festgestellt.

Die Arbeiten konzentrieren sich dabei auchauf die Integration der Zellen in den sogenannten Kassettenverbund. Eine Kasset-te besteht aus einer Unter- und Ober-schale, in die die Zelle mittels Löt- oderSchweißprozessen integriert wird. Um diedurch den mobilen Betrieb aufgezwunge-nen Randbedingungen, wie z. B. Einbau-lage, verfügbarer Raum, geringe Aufheiz-zeiten, mechanische Belastbarkeit undKostenziele darstellen zu können, bedarfes der Weiterentwicklung des Kassetten-designs. Das Ziel ist ein industrialisierbarerMSC-Stackbau mit optimierter Prozess-folge und ggf. Ersatz vorhandener Füge-und Kontaktierkonzepte.

4. Hochtemperatur-PEFC-Brennstoffzellen

Für die Markteinführung von Brennstoff-zellenfahrzeugen und stationären Syste-men ist eine Erhöhung der Betriebstempe-ratur der Brennstoffzelle aus Systemsichtsehr vorteilhaft. Das DLR entwickelt dazusogenannte „Hochtemperatur“-PEFC-Brennstoffzellen für einen Betriebstempe-raturbereich von –30 °C bis 130 °C. DieMinimaltemperatur ist beim Kaltstart imWinter gefordert, während die Maximal-temperaturen im Sommer bei hohen Tem-peraturen und hohen Lasten auftreten,wie beispielsweise bei einer starken Stei-gung der Strasse. Die Vorteile eines er-weiterten Temperaturbereiches sind dabeieine reduzierte Kühlerfläche und redu-zierte Hilfsenergie-Leistung für Kühler-lüfter des Fahrzeugs, ein vereinfachtesKaltstartmanagement und eine Vereinfa-chung des Systemaufbaus. Diese Aspektekönnen insgesamt zu einer deutlichenReduktion der Systemkosten beitragen.Die technologischen Herausforderungenfür die Erweiterung der Betriebstempera-turen liegen in der Verringerung der

Kassetten-Design für OxidkeramischeBrennstoffzellen

04

05

Querschnitt einer DLR metallgestütz-ten SOFC-Zelle

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Wasser-Kondensatempfindlichkeit undSelbststartfähigkeit bei Raumtemperatur,der Erhöhung der Dauerhaltbarkeit derMembran (des Protonenleiters). Dazukommt die Entwicklung von Brennstoff-zellensystemen, die in der Lage sind,Hochtemperatur-PEFC Brennstoffzellenim automobilen Fahrzyklus oder in derstationären Anwendung mit hohem Wir-kungsgrad und ausreichender Dynamikstabil zu betreiben. Hierzu ist die Entwick-lung neuartiger Systeme und Betriebs-strategien, die die erforderlichen Betriebs-bedingungen für den Hochtemperatur-Brennstoffstapel erfüllen, erforderlich.Zellen konnten bereits mit Temperaturenbis 130 °C mit niedriger relativer Feuchteder Gase betrieben werden.

Um ein Brennstoffzellensystem optimal undzuverlässig unter extremen Temperaturenbetreiben zu können ist es notwendig, dasseine geeignete Steuerung und Sensorikzur Verfügung steht. Für diese Aufgabenhat das DLR „segmentierte Messzellen“(die Platten, die die Zellen verbinden, sinddabei in viele Segmente unterteilt undkönnen unabhängig voneinander vermes-sen werden) zur Messung von lokalenStrömen entwickelt. Mit dieser Messzellelässt sich auch lokal die Temperaturvertei-lung bestimmen und zusätzlich könnennoch andere wichtige Daten (wie derWechselstromwiderstand der Zellen) auf-genommen werden. Aus diesen ortsauf-gelösten Messungen können dann Scha-densfrüherkennungen und Alterungs-

vorgänge ermittelt werden. Um die Schä-den gering zu halten, ist es außerordent-lich wichtig, die Schadensursache zu ken-nen und zu verstehen und eine vorzeitigeSchädigung (Degradation) der Brennstoff-zelle zu verhindern. (06) zeigt beispiel-haft eine homogene, d.h. gleichmäßige,und eine ungleichmäßi-ge Verteilung der Strom-dichte über die aktiveFläche des Brennstoff-zellen-Stapels. Einegleichmäßige Verteilungist dabei immer vorteil-haft. Das gleiche Prinzipwurde erstmalig vomDLR auch auf die oxid-keramische Hochtem-peraturbrennstoffzelleangewandt und auf dielokale Bestimmung derGaszusammensetzungerweitert.

5. Brennstoffzellenfür die Luftfahrt

Auf dem Gebiet der Poly-mer-Brennstoffzelle istdas DLR führend fürSysteme in der Luftfahrt.Hier dient die Brenn-stoffzelle als so genannteAuxiliary Power Unit,die Bordstrom zur Verfü-gung stellt, um die

06

Multifunktionales Brennstoffzellensystem für die Luftfahrt

07

Stromdichteverteilung einer Polymer-Brennstoffzelle in technischer Größe(220 Quadratzentimeter) mit DLRsegmentierten Sensorplatinen: Links isteine homogene Stromdichteverteilung;rechts eine inhomogene Stromdichte-verteilung zu sehen.

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Triebwerkezu startenund die elek-trische Ver-sorgung amBoden zu ge-währleisten.Dabei reichtallerdings dieelektrischeEnergie-bereitstel-lung auswirtschaft-lichen Ge-sichtspunk-ten nicht ausund es wirdein Systembenötigt undentwickelt,das alle Pro-

dukte und Vorteile der Brennstoffzelleausnutzt. Das Produktwasser, das bei derelektrochemischen Reaktion entsteht,kann für die Kabinensysteme (z. B. Toilet-ten und Klimaanlage) verwendet werdenund verringert die beim Start mitzuneh-mende Wassermenge. Auch das Kathoden-Abgas kann genutzt werden: Die Abgasluftist sauerstoffabgereichert und damit ideal,um die Entflammbarkeit des Kerosinge-misches im Tank herabzusetzen (Kerosin-inertisierung). Die Vermeidung einer mög-lichen Entflammbarkeit ist eine neue Flug-sicherheitsrichtlinie. Um diese Vorteile zunutzen, wird ein maßgeschneidertes Sys-tem benötigt, an dem das DLR bereitsarbeitet. Die elektrische Energie wirdzusätzlich sowohl für den Betrieb derKlimaanlage wie auch für die Steuerungdes Flugzeugs im Notfall bei Verlust aller

Triebwerkebenötigt.Außerdemwird dieMöglichkeituntersucht,einen emis-sionslosenAntrieb mit-tels Bugradam Flug-hafen fürden Betrieb

am Boden einzusetzen. Diese Multifunk-tionalitätsanforderungen sind für die Luft-fahrtanwendung entscheidend und rangie-

ren in ihrer Bedeutung vor der reinenEffizienz.

Als kostengünstige Test-Plattform wurdevom DLR 2009 das erste bemannte undausschließlich mit Brennstoffzellen an-getriebene Flugzeug Antares DLR-H2 ent-wickelt (08). Als Wasserstoff angetriebe-nes Flugzeug ist es völlig CO2-frei undwesentlich geräuschärmer als andere ver-gleichbare Flugzeuge. Die Antares DLR-H2ist eine Kooperation des Instituts für Tech-nische Thermodynamik mit den Projekt-partnern Lange Aviation (Motorsegler),BASF Fuel Cells und Serenergy (Däne-mark) und basiert auf dem kommerziellenMotorsegler Antares 20E. Um sowohl dieBrennstoffzelle als auch den zum Betriebder Brennstoffzelle notwendigen Wasser-stoff an Bord zu bringen, wurden zweizusätzliche Außenlastbehälter unter denextra verstärkten Flügeln angebracht. Da diese abnehmbaren und flexibel aus-tauschbaren Container jeweils bis zu 100 kgzusätzliches Gewicht mit sich bringen,musste eine aeroelastische Neuauslegungder Flügel vorgenommen werden, damitdie Stabilität des Flugzeugs nicht beein-trächtigt wird. Durch Optimierungsarbei-ten des DLR-Instituts für Aeroelastik kannnun bei einer Geschwindigkeit von bis zu300 km/h ein flatterfreier Flug des AntaresDLR-H2 gewährleistet werden. Dergegenwärtige Antrieb erlaubt eine Höchst-geschwindigkeit von ca. 170 km/h. Vorkurzem konnte ein Höhenrekord desAntares mit einer Höhe über 2520 m überdem Boden realisiert werden.

6. Elementare Prozesse

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Verbes-serung und Untersuchung der Kompo-nenten auf kleinster Skala, auf der die ele-mentaren Prozesse stattfinden. So kanndie ionische Leitfähigkeit der Membranvon Brennstoffzellen durch eine neu ent-wickelte Messmethode auf einer Längevon nur wenigen Millardstel Meter ab-gebildet werden. Dazu benutzt man einsogenanntes Rasterkraftmikroskop, dasmit einer leitfähigen platinbeschichtetenfein zulaufenden Messspitze ausgerüstetist. Das Messprinzip ist in (09) dargestellt:zur Messung wird eine nur einseitig miteiner Elektrode beschichtete Elektrolyt-Membran verwendet. Die Elektrode be-steht aus einer Mischung von Platinkataly-satorteilchen und die Membran liegt zur

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08

09

Testplattform Antares DLR-H2 imFlug

Prinzipbild eines Rasterkraftmikro-skops zur Untersuchung der mikro-skopischen Leitfähigkeit von Polymer-membranen

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Kontaktierung auf einem Platinblech auf.Auf der unbeschichteten oberen Memb-ranseite dient die Spitze als „Nanoelektro-de“ (1 Nanometer = 0,000000001 Meter).Beim Anlegen einer genügend großenSpannung fließen die Ionen durch diePolymer-Elektrolyt-Membran zur anderenSeite. Dieser Strom durch die Membrankann nur fließen, wenn eine Ionen leiten-de Verbindung zur anderen Membranseiteexistiert. Dort ist zunächst keine Elektrodevorhanden, an der die Protonen wiederreagieren können. Erst wenn die Spitze alsElektrode diesen Bereich kontaktiert, kanndie Leitfähigkeit gemessen und abgebildetwerden. Eine solche Reaktion kann nurdann stattfinden, wenn sich die Spitze aufeinem wasserliebenden ionenleitfähigenBereich der Oberfläche befindet. Die Abbil-dung zeigt rechts die ionische Leitfähigkeitund links die Topographie des gleichenOberflächenbereichs.

Die Eigenschaften der Nafionmembranhängen von der Luftfeuchtigkeit ab. Bei 48 Prozent Luftfeuchtigkeit sieht dieStromverteilung sehr inhomogen aus, esgibt sehr große Bereiche, in denen keinStrom fließt und andere Bereiche, in de-nen eine Vielzahl von kleinen und auchgrößeren leitfähigen Flächen zu erkennenist. Diese leitfähigen Bereiche oder Kanälesind Stellen, an denen das Ionen (Proto-nen) leitfähige Netzwerk an die Membran-oberfläche tritt und eine Protonenleitungdurch die Membran stattfinden kann.Somit kann man mit dieser Methode auchauf kleinster Größenskala die Gleich-mäßigkeit des Stromes in der Brennstoff-zelle verbessern.

