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Theorie der IR- und Ramanspektroskopie Spektreninterpretation und Strukturaufklärung Dieter Baurecht Institut für Biophysikalische Chemie, Universität Wien, 2006 (Version 24.03.2014)

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Theorie der IR- und Ramanspektroskopie

Spektreninterpretation und Strukturaufklärung

Dieter Baurecht

Institut für Biophysikalische Chemie, Universität Wien, 2006 (Version 24.03.2014)

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Inhalt Theorie der IR- und Raman Spekroskopie

Inhaltsverzeichnis

1 ELEKTROMAGNETISCHE STRAHLUNG 1

1.1 Spektralbereiche elektromagnetischer Strahlung 1

1.2 Energie der elektromagnetischen Strahlung 1

2 MOLEKÜLSCHWINGUNGEN 2

2.1 Vibrations-Energieniveaus im 2-atomigen Molekül 22.1.1 Modell des klassischen harmonischen Oszillators 22.1.2 Der quantenmechanische harmonischen Oszillators 32.1.3 Der quantenmechanische anharmonische Oszillator 4

2.2 Vibrationsmoden mehratomiger Moleküle 52.2.1 Schwingungsfreiheitsgrade, Normalschwingungen 52.2.2 Gruppenschwingungen und Gerüstschwingungen 52.2.3 Beispiel: Normalschwingungen der Amidbindung 7

2.3 IR-aktive Schwingungen 82.3.1 Beispiel CO2 Schwingungstypen 8

2.4 Rotationsschwingungen 92.4.1 Rotationsenergie 92.4.2 Termschema des rotierenden Oszillators 10

3 MESSMETHODEN DER IR-SPEKTROSKOPIE 12

3.1 Fourier Transform Infrarot (FTIR)-Spektrometer 12

3.2 ATR-Spektroskopie 13

4 RAMAN-SPEKTROSKOPIE 15

4.1 Teilchenmodell 15

4.2 Klassische Theorie der Raman Streuung 16

4.3 Raman-aktive Schwingungen 16

4.4 Raman-Spektrometer 18

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Theorie der IR- und Raman Spekroskopie Elektromagnetische Strahlung

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1 Elektromagnetische Strahlung

1.1 Spektralbereiche elektromagnetischer Strahlung Moleküle, Atome, Elementarteilchen, etc. besitzen verschiedene Energieformen: z.B. Rotation, Schwingungen, Spinn etc. Die Unterteilung der elektromagnetischen Strahlung in verschiedene spektroskopische Bereiche beruht im wesentlichen auf der Art der Wechselwirkung der jeweiligen Strahlungsenergie (Wellenlänge, Frequenz, Wellenzahl) mit möglichen Energieübergängen der unterschiedlicher Energieformen.

Abb. 1: Spektralbereiche und ihre Wechselwirkung mit Materie (aus 1

).

Radiowellenbereich (nmr, esr): Beruht auf Spin-Umkehr von Kernbausteinen (Neutronen, Protonen) oder Elektronen. Mikrowellenbereich (Rotations-Spektroskopie): Änderung der Rotationsenergie von Molekülen. Infrarotbereich (Vibrationsspektroskopie): Änderung der Schwingungsenergie von Molekülen. Sichtbarer und Ultraviolett (UV) Bereich (UV-Vis Spektroskopie): Übergänge von Valenzelektronen in Molekülen. Röntgen-Bereich (X-Ray): Übergänge in den inneren Schalen von Atomen oder Molekülen. γ-Strahlung: Umordnung von Kernbausteinen.

1.2 Energie der elektromagnetischen Strahlung Max Planck: Die Energie eines Lichtquants hängt nur von der Frequenz ν der elektromagnetischen Strahlung ab:

νλ

ν ~hcchhE === ( 1 )

mit dem Planck’schen Wirkungsquantum h, der Lichtgeschwindigkeit c und der in der Infrarotspektroskopie üblichen Wellenzahl λν /1~ = [cm-1].

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Molekülschwingungen Theorie der IR- und Raman Spektroskopie

2

2 Molekülschwingungen

2.1 Vibrations-Energieniveaus im 2-atomigen Molekül Klassisches Modell: Kräftegleichgewicht durch abstoßende Kräfte gleich geladener Teilchen (Atomkerne, Elektronenwolken) und anziehende Kräfte des Kerns eines Atoms mit der Elektronenwolke des anderen Atoms. Dadurch bleiben die Atome in einem mittleren Abstand, in dem die beiden Kräfte ausgeglichen sind. d.h. die Energie des Systems (Moleküls) ist ein Minimum.

2.1.1 Modell des klassischen harmonischen Oszillators Als einfachstes Modell für ein 2-atomiges Molekül kann die Kraft zwischen den Atomen wie eine Federkraft mit Hilfe des Hook’sches Gesetz beschrieben werden:

( )F k r r kFeder eq= − − = − ψ ( 2 )

req ... Gleichgewichtsabstand (Abb. 2)

( )ψ = −r req ... Auslenkung aus der Ruhelage k ... Kraftkonstante (Federkonstante) FFeder ... Rückstellkraft der Feder Negatives Vorzeichen: wird eine Masse in Richtung r bewegt so wirkt die Federkraft in Richtung -r. Betrachtet man die Energie, die man in das System stecken muss um die Feder auszulenken, benötigt man eine Kraft, die in Richtung von r wirken muss.

