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Thüringer Landtag Plenarprotokoll 2/72 2. Wahlperiode 29. Januar 1998 72. Sitzung Donnerstag, den 29. Januar 1998 Erfurt, Plenarsaal Thüringer Gesetz zur Förderung gemeinnütziger ehrenamtlicher Tätigkeit 6308 Gesetzentwurf der Fraktion der PDS - Drucksache 2/1598 - dazu: Beschlußempfehlung des Ausschusses für Soziales und Sport - Drucksache 2/2526 - dazu: Entschließungsantrag der Fraktion der PDS ZWEITE BERATUNG Nach Berichterstattung und Aussprache wird eine beantragte Überweisung des Gesetzentwurfs der Fraktion der PDS - Drucksache 2/1598 - an den Haushalts- und Finanzausschuß mit Mehrheit abgelehnt. Der Gesetzentwurf der Fraktion der PDS - Drucksache 2/1598 - wird in ZWEITER BERATUNG in namentlicher Abstimmung bei 80 abgegebenen Stimmen mit 16 Ja- stimmen und 64 Neinstimmen abgelehnt (Anlage 1). Der von der Fraktion der PDS während der Beratung eingebrachte und vom Präsi- denten verlesene Entschließungsantrag folgenden Wortlauts: "Der Thüringer Land- tag dankt allen ehrenamtlich engagierten Bürgerinnen und Bürgern für ihre ge- leistete Arbeit", wird in namentlicher Abstimmung bei 81 abgegebenen Stimmen mit 76 Jastimmen, 2 Neinstimmen und 3 Enthaltungen angenommen (Anlage 2). Thüringer Gesetz zu dem Staatsvertrag zwischen dem Freistaat Sachsen 6316 und dem Freistaat Thüringen über die Zusammenarbeit in Fragen der Raumordnung und Landesplanung Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 2/2474 - ERSTE und ZWEITE BERATUNG Ohne Begründung und nach Aussprache wird die ERSTE BERATUNG ge- schlossen. Ohne Aussprache wird der Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 2/2474 - in ZWEITER BERATUNG und in der Schlußabstimmung jeweils mit Mehrheit angenommen. Erstes Gesetz zur Änderung des Thüringer Krankenhausgesetzes 6317 Gesetzentwurf der Fraktion der PDS - Drucksache 2/2476 - ERSTE BERATUNG Nach Begründung und Aussprache wird eine beantragte Überweisung des Gesetzentwurfs der Fraktion der PDS - Drucksache 2/2476 - an den Aus- schuß für Arbeitsmarkt und Gesundheit mit Mehrheit abgelehnt.

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Thüringer Landtag Plenarprotokoll 2/72 2. Wahlperiode 29. Januar 1998

72. Sitzung

Donnerstag, den 29. Januar 1998

Erfurt, Plenarsaal

Thüringer Gesetz zur Förderung gemeinnütziger ehrenamtlicher Tätigkeit 6308Gesetzentwurf der Fraktion der PDS- Drucksache 2/1598 -dazu: Beschlußempfehlung des Ausschusses für Soziales und Sport

- Drucksache 2/2526 -dazu: Entschließungsantrag der Fraktion der PDSZWEITE BERATUNG

Nach Berichterstattung und Aussprache wird eine beantragte Überweisung desGesetzentwurfs der Fraktion der PDS - Drucksache 2/1598 - an den Haushalts-und Finanzausschuß mit Mehrheit abgelehnt.

Der Gesetzentwurf der Fraktion der PDS - Drucksache 2/1598 - wird in ZWEITERBERATUNG in namentlicher Abstimmung bei 80 abgegebenen Stimmen mit 16 Ja-stimmen und 64 Neinstimmen abgelehnt (Anlage 1).

Der von der Fraktion der PDS während der Beratung eingebrachte und vom Präsi-denten verlesene Entschließungsantrag folgenden Wortlauts: "Der Thüringer Land-tag dankt allen ehrenamtlich engagierten Bürgerinnen und Bürgern für ihre ge-leistete Arbeit", wird in namentlicher Abstimmung bei 81 abgegebenen Stimmenmit 76 Jastimmen, 2 Neinstimmen und 3 Enthaltungen angenommen (Anlage 2).

Thüringer Gesetz zu dem Staatsvertrag zwischen dem Freistaat Sachsen 6316und dem Freistaat Thüringen über die Zusammenarbeit in Fragen derRaumordnung und LandesplanungGesetzentwurf der Landesregierung- Drucksache 2/2474 -ERSTE und ZWEITE BERATUNG

Ohne Begründung und nach Aussprache wird die ERSTE BERATUNG ge-schlossen.

Ohne Aussprache wird der Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache2/2474 - in ZWEITER BERATUNG und in der Schlußabstimmung jeweils mitMehrheit angenommen.

Erstes Gesetz zur Änderung des Thüringer Krankenhausgesetzes 6317Gesetzentwurf der Fraktion der PDS- Drucksache 2/2476 -ERSTE BERATUNG

Nach Begründung und Aussprache wird eine beantragte Überweisung desGesetzentwurfs der Fraktion der PDS - Drucksache 2/2476 - an den Aus-schuß für Arbeitsmarkt und Gesundheit mit Mehrheit abgelehnt.

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6302 Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 72. Sitzung, 29. Januar 1998

Zweites Gesetz zur Änderung des Thüringer Verwaltungszustellungs- 6325und VollstreckungsgesetzesGesetzentwurf der Landesregierung- Drucksache 2/2524 -ERSTE BERATUNG

Nach Begründung und Aussprache wird der Gesetzentwurf der Landesregierung- Drucksache 2/2524 - an den Innenausschuß überwiesen.

Erstes Gesetz zur Änderung des Thüringer Gesetzes über die 6327Gesamtvollstreckung in das Vermögen juristischer Personendes öffentlichen RechtsGesetzentwurf der Landesregierung- Drucksache 2/2530 -ERSTE BERATUNG

Nach Begründung und Aussprache wird der Gesetzentwurf der Landesregierung- Drucksache 2/2530 - an den Justiz- und Europaausschuß überwiesen.

Thüringer Gesetz über Gebühren für die Fortführung des Liegen- 6328schaftskatasters (Thüringer Katasterfortführungsgebührengesetz- ThürKatFortGebG -)Gesetzentwurf der Landesregierung- Drucksache 2/2534 -ERSTE BERATUNG

Nach Begründung und Aussprache wird der Gesetzentwurf der Landesregierung- Drucksache 2/2534 - an den Innenausschuß - federführend - und den Justiz- undEuropaausschuß überwiesen.