Viele der Arbeiten finden in Kooperationenmit Partnern aus Industrie und Forschungstatt. Bei der Entwicklung der SOFC wer-den die Beiträge unserer Partner – PlanseeSE, Sulzer Metco und ElringKlinger –

Elektrochemische Energiewandlung und -speicherung sind Schlüsseltechnologien für eine effiziente, klimaverträgliche Energiebereitstellung, insbesonderefür die Sicherstellung einer zukünftigen individuellen Mobilität. Die Ausschöpfung des Effizienzpotentials ist von der breiten Anwendung ErneuerbarerEnergien abhängig. Für die breite Markteinführung sind weitere Forschungs- und Entwicklungsfortschritte bei Brennstoffzellen und Batterietechnologiennotwendig, die hier kurz beschrieben werden. Ein Hybridkraftwerk mittels Kopplung von Hochtemperaturbrennstoffzelle (SOFC) mit Gasturbine ermög-licht sehr hohe elektrische Wirkungsgrade von dezentralen kleinen Anlagen und erlaubt eine Wärmenutzung. Neue Regelungskonzepte und der druck-aufgeladene Betrieb von SOFC werden am DLR und der Universität Stuttgart erforscht. Neue Stapel und Zellkonzepte für einen besonders kompaktenKassettenaufbau von SOFC werden erprobt. Dazu werden auch diagnostische Methoden, wie segmentierte Sensorplatten, benötigt, um den zuverlässigenBetrieb und die Dauerhaltbarkeit der Zellen zu gewährleisten. Eine besondere Anwendung von Brennstoffzellen ist die zivile Luftfahrt, die die Nutzungvon mehreren Produkten der Brennstoffzelle wie der elektrischen Energie als APU-Ersatz, dem Reaktionswasser für Kabinenanwendungen sowie demAbgas für Inertisierungszwecke verlangt. Erste Demonstratoren für diese Anwendungen wurden am DLR realisiert. Als Testplattform wurde die AntaresDLR-H2 im Jahr 2009 vorgestellt, das erste bemannte und ausschließlich mit Brennstoffzellen angetriebene Flugzeug. Schließlich ist auch dasVerständnis der Komponenten auf kleinster Skala, auf der die elementaren Prozesse stattfinden notwendig. Hier arbeiten das DLR, die UniversitätStuttgart und die Hochschule Esslingen an der Charakterisierung von Membranen auf der Nanometer Skala, um auf dieser Basis das makroskopische Ver-halten zu verstehen und zu verbessern.

ZUSAM M ENFASSUNG

Vergleich der simultan aufgenom-menen Oberflächentopografie (linkeSeite) und der Stromverteilung aufeiner Nafion 112-Membran: Es istkeine Korrelation zwischen Strom-verteilung und Struktur feststellbar.

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DER AUTOR

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anerkannt, die die Entwicklung z. B. derSubstrate, Zellen und Kassetten voran-treiben. Die mikroskopische Messung derLeitfähigkeit mit dem Rasterelektronen-mikroskop ist eine Zusammenarbeit mitder Hochschule Esslingen (Prof. Dr. Rena-te Hiesgen) und der Universität Stuttgart(Dipl. Chem. Elena Aleksandrova undProf. Dr. Emil Roduner).

• K. Andreas Friedrich

Literatur

• K. A. Friedrich, „Brennstoffzellen“ BWK 61(2009) Nr. 4, S. 141–147

• P. Schumann, C. Graf, J. Kallo, K.A. Friedrich,„Architecture Analysis, Modelling and Simulationof PEM Fuel Cell Systems for Aircraft Applicat-ions“ in Proceedings of H2Expo InternationalConference and Trade Fair on Hydrogen and FuelCell Technologies 2008, Hamburg Messe und Con-gress, Hamburg, October. 22.–23., 2008

• F. Leucht, K. Andreas Friedrich, T. Haar, „Balanceof Plant Modelling in the Hybrid Power Plant Pro-ject“ in Proceedings of H2Expo International Con-ference and Trade Fair on Hydrogen and Fuel Cell

Technologies 2008, Hamburg Messe und Congress,Hamburg, October 22.–23, 2008

• P. Treffinger, O. Thalau, K.A. Friedrich „Entwick-lungstendenzen von Brennstoffzellensystemen für dieAnwendung im Automobil“ in VDI-Berichte 2036Brennstoffzelle, VDI-Tagung Braunschweig,27.–28.5.2008, p.85

• P. Metzger, H. Müller-Steinhagen, G. Schiller,K.A. Friedrich, „SOFC Characteristics along theFlow Path“, Solid State Ionics, 177 (2006), 2045

• M. Lang, T. Weckesser, C. Auer, P. Jentsch, A. C.Friedrich, and C. Westner, „SOFC Stacks forMobile Applications“ ECS Transactions 25 (2)(2009) 97–104

• K. A. Friedrich, J. Kallo, J. Schirmer, G. Schmit-hals, „Fuel Cell Systems for Aircraft Application“ECS Transactions 25 (1) (2009) 193–202

• R. Hiesgen, E. Aleksandrova, G. Meichsner, I.Wehl, E. Roduner and K.A. Friedrich, „High-resolution imaging of ion conductivity of Nafion®

membranes with electrochemical atomic force micro-scopy“ Electrochimica Acta 55 (2009) 423

• E. Aleksandrova, R. Hiesgen, K.A. Friedrich andE. Roduner, „Electrochemical atomic force micro-scopy study of proton conductivity in a Nafion mem-brane“ Phys. Chem. Chem. Phys., 9 (2007), 2735.

Prof. Dr. K. Andreas Friedrich

ist Leiter der Abteilung Elektrochemische Energietechnik im Institut für Technische Thermodynamik des Deut-schen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) und Professor für Brennstoffzellentechnik an der Univer-sität Stuttgart. Er hat Physik an der Wolfgang-Goethe Universität Frankfurt studiert. Seine Dissertation be-inhaltete eine Arbeit zur „Nichtlinearen Optik an Elektrodenoberflächen“ an der Freien Universität Berlin unterder wissenschaftlichen Leitung des Nobelpreisträgers Prof. Gerhard Ertl. Nach einer Tätigkeit als Postdoc in denUSA und Tätigkeiten am Forschungszentrum Jülich, der Technischen Universität München und dem ZSW inUlm erhielt er den Ruf nach Stuttgart. Die Arbeitsgebiete von Prof. Friedrich sind die Entwicklung vonPolymer-Brennstoffzellen und Festkeramik Brennstoffzellen. Die Ziele der Entwicklung beinhalten die Erhöhungder Leistungsdichte, Verlängerung der Standzeiten, Reduktion der Material- und Herstellungskosten, Identifika-tion der Degradationsmechanismen und deren Minderung und fortschrittliche, hocheffiziente Systemintegration.Die Abteilung umfasst ca. 50 Personen und ein Schwerpunkt der systemtechnischen Arbeiten ist seit einigenJahren die zivile Luftfahrtanwendung. Für diese Arbeiten hat das DLR zusammen mit Airbus 2008 einen f-cellaward erhalten. 2009 wurde ihm von der DECHEMA die Fischer-Medaille für herausragende wissenschaft-liche Arbeiten verliehen.

KontaktDeutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. in der Helmholtz-GemeinschaftInstitut für Technische ThermodynamikAbteilung Elektrochemische EnergietechnikPfaffenwaldring 38–4070569 StuttgartTel. 0711/ 686-2278Fax 0711/ 686-21278E-Mail: [email protected]: www.DLR.de

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1. Ausgangssituation

Der überwiegende Anteil desEndenergieverbrauchs vonGebäuden wird für die Hei-zung eingesetzt (02). Je nachNutzungstyp des Gebäudesbeträgt dieser zwischen 50und 60 Prozent. In die Trink-wassererwärmung fließt einAnteil von zehn bis 25 Pro-zent. Somit sind zwischen 60 und 85 Prozent des End-energieverbrauchs einesGebäudes Wärmeenergie undder Rest – zwischen 15 bis 45

Prozent – elektrische Energie. Der Wärme-energie kommt demnach eine besondereBedeutung zu.

Eine Analyse des Wärmeverbrauches hin-sichtlich der eingesetzten Energieträgerzeigt, dass Gas und Öl mit Anteilen von 50beziehungsweise von 30 Prozent vorrangigeingesetzt werden (03). Auf die Erneuer-baren Energiequellen entfällt ein Anteilvon nur sieben Prozent. Dieser Anteil setztsich wiederum aus unterschiedlichenEnergiequellen zusammen, wobei mitüber 80 Prozent biogene feste Brennstoffedominieren (04). Alle anderen Erneuer-baren Energiequellen tragen nur jeweilsunter zehn Prozent bei.

TH E M E N H E FT FORSCH U NG E R N E U E R BAR E E N E RG I E N76

Potentiale erneuer-barer Energien in der

Gebäudetechnik

In Europa und auch in Deutschland sind 40 Prozent der

umgesetzten Endenergie für den Betrieb von Gebäuden

nötig. Sie sorgen für die gesunden und funktionsgerech-

ten Innenraumkonditionen. Die eingesetzte Energie fließt

neben Heizung und Trinkwassererwärmung auch in

geringerem Maße in die Beleuchtung, den Betrieb elek-

trischer Geräte und die Kühlung. Mit diesem Volumen

gehören Gebäude zu den größten „Energieverbrauchern“:

Sie benötigen eindeutig mehr als der alle Verkehrssyste-

me und alle industriellen Anwendungen. In (01) ist diese

Verteilung zu sehen. Unser Ziel muss sein, den Energie-

umsatz für den Gebäudebetrieb zu senken, gleichzeitig

den mit den energetischen Wandlungsprozessen verbun-

denen Schadstoffausstoß zu mindern und den Anteil

Erneuerbarer Energien deutlich zu steigern. Wie das

gehen kann, erklärt der folgende Beitrag.

01

Der Energieverbrauch nachVerbrauchsgruppen in der EU

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Bei vielen energetischen Wandlungsprozes-sen wird CO2 freigesetzt. Vom soeben dar-gestellten Energieumsatz für die Deckungdes Wärmeverbrauchs ist nur ein Anteilvon unter einem Prozent „CO2-frei“. Mitguter Näherung können demzufolge allegenannten Zusammenhänge für denEnergieumsatz auch auf die CO2-Emissionübertragen werden.

2. Ziel und Hypothese

Seit mehreren Jahrzehnten besteht das un-bestrittene gesellschaftliche und auch poli-tische Ziel, den Energieumsatz zu senken.Damit will man außenpolitische Abhän-

gigkeiten mindern und begrenzte Ressour-cen schonen. Hinzu gekommen ist das ausheutiger Sicht primäre Ziel, die Minde-rung des CO2-Ausstosses. Um beide Zieleerreichen zu können, sind auf Landes-,Bundes- und auch auf EU-Ebene diverseGesetze, Verordnungen und Direktiven inKraft gesetzt worden. Nach dem „Erneuer-baren-Energie-Wärmegesetz“ des Bundesvom August 2008 müssen in allen nachdem 1. Januar 2009 neu errichteten Gebäu-den, bestimmte Anteile des Wärmebedarfsaus erneuerbaren Quellen gedeckt wer-den. Für Baden-Württemberg beträgt die-ser Anteil 20 Prozent. Des Weiteren gilthier, dass bei einem Austausch der Hei-

In Europe as well as in Germany about 40 % of all consumed energy is used for the operation of buildings. Most of this energy is heat used in heatingsystems and in domestic hot water. The share of renewable energy for this heat is only 7 %.It is our goal to cut down the energy consumption used in buildings, to cut down the related emissions and to increase the share of renewable energy.Based on the current state of the art this goal can be reached. This would need in parallel the reduction of the energy demand and the substitution of fossilfuels.The reduction of the energy demand is technically possible, even for refurbished buildings. According to the envisaged goal for the refurbishment, reduct-ions on the total German energy demand in the order of 10 to 30 % are possible.The substitution of fossil fuels is technically feasible. To achieve this, there is not one single solution. What is necessary is to develop a case by casepackage of measures. This will lead to a mix of renewable energy, such as biomass, solar, geothermal, outside air and heat-power-coupling. The resultingenergy potential is more than sufficient.To take the necessary actions is primarily not an engineering question but a public one. If there is a public consensus on our energetic and our ecologicalgoals, then we need to take a decision in the public to go ahead.If we use the current state of the art, then we already can achieve quite a lot. Nevertheless further research and development in building energetics willopen further remarkable saving potentials for energy.

