Thomas Tiefel (Hrsg.) Strategische Aktionsfelder des ...€¦ · Strategische Aktionsfelder des...

29
Thomas Tiefel (Hrsg.) Strategische Aktionsfelder des Patentmanagements

Transcript of Thomas Tiefel (Hrsg.) Strategische Aktionsfelder des ...€¦ · Strategische Aktionsfelder des...

Page 1: Thomas Tiefel (Hrsg.) Strategische Aktionsfelder des ...€¦ · Strategische Aktionsfelder des Patentmanagements ... zur FuE-Eflfizenzsteigerung am groBten ist, und erlautert insbesondere

Thomas Tiefel (Hrsg.)

Strategische Aktionsfelder des Patentmanagements

Page 2: Thomas Tiefel (Hrsg.) Strategische Aktionsfelder des ...€¦ · Strategische Aktionsfelder des Patentmanagements ... zur FuE-Eflfizenzsteigerung am groBten ist, und erlautert insbesondere

InterdisziplinaresPatentmanagement

Herausgegeben von Prof. Dr. Andrea Klug, Prof. Dr. Thomas T\efe\, Prof. Dr. Ursula Versch

Fachhochschule Amberg-Weiden

Die Schriftenreihe stellt Forschungsergebnisse aus dem Bereich des Patentmanagements und den damit verbundenen Problemfeldern Gewerblicher Rechtschutz, Recherchetechnik, FuE-, Technologie- und Innovationsmanagement sowie Unternehmensstrategie vor. Uber Einzeldarstellungen hinaus soil auch der Gesamtzusammenhang der Probleme und Losungsansatze vermittelt werden. Durch den ausdruck-lichen Theorie- und Praxisbezug stehen neue wissenschaftliche Erkenntnisse mit dem Ziel der konkreten, praktischen Anwendbarkeit im Mittelpunkt.

Page 3: Thomas Tiefel (Hrsg.) Strategische Aktionsfelder des ...€¦ · Strategische Aktionsfelder des Patentmanagements ... zur FuE-Eflfizenzsteigerung am groBten ist, und erlautert insbesondere

Thomas Tlefel (Hrsg.)

Strategische Aktionsfelder des Patentmanagements

Deutscher Universitats-Verlag

Page 4: Thomas Tiefel (Hrsg.) Strategische Aktionsfelder des ...€¦ · Strategische Aktionsfelder des Patentmanagements ... zur FuE-Eflfizenzsteigerung am groBten ist, und erlautert insbesondere

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet uber <http://dnb.ddb.de> abrufbar.

I.Auflage August 2006

Alle Rechte vorbehalten (S) Deutscher Universitats-Verlag/GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006

Lektorat Ute Wrasmann / Frauke Schindler

Der Deutsche Universitats-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de

Das Werk einschlieSlich aller seiner Telle ist urheberrechtlich geschiitzt Jede Verwertung auBerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulSssig und strafbar. Das gilt insbe-sondere fur Vervieifaltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in eiektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden durften.

Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl-Designerin, Frankfurt/Main Druck und Buchbinder: Rosch-Buch, ScheBlitz Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrei gebieichtem Papier Printed in Germany

ISBN-10 3-8244-0823-6 ISBN-13 978-3-8244-0823-8

Page 5: Thomas Tiefel (Hrsg.) Strategische Aktionsfelder des ...€¦ · Strategische Aktionsfelder des Patentmanagements ... zur FuE-Eflfizenzsteigerung am groBten ist, und erlautert insbesondere

Vorwort

Seit den 1990er Jahren kann sowohl in Europa, als auch in den USA imd Japan, ein sehr starker Anstieg an Patentanmeldimgen beobachtet werden. Im gleichen Zeitraum haben jedoch die Forschungs- und Entwicklungsausgaben der Unter-nehmen nur moderat zugenommen. In Folge stieg der volkswirtschaftliche Indi-kator ,J^atentintensitat", welcher als Quotient der beiden GroBen definiert ist, deutlich an. Als Erklarungen fur dieses Phanomen wurden zuerst eine den Nen-ner reduzierende, gesteigerte Effizienz der FuE-Prozesse und eine den Zahler erhohende Ausdehnung der Patentaktivitat auf neue Technologiefelder (z.B. Biotechnologie oder EDV) diagnostiziert. Neuere Studien liefem einen dritten Begriindungsansatz: Die mit der Patentierung verbundenen Strategien haben sich verandert. Sie gehen mittlerweile deutlich iiber die Fokussierung auf die Nut-zung der patentimmanenten Schutzfunktion hinaus und sind dadurch vielschich-tiger bzw. umfangreicher geworden, was sich wiederum in einer erhohten An-meldeaktivitat niederschlagt.

Vor diesem Hintergrund entstehen fiir das Patentmanagement neue strategi-sche Aktionsfelder, die es zukiinftig in der Untemehmenspraxis verstarkt zu beriicksichtigen gilt, und die daher im vorliegenden Band erortert werden. Der Einstiegsbeitrag „Technologie- und Erfindungsevaluierung in der Friihphase des Innovationsprozesses" richtet den Fokus auf den Zeitraum, in dem das Potenzial zur FuE-Eflfizenzsteigerung am groBten ist, und erlautert insbesondere die Kom-plexitat der in diesem Zusammenhang mit dem Patentschutz zu beantwortenden Fragen. Der darauf folgende Aufsatz , Ansatze der Patentportfolio-Analyse" gibt Hinweise, wie man mit der Wahl des richtigen strategischen Werkzeugs nicht nur die Effizienz, sondem auch die Eflfektivitat des FuE- und des Patentmana-gements verbessem kann. Er liefert einen Uberblick iiber acht verschiedene Portfolio-Ansatze, wobei gezeigt wird, wie diese inhaltlich konzipiert sind und wo ihr jeweiliges Einsatzgebiet liegt. Im Kontext der Ausdehnung der Patentak-tivitaten auf neue Felder und den daraus resultierenden Implikationen steht der mit dem Titel „Wettbewerbsstrategische Wirkungen der Patentierbarkeit von innovativen Geschaftsmethoden" iiberschriebene dritte Beitrag. Neben okono-misch-strategischen Aspekten wird in diesem auch die aktuelle patentrechtliche Situation auf dem Gebiet der Geschaftsmethoden in Deutschland bzw. Europa und den USA analysiert.

Wie sich die Nutzungsschwerpunkte des strategischen Funktionsspektrums von technischen Schutzrechten deutlich verschieben konnen, veranschaulicht zuerst der Artikel „Kapitalmarktgestutzte Patentverwertung". Dort steht nicht die Schutz- sondem die finanzwirtschaftliche Funktion von Patenten im Vorder-grund. Ein breiteres Bild zeichnet der daran anschlieBende Beitrag , J^atente als

Page 6: Thomas Tiefel (Hrsg.) Strategische Aktionsfelder des ...€¦ · Strategische Aktionsfelder des Patentmanagements ... zur FuE-Eflfizenzsteigerung am groBten ist, und erlautert insbesondere

VI

WafFen?", der sich mit der jiingst wieder zu beobachtenden Adaption militari-scher Strategieansatze in der Managementlehre auseinandersetzt imd in diesem Kontext auch auf die RoUe von gewerblichen Schutzrechten eingeht. Lenkt man den Blick auf die kommunikative AuBenwirkung von geistigen Eigentumsrech-ten so ist zu erkennen, dass deren marketingtechnische Nutzung mittlerweile eine grofie Bedeutung zukommt. In welchem rechtlichen Rahmen die (exteme) Reputations- bzw. DifFerenzieningsfunktion insbesondere von Patenten ihre Entfaltung finden kann, zeigt daher der Artikel, J)ie Werbung mit gewerblichen Schutzrechten und Urheberrechten". Aber auch untemehmensintem wirken Patente, da sie entscheidend zur Motivation der Mitarbeiter beitragen konnen. Den dazugehorigen gesetzlichen und praktischen Handlungsraum fiir monetare Konpensationen beschreibt der Aufsatz „Erfindervergutung in der Praxis". Da auch die Informationsfimktion von Patenten zukiinftig weiter an Bedeutung gewinnen wird, stellt diese die Klammer fiir die letzten beiden, technisch orien-tierten Artikel dar. Der Beitrag ,J^atentinformationen aus China und Korea" erlautert, wie und wo entsprechende Daten gewonnen werden konnen und der Aufsatz ,^ltemative Kraftstoflfe und Hybridfahrzeuge" beschaftigt sich mit der Patentsituation und dem Weiterentwicklungspotenzial von neuen Antriebskon-zepten im Fahrzeugbereich.

An dieser Stelle mochte ich auch meinen Dank aussprechen. Dieser gilt alien mitwirkenden Autoren, die sich, trotz ihrer auBerst Zeit konsumierenden Unter-nehmens-, Forschungs- und Lehraktivitaten, einem strengen Termindiktat unter-warfen und fristgerecht ihre hochaktuellen Beitrage iibersandten. Zudem mochte ich mich fur die wie immer sehr gute imd vor allem imkonplizierte Zusammen-arbeit mit dem Team des DUV bedanken.

Thomas Tiefel

Page 7: Thomas Tiefel (Hrsg.) Strategische Aktionsfelder des ...€¦ · Strategische Aktionsfelder des Patentmanagements ... zur FuE-Eflfizenzsteigerung am groBten ist, und erlautert insbesondere

Inhaltsverzeichnis

Okonomische Aspekte

Wolfgang Knappe Technologic- und Erfindungsevaluienmg in der Friihphase des Innovationsprozesses 1

Thomas Tiefel / Rainer Schuster Ansatze der Patentportfolio-Analyse - Eine vergleichende Ubersicht aus der Perspektive des strategischen Technologie-und Innovationsmanagements 21

Thomas Tiefel / Philip Haas Wettbewerbsstrategische Wirkimgen der Patentierbarkeit von innovativen Geschaftsmethoden 55

Stephan Lipfert/ Dirk Loop Kapitalmarktgestiitzte Patentverwertimg - Ein Uberblick aus der Bewertimgspraxis 87

Thomas Tiefel Patente als Waffen? - Die Adaption militarischer Strategieansatze in der Managementlehre 105

Rechtliche Aspekte

Andrea Klug Die Werbung mit gewerblichen Schutzrechten und Urheberrechten - Eine Bestandsaufhahme 133

Gerhard Hofrnann Erfindervergiitung in der Praxis - Die Richtlinien fur die Vergiitung von Arbeitnehmererfindungen im privaten Dienst 179

Technische Aspekte

Ursula Versch Patentinformationen aus China und Korea 193

Peter Kurzweil Alternative Kraftstoffe und Hybridfahrzeuge -Innovation im Fahrzeugbereich mit neuen Antriebskonzepten 251

Autoren und Herausgeber 279

Page 8: Thomas Tiefel (Hrsg.) Strategische Aktionsfelder des ...€¦ · Strategische Aktionsfelder des Patentmanagements ... zur FuE-Eflfizenzsteigerung am groBten ist, und erlautert insbesondere

Technologie- und Erfindungsevaluierung in der Frtthphase des Innovationsprozesses

Wolfgang Knappe

1 Die Motivation fiir Innovationen

, J'orschung ist die Transformation von Geld in Wissen - Innovation ist die Transformation von Wissen in Geld" - mit diesem Schlagwort lasst sich der komplexe Prozess vom Erkennen eines Defizits bzw. eines potenziellen Bedarfs, der Problemstrukturienmg, einer Losimgsidee bis zur ersten Umsetzung imd schlussendlich bis zur Inq)lementiening eines entsprechenden Produkts bzw. einer Dienstleistung im Marktgeschehen apostrophieren.

