Thesen zur Kostenexplosion Elbphilharmonie

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1 THESEN ZUR KOSTENEXPLOSION ELBPHILHARMONIE Januar 2013 Ein Großprojekt scheitert Erkenntnisse aus dem PUA Elbphilharmonie zum Projekt Elbphilharmonie zwischen 2003 bis 2008 Intro: Das Desaster der Elbphilharmonie ist nicht singulär. Zurzeit wird die Nachrichtenlage bestimmt durch die katastrophalen Kostenexplosionen beim Berliner Großflughafen BER (4,3 statt 2,8 Mrd. Euro) und dem unseligen Projekt Stuttgart 21 (6,8 statt 4,5 Mrd. Euro). Der aktuell geplante 198 Mio. Euro-Nachschlag für HOCHTIEF erscheint dagegen direkt überschaubar, bedeutet aber die größte Kostensteigerung in der bisher unrühmlichen Geschichte der Elbphilharmonie. Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss Elbphilharmonie (PUA) hat bisher den Auftrag, die Ursachen und Gründe für die unaufhörlich steigenden Kosten bis zum sog. Nachtrag 4 aufzuklären, der im Dezember 2008 beschlossen wurde. Dieser Nachtrag 4 brachte für HOCHTIEF damals einen Nachtrag von 137 Mio. Euro und wurde letztlich ausgehandelt von Heribert Leutner. Dieser Heribert Leutner ist noch heute für die Elbphilharmonie verantwortlicher Geschäftsführer der ReGe und hat am 08. Januar 2013 in seiner Vernehmung vor dem PUA geäußert, dass die Forderungen von HOCHTIEF im Jahr 2008 wesentlich intensiver geprüft wurden als die aktuellen Forderungen. Weil der jetzt ausgehandelte Nachschlag für HOCHTIEF viel zu hoch sei, hätte er für eine Kündigung plädiert. Da der Senat diesem Rat nicht gefolgt sei, reichte Leutner daraufhin im Januar 2013 seine Kündigung ein. Der Vorwurf von Herrn Leutner ist ungeheuerlich. Denn die Arbeit des PUA hat aus unserer Sicht deutlich gezeigt, dass schon die Forderungen von HOCHTIEF zum Nachtrag 4 nur unzureichend und lückenhaft geprüft wurden. Kapitel 6 unserer Analyse zum jetzigen Erkenntnisstand beschäftigt sich eingehend mit dem Nachtrag 4 und versucht anhand der bisherigen Zeugenaussagen und des Aktenmaterials die Fehler und Versäumnisse herauszuarbeiten, die damals gemacht wurden. Es wäre ein Skandal, wenn sich herausstellen sollte, dass das jetzt noch schlechter gelaufen sein sollte. Die Arbeit in diesem PUA nähert sich langsam der Endphase. Es stehen noch die abschließenden Befragungen des ersten Projektkoordinators Wegener, der ehemaligen Kultursenatorin Karin von Welck und von Ole von Beust aus. Das Projektmaterial aus Behördenakten, Verträgen, Plänen, Zeugenaussagen etc. ist schier überwältigend. Unsere vorläufige Analyse ist eine Interpretation dieses Materials und erhebt nicht den Anspruch auf objektive Gültigkeit. Auch andere Sichtweisen sind möglich und unsere Analyse der Entwicklungen soll als Anstoß für die weitere politische Debatte dienen. Diese Debatte wird sich mit der Verortung individuellen oder politischen Versagens beschäftigen aber auch sehr grundsätzlich mit der Frage, ob die öffentliche Hand überhaupt noch in der Lage ist, solche Megaprojekte erfolgreich zu bewältigen. Eva Gümbel Olaf Duge Hans-Jürgen Sievertsen PS: Dieses Papier und weitere Informationen zur Arbeit des PUA Elbphilharmonie und zu den aktuellen Entwicklungen sind zu finden auf: http://www.gruene-fraktion-hamburg.de/elbphilharmonie

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Erst war da die geniale Idee, die in einer zukunftsorientierten Stadt wie Hamburg auf fruchtbaren Boden fiel. Einmal auf den Weg gebracht, wurde sie aber von Anfang an katastrophal umgesetzt. Der unfertigen Planungen und die schlecht verhandelten Pläne führten zu riesigen Nachforderungen des Baukonzern HOCHTIEF und der beteiligten Architekten. Im sog. Nachtrag 4 wurde HOCHTIEF ein Nachschlag von 137 Mio. Euro zugestanden, aber auch damit waren die Probleme nicht gelöst. Oktober 2011 erklärte HOCHTIEF einen Baustopp. Im Februar 2013 soll endlich eine Einigung mit HOCHTIEF erzielt werden, die das Projekt erneut um über 200 Mio. Euro verteuert und eine Fertigstellung im Jahr 2016 verspricht. Ob dieses teure Versprechen diesmal eingehalten werden kann, wird die Zukunft zeigen.

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Ein Großprojekt scheitert

Erkenntnisse aus dem PUA Elbphilharmonie zum Projekt Elbphilharmonie zwischen

2003 bis 2008

Intro:

Das Desaster der Elbphilharmonie ist nicht singulär. Zurzeit wird die Nachrichtenlage bestimmt durch die katastrophalen Kostenexplosionen beim Berliner Großflughafen BER (4,3 statt 2,8 Mrd. Euro) und dem unseligen Projekt Stuttgart 21 (6,8 statt 4,5 Mrd. Euro). Der aktuell geplante 198 Mio. Euro-Nachschlag für HOCHTIEF erscheint dagegen direkt überschaubar, bedeutet aber die größte Kostensteigerung in der bisher unrühmlichen Geschichte der Elbphilharmonie. Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss Elbphilharmonie (PUA) hat bisher den Auftrag, die Ursachen und Gründe für die unaufhörlich steigenden Kosten bis zum sog. Nachtrag 4 aufzuklären, der im Dezember 2008 beschlossen wurde. Dieser Nachtrag 4 brachte für HOCHTIEF damals einen Nachtrag von 137 Mio. Euro und wurde letztlich ausgehandelt von Heribert Leutner. Dieser Heribert Leutner ist noch heute für die Elbphilharmonie verantwortlicher Geschäftsführer der ReGe und hat am 08. Januar 2013 in seiner Vernehmung vor dem PUA geäußert, dass die Forderungen von HOCHTIEF im Jahr 2008 wesentlich intensiver geprüft wurden als die aktuellen Forderungen. Weil der jetzt ausgehandelte Nachschlag für HOCHTIEF viel zu hoch sei, hätte er für eine Kündigung plädiert. Da der Senat diesem Rat nicht gefolgt sei, reichte Leutner daraufhin im Januar 2013 seine Kündigung ein. Der Vorwurf von Herrn Leutner ist ungeheuerlich. Denn die Arbeit des PUA hat aus unserer Sicht deutlich gezeigt, dass schon die Forderungen von HOCHTIEF zum Nachtrag 4 nur unzureichend und lückenhaft geprüft wurden. Kapitel 6 unserer Analyse zum jetzigen Erkenntnisstand beschäftigt sich eingehend mit dem Nachtrag 4 und versucht anhand der bisherigen Zeugenaussagen und des Aktenmaterials die Fehler und Versäumnisse herauszuarbeiten, die damals gemacht wurden. Es wäre ein Skandal, wenn sich herausstellen sollte, dass das jetzt noch schlechter gelaufen sein sollte. Die Arbeit in diesem PUA nähert sich langsam der Endphase. Es stehen noch die abschließenden Befragungen des ersten Projektkoordinators Wegener, der ehemaligen Kultursenatorin Karin von Welck und von Ole von Beust aus. Das Projektmaterial aus Behördenakten, Verträgen, Plänen, Zeugenaussagen etc. ist schier überwältigend. Unsere vorläufige Analyse ist eine Interpretation dieses Materials und erhebt nicht den Anspruch auf objektive Gültigkeit. Auch andere Sichtweisen sind möglich und unsere Analyse der Entwicklungen soll als Anstoß für die weitere politische Debatte dienen. Diese Debatte wird sich mit der Verortung individuellen oder politischen Versagens beschäftigen aber auch sehr grundsätzlich mit der Frage, ob die öffentliche Hand überhaupt noch in der Lage ist, solche Megaprojekte erfolgreich zu bewältigen. Eva Gümbel Olaf Duge Hans-Jürgen Sievertsen

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1. Ein Meisterstück des Politmarketings

Das ursprüngliche Bild der Elbphilharmonie war das eines phantastischen Projektes: unglaublich, schillernd, wunderbar und großartig. Die Idee Elbphilharmonie war für Viele unwiderstehlich. Das Bild des kühn geschwungenen Glaskörpers auf dem riesigen Hafenspeicher in der Elbe wurde schnell zu einer strahlenden Ikone, die Schönheit, wirtschaftliche Prosperität und faszinierende Perspektiven jenseits trister Hafenökonomie versprach.1 Der 2003 gefasste Realisierungsbeschluss der ursprünglich privaten Initiative bot der CDU, die sich zeitgleich aus der verheerenden Koalition mit der Schill-Partei löste, die Chance, die eigene Provinzialität mit Weltarchitektur und Kultur auf höchstem Niveau weit hinter sich zu lassen. Ole von Beust konnte der Stadt kurz vor den Neuwahlen 2004 eine Vision anbieten, der sich auch die politischen Gegner nicht entziehen konnten.2

In den Presseartikeln zur ersten Präsentation der Elbphilharmonie finden sich kaum relevante Gegner dieses Großprojektes, jedenfalls keine, die auch öffentlich Gehör fanden. Das ist nicht verwunderlich, denn 2003 war die Idee, auf dem Kaispeicher A eine Philharmonie zu bauen eine private Initiative, für die von der Stadt zunächst nur der Speicher und das Grundstück gebraucht wurden3. Erst ein Jahr nach dem Realisierungsbeschluss des Senats wurde der Joint-Venture-Vertrag mit dem Projektentwickler Gerard und dem Bauunternehmer Becken aufgelöst, und die Stadt übernahm das Projekt und damit die Verantwortung für Bau und Betrieb komplett.

Insgesamt ist für ein Projekt dieser Größe bis zum Jahr 2008 ein augenscheinlicher Mangel an kritischen Positionen festzustellen. Das gilt für die Bürgerschaftsparteien, die 2003 die Idee der privaten Investoren begrüßt haben4 und im Februar 2007 den Vertragswerk zum Bau der Elbphilharmonie ohne Gegenstimmen zustimmten5. Aber das gilt für die Masse der Medien oder und politischen Initiativen, die ebenfalls vor 2008 kaum mehr als kulturpolitische Zweifel angemeldet hatten. Die Unterstützung für dieses Projekt umfasste alle damals in der Bürgerschaft vertretenen Parteien und den allergrößten Teil der veröffentlichten Meinung. Sie alle setzten Vertrauen in ein Projekt, das anscheinend von den besten Fachleuten und ExpertInnen auf dem Markt vorbereitet wurde, deren Expertise kaum angezweifelt werden konnte.6 Ganz bewusst setzte der Senat nicht auf behördliche Prüfungen, sondern ließ das Projekt durch unabhängige Beraterfirmen absichern und erzielte damit große Wirkung. Neben dem glaubwürdigen Anschein der Professionalität und der architektonischen und kulturellen Faszination des Projekts beruhte die große Unterstützung auf dem Versprechen, für wenig Geld sehr viel zu bekommen. Die erste öffentliche Präsentation 2003 bestritten die Projektentwickler Gerard/Marko mit der Idee, die Stadt bräuchte nur das Grundstück und den Kaispeicher selbst einzubringen, die Erlöse

1 Vgl. z.B. http://www.stern.de/reise/elbphilharmonie-ufo-an-der-elbe-541214.html oder http://www.zeit.de/2003/46/Hafencity 2 Den Senatsbeschluss zur Realisierung der Elbphilharmonie fasste der Senat am 05. Dezember 2003, am 09. Dezember beendete Ole von Beust

die Koalition mit der Schill-Partei vorzeitig und kündigte Neuwahlen für den 29.02.2004 an. 3 Erst 2004 ging das Projekt in die Verantwortung der Stadt. Noch im September 2004 war eine Joint-Venture-Vereinbarung mit den Projektentwicklern Gerard/Becken geschlossen worden, die im November 2004 wieder gelöst wurde, um das Projekt als Stadt allein weiter zu

führen. 4 z.B. Willfried Maier, GAL, in der Bürgerschaft, 30.12.2003: „Das ist tatsächlich ein einmaliger Fall, dass ein Kunstwerk, das schon im Entwurf eine solche Strahlkraft entfaltet, dass von rechts bis links alle einhellig sagen: Das ist es! Das ist eine großartige Sache! In dieser Situation, dass

ein Kunstwerk von sich aus so strahlt, sollten wir nicht versuchen, es in die eine oder andere Parteitasche zu ziehen, sondern das sollten wir als ein

Geschenk an die Stadt nehmen und es auch realisieren.“ 5 Der Drs. 18/5526 wurde am 28.02.2007 mit 113 Ja-Stimmen (bei 121 Stimmberechtigten) und ohne Gegenstimmen zugestimmt 6 Die Zahl der Gutachten und Expertisen war schon 2010 so groß, dass die ReGe auf eine Kleine Anfrage zur Auflistung der beteiligten Gutachter

(Drs. 19/6092) nicht antworten konnte, weil sie die Überblick verloren hatte.

