Theory of Mind - LMU

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Seminar Entwicklungsstörungen Wintersemester 2010 / 2011 Dozentin: Frau Dr. Perst Theory of Mind bei normaler sozial-kognitiver Entwicklung 20.01.2011 Folie: 1 bei normaler sozial-kognitiver Entwicklung und Autismus

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Seminar Entwicklungsstörungen

Wintersemester 2010 / 2011

Dozentin: Frau Dr. Perst

Theory of Mind

bei normaler sozial-kognitiver Entwicklung

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bei normaler sozial-kognitiver Entwicklung

und Autismus

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Überblick

�Definition Theory of Mind

� Theory of Mind Entwicklung / Defizite Autismus

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� False Belief

� ToM und Gehirn

� Zusammenfassung

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Zitat von Jim Sinclair, Autist

"Jeder von uns, der lernt, mit euch zu sprechen, jed e von uns, die lernt, in eurer Gesellschaft zu funktionieren, jeder von uns, der die Hand ausstrec kt, um eine Verbindung zu euch herzustellen, bewegt

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sich auf außerirdischem Territorium und nimmt Kontakt zu außerirdischen Wesen auf".

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Theory of Mind

Definitionen

� alltagspsychologische Konzepte, die genutzt werden, um

uns und anderen mentale Zustände zuzuschreiben

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� grundlegendes Verständnis, wie der Verstand funktioniert und wie er das Verhalten beeinflusst

� erklärt das geistige Funktionieren des Menschen anhand psychologischer Konstrukte (Wünsche, Überzeugungen, Wahrnehmungen, Gefühle)

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Frühe soziale Interaktion – Vorläufer ToM

� von Geburt an Präferenz für menschliche Gesichtskonfigurationen

� Augen werden früh als wichtige soziale Informationsquelle identifiziert

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� Imitation einiger Gesichtsbewegungen bei Neugeborenen (z.B. Mund öffnen)

� in den ersten sechs Monaten: Diskrimination zw. Menschen und unbelebten Objekten sowie unterschiedliches Verhalten (responsivesVerhalten)

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Frühe soziale Interaktion – Vorläufer ToM

� bis sechs Monate: dyadische Interaktion mit anderen Personen / Objekten

ab neun Monate� zunehmende Interaktionskompetenz → triadische

Interaktionen (referentielles Dreieck / joint attention)

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Interaktionen (referentielles Dreieck / joint attention)

� Folgen der Blickrichtung Erwachsener auf Referenzobjekt(Suchen und Nutzen sozialer Hinweisreize; „social referencing“)

� Nutzen von Objekten wie Erwachsene (Imitationslernen)

� kommunikative Gesten

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Frühe soziale Interaktion – Vorläufer ToM

Bei Autismus

� wenig oder kein Blickkontakt → CLIP

� wenig Gestik, wenig Imitation, wenig responsives Verhalten

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� Fehlen der Joint Attention� wenn Joint Attention, Fehlen des positiven Affekts� Hinweis darauf, dass Erfahrungen nicht spontan mit anderen geteilt

werden→ Beeinträchtigt die Entwicklung von „social skills“ und Interaktion mit

anderen

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Theory of Mind-Entwicklung

Theoretische Interpretation zum Handlungsverständni s amEnde des ersten Lebensjahres:

� Kinder interagieren nicht nur mit anderen Personen mit Bezug auf konkrete Handlungsziele

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sondern

� repräsentieren auch Personen als intentionale Agenten

→ Repräsentation zielgerichteten Handelns als Hinweis auf beginnende Fähigkeit, sich selbst und anderen mentale Zustände zuzuschreiben.