Damit wird aber auch eine Vielzahl von Fragen erkennbar, die mit einer erfolgreichen Innovation untrennbar verbimden sind. Dies schon insbesondere deshalb, weil bei dieser Sichtweise keinerlei Beschrankungen, weder hinsichtlich der Auspragung (z. B. in Form einer Ware oder Dienstleistung)^ noch hinsicht­lich der Technologie oder Branche einer Innovation verbunden ist.

1.1 Technologien und Erfindungen

Besondere Verhaltnisse liegen fur Aufgaben (,J^robleme") und Losungen („Ideen") auf dem groBen Gebiet der Technik vor. Zum einen findet auf diesem Gebiet ein hoher Anteil der Produktivitat und Wertschopfung (z. B. in Deutsch-land und Europa) statt, zum anderen gibt es gerade fur technische Losungen wirkungsvolle Moglichkeiten, sie durch gewerbliche Schutzrechte^ abzusichem, wenn die technische Losung gewisse Eigenschaften aufweist. Insbesondere das Patent und das Gebrauchsmuster erfreuen sich hierzu einer steigenden Nachfra-

Die Anmeldezahlen von Patenten und Gebrauchsmustem spiegeln zwar das Erfindungspotenzial einer Volkswirtschaft wider, ein direktes MaB fiir realisierte Innovationen ist damit nicht verbunden. Auf Grund der Regelungen im Patent-und Gebrauchsmustergesetz ist ein antizyklisches Anmeldeverhalten erforder-lich, um insbesondere die Forderung nach Neuheit des Anmeldegegenstandes

^ Waren und Dienstleistungen lassen sich durch Marken schutzen, s. a. § 3 MarkenG. Fiir eine systematisierte Ubersicht iiber die gewerbhchen Schutzrechte in Deutschland siehe Tiefel (2005), S. 43.

^ Vgl. DPMA (2005), S. 8-17.

Page 9: Thomas Tiefel (Hrsg.) Strategische Aktionsfelder des ...€¦ · Strategische Aktionsfelder des Patentmanagements ... zur FuE-Eflfizenzsteigerung am groBten ist, und erlautert insbesondere

Wolfgang Knappe

zum Anmeldetag^ erfiillen zu konnen. Das bedeutet in sehr vielen Fallen, dass sich die technische Losung in Form des Anmeldegegenstandes noch weitgehend in der Ideenphase befindet und eine praktische Realisienmg bzw. Erprobung noch nicht erfolgt ist.

Die weiteren Uberlegungen konzentrieren sich auf technische Erfindimgen, soweit sie in Deutschland (bzw. Europa) dem Patentschutz zuganglich sind.

1.2 „ Patentfahigkeit" und „ Patentwurdigkeit"

Patente werden fur Erfindimgen erteilt, die neu sind (§ 3 PatG), die auf einer erfinderischen Tatigkeit beruhen (§ 4 PatG) und gewerblich anwendbar sind (§ 5 PatG).̂

Keine Erfindung und daher vom Patentschutz ausgeschlossen (auf den Gebrauchsmusterschutz wird nicht explizit abgehoben, es sei dann, eine beson-dere Eigenheit des Gebrauchsmusters ware betroffen) sind die als Ausschluss-griinde formulierten Sachverhalte,̂ wie z. B. asthetische Formschopfungen oder Geschaftsideen, also Ergebnisse menschlicher Verstandestatigkeit bzw. Kreativi-tat, die ebenfalls geeignet sind, Innovationen hervorzubringen.

Das Patentgesetz formuliert die Bedingungen fur die Patentfahigkeit einer Erfindung. Die Frage ob eine Patentanmeldung bzw. ein darauf erteiltes Patent den vom Anwender gewiinschten Zweck erfuUt bzw. iiberhaupt erfiillen kann bleibt offen. Das Kriterium der gewerblichen Anwendbarkeit (§ 5 PatG) hat insbesondere nichts mit einem zukunftigen wirtschaftlichen Erfolg des geschiitz-ten Gegenstandes zu tun und ist vor allem kein Garant hierfiir. Der Zweck dieser Rechtsvorschrift ist es „den Erfindergeist fiir das Gewerbe in nutzbringender Weise anzureizen und nicht die reine Theorie um eine neue Methode zu berei-chem"l

Die Motivation des Anmelders warum er ein Schutzrecht erlangen will, ist im Lichte des Patentgesetzes imerheblich. Dem Anmelder wird vielmehr eine in den Grenzen des Patentgesetzes autonome Position als , Jlerr des Verfahrens" zuge-wiesen, der eine erhebliche Gestaltungsfreiheit (z. B. bei der Formulienmg der Patentanspriiche) besitzt.

Mit der Verfahrensherrschaft imtrennbar verbunden ist schon aus wirtschaft-lichen Grunden ein Zwang, die gegebenen Moglichkeiten auch auszuschopfen. Anhand der wohl wichtigsten Eigenschafl eines erteilten Patentes, namlich sei­nes Schutzbereichs zeigt sich beispielhaft die Tragweite der Verfahrensherr­schaft: „Offenbart die Beschreibung eine iiber den Rahmen der Anspriiche hi-

^ § 3 PatG, Schulte, S. 203 ff. bzw. § 3 GebrMG, Mes, S. 725 ff. ^ §1(1) PatG bzw. Art. 52 (1) EPU, Schulte, S. 87 ff. ^ § 1 (2) PatG bzw. Art. 52 (2) EPU und § 2 PatG bzw. Art. 53 EPU, Schulte, S. 87 ff. ^ § 5 PatG bzw. Art. 57 EPU, Schulte, S. 286 ff

Page 10: Thomas Tiefel (Hrsg.) Strategische Aktionsfelder des ...€¦ · Strategische Aktionsfelder des Patentmanagements ... zur FuE-Eflfizenzsteigerung am groBten ist, und erlautert insbesondere

Technologic- und Erfindungsevaluierung in der Friihphase des Innovationsprozesses 3

nausgehende Erfindung, die durch den auszulegenden Patentanspruch nicht gedeckt ist, so gehort dieser Uberschuss nicht in den Schutzbereich des Patents. Wer es bei der Abfassung der Patentanspriiche vor der Erteilung versaumt, den Schutzbereich der Erfindung dem Umfang der Erfindung entsprechend zu defi-nieren, der kann spater nicht mehr damit gehort werden, dass das erteilte Patent einen weitgehenden, aber eben nicht beantragten Schutz habe."* „Ein Erfin-dungsgedanke, der sich erst und nur aus dem Gesamtinhah der Patentschrift erschlieBt, aber in den Anspriichen keine konkrete Stiitze findet, ist nicht ge-schutzt"^

Die auf einen wirtschaftUchen Erfolg ausgerichtete Verfahrensherrschaft er-fordert daher Kenntnisse und Informationen, die deutUch iiber das Patentrecht hinausgehen.

Das Patentamt legt im Wechselspiel mit dem Anmelder (ggf. mit seinem Pa-tentanwalt als zugelassenem Vertreter) ledighch fest, ob ein konkretes Schutzbe-gehren patentfahig ist. Der Anmelder dagegen muss aus seinem Umfeld heraus die Entscheidung treffen, ob der Anmeldegegenstand unter Zugrundelegung des verfugbaren Informationsstandes jeweils unter Zugrundelegung der spater von einem erteilten Patent gewiinschten Wirkungen nach seiner Einschatzung pa-tentwurdig ist und das Patentierungsverfahren entsprechend lenken.

Ein wesentliches Kriterium hierfur bieten die aufzuwendenden Kosten, zu-nachst fiir die Schutzrechtsanmeldimg, die Verfolgung des Erteilungsverfahrens und schliefilich die laufenden Gebiihren fur die Aufrechterhaltung iiber die Lauf-zeit. AUein die Jahresgebiihren fur ein deutsches Patent summieren sich iiber die maximal mogliche Laufzeit von 20 Jahren auf iiber 13.000 €.'® Die professionel-le Ausarbeitung und Vertretung einer Patentanmeldimg bis zur Erteilung sowie die kalkulatorischen Kosten fiir die Verfahrensfuhrung und das Schutzrechtsma-nagement in einem Untemehmen konnen zusammen durchaus nochmals in die-selbe GroBenordnung kommen.

1.3 Informationen als Entscheidungsgrundlage

Schon die mit einer Patentanmeldung verbundene Kostenbelastung erfordert eine fundierte Entscheidung iiber die Art und den Umfang von Schutzrechtsan-meldungen zu einer Erfindung. Gerade fiir kleine imd mittelstandische Unter-nehmen (KMU) bedeuten Schutzrechtskosten eine erhebliche Zusatzbelastung, da sie je nach UntemehmensgroBe bereits einen erheblichen Anteil am Rohge-winn aus der regularen Geschaftstatigkeit ausmachen konnen.

^ BGH, GRUR 1992, S. 305 (II sc), „Heliumeinspeisung". ^ BGH, GRUR 1987, S. 626 (III 1), „Rundfunkubertragungssystem". *® DPMA: P2795/7.04: Hinweise zu Gebuhren in Patentsachen.

Page 11: Thomas Tiefel (Hrsg.) Strategische Aktionsfelder des ...€¦ · Strategische Aktionsfelder des Patentmanagements ... zur FuE-Eflfizenzsteigerung am groBten ist, und erlautert insbesondere

Wolfgang Knappe

Patente miissen daher als mittel- bis langfristige Investitionen zur Zukimftssi-chenrng eines Untemehmens betrachtet werden, wobei die Rentabilitat dieser Investition unter einem erheblichen Risiko steht. Dieses Risiko ist strukturell bedingt iind kanii nur in einem begrenzten Umfang reduziert werden, da die bei Betrachtung des gesamten Innovationsprozesses in der Friihphase liegende An-meldimg mit einem Informationsstand erfolgen muss, der viele wesentliche As-pekte (noch) offen lasst.