SUM MARY

Struktur des Endenergieverbrauchs imjeweiligen Gebäudesektor in der EU

Wärmeverbrauch (Endenergie) nachden eingesetzten Energieträgern inDeutschland

Eingesetzte erneuerbare Energiequellenfür den Wärmeverbrauch in Deutsch-land

02

0403

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zungsanlage nach dem 1. Januar 2010 min-destens zehn Prozent der Wärmeenergieaus erneuerbaren Quellen gedeckt werdenmuss.

Die politische Absicht Deutschlands ist, biszum Jahr 2020 den Anteil ErneuerbarerEnergien am Wärmebedarf auf 14 Prozentzu erhöhen – Baden-Württemberg hatdiese Grenze mit 16 Prozent sogar nochehrgeiziger formuliert. In der aktuellsten,vom Europäischen Parlament verabschie-deten, „Energy Performance of BuildingsDirective“ (EPBD) wird als Ziel für neu zuerrichtende Gebäude ab dem Jahr 2018eine „Energie-Neutralität“ gefordert, dasheißt im Klartext die Gebäude erzeugenmindestens so viel Energie, wie sie ver-brauchen. Die derzeitige jährliche Steige-rungsrate bei den Erneuerbaren Energienbeträgt sechs Prozent. Mit diesem Zu-wachs wäre das Ziel von 14 Prozent imJahr 2020 erreichbar. Welche zukünftigenAnteile für die Erneuerbaren Energien beiangesetzten Steigerungsraten entstehenwürden, zeigt (05). Weitergehende Zieleerfordern auch weitergehende Konsequen-zen. Die möglichen Maßnahmen hinsicht-lich der Deckung des Wärmebedarfs wer-den nachfolgend diskutiert.

3. Steigerung des Anteils Erneu-erbarer Energien

3.1 Eine Übersicht

Um den Anteil Erneuerbarer Energien ander Wärmeerzeugung steigern zu können,sind zwei Lösungsansätze bekannt:

1. Nicht erneuerbare Energieträger wer-den durch Erneuerbare Energiequellenersetzt, also fossile Energieträger substi-tuiert.2. Der Wärmebedarf wird gesenkt.

Die Substitution ist durch den Ausbau unddie Erschließung folgender ErneuerbarerEnergiequellen möglich:

• Biomasse• Solarthermie• Geothermie• Außenluft• Kraft-Wärme-Kopplung• Biogas• Bioflüssigkeiten• Müll• Grundwasser• Oberflächenwasser

Auf die Diskussion über Einsatz und Nut-zung von Biogas und -flüssigkeiten, vonMüll sowie von Grund- und Oberflächen-wasser zur Wärmeerzeugung in stationä-ren Anlagen wird nachfolgend verzichtet.Biogas und Bioflüssigkeiten werden in sta-tionären Anlagen aus Biomassen oder ausBioflüssigkeiten erzeugt. Hier scheint essinnvoller, die Ausgangsstoffe direkt zurWärmeerzeugung einzusetzen. Der Ein-satz von Müll zur Wärmeerzeugung wür-de eine Steigerung des Müllanfalls voraus-setzen. Dem laufen allerdings all unsereBestrebungen entgegen. Die Nutzungenvon Grund- oder Oberflächenwasser zurWärmeerzeugung sind wasserwirtschaft-lich und ökologisch bedenklich.

Unterstellt man eine stationäre oder auchkonstant langsam steigende, absoluteWärmeerzeugung aus Erneuerbaren Ener-gien, dann kann deren Anteil durch Be-darfssenkungen gesteigert werden. Hierzusind diverse Lösungen bekannt und er-probt. Solche Maßnahmen werden seitJahrzehnten auch durch Verordnungenund Gesetze vorgeschrieben. Der erkenn-bare aber auch bescheidene Erfolg dieserBemühungen ist damit zu erklären, dassdie Vorschriften in der Regel „nur“ aufden Neubau gerichtet sind. Bei einer mitt-leren Neubauquote von rund einem Pro-zent pro Jahr, bezogen auf den Gebäude-bestand, ist das Tempo der „Marktdurch-dringung“ klein. Abhilfe kann hier nur ein breiter gesellschaftlicher Konsens zurSanierung im Bestand schaffen. Dieserwürde aber auch die Bereitschaft erfor-dern, die notwendigen Investitionsmittelbereit zu stellen. Die technische Machbar-keit solcher Sanierungen im Bestand istunbestritten.

05

Prognostizierter Anteil ErneuerbarerEnergiequellen für den Wärme-verbrauch bei angesetzten Steigerungs-raten von sechs und 12 Prozent pro Jahr

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Die beiden dargestellten, prinzipiellenLösungsansätze können nicht unabhängigvoneinander betrachtet werden: Eine ener-getisch minimale Lösung beziehungsweiseeine Lösung mit minimalem CO2-Ausstossentsteht nur, wenn für das einzelne Ge-bäude zuerst die Bedarfssenkung erfolgtund dann auf der erreichten Basis substi-tuiert wird. In der Praxis entsteht hier oftdas Problem des unzureichenden Budgets,das eine „komplette“ Sanierung nicht ge-stattet. So entstehen häufig Fragen nachder „erfolgsträchtigsten“ Teilsanierung,wobei sich andere Maßnahmenreihen-folgen ergeben. Grundsätzlich kann aberfestgehalten werden, dass eine „schnelle“Steigerung des Anteils der ErneuerbarenEnergien beide angesprochenen Lösungs-ansätze erfordert.

3.2 Substitution fossiler Energie-träger durch Erneuerbare Ener-giequellen

3.2.1 Zu substituierender Wärme-bedarf

Als zu substituieren wird hier der Wärme-bedarf für die Heizung und die Trinkwas-sererwärmung der Wohn- und Nicht-Wohngebäude betrachtet. Maßgeblich istder Bedarf an Wärme am Ausgang desErzeugers. Dieser beträgt für Deutschlandetwa 3.000 PJ/a [1]. Alle nachfolgendenAussagen zu Deckungsanteilen der jeweilsbetrachteten Lösung beziehen sich auf die-sen Wert.

3.2.2 Biomasse

Fossile Energieträger wie Heizöl und Erdgaswerden durch folgende, ErneuerbareEnergieträger ersetzt:

• Stroh• Landschaftspflegematerial• Waldrestholz• Schwachholz• zusätzlich nutzbares Waldholz• Landschaftspflegeholz• Industrierestholz• Altholz

Für diese wird ein technisch nutzbarer Mas-senstrom von rund 50 Millionen Tonnenpro Jahr angesetzt. Bei einer mittleren

Verteilung auf die Einzelprodukte ergibtdas eine realisierbare Wärmearbeit voncirca 750 PJ/a. Dazu kommt Biomasse ausPflanzenanbau. Hierfür wird von einermaximalen Anbaufläche von zwei Millio-nen Hektar ausgegangen. Damit ist einezusätzliche, technisch realisierbare Wär-mearbeit von 120 PJ/a erzielbar [2]. Dieseberücksichtigt nur feste Brennstoffe, keinegasförmigen und flüssigen. Der Nutzungs-grad der Kesselanlagen ist je nach Nenn-leistung zwischen 0,80 und 0,85 anzuset-zen. Damit ergibt sich eine Ausgangs-wärmearbeit von rund 720 PJ im Jahr.

Der Deckungsanteil einer Biomassenutzungbeträgt damit, bezogen auf den vorstehendgenannten Bedarf von 3.000 PJ/a, etwa 25 Prozent. Das bedeutet, dass durch denEinsatz von fester Biomasse maximal einViertel des Wärmebedarfes ersetzt werdenkann. Höhere Deckungsanteile sind mög-lich, setzen dann aber den Import vonBiomasse voraus. Kesselanlagen zur Bio-masseverbrennung sind erprobt undmarktgängig. Gegenstand der Forschungund Entwicklung sind Anlagen mit höhe-rem Nutzungsgrad, deren Regelfähigkeitsowie Verfahren der Abgasreinigung, die auch bei kleineren Leistungen markt-gerecht eingesetzt werden können.

3.2.3 Solarthermie

Fossile Energieträger werden durch die Nut-zung solarthermischer Energie ersetzt.Betrachtet werden hier Anlagen für dieWärmeerzeugung zur Heizung und zurTrinkwassererwärmung. Die Solarkollek-toren können als nicht-fokussierende(Flachkollektoren, Niedertemperaturkol-lektoren) oder als fokussierende Kollekto-ren (Hochtemperaturkollektoren) ausge-führt sein. Für eine Potentialabschätzungwird von einer möglichen Aufstellung aufallen Dach- sowie Freiflächen ausgegan-gen. Die verfügbare Dachfläche wird aufrund 840 Millionen Quadratmeter ge-schätzt, die der Freiflächen auf etwa 3.000Millionen [3].

Mit diesen Flächen ergibt sich für Deutsch-land folgendes theoretisches Potential derGlobalstrahlung:

Dachflächen . . . . . . . . . . . . . . . 3.080 PJ/aFreiflächen . . . . . . . . . . . . . . . 11.000 PJ/a

14.080 PJ/a

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Für die Kombinationen der Kollektoren mitKurzzeitspeichern (Schichtspeicher) wer-den die Nutzungsgrade für nicht-fokussie-rende Kollektoren mit 15 bis 20 Prozentangesetzt, für fokussierende mit 35 bis 40 Prozent. Damit ergeben sich folgendetheoretische Potentiale:

Dachflächen . . . . . . . . . 540 … 1.150 PJ/aFreiflächen . . . . . . . . . 1.930 … 4.130 PJ/a

2.470 … 5.280 PJ/a

Der Deckungsanteil beträgt damit, bezogenauf den vorstehend genannten Bedarf von3.000 PJ/a, von 80 bis zu 180 Prozent. Diesertheoretische Anteil ist heute real nichterreichbar. Bei der Bilanzierung über dasganze Jahr entstehen saisonale Über- undUnterschüsse, die mangels Speicherung inder Regel nicht nutzbar sind.

Für reale Anlagen zur Wärmeversorgung –sowohl der Heizung als auch der Trink-wassererwärmung – werden Nutzungs-grade, bezogen auf den jeweiligen Bedarfdes Einzelobjektes, von 20 bis 30 Prozenterreicht. Der dabei verbleibende Rest wirdmit einer separaten, nicht solaren Wärme-erzeugung gedeckt. Solche Anlagensyste-me sind erprobt und gelten als Stand derTechnik. Gegenstand von Forschung undtechnischer Entwicklung sind Kollektorenmit höheren Wirkungsgraden, zum Bei-spiel durch Verminderung der Leistungs-abhängigkeit von der Einstrahlungsrich-tung (Halbkugelkollektoren). Danebenwerden auch saisonale Speicher unter-sucht, die beispielsweise in Nahwärme-netze eingebunden sind. Mit solchenSpeichern mit geringen Wärmeverlusten –als marktgängige Konstruktion voraus-gesetzt –, wäre der Wärmebedarf problem-los komplett solarthermisch zu decken.

3.2.4 Geothermie

Auch geothermische Energie ersetzt fossileEnergieträger. Die erforderlichen Wärme-übertrager werden in geringer Tiefe unterder Erdoberfläche positioniert (ober-flächennahe Geothermie). HorizontaleKollektoren werden in einer Tiefe vonrund zwei Metern angeordnet. Sie weiseneine deutliche saisonale Abhängigkeit derLeistung und des Temperaturniveaus aufund zudem sind vergleichsweise großeFlächen erforderlich.