Staatsvertrag über den Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) 6336Antrag der Fraktion der PDS- Drucksache 2/2436 -

Ohne Begründung und nach Aussprache wird der Antrag der Fraktion der PDS- Drucksache 2/2436 - mit Mehrheit abgelehnt.

Novellierung des Eigenheimzulagengesetzes 6340Antrag der Fraktion der PDS- Drucksache 2/2455 -

Nach Begründung und Aussprache wird der Antrag der Fraktion der PDS- Drucksache 2/2455 - mit Mehrheit abgelehnt.

Fragestunde 6346

a) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Müller (SPD) 6346 Thüringer Lehr-, Prüf- und Versuchsgut GmbH - Drucksache 2/2439 -

wird von Minister Dr. Sklenar beantwortet.

b) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Griese (SPD) 6347 Vermarktung des ehemaligen Schulungsgebäudes (Bahnhofstraße 12) in Frankenhain - Drucksache 2/2440 -

wird von Staatssekretär Richwien beantwortet. Zusatzfrage.

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 72. Sitzung, 29. Januar 1998 6303

c) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Griese (SPD) 6348 Verkauf des ehemaligen Kinderferienlagers in Neuroda - Drucksache 2/2463 -

wird von Staatssekretär Richwien beantwortet.

d) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Griese (SPD) 6348 Dramatische Entwicklung im Bauhauptgewerbe - Drucksache 2/2464 -

wird von Staatssekretär Richwien beantwortet. Zusatzfrage.

e) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Höpcke (PDS) 6349 Verbleib des Betrags, um den die finanziellen Zuwendungen des Landes an die Friedrich-Naumann-Stiftung 1997 vermindert wurden - Drucksache 2/2467 -

wird von Minister Trautvetter beantwortet. Zusatzfrage.

f) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Griese (SPD) 6350 Verkauf von Wohnungsbeständen an Zwischenerwerber - Drucksache 2/2471 -

wird von Staatssekretär Richwien beantwortet.

g) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Pidde (SPD) 6351 BIOLAK-Kläranlage - Drucksache 2/2473 -

wird von Minister Dr. Sklenar beantwortet.

h) Die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Frau Zimmer (PDS) 6351 Fachberaterin für Mädchenarbeit - Drucksache 2/2486 -

wird von Ministerin Frau Ellenberger beantwortet.

i) Die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Frau Zimmer (PDS) 6352 Frauengesundheitsförderung - Drucksache 2/2487 -

wird von Ministerin Frau Ellenberger beantwortet. Zusatzfragen.

j) Die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Frau Zimmer (PDS) 6353 Mädchenarbeit in Thüringen - Drucksache 2/2488 -

wird von Ministerin Frau Ellenberger beantwortet.

k) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Griese (SPD) 6354 WGT-Liegenschaften in Rudisleben - Drucksache 2/2491 -

wird von Staatssekretär Richwien beantwortet. Zusatzfrage.Die Beantwortung der Zusatzfrage wird durch StaatssekretärRichwien nachgereicht.

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6304 Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 72. Sitzung, 29. Januar 1998

l) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Griese (SPD) 6354 Baustraße für den Ausbau der B 88 zwischen Crawinkel und Frankenhain - Drucksache 2/2492 -

wird von Staatssekretär Richwien beantwortet.

m) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Griese (SPD) 6355 Reduzierung der Fördersätze im Bereich des Thüringer Ministeriums für Wirtschaft und Infrastruktur (TMWI) - Drucksache 2/2493 -

wird von Staatssekretär Richwien beantwortet. Zusatzfragen.Die Beantwortung der Zusatzfragen wird durch StaatssekretärRichwien nachgereicht.

n) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Häfner (CDU) 6356 Situation in der ambulanten Betreuung in Thüringen - Drucksache 2/2519 -

wird von Ministerin Frau Ellenberger beantwortet. Zusatzfrage.

Aktuelle Stunde 6358

a) auf Antrag der Fraktion der PDS zum Thema: 6358"Länderübergreifender Schienenpersonennahverkehr"Unterrichtung durch den Präsidenten des Landtags- Drucksache 2/2434 -

b) auf Antrag der Fraktion der SPD zum Thema: 6364"Umsetzung des EU-Programms 'Natura 2000' im Freistaat Thüringen"Unterrichtung durch den Präsidenten des Landtags- Drucksache 2/2556 -

Aussprache

Gemäß § 37 Abs. 1 GO wird den Abgeordneten Dr. Mäde (SPD) undWunderlich (CDU) jeweils ein Ordnungsruf erteilt.

Novellierung des Wohngeldgesetzes 6371Antrag der Fraktion der PDS- Drucksache 2/2456 -

Nach Begründung und Aussprache wird der Antrag der Fraktion der PDS- Drucksache 2/2456 - mit Mehrheit abgelehnt.

Schlußfolgerungen der Landesregierung aus dem Ersten Sozialbericht 6376des Freistaats ThüringenAntrag der Fraktion der PDS- Drucksache 2/2523 -

Nach Begründung und Aussprache wird eine beantragte Überweisung desAntrags der Fraktion der PDS - Drucksache 2/2523 - an den Ausschuß fürSoziales und Sport mit Mehrheit abgelehnt.

Der Antrag der Fraktion der PDS - Drucksache 2/2523 - wird mit Mehrheitabgelehnt.

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 72. Sitzung, 29. Januar 1998 6305

Thüringer Positionen zu HRG-Novellierung und BAföG-Reform 6380Antrag der Fraktion der PDS- Drucksache 2/2549 -

Nach Begründung und Aussprache wird der Antrag der Fraktion der PDS- Drucksache 2/2549 - mit Mehrheit abgelehnt.

Der Antrag der Fraktion der PDS, in Abweichung von der Geschäftsordnunggemäß § 120 GO die Tagesordnung zu ergänzen und eine weitere Fragestundedurchzuführen, erhält nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit.

Der Präsident schließt die 72. Plenarsitzung mit dem Bemerken, daß die73. Plenarsitzung am 30. Januar 1998 nicht stattfinden werde.