/. 4 Patente als Investitionsschutz

Im Hinblick darauf, dass das Patent die Wirkung hat, dass allein der Patentinha-ber befligt ist, die patentierte Erfindung im Rahmen des geltenden Rechts zu beniitzen und dies jedem Dritten ohne Zustimmimg des Patentinhabers verboten ist (§ 9 PatG) stellt sich die gnmdsatzliche Frage, ob das Patentsystem fur den technischen Forschritt und fiir die Innovationsaktivitaten im Untemehmen for-derlich oder aber in Folge des Verbreitungsrechts womoglich hinderlich ist. Die Gesetze des freien Marktes zeigen, dass letzteres nicht der Fall ist, sondem die Chancen und Moglichkeiten, die im Patentsystem stecken dem „first mover" auf einem Technologiefeld Anreize bietet, fruhzeitig nach Weiterentwicklungsmog-lichkeiten und Problemlosungen zu suchen.

Derjenige, der hier Neues (und Erfinderisches) erarbeitet, kann iiber die Wir-kungen eines Patents fur eine begrenzte Zeit eine bevorzugte Position im Marktgeschehen einnehmen. Insbesondere muss ein Technologie-Vorreiter nicht befurchteten, dass allein er die notwendigen Investitionen und Kosten fiir die Entwicklung bis zur Patentreife tragt, um nach erfolgreicher Markteinfuhrung mit Nachahmer-Produkten konfrontiert zu sein. Die bevorzugte Marktposition bietet dem „first mover" die Chance, auch alle diejenigen Investitionen und Kosten refinanzieren zu konnen, die bei einem Nachahmer nicht anfallen.

Die Refinanzierungschance ist aus betriebswirtschaftlicher Sicht die Motiva­tion fiir technologieorientierte Untemehmen einen Innovationsprozess aktiv zu betreiben und insbesondere Risiken und Kosten zu iibemehmen. Besonders ausgepragt ist dieser Mechanismus im Pharmabereich bei der Entwicklung neuer WirkstofFe. Nur dann, wenn fiir eine potentielle neue Wirkstoffklasse ein um-fangreicher und stabiler Patentschutz erzielbar ist, wird das Risiko der enormen Entwicklungskosten eingegangen. Uber alle Zulassungsphasen hinweg bis zur Markteinfiihrung kann iiber einen Zeitraum von ca. 10 bis 15 Jahren durchaus ein Aufwand in Hohe von ca. 500 Mio. € entstehen, fiir den intemational positi-onierte Patente als Investitionsschutz wirken.

Page 12: Thomas Tiefel (Hrsg.) Strategische Aktionsfelder des ...€¦ · Strategische Aktionsfelder des Patentmanagements ... zur FuE-Eflfizenzsteigerung am groBten ist, und erlautert insbesondere

Technologic- und Erfmdungsevaluierung in der FrOhphase des Innovationsprozesses 5

2 Qualitative Evaluierung von Technologien und Erfindungen

Die Vorbereitimg der Investitionsentscheidung „Schutzrechtsanineldung" erfor-dert bereits in der Friihphase der Technologieentwicklung eine umfassende Eva­luierung, wobei die Kriterien - auch im Hinblick auf den vorhandenen Informa-tionsstand - iiberwiegend qualitativer Natur sind.

2.1 Schutzrechtliche Evaluierungskriterien

2.1.1 Positionierung der Technologie bzw. Erfindung gegeniiber dem Stand der Technik

Belastbare und wirtschaftlich attraktive Schutzrechte sind nur moglich, wenn der Kern der Erfindung einen hinreichend groBen Abstand zum Stand der Technik aufweist. In dem MaBe, wie Uberschneidungen mit dem Stand der Technik auf-treten, ist der zu evaluierende Gegenstand nicht mehr neu (s. a. § 3 PatG). 1st der Abstand ziun Stand der Technik ,;zu gering", so ergeben sich Probleme hinsicht-lich der erfinderischen Tatigkeit, d. h. der gegebene Stand der Technik fiihrt einen Fachmann - im Sinne des PatG - in nahe liegender Weise zu der zwar neuen, dann aber eben nicht erfinderischen Variante des Standes der Technik (s. a. Kommentar zu § 4 PatG)^^

Ziel dieser Positionsbestimmung ist die Klarung des noch moglichen Schutz-umfangs eines zu erwartenden Patents dahingehend, ob beispielsweise noch ein grundlegender Erfindungsgedanke geschiitzt werden kann oder ob sich der Schutz auf die spezielle Merkmalskombination eines Funktionsmusters be-schrankt, mit der Konsequenz, dass schon durch einfaches Weglassen eines Merkmals womoglich ein (aus Kunden- bzw. Produktsicht) weitgehend gleiches Ergebnis erzielt werden kann.

Eine Umgehbarkeit wird immer einfacher, je mehr Merkmale notwendig sind, um eine Technologie bzw. eine Erfindung in verbaler Form eines rechtsbe-standigen Patentanspruchs zu charakterisieren imd insbesondere gegeniiber dem Stand der Technik abzugrenzen.

Die Ursache fur diesen Effekt liegt im Patentgesetz (s. a. Kommentar zu § 14 und § 34 PatG)*^. Ein Patent wird danach nur dann benutzt bzw. verletzt, wenn samtliche Merkmale des Haupt- bzw. eines Nebenanspruchs in der zu betrach-tenden Realisierungsform aufgefunden werden konnen und zwar entweder iden-tisch oder aber in aquivalenter, d. h. in technisch gleich wirkender Form. Somit bietet jedes einzelne Erfindungsmerkmal einen Ansatzpunkt fur Uberlegungen z. B. eines Entwicklers hinsichtlich Moglichkeiten des Weglassens oder des

^ * § 4 PatG, Schulte, Rz 240 ff, S. 258 ff. ^̂ § 14 PatG, Schulte, Rz 10 ff., S. 377 ff. und § 34 PatG, Schulte, Rz 127 ff., S. 594 ff.

Page 13: Thomas Tiefel (Hrsg.) Strategische Aktionsfelder des ...€¦ · Strategische Aktionsfelder des Patentmanagements ... zur FuE-Eflfizenzsteigerung am groBten ist, und erlautert insbesondere

Wolfgang Knappe

Ersatzes mit technisch anderer Wirkung (im Siime der Erfindung bzw. ihrer Offenbarung).

Trotz eines relativ umfangreichen Schutzumfangs kann ein Patent wirtschaft-lich blockiert sein, well es in Schutzrechte Dritter eingreift. Derartige Patente beinhalten iiblicherweise Weiterentwicklungen des Standes der Technik dahin-gehend, dass mit der Benutzung der Lehre des (jiingeren) Patents imvermeidbar ein alteres Schutzrecht mitbenutzt wird: die beiden Schutzrechte sind abhangig. Wenn ein Dritter Inhaber des alteren Schutzrechts ist, so kann keiner der Betei-Ugten die Weiterentwicklung nutzen bzw. vermarkten. Der Inhaber des alteren Schutzrechts verfugt zwar iiber die Basistechnologie, hat jedoch keine Rechte an der wirtschaftHch womogHch bedeutsamen Weiterentwicklung. Umgekehrt ist derjenige, der mit der Weiterentwicklung die Chancen auf einen Markteintritt in der Hand halt, nicht handlungsfahig, da ihm die Rechte an der Basistechnologie fehlen. Sollten sich die beiden Rechteinhaber nicht auf eine gemeinsame Vorge-hensweise und insbesondere auf die gegenseitige Gewahrung von Nutzungsrech-ten einigen konnen, ist die Weiterentwicklung blockiert.

2.1.2 Wirtschaftliche ,JHebelwirkung" des Patentschutzes

Das Patent hat die Wirkung, dass es jedem Dritten verboten ist, den geschiitzten Gegenstand zu benutzen. Die Benutzungshandlungen ergeben sich aus § 9 PatG.̂ ^ Es sind alle im Wirtschaftskreislauf wesentlichen Aktivitaten (neben der Herstellung des Gegenstandes insbesondere der Handel und die Werbung) die der Patentinhaber einem Dritten verbieten kann. Dieses Verbietungsrecht ist umfassend'̂ und kann i. d. R. nicht durch einseitige Kompensationszahlungen eines Dritten beseitigt werden. Die wirtschaftliche Hebelwirkung eines Patents entsteht immer dann, wenn das Verbietungsrecht bei anderen Marktteilnehmem Handlungsbedarf auslost. Die Art und das AusmaB der durch ein vorhandenes Patent ausgelosten Reaktionen konnen hochst unterschiedlich ausfallen und hangt ganz wesentlich vom erreichten Reifegrad einer Problemlosung im Inno-vationsprozess ab. In der Friihphase stehen z. B. einem Wettbewerber eine Viel-zahl von Handlungsmoglichkeiten offen, auf eine - moglicherweise iiberraschend - aufgefundene Schutzrechtsanmeldung (bzw. auf ein erteiltes Patent) zu reagie-ren.

Durch Lenkung eigener Entwicklungsaktivitaten in eine Richtung, die keine Rechte Dritter tangiert, kann ein Wettbewerber seine Unabhangigkeit wahren und womoglich sogar als Ergebnis eines Stimulierungseffektes eine Problemlo­sung erarbeiten, die eigene Schutzrechtsanmeldungen ermoglicht. Gerade dieser

^̂ § 9 PatG, Schulte, Rz 7 ff, S. 317ff., § 34 PatG, Schulte, Rz 127 ff., S. 594 ff. ^^ § 23 PatG, Schulte, Rz 9 ff., S. 491 ff. Mit der unwiderruflichen Abgabe einer

Lizenzbereitschaflserklarung gegenuber dem DMPA verzichtet der Patentinhaber letztendlich auf das Verbreitungsrecht aus dem Patent.

Page 14: Thomas Tiefel (Hrsg.) Strategische Aktionsfelder des ...€¦ · Strategische Aktionsfelder des Patentmanagements ... zur FuE-Eflfizenzsteigerung am groBten ist, und erlautert insbesondere

Technologic- und Erfindungscvaluicrung in dcr Friihphasc dcs Innovationsprozcsscs 7

Stimulienmgseffekt macht es erforderlich, im Falle von Firmengesprachen (z. B. im Rahmen von Technologietransfer- bzw. Lizenzvermittlimgsaktivitaten) auch nach einer wirksam hinterlegten Schutzrechtsanmeldung mit dem Gesprachs-partner eine Geheimhaltungsvereinbanmg abzuschlieBen, die u. a. fiir beide Seiten regelt, dass auf der Basis der ausgetauschten vertraulichen Informationen die jeweils andere Seite keine Schutzrechtsanmeldungen vomehmen wird.

Es ist also nicht iiberraschend, dass Erfindimgen und darauf basierende Schutzrechte zu Detaillosungen in der Friihphase des Innovationsprozesses bei Wettbewerbem haufig nur die Reaktion der Kenntnisnahme und des Auswei-chens hervomifen, es sei denn, dass erkennbar ist bzw. vermittelt werden kann, dass nur mit den erfindungsgemaBen Losungsdetails ein attraktives Alleinstel-lungsmerkmal im spateren Wirtschaftsprozess verbunden sein wird.