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Repräsentation mentaler Zustände im zweiten Lebensjahr

� Entwicklung empathischen Verhaltens (ab 18 bis 24 Monate)

� Spiegelbild erkennen (ab 16 bis 24 Monate) als Indikator für beginnende Selbst-Objektivierung

� Symbolspiel (ab 18 Monate)

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� Symbolspiel (ab 18 Monate)

� Repräsentation von Wünschen und Absichten (ca. 2 Jahre)� verbale Äußerungen� Erkennen von Subjektivität von Wünschen

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Beispiel "Empathie" bei Bildbeschreibung

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Repräsentation mentaler Zustände im zweiten Lebensjahr

Bei Autismus

� Schwierigkeiten, Emotionen zu erkennen (Gesichter lesen)

� fehlende Empathie → Clip

� auch später große Schwierigkeiten bei „Reading the Mind in the Eye

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� auch später große Schwierigkeiten bei „Reading the Mind in the Eye Test“

� wenig oder kein Symbolspiel → evtl. Hinweis auf Unfähig-keit eigene Phantasie reflektieren zu können

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ToM im dritten und vierten Lebensjahr

� Erkennen Zusammenhang zwischen Wunsch, Handlungsergebnis, emotionaler Reaktion (ab 30 bis 36 Monate)

� Verständnis Wunsch / Handlung

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→ Wünsche und Absichten werden früher verstanden als Überzeugungen

→ Wünsche und Emotionen werden als subjektive psychologische Zustände verstanden und als Erklärung von Verhalten eingesetzt

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ToM im dritten und vierten Lebensjahr

Sehen und Wissen

� Seeing-leads-to-knowing Prinzip wird von normal entwickelten Dreijährigen verstanden

� autistische Kinder verstehen das Prinzip nicht

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� autistische Kinder verstehen das Prinzip nicht

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Entwicklung des Konzepts der Überzeugung und verwandter Konzepte

Fähigkeit zwischen Überzeugung und Realität zu unterscheiden, und aus Überzeugungen Handlungsvorhersagen abzuleiten, markiert Theory of Mind!

� größter Teil der Forschung beschäftigt sich

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� wann werden Überzeugungen unabhängig von der Realität repräsentiert?

� handelt es sich hierbei um ein genuines Entwicklungsphänomen?

→ False Belief Aufgaben

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ToMFalse Belief – Konzept der Überzeugung

Maxi und die Schokolade

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ToMFalse Belief

Befunde

� gravierendes begriffliches Problem bei Kindern unter vierJahren

� verfügen nicht über den Begriff „Überzeugung“

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� kein Verständnis dafür, dass sich subjektive Überzeugungen von der Realität unterscheiden können

Experimente zum Lügen/Täuschen bestätigen diese Befunde

� Evidenz für Verständnis von Überzeugungen

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Autismus – False Belief und False Photo(Leekam & Perner, 1991)

False Photo Task

� Puppe Judy hat zwei Kleider, ein rotes und ein grünes.� Judy zieht das ROTE Kleid an� Mit diesem Apparat machen wir jetzt ein Bild, wenn Du

draufdrückst, macht es „Klick“. Wir bekommen dann ein Bild von Judy, in der sie das Kleid in der Farbe anhat.

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Bild von Judy, in der sie das Kleid in der Farbe anhat.

Warten auf das Foto� Während wir warten, zieht Judy das grüne Kleid an.

Bild ist entwickelt, Frage bevor Foto gezeigt wird� Welche Farbe hat Judy jetzt an?� Welche Farbe hatte Judy an, als es „Klick“ gemacht hat?� Welche Farbe hat Judy auf dem Foto an?

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Autismus – False Belief und False Photo(Leekam & Perner, 1991)

False Belief Task

� Das ist Judy, sie hat zwei Kleider in verschiedenen Farben. Wir ziehen ihr das ROTE Kleid an.

� Da kommt Susan, die Freundin von Judy. Sie will sehen was Judy für ein Kleid trägt.

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ein Kleid trägt.

� Welche Farbe sieht Susan? Sie sagt: „Ah, heute hast Du was Rotes an“.

� Susan geht um einen Gürtel für Judy zu holen. Wir müssen warten. Inzwischen können wir Judy das GRÜNE Kleid anziehen.

� Welche Farbe trägt Judy jetzt?� Welche Farbe hatte Judy an als Susan da war?� Was glaubt denn Susan, welche Farbe das Kleid von Judy hat?