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für Luxuswohnungen und der Gewinn aus der kommerziellen Mantelbebauung würden die krönende öffentliche Konzerthalle quasi mitfinanzieren.7 Solche niedrig angesetzten Schätzungen8 der Projektentwickler machten die Kosten zunächst zum Randthema. Es waren die spektakulären Bilder des Entwurfs der Stararchitekten Herzog & de Meuron, die nach der Präsentation im Juni 2003 die Debatte bestimmen. Die Verheißung, eines der besten Konzerthäuser der Welt als architektonischen Glanzpunkt über der neuen Hafencity erstrahlen zu lassen, erschien als Durchbruch. Bürgermeister Ole von Beust erkannte die Gelegenheit, das Konzept der "Wachsenden Stadt" mit diesem Leuchtturmprojekt zu verbinden, das den Anschluss Hamburgs an die "attraktivsten Metropolen Europas"9 versprach. Als es zwei Jahre später um die Einwerbung realer Haushaltsmittel für die Elbphilharmonie ging, hatte sich die selbst tragende Kostenplanung längst als unrealistisch erwiesen. Als Ergebnis einer von der Stadt beauftragten Machbarkeitsstudie sollten 77 Mio. Euro öffentliche Gelder in den Bau fließen. Als Gesamtbaukosten wurden 186 Mio. Euro genannt.10 Aber auch diese offizielle Schätzung beinhaltete noch keine Marktpreise. Im Vergabewettbewerb um den Bauauftrag erhielt die von HOCHTIEF und der Commerzbank installierte Objektgesellschaft ADAMANTA den Zuschlag für einen sog. Pauschalfestpreis von 241 Mio. Euro. Das sprengte alle bisherigen Budgets und selbst nach Abzug von 57,5 Mio. Euro privater Spenden mussten immer noch 117 Mio. Euro allein für das Konzerthaus aus öffentlichen Mitteln aufgebracht werden.11,12 Fast unbeachtet neben der Kostensteigerung für die Philharmonie blieb die Tatsache, dass die Stadt Hamburg mit Vertragsschluss auch als Bauherr und Eigentümer des 103 Mio. teuren kommerziellen Mantels aus Hotel, Gastronomie und Parkhaus fungierte. Diese einschneidende Änderung wurde der Öffentlichkeit mit dem hoffnungsvollen Argument verkauft, dass die Pachteinnahmen und der später geplante Verkauf der kommerziellen Teile alle Kosten decken würden. Der Haushalt der Stadt würde deshalb nicht belastet werden. Dass der Partner HOCHTIEF nun nicht mehr als Investor auftrat, sondern nur noch als Pächter fungierte, wurde auch sprachlich in den Senatsdrucksachen verschleiert. Dort wurde HOCHTIEF weiterhin als Investor benannt, dessen Investorenplanung nun tatsächlich zu einer Pächterplanung geworden war. In der Kommunikation der auf 241 Mio. Euro gestiegenen Gesamtbaukosten legte der Senat großen Wert auf die Aussage, dass mit dem vereinbarten Pauschalfestpreis alle Baurisiken auf den Generalunternehmer ADAMANTA/HT übergingen. Es sei denn, die Stadt selbst würde nachträglich noch Änderungen einbringen.13 Nicht einmal terminlich bestünde ein Risiko, denn jeder Verzugstag war mit beeindruckenden 200.000 € Vertragsstrafe belegt. Wo also war das Risiko?

7http://www.baunetz.de/meldungen/Meldungen_Herzog_de_Meuron_entwerfen_Philharmonie_fuer_Hamburg_13901.html 8 Projektentwickler Gerard nennt am 13.01.2004 im Kulturausschuss 92 Mio. € Gesamtbaukosten, 45 Mio. € davon für die Philharmonie, die mit

24,5 Mio. € aus der Mantelbebauung quersubventioniert werden sollten. 9 Ein Schlaglicht auf den damaligen Diskurs des „postindustriellen Unternehmens Stadt“ am Beispiel Elbphilharmonie liefert Judith Laister, 2006

http://www.gat.st/pages/de/nachrichten/1846.html 10 Drs. 18/2570, S.3 11 Drs. 18/5824 schlüsselt in Anlage 1 die Kostentreiber auf: Fassade 12 Mio.€, allg. Baukostensteigerung 8,2 Mio.€, Mehrkosten wg. einschaliger

Bauweise, nachträgliche Integration Musikpädagogischer Bereich: 7,6 Mio. €, Dachterrasse, Rolltreppe, Plaza: 2,1 Mio.€, Optimierung

Saalakustik, 2,2 Mio. €, Energieoptimierung 0,7 Mio.€, 12 Drs. 18/5526, S.9 13 Exemplarisch Projektkoordinator Wegener auf der gemeinsamen Sitzung von Haushalts- Kultur- und Stadtentwicklungsausschuss am

16.01.2007, Protokoll S.9: „Ich sage hier klar und eindeutig: Das Kostenrisiko im Bauprozess liegt nunmehr nach den abgeschlossenen Leistungsverträgen allein beim Bieterkonsortium IQ² (später in ADAMANTA/HT umbenannt, hjs), die die Bauleistung zu einem

Pauschalfestpreis angeboten hat. Nur für den Fall nachträglicher Planungsänderung durch den Bauherrn, also durch uns, kann es zu

Kostensteigerungen für die FHH kommen. Dies werden wir, soweit irgend möglich, ausschließen.“

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Die Löcher in dieser Rundum-sorglos-Argumentation des Senats wurden überblendet durch die renommierten Namen der Beteiligten. Wer konnte ernsthaft an den Plänen der Stararchitekten Herzog & de Meuron zweifeln? Wer wollte den von Frau Dr. Jasper entworfenen Vertragstext hinterfragen, die deutschlandweit als führende Vergabe- und Baurechtsexpertin galt? Wer war in der Lage, die von der internationalen Unternehmensberatung Ernst&Young testierte Wirtschaftlichkeit anzuzweifeln? Behörden in der Nebenrolle Fundierte Kritik hätte aus den Hamburger Behörden kommen können, aber diese waren zu diesem Zeitpunkt an den Weichenstellungen für die Elbphilharmonie nur am Rand beteiligt. Zur Projektstrategie des Senats gehörte es, das Vorhaben nicht durch kleinliche Kritik aus den Behörden zu bremsen. Fachbehörden sollten auf Distanz gehalten werden, die ReGe wurde zur entscheidenden Instanz aufgebaut. Auf eine interne Überprüfung der Arbeit der ReGe wurde verzichtet. Aus Behördensicht konsequent und auf Wunsch der Finanzbehörde wurde in die Beschlussvorlage zum Vertragswerk im Dezember 2006 daher folgender Satz eingefügt:

„Das Vertragswerk wurde in der Verantwortung der Realisierungsgesellschaft Hamburg mit anwaltlicher Beratung ausgehandelt. Eine Detailprüfung der Verträge durch die Fachbehörden ist nicht erfolgt.“

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Im PUA beschreibt Thomas Fuchs, damals verantwortlich in der Kulturbehörde, die Verhältnisse so:

Fuchs: „sondern es war eigentlich so, dass man weiter der Meinung war, dass Herr Wegener zentrale Kompetenzen bündeln sollte und dass eigentlich … Vorsitzender: Wer ist >man<? Fuchs: … weitere Kompetenzen von anderen Behörden eher negativ gesehen wurden. Also, ich kann es auch andersrum formulieren: Ich glaube, auch andere Behörden waren nicht der Meinung, dass sich jetzt beispielsweise

eine Kulturbehörde stärker in den Prozess einmischen sollte.“15

Diese Distanz der Fachbehörden zum Projekt war gewollt und begann mit der Einsetzung von Hartmut Wegener als Projektkoordinator, der allein zuständig sein sollte um „alle Belange der FHH zu bündeln und der zentrale Ansprechpartner der Stadt für die Investoren zu sein“16.

Fuchs: „Also ich glaube, die Grundsatzentscheidung war: Herr Wegener ist der richtige Mann, der macht das schon und wenn andere ihn wenig stören, dann wird das ein Erfolg. Diese Prämisse ist im Herbst 2006 nicht erschüttert worden und ab Frühling 2007 weitergelebt worden – sogar noch stärker als vorher.“

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Ole von Beust löste das Projekt Elbphilharmonie aus der engen behördlichen Hierarchie und den normalen bürokratischen Abläufen.18 Er stattete Projektkoordinator Wegener 19 mit einer außergewöhnlichen Machtfülle aus und verzichtete auf interne Kontrollinstanzen. Damit konnten die ersten Projektschritte wie Machbarkeitsstudie, Ausschreibung und Vergabe sehr schnell realisiert

14 Niederschrift über die Senatssitzung vom 19.02.2006, Pag. 124001 15 PUA-Drs. 20/29 vom 27.09. 2012 Vernehmung Thomas Fuchs, S.4f 16 PUA Fragenkatalog Gottschalk, Anlage 5, Pag. 131064 17 PUA-Drs. 20/29 vom 27.09. 2012 Vernehmung Thomas Fuchs, S.19 18 PUA-Drs. 20/25 Vernehmung Fuchs, S. 113: „Und ich glaube, dass er mit dieser – ja, ich sag es schon so – bürokratiefeindlichen

Grundeinstellung auf der politischen Ebenen des Senats durchaus Gehör gefunden hat, nicht nur beim Bürgermeister, sondern auch bei den Senatskollegen.“ 19 2008 waren sechs ProjektmitarbeiterInnen der ReGe für die Elbphilharmonie zuständig (Drs. 19/2246) 2012 ist diese Zahl auf 17 gestiegen

(Drs. 20/3879)

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werden. Der Nachteil dieses Vorgehens zeigte sich aber schon in der chaotischen Phase am Schluss der Bauvergabe. Die Pläne waren noch unfertig und weder die ReGe noch die beteiligten externen Berater hatten noch einen Gesamtüberblick über die verschiedenen Vertragsbestandteile. Die nötige sorgfältige Koordination unterblieb aus Zeitmangel, ungeklärten Zuständigkeiten und fehlenden Ressourcen. Ironischerweise gilt die Elbphilharmonie heute als Musterbeispiel für bürokratisches Versagen, obwohl es kaum ein anderes öffentliches Projekt in Hamburg gibt, das so konsequent am Behördenapparat vorbei entwickelt wurde. Die behördenferne Projektaufstellung kann als Beispiel für eine Selbstentmächtigung der Politik gelten, denn die Elbphilharmonie wurde von privaten Firmen entwickelt, geprüft und realisiert, die sich selbst umfassend gegen Risiken absicherten. Überfordertes Parlament Dieses Defizit an sorgfältiger Prüfung konnte auch durch den Beratungsprozess in der Bürgerschaft nicht kompensiert werden. Da alle Parteien das Projekt grundsätzlich unterstützten, war es für die Oppositionsparteien SPD und GAL taktisch schwierig mit dem Projekt umzugehen. Trotz vorhandener Kritik und Bedenken sollte das Projekt nicht vollends blockiert werden. Kritisiert wurde von den Bürgerschaftsabgeordneten, dass aus Gründen der Geheimhaltung die Vereinbarung mit dem Bauträger dem Parlament nicht vorgelegt und nicht geprüft werden könne.20

Auch das mögliche Kostenrisiko wurde von der GAL angesprochen und im Protokoll des Kulturausschuss am 23. Januar 2007 wieder gegeben:

„Man könne nicht sicher sein, dass sich im zukünftigen Verfahren nichts ändere. Jede Modifizierung werde zusätzliche Kosten auslösen. Dieses müsse unbedingt bedacht werden. Nicht von der Hand weisen lasse sich ebenfalls das Risiko der Planungsänderungen aufgrund von Wünschen der Stadt oder der späteren Veranstalter.“

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Diese Kritik entfaltete keine durchschlagende Wirkung und konnte auch gegen die eindeutigen Zusagen der Verantwortlichen damals nicht erhärtet werden. Die entsprechenden Ausschussprotokolle zeigen vor allem das Kompetenzgefälle zwischen Senat und Bürgerschaft bei solch komplexen Entscheidungen. Selbst große Schwächen in der Argumentation, wie der unreife Planungsstand und die schwer steuerbare Projektkonstruktion, konnten durch nicht nachprüfbare Behauptungen und Beruhigungen an den Rand gedrängt werden. Bürgerschaftsabgeordnete, soweit sie nicht selbst FachexpertInnen sind, sind in der Bewertung fast chancenlos, wenn in komplexen Projekten nur für Fachleute erkennbaren Risiken nicht offen kommuniziert werden.

2. Billiges Geld wird teuer Die Beherrschung der Kostenentwicklung war von Anfang an ein kritischer Faktor. Schon während des Vergabeverfahrens zeigte sich, dass steigende Baupreise, eine aufwändigere Fassade, ein dritter

20 Vgl. Gemeinsamer Bericht des Haushaltsausschusses und des Stadtentwicklungsausschusses Drs. 18/5824, S.5 21 Drs. 18/5824 S.11

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Konzertsaal, weitere Nutzungsverdichtungen sowie die Erhöhung des Bauvolumens22 die mit der Machbarkeitsstudie veranschlagten Gesamtkosten von 186,7 Mio. Euro weit überstiegen23 und die erhoffte Quersubventionierung der Konzerthalle durch die privaten Investoren nicht realistisch sein würde.24

Um Kosten zu drücken, wurde schon während des Vergabeverfahrens von Bieterseite der Vorschlag eingebracht, mit einer sog. Forfaitierung die Kreditkosten für den kommerziellen Mantel zu drücken. Die Eckpunkte dieses Modells waren:

● die Stadt wird Eigentümerin des gesamten Gebäudes (ohne Wohnungen) und verpachtet den kommerziellen Mantel an den Generalunternehmer zur weiteren Unterverpachtung für 20 Jahre,

● der Generalunternehmer übernimmt eigenverantwortlich alle Planungsleistungen ● der Generalunternehmer übernimmt alle Bauleistungen und das Facility-Management und

verkauft seine Werklohnforderung für den kommerziellen Mantel an eine finanzierende Bank,

● die Stadt zahlt aus den zu erwartenden Pachteinnahmen die Werklohnforderung direkt in Raten an die finanzierende Bank, nach 20 Jahren soll die Schlussrate durch den Verkauf des Mantels gedeckt werden.