( )F k r r keq= − = ⋅ψ ( 3 )

Die dafür benötigte Energie ergibt sich zu:

( ) ( )E F r dr k r r keq= ′ ′ = − =∫ 2 2

2 2ψ ( 4 )

Dies ist die Energie die benötigt wird, um den Abstand der Atome von req auf r zu ändern (Abb. 2).

Abb. 2. Parabolischer Verlauf der Energie als Funktion der Änderung des Abstandes zwischen den zwei Atomen (das erste Atom A befindet sich in dieser Darstellung immer im Punkt r=0, aus 4).

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3

Wird eine Masse (Atom) dieses Systems ausgelenkt und losgelassen, so wird das System eine Schwingung um den Gleichgewichtsabstand req durchführen. In der Mechanik wird gezeigt, dass die Bewegung von zwei Teilchen mit den Massen m1 und m2 und dem Abstand req um einen gemeinsamen Schwerpunkt erfolgt. Die Bewegung der beiden Teilchen kann auf die Bewegung eines einzelnen fiktiven Teilchens reduziert werden. Die Masse dieses Teilchens bezeichnet man als reduzierte Masse µ

µ =⋅+

m mm m

1 2

1 2

( 5 )

Die Bewegungsgleichung dieses Systems erhält man, indem ein Kräftegleichgewicht zwischen der durch die Feder ausgeübten Kraft und der entgegen wirkenden Trägheitskraft ansetzt.

2

2

2

2

dtdk

FFdtdaF

TrägheitFeder

Trägheit

ψµψ

ψµµ

⋅=⋅−

=

⋅=⋅=

( 6 )

und erhält damit folgende Differentialgleichung

ddt

k2

22ψ

µψ ω ψ= − ⋅ = −

( 7 )

mit der Lösung

( )ψ ψ ω

ωµ

= ⋅ ⋅

=

0 sin t

k

mit

( 8 )

Die Frequenz ω ( 8 ) mit der das System schwingt hängt also nur von der reduzierten Masse µ und damit von beiden Massen m m1 2, , und von der Kraftkonstanten k ab.

2.1.2 Der quantenmechanische harmonischen Oszillators Beim klassischen harmonischen Oszillator hängt die Energie von der Auslenkung ψ 0 ab und ist somit kontinuierlich veränderbar. Die Lösung der Schrödingergleichung führt zu den quantenmechanisch möglichen Zuständen der untersuchten Systeme. Für den harmonischen Oszillator ergeben sich dabei folgende mögliche Energiezustände

E k h f kk osz= +

⋅ =

12

0 1 2 mit , , ... ( 9 )

Aus der Wechselwirkung mit dem elektromagnetischen Feld ergeben sich für ein 2-atomiges Molekül mit einem sich ändernden Dipolmoment nur folgende erlaubte Übergänge (Auswahlregel)

∆k = ±1 ( 10 ) Die Energiedifferenz eines Übergangs ist damit beim harmonischen Oszillator für alle Übergänge gleich (Abb. 3)

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Molekülschwingungen Theorie der IR- und Raman Spektroskopie

4

( )∆

E E E k h f k h f k k h f

E h f

i i i osz i osz i i osz

osz

= − = +

⋅ − +

⋅ = − ⋅

= ± ⋅

± ± ±1 1 112

12

( 11 )

Vergleicht man die benötigte Energiedifferenz für einen Übergang ( 11 ) mit der Energie einer einfallenden elektromagnetischen Welle

∆E h f hosz= ± ⋅ = ⋅ν ( 12 )

so erkennt man, dass die Schwingungsfrequenz des Moleküls f osz mit der Frequenz der elektromagnetischen Strahlung ν übereinstimmen muss, damit ein Übergang und damit die Absorption des Lichtquants möglich wird. Dies ist auch klassisch interpretierter. Das schwingende Molekül kann Strahlung nur dann absorbieren, wenn es mit einer kohärenten Schwingung (gleiche Frequenz) in Wechselwirkung tritt.

Abb. 3. Erlaubte Energieniveaus und Übergänge eines zweiatomigen Moleküls unter Annahme einer einfachen harmonischen Bewegung (aus 4).

Zum Schluss sei noch einmal darauf hingewiesen, dass ein 2-atomiges Molekül nur dann elektromagnetische Strahlung absorbieren kann, wenn es aus unterschiedlichen Atomen aufgebaut ist, da sonst kein sich änderndes Dipolmoment vorhanden ist (Die Auswahlregel für dieses System würde keine Übergänge ermöglichen).

2.1.3 Der quantenmechanische anharmonische Oszillator Der anharmonische Oszillator beschreibt ein realeres Energiepotential das durch die empirisch ermittelte Morsefunktion ( 13 ) gegeben ist (Abb. 4).

[ ]2)(.