Vertikale Kollektoren werden als Sonden in Bohrlöchern mit einer Tiefe von rund100 Metern realisiert. Deren Leistung undTemperaturniveau ist deutlich wenigersaisonal ausgeprägt. Das Temperatur-niveau aus den Wärmeübertragern ist füreine direkte Nutzung zu niedrig. Die geo-thermischen Übertrager werden deshalbals Umweltwärmequelle für Wärmepum-pen genutzt. Diese werden entweder alsKompressionswärmepumpe oder als Ab-sorptionswärmepumpe ausgeführt. Dieenergetische Bewertung der Kompres-sionswärmepumpen erfolgt anhand derJahresarbeitszahl, das heißt dem Verhältnisder Heizwärmeenergie zur Antriebsener-gie. Üblich ist ein elektrischer Antrieb.Dieser wiederum ist gekennzeichnetdurch den Primärenergiefaktor der Strom-erzeugung. Wenn ein energetischer Vorteilgegenüber einer konventionellen Kessel-anlage erreicht werden soll, dann mussder Primärenergiefaktor kleiner als dieJahresarbeitszahl sein. Bei geothermischenWärmepumpen in Deutschland und derhiesigen Stromerzeugung ist dies gegeben.

Die energetische Bewertung der Absorp-tionswärmepumpe erfolgt anhand desJahreswärmeverhältnisses, also dem Ver-hältnis Heizwärmeenergie zur thermi-schen Antriebsenergie. Wenn ein energeti-scher Vorteil gegenüber einer konventio-nellen Kesselanlage erreicht werden soll,dann muss der Kehrwert des Produktesaus Jahreswärmeverhältnis und demNutzungsgrad der Antriebswärmeerzeu-gung kleiner als eins sein. Bei geothermi-schen Wärmepumpen in Deutschland ist das in aller Regel so. Eine Auswahl-entscheidung zwischen beiden Wärme-pumpenlösungen kann anhand einerPrimärenergiekennzahl getroffen werden.Diese wird für die Kompressionswärme-pumpen aus dem Verhältnis des Primär-energiefaktors der Stromerzeugung zurJahresarbeitszahl gebildet. Für die Ab-sorptionswärmepumpen wird die Primär-energiekennzahl aus dem Kehrwert desProdukts aus Jahreswärmeverhältnis unddem Nutzungsgrad der Antriebswärme-erzeugung ermittelt. Die Lösung mit demkleineren Wert ist energetisch besser.

Für eine Abschätzung des Potentials geo-thermischer Wärmepumpen werden Erd-sonden betrachtet. Deren Tiefe wird mit100 Metern angesetzt, deren Leistung mit40 W/m, also 4 kW/Sonde. Um eine gegen-seitige thermische Beeinflussung zweier

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benachbarter Sonden möglichst klein zuhalten, ist der Sondenabstand 12 Meter,das heißt die Bodenfläche pro Sonde be-trägt 144 Quadratmeter. Es wird eine Kom-pressionswärmepumpe mit einer Jahres-arbeitszahl von vier unterstellt. Für dasSystem werden 1.600 Vollbetriebsstundenpro Jahr angesetzt.

Für den soeben dargestellten Bedarf von3.000 PJ/a sind demnach 98 Millionen Son-den nötig. Die erforderliche Bodenflächebeträgt 14 Milliarden Quadratmeter, wasrund vier Prozent der deutschen Boden-fläche entspricht. In dieser überschlägigenBilanzierung erscheint die Bedarfsdeckungdurchaus möglich. In der Realität dagegenist eine solche „Nachrüstung“ zumindestin städtischen Ballungsgebieten anzuzwei-feln. Ein nennenswerter Beitrag aus geo-thermischer Energie ist dennoch sichererreichbar. Problematisch ist die Bereitstel-lung der Antriebsenergie. Eine Substitu-tion fossiler Energieträger ist wirklich nurgegeben, wenn die Stromerzeugung ohneEinsatz fossiler Energieträger erfolgt, alsobeispielsweise aus Wasserkraft, Windkraft,Kernenergie, oder wenn die thermischerAntriebsenergie ebenfalls ohne Einsatz fos-siler Energieträger erzeugt wird.

Geothermische Anlagen zur Wärmeerzeu-gung sind erprobt und marktgängig. Siesind Stand der Technik. In letzter Zeitpublik gewordene Probleme sind offen-sichtlich auf unzureichende Kenntnisseder geologischen Verhältnisse am Standortzurück zu führen. Gegenstand der For-schung und Entwicklung sind Sonden mithöherer Wärmeleistung, etwa durch Ein-satz anderer Wärmeträger als Wasser oderals Wasser mit Frostschutzmitteln. SolcheWärmträgermaterialien könnten auchPhasenwechselmaterialien sein.

Weiterhin werden Kombinationen der Wär-meübertrager mit anderen, unterirdischenBauwerken untersucht. Durch die Kom-bination mit Tunnelwandungen könntenAusgaben eingespart werden, da die Bau-werkskosten ohnehin anfallen. WeitererGegenstand der Forschung und Entwick-lung sind Modelle des Gesamtsystems aus Sonden und umgebendem Erdreich,insbesondere unter Berücksichtigung von Grundwasserströmen, um so bessereAussagen über die erreichbaren Leistungenund das Langzeitverhalten geben zu können.

3.2.5 Außenluft

Fossile Energieträger werden durch Nutzungvon Außenluftenergie ersetzt. Als Wärme-quelle muss die Außenluft in der Regelum circa fünf K abgekühlt werden. DasTemperaturniveau ist für eine direkteNutzung zu niedrig, deshalb sind Wärme-pumpen im Einsatz. Alle Aussagen überWärmepumpen aus dem vorhergehendenAbschnitt gelten hier analog. Eine Ab-schätzung des Potentials von Außenluft-Wärmepumpen, also die Prüfung der aus der Außenluft verfügbaren Wärme,zeigt ausreichendes Potential zur Bedarfs-deckung. Problematisch ist eher die Bereit-stellung der Antriebsenergie. Eine Substi-tution fossiler Energieträger ist wirklichnur gegeben, wenn die Stromerzeugungohne Einsatz fossiler Energieträger erfolgt,also aus Wasserkraft, Windkraft, Kern-energie. Oder wenn die thermische An-triebsenergie ebenfalls ohne Einsatz fossi-ler Energieträger erzeugt wird.

Außenluft-Wärmepumpenanlagen sind er-probt, marktgängig und Stand der Tech-nik. Gegenstand der Forschung und Ent-wicklung sind Systeme mit höherenJahresarbeitszahlen, im kleinen Leistungs-bereich sowie Absorptionssysteme mit„Umschaltung“ aus dem „Wärme-pumpenbetrieb“ in einen „Kesselbetrieb“,um die schlechten Arbeitszahlen bei tiefenAußentemperaturen zu vermeiden.

3.2.6 Kraft-Wärme-Kopplung

Fossile Energieträger werden durch dieNutzung von Abwärme, die bei der Strom-erzeugung anfällt, ersetzt. Diese kann ent-weder bei zentralen Kraftwerken durchKraft-Wärme-Kopplung und Wärmeein-speisung in ein Fernwärmenetz erfolgenoder bei dezentraler Stromerzeugung inBlockheizkraftwerken durch direkteWärmeeinspeisung in die Hausnetze oderin Nahwärmenetze.

Die Stromerzeugung in Deutschland be-trägt etwa 1800 PJ/a. Davon werden rund300 PJ/a aus Erneuerbaren Energien er-zeugt [1]. Resultierend aus den verbleiben-den 1500 PJ/a ergibt sich eine theoretischeJahreswärmearbeit von etwa 2150 PJ/a.Dieses Wärmepotential ist nicht komplettnutzbar. Zum einen ist ein systembeding-ter Nutzungsgrad von 90 bis 95 Prozentanzusetzen, des Weiteren ist saisonal –ohne Speicherung – das Potential nur zeit-

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weise nutzbar. Das technisch nutzbare Po-tential beträgt damit circa 1600 PJ/a, wasgut der Hälfte des eingangs genannten Be-darfs von 3000 PJ/a entspräche. Gegenstandder Forschung sind Vernetzungen vondezentralen Stromerzeugungen zu „vir-tuellen Kraftwerken“, diese hätten für diehier betrachtete Wärmeversorgung denVorteil, dass keine oder nur begrenzteWärmenetze erforderlich wären.

3.3 Senkung des Wärmebedarfs

3.3.1 NiedriginvestiveMaßnahmen

Es ist leider Tatsache, dass die derzeit beste-henden Gebäude normalerweise nichtdem Stand der Technik entsprechen unddarüber hinaus, dass sie sich nicht in

einem guten energetischenZustand befinden. Die erst-genannte Feststellung istdamit zu erklären, dass beieiner Neubauquote von rundeinem Prozent pro Jahr, diemeisten bestehenden Gebäu-de vergleichsweise alt sind,zumindest mit Bezug aufden heutigen Stand derTechnik. Die zweite Feststel-lung ist damit zu erklären,dass das durchschnittlicheGebäude Mängel aufweisthinsichtlich der Regelungder gebäudetechnischenAnlagen, hinsichtlich der Be-triebszeiten der Anlagen ver-glichen mit der Nutzzeit derRäume, hinsichtlich der ein-gestellten Sollwerte zumBeispiel. für die Raumtempe-ratur, hinsichtlich der Ein-regulierung aller Massen-

ströme, wie etwa für den Heizmittelstrom.Das schließt nicht aus, dass weitere viel-leicht sogar schwerer wiegende Mängelvorliegen.

Die genannten Mängel lassen sich leicht undohne – oder nur mit kleinen – Investitio-nen beheben. Einschlägige Untersuchun-gen belegen, dass das energetische Poten-tial, welches durch solche Mängelbehe-bungen erschließbar ist, im Durchschnitt30 Prozent bezogen auf den Ist-Zustanddes jeweiligen Gebäudes beträgt [4]. Dieeinzige Investition, die erforderlich ist, istdie Mängelanalyse und Mängelbeseiti-

gung. (06) zeigt die Auswirkung dieserMaßnahme – übertragen auf die Gesamt-heit aller Bestandsbauten. Vom End-energieverbrauch Deutschlands könntenso insgesamt zehn bis 15 Prozent ein-gespart werden. Zu untersuchen sindExpertensysteme für die Mängelanalysen,mit denen ein großer Personenkreis in dieLage versetzt werden kann, die Analysenzielgerichtet erstellen zu können.

3.3.2 Hochinvestive Maßnahmen

Wie dargestellt wurde, ist ohne dramatischeErhöhung der Neubauquote – für die eskeine Anzeichen gibt – eine Verbesserungder energetischen Qualität der Gebäude inder Fläche nicht möglich. Hier kann nureine Optimierung durch umfassende Sa-nierungen der Gebäude zum heutigenStand der Technik Abhilfe schaffen. Ein-schlägige Untersuchungen belegen, dasssolche Sanierungen technisch möglichsind. Wie „tief“ dabei das energetische Sa-nierungsziel gesetzt wird, ist weniger einetechnische als eine wirtschaftliche Frage.(07) zeigt exemplarisch die Auswirkungeiner Sanierung des kompletten Bestandsauf ein so genanntes Drei-Liter-Niveau,das heißt auf einen Wärmebedarf entspre-chend drei Litern Heizöl/m2a oder 34 kWh/m2a [5]. Vom Energieverbrauch Deutsch-lands insgesamt könnten so rund 30 Pro-zent eingespart werden.