Mit diesem Modell sollte aufgrund der guten Bonität der Stadt ein Zinsvorteil von 15 Mio. Euro erreicht werden.25 Der Nachteil lag allerdings im zusätzlichen Risiko für die Stadt, die nun nicht mehr allein für den öffentlichen Bereich, sondern auch die Risiken aus Bau und Betrieb der Mantelbebauung einstehen musste.26 Auch politisch schien diese Lösung schwierig, weil sie der damaligen CDU-Politik der Privatisierung öffentlicher Unternehmen widersprach und als „ordnungspolitischer Sündenfall“ eingeschätzt27 wurde.

Dessen ungeachtet wurden die Weichen für die Forfaitierung in einem Strategiegespräch am 28.06.2006 mit Bürgermeister Ole von Beust gestellt. Zur Diskussion stand neben der Forfaitierung eine Selbstschuldnerische Landesbürgschaft, die ebenfalls günstigere Finanzierungskonditionen jedoch ohne Eigentümerwechsel erbracht hätte. Die ReGe plädierte trotz des erhöhten Risikos vehement für die Forfaitierung, um den Einfluss der Stadt auch auf den kommerziellen Mantel zu erhöhen.28 Diesem Argument wurde auch im Bürgermeistergespräch von keiner Seite widersprochen. Auf Bitten der Finanzbehörde wurde jedoch die ReGe beauftragt, die Vor- Nachteile beider Varianten zu prüfen. Diesen Auftrag erhielt die beratende Anwaltskanzlei Heuking, für die Frau Dr. Jasper, die in einer ersten Reaktion feststellt hatte:

„Ob Einredeverzicht oder Rückbürgschaft ist gleichgültig – beides führt zu Kommunalkreditkonditionen.“29

22 Vgl. Drs. 18/5526 S.9 23 Vgl. Drs. 18/2570 S.3 (davon 94,7 Mio. Elbphilharmonie, 22,4 Mio. Erschließungskosten, 69,6 Mio. Mantelbebauung) 24 Drs. 18/2570, S.3 und S. 9 25 PUA Fragekatalog Ole von Beust, Anlage 6, Pag.140092 b 26 Projektkoordinator Hartmut Wegener sah hier das eigentliche Risiko: „Ich wollte etwas zu den 128 Mio. Restschuld sagen. Das ist der

eigentliche Haken oder der Dollpunkt des Projektes, nämlich die Frage, ob diese Restschuld im Jahre 2030 den Marktwert hat, den wir prognostizieren.“ Drs. 18/5824, Anlage 5, S.52 27 PUA Fragekatalog Ole von Beust, Anlage 6, Pag.140092 b 28 Vgl. Vermerk von 21.06.2006 von Herrn Daum (ReGe) Pag. 122194-122196 29 In einer Mail vom 28.06.2006 an Frau Jasper stellt der stellv. ReGe-Projektleiter Leutner das Ergebnis so dar: „In einem Gespräch hat der Erste

Bürgermeister entschieden, dass das Forfaitierungsmodell in Verbindung mit FM zur Ausführung kommen soll. Also eine sehr gute Entwicklung.

Wir haben beide Bieter per Brief informiert. (…)Die Finanzbehörde merkt noch an, dass man anstelle FF auch eine Rückbürgschaft stellen könnte.

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Zugleich plädierte sie dafür, den Bietern entsprechende „Optimierungsmöglichkeiten“ zu lassen und diese weit reichende Entscheidung den Bietern zu überlassen. In einem späteren Vermerk vom 17.07. 2006 riet sie von der Selbstschuldnerischen Landesbürgschaft ab, weil diese wirtschaftlich ungünstiger, vergaberechtlich unsicherer und zeitlich aufwändiger wäre. Zudem wären sämtliche bereits ausverhandelten Verträge umzustellen.30 In einem Gegenvermerk der Finanzbehörde vom 07. 08.2006 wurde diese Einschätzung als „nicht überzeugend“ abgelehnt. Diese späte Positionierung lief aber ins Leere und trägt den internen handschriftlichen Vermerk, dass der Bürgermeister diese Frage schon entschieden habe.31

In der Abwägung unbeachtet blieb damals das Risiko, dass sich aus dem Auseinanderfallen von Eigentümerrolle (Stadt Hamburg) und der Rolle als Entwickler und Betreiber (ADAMANTA/HT) ergab. ADAMANTA/HT plante nach erfolgtem Zuschlag den kommerziellen Mantel nach eigenen Vorstellungen, um eine möglichst hohe Verwertung in den 20 Pachtjahren zu erreichen, fühlte sich aber als bloßer Pächter für die Folgen der eigenen Planung auf den Gesamtbau nicht mehr verantwortlich. Die rechtlichen Implikationen dieser Konstruktion wurden bei Vertragsschluss von städtischer Seite anscheinend nicht erkannt, hatten aber später entscheidenden Einfluss auf die Anerkennung der Nachforderungen von ADAMANTA/HT im Nachtrag 4.

Dabei wären die Risiken erkennbar gewesen: Baufachleute kritisierten diese Finanzierungsart als ungeeignet für anspruchsvolle und komplizierte Großbauten. Gerade für unkonventionelle Bauten wurde die Forfaitierung als nachteilig bewertet, weil die zusätzlichen Risiken die erreichbaren Zinsvorteile überwiegen. Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie kommt in einem Memorandum aus dem Jahr 2006 zu folgender Einschätzung:

"Die relative Vorteilhaftigkeit der Finanzierungsformen hängt davon ab, wie groß das Investitionsvolumen ist, welche Risiken dem Investitionsprojekt innewohnen, welche Risikoneigung der öffentliche Auftraggeber an den Tag legt, wie verschuldungsfähig er ist, welche Controllingkapazitäten vorhanden sind und welche haushalterischen Vorgaben zu beachten sind. Generell ist aber die Aussage möglich, dass bei Projekten mit größerem Investitionsvolumen eher eine Projektfinanzierung, bei Projekten mit niedrigerem Investitionsvolumen und verhältnismäßig geringen Risiken eher eine Forfaitierung mit Einredeverzicht in Betracht kommt."

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Bei der Elbphilharmonie kamen unübersehbare Wechselwirkungen der Mantelbebauung mit der der Konzerthalle als zusätzliches Risiko hinzu, weil beide Bauteile höchst komplex miteinander verbunden sind.

Die durch die Finanzierungsumstellung geänderte Risikoverteilung wirkte sich schon kurz nach Baubeginn sehr negativ auf die Kooperation zwischen der Stadt und ADAMANTA/HT aus. Sofort entstand Streit an der Frage, wer die Kosten der Integration sog. „Investorenplanung“ tragen muss. Diese entstanden aus der Zusammenführung der Pläne für das Gesamtgebäude mit den von ADAMANTA/HT erst nach Zuschlagerteilung erstellten Bauplanungen für Hotel, Gastronomie und Parkhaus.

ADAMANTA/HT begann die Kostenübernahme für Projektänderungen abzulehnen, die auch nur mittelbar mit der „Integration der Investorenplanung“ zu tun hatten. Die ReGe verfolgte die konträre Rechtsauffassung, dass ADAMANTA/HT als Verursacher diese Kosten zu tragen hätte und ignorierte

Dies muss die ReGe noch mit der Finanzbehörde abstimmen. Was meinen Sie dazu?“ In der Antwort vom 29.06. schreibt Frau Jasper: “Ob Einredeverzicht oder Rückbürgschaft ist gleichgültig – beides führt zu Kommunalkreditkonditionen, evtl. gibt es aber steuerliche Unterschiede.

Wir sollten den Bietern Optimierungsmöglichkeiten lassen und bereiten die Aufforderung für ein überarbeitetes indikatives Angebot zur

Forfaitierung entspr. Vor.“ siehe Pag.759002 30 Vgl. Vermerk vom 17.07.2006 von Frau Jasper (Heuking) Pag. 158064 31 Vgl. Vermerk der FB vom 07.08.2006,in Fragenkatalog Dr. Ute Jasper, 16.12.2011, Anlage 37 32 http://www.oepp-plattform.de/media/uploads/Pdfs/pospapier_finanzierung.pdf

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zunächst die Gegenposition. Erst nach langen Konflikten mit ADAMANTA/HT gab die Stadt nach und verzichtete auch auf eine gerichtliche Klärung dieser Frage.33, 34(vgl. Kapitel zu Nachtrag 6)

Um den Pauschalfestpreis kurzfristig zu drücken, hat die Forfaitierung die Vertragsverhältnisse der Beteiligten weiter erheblich kompliziert, die jeweiligen Rollen uneindeutig gemacht und den Bau bis zum Nachtrag 4 mit großen Konflikten beschwert. Die geänderten Eigentumsverhältnisse verursachten einen großen Teil der Nachforderungsansprüche von ADAMANTA/HT. Mit dem Modell der Selbstschuldnerischen Landesbürgschaft wäre wahrscheinlich eine risikoärmere Alternative möglich gewesen, mit der die Stadt kein Eigentum am kommerziellen Mantel erworben hätte. Genau der fehlende Einfluss der Eigentümerposition war aber wohl der ausschlaggebende Grund, diesen Weg zu verwerfen. Die politisch Verantwortlichen der Stadt wollten letztlich alle Fäden für das gesamte Gebäude selbst in der Hand behalten, selbst um den Preis, nicht alle privatwirtschaftlichen Risiken beim kommerziellen Mantel ausschließen zu können. Beim Prestigeobjekt Elbphilharmonie fiel dieser „ordnungspolitische Sündenfall“ nicht mehr so sehr ins Gewicht, wichtiger war, nicht von privaten Investoren und deren Verwertungsstrategien abhängig zu sein.

3. Übereilte Ausschreibung kostet Zeit

Die entscheidende Etappe im mehrstufigen Vergabeverfahren Elbphilharmonie begann am 10.08.2006 und bezog nur noch die beiden verbliebenen Bieter STRABAG und ADAMANTA/HT ein. Zwei Monate zuvor hatten die Generalplaner Herzog & de Meuron dringend um mehr Planungszeit gebeten und davor gewarnt, dass eine sichere Kalkulation des Projektes unmöglich sei.35 Pierre de Meuron beschrieb vor dem PUA den damaligen Planungsstand so:

„Eine Baugenehmigung lag noch nicht vor. Die Investorenplanung der Bereiche Hotel, Wohnen und Gastronomie waren mit der städtischen Planung nicht vor Vertragsschluss synchronisiert. Die Vorgaben des Nutzers für den Konzertbereich standen noch nicht abschließend fest und konnten entsprechend erst nachträglich integriert werden. Ein abgeschlossenes Betreiberkonzept für den öffentlichen Bereich lag noch nicht vor. Die Terminplansituation war unklar; ein einvernehmlich abgestimmter Gesamtterminplan existierte nicht.(...) Darüber hinaus waren größere Leistungsanteile, zum Beispiel die Weiße Haut, Szenografie – ganze Bühnentechnik – Signaletik als Budgetleistungen vergeben worden, die meinem Verständnis nach keine Kostenobergrenzen enthielten“

36.

Auch für die ReGe war im Sommer 2006 unübersehbar, dass die an die STRABAG und ADAMANTA/HT übersandten endgültigen Pläne für das verbindliche Angebot noch große Lücken und Unschärfen enthielten, die eine seriöse Angebotskalkulation drastisch erschwerten. Die kurz vor der letzten Vergabestufe erhobenen Bedenken der Generalplaner wurden von der ReGe verworfen. Der damals für die Terminplanung verantwortliche ReGe-Geschäftsführer Leutner vertrat die Einschätzung, dass

33 Vgl. Drs. 19/1841, S.8 34 PUA-Drs. 20/11 Vernehmung Armin Daum, ReGe, 05.12.2011, S.99: „in einer ersten Einschätzung hielt ich das noch im Vertrag für abbildbar, dass diese Integration der Investorenplanung eine Sache war, die die ADAMANTA/HT schuldete und die – weil es sich im Investorenbereich

befindet – auch nicht zu Nachträgen führen könnte. Diese Meinung habe ich persönlich dann revidiert, als dann HFK mit ins Projekt gekommen

ist, die weniger an der Vertragsentstehung beteiligt waren und die das dann eher von außen begutachtet haben und dann eine deutlich andere Risikoeinschätzung zu Frage mitgeteilt haben, der ich mich dann auch angeschlossen habe.“ 35 Vgl. PUA Fragenkatalog Pierre de Meuron, Anlage 8, Schreiben der Generalplaner an die ReGe vom 16.06.2006 36 PUA-Drs.20/9, Vernehmung Pierre de Meuron, 17.11.2011, S.13f

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Architekten generell mehr Zeit einfordern würden.37 Intern wurde die Warnung als illoyale Störung bewertet, fachlich wurde nicht reagiert. Die Vorgabe der ReGe, die gröbsten Planungslücken mithilfe von sog. „Budgets“ aus der Kalkulation herauszunehmen, wurde als ausreichend angesehen.