.1 rraeq

eqeDE −−= ( 13 )

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Abb. 4 Erlaubte Schwingungsenergiezustände und exemplarische Übergänge eines 2-atomigen Moleküls unter Annahme des Energiepotentials eines anharmonischen Oszillators (aus 4).

Durch Lösung der Schrödingergleichung ergeben sich folgende Energieniveaus:

[ ] ...2,1,0mit ... x21 -

21 3

e

2

=±⋅⋅

+⋅

+= kfhkfhkE eek

( 14 )

Im Gegensatz zum harmonischen Oszillator sind aufgrund der Auswahlregeln hier auch Übergänge zwischen weiter entfernten Energieniveaus möglich (Übergänge höherer Ordnung).

,...3,2,1±=∆k ( 15 )

2.2 Vibrationsmoden mehratomiger Moleküle

2.2.1 Schwingungsfreiheitsgrade, Normalschwingungen Ein Molekül mit N Atomen besitzt 3N Bewegungsfreiheitsgrade. Translationen aller Atome in den 3 Raumrichtungen und Rotationen um die drei Koordinatenachsen ändern jedoch weder die Abstände der Atome noch die Winkel zwischen den Atomen. Es bleiben also 3N-6 Schwingungsfreiheitsgrade. Bei linearen Molekülen sind nur zwei Rotationsfreiheitsgrade abzuziehen, da eine Rotation um die Molekülachse die Lage der Atome nicht ändert. Lineare Moleküle besitzen also 3N-5 Schwingungsfreiheitsgrade. Diese 3N-6 (3N-5) Schwingungen heißen Normal- oder Grundschwingungen, bei denen sich alle Atome des Moleküls mit gleicher Frequenz und gleicher Phase bewegen.

2.2.2 Gruppenschwingungen und Gerüstschwingungen Bei großen Molekülen können niemals alle Normalschwingungen zugeordnet werden. Viele Funktionelle Gruppen besitzen jedoch charakteristische Schwingungen die weitgehend unabhängig vom Rest des Moleküls sind. Diese Schwingungen werden Gruppenschwingungen (Abb. 5, Abb. 6) genannt.

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Molekülschwingungen Theorie der IR- und Raman Spektroskopie

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Die Vielzahl der restlichen Normalschwingungen bilden hingegen oft ein charakteristisches Muster (Fingerprint) für das Molekülgerüst und werden daher Gerüstschwingungen (Abb. 6) genannt.

Abb. 5 Bezeichnungen für verschiedene Arten von Gruppenschwingungen (aus 2).

Abb. 6: Absorptionsbereiche des IR-Spektrums. Gruppenschwingungen und Gerüstschwingung von Aceton (aus 2).

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2.2.3 Beispiel: Normalschwingungen der Amidbindung Zur theoretischen Berechnung der Normalschwingungen der Amidgruppe wird ein vereinfachtes Modell der Amidbindung verwendet (3

Abb. 7

). Dabei werden neben den zentralen Atomen der Amidbindung O, C, N und H die vorne und hinten angrenzenden Strukturen nur mehr als zwei einzelne Teilchen betrachtet ( ).

Abb. 7: Modell der Amidbindung bei der die angrenzenden Strukturen nur mehr als einzelne Masseteilchen C1 und C4 betrachtet werden (aus 3).

Die Normalkoordinatenanalyse der 6 Teilchen ergibt 3*6-6=12 Normalschwingungen (Abb. 8).

Abb. 8: Normalschwingungen der modellhaften Amidbindung aus Abb. 7. (a) NH strech; (b) amide I; (c) amide II; (d) amid III; (e) amide IV; (f) amide V; (g) amide VI; (h) :amide VII; (i) 1070; (j) 909; (k) 498; (l) 274 (aus 3).

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2.3 IR-aktive Schwingungen Damit eine Molekülschwingung Infrarotlicht absorbieren kann, muss diese ein sich änderndes Dipolmoment besitzen. Klassisch gesehen muss die Schwingung ein elektromagnetisches Feld erzeugen, welches mit dem elektromagnetischen Feld der einfallenden Welle in Wechselwirkung treten kann. Das Dipolmoment

µ ist definiert als:

µ = ⋅q l ( 16 )

mit der Ladung q und dem Abstand zwischen den Ladungen l . Die Änderung des Dipolmomentes

mit der Zeit ist damit

Mddti =µ

( 17 )

Ist für eine bestimmte Schwingung

M i = 0, so kann diese Schwingung keine Infrarotstrahlung absorbieren. Dipolmomentsänderungen durch Vibrationen: Durch die Bewegung der einzelnen Atome kommt es zu Änderungen des Abstandes

l zwischen den Atomen. Besitzen die Atome zusätzlich

partielle Ladungen so verursachen diese Bewegungen Änderungen des Dipolmomentes.

2.3.1 Beispiel CO2 Schwingungstypen Symmetrische Streckschwingung (symmetric stretching vibration)

Abb. 9 Symmetrische Streckschwingung von CO2. Dipolmoment des gesamten Moleküls während der gesamten Bewegung gleich 0 (aus 4

Asymmetrische Streckschwingung (asymmetric stretching vibration) ).