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6306 Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 72. Sitzung, 29. Januar 1998

Am Regierungstisch:

Ministerpräsident Dr. Vogel, die Minister Althaus, Dr. Dewes, Frau Ellenberger, Kretschmer, Frau Lieberknecht,Dr. Schuchardt, Dr. Sklenar, Trautvetter

Rednerliste:

Präsident Dr. Pietzsch 6308, 6309, 6312, 6313, 6314, 6315, 6316, 6317, 6318, 6320, 6321, 6323, 6325,6326, 6371, 6372, 6374, 6375, 6376, 6377, 6379, 6380, 6381, 6382, 6383, 6385,

6386, 6387, 6388, 6389Vizepräsident Friedrich 6327, 6328, 6329, 6330, 6331, 6333, 6334, 6335, 6336, 6337, 6338, 6340, 6342,

6343, 6344, 6345, 6346, 6389, 6390, 6391, 6393, 6394, 6395, 6396Vizepräsident Dr. Hahnemann 6346, 6347, 6348, 6349, 6350, 6351, 6352, 6353, 6354, 6355, 6356, 6357, 6358,

6359, 6360, 6361, 6362, 6364, 6365, 6366, 6367, 6368, 6371Frau Arenhövel (CDU) 6309Frau Beck (PDS) 6376Frau Becker (SPD) 6368Dietl (PDS) 6331, 6342, 6345, 6372Frau Doht (SPD) 6343, 6371Emde (CDU) 6308, 6377Enkelmann (SPD) 6381, 6389Fiedler (CDU) 6335Frau Dr. Fischer (PDS) 6320, 6377, 6380Gentzel (SPD) 6314, 6350Gerstenberger (PDS) 6356, 6366Griese (SPD) 6347, 6348, 6349, 6350, 6354, 6355, 6356Dr. Häfner (CDU) 6356, 6358, 6388, 6389, 6390, 6394, 6395Höpcke (PDS) 6349, 6383, 6387Kachel (PDS) 6323, 6390Kallenbach (CDU) 6359, 6360Frau Dr. Klaubert (PDS) 6382, 6389Köckert (CDU) 6334, 6335, 6336Kölbel (CDU) 6327, 6331Kretschmer (CDU) 6316, 6362Lemke (PDS) 6358Dr. Mäde (SPD) 6364, 6365Dr. Müller (SPD) 6346Frau Neudert (PDS) 6317Frau Nitzpon (PDS) 6315, 6325, 6337, 6387Frau Pelke (SPD) 6313, 6315Dr. Pidde (SPD) 6351Pohl (SPD) 6333, 6336Preller (SPD) 6360, 6361Frau Raber (SPD) 6321, 6379Rieth (SPD) 6326Schwäblein (CDU) 6316, 6338, 6340, 6391Seidel (SPD) 6337Sonntag (CDU) 6330Frau Thierbach (PDS) 6309, 6312Ulbrich (CDU) 6316, 6344Frau Vopel (CDU) 6318, 6323Werner (CDU) 6365Wetzel (CDU) 6340, 6374Frau Dr. Wildauer (PDS) 6340, 6371Wolf (CDU) 6328Wunderlich (CDU) 6316, 6367, 6368Dr. Zeh (CDU) 6385, 6386, 6387Frau Zimmer (PDS) 6351, 6352, 6353

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 72. Sitzung, 29. Januar 1998 6307

Dr. Dewes, Innenminister 6325, 6329, 6330, 6334Frau Ellenberger, Ministerin für Soziales und Gesundheit 6324, 6352, 6353, 6357, 6358, 6380Kretschmer, Minister für Justiz und Europaangelegenheiten 6327Richwien, Staatssekretär 6347, 6348, 6349, 6350, 6354, 6355,

6356, 6362, 6375Dr. Schuchardt, Minister für Wissenschaft, Forschung und Kultur 6393, 6394, 6395Dr. Sklenar, Minister für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt 6346, 6351, 6369Trautvetter, Finanzminister 6350

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6308 Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 72. Sitzung, 29. Januar 1998

Die Sitzung wird um 9.03 Uhr vom Präsidenten desLandtags eröffnet.

Präsident Dr. Pietzsch:

Meine Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 72. Plenar-sitzung. Schriftführer sind Frau Abgeordnete Zitzmann undHerr Abgeordneter Dr. Mäde. Die Rednerliste führt HerrAbgeordneter Dr. Mäde. Für die heutige Sitzung haben sichentschuldigt: Herr Abgeordneter Harrer, Herr Abgeord-neter Jaschke, Herr Abgeordneter Schugens und HerrAbgeordneter Schröter.

Sie gestatten mir noch einen Hinweis: Gegen 13.00 Uhrwird eine Ausstellung der Gedenkstätte und Museum Sach-senhausen eröffnet "Jüdische Häftlinge im Konzentrations-lager Sachsenhausen". Wir werden diese Ausstellung, weiles hier etwas eng wird, vor dem Ältestenratszimmer bzw.einschließlich des Ältestenratszimmers eröffnen. Es wird al-so noch im Laufe des Vormittags umgebaut werden. Ichdarf auf den parlamentarischen Abend der Landesmedien-anstalt heute nach dem Ende der Plenarsitzung gegen20.00 Uhr hinweisen.

Nun Hinweise zur Tagesordnung. Die Tagesordnung wirdwie folgt ergänzt: Zu Tagesordnungspunkt 2 - ThüringerGesetz zu dem Staatsvertrag zwischen dem Freistaat Sach-sen und dem Freistaat Thüringen über die Zusammenarbeitin Fragen der Raumordnung und Landesplanung, Ge-setzentwurf der Landesregierung in der - Drucksache2/2474 -. Dieser Staatsvertrag stand schon auf der Tages-ordnung der 69. Plenarsitzung, und dabei wurde bei derFestlegung der Tagesordnung auf Antrag der CDU-Fraktionmit Mehrheit beschlossen, diesen Tagesordnungspunkt inerster und zweiter Beratung zu behandeln. Gleichzeitigwurde eine entsprechende Fristverkürzung beschlossen. Ichkann nicht davon ausgehen, daß ein Beschluß der 69. Ple-narsitzung fortgilt. Dennoch frage ich: Widerspricht je-mand dem, daß wir so verhandeln wie in der 69. Plenar-sitzung beschlossen? Wenn dem niemand widerspricht,dann ist dieses so angenommen, und wir behandeln es inerster und zweiter Beratung. Die Fristverkürzung ist da-mit auch beschlossen.