Der laxe Umgang mit den Bedenken der sonst hoch gelobten Architekten zeigt eine gegenüber technischen Details weitgehend ignorante Haltung der ReGe. Insbesondere Projektkoordinator Wegener verstand sich als treibende Instanz für den Prozess, der sich gegen solche Störungen durchsetzen müsse. Wegener verstand es als seine Aufgabe, die mit der politischen Ebene abgestimmten, engen Zeitpläne unbedingt einzuhalten, um die vorhandene Zustimmung zum Projekt nicht zu gefährden und die Kosten einer längeren Planungsphase zu vermeiden.38 In dieser Abwägung waren Senat und ReGe dazu bereit, die bekannten Planungsrisiken einzugehen. Als schlagendes Argument dafür diente der Pauschalfestpreis-Vertrag, der alle späteren Baurisiken vertraglich dem Generalunternehmer zuschieben sollte.

Politisch war die Eile dadurch motiviert, das Projekt noch vor dem nächsten Wahltermin werbewirksam nutzen zu können. Für diese These spricht beispielsweise, dass in der Bürgerschaftsdrucksache ein für das Bauprojekt völlig unwichtiger, aber eben kurz vor der Wahl im Februar 2008 liegender Termin eines Festes auf dem Rohbau (Plaza-Fest) als Fixpunkt aufgenommen wurde.39 Heute wird von den damaligen Entscheidungsträgern jeglicher Termindruck heruntergespielt, obwohl es projektintern ein offenes Geheimnis war, das mühsam nachträglich aus unvorsichtigen Protokollentwürfen herausgestrichen werden musste.40

Die zu früh erfolgte Ausschreibung hatte dramatische Folgen, denn eine Reihe von zum Ausschreibungszeitpunkt schon bekannten nachträglichen Änderungen von städtischer Seite konnten nicht mehr in die Entwurfsplanung eingearbeitet werden. Dazu gehörte z.B. der dritte Konzertsaal, zusätzliche Cateringküchen etc.41

Am Ende des Vergabeverfahrens sah sich die STRABAG aufgrund der Risiken und technischen Schwierigkeiten außerstande ein Angebot abzugeben und rügte das Vergabeverfahren. Nur die ADAMANTA/HT legte ein Angebot über 281 Mio. Euro vor, dass aber die bisherige Preisvorstellung sprengte. Die schnelle, schlanke Vergabe drohte zu scheitern, der gebotene Preis galt als nicht annehmbar. Um das Angebot nicht annehmen zu müssen, wurde deshalb das Vergabeverfahren formal aufgehoben.

37 PUA-Drs.19/12, Vernehmung Leutner, ReGe, 05.01.2011, S.54 „Wenn ein Planer sagt, ich brauche mehr Zeit – kann ich jetzt auch etwas sehr

oberflächlich sagen – dann geben Sie sie ihm, dann braucht er wieder mehr Zeit, dann geben Sie ihm die auch noch, dann braucht er noch mehr

Zeit.“ 38 Vgl. stern vom 3. April 2012 "Es war damals eine der Weichenstellungen, an der das Projekt hätte abstürzen können", sagte Wegener

dem stern. "Hätte man noch einmal eine Ausschreibung machen müssen, wäre sie in die politische Diskussion der Bürgerschaftswahl 2008

geraten. Das Projekt wäre tot wie ein toter Fisch gewesen", so Wegener. http://www.stern.de/kultur/eilige-bauvergabe-durch-cdu-senat-politische-diskussion-haette-elbphilharmonie-verhindert-1808519.html 39 Drs. 18/5526 S.13 40 Vgl. PUA Fragenkatalog Pierre de Meuron, Anlage 14, Protokoll der Bauherrenbesprechung Nr. 33. 41 Drs. 19/1841, S.8 nennt neben den „wesentlichen“ Änderungen aus der Integration der Investorenplanung folgende Punkte: „Zum Beispiel

wurden im Rahmen der Genehmigungsplanung zusätzliche Rauchschürzen vor Aufzügen notwendig. Es ergaben sich zusätzliche Anforderungen

aus dem Brandschutzkonzept zur Genehmigungsplanung (z.B.Brandschutztore/ Brandschutzverglasungen).Die Integration einer Cateringküche im 1. Obergeschoss, eine geänderte Raumaufteilung im Backstagebereich Speicher und im Bereich Verwaltung/Backstage Neubau sowie die

Integration 3. Saal machten Änderungen im Ausbau der jeweiligen Bereiche notwendig. Es mussten zusätzliche Stahltreppen für die Begehung

des Raumes zwischen den beiden Schalen des großen Saales vorgesehen werden. Im Bereich Tragwerksplanung ergaben sich ebenfalls Änderungen im Zuge der Überarbeitung des Entwurfs, es wurde der zusätzliche Einsatz von leichten Betondecken notwendig, für die die

baurechtlichen Zustimmungen im Einzelfall erwirkt werden mussten. Im Bereich der Plaza ergaben sich Änderungen der Fassade infolge

nachträglicher Anforderungen (z.B. Vergrößerung Ticketing, Windfänge).“

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Statt einen neuen Anlauf auf einer besseren Planungsgrundlage zu versuchen, wurde dennoch der Versuch gemacht, zu einem Bauvertrag zu kommen. Statt einer zeitaufwändigen und politisch gefährlichen Neuausschreibung wurde mit ADAMANTA/HT nachträglich über eine sog. „Leistungsfortschreibung“ verhandelt, mit der das einzige eingegangene Angebot im Preis gedrückt werden sollte. In dieser Phase der Leistungsfortschreibung wurden massiv Eckpunkte für den kommerziellen Mantel verändert. Die Änderungen verschärften das ohnehin vorhandene Problem, dass der Planungsstand zum Ausschreibungszeitpunkt und das zu bauende Gebäude nicht mehr kongruent waren. Das konkrete Bausoll blieb dadurch unbestimmt und machte einen umfangreichen, baubegleitenden Planungsprozess notwendig, der erst ein halbes Jahr nach Vertragsschluss abgeschlossen werden konnte.42

Die formelle Aufhebung des Vergabeverfahrens durch die Stadt hatte noch eine zweite weitreichende Konsequenz, denn sie ermöglichte es ADAMANTA/HT in den späteren Konflikten die rechtliche Position einzunehmen, dass ausschließlich der in dieser Phase der Leistungsfortschreibung erarbeitete Vertrag gelte. Alle Absprachen und Vereinbarungen aus dem vorhergehenden Vergabeverfahren betrachtete ADAMANTA/HT als gegenstandslos, während sich die ReGe weiter darauf verließ, dass ADAMANTA/HT die Mehrkosten aus der von ihr selbst eingebrachten Investorenplanung zu tragen hätte.43

Für die Öffentlichkeit und die Hamburger Bürgerschaft blieb dieses dramatische Finale des Vergabeprozesses hinter den Kulissen unsichtbar, denn in der Beschlussdrucksache über die Verträge zur Elbphilharmonie fehlt der Hinweis auf das gescheiterte Vergabeverfahren und die folgenden Nachverhandlungen mit ADAMANTA/HT.

Die wirtschaftliche Gangbarmachung der Elbphilharmonie

Das erste Ergebnis der Ausschreibung war den damals Verantwortlichen mit 281 Mio. Euro zu teuer und wurde als Gefährdung für das Gesamtprojekt bewertet. Es zeigte, dass die positiven Annahmen der Machbarkeitsstudie nicht belastbar und insbesondere die Annahmen zur Wirtschaftlichkeit der Mantelbebauung nicht haltbar waren.44 Um das Projekt zu retten, versprach Projektkoordinator Wegener, das 281 Mio.-Angebot von ADAMANTA/HT um 40 Mio. Euro auf 241 Mio. Euro zu drücken. Instrument dafür war der sog. Leistungsfortschreibungskatalog. Dieser Katalog beinhaltete echte Leistungsminderungen, Budgetreduzierungen sowie Ertragsoptimierungen bei Hotel und Parkhaus.45

Für den Bau folgenreich war der Vorschlag von ADAMANTA/HT, das eigene Angebot durch die Steigerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des kommerziellen Mantels zu verbessern. Dafür wurde die Zahl der Hotelzimmer von 207 auf 247 erhöht. Der Barwertvorteil zukünftig höherer Pachteinnahmen wurde

42 PUA-Drs 20/10 Vernehmung Stefan Kaden, ReGe, 30.11.2011, S.53 „Und das Projekt Elbphilharmonie hat ja das große Problem, dass, als

dieses PPP-Modell da in 2006 vergeben wurde, dass man dort ja die Änderungen der Pächter/Investoren ja noch nicht geplant hatte. Das heißt, das was die Investoren später brauchten, um die Mieterlöse zu generieren, das musste ja komplett umgeplant werden. Und das ist halt das große

Problem an diesem Projekt Elbphilharmonie, dass man eben nicht auf einen Entwurf aufsetzt und eine Ausführungsplanung erstellt, sondern man

hat mit dem Bau begonnen und hat eigentlich zeitgleich einen neuen Entwurf erst gemacht. Und das ist das Problem dieser Elbphilharmonie, dass man eben während der Bauphase eine so genannte baubegleitende Planung im Entwurfsstadium hat. Das ist so der Mega-Horror in Projekten.“

43 Vgl. PUA-Fragenkatalog Stefan Kaden, ReGe, 30.11.2011, Anlage 18 44 Vgl. Drs 18/2570, dort werden die Kosten für die Mantelbebauung auf 69,9 Mio.€ geschätzt und festgehalten: „Mittels einer dynamischen

Wirtschaftlichkeitsrechnung wurde ermittelt, dass die privaten Investoren einen Zuschuss (Quersubventionierung) zum öffentlichen Baukostenvolumen in einem zweistelligen Millionenbereich

erwirtschaften können, d.h. der auf die Freie und Hansestadt Hamburg entfallende Investitionsanteil wird signifikant entlastet.“ 45 PUA-Drs. 20/6, Vernehmung Dr. Möller, HOCHTIEF, 23.09.2011, S.87

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mit 15 Mio. Euro kalkuliert. Da nur 5 Mio. zusätzliche Baukosten berechnet wurden, konnte der Barwertvorteil von 10 Mio. Euro in das neue Angebot einfließen.46,47

Zum Zeitpunkt der Ausschreibung waren die für den kommerziellen Mantel vorgesehenen Flächen völlig unbeplant und sollten durch den Investor auf eigenes Risiko und eigene Kosten ausgefüllt werden. Die Annahme war, dass das geschehen könnte, ohne das Gesamtgebäude wesentlich zu verändern. Durch die Flächenzunahmen und andere statikrelevanten Änderungen ließ sich diese Annahme nicht aufrechterhalten. Vor allem die Vorschläge von ADAMANTA/HT zur Erhöhung der Pachteinnahmen des Hotels griffen tief in die Gesamtplanung des Baus ein.

Der Projektleiter Möller von HOCHTIEF im PUA:

“Es musste z.B., um das 19. Obergeschoss anzufahren mit den Aufzügen, musste das Dach, eine Dachlinie leicht angehoben werden, damit die Aufzugsunterfahrten da drunterpacken, weil man natürlich nicht oben das 19. als Gästetrakt ohne Hotelanfahrt ohne Aufzugsanfahrten bedienen konnte. Und da haben wir gesagt, das wird so gemacht. Wir haben auch die Baukosten dafür kalkuliert. Haben wir gemacht und ist auch so. Die Umsetzung der Planung, also sozusagen die Festlegung der Dachlinie, die Neufestlegung und so weiter, das muss natürlich der Generalplaner, aus unserer Sicht dann die ReGe machen. Also die planerische Integration dieser Optimierungen ist da erfolgt. Nur, der wirtschaftliche Vorteil ist durch die ReGe und damit durch den Generalplaner gemacht worden und der wirtschaftliche Vorteil ist auch bei der ReGe gelandet.”