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Autismus – False Belief und False Photo

Ergebnisse

� Autistische Kinder besonders gut bei False Photo Task(95 Prozent richtig gelöst), bei False Belief Task nur 32 Prozent richtig

� normal entwickelte Kinder bei Photo Task:

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� normal entwickelte Kinder bei Photo Task:3jährige: 44 Prozent richtig4jährige: 58 Prozent richtig

� normal entwickelte Kinder bei False Belief:3jährige: 25 Prozent richtig4jährige: 74 Prozent richtig

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Autismus – Täuschung / Lüge

Täuschung und Lüge bei Autismus

� ab 4 Jahren wird Täuschung und Lüge von normal entwickelten Kindern praktiziert

� autistische Kinder haben Probleme

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� autistische Kinder haben Probleme� Täuschungen / Lügen zu verstehen� Täuschungen / Lügen selbst anzuwenden

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ToM Unterscheidung Schein und Sein

Fragen zur Identität des Objekts

� Was ist das?� Was ist das wirklich?� Ist es ein Schwamm oder ein Felsbrocken?

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� Vierjährige: korrekte Antwort, also Unterscheidung zw. Aussehen und Realität

� Dreijährige: falsche Antwort

Bei Autismus� Objekt ist Schwamm oder Fels, erkennen aber nicht die „doppelte“ Identität

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Weitere Entwicklung Theory of Mind

� Theory of Mind-Entwicklung mit fünf Jahren nicht abgeschlossen→ wesentliche Erweiterung und Differenzierung zw. vier und sechs Jahren

� spätere Entwicklung weniger gut erforscht als Entwicklung der Basisbegriffe

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Basisbegriffe

� First-Order-Belief mit ca. vier Jahren

� Second-Order-Belief: Entwicklung des Verständnisses, dass jemand eine falsche Überzeugung über eine Überzeugung haben kann (ab ca. sechs Jahren)

� SOB als Voraussetzung für Verständnis komplexer Sprechakte (Ironie, Witz)

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Weitere Entwicklung Theory of Mind

Bei Autismus

� fehlendes Verständnis für Witz, Ironie, Metaphern

� „to have a sharp tongue“

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� „to have a sharp tongue“

� Beispiel „Schuh / Tasse“→ 3jährige: Witz, Vortäuschung→ Autisten: falsch verstanden

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Theory of Mind und Gehirn

� ToM vermittelt durch Netzwerk verschiedener Gehirnareale� frontale, limbische sowie temporale Strukturen zentral wichtig� Hinweise, dass diese Areale bei autistischen Menschen nicht zu

gleichen Teilen rekrutiert werden

� Amygdala ?

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� Amygdala ?

� Spiegelneurone ?

� u.a. Teile des präfrontalen Kortex wichtig für soziale Kognition → Probanden mit ASS zeigten verringerte Aktivität beiauditiver ToM-Aufgabe

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Zusammenfassung

� Theory of Mind-Forschung: wesentlicher Beitrag zum Verständnis der kognitiven Entwicklung

� zwischen drei und vier Jahren Erwerb des Konzepts der Überzeugung (belief) → Fähigkeit, mentale Zustände unabhängig

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von der Realität zu repräsentieren

� hieraus Ableitung von Handlungsvorhersagen und Zuschreibung mentaler Zustände

� genuines Entwicklungsphänomen (evident aus Forschung)

� bei Autismus ToM-Defizite

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Literatur

Baron-Cohen, S. (2001). Theory of mind in normal development and autism. Prisme, 34, 174-183.

Bölte, S. (2009). Autismus. Bern: Huber.

Leekam, S. R. & Perner, J. (1991). Does the autistic child have a metarepresentationaldeficit? Cognition, 40, 203-218.

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Oerterer, R. & Montada, L. (2008). Entwicklungspsychologie. Weinheim: Beltz.

Siegler, R., DeLoache, J., & Eisenberg, N. (2005). Entwicklungspsychologie im Kindes-und Jugendalter. Spektrum: Akademischer Verlag.

Sodian, B. & Thoermer, C. (2006). Theory of Mind. In W. Schneider & B. Sodian(Hrsg.), Enzyklopädie der Psychologie. Serie Entwicklungspsychologie. Band 7: Kognitive Entwicklung (S. 495-608). Göttingen: Hogrefe.

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Danke für die Aufmerksamkeit!

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