Abb. 10 Asymmetrische Streckschwingung von CO2. Durch die asymmetrische Bewegung kommt es zu einer Änderung des Dipolmomentes (aus 4).

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Biegeschwingung (bending vibration)

Abb. 11 Biegeschwingung von CO2. Durch die Änderung der Bindungswinkel kommt es zu einer Änderung des Dipolmomentes (aus 4).

2.4 Rotationsschwingungen

2.4.1 Rotationsenergie Vor allem in gasförmigen Zustand, weisen Moleküle neben ihrer Schwingungsenergie auch Rotationsenergie auf (im flüssigen Zustand sind Rotationen stark behindert, im kristallisierten Zustand völlig eingefroren). Im klassischen Modell ergibt sich die Rotationsenergie zu

2

2ωIEr = ( 18 )

Für ein zweiatomiges Molekül ergibt sich für das Trägheitsmoment I

22

21

21222

211 rr

mmmm

rmrmI µ=+

=+= ( 19 )

Wird die Energie des rotierenden Systems wieder quantenmechanisch betrachtet ergibt die Lösung der entsprechenden Schrödinger-Gleichung die diskreten Energieeigenwerte (beachte, dass hier das Trägheitsmoment I im Nenner steht):

( ) ...2,1,018 2

2

=+= JJJI

hEr π

( 20 )

Die Rotationsquantenzahl J kann somit 0 oder positive ganzzahlige Werte annehmen. Ein Molekül im Rotationsgrundzustand J=0 weist somit im Gegensatz zum Schwingungszustand keine Rotationsenergie auf. Unterschiede in den Rotationsniveaus sind umso kleiner, je größer das Trägheitsmoment I ist.

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Abb. 12: Termschema des rotierenden Oszillators (schematisch, in einer maßstäblichen Darstellung sind die Abstände der Rotationsterme relativ zu den Abständen der Schwingungsniveaus kleiner, aus 5

).

2.4.2 Termschema des rotierenden Oszillators Selbstverständlich führen die Moleküle Rotations- und Schwingungsbewegungen gleichzeitig aus. Damit setzt sich die Molekülenergie aus den Energieanteilen des anharmonischen Oszillators und des starren Rotators zusammen (Abb. 12). Als Auswahlregeln für den Übergang der Rotationsquantenzahl gilt

1±=∆J ( 21 ) In Ausnahmefällen (z.B. paramagnetische Moleküle)…… auch

1,0 ±=∆J ( 22 )

Damit ergibt sich für ein Rotationsschwingungsspektrum beim Übergang eines Schwingungsniveaus eine Vielzahl von Möglichkeiten für die Übergänge der Rotationsniveaus und daher auch eine Vielzahl an Banden im Spektrum (sofern diese messtechnisch aufgelöst werden, Abb. 13).

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Abb. 13: Mögliche Energieübergänge beim rotierenden Oszillator. Übergang vom Schwingungs-Grundzustand in das erste angeregte Schwingungsniveau bei gleichzeitig auftretenden Rotationsniveaus. Meistens sind nur Übergänge mit Änderung der Rotationsquantenzahl J = +1 (R-Zweig) oder –1 (P-Zweig) erlaubt.

Abb. 14: Gasspektren von Luft. Oben: Bei einer Geräteauflösung von 4cm-1 können die Rotationsbanden der H2O Streckschwingungen (4000cm-1 - 3400cm-1) und der H2O Biegeschwingung (2000cm-1 - 1200cm1) aufgelöst werden. Die Rotationsbanden des CO2 liegen aufgrund des hohen Trägheitsmoments so Nahe beisammen, dass nur mehr die Struktur des P und R Zweigs erkennbar ist. Insert: Biegeschwingung des CO2 bei hoher Geräteauflösung. Wird das Gasspektrum mit sehr hoher Auflösung gemessen, können auch die Rotationsniveaus der CO2 Schwingungen aufgelöst werden. Bei der Biegeschwingung des CO2 ist deutlich der hier zusätzlich erlaubte Q-Zweig zu erkennen. Unten: Das gleiche Spektrum wie oben mit einer Auflösung von 16cm-1 gemessen. Hier verschwimmen auch die Rotationsbanden des Wasserdampf zu einer breiten Bande, die nur mehr die Struktur des P und R-Zweigs darstellt.

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Messmethoden der IR-Spektroskopie Theorie der IR- und Raman Spektroskopie