48

Unklar war, wer für die Folgekosten dieser Umplanungen aufkommen sollte. Die Klärung dieser Frage wurde offenbar in den Verhandlungen zur Leistungsfortschreibung nicht vertieft. Das war fatal, denn die Risikoverteilung hatte sich mit der Umstellung auf die Forfaitierung zumindest aus Sicht der ADAMANTA/HT geändert, da die Stadt Eigentümerin des kommerziellen Mantels geworden war. Anzunehmen ist, dass zumindest ADAMANTA/HT von vornherein davon ausging, die durch die Umplanungen und Erweiterungen verursachten zusätzlichen Kosten nicht selbst tragen zu müssen.49

Dafür spricht auch die Position, die ADAMANTA/HT einige Monate später im Konflikt annahm, welches Bausoll für den abgeschlossenen Vertrag verbindlich sein sollte. Die ReGe konnte die von Herzog & de Meuron geplante sog. Tektur, also die endgültige Planung, die die wechselseitigen Einflüsse der Investorenplanung auf das Gesamtgebäude enthielt, erst lange nach Vertragsschluss am 18.06.2007 vorlegen. Anders als auf städtischer Seite erwartet, beharrte ADAMANTA/HT darauf, ihren Angebotspreis aufgrund des offiziellen vereinbarten Planungsstandes vom 24.11.2006 kalkuliert zu haben und erkannte das geänderte neue Bausoll nicht an.50 In der Folge wertete ADAMANTA/HT die entsprechenden

46 Drs 18/5824 „Unter dem Strich bedeutet das, dass durch diese Baumaßnahme etwa 5 Millionen Euro Mehrkosten entstanden sind. Es sind

insgesamt etwa 1000 Quadratmeter mehr Fassade entstanden, aber dies hat einen Ertrag von 15 Millionen Euro auf die Laufzeit des Pachtvertrags

für den Investor gebracht und damit unter dem Strich 10 Millionen Euro Verbesserung des Wirtschaftlichkeitsergebnisses. Das war einer der Gründe, warum dieses Projekt überhaupt wirtschaftlich durchgeführt werden kann. Das war einer unserer Optimierungspunkte, damit wir Ihnen

überhaupt ein Projekt präsentieren können, wo Sie mit Fug und Recht sagen können, das ist wirtschaftlich und da können wir zustimmen; anders

wäre das nicht möglich gewesen. Wenn wir das nicht gemacht hätten, dann wären beispielsweise die Kosten der Fassade und die Gesamtbaukosten so hoch gewesen, dass sie den Ertrag aus der Mantelbebauung überstiegen hätten.“ 47 PUA-Drs. 20/6, Vernehmung Dr. Möller, HOCHTIEF, 23.09.2011, S.85 48 PUA-Drs. 20/6, Vernehmung Dr. Möller, HOCHTIEF, 23.09.2011, S.106 49 PUA-Drs. 19/8 Vernehmung Hartmut Lohr, ASSMANN, 04.11.2010. S.24 „Man hatte ja diesen bisschen Wahn, hätte ich fast gesagt, möglichst

viel Fläche an die Investoren zu bringen, weil man dafür Geld dann auch wieder hoffte, zurückzukriegen. Aber da ist man sehr an die Grenze

gegangen und umgekehrt hat natürlich so ein Hotel eine ganz genaue Vorstellung, damit der 5-Sterne-Laden läuft. Und auch die mussten eingearbeitet werden. Aber das war ja so geregelt, dass der Generalplaner das macht und HOCHTIEF dann diese Planung entgegennimmt und

umsetzt. Die Auswirkungen der Kosten hat HOCHTIEF dann von der durch ihn zwar initiierten Planung wieder abgegriffen und dann wieder

zurück gereicht. Und das war zur Vergabe irgendwie nicht klar.“ 50 ASSMANN, Projektstatusbericht Nr.9, 30.06.2007, S.3: Die ADAMANTA/HT versucht Mehrkosten aus Änderungen analog eines

Einzelabrechnungsvertrages geltend zu machen. Die durch die ReGe veranlasste juristische Prüfung kommt zu dem Schluss die Zulässigkeit

dieses Vorgehens im Einzelfall prüfen zu müssen. Ein Pauschalfestpreis unter der Überschrift „rundum sorglos“ existiert nicht.“

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Änderungen als nicht vom Pauschalpreis abgedeckt, die nach Einschätzung von des ReGe Juristen Stefan Kaden 55% der im Nachtrag 4 verhandelten Nachtragsforderungen von ADAMANTA/HT ausmachten.51

4. Weltarchitektur unter Zeitdruck

Der Anspruch „Weltarchitektur“ bedeutet nicht nur, einen genialen Entwurf umzusetzen, sondern setzt sich bis in alle Einzelpläne, Materialien und Details fort. Die Stadt hat mit Herzog & de Meuron schon früh einen Vertrag geschlossen, der den Architekten neben dem Entwurf auch die Zuständigkeit für die Ausführungsplanung überließ. Das ist bei großen Bauvorhaben unüblich. Normalerweise wird die Ausführungsplanung dem bauausführenden Unternehmen zugeschlagen, damit Detailplanung und praktische Ausführung für die notwendige Koordination in einer Hand liegen. Das ist in aller Regel kostengünstiger und vermeidet eine konfliktreiche Schnittstelle, lag aber nicht im Interesse der Architekten.52

Mit ihrer Herrschaft über die Ausführungsplanung konnten Herzog & de Meuron ihre architektonischen und künstlerischen Vorstellungen bis ins Detail ausführen, und waren dem Generalunternehmer ADAMANTA/HT nicht verpflichtet. Herzog & de Meuron waren weder zwingend eingebunden in die verbindlichen Terminzusagen von ADAMANTA/HT noch in deren Kostenkalkulationen. An beiden Schnittstellen entstanden große Probleme, da Herzog & de Meurons engagiert geführter „Kampf gegen die Banalisierung des Baus“ auf die Zwänge zur Kostenminimierung durch den von ADAMANTA/HT niedrig angesetzten Pauschalfestpreis trafen, und die Interessen diametral auseinanderstrebten.

Um diese schwierige Interessenlage der beiden Hauptakteure des Baus in den Griff zu bekommen, hätte die ReGe ein strafferes Controlling für eine effektive Projektsteuerung aufbauen müssen. Nur so hätte sie frühzeitig und umfassend die aufkommenden Probleme erkennen und lösen können. Die ReGe vergab das Controlling an die ASSMANN GmbH. Deren Chefingenieur Hartmut Lohr kannte und schätzte ReGe-Projektkoordinator Wegener schon aus anderen Projekten, die aber bei weitem nicht so komplex waren. Zudem war der Auftragsumfang der ASSMANN GmbH der komplexen Aufgabe nicht angemessen und beinhalteten keine Kompetenzen für die Projektsteuerung.

Sichtbar wurde das problematische Miteinander der Beteiligten zuerst am Konflikt um den komplexen Terminplan. Im Angebot von ADAMANTA/HT waren aus Kostengründen sehr knapp gesetzte Termine enthalten. Die ReGe unterstützte diesen engen Terminplan zur Bauausführung, obwohl bekannt war, dass er den Möglichkeiten und den Ansprüchen der Generalplaner widersprach. Da auch dieser Konflikt bis zur Formulierung Beschlussdrucksache für die Bürgerschaft nicht gelöst war, wurde er in der Beschlussdrucksache der Bürgerschaft nicht erwähnt.

Der Konflikt zeigt die widersprüchliche Haltung der Stadt gegenüber dem öffentlich immer wieder propagierten Anspruch der Weltarchitektur. Die Stadt hat sich mit Architekten und Generalunternehmer ADAMANTA/HT auf ein Vertragsdreieck eingelassen, das sowohl den Wünschen der Architekten nach weit reichender Verwirklichung ihrer künstlerischen Ideen entgegen kam, als auch der ADAMANTA/HT

51 Vgl. Protokoll Bauausschuss vom 23.10.2008, in PUA Fragenkatalog Höhler, Architekten Höhler+Partner, 17.04.2012, Anlage 23 52 PUA-Drs. 20/6, Vernehmung Pierre de Meuron, 17.11.2011, S.53: „Wenn das nicht so ist, dann sind wir – auch der Bauherr – ausgeliefert

einer Entscheidungsgewalt oder Entscheidungskraft, die sich nicht auf die gestalterischen Belange konzentrieren wird.“

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tief greifende Änderungen am Gebäude aus ökonomisch-betriebswirtschaftlichen Gründen zugestand. Die Konflikte zwischen Herzog & de Meuron und ADAMANTA/HT waren vorprogrammiert. Während die Generalplaner um mehr Planungszeit und qualitativ hochwertige Lösungen in Einzelfragen kämpften, versuchte ADAMANTA/HT aus jeder Weiterentwicklung der Pläne eine Änderung am Bausoll zu begründen, um deren Kosten auf die Stadt abzuwälzen. Kooperation konnte sich kaum entwickeln, denn jede Seite konnte sich auf mit der Stadt vereinbarte Vertragsrechte berufen, die einen Kompromiss nicht zwingend notwendig machten.

Die ReGe bewegte sich zwischen diesen Polen. Personell schwach aufgestellt verfügte sie weder über genügend fachliches Know-how, um produktive Lösungen durchzusetzen, noch über einen funktionierenden, vertraglich vereinbarten Mechanismus, um Konflikte mit Autorität zu entscheiden. Statt die Defizite der Vertragskonstruktion zu benennen, spart sie diese in der Bürgerschaftsdrucksache aus und verschweigt die vorhandenen Terminprobleme.

5. Der Pauschalfestpreis und seine Tücken

Für die politische Durchsetzung des Projekts war der sog. „Pauschalfestpreis“ entscheidend. Im realen Ablauf entpuppte er sich schnell als eine Fiktion, der zu Unrecht von dem politisch und organisatorisch Projektverantwortlichen gegenüber der Bürgerschaft und der Öffentlichkeit als äußerst tragfähiger Anspruch dargestellt wurde.

Projektkoordinator Wegener am 16.01.2007 vor dem Haushaltsausschuss der Bürgerschaft: „Ich sage hier klar und eindeutig: Das Kostenrisiko im Bauprozess liegt nunmehr nach abgeschlossenen Leistungsverträgen allein beim Bieterkonsortium IQ² (später umbenannt in ADAMANTA/HT, hjs) die die Bauleistungen zu einem Pauschalfestpreis angeboten hat. Nur für den Fall nachträglicher Planungsänderung durch den Bauherrn, also durch uns, kann es zu Kostensteigerungen kommen.“ Drs. 18/5824 S.28

Wegener verschwieg die Risiken des unvollständigen Bausolls, die er zu dem Zeitpunkt zweifellos kannte. Der damals vereinbarte Planungsstand war nicht längst nicht mehr aktuell. Tatsächlich gebaut wird eine heute andere Elbphilharmonie, die nicht nur im öffentlichen Teil durch einen dritten Saal erweitert wurde, sondern nach Vertragsschluss wesentlich nach den Wünschen des Pächters und Generalunternehmers ADAMANTA/HT umgeplant werden musste.

a. Budgets für Planungslücken - risikofreie Zonen für ADAMANTA/HT

Der Planungsstand der Ausschreibung enthielt große Bereiche, deren Ausgestaltung und Kosten noch völlig unbekannt waren. Diese weißen Flecken der Planung waren Ergebnis des Zeitdrucks bei der Auftragsvergabe und wurden behelfsmäßig mit sog. Budgets überbrückt, die alle Bieter in die Kalkulation einstellen sollten. Diese Budgets basierten weder auf einer tiefer gehenden Analyse von Anforderungen noch auf Marktpreisen, sondern waren von den Generalplaner geschätzt53. Da sie aber nur Platzhalter

53 PUA-Drs.20/06 Vernehmung Dr. Möller: „Das Ratespiel ist aber so gewesen, dass die Zahlen vorgegeben worden sind und wir haben sie eben nicht genau kalkuliert, sondern die haben wir auf Plausibilität überprüft. (…) Der Große Saal, die Weiße Haut, das sind rund – übern dicken

Daumen – an der Oberfläche dreieinhalbtausend Quadratmeter Oberfläche.(…) Dort stand in der Vorgabe: Wir wissen noch nicht genau wie das

werden soll, aber 4 Mio. netto, also plus Mehrwertsteuer, 4 Millionen. Das sind gut 1000 Euro pro Quadratmeter für so eine Weiße Haut. (…) Ich

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waren, gaben sie den Bietern das Recht, später die real anfallenden Kosten auch über das Budget hinaus abzurechnen. Die weißen Flecken mutierten so zu schwarzen Löchern, die Mehrkosten magisch anzogen.

Diese Budgets waren im Vergabeverfahren mit 21 Mio. Euro viel zu niedrig angesetzt. Im Nachtrag 4 wurden sie auf 43 Mio. erhöht,54 aber auch diese Summe reicht nicht aus. Die tatsächlich ungedeckelten Budgets wurden gegenüber der Bürgerschaft und der Öffentlichkeit als „nach oben begrenzte Kostenrahmen“ bezeichnet. Zwar taucht in der gleichen Drucksache 19/1841 auch noch eine andere Definition der Budgets auf, die aber niemand hinterfragte:

„Das Budget ist ein nach oben begrenzter Kostenrahmen, in dem die Abrechnung auf Basis von tatsächlich entstandenen Kosten an die ADAMANTA/HT erfolgt.“ (S.3) und: „Eine Budgetposition bedeutet, dass der Betrag des Budgets in der Gesamtvergütung enthalten ist, jedoch nach tatsächlichem Aufwand abgerechnet wird.“ S.9

Die Vermutung liegt nah, dass die Budgets im Vergabeverfahren absichtlich niedrig angesetzt wurden. Sie beinhalteten z.B. für die akustische Verkleidung des Konzertsaales (sog. Weiße Haut) oder die Szenografie eher durchschnittliche Kostenwerte einer normalen Ausstattung. Der außerordentlich hohe Qualitätsanspruch, eines der zehn besten Konzerthäuser weltweit zu bauen, schlug sich in den ersten Budgets nicht nieder. Allein das Budget für die Weiße Haut stieg von ursprünglich 3,5 Mio. Euro auf 8,5 Mio. Euro im Nachtrag 4 und wird bisher absehbar bei über 15 Mio. Euro enden, die komplett von der Stadt zu zahlen sind.