Zu Tagesordnungspunkt 12 - Fragestunde: FolgendeMündliche Anfragen kommen für die heutige Sitzungdazu: 2/2540, 2/2544, 2/2545, 2/2550, 2/2553, 2/2557,2/2558, 2/2559, 2/2560, 2/2561, 2/2562, 2/2563, 2/2564,2/2565, 2/2566, 2/2567, 2/2568, 2/2575, 2/2576, 2/2577,2/2578, 2/2579, 2/2580, 2/2581, 2/2582, 2/2584, 2/2585,2/2586, 2/2587, 2/2588, 2/2589, 2/2590, 2/2591, 2/2592und 2/2593. Dies ist eine relativ theoretische Feststel-lung, die ich getroffen habe, daß die für heute alle dazu-kommen. Für die 73. Plenarsitzung kommen dann fol-gende Mündliche Anfragen hinzu: - Drucksache 2/2596und 2/2597 -. Die Mündliche Anfrage des AbgeordnetenFiedler in der - Drucksache 2/2543 - wurde vom Frage-steller in eine Kleine Anfrage umgewandelt. Die Münd-

lichen Anfragen des Abgeordneten Dr. Pidde - Drucksa-che 2/2599 - und des Abgeordneten Dr. Müller - Druck-sache 2/2600 -, die nicht in der Frist des § 91 Abs. 3Satz 1, aber in der des Satzes 2 eingegangen sind, wer-den dann von der Landesregierung in diesen beiden Ple-narsitzungstagen noch nicht beantwortet werden.

Meine Damen und Herren, wird der Ihnen vorliegendenTagesordnung zuzüglich der genannten Ergänzungen wi-dersprochen? Es ist auch das erste Mal, daß nicht wider-sprochen wird. Dann stelle ich die Tagesordnung als an-genommen fest.

Ich komme zum Aufruf des Tagesordnungpunkts 1

Thüringer Gesetz zur Förderung gemein-nütziger ehrenamtlicher TätigkeitGesetzentwurf der Fraktion der PDS- Drucksache 2/1598 -dazu: Beschlußempfehlung des Ausschusses

für Soziales und Sport- Drucksache 2/2526 -

ZWEITE BERATUNG

Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Emde. Ich bitte umBerichterstattung. Herr Abgeordneter Emde, ich möchtenicht störend wirken, aber Sie sind Berichterstatter.

(Heiterkeit im Hause)

Abgeordneter Emde, CDU:

Entschuldigung, Herr Präsident, aber die lange Abstinenzführt dazu, daß ich noch nicht so ganz up to date bin.

(Heiterkeit im Hause)

Beschlußempfehlung des Ausschusses für Soziales undSport zum Gesetzentwurf der Fraktion der PDS, Thürin-ger Gesetz zur Förderung gemeinnütziger ehrenamtlicherTätigkeit. Durch Beschluß des Landtags vom 23. Januar1997 ist der Gesetzentwurf an den Ausschuß für Sozia-les und Sport federführend überwiesen worden, weiter-hin an den Haushalts- und Finanzausschuß, den Wirt-schaftsausschuß, den Justiz- und Europaausschuß. DerAusschuß hat den Gesetzentwurf in seiner 29. Sitzungam 4. Dezember 1997 beraten und empfohlen, den Ge-setzentwurf abzulehnen. Da nun der federführende Aus-schuß für Soziales und Sport die Ablehnung empfohlenhat, fand eine Beratung in den weiteren mitberatendenAusschüssen nicht statt. Die Beschlußempfehlung lau-tet: Der Gesetzentwurf wird abgelehnt.

(Beifall bei der CDU)

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 72. Sitzung, 29. Januar 1998 6309

Präsident Dr. Pietzsch:

Danke sehr. Ich eröffne damit die Aussprache. Frau Ab-geordnete Arenhövel hat sich zu Wort gemeldet. Bittesehr.

Abgeordnete Frau Arenhövel, CDU:

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident, meine Damen undHerren, werte Abgeordnete, der Gesetzentwurf der PDS-Fraktion wurde im federführenden Ausschuß für Sozia-les und Sport abgelehnt, weil wir in dieser Legislaturpe-riode kein Ehrenamtsgesetz auf den Weg bringen werden,und somit entfällt die ursprünglich vorgesehene gemeinsa-me Beratung mit einem Regierungsentwurf. Notwendig ge-worden ist diese Entscheidung deshalb, weil die Minister-präsidenten der Länder über mögliche Einsparungen in denHaushalten der deutschen Bundesländer beraten müssen.Dies erfordert neben Einschnitten im jeweils eigenen Lan-deshaushalt auch die Solidarität und den Zusammenhaltauf dieser wichtigen föderalen Ebene. Wir sind also indiesem Punkt auf Akzeptanz und Gemeinsamkeit ange-wiesen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, der FreistaatThüringen hat in vielen mutigen Initiativen bewiesen,daß wir durchaus bereit sind, auch eigene Wege zu ge-hen. In der heutigen Situation jedoch ist es schlicht unmög-lich, noch ein neues Gesetz, das voraussichtlich Leistungenin zweistelliger Millionenhöhe zum Inhalt hat, noch zusätz-lich zu beschließen. Die CDU-Landtagsfraktion unterstütztden Thüringer Ministerpräsidenten voll bei diesen fürunseren Freistaat und auch für andere Länder wichtigenAufgaben. Nun bedeutet dieser Beschluß aber auf kei-nen Fall, daß der Gedanke an ein Ehrenamtsgesetz füralle Zeiten begraben wäre. Im Gegenteil, wir sollten dieZeit nutzen, um weiter an dieser Idee zu arbeiten, dennes hat sich als keineswegs einfach herausgestellt, ein Eh-renamtsgesetz zu entwerfen, das Freiräume für Ehrenamt-lichkeit, öffentliche Anerkennung, Ausgleich, Weiterbil-dung usw. schafft. Denn die Vielzahl und Verschiedenartig-keit bürgerschaftlichen Engagements sind komplex. DieCDU-Landtagsfraktion steht darüber hinaus zum Ehrenamt,und ich möchte deshalb betonen, daß die Förderung derehrenamtlichen Arbeit selbstverständlich weitergeht. Auch1998 ist der entsprechende Haushaltstitel mit 2,1 Mio. DMausgestattet. Darüber hinaus fördert der Freistaat Thüringendie vielen freiwilligen Leistungen, die z.B. im Sport, beider freiwilligen Feuerwehr, aber auch in der Kommu-nalpolitik, die in besonderer Weise einen Dienst an derDemokratie darstellt und oft viel zuwenig beachtet wird.Es ist doch für uns alle als Wahlkreisabgeordnete eineSelbstverständlichkeit, meine Damen und Herren, esmacht uns auch Freude, ehrenamtliche Initiativen zu be-gleiten, zu ermutigen und zu unterstützen.