In der Endphase des Innovationsprozesses dagegen, nachdem z. B. die Pro-duktentwicklung abgeschlossen ist, die Serienproduktion beginnt und insbeson-dere auch die Markteinfiihrung durch PR-MaBnahmen betrieben wird, bleiben einem Untemehmen auf technischer Ebene oftmals keine Handlungsaltemativen mehr, um auf eine benutzungsrelevante Patentsituation reagieren zu konnen. Konstruktive Andenmgen bei diesem Reifegrad sind problematisch (neue Fehler konnen sich einschleichen) und kostentrachtig, da durch gesetzte Randbedin-gungen viele an sich einfache Modifikationen (um z. B. eine bestimmte Merk-malsauspragung in der ReaUsierungsform zu vermeiden) nur noch mit einem sehr hohen Aufwand umsetzbar sind.

Nachdem in einer solchen Situation das Verbietungsrecht aus einem relevan-ten Patent eines Dritten in voller Breite zu greifen droht, bleibt einem betroffe-nen Benutzer nur zu versuchen, iiber eine Lizenznahme gegen Entgeh Nutzungs-rechte an relevanten Schutzrechten Dritter zu erlangen. Die Gewahrung derartiger Lizenzen ist aber von vomherein nicht selbstverstandhch. Die wirt-schaftUche Position des Rechteinhabers wird dessen Entscheidimg bei der Ver-gabe von Nutzungsrechten wesentlich beeinflussen.

Bei Hochschulen und Forschungseinrichtungen sowie bei Privatpersonen als Schutzrechtsinhaber kann davon ausgegangen werden, Nutzungsrechte zu erhal-ten, da dieser Kreis ein Patent in der Regel selbst nicht aktiv benutzen kann, sondem viehnehr ein groBes Interesse haben diirfle, Nutzungsrechte gegen Ent­geh (Lizenzen) vergeben zu konnen. Wenn dies nicht schon in einer exklusiven Form mit einem anderen Partner geschehen ist, kann die skizzierte Schutzrechts-situation doch noch konstruktiv gestahet werden.

Ganz anders wird die Situation zu beurteilen sein, wenn ein unmittelbarer Wettbewerber Inhaber des relevanten Schutzrechts ist. Dadurch dass er sein Schutzrecht selbst aktiv benutzen kann, hat er den groBten Vorteil dann, wenn es fur ihn erreichbar ist fur ein bestimmtes Produkt (ggf. auch fur eine bestimmte Losungsform) einen Mitbewerber vom Markt femzuhalten. Uber die Durchset-

Page 15: Thomas Tiefel (Hrsg.) Strategische Aktionsfelder des ...€¦ · Strategische Aktionsfelder des Patentmanagements ... zur FuE-Eflfizenzsteigerung am groBten ist, und erlautert insbesondere

8 Wolfgang Knappe

zung des Verbietimgsrechts aus dem relevanten Patent erlangt er selbst den groBtmoglichen Vorteil (Chance auf hohere Umsatze und hohere Marktanteile) iind erzeugt zugleich bei Mitbewerbem (und potenziellen Patentverletzem) die groBtmogliche Wirkung, indem alle getatigten Investitionen in die Produktent-wicklung und Produktionsanlagen drohen verloren zu sein.

Eine solche Konstellation fuhrt in vielen Fallen dazu, dass der Rechtsweg be-schritten wird. Dazu sind nach deutschem Recht zwei unterschiedliche Verfah-ren vorgesehen, zwischen denen keine Wahlmoglichkeit besteht.

Mit der Erteilung eines deutschen Patents (= Veroffentlichung der Patent-schrift) beginnt die 3-monatige Einspruchsfrist. In dieser Zeit ist jeder Dritte aufgerufen, gegeniiber dem DPMA^̂ als Erteilungsbehorde Griinde vorzutragen, die der vorliegenden Patenterteilung entgegenstehen. Die Einspmchsgriinde sind in § 21 PatG abschlieCend aufgefuhrt*^ und entsprechen (bis auf den Tatbestand der widerrechtlichen Entnahme) den Kriterien, die das DPMA bei der materiell-rechtlichen Priifung der Anmeldung in den Erteilungsbeschluss hat einflieUen lassen.

Lasst man denkbare Formfehler aufier Acht, die die Rechtsbestandigkeit ei­nes erteilten Patents in Frage stellen konnen (z. B. imzureichende OfFenbarung), so bleibt einer einsprechenden Partei die Moglichkeit Material zum Stand der Technik am Anmeldtag vorzulegen, das einer Patentanmeldung (in der vorlie­genden Fassung) entgegensteht. In der Tat gelingt es haufig durch aufwandige Recherchen Druckschriften zu ermitteln, die zumindest die erfinderische Tatig-keit in Frage stellen, wenn nicht sogar die Neuheit des Erfindungsgegenstandes widerlegt werden kann.

Als Ergebnis des Einspruchverfahrens kann das erteilte Patent unbeschrankt aufrecht erhalten werden, in voUem Umfang widerrufen werden oder aber ge­geniiber dem urspriinglich erteilten Umfang in begrenztem Umfang aufrecht erhalten werden.

Erst nach Ablauf der Einspruchsfrist und nach Erledigung anhangiger Ein-spruchsverfahren kann der zivilrechtliche Weg der Nichtigkeitsklage beschritten werden, um ein storendes Patent zu beseitigen.̂ ^ Im Hinblick auf die relativ langen Zeitraume in einem Innovationsprozess ist die Nichtigkeitsklage oft das einzige verbleibende Rechtsmittel, da die Einspruchsfrist (insbesondere bei Grundlagenentwicklungen) lange vor deren Markteinfuhrung ungenutzt abgelau-fen ist. Die Nichtigkeitsklage ist zudem in vielen Fallen die prozessuale Antwort auf eine Verletzungsklage.

Die Zustandigkeit ftir das Einspruchsverfahren ist ab dem 01.01.2002 fiir eine Ubergangszeit (bis 01.07.2006) auf das Bundespatentgericht ubertragen worden.

'̂ § 21 PatG, Schulte, Rz 9 ff., S. 456 ff. ^̂ § 81 PatG, Schulte, Rz 38 ff., S. 1124.

Page 16: Thomas Tiefel (Hrsg.) Strategische Aktionsfelder des ...€¦ · Strategische Aktionsfelder des Patentmanagements ... zur FuE-Eflfizenzsteigerung am groBten ist, und erlautert insbesondere

Technologic- und Erfindungsevaluierung in dcr Fnihphase dcs Innovationsprozcsscs 9

Es zeigt sich also, dass es fur jeden Marktteilnehmer imumganglich ist, mit dem Eintritt in ein Entwicklungsprojekt den dafur relevanten Stand der Technik umfassend zu ermitteln iind insbesondere auch die dazu erkennbaren Rechte Dritter fruhzeitig hinsichtlich ihrer Auswirkung zu wiirdigen und geeignete MaBnahmen einzuleiten (von der Anderung des Losungsansatzes bis zu Ver-handlungen iiber die Gewahnmg von Nutzungsrechten).

2.1.3 Nachweisbarkeit einer Patentbenutzung

Das wirtschaftlich wirkungsvoUe Verbietungsrecht aus einem erteilten Patent - obwohl kraft Gesetzes vorhanden - erweist sich in der Praxis in vielen Fallen als nicht durchsetzbar. Der Grund hierfiir liegt in bestimmten Merkmalen des geschutzten Gegenstandes, deren Vorhandensein z. B. an einem vermeintlichen Verletzungsgegenstand nicht schlussig nachgewiesen werden kann. Diese nega­tive Eigenschaft haben iiblicherweise Verfahrenspatente (auf Herstellungs- bzw. Arbeitsverfahren), wobei einem extemen Dritten Informationen iiber die Eigen-schaften des verwendeten Verfahrens nicht zuganglich sind. SoUte als Ergebnis des Verfahrens (also insbesondere eines Herstellungsverfahrens) ein Erzeugnis stehen, so ist dies zwar geschiitzt,̂ ^ die Benutzung des geschutzten Verfahrens (in dem Sinne, dass alle Verfahrensmerkmale identisch oder technisch gleich wirkend zur Herstellung beigetragen haben) lasst sich am Endprodukt, das iibli­cherweise auch fur Dritte zuganglich ist nicht mehr nach- bzw. beweisen.

Ein derartiges Patent kann sich fur den Inhaber zimi Problem entwickeln. Ei-nerseits ist - per definitionem - das geschiitzte Verfahren in einer Anmeldung bzw. in einem erteilten Patent umfassend beschrieben und somit der Allgemein-heit und insbesondere auch einem Mitbewerber fhihzeitig offenbart. Anderer-seits kann der Patentinhaber anhand der ihm iiblicherweise zuganglichen Infor­mation, beispielsweise anhand der nach einem derartigen Verfahren hergestellten Produkte nicht erkennen, ob das fiir ihn geschiitzte Verfahren zur Anwendung gekommen ist oder nicht

Eine derartige Situation muss friihzeitig, d. h. bei der Entscheidung iiber eine Patentanmeldung erkannt werden. Sie kann zu dem Ergebnis fiihren, ein solches Verfahren nicht anzumelden sondem innerhalb des eigenen Untemehmens als geheimes Know-how zu halten. Die wirtschaftliche Hebelwirkung ist so noch am groBten, wobei immer die Gefahr besteht, dass das geheime Know-how das Untemehmen verlasst (z. B. durch Mitarbeiterfluktuation).

Zur Lizenzvergabe eignen sich derartige Schutzrechte nur bedingt. Ein po-tenzieller Lizenzinteressent sieht sich vor der Situation, dass er als redlicher Lizenznehmer fiir die gewahrten Nutzungsrechte entgeltpflichtig ist, wogegen ein nicht redlicher Wettbewerber zwar illegal, aber weil in der Praxis nicht nach-

§ 9 PatG, Schulte, Rz 63 ff, S. 333.

Page 17: Thomas Tiefel (Hrsg.) Strategische Aktionsfelder des ...€¦ · Strategische Aktionsfelder des Patentmanagements ... zur FuE-Eflfizenzsteigerung am groBten ist, und erlautert insbesondere

10 Wolfgang Knappe

nachweisbar schlussendlich unentgeltlich zum geschiitzten Verfahren gelangt. Damit ist verstandlich, dass Lizenzvereinbarungen zu derartigen Schutzrechten dem Lizenzgeber nur relativ geringe Erlose bringen werden.