Die horrenden Fehleinschätzungen legen nah, dass die Budgets gleich zwei Funktionen für die Durchsetzung der Elbphilharmonie erfüllten: Sie waren das Instrument, um die unreifen Planungen innerhalb der eng gesetzten Termine mit dem Generalunternehmer vertraglich zu fixieren und sie halfen den Pauschalfestpreis niedrig zu halten, weil wesentliche Risikofaktoren außerhalb des Festpreises gestellt wurden. Die systematisch zu niedrig angesetzten Schätzungen nützen der politischen Durchsetzung und bedeuteten für ADAMANTA/HT eine Komfortzone ohne Kostendruck.

b. Widersprüchliche Vertragskonstruktion

Der Leistungsvertrag hat ADAMANTA/HT schon 2006 zur Ablieferung eines funktionstüchtigen, schlüsselfertigen Konzerthauses verpflichtet, so wie es in den Planungen zur Ausschreibung funktional beschrieben wurde. Dem Bauunternehmen ist es bei solchen Vertragskonstruktionen überlassen, wie genau das beschriebene Leistungsziel umgesetzt wird. Entscheidend ist, dass die fixierten Vorgaben sämtlich in der vorgegebenen Qualität umgesetzt werden.55

Die Funktionsbeschreibung bedeutet, dass zwar die weiteren Konkretisierungen vom Pauschalfestpreis abgedeckt waren, aber substanzielle Änderungen am vereinbarten Planungsstand kostenmäßig zu Lasten

habe das für mich beurteilt beim ersten Anlauf. Ganz ehrlich gesagt, Frau Gümbel: Ja, kann. Das kostet garantiert nicht so viel. (…) Die Weiße

Haut kostet jetzt 15 Millionen im Einkaufspreis. Und ich, ehrlich gesagt, hab damit auch nicht gerechnet.“ S.96 54 Im Nachtrag 4 werden 16 Einzelbudgets mit einer Gesamtsumme von 43 Mio. Euro aufgelistet. Drs. 19/1841, S.37 55 PUA-Drs.20/11 Vernehmung Armin Daum, ReGe, 05.12.2011, S.43 „Wenn ich ein funktionierendes funktionales Bausoll habe, brauch ich am

Ende gar keine Planung und habe keine Nachtragsrisiken. Und in dieser Welt haben wir uns bei Erstellung des Vertragstextes bewegt“

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der Stadt gehen würden.56 Die genaue Grenze zwischen Konkretisierungen und Änderungen wurde zum permanenten Streitfeld zwischen den Akteuren.

Der auf einer funktionalen Beschreibung des Gebäudes basierende Bauvertrag hatte gerade beim technisch höchst anspruchsvollen Großprojekt Elbphilharmonie gravierende Risiken:

Erstens erfüllte der Stand der Ausschreibungsplanung der Generalplaner im Sommer 2006 noch nicht die Anforderungen. Nach Aussage des federführenden Architekten Wedrich von Herzog & de Meuron war zu dem Zeitpunkt mehr als die Hälfte des Gebäudes noch undefiniert.57 Die noch groben Pläne mussten ständig weiter konkretisiert werden, was zu unvermeidbaren Änderungen aus bautechnischen Notwendigkeiten führte. Diese gingen über bloße Konkretisierungen der Entwurfsfassung hinaus und waren vom Pauschalfestpreis nicht abgedeckt. Trotzdem waren diese Änderungen nicht vermeidbar, weil sie sich erst durch den Erkenntnisfortschritt im Planungsprozess ergaben.

Zweitens waren die von dem Generalplaner zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe vorgelegten Pläne zwar noch grob und lückenhaft, aber sie enthielten dennoch an vielen Stellen Details und konkrete Mengenangaben, von denen sich viele im weiteren Planungsprozess wieder änderten.58 Da normalerweise in einer funktionalen Planung die Details der Ausführung dem Bauunternehmen überlassen sind, entzündete sich der Streit, ob sie die Detailvorgaben der Architekten die funktionale Planung durchbrachen. Auch hier hakte ADAMANTA/HT erfolgreich ein, um spätere Änderungen an diesen festgelegten Details als vom Pauschalfestpreis nicht abgedeckt nachzufordern. Die ReGe hatte versäumt, den Vertragstext und die Art und Weise der Planung entsprechend wasserdicht aufeinander abzustimmen.

Drittens passten die Planungen der Ausschreibung wegen der substanziellen Änderungen an der Gebäudeplanung nicht mehr zum unterschriebenen Vertrag. Die Vergrößerung und Verschiebung der kommerziellen Flächen konnte in den Planungsanlagen zum Vertragstext nicht mehr abgebildet werden.59

Die weit reichenden Konsequenzen dieser Probleme wurden von der ReGe falsch eingeschätzt. Die Lücke zwischen dem veralteten, aber vertragsrelevanten Planungsstand und endgültigen Bausoll zerstörte den Pauschalfestpreis, weil nur vom Angebot der ADAMANTA/HT abgedeckt war, was auch schon bei offizieller Angebotsabgabe zu erkennen war.

56

„Eine funktionale Leistungsbeschreibung ist dadurch gekennzeichnet, dass der Auftraggeber im Wesentlichen nur die durch den angestrebten

Nutzungszweck vorgegebenen Anforderungen eines Bauwerkes bezeichnet und die technischen, wirtschaftlichen, gestalterischen und funktionalen

Rahmenbedingungen definiert.“ aus http://www.hochschule-bochum.de/fileadmin/media/fb_a/Legner/ava/HS_BO_AVA_Vorlesung07.pdf, hier

findet sich auch eine vergleichende Darstellung mit der konstruktiven Leistungsbeschreibung. 57

PUA-Drs. 20/24 Vernehmung Herr Wedrich: „Also wir waren einfach noch nicht so weit in der Zeit, die Ausführungsplanung so konkret zu

haben, dass eine Ausschreibung hätte vollzogen werden sollen. Und dann fehlten wesentliche Bestandteile. Mehr als die Hälfte des Gebäudes war

sozusagen noch nicht definiert, was dort geplant werden sollte.“ S.58 58

PUA-Drs. 20/24, Vernehmung von Herrn Wedrich: „Nein, also nach meiner Sicht widerspricht es dem nicht (der funktionalen

Leistungsbeschreibung, Ergänzung hjs), weil wir, wie gesagt, die Auffassung hatten – und das auch in Absprache mit dem Bauherrn – eine

Ausschreibung zu produzieren, die so konkret wie möglich ist. Also es war nicht die Rede, nicht konkret zu sein und sehr oberflächlich zu sein,

sondern wir haben viele Details abgegeben, wir haben in gewissen Bereichen – das war das, was ich meinte: in vielen Bereichen, wo wir uns

sicher waren – die Planung sehr konkret beschrieben.“ S.61 59

PUA-Drs. 20/24 Vernehmung Herr Wedrich: „Vorsitzender: Haben Änderungswünsche des Investors, also von ADAMANTA/HT wegen der

zeitgleichen Abarbeitung dazu geführt, dass die Genehmigungsplanung ganz oder teilweise mehrfach überarbeitet werden musste? Wedrich: Ja. Vorsitzender: Können Sie uns Beispiele nennen? Wedrich: Ja. Also war für uns eine wesentliche Veränderung die Verlegung des

Konferenzbereiches vom Neubau in den Speicher. Es waren Anforderungen an den Wellness-Bereich, der neu entstanden ist mit Swimmingpool

et cetera pp. Es gab solche Wünsche wie Entfall von ganzen Stützreihen.“

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Der von der renommierten Vertragsjuristin Frau Dr. Jasper entworfene Vertragstext berücksichtigte diese Lücken nicht. In der Befragung vor dem PUA wies Frau Jasper mehrfach darauf hin, dass sie selbst die Vollständigkeit der Planungen nicht überprüft hätte. Auch der durch zu konkret formulierte Planungsbestandteile angreifbare funktionale Charakter der Planungen fiel nicht auf, weil niemand beide Vertragsbestandteile daraufhin überprüfte. Gerade die von Frau Dr. Jasper im Leistungsvertrag angelegte Radikalität hinsichtlich des funktionalen Charakters der Ausschreibung und des pauschalen Festpreises wirkte sich fatal aus, weil damit die Illusion geschürt wurde, die vereinbarten Anlagen, also die halbfertigen Planungsunterlagen, seien nicht so entscheidend. In der unübersichtlichen Gemengelage von Architekten, Vertragsjuristin und ReGe fühlte sich niemand zuständig für die Frage, ob Vertrag und Anlagen/Pläne zusammenpassen.60 Da der Vertrag an den Fachbehörden der Stadt vorbei entwickelt und dem Senat vorgelegt wurde, konnte auch von dort keine Warnung kommen.

Die Unklarheiten im Bausoll führten sofort nach Baubeginn zum Streit behinderte die Fähigkeit zur produktiven Kooperation der Vertragspartner. Während ADAMANTA/HT ein starkes Claim-Management als integralen Bestandteil ihrer Bautätigkeit installierte, um ihre Ansprüche zu untermauern, stand die ReGe zunächst weitgehend ignorant den Ansprüchen von ADAMANTA/HT gegenüber und registrierte sie nur, ohne sofort eine Gegenstrategie zu entwickeln. Dieser zuerst laxe Umgang mit den ersten Warnzeichen erwies sich als fatale Fehleinschätzung der eigenen Vertragsrechte.

6. Nachtrag 4: Einigung um jeden Preis?

Nachtrag 4 ist das Kürzel für das Ergebnis der Nachtragsverhandlungen mit der ADAMANTA/HT, die aufgrund der Masse an Behinderungsanzeigen, zusätzlichen Geldforderungen und Zeitverzügen unvermeidlich geworden waren, um die Blockaden und Streitigkeiten auf der Baustelle zu lösen. Die Verhandlungen dazu wurden im Mai 2008 aufgenommen und im November 2008 abgeschlossen.

Das Ergebnis legte der Senat in Drucksache 19/1841 vor: Mit 137 Mio. Euro Mehrvergütung für ADAMANTA/HT wurden alle strittigen offenen Forderungen für erledigt erklärt, ein neues Bausoll wurde fixiert und ein mit den Generalplanern abgestimmter Terminplan verbindlich gemacht, der eine Fertigstellung bis November 2011 vorsah. Weitere Kosten entstanden durch Nachforderungen der Generalplaner (20 Mio.) und durch diverse sonstige Projektkosten (52 Mio.), die insgesamt den Preis allein für den öffentlichen Teil der Elbphilharmonie auf 400 Mio. Euro schraubten. Damit waren nach damaliger Einschätzung des Senats sämtliche erkennbaren Probleme hinsichtlich Kosten- und Terminsicherheit gelöst.

Die 137 Mio. Euro Mehrvergütung verteilten sich auf

60 Vgl. PUA-Drs.20/11 Vernehmung Armin Daum, ReGe, 05.12.2011, S.45 Dr. Gümbel: So. Und wer war nun für diesen Vertrag verantwortlich?

Daum: Verschiedene Parteien: von demjenigen, der die Anlage erstellt hat, über den Juristen, der den Vertrag gemacht hat, über die ReGe, die das Gesamte koordiniert hat. Dr. Gümbel: Und bei wem sehen sie die letzte Verantwortung? Daum: Beim Bauherren, der ReGe. Dr. Gümbel: Das

heißt, Sie haben also einen Vertrag verantwortet, wo der erste Teil durch den zweiten konterkariert wurde? Daum: Am Ende ja. Dr. Gümbel: Und

haben Sie das wissentlich gemacht? Daum: ich persönlich? Nein.

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- 48,2 Mio.€ für Projektänderungen

- 36,8 Mio.€ Kosten der Bauzeitverlängerung

- 22,0 Mio.€ Budgeterhöhungen

- 30,0 Mio.€ Einigungssumme

I. Projektänderungen

Juristisch

Differenzen zwischen den im Vertragswerk fixierten Bausoll und den tatsächlich im Laufe des Bauvorhabens geforderten Bauleistungen zeigte ADAMANTA/HT in Projektänderungsmeldungen an, sog. PÄMs. Solche Meldungen werden sowohl technisch als auch juristisch bewertet. Das Ergebnis der technischen Bewertung sind die Kosten, die diese Änderung verursacht. Die juristische Bewertung klärt, wer diese Kosten zu tragen hat.

Lt. Drs. 19/1841 hatte die ADAMANTA/HT insgesamt 149 PÄMs mit einem Volumen von 40,7 Mio. Euro eingereicht. Hinzu kamen weitere 68,4 Mio. Euro, die ADAMANTA/HT für absehbar noch notwendige Änderungen veranschlagte, sog. „PÄMs der Zukunft“. Wer diese Forderungen zu begleichen hatte, war juristisch äußerst umstritten. Zentral war die juristische Bewertung der Änderungen der Entwurfsplanung, die durch die Integration der sog. „Investorenplanung“ notwendig wurde.