Gegenstand der Forschung sind weitereenergetische Verbesserungen der techni-schen Subsysteme, also die Erhöhung derNutzungsgrade oder die Senkung der Auf-wandszahlen. Hier sind insbesondere dieSysteme zur Nutzenübergabe im Raum zu nennen, die derzeit das größte „Rest-Potential“ aufweisen.

Des Weiteren werden Systeme mit deutlichhöherer Regeldynamik untersucht, dieeine bessere Anpassung des Anlagen-betriebes an die effektiven Nutzungszeitenermöglichen würden. Gegenstand derForschung sind daneben auch adaptiveBauteile, die letztlich in der Veränderungihrer physikalischen Parameter in dieRegelung einbezogen würden.

4. Fazit

Mit nur sieben Prozent ist der Anteil der Er-neuerbaren Energien an der Wärmebereit-stellung für Heizung und Trinkwasser-erwärmung in Deutschland relativ gering.

TH E M E N H E FT FORSCH U NG E R N E U E R BAR E E N E RG I E N82

06

Mögliche Energieeinsparung beiSanierung aller Bestandsbauten mitniedriginvestiven Maßnahmen

07

Mögliche Energieeinsparung bei Sa-nierung aller Bestandsbauten mit hoch-investiven Maßnahmen: Zu sehen sinddie Auswirkung einer Sanierung deskompletten Bestands auf ein so genann-tes Drei-Liter-Niveau.

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Die Ziele sind daher, einerseits den Ener-gieumsatz für den Gebäudebetrieb zu sen-ken und den mit den energetischen Wand-lungsprozessen verbundenen Schadstoff-ausstoß zu mindern, sowie andererseitsden Anteil Erneuerbarer Energien deutlichzu steigern. Ausgehend vom derzeitigenStand der Technik sind diese Vorgaben er-reichbar. Die Umsetzung erfordert paralleleine Senkung des Energiebedarfs und dieSubstitution fossiler Energieträger. Be-darfssenkungen insbesondere auch durchSanierungen im Gebäudebestand sindtechnisch möglich. Je nach Sanierungszielsind dabei Einsparungen des deutschenEnergieverbrauchs von gut 10 bis zu 30Prozent erreichbar. Die Substitution derfossilen Energieträger ist technisch mög-lich. Dabei gibt es allerdings keinen„Königsweg“. Es sind vielmehr fallbezo-gene Maßnahmenpakete zu entwickeln. In einem dabei entstehenden Mix aus Nut-zungen der Biomasse, der Solarthermie,der Geothermie, der Außenluft sowie derKraft-Wärme-Kopplung sind die verfüg-baren Energiepotentiale mehr als ausrei-chend. Die Umsetzung notwendiger Maß-nahmen ist nicht vorrangig ein techni-sches Problem, sondern ein gesellschaft-liches. Wenn ein Konsens über die energe-tischen und ökologischen Ziele besteht,dann erfordert es „nur“ den gesellschaft-lichen Entschluss zum Handeln. Mit derAnwendung des derzeitigen Standes derTechnik sind verglichen mit der Ist-Situa-tion deutliche Verbesserungen möglich.Durch weitere Forschung und Entwick-lung auf dem Gebiet der Gebäudeenerge-tik sind aber künftig noch deutliche Ein-sparpotentiale erschließbar. •

Michael Schmidt, Ni Jinchang

Literatur

• 1 J. Nitsch: Leitstudie 2007 „AusbaustrategieErneuerbare Energien“, Aktualisierung und Neu-bewertung bis zu den Jahren 2020 und 2030 mitAusblick bis 2050, Untersuchung im Auftrag desBundesministerium für Umwelt, Naturschutz undReaktorsicherheit, Stuttgart , Februar 2007

• 2 M. Kaltschmitt, D. Merten, N. Fröhlich, M.Nill: Energiegewinnung aus Biomasse, Externe Ex-pertise für das WBGU-Hauptgutachten 2003 „Weltim Wandel: Energiewende zur Nachhaltigkeit“, Ber-lin, Heidelberg 2003

• 3 M. Kaltschmitt, A. Wiese, W. Stricher: Erneuer-bare Energien; Systemtechnik, Wirtschaftlichkeit,Umweltaspekte, 3. Auflage, Springer-Verlag, Ber-lin, Heidelberg, 2003

• 4 M. Schmidt, K. Stergiaropoulos, F. Schmidt:Energie- und Gebäudemanagement im Campus Pfaf-fenwald und seine Auswirkungen auf die Effizienzder Energieerzeugung, Bericht, IKE LHR UniStuttgart, April 2005

• 5 M. Schmidt, S. Schmidt, M. Treiber, J. Arold:Entwicklung eines Konzepts für energetische Moder-nisierungen kleiner Wohngebäude auf 3-Liter-Haus-Niveau in Mannheim-Gartenstadt, Schlussbericht,IGE Uni Stuttgart, Februar 2007.

Professor Dr.-Ing. Michael Schmidt

Studium der Energie- und Verfahrenstechnik an der TUBerlin; Promotion, TU Berlin; Abteilungsleiter, Proku-rist, Geschäftsführer, KLIMASYSTEMTECHNIKIngenieurgesellschaft, Berlin; Geschäftsführer, RP&KIngenieurgesellschaft, Berlin/Maidenhead; Geschäfts-führer ARUP Deutschland, Berlin; seit 2000 Lehrstuhlfür Heiz- und Raumlufttechnik, Institut für Gebäude-technik, Universität Stuttgart.

Dr.-Ing. Jinchang Ni

Studium der Heizung-, Lüftung- und Klimatechnik ander Tsinghua Universität Peking, Promotion an derUniversität Stuttgart, wissenschaftlicher Mitarbeiteram Institut für Gebäudetechnik der UniversitätStuttgart.

KontaktUniversität StuttgartInstitut für GebäudeEnergetikPfaffenwaldring 3570569 StuttgartTel. 0711/ 685-62085Fax 0711/ 685-62096E-Mail: [email protected]: www.ige.uni-stuttgart.de

DIE AUTOREN

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1. Herausforderung: Die wachsende Stromerzeugungaus Erneuerbaren Energien

Seit rund einem Jahrzehnt entwickelt sichdie Stromerzeugung aus ErneuerbarenEnergien in Deutschland sehr dynamisch.Zurückzuführen ist dies auf das zum 1. April 2000 in Kraft getretene Erneuer-bare-Energien-Gesetz (EEG), welches einenachhaltige Entwicklung der Energiever-sorgung und eine Weiterentwicklung der

Technologien zur Stromerzeugung ausErneuerbaren Energien zum Ziel hat. Umdieses Ziel zu erreichen, fördert das EEGdie Einspeisung des aus ErneuerbarenEnergien erzeugten Stromes über eine be-vorzugte Abnahme und feste Vergütung,die über einen Zeitraum von 20 Jahren derAnlage gezahlt werden. Bis zum Jahr 2020sollen nach dem Willen der Bundesregie-rung die Erneuerbaren Energien einenAnteil an der Stromerzeugung von min-destens 30 Prozent erreichen. Im Jahr 2009

TH E M E N H E FT FORSCH U NG E R N E U E R BAR E E N E RG I E N84

Speicherkraftwerke und Elektroautos

Zukunf ts technologienzur In tegrat ion f luktu ierender Windst romerzeugung

Erneuerbare Energien sind in aller Munde. Kaum ein Tag, an dem

kein Projekt vorgestellt oder keine Anlage in Betrieb genommen wird.

Trotz dieses Marktdurchbruchs ist in Zukunft eine Reihe von Heraus-

forderungen zu meistern: Eine besondere Bedeutung kommt dabei

der Integration Erneuerbarer Energien in die bestehenden techni-

schen und energiewirtschaftlichen Strukturen zu. Speicherkraftwerke

können eingesetzt werden, damit die Windstromerzeugung die Nach-

frage zeitlich besser abdeckt. Der Ausbau der Elektromobilität kann

genutzt werden, um ein besseres Lastmanagement im Netz zu

gewährleisten. Die intelligente Verknüpfung und Regelung

verschiedener Technologien wird zum Schlüssel für eine

bessere Integration der Energieerzeugung aus Erneuer-

baren Energien in das Gesamtsystem. Am Institut für

Energiewirtschaft und rationelle Energieanwendung (IER)

werden an diesem interdisziplinären Schnittpunkt, Unter-

suchungen zur besseren Einbindung und Weiterentwick-

lung Erneuerbarer Energien durchgeführt. Einige Beispiele

für dieses spannende Arbeitsfeld werden hier vorgestellt.

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betrug der Anteil der Erneuerbaren Ener-gien bereits 16 Prozent, so dass in den ver-bleibenden zwölf Jahren eine Verdopplungder heutigen Stromerzeugung aus re-generativen Energien erreicht werdenmuss.

Der Anstieg der Stromerzeugung aus Er-neuerbaren Energien seit dem Jahr 2000 istvor allem auf eine verstärkte Nutzung vonWindenergie und Biomasse zurückzu-führen. Die Stromerzeugung aus Photo-voltaik hat zwar ebenfalls stark zugenom-men, liegt aber noch deutlich hinterWindenergie und Biomasse zurück. ImJahr 2009 wurden aus Erneuerbaren Ener-gien über 90.000 Gigawattstunden (GWh)Strom erzeugt. Das bedeutet: Inzwischenwird etwa jede siebte Kilowattstunde inDeutschland von Anlagen zur Nutzungregenerativer Energien bereitgestellt.

Das stärkste Wachstum hat in den vergange-nen Jahren die Windenergie erfahren. Von1990 bis 2008 stieg die Stromerzeugung von rund 40 auf 40.000 GWh. 2008 warenin Deutschland rund 20.300 Windenergie-anlagen (Onshore) in Betrieb. Konnten1990 theoretisch rund 10.000 Haushaltemit Strom aus Windenergie versorgt wer-den, so reichte die Stromerzeugung 2008zur Deckung des Bedarfs von etwa 10 Mil-lionen Haushalten aus (bei 4.000 kWh proHaushalt und Jahr). Wenn in den nächstenJahren die angekündigten Offshore-Wind-parks in Nord- und Ostsee in Betriebgehen, wird die Windstromerzeugung wei-ter stark ansteigen. 2009 ist nördlich vonBorkum der erste Offshore-Windpark(Alpha Ventus) in Deutschland mit ins-gesamt 12 Windenergieanlagen in Betriebgegangen, der den Strombedarf von rund50.000 Drei-Personen-Haushalten deckenund die Initialzündung für weitere, deut-lich größer dimensionierte Windparks dar-stellen wird.

Diese stark wachsenden Mengen an Wind-strom müssen jedoch auch auf dem Marktuntergebracht werden. Windstromerzeu-gung und Strombedarf weichen oft zeit-lich und räumlich voneinander ab. So istSchleswig-Holstein heute schon zu man-chen Zeiten mit Windstrom überversorgt,das heißt die von Windenergieanlagenerzeugte Strommenge liegt über demStrombedarf. Dieser Strom muss im Netzoder bei anderen Verbrauchern unter-gebracht werden. Umgekehrt entsteht beieiner deutlichen Unterversorgung mitStrom aus Windenergie, zum Beispiel beiWindflaute, Bedarf für eine zusätzlicheStromerzeugung aus anderen Quellen.Diese Aufgabe wird überwiegend von kon-ventionellen Kraftwerken abgedeckt, wo-bei meist schnell regelbare Gaskraftwerkezum Einsatz kommen. Zu windstarkenZeiten werden diese Kraftwerke nicht be-nötigt und müssen wieder heruntergefah-ren oder gedrosselt werden, was mit zu-sätzlichem Aufwand und Kosten einher-geht.

Prinzipiell gibt es eine Reihe von Lösungs-ansätzen zur Integration der fluktuieren-den Stromerzeugung von Wind- oderSolarenergie ins Stromnetz.