Das Gesetz beriicksichtigt in § 139 PatG diese strukturelle Konstellation.̂ ^ Danach muss grundsatzlich der Klager in einem Patentverletzungsprozess die von ihm behauptete Patentverletzung beweisen. Mit der Entscheidung ,31asen-freie Gummibahn 11" hat sich die Situation fiir einen Patentinhaber etwas gebes-sert. Nach dieser Entscheidung muss der Verletzungsbeklagte nach den Grundsatzen von Treu und Glauben die Beweisfuhrung erleichtem und soweit es ihm problemlos moglich und zumutbar ist dem Patentinhaber gewisse Informati-onen liefem, wenn diese fur ihn nicht oder nur schwer zuganglich sind.̂ °

2.2 Technologische Evaluierungskriterien

Viele Erfindungen (bzw. darauf erteilte Patente) beschreiben eine Losung zu einem bereits bekannten Problem. Daher kann mit einer hohen Wahrscheinlich-keit davon ausgegangen werden, dass zum Stand der Technik bereits fnihere, als Altemativen anzusehende Losungen gehoren.

Ein wesentliches Evaluienmgskriterium hinsichtlich der Patentwiirdigkeit wird daher die Beurteilung der technischen und wirtschaftlichen AUeinstel-lungsmerkmale gegeniiber den vermeintlichen Altemativlosungen darstellen. Die hierzu anzustellenden Betrachtungen gehen deutlich iiber eine Abgrenzung ge­geniiber dem Stand der Technik im patentrechtlichen Sinn hinaus, da erfah-rungsgemafi die bereits bekannten Altemativlosungen technisch grofie Unter-schiede und insbesondere vollig andere Wirkungsmechanismen aufweisen werden. Daher muss auf die Vorziige der neuen Losung fiir das Untemehmen selbst und auf die Vorteile seiner Kunden aus der neuen Losung bzw. aus einem damit ausgestatteten Produkt abgestellt werden.

2.2.1 Produktnutzen und Kundennutzen

Die technischen und wirtschaftlichen Alleinstellungsmerkmale einer Erfindung miissen sich in einem konkreten und marktrelevanten ,J^roduktnutzen" nieder-schlagen. Dieser beschreibt die Vorteile, die ein Untemehmen dadurch erzielt, dass es ein bestimmtes Produkt auf der Basis einer neuen Losimg produziert, im Vergleich zu der (meist hypothetischen) Situation, wenn eine der bereits bekann­ten Altemativlosungen zum Einsatz kommen wiirde. Dieser Produktnutzen kann sich z. B. in einem geringeren Rohmaterialverbrauch, groBeren zulassigen Bau-teiltoleranzen, geringeren Wartungsbedarf, etc. auBem und so letztendlich aus

^̂ § 139 (3) PatG, Schulte, Rz 203 ff., S. 1410. °̂ BGH, GRUR 2004, S. 268, ,31asenfreie Gummibahn 11"

Page 18: Thomas Tiefel (Hrsg.) Strategische Aktionsfelder des ...€¦ · Strategische Aktionsfelder des Patentmanagements ... zur FuE-Eflfizenzsteigerung am groBten ist, und erlautert insbesondere

Technologic- und Erfindungsevaluierung in der Friihphase des Innovationsprozesses 11

betriebswirtschaftlicher Sicht zu geringeren Herstellkosten bzw. zu einer vorteil-haften Wettbewerbssituation fur das Untemehmen fiihren.

Andererseits sind die Markte nachfragegetrieben, also von der Kimdenseite bestiirant. Daher muss eine neue Losung auch einen ausgepragten ,^undennut-zen" besitzen bzw. erzeugen, um von den Endanwendem nachhaltig akzeptiert zu werden. Bei der Beurteilung des Kundennutzens treten z. B. technische De­tails aus dem Herstellungsprozess (Bereich , J^roduktnutzen") oft ganzlich in den Hintergrund. Gefragt sind zusatzliche Leistungsmerkmale, die die neue Losung gegeniiber den vermeintlichen Altemativlosungen fiir den Endkunden zugang-lich macht.

Solange es gelingt, zusatzliche Leistungsmerkmale als Resultat einer neuen Entwicklung und damit als Abgrenzung zu bekannten Altemativlosungen in ein marktfahiges Produkt zu integrieren, ohne dass dessen Verkaufspreis iiber den von altemativen auf dem Markt verfugbaren Produkten liegt, ist beispielsweise der Kundennutzen ,^ehr Leistung bei gleichem Preis" realisiert. Es kann mit einer relativ hohen Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass ein derartig verbessertes Produkt einen Wettbewerbsvorteil aufweisen und von den Endkunden akzeptiert werden wird. Diese giinstige Situation wird sich aber nur in seltenen Fallen erreichen lassen. Typischerweise sind mit der Integration weiterer Leistungsmerkmale in ein Produkt auch hohere Herstellkosten imd damit ein hoherer Verkaufspreis verbunden.

Es ist also abzuwagen, ob der Kimde bereit ist, fur das „Mehr an Kundennut­zen" (z. B. in Form eines weiteren Leistungsmerkmals) einen - moglichst kon-kret zu benennenden - Mehrpreis zu bezahlen. Diese Fragestellimg ist sehr kom-plex und oft nicht geschlossen zu beantworten. Eine nach Markt- bzw. Kundensegmenten differenzierte Betrachtungsweise liefert hier Hinweise fur welche Produkt- bzw. Kundenkategorien ein Mehrpreis fiir ein konkretes Leis-tungsmerkmal akzeptiert wiirde bzw. wo eine solche Produktverbesserung in Folge des Mehrpreises keine Akzeptanz finden wird.

Hierzu ein anschauliches Beispiel: Ein leiser PC am Arbeitsplatz ist sicher ein sinnvolles Leistungsmerkmal, das auf breite Akzeptanz stoBen soUte. Kon-ventionelle PCs beinhalten typische Gerauschquellen (z. B. Liifter, Festplatten). Nachdem die Einzelkonponenten mit ihrer Gerauschentwicklimg so verbaut werden miissen wie sie am Markt verfugbar sind, bleibt als kurzfristige Ein-griffsmoglichkeit fiir einen PC-Hersteller eine akustisch giinstigere Ausge-staltung des PC-Gehauses (Luftfiihrung, Vermeidung von Korperschalliibertra-gung, etc.), die jedoch nicht ohne Mehrkosten fiir jedes Gehause realisiert wer­den kann.

Page 19: Thomas Tiefel (Hrsg.) Strategische Aktionsfelder des ...€¦ · Strategische Aktionsfelder des Patentmanagements ... zur FuE-Eflfizenzsteigerung am groBten ist, und erlautert insbesondere

12 Wolfgang Knappe

Eine difFerenzierte Betrachtung des Gesamtmarktes fur PCs zeigt, dass die iiberwiegende Anzahl der PC-Kaufer diesen Mehrpreis nicht akzeptieren wer-den:

- Der Lowcost-Massenmarkt lenkt die Kaufkraft u. a. auf CPU-Leistimg, Speicherausbau und Plattenkapazitat. Bei diesem Kimdenkreis ist keine Bereitschaft zu finden, in das an sich sinnvoUe Leistungsmerkmal „ge-rauscharm" zu investieren.

- PCs die Serverfunktionen erfuUen, stehen in der Kegel abseits bzw. in gesonderten Raumen, wo Gerauschentwicklung kein Auswahlkriterium ist.

- Als spezielles Einsatzfeld bzw. Marktsegment wird der Bereich der Bu-siness-Anwendimgen (z. B. in GroBraumbiiros) erkennbar, der jedoch bei weitem nicht mehr mit den hohen Stiickzahlen des Massenmarktes aufwarten kann.

- Hier erscheinen moderate Mehrkosten fiir das Leistungsmerkmal „leiser PC" durchsetzbar, da die Vielzahl der in einem Raum befindlichen PCs keine Belastigung der Beschaftigten darstellen darf.

2.2.2 Realisierbarkeit der technischen Losung

Dieses Evaluienmgskriterium erscheint im Hinblick auf die Notwendigkeit der Ausfuhrbarkeit einer Erfindung gemaB den Vorschriften des Patentgesetzes iiberraschend. Tatsachlich ist man aber relativ haufig damit konfrontiert, dass bei einem erteilten Patent die Lehre zum technischen Handeln in sich schliissig und vollstandig ist, bei deren praktischer Realisienmg jedoch eine Reihe von Umset-zungsproblemen auftreten, die ein marktfahiges Produkt verhindem. Die Patent-erteilung erfordert keinen realisierten Funktionsnachweis sondem eine „Lehre zum planmafiigen Handeln, unmittelbar, ohne Zwischenschaltung menschlicher Verstandestatigkeit, unter Einsatz beherrschbarer Naturkrafte zur Erreichimg eines kausal iibersehbaren E f̂olges"^^ Vereinfacht formuliert bedeutet dies, dass eine Erfindung insbesondere dann patentfahig ist, wenn die zu Gnmde liegende Lehre zum technischen Handeln nicht gegen die anerkannten Naturgesetze ver-stoBt. Eine praktische Realisierbarkeit ist damit noch lange nicht gewahrleistet.

Ein anschauliches Beispiel: In der Patentliteratur findet sich eine Reihe von Dokumenten, die Systeme zur Ubertragung der Verbrauchsdaten von Heizkor-pem in Warmwasserzentralheizungen zimi Gegenstand haben. Kemgedanke ist dabei jeweils, die abgegebene Warmemenge iiber Sensoren an jedem Heizkorper zu erfassen und in festen Zeitintervallen als digitalisierte Ultraschall-Signale iiber das Heizungsrohrleitungssystem in einem Gebaude (unter Vermeidung

BGH, GRUR 1969, S. 672 (IIA 1), „Rote Taube"

Page 20: Thomas Tiefel (Hrsg.) Strategische Aktionsfelder des ...€¦ · Strategische Aktionsfelder des Patentmanagements ... zur FuE-Eflfizenzsteigerung am groBten ist, und erlautert insbesondere

Technologic- und Erfindungscvaluicrung in dcr Friihphasc dcs Innovationsprozcsscs 13

eines entsprechenden Verkabelimgsaufwands) an eine zentrale Stelle zu iibertra-gen, wo die weitere Auswertung erfolgt.

Derartige Systeme haben sich am Markt jedoch nicht etabliert. Der Grund liegt darin, dass ein hinreichend zuverlassiges Datenubertragungssystem auf Ultraschallbasis bei dem beschriebenen Anwendungsprofil einen unverhaltnis-maBig hohen technischen Realisieningsaufwand mit sich bringt, der die Wirt-schaftlichkeit dieser Losung z.B. gegeniiber konventionellen Verdunstungszahl-rohrchen verhindert. Die Griinde sind physikalischer Natur.

Die Ultraschallausbreitung karni zum einen iiber das Metallrohr des Rohrlei-timgssystems erfolgen. Biegimgen, Rohrschellen und Mauerdurchgange verursa-chen jedoch eine so hohe und im Hinblick auf die vielfaltigen Einsatzsituationen nicht quantifizierbare Dampfung der Ultraschallsignale, dass kein handhabbares Toleranzband fur die Empfangspegel erreichbar ist.