(Beifall bei der CDU)

Es ist überaus erfreulich, welch vielgestaltige Landschaftsich im Bereich der Ehrenamtlichkeit herausgebildet hat.Erwähnen möchte ich deshalb das derzeitige Entsteheneiner Freiwilligenzentrale in Saalfeld, die in Trägerschaftdes Caritasverbandes hierzu einen neuen positiven Beitragleistet. Sie sehen also, meine Damen und Herren, wir habenin diesem Thema Bewegung und keinen Stillstand. Daß öf-fentliche Anerkennung nicht zwingend an ein Gesetz ge-bunden ist, haben wir z.B. mit der "Thüringer Rose" langebewiesen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, aus den ge-nannten Gründen bitte ich Sie, der Beschlußempfehlungdes Ausschusses für Soziales und Sport zu folgen undden Gesetzentwurf der PDS damit abzulehnen. VielenDank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Präsident Dr. Pietzsch:

Danke sehr, Frau Abgeordnete Arenhövel. Als nächstehat sich zu Wort gemeldet Frau Abgeordnete Thierbach,PDS-Fraktion. Bitte sehr.

Abgeordnete Frau Thierbach, PDS:

Herr Präsident, werte Abgeordnete, werte Damen undHerren der Presse,

(Unruhe im Hause)

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Wir sinddas Volk.)

das einzig Gute, und dies ist sarkastisch gemeint, bei der - inAnführungsstrichen gesprochenen - Abarbeitung des Geset-zes zur Förderung der ehrenamtlichen Tätigkeit in Thürin-gen, was durch die PDS-Fraktion am 20.12.1996 einge-reicht wurde, ist der Zeitpunkt der heutigen zweiten Lesung.Vielleicht gelingt es heute, darzustellen, eben mit Hilfe vonPresse und Radio, wie die Doppelzüngigkeit, die Unglaub-würdigkeit, die Wortbrüchigkeit, und mir fielen sicher nochandere Begriffe ein, zu Aussagen und Handlungen der Ko-alitionsregierung, des Sozialministeriums und eingeschlos-sen jene Abgeordnetenkollegen, die sich - ich muß ja nunsagen - scheinbar für ein Ehrenamtsgesetz eingesetzt ha-ben, aussieht. Ich weiß eigentlich gar nicht, was das soll.Diese Verlogenheit der Aussagen, mit denen für ein Ehren-amtsgesetz geworben wurde, z.B. von Herrn Werner beimKreissporttag in Sömmerda im April vorigen Jahres

(Beifall bei der PDS)

oder, Herr Emde, im CDU-Wahlprogramm von 1994 oderdie totale Ignoranz von parlamentarischen Vorschlägen, diesich nicht die PDS allein hat einfallen lassen, sondern Ge-danken, Vorstellungen und Wünsche von Vereinen, Ver-bänden und Organisationen, Institutionen, Kirchen und

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auch von Einzelpersonen beinhalten. Mich verwundertüberhaupt nicht mehr der politische und inhaltliche Um-gang mit einem Koalitionsvertrag zwischen CDU undSPD.

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU: Das istdoch nicht Ihr Problem.)

Das ist wahrlich nicht mein Problem. Aber wie weit muß esin einer Koalition sein, wenn sich der Ministerpräsidentzum Erscheinen oder Nichterscheinen eines im Koalitions-vertrag festgehaltenen Gesetzes äußert: Tut mir leid, aberkein Geld da; und im gleichen Atemzug dieselbe Personaber in seinem unverwechselbaren Charme betont,

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU: Das istaber wenigstens ehrlich.)

es ist schon toll, was die Bürgerinnen und Bürger inThüringen an ehrenamtlichem Engagement an den Taglegen. Ich kann nur sagen: Weiter so mit dieser Doppel-züngigkeit!

(Zwischenruf Abg. Dr. Dr. Dietz, CDU: KeinWiderspruch.)

(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren, was mir viel mehr Sorge berei-tet, ist das politische Signal in unsere Gesellschaft hinein imZusammenhang mit der Arbeit von oder mit einem, egal obPDS- oder CDU- oder SPD-Gesetzentwurf zum Ehrenamtim Parlament. Apropos Sorge, der Bundestagsabgeordneteder SPD Sorge hat eben seine Sorge bezüglich der Verab-schiedung eines Ehrenamtsgesetzes in Thüringen dahin ge-hend zum Ausdruck gebracht, daß mit der Nichtverabschie-dung eines solchen Gesetzes in Thüringen ähnliche Akti-vitäten in anderen Bundesländern und im Bund zumindestim wahrsten Sinne des Wortes auf Sparflamme gestellt wer-den, wenn nicht sogar, wie in Thüringen, völlig eingestelltwerden. Es wurde Hoffnung in die Politik gesetzt vom Thü-ringer Feuerwehrverband, Naturschutzbund Deutschland,Volkskundliche Kommission für Thüringen e.V., Umwelt-medienzentrum und Umweltbibliothek, Paritätischer Wohl-fahrtsverband, Landratsamt Saalfeld-Rudolstadt, Erwachse-nenbildungswerk der Evangelisch-Lutherischen Kirchein Thüringen bis zur Landeshauptstadt Erfurt, durch dieStadtverwaltung vertreten, Dezernat Bildung, Umweltund Sport - all diese sind beteiligt am Entwurf des Ehren-amtsgesetzes, nämlich sie haben mitgearbeitet, schriftlichoder mündlich und mit ihren Ideen. Das sind nicht alle, diebeteiligt waren. Wie, frage ich Sie, sollen die hier aktiv Ge-wordenen die Glaubwürdigkeit von Politikern überhauptnoch akzeptieren oder erkennen? Mit der Beteiligung ander Erarbeitung des Ehrenamtsgesetzes der Landesregie-rung wurden Zeit, Kraft, Ideenreichtum und Engagementinvestiert. Nur leider nicht mit einem konkreten Ergeb-nis, das die Beteiligten entlohnt.