Electricity generation from renewable energies has increased considerably in recent years. In Germany the government has set a target of 30% of renew-able energies for total electricity generation for the year 2020. Due to the intermittent character especially solar- and wind energy may pose a challengeto grid integration and regulation as the supply is not matching the demand profile in terms of temporal and spatial patterns. At present these gaps arefilled mainly by the operation of reserve power plants stepping in when renewable electricity is not available. This task, however, can be mediated by arange of measures using renewable energies. Among these are the integration of large storage power plants like CAES (compressed air energy storage)and hydro power plants, the embedding of small-scale or mobile storage devices like car batteries in electromobility, the improvement of prognosis instru-ments or the combination of technologies in „Combi Power Plants“. The benefits or constraints of such measures are not always easy to overlook and aretherefore evaluated by means of modelling tools, as done at IER.

SUM MARY

Integration fluktuierenderStromerzeugung1. Integration von Strompeicher-Kraft-

werken, z.B. Druckluft- (CAES) undPumpspeicher-Kraftwerken

2. Nutzung von Elektro-Fahrzeugen3. Verbesserung der Windprognose4. Ausbau der Stromnetze5. Erzeugungsmanagement, aktive

Steuerung von Anlagen zur Strom-erzeugung

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Am IER werden hierzu Untersuchungendurchgeführt, um die notwendigen An-passungen und Integrationsaufgaben best-möglich umsetzen zu können. Da es sichvielfach um komplexe Fragestellungenhandelt, bei denen technische Eigenschaf-ten, Umweltwirkungen und ökonomische

Gegebenheiten gleichermaßen eine Rollespielen, werden energietechnische und -wirtschaftliche Modelle eingesetzt. ImFolgenden werden Arbeitsergebnisse ausdem IER für die bessere Integration einerzunehmenden Stromerzeugung ausErneuerbaren Energien am Beispiel derWindenergie vorgestellt.

2. Bessere Anpassung derStromerzeugung an die Nach-frage

Einen Lösungsansatz für die mangelndeÜbereinstimmung von Windstromerzeu-gung und Bedarf stellen der Einsatz unddie Integration von Speicherkraftwerkenzur Zwischenspeicherung elektrischerEnergie dar. Dadurch kann einerseits eineAusregelung des Fehlers erfolgen, derdurch eine unzureichende Windprognoseentsteht, andererseits kann die schwan-kende Windstromerzeugung „vergleich-mäßigt“ und damit die Übereinstimmungmit der Bedarfssituation verbessert wer-den. Durch die Kombination eines Wind-parks mit einem Speichersystem bietet sichdem Windparkbetreiber die Möglichkeit

dem Stromnetzbetreiber eine gesicherteoder garantierte Leistung anzubieten undeinen festen Anteil an Grundlast abzu-decken, aber auch die Spitzenlast zu be-dienen [1].

In (01) ist exemplarisch die Leistungsbereit-stellung von Strom aus einem Windparkin Kombination mit einem Druckluft-speicherkraftwerk, auch Compressed AirEnergy Storage (CAES) genannt, darge-stellt. Die ursprünglichen Schwankungenaus der Windstromerzeugung werden mitHilfe des Speichers so ausgeregelt, dass nurwenige zurückbleiben. Bezogen auf dasBeispiel kann dem Netzbetreiber eine ga-rantierte Leistung von 5.000 MW zur Ver-fügung gestellt werden. Theoretisch kannmit Hilfe des Speichersystems anstelle derUmwandlung in einen grundlastfähigenVerlauf auch eine Lastkurve des Strom-bedarfs nachgefahren werden. Der Zukaufvon Regelenergie ist in dem dargestelltenBeispiel nicht mehr erforderlich.

Druckluftspeicheranlagen – oder CAES-Kraftwerke – nutzen elektrische Energiezur Verdichtung von Luft, die in einemunterirdischen Reservoir gespeichert wird[2]. Bei Bedarf kann diese Druckluft wiederentnommen werden und in Turbinen inelektrische Energie zurückgewandeltwerden. In Deutschland wurde die ersteCAES-Anlage mit 320 MW installierterLeistung in Huntorf, Niedersachsen,gebaut. Sie läuft seit 1978 und wird primärals Minutenreserve genutzt. Das CAES-Kraftwerk Huntorf besteht aus zwei Salz-kavernen in 700 Metern Tiefe mit je rund150.000 m3 Volumen. Die Luft wird beieinem Druck zwischen 50 und 70 bar ge-speichert, das energetische Speichervolu-men beträgt rund 480 MWh.

Als Technologie zur Zwischenspeicherunggrößerer Energiemengen eignen sich Spei-cherkraftwerke, die sowohl hohe Leistun-gen als auch hohe Speicherkapazitätenund Entladezeiten aufweisen. Zu diesenSystemen zählen vor allem Pump- undDruckluftspeicherkraftwerke, wobei letz-tere theoretisch die größere Speicherkapa-zität aufweisen. Während sich beispiels-weise die Speicherkapazität des größtendeutschen Pumpspeicherkraftwerks Gol-disthal auf 8 Stunden Volllast (1.060 MW)beläuft, wird derzeit in Ohio/USA einDruckluft-Speicherkraftwerk mit einermöglichen Stromerzeugung von rund2.700 MW über 8 Tage geplant. Salzvor-

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Leistungsbereitstellung von Strom auseinem Windpark in Kombination miteinem Druckluft-Speicherkraftwerk(Quelle:[12])

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kommen zur Errichtung der benötigtenSalzkavernen liegen auch im Küsten-bereich von Nord- und Ostsee vor – einigedavon sogar offshore –, so dass der Bauvon Druckluft-Speicherkraftwerken mithohen Speicherkapazitäten zukünftig einerealisierbare Option auch für Deutschlanddarstellt.

Als Alternative zu CAES-Druckluftspeicher-kraftwerken bietet sich der Einsatz vonPumpspeicherkraftwerken an. Diese erfor-dern allerdings ein entsprechendes Reser-voir bzw. Speicherbecken in hoher Lage, in die das Wasser gepumpt wird, wenn dieStromerzeugung den Bedarf übersteigt. Im Gegensatz zu Druckluftspeicherkraft-werken besteht hinsichtlich der Pump-speicherung in Deutschland kaum nochAusbaupotenzial – zumindest nicht inNähe der geplanten Offshore-Windparks –,da im Norden Deutschlands die Topo-grphie zur Errichtung von Pumpspeicher-kraftwerken ungeeignet ist.

Die Kombination und Integration einesWindparks mit einem Speicherkraftwerkführt zu Mehrkosten auf Grund des höhe-ren Investitionsvolumens dieser Anlagenim Vergleich zu einem Offshore-Windparkohne Speicher. Die Ergebnisse aus Simula-tionsläufen für den kombinierten Betriebgroßer Offshore-Windparks (mit einerGesamtleistung von 10.000 MW) in derNordsee mit Speicherkraftwerken zeigen,dass die Mehrkosten im Bereich von 1 bis 2 Cent/kWh liegen (02), wobei die Mehr-kosten umso stärker ansteigen, je mehrLeistung kontinuierlich bereitgestellt wer-den soll. Dies ist darauf zurückzuführen,dass bei hohen Leistungen verstärkt Regel-energie aus dem Netz bezogen werdenmuss.

3. Elektrofahrzeuge: Option zumLastmanagement

Neben Pump- und Druckluftspeicherkraft-werken sind als Speicher auch Batteriendenkbar, entweder in Form von stationä-ren Systemen oder auch als mobile Spei-cher in Kraftfahrzeugen. Insbesondere die-se Option bekommt in letzter Zeit in Ver-bindung mit der Entwicklung von Kon-zepten zur Nutzung der Elektromobilitätgroße Aufmerksamkeit. Batteriespeicher inElektromobilen werden in den kommen-den Jahren mehr und mehr an Bedeutunggewinnen. Direktionale und bidirektionale

Plug-In-Hybrid-Fahrzeuge könnten „über-schüssigen“ Strom aus den beiden fluktu-ierenden Energieträgern Sonne und Windzwischenspeichern und durch gesteuertes

Laden oder Zurückspeisen des Stroms,Regelleistung am Regelenergiemarktbereitstellen.

Bereits 1982 hatte der deutsche Automobil-hersteller Audi die Idee des bidirektionalenLadens („Vehicle-to-Grid“, V2G) zumPatent angemeldet [3]. Heute wird dasV2G-Konzept, das alle Aspekte eines Zu-

sammenwirkens des Pkw-Verkehrs mit derEnergiewirtschaft und besonders denStromerzeugungssystemen und demStromnetz umfasst, auch am IER wissen-schaftlich weiter erforscht. Der Grund-gedanke dieses Konzepts besteht darin,dass die Akkumulatoren sowohl zum

03

02

Mehrkosten eines Offshore-Windparksmit integriertem Speicherkraftwerk im Vergleich zu einer ausschließlichenWindstromerzeugung in Abhängigkeitvon der garantierten Leistungsbereit-stellung (Quelle:[12])

Wechselwirkungen zwischenErneuerbaren Energien undElektromobilität (Quelle: [13])

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Antrieb des Elektrofahrzeugs als auch zurEin- und Ausspeicherung von Strom imSinne eines Lastmanagements genutztwerden (03). Die verstärkte Nutzungregenerativer Energiequellen zur Strom-erzeugung führt in Zukunft zu einemsteigenden Bedarf an Speichermöglich-keiten, da das Energieangebot aus mit derNachfrage zeitlich und räumlich oftmalsnicht übereinstimmt. Bei einer weitenVerbreitung der Elektromobilität könntenFahrzeug-Akkumulatoren diese Speicher-funktion übernehmen und als „mobileSpeicherkraftwerke“ dienen.

Die Nutzung von Kraftfahrzeugbatterien für diese Zwecke ist allerdings mit Heraus-forderungen verbunden, die besonders inder Verknüpfung verschiedener Kompo-nenten liegen. So liegt die durchschnitt-liche Nutzungsdauer eines Pkw meist un-ter einer Stunde pro Tag, in den restlichenmehr als 23 Stunden könnten die Fahrzeu-ge an das Stromnetz angeschlossen undzum Lastmanagement eingesetzt werden[3]. Während dieser Zeit sind sie in derLage, überschüssige Energie, insbesondereaus regenerativen Energiequellen, zu spei-chern und die gespeicherte Energie beiBedarf kurzfristig wieder ins Netz einzu-speisen und dadurch zum Lastmanage-ment beizutragen. Andererseits steht die-

ser statistischen Möglichkeit der Bedarfdes Pkw-Nutzers gegenüber, jederzeit miteiner vollgeladenen Batterie sein Ziel an-steuern und erreichen zu können.

Das Potenzial eines flächendeckenden„Vehicle-to-Grid-Systems“ wäre alsoenorm. Unter Berücksichtigung der Tat-sache, dass selten mehr als 10 Prozent allerPkw gleichzeitig auf den Straßen sind(04), resultiert aus einem Pkw-Bestand inDeutschland von 46,6 Mio. Fahrzeugenund der Annahme einer bereitgestelltenLeistung von 15 kW pro Pkw ein theoreti-

sches Gesamtpotenzial von rund 630 GW[4]. Dies entspricht dem Neunfachen dermaximalen Netzlast von etwa 70 GW, diegegenwärtig in Deutschland anfällt.

Ineffiziente An- und Abfahrvorgänge sowieLeistungsänderungen, wie sie bei konven-tionellen Kraftwerken auftreten, könntensich durch das gesteuerte direktionaleoder das bidirektionale Laden der Fahr-zeug-Akkus vermeiden lassen. Außerdemließen sich die Übertragungsverluste redu-zieren, da sich die Fahrzeuge in der Näheder Verbraucher befinden, wie an derArbeitsstätte oder in Wohnsiedlungen.Dagegen stellen die Reduzierung der Spei-cher- und Umrichterverluste, die bei derNutzung der Fahrzeug-Akkus anfallen,ebenso wie die Reduzierung der derzeiti-gen hohen Kosten der Akkumulatoren(circa 600 EUR/kWh) große Herausforde-rungen dar.