Zum anderen besteht ein Ausbreitungsweg fiir die Ultraschallsignale iiber die Wassersaule im Rohrleitungssystem. Die physikalischen Formelsammlimgen weisen Wasser als gutes Medium zu Schalliibertragung aus, insbesondere was die Danq)fung betrifft.̂ ^ AUerdings gelten diese giinstigen Daten nur fur reines Wasser, ohne darin geloste Gase. Diese Voraussetzungen sind in der Praxis in keiner Weise erfuUt. Das Warmeiibertragungsmediimi von Warmwasserzentral-heizungen enthalt zahkeiche SchwebstofFe und geloste Substanzen, die insbe­sondere zu einer hohen Dampfung der Fliissigkeitssaule fur Ultraschallsignale fiihren. Diese Danqjfung ist iiber die Lange der Fliissigkeitssaule zur Zentrale hoch, aber gut quantifizierbar. Als Folge der hohen Dampfung waren unhandlich groBe, teure und energieintensive Ultraschallsender erforderlich.

Derartige Uberlegungen hatten die Anmelder im Rahmen einer eingehenden Evaluienmg der Erfindung bereits vor der Schutzrechtsanmeldung anstellen imd dadurch moglicherweise betrachtliche Entwicklimgs- und Schutzrechtskosten vermeiden konnen.

2.2.3 BetrofFene Technologiefelder imd Entwicklungsszenario

Erfindungen sind meist an Schnittstellen von mehreren Technologiefeldem an-gesiedelt und erfordem daher interdisziplinar zusammengesetzte Entwicklungs-ressourcen, um einen Investitionsprozess vorantreiben und insbesondere - z. B. mit der Markteinfuhrung eines neuen Produkts - erfolgreich zum Abschluss bringen zu konnen.

Ein wesentliches Evaluierungskriterium in diesem Zusammenhang ist also die Frage, welche Beitrage zum Innovationsprozess der Schutzrechtsinhaber aus eigener Kraft leisten kann und in wie weit auf Grund technologischer Liicken

Kohlrausch(1968),S.28.

Page 21: Thomas Tiefel (Hrsg.) Strategische Aktionsfelder des ...€¦ · Strategische Aktionsfelder des Patentmanagements ... zur FuE-Eflfizenzsteigerung am groBten ist, und erlautert insbesondere

14 Wolfgang Knappe

Partner benotigt werden, die iiber entsprechende Konpetenzen imd Ressourcen verfiigen.

In diesem Fall ist die Motivation bzw. die Honorierung der Partner zu hinter-fragen, die sich in den Innovationsprozess mit einbringen sollen. Nur in Aus-nahmefallen diirfte der Initiator eines solchen Verbundprojekts iiber die finan-ziellen Mittel verfiigen, alle benotigten Technologie-Dienstleistungen in Form von Entwicklungsauftragen zukaufen zu konnen. Mit der Einbindimg weiterer Partner die auf komplementaren Technologiefeldem tatig sind, ist zu erwarten, dass auch dort Erfindungen zur Weiterentwicklung bzw. darauf basierenden Schutzrechten entstehen. Ebenfalls zu erwarten sind Erfindungen, die von Erfin-dem (Arbeitnehmem) mehrerer Partner gemacht werden, so dass Gemein-schaftsanmeldungen entstehen, an denen gemaB § 6 PatG jeder Anmelder von vom herein Nutzungsrechte besitzt.̂ ^

Mit Voranschreiten des Innovationsprozesses entsteht ein „Technologiepool" mit unterschiedlichen Beitragen der Beteiligten, zu denen ggf. Schutzrechte der korrespondierenden Inhaber bestehen. In einer solchen Konstellation ist es we-sentlich darauf zu achten, dass die Gewichtung der eigenen Anteile und Schutz­rechte am Technologiepool wirtschaftlich attraktiv bleibt und insbesondere nicht durch die Kumulation von Beitragen anderer Partner in den Hintergrund ge-drangt wird. Die Folge ware, dass die Wertschopfiing in Richtung der anderen Partner verlagert wird und diese im Falle eines wirtschaftlichen Erft)lgs den iiberwiegenden Teil daran beanspruchen wiirden.

Dieser EfFekt ist haufig bei gnmdlegenden, aber sehr filihen Basiserfindun-gen aus dem Wissenschaftsbereich zu beobachten, die den Keim fiir einen tech-nologischen Quantensprung legen. Eine praxisorientierte Umsetzung ist z. B. einer Hochschule oder Forschungseinrichtung mangels weiterer Partner (und mangels eigener Investitionskraft) oft nicht moglich. Derartige Entwicklungen und Schutzrechte konnen aber die Basis fiir eine Untemehmensgriindung bilden, so dann weitere Aspekte (Markt, Griinderteam, etc.) eine giinstige Erfolgs- und Beteiligungsprognose zulassen.

2.3 Marktorientierte Evaluierungskriterien

23. \ Position der Erfindung im Markt

Mit der Schutzrechtsanmeldung imd unter Beriicksichtigimg des aufgefimdenen Standes der Technik sollte geklart sein, welche Position der geschiitzte Gegen-stand im Zusammenhang mit einer wirtschaftlichen Verwertung im Marktge-schehen voraussichtlich einnehmen wird.

^̂ § 6 PatG, Schulte, Rz 20-22, S. 299 ff.

Page 22: Thomas Tiefel (Hrsg.) Strategische Aktionsfelder des ...€¦ · Strategische Aktionsfelder des Patentmanagements ... zur FuE-Eflfizenzsteigerung am groBten ist, und erlautert insbesondere

Technologic- und Erfmdungscvaluicrung in dcr Fruhphasc des Innovationsprozcsscs 15

Sehr haufig liegt die Situation vor, dass der Schutzumfang kein eigenstandig marktfahiges Produkt umfasst, sondem lediglich Erganzimgen bzw. Weiterent-wicklungen von Produktkomponenten, die fur sich nicht oder nur sehr einge-schrankt marktfahig sind. Dies ist die typische Situation in der z. B. ein Zuliefer-Untemehmen agiert: Herstellung von kundenspezifischen Spezialteilen, die nur einer ganz bestimmten Anwendung zugefuhrt werden konnen. Entfallt der Kun-de bzw. die Anwendung, so lasst sich in der Kegel keine alternative Verwer-tungsform finden. Die Hauptaufgabe eines Patents ist in dieser Situation darin zu sehen, die eigene Marktposition gegeniiber altemativen Anbietem abzusichem und damit gewisse Vorsorge gegen Umsatzausfalle zu treffen. Eine Entwicklung bzw. ein Schutzrecht, das losgelost von einem konkreten Anwendungsprofil (Pflichtenheft) entstanden ist, wird in Form von Lizenzvergaben - wenn iiber-haupt - nur sehr schwer verwertbar sein, da zum einen beim Entwicklungspro-zess nicht alle zu beachtenden Randbedingungen bekannt waren und zum ande-ren in der Friihphase einer Entwicklung eine Reihe von Altemativen vorhanden sind (s. a. 2.1.2). Die Wahrscheinlichkeit durch eine mit einem Systemhersteller unsynchronisierte Entwicklung die fehlende Losung fiir ein aktuell anstehendes Problem anbieten zu konnen, ist nach allgemeiner Erfahrung auBerst gering.

In diesem Umfeld sind beispielsweise die zahlreich entstehenden Erfin-dungsvorschlage von Einzelerfindem zu sehen, die Verbesserungen am Auto-mobil und insbesondere auch an Verbrennungsmotoren zum Gegenstand haben. Derartige Losungen kampfen - unterstellt man einmal deren Sinnhaftigkeit - mit dem Problem unvoUstandiger Information iiber das Gesamtsystem beim Erfin-dungsprozess und fehlender eigenstandiger Marktfahigkeit. Die potenziellen Verwertungspartner sind relativ leicht identifizierbar, sie verfiigen jedoch iiber einen Pool eigener Losimgen (Erfindungen), die wohlstrukturiert und meist strategisch und mit einem voUstandigen Informationsstand generiert wurden. Vor diesem Hintergrund ist es also nicht iiberraschend, dass extem an die Unter-nehmen dieser Branche herangetragene Erfindungen in den meisten Fallen nicht beriicksichtigt werden (konnen) und daher nicht zur Umsetzung gelangen.

2.3.2 Adressierbares Marktvolumen

Die Erlangung und Aufrechterhaltung von Schutzrechten zu Erfindungen ist mit erheblichen Kosten verbimden, denen nach betriebswirtschaftlichen Gesichts-punkten hinreichend groBe Ertrage gegeniiberstehen miissen, damit Schutz-rechtsanmeldimgen und die spater daraus resultierenden Patente „rentabel" sind. Infolge der erheblichen Entwickhmgszeiten fiir neue Technologien imd darauf basierender Projekte besteht eine nicht unerhebliche Zeitspanne zwischen der Schutzrechtsanmeldung und den ersten darauf basierenden Umsatzen. Diese Zeitspanne kann im , Jligh-Tech-Sektor" durchaus sieben bis zehn Jahre betra-gen, bei Arzneimitteln mit neuen pharmazeutischen Wirkstoffen sind 15 Jahre

Page 23: Thomas Tiefel (Hrsg.) Strategische Aktionsfelder des ...€¦ · Strategische Aktionsfelder des Patentmanagements ... zur FuE-Eflfizenzsteigerung am groBten ist, und erlautert insbesondere

16 Wolfgang Knappe

keine Seltenheit. In dieser Vorlaufzeit tragt der Schutzrechtsinhaber das unter-nehmerische Risiko fur eine erfolgreiche Produktentwicklung und fur die dazu parallel laufende Patenterteilung.

Ein erster wichtiger Evaluienmgsschritt ist die Abschatzimg der Zeitdauer bis zum Markteintritt iind die bis dahin auflaufenden Kosten fur die Entwicklung und fur die zugnmde liegenden Schutzrechte. Sowohl ein selbst nutzendes Un-temehmen als auch ein potenzieller Lizenznehmer miissen objektiv in der Lage sein, diese Investitionen tatigen zu konnen, ohne den Bestand des Untemehmens zu gefahrden. Die Riickschau auf abgebrochene Innovationsprojekte zeigt hau-fig, dass bei der Ermittlung der Zeitdauer und des Finanzbedarfs zu optimisti-sche Annahmen gemacht wurden und insbesondere intemationale Schutzrechts-verfahren aus Kostengriinden nicht weiter gefuhrt werden konnten. Die damit verbundenen verlorenen Kosten hatten in vielen Fallen ausgereicht, ein deut-sches Patent iiber die maximal mogliche Laufzeit aufrecht zu erhalten.