„Im Rahmen der Integration dieser Investorenplanung wurde festgestellt, dass sich damit der Planungsstand, auf dessen Grundlage der Investor sein Angebot abgegeben hatte, deutlich änderte. (…)Für die Kostentragung dieser Änderungen sah der Vertrag keine eindeutige Regelung vor, da alle Beteiligten den Umfang der Integrationsplanung und deren Auswirkungen auf das Bausoll unterschätzt hatten. Die ADAMANTA/HT vertrat den Standpunkt, dass jede Änderung zu dem Planungsstand, auf dessen Grundlage sie kalkuliert hatte, zu vergüten sei. Die Bau KG vertrat den Standpunkt, dass jede Änderung im Zusammenhang mit der Integration der Investorenplanung Sache des Investors sei.“

61

In diesem fundamentalen juristischen Konflikt, gab die Stadt am Ende der Verhandlungen um den Nachtrag 4 ihre wichtigste Rechtsposition auf:

„Eingehende juristische Prüfungen, auch durch externe Sachverständige, kamen inzwischen zu dem Ergebnis, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit die Bau KG die Kosten zu tragen hat, so dass die Bau KG Teile der Forderungen der ADAMANTA/HT akzeptierte.“

62

Diese Kehrtwende ist einen genaueren Blick wert. Exemplarische PÄMs waren im ersten Halbjahr 2008 von JuristInnen beider Seiten eingehend geprüft worden. Dieser Verhandlungs- und Prüfprozess ging sehr ins Detail und sollte eine mögliche gerichtliche Auseinandersetzung quasi simulieren, um eine tatsächliche zu vermeiden. Die Prüfungen gingen soweit, dass Frau Dr. Jasper, verantwortliche Juristin des Rechtsanwaltsbüros Heuking/Kühn/Luer, im Sommer 2008 eine exemplarische Klageschrift entwarf, um die Kosten aus der Integration der Investorenplanung abzuwehren (Erwiderung auf PÄM 100 vgl. PUA 20/18, S. 129). Diese Klageschrift war so ausgereift, dass sie diese auch gern „vor Gericht

61 Drs. 19/1841, S.8 62 ebd.

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ausgestritten“ hätte (ebd. S.134). Politisch war aber diese harte Haltung aber im Sommer 2008 nicht mehr opportun:

Jasper: „Es gab andere Auffassungen: Wir müssen weiter miteinander leben, wir müssen miteinander klarkommen, unser schönes Projekt und jetzt einigen wir uns doch mal. Es ist ja auch viel geändert worden. Und dann hat man eben gesagt: Das ist uns lieber uns zu vergleichen, als dieses schöne Projekt vor Gericht zu ziehen. Das ist eine Entscheidung, die ist so getroffen worden.“ Gümbel: Mit wem haben Sie das denn diskutiert? Jasper: Das war nicht mehr meine Entscheidung. Das haben wir nicht mehr beraten zu dem Zeitpunkt. Also wir haben noch diesen Entwurf gemacht und auch gesagt, unserer Auffassung wäre das der richtige Weg, und dann ist ja auch unser Mandat beendet worden.“

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Parallel zur Rechtsberatung durch Frau Dr. Jasper nahm die ReGe Anfang 2008 Kontakt mit dem Rechtsanwaltsbüro Heiermann/Franke/Knipp auf. Für Frau Dr. Jasper überraschend beendete die ReGe auf dem Höhepunkt der juristischen Auseinandersetzung die Zusammenarbeit mit ihrem Büro. Heuking/Kühn/Luer wurde nach Übergabe der Klageerwiderung von Frau Dr. Jasper im Sommer 2008 ohne Angabe von Gründen gekündigt. (vgl. PUA 20/18 S. 142) . Als neuer Berater fungierte Rechtsanwalt Lampe aus dem Büro Heiermann/Franke/Knipp, der seit März 2008 in die Prüfung der Nachtragsforderungen eingestiegen war und dessen Expertisen schnell an Einfluss in der ReGe gewannen.

In den Akten der ReGe finden sich speziell zum Problem der Integration der Investorenplanung von Rechtsanwalt Lampe zwei Stellungnahmen: eine vom 28. Mai. 2008 und eine weitere ohne Datum und Unterschrift, die schriftlich erst im April 2009 zu den Akten genommen wurde. Die beiden Stellungnahmen kommen zu gegensätzlichen Ergebnissen. Wurde im Mai 2008 auf der Linie von Frau Dr. Jasper argumentiert, bürdete die nachträglich zu den Akten genommene undatierte Stellungnahme die Kosten der Stadt auf. Die Frage der Entstehungsreihenfolge beantwortete der Zeuge Lampe in einer ersten Befragung vor dem PUA ausweichend und ließ unwidersprochen die Vermutung im Raum stehen, die später zu Akten genommene, undatierte Version sei ein Vorversion des Vermerkes aus dem Mai 2008. Die später gefundene begleitende Übersendungsmail vom 28.04. 2009 belegt aber, dass dieser Vermerk nicht vor Mai 2008, sondern erst wesentlich später entstanden ist.64

Der Ablauf der Ereignisse und das unklare Aussageverhalten den Beteiligten im PUA legen die Vermutung nah, dass an diesem Punkt die politischen Argumente die juristischen geschlagen haben und nachträglich versucht wurde, eine entsprechende „Papierlage“ in den Akten zu schaffen, um eine gerichtliche Auseinandersetzung gesichtswahrend zu vermeiden. Politisch wurde für eine außergerichtliche Lösung Druck ausgeübt. Das Bürgermeistergespräch vom 29. Juli 2008 endete nach Darstellung von RA Lampe mit dem Auftrag „eine irgendwie geartete Paketlösung zu finden“.65 Dafür eignete sich der Konflikt um die Integration der Investorenplanung, weil sich hier ein rechtliches Risiko begründen ließ:

„Da hab ich für uns ein Risiko gesehen, weil das eine Vertragsinterpretation war und meine Sichtweise des ganzen nicht unbedingt als 100% gerichtlich durchsetzbar und gerichtsfest angesehen werden konnte. Da habe ich gesagt: Hier würde ich das Risiko mit – weiß nicht, was ich da bewertet habe, im 10. September steht es, glaube ich, drin – 50% oder mehr als 50% überwiegen.

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63 PUA-Drs. 20/18 Vernehmung Frau Dr. Jasper, S.134 64 Vgl. Papier des Arbeitsstabes Prüfungsauftrag aus der PUA-Sitzung vom 07. Juni 2012, S.14 65 PUA-Drs. 20/7 Herr Lampe, S.7 66 PUA-Drs.20/7, S.61

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Die juristische Kehrtwende gab den Verhandlungsführern die Möglichkeit, an diesem Punkt ADAMANTA/HT weit entgegen zu kommen und dafür eine parlamentarisch vorzeigbare, quasi sachzwanghafte Begründung ins Feld zu führen.

Unbeziffert ist die genaue Reichweite dieser Entscheidung. ReGe-Mitarbeiter Kaden schätzte im Oktober 2008 die direkten oder indirekten Forderungen aus der Integration der Investorenplanung auf 55% der Gesamtforderungen und wies im PUA auf die komplexen Verflechtungen hin:

„Na ja, die Integration der Investorenplanung hat ja auch die Folge, dass sich Raumaufteilungen ändern. Und wenn sich Raumaufteilungen ändern, dann ändern sich z.B. auch Stützenstellungen. Und wenn sich Stützenstellungen ändern, dann ändert sich der komplette Lastabtrag und dann braucht man auch an anderer Stelle Pfähle im Schlick in der Elbe. Und diese Pfähle haben ja das ganze zweite Untergeschoss als Lastverteilungsplatte. Also ich sag mal, das zweite UG besteht ja aus viel Beton oberhalb dieser ganzen Pfähle. Und das heißt, die ganze Gründung, die Anordnung von neuen Pfählen und die Anordnung von Pfahlköpfen…“.

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Diese Auswirkungen der Änderungen in der Investorenplanung auf den Gesamtbau wurden auch von anderen Zeugen dargestellt. Ob die von Kaden geschätzte Größe genau stimmt ist bisher nicht ermittelt worden. Vieles spricht aber dafür, dass zumindest die Größenordnung realistisch ist.

Technisch

Was juristisch nicht abzuwehren war, konnte zumindest in der Höhe der Forderungen bestritten werden. Verantwortlich für die technische Prüfung der Ansprüche war für in der Arbeitsgemeinschaft der Generalplaner das Architektenbüro Höhler in Zusammenarbeit mit den Juristen der ReGe. Zu allen einzelnen PÄMs musste eine inhaltliche Position bezogen werden. Als Ergebnis dieser Prüfung wurden der ReGe am 21. November 2011 eine Summe von 48,2 Mio. Euro übermittelt, die unverändert in die Einigung mit ADAMANTA/HT übernommen wurde. An der Qualität dieser Prüfsumme gibt es erhebliche Zweifel. Nicht für alle PÄMs wurde die genaue Höhe der Forderungen geprüft, sondern ihre Angemessenheit wurde nur vergleichsweise ermittelt, da teilweise gar keine prüfbaren Daten von HOCHTIEF vorlagen68. Die Summe vom 48,2 Mio. Euro wird deshalb auch vom prüfenden Architekten Bannier als „Ermittlung für eine vergleichsweise Einigung“69 qualifiziert und nicht als belastbares Prüfergebnis. Daher ist aus Sicht von Bannier auch die Vereinbarung der zusätzlichen Vergleichssumme von 30 Mio. Euro unverständlich.

Diese Darstellung widerspricht der Formulierung des Senats in Drucksache 19/1841 wonach alle Forderungen außerhalb der sog. Einigungssumme von 30 Mio. Euro „konkret mit berechtigten Forderungen belegbar“ waren. Dieser Widerspruch drohte durch ein Aktenvorlageersuchen der Bürgerschaft Anfang 2009 publik zu werden. Dies versuchte die ReGe durch eine nachträgliche Komplettierung der Akten zu verschleiern:

Bannier: „Bei PÄMs, ich habe es ja erläutert, die nicht abschließend geprüft waren, nicht abschließend prüfbar waren, haben wir für diese vergleichsweise Einigung auf Plausibilität und Angemessenheit der Preise ermittelt, diese final dann letztendlich am 20. November Herrn Kaden mitgeteilt per Mail und für die Aktenvorlage haben wir dann diese Unterlagen dann noch mal mit auch nachgereichten Unterlagen der ADAMANTA/HT zusammengestellt um diese Plausibilität der Prüfung zu belegen. Und wenn Sie jetzt genau wissen wollen, warum die kein Datum tragen… Man hätte natürlich auch das aktuelle Datum draufschreiben können. Das war aber vonseiten der ReGe nicht gewünscht; insofern haben wir uns dann entschlossen, gar kein Datum draufzuschreiben.“

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67 PUA-Drs. 20/21, Herr Kaden, S.35 68 vgl. PUA-Drs. 20/22 S.79 69 ebd. S.89 70 PUA Drs. 20/22, S.88

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Für diese nachträgliche Erstellung von 60 Prüfakten hat der ReGe-Geschäftsführer Leutner im März 2009 eindeutige Vorgaben gemacht:

Bannier „Also ich hab, wie gesagt, dieses Schreiben, was das beinhalten soll, von dem Herrn Leutner, wie die Unterlagen genau aussehen sollten, den hab ich mit dem Herrn Kaden abgestimmt. Abg. Gümbel: Was waren da Parameter? Bannier: Ja, die Parameter sind gewesen eine möglichst sichere eindeutige Darstellung, dass die Preise angemessen sind.“

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Man kann das als ein nachträgliches >frisieren< der Akten werten, denn die technischen Prüfungen der Mehrforderungen waren zum Zeitpunkt der Einigung über den Nachtrag 4 nicht vollständig abgeschlossen. Der Bürgerschaft wurde auch hier ein falsches Bild über die Unabweisbarkeit dieser Forderungen vermittelt.72

II. Bauzeitverlängerung

Im Nachtrag 4 wurde die Bauzeit um 19 Monate verlängert und in Drs. 19/1841 heißt es:

„Diese 19 Monate ergeben sich aus Verlängerungen wegen der großen Massen- und Mengenmehrungen (Stahl, Beton, Technische Gebäudeausrüstung), da mehr Bauvolumen nur in längerer Zeit verbaut werden kann und aus einzelnen Behinderungssachverhalten.(…) Nach der rechtlichen und baubetrieblichen Prüfung der einzelnen Störungssachverhalte hat die Bau KG 16 Monate des Gesamtverzuges von 19 Monaten zu vertreten. “

Noch am 28. Juli 2008 hatte die ReGe an ADAMANTA/HT geschrieben, dass der ADAMANTA/HT ein Anspruch auf Bauzeitverlängerung keinesfalls zustände. Diese Haltung ließ sich jedoch nicht durchhalten. Zehn Tage vorher, am 18. Juli 2008, hatte die ReGe das Ingenieurbüro RKS beauftragt, die von HOCHTIEF vorgelegten Bauzeitbilanzen zu prüfen. Für eine erste Risikoabschätzung auf Basis der Bauzeitbilanz II sieht RKS ein Risiko von drei bis sechs Monaten bei der Stadt. Am 30. Oktober 2008 erhält RKS eine letzte von HOCHTIEF aktualisierte und ergänzte Bauzeitbilanz II++ zur Prüfung, die eine Forderung von 141 Mio. Euro aus 35 Monaten Bauzeitverlängerung enthält. Nur wenige Tage später, am 12.11.2008, übersendet RKS das Ergebnis der Prüfung: maximal 19 Monate Verzug, davon nun 16 Monate von der Stadt zu verantworten. Die Position der Stadt hatte sich in wenigen Tagen drastisch verschlechtert:

Ruf: „Unser Auftrag war gewesen, aus der Bauzeitbilanz II zu gucken, was von den 35 Monaten validierbar ist im Rahmen einer ganz groben Abschätzung mit den zur Verfügung stehenden Daten – die dürftig genug waren, muss ich hier deutlich sagen, die dürftig genug waren, ja, vonseiten was uns zur Verfügung gestellt worden war – und was von den 141 Mio. unter der Zeitabschätzung, die dann zu machen war, als möglicher Risikobetrag – impliziert das Maximumprinzip -, ein möglicher Risikobetrag herauskommen kann. So, wenn ich jetzt sage, ein möglicher Risikobetrag kann so sein – Sie wissen was raus kam, 36,8 Mio. am Ende des Tages dann -, heißt das, das ist ein mögliches, maximales Risikopotenzial. Was damit jetzt gemacht wird, ob das jetzt eins zu eins so verarbeitet wird oder ob ich sage, dass ist die Verhandlungsbasis, was eher nahe lag, ja, das wussten wir nicht.