Der Gesetzentwurf der PDS-Fraktion wurde in öffentli-cher Arbeit seit 1994 erarbeitet. Genau vor einem Jahrwurde er in den Thüringer Landtag eingebracht, und ge-nau nach einem Jahr gibt es nun eine Ausschußempfeh-lung, die die Ablehnung des Gesetzentwurfs zur Förde-rung gemeinnütziger ehrenamtlicher Tätigkeit beinhaltet.Wenn über die Ausschußarbeit und die Beschlußempfeh-lung eben berichtet wurde, so ist es eigentlich Hohn. Bera-ten wurde im Ausschuß für Soziales und Sport zum Eh-renamtsgesetz nichts. Der Tagesordnungspunkt dauertegenau zweieinhalb Minuten. Es hatte keiner der Abge-ordneten, die nicht an der Einbringung des Gesetzes be-teiligt waren, eine Frage, eine Meinung oder gar eineStellungnahme oder gar eine Begründung. Es fand ein-fach nichts statt. Zweimal stand der überwiesene Ge-setzentwurf auf der Tagesordnung des Ausschusses undwurde auf Antrag der SPD-Fraktion abgesetzt. Die Be-gründung im Februar 1997 war noch logisch. Es sollte imAusschuß effizient gearbeitet werden, und der Gesetzent-wurf der Landesregierung sollte, da er mehrfach auch in er-ster Lesung unseres Gesetzes angekündigt war, zeitgleichbehandelt werden. Es blieb jedoch bei der mehrfachen An-kündigung des Gesetzentwurfs der Landesregierung. So-gar das Inkrafttreten des Gesetzentwurfs, der nirgends ein-gereicht ist, also auch nicht existiert, war benannt wordendurch die Landesregierung, nämlich der 01.01.1998. Undals der Gesetzentwurf der PDS-Fraktion im Dezember dasdritte Mal im Ausschuß auf der Tagesordnung stand, gab esoffensichtlich eben keine Lust mehr, überhaupt an einemEhrenamtsgesetzentwurf zu arbeiten. Die durch die PDS-Fraktion beantragte Anhörung von Vereinen und Ver-bänden wurde durch die Mehrheit im Ausschuß abge-lehnt. Nicht ein einziger Änderungsantrag, geschweigeeine Frage, geschweige eine Äußerung. Diese Faulheitwar eigentlich zu erwarten gewesen, haben doch dieKoalitionsfraktionen in den letzten Jahren mehrfach be-wiesen, daß sie hörig der Landesregierung folgen, unddiese hatte ja bereits verkündet, es soll in dieser Legis-latur kein Ehrenamtsgesetz mehr geben. Und bei diesemArbeitsstil im Ausschuß müßte man die Diäten der Ab-geordneten nicht nur einfrieren, sondern gänzlich aufNull schrauben und diese Arbeit vielleicht ehrenamtlichengagieren lassen, dann wäre auch reichlich Geld zurFinanzierung des Ehrenamtsgesetzes vorhanden.

(Beifall bei der PDS)

In der Haushaltsberatung, die noch vor der sogenanntenAusschußsitzung im Dezember stattfand, war schon eindeu-tig ersichtbar, daß auch das Sozialministerium das Engage-ment für ein Ehrenamtsgesetz mit der Begründung einge-stellt hat, daß kein Geld da sei. Im Haushaltsplan 08 ist die-selbe Summe eingestellt wie 1995, 1996, 1997. Auf Nach-frage meinerseits im Ministerbüro bei Vorlage des Haus-haltsentwurfs 08, ob die Position im Ehrenamt noch in an-deren Einzelplanentwürfen zu finden sei, wurde mir versi-chert, daß die im Ehrenamt ebenso zuständigen Ministerienwie für Umwelt oder Kultur selbständig Mittel für die Wür-digung des Ehrenamts einstellen müßten. In diesen Haus-

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haltsplänen ist keine müde Mark für die Würdigung bzw.die Ausgleichszahlung ehrenamtlicher Tätigkeit eingestelltgewesen. Und in der direkten Haushaltsberatung erklärteder Staatssekretär des Sozialministeriums sogar sich verstei-gend, daß die gleichgebliebene Summe ein Versehen beider Erarbeitung des Haushaltsplanentwurfs sei, der ja im-merhin schon im August erarbeitet worden war. Nach die-sen Erlebnissen war es natürlich angebracht zu fragen,ob es eine Wiederholung der sich bereits im Sozialmini-sterium abgespielten Situation war, in der Vertreter derLandeskirche ihren Unmut äußerten über die Art undWeise der Ausarbeitung des Ehrenamtsgesetzes, da siebezweifelten, daß es eine Einigkeit der Landesregierungzum Ehrenamtsgesetz überhaupt gibt und wo die ein-deutige Frage gestellt wurde, ob es ein Gesetz der Lan-desregierung oder des Sozialministeriums wird.

Warum ist dieses Ehrenamtsgesetz nun aber nach wievor nötig und warum ist es zu verabschieden? Wir ha-ben immer den Standpunkt vertreten, dieses Gesetz sollekein Gesetz zur vordergründigen Finanzierung von eh-renamtlichem Engagement sein. Vielmehr haben wir immerbetont: Ehrenamt hat einen ideellen Ausgangspunkt, wel-cher das jeweilige Engagement bestimmt. Und dieses Enga-gement bedarf in erster Linie, und dazu sollte dieser Ge-setzentwurf dienen, öffentliche Würdigung und Aner-kennung in allen gesellschaftlichen Bereichen und Ebe-nen durchzusetzen und erst in zweiter Linie, die wach-senden finanziellen Belastungen, die Ehrenamt beein-flussen, erschweren, behindern oder gar zerstören, ein-zuschränken, zu mindern oder zu beseitigen. Und hierbefinden wir uns in breiter gesellschaftlicher Übereinstim-mung. Außerdem sollte und muß das zu begrüßende zuneh-mende ehrenamtliche Engagement einerseits gezielte Be-gleitung eben durch Hauptamt und andererseits den Aus-schluß von Mißbrauch ehrenamtlichen Engagements zurAbdeckung öffentlich und gesellschaftlich notwendigerArbeit beinhalten.