Die Schutzrechtskosten miissen zu den damit verbundenen Umsatzen (bzw. zu dem adressierbaren Marktvolumen) in einem angemessenen Verhaltnis ste-hen. Sind die einem Schutzrecht zugeordneten zu erwartenden Umsatze zu klein, dann ist das Marktsegment fur einen potenziellen Nachahmer nicht sonderlich attraktiv. Auch er erkennt das geringe zu erwartende Volumen und sieht sich zudem schon mit einem ersten Marktteibiehmer und damit Wettbewerber kon-frontiert. Der Anreiz fur einen spateren Markteintritt eines weiteren Anbieters ist wenig ausgepragt, so dass - losgelost von anderen Uberlegungen - in diesem Zusammenhang ein Patentschutz wenig Sinn macht imd moglicherweise ver-zichtbar ist.

Zur Abschatzung, der fiir eine ,Jlentabilitat" eines Patents notwendigen Um­satze (bzw. Marktvolumina) kann eine einfache Uberschlagsrechnung angestellt werden. Die zu erwartenden Schutzrechtskosten miissen sich durch einen kalku-lierten Anteil an Lizenzgebiihren, die im Rahmen von Patentlizenzvertragen erfahrungsgemaB erzielt werden̂ "* amortisieren lassen. Orientiert man sich bei diesem Anteil an marktiiblichen Lizenzgebiihren, so gelangt man zu der Er-kenntnis, dass bei einem angenommenen Lizenzsatz von 4% der Nettoverkaufs-preise das 25-fache der Patentierungskosten an Umsatzvolumen erforderlich ist, um nach diesem - finanzmathematisch statischen - Ansatz die Schutzrechtskos­ten abzudecken. Nachdem in der Friihphase des Innovationsprozesses die Schutzrechtskosten entstehen und gemaB der anzustellenden Prognose bis zum Markteintritt eine bestimmte Hohe erreichen werden (z. B. 40.000 €), stellt sich die untemehmerische Aufgabe mit Produkten, die auf diesem Schutzrecht basie-ren, einen konkret bezifFerbaren Umsatz zu realisieren (z. B. 1 Mio. € bei 4 % kalkulatorischem Lizenzanteil).

Grofi (1995), S. 885 ff.

Page 24: Thomas Tiefel (Hrsg.) Strategische Aktionsfelder des ...€¦ · Strategische Aktionsfelder des Patentmanagements ... zur FuE-Eflfizenzsteigerung am groBten ist, und erlautert insbesondere

Technologic- und Erfindungscvaluicrung in dcr Frtihphasc dcs Innovationsprozcsscs 17

Mit diesem Umsatzvolumen sind Fragen zu Stuckzahlen, Produktionskapazitaten, Vertriebswegen oder auch zur Nachhaltigkeit der Nachfrage und zum Bedarf verbunden, die hinsichtlich der Angemessenheit der Schutzrechtsstrategie (teure Auslandsanmeldungen im Hinblick auf die Moglichkeit eines Untemehmens Auslandsmarkte zu erreichen) zu klaren sind.

Eine typische Situation aus dem Wissenschaftsbereich illustriert eine denkba-re Verzichtbarkeit von Schutzrechtsanmeldungen in entsprechend gelagerten Fallen: Hochkomplexe wissenschaftliche Mess- oder Analysengerate, die ganz spezifische, nur im Wissenschaftsumfeld relevante Untersuchungsmoglichkeiten erschlieBen, treffen auf keine ausgepragte bzw. nachhaltige Nachfrage. Die Be-darfstrager sind weitgehend ausschlieUlich im Forschungsumfeld zu finden und einem Wissenschaftler durch seine Kenntnis der Szene weitgehend bekannt. Infolge der Komplexitat des Messgerats bestehen erfahrungsgemaC gute Chan-cen darauf ein Patent zu erhalten. Man wird aber beim Versuch der wirtschaftli-chen Verwertung erkennen miissen, dass ein Markt im klassischen Sinn fiir der-artige Gerate nicht besteht, sondem dass lediglich relativ wenige Bedarfstrager vorhanden sind.

Nachdem der Bau eines solchen Gerates auch viel Spezial-Know-how erfor-dert, das bereits beim Erfinder (bzw. der wissenschaftlichen Arbeitsgruppe) vorhanden ist, bietet es sich an, in relativ kurzer Zeit den vorhandenen Bedarf durch Eigenbaugerate abzudecken imd so den „Markt" zu sattigen. Nachdem derartige Gerate eine relativ lange Lebensdauer haben, danach aber veraltet und technisch iiberholt sind, ist ein (moglicher) Patentschutz in einer solchen Kons-tellation durchaus verzichtbar.

2.3.3 Markteintrittsbarrieren

Erfindungen und darauf basierende Innovationen miissen sich von bereits etab-lierten Losungen nicht nur durch vorteilhafte AUeinstellungsmerkmale abheben, sondem sind haufig auch mit der Situation konfrontiert, auf bereits besetzte Markte zu stoBen. Die vorhandenen Anbieter haben ein massives Interesse die bereits erreichte Marktposition zu halten bzw. auszubauen und insbesondere zu verhindem, dass ein weiterer Anbieter aktiv wird und Marktanteile iibemimmt. Auch fur den Fall, dass eine neue Technologic fur einen bereits aktiven Markt-teilnehmer unmittelbar verfugbar ist, wird dieser versuchen, seine bisherige Position so lange wie moglich zu verwerten. In diesem Kontext erscheinen Inno­vationen eher als Storquellen im Wertschopfungsprozess. Es ist daher nicht tiberraschend, bei der wirtschaftHchen Verwertung von Erfmdungen (d. h. durchaus schon in der Friihphase des Innovationsprozcsscs) auf Widerstand zu StoBen.

Aber auch formale Hiirden, wie beispielsweise einzuhaltende Normen, Vor-schriften, Zulassungsverfahren etc. konnen einen Markteintritt verzogem bzw.

Page 25: Thomas Tiefel (Hrsg.) Strategische Aktionsfelder des ...€¦ · Strategische Aktionsfelder des Patentmanagements ... zur FuE-Eflfizenzsteigerung am groBten ist, und erlautert insbesondere

18 Wolfgang Knappe

verhindem. Die genannten Hiirden haben technischen Charakter und sind daher im Rahmen der technischen Evaluiening (s. a. Ziffer 2.2) zu wiirdigen. Komple-xer werden die Zusammenhange, wenn z. B. ein bestimmtes Marktsegment von wenigen groBen Playem besetzt ist (z. B. Mobilkommunikation). Diese Player sind hinsichtlich ihrer Entwicklung bzw. Schutzrechte oft durch umfangreiche Lizenzaustauschvereinbamngen miteinander verbimden, die alien Mitgliedem des gemeinsamen Technologiepools gegenseitig Nutzimgsrechte einraumen. Zudem sind die Mitglieder meist auch in Standardisienmgsgremien aktiv und versuchen sowohl eigene als auch gemeinschaftliche Interessen durchzusetzen, mit der Folge, dass eine auBen stehende Technologie nur einen verschwindend kleinen Beitrag zum Technologiepool bzw. zum Standard leisten kann und daher oftmals ausgegrenzt bleibt.

Exteme haben mit erheblichen Schwierigkeiten zu kanpfen, diese Strukturen fiir ihre Erfindungen zu erschlieBen. Meist gelingt das nur iiber ein einzelnes Mitglied, das aus strategischen Uberlegungen heraus gewillt ist, seinen Techno­logie- bzw. Schutzrechtsbestand abzurunden.

3 Zusammenfassung

Der begrenzte Informationsstand, der zum Zeitpunkt einer Erfindung vorhanden ist, kann dennoch efFektiv genutzt werden um die Chancen fur einen erfolgrei-chen Innovationsprozess abzuschatzen. Die Ermittlung des Stands der Technik dient zur Klarung von Neuheit und Erfindungshohe und damit letztendlich der Patentfahigkeit. Dies ist aber nur eine wesentliche Saule, auf die sich eine er-folgreiche Innovation stiitzt.

Mit einer ausgedehnten Recherche zum Stand der Technik finden sich auch technische Losungsaltemativen, die zwar nicht patentrechtlich, wohl aber wirt-schaftlich relevant sind und daher in die weiteren Uberlegungen mit einbezogen werden miissen. Nur wenn die neue Losung iiberzeugende Alleinstellungsmerk-male in Form eines konkreten Produkt- und Kundennutzens besitzt, hat sie Chancen sich gegenuber bereits etablierten Altemativen durchzusetzen. SchlieB-lich fiihren Betrachtungen zu Marktvolumina und Marktstrukturen zu einer Ab-schatzung hinsichtlich der Angemessenheit der relativ schnell und mit Sicherheit entstehenden Schutzrechtskosten im Vergleich zu den unter erheblichem Risiko stehenden Umsatzerwartungen.

Aus all diesen vielfaltigen Einzelinformationen kann letztendlich fur eine Er­findung die Einschatzung des Anmelders abgeleitet werden ob sie „patentfahig und patentwurdig" ist.

Mit zunehmendem Konkretisierungsgrad einer Erfindung in Richtung Pro-duktreife steigt der Informationsstand nicht nur auf Grund eigener Aktivitaten, sondem auch durch aufinerksame Beobachtung der Schutzrechts- und Marktak-tivitaten, insbesondere von Wettbewerbem. Daher ist es notwendig, die geschil-

Page 26: Thomas Tiefel (Hrsg.) Strategische Aktionsfelder des ...€¦ · Strategische Aktionsfelder des Patentmanagements ... zur FuE-Eflfizenzsteigerung am groBten ist, und erlautert insbesondere

Technologic- und Erfindungsevaluierung in dcr Friihphasc des Innovationsprozesscs 19

derten Evaluienmgen fortlaufend durchzufuhren und insbesondere kritisch zu priifen, ob die urspriinglich gemachten Aimahmen weiterhin zutreffend sind. SoUten sich neue oder gnmdlegend veranderte Randbedingungen eingestellt haben, so ist der weitere Irmovationsprozess anzupassen, soweit das sinnvoU ist oder im Extremfall abzubrechen (z. B. kein Patent wegen Rechte Dritter). Durch die strategische Fiihrung des Innovationsprozesses unter Auswertung von Infor-mationen aus dem Markt und aus dem Patentsystem lasst sich das Umsetzungsri-siko nennenswert reduzieren.

Die aufgezeigten Strategien, Phasen und Kriterien der quantitativen Evaluie-rung von Erfindungen und Technologien, insbesondere in der Friihphase des Innovationsprozesses sind keineswegs abschlieBend, sondem als Hinweis darauf zu verstehen, dass jede Erfindung ein Unikat darstellt, das in einem ganz spezifi-schen technisch-wirtschaftlichen Umfeld angesiedelt ist. Diesen Spezifika miis-sen die anzuwendenden Evaluierungskriterien Rechnung tragen.

Literaturverzeichnis

Deutsches Patent- und Markenamt: Jahresbericht 2004, MOnchen 2005, http://www.dpma.de/veroeffentlichungen/jahresbericht04/dpmajb_2004.pdf.