Dass Elektrofahrzeuge als mobile Speicher-kraftwerke eingesetzt werden können,stehen noch weitere Hürden entgegen:Insbesondere erfordert ein flexibler Aus-tausch von elektrischer Energie zwischenFahrzeug und Stromnetz entsprechendeSteuerungstechnologien, die beispielsweisedie Regulierung der Spannung oder Netz-frequenz übernehmen. Darüber hinaussind intelligente Instrumente im Bereichdes Lastmanagements notwendig, dieeinerseits die Einspeisung der erforder-lichen Strommenge in das Stromnetzsicherstellen, andererseits aber auch denBedürfnissen der Autofahrer Rechnungtragen und eine Entnahme der gespeicher-ten Energie vor Beginn einer Fahrt aus-schließen müssen.

4. Windprognosemodelle:Möglichkeit zur besseren Kraft-werks-Einsatzplanung

Die Schwankungen der Windstromerzeu-gung sind vor allem meteorologisch be-dingt. In Starkwindphasen kann sehr vielStrom erzeugt werden, während in Flau-tenzeiten die Stromerzeugung komplettzum Erliegen kommen kann. An diesemgrundsätzlichen Problem des fluktuieren-den Charakters der Windstromerzeugungkann zwar nichts geändert werden, aller-dings erlauben gute Prognosemodellerecht exakte Vorhersagen des zu erwarten-den Windenergieangebots. Mit Hilfe dieserVorhersagen kann der Betrieb des gesam-

04

Anteil und zeitlicher Verlauf dergleichzeitig genutzten Fahrzeuge fürverschiedene Zwecke (Quelle:[11])

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ten Kraftwerksparks inklusive der fossilenReservekraftwerke zuverlässiger geplantund optimiert werden.

Windprognosemodelle zur Vorhersage desWindenergieangebots und der damit zuerwartenden Windstromerzeugung lassensich im Wesentlichen in zwei Typen unter-scheiden: physikalische und statistischeModelle. Erstere basieren auf physikali-schen Gesetzmäßigkeiten und Gleichun-gen, mit denen die Windgeschwindig-keiten für die Nabenhöhe sowie die Leis-tungsabgabe der Windenergieanlageberechnet werden. Wesentliche Eingangs-daten sind dabei möglichst genaue Wetter-vorhersagen (für die nächsten Stunden),die durch den Wetterdienst bereitgestelltwerden, sowie möglichst genaue Informa-tionen zum Standort des Windparks unddessen Umgebung. Dazu gehören bei-spielsweise Angaben zur Landnutzung undOberflächenbeschaffenheit (Rauigkeit) derLandschaft. Der statistische Modellansatzbasiert im Vergleich zum physikalischenAnsatz auf dem Versuch zwischen denEingangsdaten, also der Wetterprognose,und dem Output, der gemessenen Leis-tung der Windenergieanlage, einen statis-tischen Zusammenhang abzuleiten. Damitblenden rein statistische Modelle meteo-rologische Aspekte wie den Aufbau derAtmosphäre aus [5].

Wenngleich die Prognosegüte der verschie-denen Modelle inzwischen sehr hoch ist,so stellt doch insbesondere die zeitlichexakte Vorhersage des Durchzugs vonStarkwindgebieten noch ein großes Prob-lem dar. Wird das Maximum eines solchenGebietes auch nur um eine Stunde zu frühoder zu spät prognostiziert, so treten auf-grund des starken Anstiegs bzw. Abfallsder Windenergieleistung große (positiveoder negative) Deckungslücken zwischenPrognose und tatsächlicher Erzeugungauf. In (05) ist eine solche Situation füreinen Zeitraum von 48 Stunden dar-gestellt. Durch den Prognosefehler ent-stehen im dargestellten Fall einmal einLeistungsüberschuss zwischen prognosti-zierter und tatsächlicher Leistung von1.500 MW und einmal ein Leistungsdefizitvon 1.600 MW. Dies sind erhebliche Grö-ßenordnungen, die eine Bereitstellung vonRegelenergie oder die anderweitige Ver-wendung des zu viel erzeugten Stromserforderlich machen und erhebliche Auf-wendungen mit sich bringen.

5. Windenergie in Elektrizitäts-systemmodellen – Analyse derSystemwirkungen

Die Windenergie hat vielfältige Auswirkun-gen sowohl auf Funktion und Kosten desgesamten Elektrizitätssystems als auch auf die resultierenden Emissionen und die Strompreise. Zum Ausgleich der fluk-tuierenden und nicht fehlerfrei prognosti-zierbaren Einspeisung sind besondere Auf-wendungen erforderlich, um eine hoheZuverlässigkeit der Strombedarfsdeckungund einen stabilen Systembetrieb gewähr-leisten zu können. So müssen konventio-nelle und steuerbare Kraftwerke mit einererhöhten Flexibilität betrieben werden.Diese wird durch einen vermehrten Teil-lastbetrieb mit verringertem Wirkungsgradund durch häufigere Kraftwerksanfahrtenerreicht. Damit steigen die Stromer-zeugungskosten der konventionellenKraftwerke an. Darüber hinaus führt dieIntegration der fluktuierenden Windleis-tungseinspeisung zu höheren Anforderun-

gen an die Bereitstellung von Regelenergie.In vielen Fällen befinden sich Gebiete miteinem hohen Winddargebot räumlich ent-fernt von den Lastzentren, so dass es nebeneinem flexibleren Kraftwerksbetrieb zuneuen Engpässen im Übertragungsnetzkommen kann. Der Ausbau der Wind-energie führt dann auch zu einem Erwei-terungsbedarf der elektrischen Netze. Füreine umfassende ökonomische Analyse derIntegration von Windenergie müssen alsoebenfalls die Kosten der erforderlichenMaßnahmen berücksichtigt werden.

05

Windleistungsprognose und tatsäch-liche Leistungsabgabe über einen Tag(Quelle: [14])

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Um die Effekte einer verstärkten Wind-energienutzung in Elektrizitätssystemenund -märkten analysieren und eine Ent-scheidungshilfe für Politik und Elektrizi-tätswirtschaft geben zu können, werden inder Regel mathematische Optimierungs-modelle, die den kostenoptimalen Betriebund Ausbau von Elektrizitätssystemenbeschreiben, entwickelt und angewandt.Mit diesen Modellen werden die (betrieb-lichen) Kosten eines Elektrizitätssystemsmit einer Zielfunktion beschrieben, derenWert zu minimieren ist. Weiterer, wesent-licher Bestandteil von mathematischenOptimierungsmodellen sind Nebenbedin-gungen, wie die Deckung der beschrie-benen Stromnachfrage und die betrieb-lichen Restriktionen der verschiedenenkonventionellen Kraftwerke, zum Beispielverfügbare Kapazitäten und Lastwechsel-fähigkeiten. Das Kollektiv der Windkraft-anlagen kann bei dieser Betrachtung je-doch nicht als konventionelle Erzeugungs-technologie mit exakter Steuerbarkeit undPrognostizierbarkeit behandelt werden.Vielmehr sind eine Abbildung der Wind-leistungsfluktuationen in hoher zeitlicherAuflösung und eine Berücksichtigung vonPrognosefehlern der Windleistungseinspei-sung erforderlich. Ein hierfür geeignetesVerfahren stellt die stochastische Program-mierung dar [6] [7].

Ein derartiges, am IER genutztes, stochasti-sches Optimierungsmodell ist das WilmarPlanning Tool [8]. Basierend auf der stünd-lichen Beschreibung von Stromerzeugungund -übertragung zur Lastdeckung, unterBerücksichtigung der technischen Restrik-tionen von Kraftwerken, Speichern undelektrischen Netzen, lässt sich mit diesemModell der kostenoptimale Betrieb vonbeliebigen Elektrizitätssystemen unterexpliziter Beschreibung der Windleistungs-einspeisung analysieren. Hierbei wird diemögliche Verteilung der Prognosefehlerder Windleistung wie auch der Last mittelsstochastischer Programmierung beschrie-ben. Die Abbildung der Verteilungsfunk-tion der Prognosefehler erfolgt dabei dis-kret mittels Szenariobäumen, welche dievariierenden Prognosen der Windleistungs-einspeisung repräsentieren. Dabei werdendie statistischen Eigenschaften von aktuel-len Prognosesystemen wie deren erzieltermittlerer Prognosefehler und dessenVerteilung sowie die Vergleichmäßigungs-effekte einer großräumigen Windleistungs-einspeisung berücksichtigt.

Der Kraftwerksbetrieb wird beim WilmarPlanning Tool mit dem Ziel der Minimie-rung der variablen Betriebskosten derStromerzeugung optimiert. Hierzu wer-den die bestehenden Elektrizitätsmarkt-strukturen und mögliche Korrekturen derKraftwerkseinsatzentscheidungen auf-grund von fehlerhaften Prognosen derWindleistung und der Last berücksichtigt.Damit werden der Spot-Markt für diegeplante Lieferung von Strom, der Intra-day-Markt zum Ausgleich von Prognose-fehlern als auch Regelenergie-Märkte imModell beschrieben.

Die multiregionale Formulierung des Wil-mar Planning Tools erlaubt weiterhin dieräumliche Untergliederung der betrach-teten Länder. Damit ist es möglich, regio-nale Konzentrationen der installiertenWindkraftkapazität, unterschiedlicheNachfragedichten sowie vorhandene Netz-engpässe zu berücksichtigen. Mit verschie-denen Verfahren der Abbildung des elek-trischen Lastflusses, wie zum Beispiel derMethode des Gleichstromlastflusses oderder Berücksichtigung von Power TransferDistribution Factor-Matrizen (PTDF-Ma-trizen), lässt sich die Verteilung des elek-trischen Lastflusses in Abhängigkeit derkostenoptimalen Austauschmengen undder elektrotechnischen Eigenschaften derStromnetze modellieren.

Das hier beschriebene Wilmar Planning Toolfand bereits, zum Teil in Zusammenarbeitmit internationalen Forschungspartnern,in einer Vielzahl von Forschungsprojektenund Fallstudien zur Integration undNutzung von Windenergie Anwendung.Zunächst wurden im Rahmen des EU-Projektes Wilmar (Wind Power Integrationin Liberalised Electricity Markets), in demauch die Basis des Tools geschaffen wurde,die Länder Skandinaviens und Deutsch-land beschrieben. Diese Länder wurdengemäß der Ländergrenzen und internenNetzengpässen räumlich unterteilt. Fürdie untersuchten Fallstudien wurden un-terschiedliche Windleistungskapazitätenfür ausgewählte zukünftige Betrachtungs-jahre angenommen. Die resultierendenAnwendungen benötigten etwa 620.000Gleichungen mit rund 550.000 Variablen.Es wurden die durch die Integration derWindenergie erzielten Kosteneinsparun-gen beim Systembetrieb, die Auswirkun-gen auf die Preise am Spot-Markt undIntraday-Markt, die Änderungen des kos-tenoptimalen Kraftwerkseinsatzes sowie

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des Stromaustauschs zwischen den Mo-dellregionen exemplarisch untersucht.