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3 Messmethoden der IR-Spektroskopie Um ein IR-Spektrum zu erhalten, muss man die Intensität der IR-Strahlung in Abhängigkeit von der Wellenlänge messen können. Seit den achtziger Jahren haben die klassischen IR-Spektrometer (mit Beugungsgitter oder Prismen als Monochromator) entscheidend zugunsten der leistungsfähigeren FTIR-Spektrometer (FT = Fourier Transform, 3.1) an praktischer Bedeutung verloren. Um Transmissions- und/oder Absorptionsspektren zu ermitteln, muss die Intensitätsverteilung der IR-Strahlung vor der Probe I0(ν) sowie die Intensität I(ν), der im IR-Strahl vorkommenden Wellenlängen nach der Probe bekannt sein. Da die Konstruktion von Spektrometern eine Vielzahl von optischen Elementen erfordert, ist es nicht möglich, die Intensitätsverteilungen der IR-Strahlung direkt vor bzw. nach der Probe zu messen. Transmissions- und Absorptionsspektren können jedoch auch berechnet werden, wenn man die Intensitätsverteilung der IR-Strahlung einmal ohne Probe (Referenzspektrum = I0(ν)) und einmal mit der Probe im Strahlengang (Einkanal-spektrum der Probe = I(ν)) misst. Dazu wird der IR-Strahl in zwei Lichtbündel gleicher Intensität aufgeteilt, von denen eines die Probe durchläuft. Das zweite Lichtbündel dient als Vergleichsstrahl (Referenz) und durchläuft, z.B. bei Lösungen, eine Küvette mit dem reinen Lösungsmittel. Als weitere und bei modernen Fair-Geräten übliche Möglichkeit können Referenz- und Probenmessungen zeitlich getrennt, im selben Strahlengang durchgeführt werden. Das Spektrometer enthält eine Strahlungsquelle, die ständig einen für das entsprechende Spektrometer charakteristischen Frequenzbereichbereich emittiert. Als Strahlungsquelle im IR-Bereich kommt z.B. eine Wendel aus Siliciumcarbid (Globar) zum Einsatz, die bei einer Temperatur von 1500 K, IR-Strahlung produziert. Mittels optischer Komponenten (i.a. Spiegel) wird der IR-Strahl gebündelt und nach dem Durchstrahlen eines Probenraumes über einen Monochromator, der die Strahlung in seine einzelnen Frequenzbereiche zerlegt, zu einem Detektor geleitet [in FTIR-Spektrometern durchläuft der Strahl vor der Probe ein Interferometer (Abb. 14) und keinen Monochromator]. Der Detektor registriert die Intensität der einfallenden Strahlung, und wandelt diese in elektrische Signale um, die von einem Schreiber als Spektrum aufgezeichnet werden können. Die Signale können auch von einem Computer, mit zusätzlichen Elektronik-Komponenten erfasst, und EDV-mäßig weiterverarbeitet werden.

3.1 Fourier Transform Infrarot (FTIR)-Spektrometer Bei FTIR-Spektrometern wird am Detektor das sogenannte Interferogramm aufgezeichnet. Dieses wird erst durch eine nachträgliche Fourier-Transformation in ein konventionelles IR-Spektrum umgewandelt (Abb. 14).

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Theorie der IR- und Raman Spektroskopie Messmethoden der IR-Spektroskopie

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Abb. 15. Blockdiagramm eines FTIR Spektrometers. Die Abbildung zeigt auch das Interferogramm einer monochromatischen Lichtquelle λ (z.B. Laser) und das daraus, durch die Fourier-Transformation erhaltene Spektrum. δ...optischer Wegunterschied zwischen festen und beweglichen Spiegel (path difference, retardation, aus 6

3.2 ATR-Spektroskopie

).

In Abb. 15 wird die konventionelle Transmissions-Technik und die ATR-Technik (Abgeschwächte Total Reflexion) gegenübergestellt. Bei der ATR-Technik wird die Probe in engen Kontakt mit dem, im IR-Bereich transparenten ATR-Kristall gebracht. Der Einfallswinkel des IR-Stahls θ muss größer sein als der kritische Winkel, ab dem im ATR-Kristall Totalreflexion auftritt. Die Strahlung wird dadurch an der Grenzfläche zwischen Kristall und Probe totalreflektiert. Bedingt durch die physikalischen Eigenschaften der Totalreflexion (Stetigkeit des elektromagnetischen Feldes) dringt das elektromagnetische Feld dabei auch in das angrenzende Medium (Probe) ein. Dabei kann von der Probe Strahlung absorbiert und die Strahlungsintensität abgeschwächt werden.

Abb. 16: Vergleich von Transmissions- und ATR-Spektroskopie. n1, n2 Brechungsindizes des ATR-Kristalls (n1) und der Probe (n2), D Detektor (aus 7).

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Messmethoden der IR-Spektroskopie Theorie der IR- und Raman Spektroskopie

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Die Feldstärke, der in das angrenzende Medium eindringenden Strahlung, nimmt exponentiell mit der Tiefe ab. Die Eindringtiefe des Strahls dp, gibt die Tiefe an, bei der die Feldstärke nur mehr den 1/e-ten Teil der Feldstärke im Kristall besitzt. Sie wird von mehreren Größen beeinflusst:

dn n n

pVakuum=

⋅ ⋅ −=

⋅ ⋅ ⋅ −

λ

π θ

λ

π θ12 2 2 2 22 2

21 1 2(sin ) (sin )

( 23 )

λ1(=λVakuum/n1) gibt die Wellenlänge der Strahlung im Kristall an, θ den Einfallswinkel des IR-Strahls im Kristall (Abb. 15) und n21 das Verhältnis der Brechungsindizes im Kristall n1 und in der Probe n2 (n21=n2/n1). Da im allgemeinen weder die Wellenlänge λ1 noch der Brechungsindex der Probe n2 frei gewählt werden kann, ist eine Änderung der Eindringtiefe nur durch den Brechungsindex des Kristalls n1 und den Einfallswinkel θ möglich. Der Einfallswinkel θ wird jedoch auch von der Geometrie der optischen Elemente vorgegeben (Abb. 16). Soll bei der Untersuchung von dünnen Schichten die Eindringtiefe gering sein, um den hinter der Schicht liegenden „Background“ aus der Messung auszuschließen, muss also n1 möglichst groß sein.