GRUR: Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Zeitschrift der deutschen Vereinigung filr gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, Mtinchen.

Grofi, M: Aktuelle LizenzgebOhren in Patentlizenz-Know-how- und Computerprogrammlizenz-Vertragen, in: Betriebsberater, 18/1995.

Kohlrausch, F.: Praktische Physik, Band 3,22. Aufl. Stuttgart 1968. Mes, P.: Patentgesetz, Gebrauchsmustergesetz, Kommentar, 2. Aufl. Munchen 2005. Schulte, R.: Patentgesetz und EPU, 7. Aufl. MOnchen 2005. Tiefel, T. (Hrsg.): Patent- und Schutzrechtsmanagement in Zeiten des Hyperwettbewerbs, Wiesba­

den 2005.

Page 27: Thomas Tiefel (Hrsg.) Strategische Aktionsfelder des ...€¦ · Strategische Aktionsfelder des Patentmanagements ... zur FuE-Eflfizenzsteigerung am groBten ist, und erlautert insbesondere

Ans^tze der Patentportfolio-Analyse

Eine vergleichende Ubersicht aus der Perspektive des strategi-schen Technologic- und Innovationsmanagements

Thomas Tiefel / Rainer Schuster

1 Einleitung Im Jahr 2004 wurden beim Deutschen Patent- und Markenamt mit 57.784 Erfin-dungen mnd 1.000 mehr als im Vorjahr zum Patent angemeldet.* Der Bestand der Patente mit Wirkung fiir die Bundesrepublik Deutschland stieg um 3,4 % von 384.497 im Jahr 2003 auf 397.738 im Jahr 2004.̂ Dehnt man den zeitlichen Betrachtimgshorizont aus, so ist seit den 1980er Jahren ein stetiges und vor allem deutliches Wachstum der Patentanmeldeaktivitat zu erkennen.̂ Dies hangt nicht zuletzt mit der Tatsache zusammen, dass Patente als multifunktionale stra-tegische Waffen in einem seit diesem Zeitpunkt immer barter werdenden globa-len Wettbewerb eingesetzt werden konnen.̂ Beispielsweise gewann die exteme Verwertung technischer Schutzrechte signifikant an Bedeutung. So nahm das weltweite jahrliche Umsatzvolumen fiir die Nutzung extemen Wissens von 10 Mrd. USD im Jahr 1990 auf ca. 100 Mrd. USD im Jahr 1998 zu - fur das Jahr 2005 ging man von einem zwischen 150 und 200 Mrd. USD liegenden Wert aus.̂

Da betrachtliche Kosten fur die Anmeldung, Aufrechterhaltung und Uberwa-chung von Patenten anfallen, bergen diese neben ihrer Bedeutung fiir die unter-nehmensspezifische Wettbewerbsfahigkeit auch ein hohes finanzielles Risiko. Dies gilt insbesondere, wenn Untemehmen eine drei- oder vierstellige Zahl an Patenten halten, was heute nicht nur in High-Tech-Branchen haufig der Fall ist. So betragen zum Beispiel die Kosten fiir die Aufrechterhaltung des 25.000 Pa-

Vgl. DPMA (2005), S. 2. Im Jahr 1991 zShlte das DPMA ungefShr 40.000 direkt bei ihm eingereichte Patentanmeldungen, vgl. DPMA (1999), S. 13. Vgl. DPMA (2005), S. 2. Zur Entwicklung der Patentanmeldungen beim DPMA und beim EPA zwischen 1970 und 1989 siehe TrSger (1989), S. 14. Die Zahl der europaischen Patentanmeldungen (Europaische Di-rektanmeldungen und eingereichte Euro-PCT-Anmeldungen) lag im Jahr 2004 bei ca. 178.600, vgl. EPA (2005c), S. 12; 1995 waren es nur ungefthr 80.000, vgl. EPA (1998), S. 12. Vgl. Tiefel/Haas (2005), S. 44 ff., 49 ff. Vgl. Lipfert et al. (2005), S. 160.

Page 28: Thomas Tiefel (Hrsg.) Strategische Aktionsfelder des ...€¦ · Strategische Aktionsfelder des Patentmanagements ... zur FuE-Eflfizenzsteigerung am groBten ist, und erlautert insbesondere

22 Thomas Tiefel / Rainer Schuster

tente umfassenden Patentbestandes des Untemehmens Dow Chemical jahrlich uber 30 Mio. USD.^

Damit das Management vor dem beschriebenen Kosten-Nutzen-Spannungsverhaltnis die notwendigen Entscheidungen uber die Erweitemng, den Fortbestand oder die Elimination von Patenten treffen kann, ist deren vorherige betriebswirtschaftliche Bewertimg notwendig. Zu diesem Zweck konnen sowohl monetare als auch nicht-monetaren Methoden zum Einsatz kommen/ Den letzt-genannten Verfahren wird vor allem bei der Klarimg iind Beantwortimg imter-nehmensstrategischer Fragestellungen eine wichtige Bedeutimg beigemessen. In diesem Kontext kann festgehalten werden, dass aktuell sowohl in wissenschaftli-chen Veroffentlichimgen als auch in Fachzeitschriften immer haufiger die Pa-tentportfolio-Analyse im Mittelpunkt der Betrachtung steht.^

Zielsetzung dieser Arbeit ist es daher zu klaren, inwieweit die der wissen-schaftlichen Literatur zu entnehmenden Ansatze der Patentportfolio-Analyse geeignet sind, auf dem Gebiet des strategischen Technologie- imd Innovations-management (TIM) Unterstutzung zu leisten. Zur Beantwortung dieser Frage wird folgende Vorgehensweise gewahlt: Um ein Referenzsystems zu entwickehi, werden im ersten Schritt die Aufgaben und der Prozess des strategischen TIM beschrieben. Danach werden die Keminhalte von acht verschiedenen Ansatzen der Patentportfolio-Analyse extrahiert, welche im letzten Schritt anhand der sich aus dem strategischen TIM ergebenden Anforderungen verglichen und kritisch beurteilt werden.

2 Strategisches Technologie- und Innovationsmanagement

Damit das Gebiet des strategischen Technologie- und Innovationsmanagement prazise beschrieben werden kann, gilt es zunachst zu klaren, was allgemein die Substanz des strategischen Managements ausmacht. Dies erscheint vor dem Hintergrund der Breite und Vielfalt der Literatur auf diesem Gebiet zunachst auBerst schwierig, denn je nach betriebswirtschaftlicher Ausgangsperspektive existieren die unterschiedlichsten Definitionen des Strategiebegriffs.^ Zugleich gehen aber alle Ansatze von einem die verschiedenen Konzepte verbindenden, gemeinsamen Grundverstandnis des strategischen Managements aus, das anhand

Vgl.Petrash (1996), S. 366. Einen kompakten Uberbhck uber die verschiedenen monetaren Bewertungsmethoden liefem Lipfert et al. (2005), S. 162 oder Rings (2000), S. 842 ff. Ausfuhrlich siehe Reitzig (2002), S. 67 ff. Weitere nicht-monetSre Methoden sind beispielsweise das Patentaudit oder die Patentlebens-zyklusanalyse; vgl. Rings (2000), S. 845 f. Einen umfassenden Uberblick geben hier Mintzberg/Ahlstrand/Lampel (2003).

Page 29: Thomas Tiefel (Hrsg.) Strategische Aktionsfelder des ...€¦ · Strategische Aktionsfelder des Patentmanagements ... zur FuE-Eflfizenzsteigerung am groBten ist, und erlautert insbesondere

Ansatze der Patentportfolio-Analyse 23

der folgenden fiinf Merkmale charakterisiert werden kaiin:̂ ® Strategische Ent-scheidungen bestimmen die gnmdsatzliche Richtimg der Untemehmensentwick-lung (1). Sie haben das Ziel durch die Identifikation, Schaffiing und Sichenmg von Erfolgspotenzialen (2) sowie durch die Bestimmimg der intemen und exter-nen Ausrichtung des Untemehmens (3) dessen langfristiges Uberleben zu si-chem (4). Dabei muss aus einer iibergreifenden, d. h. ganzheitlichen und interdisziplinaren, Perspektive (5) vorgegangen werden.

Nachdem somit das Feld des strategischen Managements abgesteckt ist, be-darf als nachstes der Begriff des TIM einer genaueren Klarung. Obgleich auch hier eine gewisse Divergenz in Hinblick auf die exakte Abgrenzung des mit dem technologieorientierten Innovationsmanagements^ ̂ verbundenen generellen Gegenstandsbereichs zu erkennen ist/^ kann folgende grundlegende Eingren-zung getroffen werden: TIM umfasst die Planung, Organisation, Fiihrung und KontroUe aller Aktivitaten im Untemehmen, bei denen es primar um die Bereit-stellung von Technologien sowie deren Einsatz in Produkten oder Prozessen geht, so dass neue Technologie/Produkt- oder Technologie/Prozess-Kombinationen entstehen, welche intern oder extern erfolgreich verwertet wer­den konnen.

Berucksichtigt man die Eingangsiiberlegimgen zum strategischen Manage­ment so steUt sich das Spektrum der Kemaufgaben des strategischen TIM wie folgtdar:̂ ^ 1. Friiherkennung und Prognose von technologischen Entwicklungen inner-

und auBerhalb der eigenen Geschaftsfelder. Dabei gih es die Grenzen be-kannter Technologien zu ermittehi, Weiterentwicklungspotenziale neuer Technologien abzuschatzen, Substitutionsbeziehungen zwischen Technolo­gien zu erkennen und mogliche technologische Diskontinuitaten aufzuspii-ren.

2. Technologieorientierte Konkurrenzanalyse. Diese umfasst die Beschaffimg, Speicherung und Auswertung von Informationen iiber technologische Inno-vationsaktivitaten von fur das eigene Untemehmen relevanten Wettbewer-bem.

3. Technologieorientierte Zuliefereranalyse. In Aquivalenz zur vorher genann-ten Analyse beinhaltet sie die Beschaffimg, Speicherung und Auswertung von Informationen iiber technologische Innovationsaktivitaten von fur das eigene Untemehmen relevanten Lieferanten von Inputfaktoren.

Vgl. Hungenberg (2001), S. 3 ff.; Galweiler (2005), S. 55 ff.; Muller-Stewens/Lechner (2003), S. 15 ff.; Steinmann/Schreyegg (2002), S. 153 ff.; Welge/Al-Laham (2001), S. 12 ff. Als Synonym fiir TIM. Vgl. Gerpott (2005), S. 57 ff.; Gerybadze (2004), S. 6 ff.; Hauschildt (2004), S. 29 ff.; Perl (2003), S. 22; Vahs/Burmester (2005), S. 50 f. Vgl. Gelbmann/Vorbach (2003), S. 93 ff.; Gerpott (2005), S. 59 ff.