Eine beispielhafte Anwendung des WilmarPlanning Tools zeigt die Auswirkungeninnerdeutscher Netzengpässe auf theoreti-sche nationale Preisdifferenzen im Jahr2020 [9]. (06) zeigt die resultierendenSpotmarktpreise in den drei abgebildetendeutschen Regionen für eine Beispiel-woche im Monat Januar. Die nordwest-liche Region ist durch ein hohes Wind-dargebot bei niedriger Nachfrage gekenn-zeichnet. In jenen Stunden, in denen dieÜbertragungsnetze zu dieser Region vollausgelastet sind, sinkt der Strompreis imVergleich zu den anderen Regionen undbeträgt zeutweise 0 EUR/MWh. Kann derStrombedarf in dieser Region vollständigdurch Wind gedeckt werden, reduziertsich der Strompreis sogar bis auf 0 EUR/MWh, da auch konventionelle Kraftwerks-kapazitäten vollständig substituiert wer-den können. Ein weiterer Gegenstand derUntersuchungen war die Entwicklung derdeutschlandweiten Systembetriebskostenaufgrund des Einsatzes von CAES-Druck-luftspeicherkraftwerken und der Erweite-rung der innerdeutschen Netzkapazitäten.In beiden Fällen konnte eine Senkung derSystembetriebskosten verzeichnet werden.

Im Rahmen der European Wind IntegrationStudy [10], einer Forschungsinitiative von15 europäischen Übertragungsnetzbetrei-bern, wurde das Wilmar Planning Tool zurBeschreibung des kostenoptimalen Kraft-werkseinsatzes in den einzelnen Ländernder Europäischen Union sowie des markt-getriebenen internationalen Stromaustau-sches unter der Annahme von zwei Aus-bauszenarien der Windleistung bis zumJahr 2015 genutzt. Die Ergebnisse dienenzur weiteren Untersuchung des Netz-betriebs in und zwischen den einzelnenLändern, zur Priorisierung von Netzaus-baumaßnahmen als auch zur Bestimmungder Integrationskosten der Windenergie.

6. Systemintegration Erneuer-barer Energien: Ein interdiszipli-näres und hoch spannendesArbeitsfeld am IER

Die aufgezeigten Beispiele zur Untersuchungder Integration von Windenergie in ver-schiedene energiewirtschaftliche Zusam-menhänge stellen einige der Arbeitsansät-ze des IER zur Analyse der Rolle Erneuer-barer Energien im Energiesystem dar.

Die vielfälti-gen Tech-nologienund Ein-satzfelderfür Er-neuerbareEnergienbieten da-bei die Ga-rantie fürein span-nendesund nurdurch interdiszi-plinäreAnsätze erfolgreichzu bearbei-tendes Ar-beitsgebiet.Erneuer-bare Ener-gien wach-sen viel-fach ausden Kin-derschu-hen he-raus. Dabeiergebensich neueFragennach denBeiträgensowohl für einegesicherte Energieversorgung als auch füreine nachhaltige Ressourcenbewirtschaf-tung.

In den kommenden Jahren wird die Frageder Systemintegration weiter an Bedeu-tung gewinnen. Deshalb ist eine isolierteTechnologiebetrachtung und -analysenicht mehr ausreichend. Vielmehr werdendie Anpassung und Optimierung an dieRahmenbedingungen des Energiesystemsdie nächste Phase des Ausbaus Erneuer-barer Energien bestimmen. Dazu möchtedas IER mit seinen interdisziplinär besetz-ten Arbeitsgruppen einen gewichtigen Beitrag leisten. •

Ludger EltropChristoph Kruck

Niklas Hartmann Rüdiger Barth

Jürgen Apfelbeck

Die Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien hat in den vergangenenJahren stark zugenommen. Nach dem Willen der Bundesregierung sollbis 2020 ein Anteil von 30 Prozent an der Gesamtstromerzeugung er-reicht werden. Insbesondere die Solar- und Windenergie bilden durchihren fluktuierenden Charakter aber eine Herausforderung für das Netz-management, da das Angebot mit dem Bedarf im zeitlichen und räumli-chen Profil oft nicht übereinstimmt. Gegenwärtig werden diese mangeln-den Paritäten durch Reservekraftwerke ausgeglichen, die auf der Basisfossiler Energieträger arbeiten. Diese Aufgabe kann aber auch durcheine Reihe von Maßnahmen mit Technologien zur Nutzung Erneuer-barer Energien bewältigt bzw. günstiger gestaltet weden. Dazu zählt dieIntegration von großen Speicherkraftwerken wie CAES-Druckluft- oderPumpspeicherkraftwerken, die Einbindung dezentraler Speicher, z.B. vonAutobatterien oder die Verbesserung der Prognoseinstrumente. Die Aus-wirkungen solcher Technologiekombinationen und Maßnahmen auf Öko-nomie, Ökologie und Gesellschaft sind komplex und nicht immer leichtzu überblicken. Am IER werden diese Zusammenhänge mit Hilfe ver-schiedener Analyse- und Modellsysteme untersucht.

ZUSAM M ENFASSUNG

Theoretische Strompreise in drei deut-schen Regionen einer beispielhaftenWoche im Januar 2020. (Quelle: [9])

06

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Literatur

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• 2 Crotogino, F. 2006: Druckluftspeicher-Kraftwerkezum Ausgleich fluktuierender Windenergie / Standder Technik und neue Entwicklungen 6. FlensburgerWindenergie-Forum, 2006.

• 3 Engel, T. 2005: Das Elektrofahrzeug als Regel-energiekraftwerk des Solarzeitalters. DeutscheGesellschaft für Sonnenenergie (DGS), Object FarmSolarkonzepte.

• 4 Kempton, W.; Dhanju, A. 2006: ElectricVehicles with V2G, Storage for Large-Scale WindPower. In: Windtech International Magazine 2006.Groningen, Niederlande.

• 5 Lange, M.; Focken, U. 2005: State-of-the-Art in Wind Power Prediction in Germany and Inter-national Developments. Internet: http://energymeteo.de/de/media/fic_eeg_article.pdf (Stand: 2.7.2009)

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• 7 Kall, P.; Wallace, S.W. 1994: Stochastic Pro-gramming. Verlag Wiley Chichester, 1994.

• 8 Barth, R.; Brand, H.; Meibom, P.; Weber, C.: A stochastic unit-commitment model for the evalua-tion of the impacts of integration of large amounts ofintermittent wind power. Tagungsband der 9. Inter-

national Conference on Probabilistic MethodsApplied to Power Systems, Stockholm 2006.

• 9 Barth, R.; Brand, H.; Swider, D. J.; Weber, C.;Meibom, P.: Regional electricity price differencesdue to intermittent wind power in Germany – Impactof extended transmission and storage capacities.International Journal of Global Energy Issues, Band25 (2006), Nr. 3/4, S. 276–297.

• 10 EWIS - European Wind Integration Study.2008. Internet: http://www.wind-integration.eu –Internetpräsenz.

• 11 Hartmann, N.; Özdemir, D.; Goyns, P. H.;Eltrop, L. 2009: Modelling the plug-in availabilityand calculations of energy storage potential ofelectric vehicles in Germany. EVS24 InternationalBattery, Hybrid and Fuel Cell Electric VehicleSymposium, Stavanger, Norwegen.

• 12 Kruck, C. 2008: Integration einer Stromerzeu-gung aus Windenergie und Speichersystemen unterbesonderer Berücksichtigung von Druckluft-Speicher-kraftwerken. Dissertation. Stuttgart, 2008.

• 13 Pehnt, M.; Höpfner, U. 2007: Elektro-mobilität und Erneuerbare Energien. Heidelberg/Wuppertal 2007. Internet: http://www.erneuerbare-energien.de/files/pdfs/allgemein/application/pdf/elektromobilitaet_ee_arbeitspapier.pdf (Stand:25.6.2009)

• 14 Mößner, M. 2008: Entwicklungsperspektiven vonTechnologien zur Speicherung elektrischer Energie.Diplomarbeit, Universität Stuttgart 2008.

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Page 84: Themenheft - Erneuerbare Energien · 2 THEMENHEFT FORSCHUNG ERNEUERBARE ENERGIEN Editorial Impressum Das THEMENHEFT FOR-SCHUNG wird herausge geben im Auftrag des Rektorats der Uni-versität

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Dr. Ludger Eltropist Leiter der Abteilung „Systemanalyse und Erneuerbare Energien“ am IER. Er studierte Bio-logie an der Universität Bonn. Nach Forschungsaufenthalten an der Universität Toronto, Kana-da und am INRA in Montpellier, Frankreich, wurde er 1993 an der Universität Hohenheimpromoviert. Nach einer Tätigkeit als Projektmanager für Kompostierungstechnik und Bioabfall-behandlung in einem mittelständischen Unternehmen kehrte er 1998 in die Wissenschaft zurückund übernahm am IER zunächst die Aufgabe als Leiter für Wissenschaftsmanagement undVerwaltung und später als Abteilungsleiter für Erneuerbare Energien und neue Energietechno-logien. Seine Arbeitsgebiete sind die Systemanalyse Erneuerbarer Energien, besonders zurNutzung der Bioenergie und zur Integration von Energietechnologien in bestehende energiewirt-schaftliche Strukturen. Er ist Projektleiter vieler internationaler Studien und Visiting Professoran der Universität Johannesburg, Südafrika.

Dr.-Ing. Christoph Kruckstudierte an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Mathematik und Physik undschloss sein Studium mit einer Arbeit zum Thema „Satellitengestützte Bereitstellung von elek-trischer Energie“ ab. Nach einem Wechsel an die Universität Stuttgart als wissenschaftlicherMitarbeiter promovierte er 2008 mit dem Thema „Integration einer Stromerzeugung aus Wind-energie und Speichersystemen unter besonderer Berücksichtigung von Druckluft-Speicherkraft-werken“. Seine aktuellen Forschungsgebiete umfassen die Wind- und Solarenergienutzung imVerbund mit Speichersystemen ebenso wie die Geothermie.

Dipl.-Wirtsch.-Ing. Niklas Hartmannstudierte Wirtschaftsingenieurwesen an der TU Kaiserslautern und schloss sein Studium mitseiner Diplomarbeit „Wirtschaftlichkeitsanalyse verschiedener solarer Klimatisierungs-konzepte“ am Fraunhofer ISE ab. Seit 2008 promoviert er am Institut für Energiewirtschaft undRationelle Energieanwendung (IER) und erhält seit Dezember 2008 ein Stipendium derReiner Lemoine-Stiftung. Sein Arbeitsgebiet umfasst die Erforschung der IntegrationErneuerbarer Stromerzeugung in das Stromnetz mit Hilfe von mobilen und stationärenSpeichertechnologien.

Dipl.-Ing. Rüdiger Barthstudierte Maschinenwesen an der Universität Stuttgart mit den Schwerpunkten Energiesystemeund Konstruktion. Seit 2003 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am IER und leitet heute die Fachgruppe für Elektrizitätssystemanalysen. Sein Arbeitsgebiet ist die Entwicklung undAnwendung stochastischer Elektrizitätsmarktmodelle zur Analyse der Nutzung und Integrationfluktuierender Einspeisung aus Erneuerbaren Energien und verteilter Stromerzeugung.

Dipl.-Wirtsch.-Ing. Jürgen Apfelbeckist Diplom-Wirtschaftsingenieur mit Abschluss an der Technischen Universität Dresden. Er ist seit 2007 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Energiewirtschaft und ratio-nelle Energieanwendung (IER) der Universität Stuttgart tätig. Die Schwerpunktthemen der Forschungsarbeit sind die Modellierung des Elektrizitätssektors mit Fokus auf das ThemaIntegration von Windkraft.

KontaktUniversität StuttgartInstitut für Energiewirtschaft und Rationelle EnergieanwendungHeßbrühlstraße 49a70565 StuttgartTel. 0711/ 685 87800Fax 0711/ 685 87873E-Mail: [email protected]: http://www.ier.uni-stuttgart.de

DIE AUTOREN

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