Abb. 17: Schematischer Aufbau einer ATR-Optik. Über die Spiegel S wird das IR-Licht auf den ATR Kristall gelenkt. In diesem kommt es auf der oberen und der unteren Grenzschicht zu mehreren Totalreflexionen. Auf der Austrittsseite wird das IR-Licht wiederum von Spiegeln in den ursprünglichen Strahlengang abgelenkt (aus 7).

Der praktische Aufbau einer ATR-Optik ist in Abb. 16 dargestellt. Durch mehrere Totalreflexionen wird erreicht, dass die zu untersuchende Schicht mehrmals „durchdrungen“ wird (aktive Totalreflexionen). Damit kann auch bei extrem dünnen Proben (z.B. Monoschichten) eine, für die Analyse ausreichende Gesamtabsorption erreicht werden. Zusätzlich kann die Probe auf beiden Seiten des Kristalls aufgetragen werden, was zu einer Verdoppelung aktiver Totalreflexionen führt.

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Theorie der IR- und Raman Spektroskopie Raman-Spektroskopie

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4 Raman-Spektroskopie Wenn Licht Materie durchdringt kommt es neben den bereits besprochenen Wechselwirkungen (Absorptionen) auch zu reinen Streueffekten. Wird das Licht vollkommen elastisch gestreut, hat das gestreute Licht die selbe Energie wie vor der Streuung, allerdings eine andere Richtung (Rayleigh Streuung). Wird eine Probe mit monochromatischem Licht durchstrahlt misst man in allen Raumrichtungen das gestreute Licht mit gleicher Wellenlänge. Zusätzlich findet man aber in der Streustrahlung auch Licht mit diskreten Frequenzen knapp über und knapp unter der Frequenz des ursprünglichen einfallenden Lichts. Der Effekt wurde 1923 von Adolf Smekal vorhergesagt – deswegen auch ab und zu als Smekal-Raman-Effekt bezeichnet - und 1928 durch Raman und Krishnan (an Flüssigkeiten) sowie unabhängig davon durch Grigory Landsberg und Leonid Mandelstam (an Kristallen) nachgewiesen. Raman erhielt dafür 1930 den Nobelpreis für Physik. Der Anteil des frequenzverschobenen Lichtes ist jedoch um einen Faktor 103 bis 104 geringer als der des elastisch gestreuten Lichtes, welches als Rayleigh-Streuung bezeichnet wird.

4.1 Teilchenmodell Wird Licht als Teilchen (Photon) betrachtet, so ist die Energie eines Photons hν. Die Photonen können nun Stöße mit den Molekülen eingehen. Ist der Stoß vollkommen elastisch, werden die Teilchen in Ihrer Energie ungeändert abgelenkt. Kommt es jedoch zu einer inelastischen Kollision kann Energie zwischen dem Teilchen und dem Photon ausgetauscht werden. Das Molekül kann dabei Energie in der Höhe ∆E vom Photon aufnehmen oder auch an das Photon abgeben. ∆E muss dabei wiederum dem Unterschied in den Energieniveaus vibratorischer (oder rotatorischer) Energiezustände des Moleküls entsprechen. Wenn das Molekül Energie vom Photon aufnimmt so wird das gestreute Licht nur mehr die Energie hν-∆E, bzw. die Frequenz ν-∆E/h aufweisen. Umgekehrt wird die Frequenz des gestreuten Photons bei Energieaufnahme um ∆E/h erhöht. Die gestreute Strahlung mit um ∆E/h niedrigerer Frequenz wird als Stokes Strahlung bezeichnet, die Strahlung mit höherer Energie als Anti-Stokes Strahlung (Abb. 17). Die Intensität der Stokes Strahlung ist generell intensiver jedoch noch immer klein gegenüber der Intensität der Raleigh Streuung.

Abb. 18: Prinzipielle Darstellung eines Raman-Spektrums. Man erkennt, dass die Raman-Linien unterhalb und oberhalb der Rayleigh-Linie symmetrisch angeordnet sind. Die jeweiligen Wellenzahlverschiebungen entsprechen den Schwingungsfrequenzen des Moleküls. Die Verschiebung zu niedrigeren Wellenzahlen (niedrigere Frequenz und niedrigere Energie) nennt man Stokes-Verschiebung und die dazugehörigen Banden bezeichnet man als Stokes-Linien. Dementsprechend bezeichnet man die Verschiebung zu höheren Wellenzahlen (höhere Frequenz und höhere Energie) als Anti-Stokes-Verschiebung und die Banden als Anti-Stokes-Linien. Die Wellenzahl der Rayleigh-Linie entspricht in Wirklichkeit der Wellenzahl der anregenden Strahlung. Um die Raman-Spektren einfacher mit IR-Spektren vergleichen zu können, setzt man den Wert der Rayleigh-Linie auf Null. Der Betrag der Raman-Verschiebungen ist aber für alle Anregungswellenlängen gleich. Desweiteren misst man in der Raman-Spektroskopie häufig nur die Stokes-Linien, da sie intensiver als die Anti-Stokes-Linien sind. Deshalb wird das negative Vorzeichen oft weggelassen (von: http://www.chemgapedia.de).