Ehrenamtliche Arbeit auf allen Gebieten in der Gesellschaftist nicht mit Gewinn oder Profit verbunden. Soziales Enga-gement, Jugendarbeit, kulturelles Engagement und Um-weltaktivitäten haben den soliden Wert des Zusammen-lebens und den solidarischen Hintergrund der Menschenuntereinander, der natürlich auch zwischen Natur undMensch bestehen sollte. Das Erleben und die Ausübungehrenamtlicher Tätigkeit ist auf die Erhöhung des Ausbausvon Chancen in der Teilnahme an dieser Gesellschaft über-haupt; und Ehrenamt kann das Selbstwertgefühl der Täti-gen verbessern. In Thüringen aber auch in anderen Län-dern gibt es Menschen, die mit ihrer Biographie heute mehrdenn je die Frage nach dem Gebrauchtwerden stellen. Ar-beitslose, junge Rentner, sogenannte nicht gebrauchte Ju-gendliche, die von einem zum anderen Tag ein relativesAus für sich erleben, da sie auf dem Ausbildungs- oder Ar-beitsmarkt oft chancenlos sind, haben versucht und ver-suchen, in ehrenamtlichen Aufgaben ihr Wissen, ihr Kön-nen einzubringen. Diese Menschen haben schon Verluste inihren Ansprüchen zum Beispiel aus dem Sicherungssy-

stem hinnehmen müssen. Gerade auch ihnen Anerken-nung des Engagements für die Gesellschaft zukommenzu lassen, wäre unbedingt wichtig und ebenfalls auchdie Erstattung ihrer finanziellen Belastung in ehrenamt-licher Tätigkeit. Und genau dies ist der Regelungsbedarfdes Gesetzes.

Warum ist die Aussage der Landesregierung, daß das Eh-renamtsgesetz aufgrund der Haushaltssituation nicht finan-zierbar sei, einfach eine falsche Aussage? Bereits vor demGesetzentwurf zum Ehrenamt der PDS-Fraktion hatten wirein Änderungsgesetz zum Lottogesetz in den ThüringerLandtag eingebracht, um die Mittelverwendung neu zuregeln. Es wurde abgelehnt. Wäre dieser Gesetzentwurfangenommen worden, wäre das Ehrenamt finanzierbargewesen,

(Beifall bei der PDS)

ohne aus einem anderen Haushaltstitel Geld wegnehmenzu müssen. Und diese Novelle des Lottogesetzes istauch heute noch möglich. Also wäre auch hier nachge-wiesen, die Finanzierbarkeit des Ehrenamts wäre es ge-wesen.

(Beifall bei der PDS)

Oder man kann auch nachdenken über den Verkauf vonLandesanteilen des Flughafens Erfurt. Oder die Ver-äußerung ...

(Zwischenruf Frau Lieberknecht, Ministerinfür Bundesangelegenheiten in der Staats-kanzlei: Das ist das Letzte.)

Wenn Sie sagen, das ist das Letzte, dann meinen Sie da-mit vielleicht etwas anderes. Oder die Veräußerung lan-deseigener Liegenschaften würde auch genutzt für dieFinanzierung ehrenamtlicher Tätigkeit. Diese Möglich-keit ist ja bereits bewiesen worden, wie zum Beispielder Beschluß zum Haushalt 1998 im Umgang mit denMitteln, die aus dem Verkauf des Klinikums Suhl in ih-rer Verwendung mit sich bringen. Und nun wäre unsvollkommen klar, daß die letzten beiden Vorschläge na-türlich nur einmalige Finanzierungen sind. Denn mankann ja nicht ständig verkaufen, um irgend etwas zu be-zahlen. Deswegen sind wir nach wie vor der Meinung,wir wollen die Änderung des Lottogesetzes favorisierenund damit nachweisen, daß auch in engen Haushaltszeitengerade ehrenamtliche Tätigkeit finanziert werden kann undnach unserer Meinung auch finanziert werden muß. Und imZusammenhang dieser Finanzierungsfragen gibt uns im-mer wieder die Tatsache zu denken, daß die Koalition,wenn sie etwas inhaltlich politisch will, Geld findet, daßGeld da ist und daß Geld auch immer da war. Und wennSie das Ehrenamtsgesetz tatsächlich wollen, und wennes tatsächlich die Frage nur des Geldes wäre, das nichtim Haushalt übrig ist, dann sind Sie verpflichtet, auchüber die Finanzierungsgrundlage, auch über die Novellie-

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rung des Lottogesetzes nachzudenken und es nicht ein-fach nur abzulehnen.

(Beifall bei der PDS)

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: ... jedesJahr.)

Zu dem Problem, Herr Gentzel, komme ich noch. Oder,meine Damen und Herren der Koalition, wollen Sie nurauf Ihre Pfründe nicht verzichten, denn die Novellierungdes Lottogesetzes wäre dem gleichgekommen. Da kanndas Sozialministerium 500 DM im Fußball ausgeben;Herr Schuchardt in Jena 25.000 DM für Basketball,wenn die Nachrichten stimmen.

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Hört, hört,das sagen Sie mal ..., so wie Sie es immermachen.)

(Unruhe bei der CDU, SPD)

Frau Pelke, Frau Arenhövel und die, die laut rufen, soll-ten überlegen, ob sich die Beispiele nicht nur ergänzen,übergeben Lottomittel ...

Präsident Dr. Pietzsch:

Herr Abgeordneter Böck, ich bitte um etwas Ruhe.

Abgeordnete Frau Thierbach, PDS:

Ich würde mir überlegen, inwieweit sich die Beispieleeben noch fortsetzen lassen, Herr Böck.

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Na, sagenSie es denn nun ...)

Präsident Dr. Pietzsch:

Meine Damen und Herren, die Rednerliste ist nicht ge-schlossen, Sie können sich melden, aber nicht vom Platzaus!

Abgeordnete Frau Thierbach, PDS:

Ich möchte es noch mal wiederholen: Abgeordnete überge-ben Lottomittel mit der Geste der politischen Gönner, umtatsächlich bestehende finanzielle Probleme lösen zu helfen.

(Beifall bei der PDS)

Warum wollen Sie die Verwendung genau dieser Lottomit-tel, die Sie übergeben, über die Unterstützung der ehrenamt-lichen Tätigkeit nicht einstellen und damit dazu beitragen,daß diese Probleme, wo Sie dann gönnerhaft die Mittelüberreichen, überhaupt nicht erst entstehen.

(Beifall bei der PDS)

Eine Antwort ist für mich darin zu sehen: Es würde nurdas Gönnerhafte Ihrer Person im Sinne von Ausbau derEitelkeit und Wichtigkeit Ihrer Person in Macht und Man-dat wegfallen. Weiter nichts. Aber vielleicht werden Sie ge-rade diese Fortuna-Gönner-Rolle jetzt in Wahlkampfzeitennoch medienwirksamer ausbauen. Dann kann man sicheines Tages tatsächlich hinstellen und sagen, da wir die-se Form haben, brauchen wir ja kein Ehrenamtsgesetz.