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RKS bezeichnete die Verzögerung von 19 Monaten als Maximalrisiko. Es war lediglich das Ergebnis grober Abschätzung unter Zeitdruck auf der Basis lückenhaften Unterlagen, in denen die Angaben von HOCHTIEF nicht in der Tiefe geprüft werden konnten. Ähnlich wie bei der technischen Kostenprüfung wurde auch hier eine nicht belastbare Einschätzung maximaler Risiken zum Verhandlungsergebnis mit ADAMANTA/HT.

71 PUA-Drs. 20/22 S.112 72 Vgl. auch Drs. 19/3209 73 PUA-Drs. 19/11, S. 71

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Und natürlich führt auch hier führt die politisch motivierte Entscheidung zur Übernahme der Lasten aus der Integration der Investorenplanung indirekt zu Mehrkosten. Im Fazit der Risikoabschätzung argumentiert RKS: „Die ursprüngliche Ablaufplanung zu Beginn der Ausführung führt durch die erheblichen Entwurfsänderungen nach Beginn der Ausführung zu gravierenden Einflüssen auf die geplante Ausführung.74

In der Drs. 19/1841 des Senats erscheint das Maximalrisiko der RKS-Prüfung als „tatsächliche“ Bauzeitverlängerung (S.9) und suggeriert, dass an dieser Stelle kein Verhandlungsspielraum mehr bestanden hätte. Das ist irreführend und stärkt die Interpretation, dass die oberflächlichen Prüfergebnisse primär die Funktion hatten, sachlich nicht zwingende, aber politisch gewollte Zugeständnisse der Stadt an ADAMANTA/HT zu bemänteln

Budgeterhöhungen

Es ist erstaunlich, warum so lange Zeit nach Baubeginn im Nachtrag 4 überhaupt noch Budgets notwendig waren. Ursprünglich waren sie für noch nicht ausgeplante Bereiche als Kalkulationsgröße für die Angebote eingeführt worden. 18 Monate nach Baubeginn hätten die Planungslücken beseitigt sein sollen. Auch die Generalplaner hatten die Auflösung der Budgets angemahnt.

Gemessen an den Kosten für den öffentlichen Bereich sind aber die unbeplanten Budgetbereiche beinahe exakt bei 15% der Summe geblieben und stiegen von 21 Mio. Euro auf 43 Mio. Euro. Erstaunlich auch deshalb, weil gleichzeitig in Drs. 19/184 das endgültig definierte Bausoll bei 95% veranschlagt wurde.

Bei der Neudefinition der Budgets konnte ADAMANTA/HT kein Interesse an der Auflösung oder Reduzierung der Budgets haben, da diese eine Risikominderung bedeuteten. Daher war die Frage wichtig, wer die Budgets bestimmt und welche Leistungsbereiche von einem Budget erfasst sind. Auch hier kam die ReGe ADAMANTA/HT entgegen.

Wedrich: „Und auch das war eine Empfehlung, die wir an der einen oder anderen Stelle getroffen haben. Also es gab eigentlich keinen Grund, per se die Budgets nicht aufzulösen. Und man hat sich auch aus Sicherheitsgründen entschieden, das Budget noch mal zu lassen, hat die Budgets erhöht, um damit dann auch eine gewisse Sicherheit zu bekommen.“75

Es stellt sich die Frage, ob womöglich die Budgetsumme nicht der Notwendigkeit konkreter Planungslücken geschuldet war, sondern eher einer Verhandlungseinigung auf 15% der Bausumme entsprachen, die Hochtief zur Risikominimierung eingeräumt wurde. Das könnte erklären, warum die ReGe bei der Budgetdefinition Hochtief so freie Hand gelassen hat. Eine zwingende planerische Begründung ist jedenfalls schwer auszumachen.

Für die politische Durchsetzung der Drucksache war wichtig, die Budgets nicht unverblümt als Einfallstor für noch weitere Nachforderungen kenntlich zu machen. Konkret enthält die Senatsdrucksache zum

Nachtrag 4 die Formulierung, dass ein Budget „ein nach oben begrenzter Kostenrahmen ist“, faktisch waren Budgets aber unstreitig zwischen den Vertragsparteien ungedeckelt.76

74 PUA-Drs. 19/11 Fragenkatalog Anlage 6, S.79 75

PUA-Drs. 20/24, Vernehmung von Herrn Wedrich, 07.06.2012, S.84 76 vgl. Drs. 19/1841, S.3

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Einigungssumme

Drs. 19/1841 führt aus, dass einer 270 Mio. Euro hohen Maximalforderung von ADAMANTA/HT aus Sicht der ReGe nur 107 Mio. Euro berechtigte Forderungen gegenüber standen. Die 30 Mio. Euro Differenz zum Verhandlungsergebnis von 137 Mio. Euro werden als Einigungssumme ausgewiesen. Dieser Zuschlag sollte den Abschluss der Verhandlungen ermöglichen und eine Vertragskündigung durch ADAMANTA/HT verhindern. Ebenso wollte die Stadt einer langwierigen gerichtlichen Klärung aus dem Weg zu gehen.

Wie weiter oben beschrieben, waren die anerkannten Forderungen in Höhe von 107 Mio. Euro keineswegs in aller Härte geprüft und verhandelt worden, sondern bildeten aus Sicht der Prüfenden das maximale Risiko ab, da sowohl die Kosten aus den Projektänderungen als auch aus der Bauzeitverlängerung nur lückenhaft und in Teilen oberflächlich geprüft werden konnten.

Die Einigungssumme drückt daher eher das damalige Erpressungspotenzial der ADAMANTA/HT in Zahlen aus: die Summe, die die Stadt Hamburg zu zahlen bereit war, um das Prestigeprojekt Elbphilharmonie ohne weitere Verzögerungen durch Gerichtsverfahren etc. weiterbauen zu können. Dafür wurde der Rest der durch Prüfungen nicht überbrückbaren Differenz schlicht aufgeteilt: „Das ist ungefähr der Differenzbetrag, der zwischen den Ansprüchen von ADAMANTA/HT und den von uns geprüften, nachvollziehbaren Ansprüchen liegt, geteilt durch zwei.“77

Planungsstand

Der Senat fasste im Dezember 2008 den Planungsstand so zusammen: „Mit dem Nachtrag 4 sind nach Auffassung aller drei Vertragsparteien insgesamt ca. 95% des Bausolls verbindlich festgelegt.“78 Nach Darstellung von Hochtief-Projektleiter Möller basiert diese Zahl auf seiner persönlichen Einschätzung gegenüber Herrn Leutner.

„Das ist eine Einschätzung, die habe ich persönlich vorgenommen,…Ich hab sowohl zu Herrn Leutner als auch…- ich weiß gar nicht

mehr in welchem Zusammenhang, aber bei Besprechungen – Leitungsrunde oder so was – haben wir uns darüber unterhalten: Was ist es?

Was könnte es sein? Ja, ich habe diese 95% einschätzt, aber sie sind schriftlich niedergelegt.“ 79

Diese 95% haben sich im Nachhinein als nicht haltbar erwiesen und wurden auch im PUA auch durch Pierre de Meuron als „grundlegend falsch“ verneint80. Der damals verantwortliche Architekt beim Generalplaner Wedrich nannte in der Befragung vor dem PUA als Schätzwert nur 50%:

„Wenn es 50 Prozent waren, waren es viel. Also es waren 50 Prozent Bausolldefinition und ich würde sagen, es geht in die Richtung weniger.“

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Diese Lücken in der Planung waren auch damals kein Geheimnis, es ging eher um die Darstellung nach außen, die intern durchaus umstritten war. In der Abstimmung zwischen ReGe und Kulturbehörde gab es nach Aussage des Zeugen Delissen eine interne Debatte zu dieser irreführenden Darstellung:

77 PUA-Drs. 19/12 Vernehmung von Herrn Leutner, 05.02.2010, S. 87 78 Drs. 19/1841 79 PUA-Drs. 20/8 Vernehmung von Herrn Möller am 31.102011, S.76 80 Vgl. PUA-Drs.20/9 Vernehmung von Herrn de Meuron, 17.11.2011, S.131 81 PUA-Drs. 20/24 Vernehmung von Herrn Wedrich, 07.06.2012, S.94, 95 Er führt weiter aus: „Es wurden, wenn ich mich recht erinnere knapp 400 Pläne zum Bausoll definiert und wir haben im Nachgang mal versucht, zu rekapitulieren,, wie viele Pläne es denn insgesamt sind, damit man

eine Relation bekommt und wir sind auf 3700 Plandokumente gekommen, die es bedarf, um die technische Gebäudeausrüstung konkret, fehlerfrei,

vollständig, mangelfrei darzustellen.(…)Ähnlich ist es mit den Objektplänen, also unseren Ausführungsplänen,…“

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„ - mit Bausoll waren bestimmte Positionen gemeint – ich sag mal, 100 – und von diesen waren 95 geklärt und 5 nicht. Aus meiner – das erinnere ich deutlich, weil ich das stark kritisiert hab – war es so, dass diese fünf Positionen nicht etwa 5 Prozent von Fläche oder Kosten beinhaltet hätten, sondern das konnten auch 5 Prozent sein, die 20 Prozent der Kosten… oder auch welche, wo man weiß, das läuft wahrscheinlich aus dem Ruder und kostet das Doppelte.(…) Ich habe kritisiert, dass die Vereinfachung der Problematik auf 95:5 dazu führt, dass in der Öffentlichkeit gewollt oder ungewollt möglicherweise ein falscher Eindruck entsteht und dass man dem – genau, um später solchen Vorwürfen entgegenzutreten – am besten damit begegnet, dass man einfach konkret erläutert. Das hätte vielleicht eine Seite mehr gekostet. Also schlicht die Position: Bei der Dramatik und dieser Mehrkostendebatte – mit meinen Worten – ist es dann auch schon egal. Das hätte ich besser gefunden. So entstand der Eindruck, das ist jetzt der Schlussstrich, und dafür war das Risiko jedenfalls nicht bei 5 Prozent.“

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Der Konflikt um den unzureichenden Planungsstand zeigt sich auch im Konflikt mit Pierre de Meuron, der – ähnlich wie beim Konflikt im den Zeitpunkt der Ausschreibung – vor einem zu frühen Vertragsschluss im November 2008 warnte und auf den ursprünglich für März 2009 vereinbarten Abschluss der Ausführungsplanung beharrte. Hier seien lt. de Meuron wiederum unrealistische Termine gesetzt worden, die erneute Planungslücken unvermeidlich gemacht hätten.83 Zudem enthielt die Einigung mit ADAMANTA/HT nach Aussage von Pierre de Meuron nicht die aktuellsten Planungen aus dem November 2008, sondern einen seit mehreren Monaten überholten Planungsstand.84 Die Auswirkungen dieser Terminentscheidung und dieser eventuellen Nachlässigkeit für die bis heute nachwirkende Problemlage sind kaum noch abschätzbar.

7. Unter Wölfen

An den Bau der Elbphilharmonie binden sich viele auch gegenläufige Interessen. Sehr stringent zeigt sich der hohe architektonisch-künstlerische Anspruch der Generalplaner Herzog & de Meuron, die weitgehend unbeeindruckt sind von den dadurch entstehenden Kosten oder Umsetzungsproblemen. Müssen sie auch nicht, da ihr Honorar vertraglich prozentual an die steigenden Baukosten gebunden ist.

Die Interessenlage von ADAMANTA/HT entwickelte sich komplizierter: Als Wettbewerbsbieter noch an einem konkurrenzfähigen, zuschlagsfähigen Preis interessiert, schlägt ihr Interesse an der Darstellung niedriger Baukosten nach dem Zuschlag völlig um. Ab da gilt es, aus dem Vertrag so viel wie möglich heraus zu holen. Ihre Möglichkeit, gleichzeitig als Pächterin der kommerziellen Mantelbebauung umfangreiche Gestaltungsansprüche durchzusetzen, hilft ihnen dabei.

Die FHH als Bauherr wirkt wie unter die Wölfe geraten, aber dieser Eindruck ist nur zum Teil richtig. Gerade die wichtigen Weichenstellungen für dieses Projekt am Anfang hat der Senat durch überehrgeizige Zeitpläne und eine sehr komplexe Projekt- und Finanzierungskonstruktion belastet. Das Augenmerk lag auf der Darstellbarkeit eines vertretbaren Preises und der Herausstellung des eigenen Verhandlungsgeschicks. Die sorgfältige Abwägung der damals schon bekannten Risiken unterblieb.

82 PUA-Drs 20/26 Vernehmung Delissen, 10.08.2012, S.137,138 83 Vgl. PUA-Drs. 20/9, Vernehmung von Herrn de Meuron, 17.11.2011, S.79 84 ebd. S. 71 „im Nachtrag 4 nicht einmal die Pläne von unserem Planstand, das heißt, den aktuellsten von Oktober, November 2008, nicht einmal die Pläne als Grundlage für Nachtrag 4 verwendet, sondern Pläne von früher, Pläne von August und sogar von Mai oder April 2008, also Pläne,

die auf einen weitaus primitiveren Stand waren als die Pläne … Sie können sich ja vorstellen, wenn eine Mannschaft, wie wir damals waren, 70

Mitarbeiter, was die leisten können.“