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4.2 Klassische Theorie der Raman Streuung Die klassische Beschreibung der Raman Streuung beruht auf dem Begriff der Polarisierbarkeit von Molekülen. Wenn ein Molekül einem elektrischen Feld ausgesetzt wird kommt es zu Änderungen in der Ladungsverteilung im Molekül und einem damit verbundenem induzierten Dipolmoment. Die Größe des induzierten Dipols µi hängt von der Größe des äußeren elektrischen Feldes E und der Fähigkeit des Moleküls den Dipol zu induzieren (Polarisierbarkeit α) ab.

Ei αµ = ( 24 )

Wird das Molekül dem Feld einer elektromagnetischen Welle

( )tEE πν2sin0= ( 25 )

ausgesetzt wird der induzierte Dipol ebenfalls mit dieser Frequenz oszillieren

( )tEEi πνααµ 2sin0== ( 26 )

Wird die Polarisierbarkeit α jedoch auch durch Änderungen der Molekülgeometrie, z.B. durch Vibrationen des Moleküls beeinflusst, so ist α nicht mehr konstant sondern wird durch die Molekülschwingung moduliert,

( )tMM πνααα 2sin0 += ( 27 )

und der induzierte Dipols µi wird zu

( ) ( ) ( )ttEtE MMi πνπναπναµ 2sin2sin2sin 000 += ( 28 )

Mit Hilfe der trigonometrischen Relation

( ) ( ) [ ])cos()cos(21sinsin βαβαβα +−−= ( 29 )

wird ( 28 ) zu

( ) ( )( ) ( )( )[ ]tvtvEtE MMMi +−−+= νπνπαπναµ 2cos2cos212sin 000 ( 30 )

Damit hat der oszillierende Dipol Frequenzkomponenten mit ν und Mvν .

4.3 Raman-aktive Schwingungen Die Frequenzkomponenten mit den Frequenzen der Stokes und Anti-Stokes Linien, Mvν treten nach ( 30 ) nur auf, wenn 0≠Mα ist. Eine Molekülschwingung ist daher nur dann Raman-aktiv, wenn die Molekülschwingung die Polarisierbarkeit des Moleküls moduliert. Wenn ein Molekül eine geringe oder keine Symmetrie aufweist sind im allgemeinen alle Schwingungsmoden Raman-aktiv. Bei Molekülen mit höherem Symmetriegrad ist es im allgemeinen nicht ohne nähere Untersuchungen möglich, eine Aussage zu treffen ob einzelne Schwingungsmoden die Polarisierbarkeit des Moleküls modulieren und damit Raman-aktiv sind. Eine allgemein gültige Regel (mutual exclusion) ist jedoch, dass bei Molekülen mit Symmetriezentrum Infrarot-aktive Schwingungen Raman-inaktiv und IR-inaktive Schwingungen Raman-aktiv sind. Als Beispiel dafür ist in Abb. 18 die Änderung der Polarisierbarkeit α und des Dipolmoments µ bei der symmetrischen und asymmetrischen Streckschwingung des CO2-Moleküls gezeigt (siehe auch Abb. 9-Abb. 11). Im Prinzip liefert die Ramanstreuung dieselbe Information wie die Infrarotabsorption, nämlich die Frequenzen der Molekülschwingungen. Beide Effekte beruhen jedoch auf ganz unterschiedlichen physikalischen Prozessen. Infrarotabsorption geschieht dann, wenn die Molekülschwingung eine Änderung des permanenten Dipolmoments verursacht, während Ramanstreuung auftritt, wenn die

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Molekülschwingung die Polarisierbarkeit moduliert. Zusätzlich existieren für Ramanstreuung und Infrarotabsorption unterschiedliche Auswahlregeln, die von den Symmetrieeigenschaften des Moleküls abhängen.

Abb. 19: Änderung der Polarisierbarkeit α und des Dipolmoments µ bei der symmetrischen und asymmetrischen Streckschwingung des CO2-Moleküls (aus 2).

Die Raman-Spektroskopie eignet sich daher besonders zur Charakterisierung unpolarer oder wenig polarer Bindungen, wie z. B. C≡C, C=C, N=N, C-C, O-O, S-S sowie von Ringen. Die Gerüstschwingungen von (C-C)-Bindungen in Ringen sind im Raman-Spektrum meist wesentlich stärker als im IR-Spektrum. Dadurch lassen sich die Strukturen von Molekülgerüsten zuordnen. Umgekehrt sind die starken und charakteristischen IR-Banden polarer Gruppen wie C=O und O-H im Raman-Spektrum nur schwach vertreten. Dies ermöglicht, auch Wasser als Lösungsmittel zu verwenden. In der IR-Spektroskopie ist Wasser wegen seiner starken Eigenabsorption ein schlecht geeignetes Lösungsmittel. Dagegen können von wässrigen Lösungen ohne weiteres Raman-Spektren aufgenommen werden, da in Glasküvetten gearbeitet wird und Wasser ein linienarmes, wenig intensives Raman-Spektrum besitzt. Ein Vergleich zwischen den Banden des Raman- und IR-Spektrums von Dichlorethylen ist in Abb. 19 und in Tab. 1 dargestellt.

Abb. 20: IR-Transmissionsspektrum und Laser-Raman-Spektrum von Dichlorethylen. Die Bandenzuordnung ist in Tab. 1 angegeben (aus 2).

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Tab. 1: Zuordnung der IR- und Ramanbanden von Dichlorethylen (Abb. 19, aus 2).

4.4 Raman-Spektrometer Zur Messung des Raman-Spektrums benötigt man monochromatisches Licht aus einer sehr intensiven Lichtquelle, dessen Wellenlänge zwischen dem UV- und IR-Gebiet liegen muss, da dort mit wenig Störabsorptionen zu rechnen ist. Allerdings können Fluoreszenz-Strahlungen aus Verunreinigungen der zu untersuchenden Probe das intensitätsschwache Raman-Streulicht vollkommen überdecken und die Aufnahme eines Raman-Spektrums unmöglich machen. Die Einführung des Lasers in den sechziger Jahren hat die benötigten Substanzmengen auf wenige Milligramm reduziert, die Registrierzeit von Stunden auf Minuten verkürzt und gleichzeitig das Signal-Rausch-Verhältnis verbessert. Ursache ist die enorme Steigerung der Bestrahlungsdichte (ca. 10 Größenordnungen) gegenüber dem leistungsschwachen Quecksilber-Niederdruck-Brenner.

Abb. 21: Schematischer Aufbau eines klassischen dispersiven Raman-Spektrometers. Das aus der Laser-Lichtquelle kommende monochromatische Licht tritt durch die Probe und wird vom Spiegel S1 reflektiert, um die Intensität zu verdoppeln. Das Raman-Streulicht wird meist quer zur Durchstrahlungsrichtung beobachtet und mit einer Linse auf den Eintrittsspalt 1 fokussiert. Der Spiegel SZ verdoppelt die Intensität des Streulichtes. Am Gitter wird die Streustrahlung spektral zerlegt und nach Durchgang des Austrittsspaltes 2 auf den photoelektrischen Detektor fokussiert (aus 2).

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In Abb. 20 ist der Aufbau eines dispersiven Raman-Spektrometers schematisch angegeben. Ein großer Vorteil dispersiver Raman-Geräte besteht in der Vielzahl der einsetzbaren Laserquellen überwiegend im sichtbaren Spektralbereich. Fluoresziert z.B. eine Substanz, so kann schon der Wechsel der Erregerlinie zu einem auswertbaren Spektrum führen. Des Weiteren ergeben die Wellenlängen im sichtbaren Bereich höhere Raman-Intensitäten als die bei den FT-Raman-Geräten genutzte Anregung mit Wellenlängen im nahen Infrarotbereich. Aktuelle FT-Raman-Spektrometern benutzten den Neodym-YAG-Laser als Lichtquelle. Er emittiert bei 1064 nm, einer Energie, die für die Anregung der störenden Fluoreszenz nicht ausreicht. Erkauft wird dieser Vorteil mit einer erheblich geringeren Intensität des Raman-Streulichts, die den Einsatz der Fourier-Transform-Technik zur Detektion erfordert. Da deren Vorteile jedoch den Intensitätsverlust des Neodym-YAG-Lasers überkompensieren, dürften die FT-Geräte auch im Raman-Bereich die klassischen Spektrometer ablösen. Eine Alternative dazu sind Arraydetektoren, die im Raman-Spektrum zu detektierenden UV-Vis Bereich wesentlich günstiger sind als im IR-Bereich. Weitere verwendete Anregungswellenlängen sind 785 nm, 633 und 532 nm. Literatur 1 Banwell CN, Fundamentals of Molecular Spectroscopy, 2nd Ed., Mc Graw Hill,1972. 2 Hesse M, Meier H und Zeeh B., Spektroskopische Methoden in der organischen Chemie, 5.

Auflage, 1995. 3 Krimm S und Bandekar J, Vibrational Spectroscopy and Conformation of Peptides, Polypepdides,

and Proteins. Advances in Protein Chemistry 38, 1986. 4 Banwell CN, Fundamentals of Molecular Spectroscopy, 2nd Ed., Mc Graw Hill,1972. 5 Günzler H, Gremlich H-U (2003) IR-Spektroskopie, WILEY-VCH, Weinheim. 6 Perkins 1986 7 Fringeli UP 1992, in Mirabella, FM (Ed.), Internal Reflection Spectroscopy, Theory and

Applications, Marcel Dekker 1992, Chpt. 10, 255-324.