Frau Ministerin Ellenberger, Sie haben in der ersten Le-sung - grob genommen - uns im Zusammenhang mit derErarbeitung des Gesetzentwurfs zur Förderung ehrenamtli-cher Tätigkeit in Thüringen vier Vorwürfe gemacht. Der er-ste: Wir hätten das Eckpunktepapier Ihres Hauses lediglichkopiert. Dieser Vorwurf trifft uns in keinster Weise, weilwir zwar dieses Eckpunktepapier sowieso in der entspre-chenden Diskussion im September 1996 in Ihrem Hauswahrgenommen haben; aber unsere Arbeiten haben, wiebereits nachgewiesen, 1994 begonnen, und nun ist die Cruxan der Sache: Selbst wenn wir sagen, bitte schön, wir habenabgeschrieben, was ist denn dann? Taugt unser Gesetzent-wurf mit Ihren Eckpunkten dann etwa nichts? Taugenetwa Ihre Eckpunkte nichts?

(Beifall bei der PDS)

Der zweite Vorwurf: Wir haben einen sehr allgemeinenund in abstrakter Form gehaltenen Gesetzentwurf einge-reicht. Dieser Vorwurf mag auch aus einer bestimmtenSicht zutreffen. Aber es ist gerade Aufgabe von Legisla-tive und Exekutive, in beharrlicher, zielgerichteter Dis-kussion im Plenum und in Ausschüssen machbare ge-setzliche Regelungen für Bürgerinnen und Bürger undderen Interessen zu schaffen. Warum wurde das nichtgetan? Ihre Diskussionsbereitschaft, wie anhand des Aus-schusses bewiesen, ist weder allgemein, noch abstrakt, nochkonkret. Sie ist überhaupt nicht vorhanden in bezug aufein Ehrenamtsgesetz.

(Beifall bei der PDS)

Der dritte Vorwurf der finanziell nicht gerade seriösen Kal-kulierung: Wir haben kalkuliert, 9 Mio. DM wären nötigzur Unterstützung des Ehrenamts in Thüringen. Auch dieseFrage hätte über den Ausschuß präzisiert werden können.Ist diese Frage aber nicht davon abhängig, wen man wann,wofür und warum im ehrenamtlichen Engagement über-haupt fördern und unterstützen will? Wie will man Finan-zen aufbringen, wenn man den Inhalt eigentlich nicht will?

Der vierte Vorwurf, und zwar der Vorwurf des Schnell-schusses und der fehlenden Zielgenauigkeit unserer Akti-vität: Dazu, Frau Ministerin, kann ich Ihnen nur folgendessagen: Wer arbeitet, macht Fehler. Wer sich bewegt, derlebt. Wer nichts zum Ziel hat, will auch kein Ergebnis.

Sehr geehrte Damen und Herren, mit dem Sichverabschie-den von einem Ehrenamtsgesetz haben Sie jedoch Erwar-tungen mißbraucht; denen, die Erwartungen hatten, Zeit ge-

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stohlen und ein weiteres Mal bewiesen, Politiker sind zu-mindest bei diesem Inhalt nicht glaubwürdig, und da kön-nen Sie demnächst noch so viele Schecks überreichen.

(Beifall bei der PDS)

Ich fordere Sie auf, den Gesetzentwurf der PDS-Frak-tion zur Förderung gemeinnütziger ehrenamtlicher Tä-tigkeit erneut zur Diskussion und zur Bearbeitung an dieAusschüsse zu überweisen, damit eine Diskussion undeine Bearbeitung überhaupt erst beginnen kann.

(Beifall bei der PDS)

Ich beantrage namens meiner Fraktion die Überweisungdes Gesetzentwurfs federführend an den Haushalts- undFinanzausschuß, denn der Inhalt - das wurde in der erstenLesung von vielen bewiesen und bestätigt - unseres Gesetz-entwurfs wäre der richtige, man müsse ihn nur verbes-sern. Wenn Sie also wirklich nur wegen dem Geld ab-lehnen, dann klären Sie die Geldfrage auch im Haus-halts- und Finanzausschuß. Danke.

(Beifall bei der PDS)

Präsident Dr. Pietzsch:

Danke sehr, Frau Abgeordnete Thierbach. Als nächstehat sich Frau Abgeordnete Pelke, SPD-Fraktion, zuWort gemeldet. Bitte.

Abgeordnete Frau Pelke, SPD:

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Kolle-gin Thierbach, ein bißchen mehr Offenheit und Ehrlich-keit wäre in dieser Diskussion schon angebracht gewe-sen. Ich weiß nicht, wie Sie das mit der Ehrlichkeit mei-nen, aber wenn Politik zu einem noch rechtzeitigen Zeit-punkt feststellt, daß nun einmal kein Geld vorhanden ist,dann finde ich, hat das etwas mit Ehrlichkeit zu tun,Frau Thierbach.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Wenn Sie ein Stückchen abwertend darüber reden, daßGelder beispielsweise in den Bereich Fußball gegebenworden sind - sagen Sie es doch offen - oder in den Bas-ketballbereich und Sie das nicht für richtig halten, dannerklären Sie doch bitte, daß, wenn dieses Geld nicht vorhan-den wäre, auch dort Nachwuchsarbeit und ehrenamtlicheTätigkeit in Frage gestellt worden wäre. Dann gehen Siedorthin und sagen Sie ehrlich, daß Sie das nicht wollen.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Genauso mit dem Bereich der Lottomittel - im übrigenwerden auch von Abgeordneten Ihrer Fraktion Lottomit-tel beantragt, und ich halte das auch für in Ordnung.

(Zwischenruf Abg. Frau Thierbach, PDS:Nein.)

Ja, ja, natürlich, das können wir aber dann detailliert be-sprechen. Die Frage ist doch, daß auch hier Vereinen fürzusätzliche Dinge, die noch benötigt werden, Gelder zurVerfügung gestellt werden. Ich halte das für eine wichti-ge Sache, und Sie können ja einmal mit den Vereinenreden, dann müssen wir das nicht erklären - ich weiß,daß Sie das auch tun -,

(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS: Sie habenwahrscheinlich auch schon mal Lottomittelim Auftrag verteilt.)

daß das eine ganz wichtige Unterstützung ist. Sie habenvorhin auch ein bißchen abwertend darauf verwiesen, daßvon vielen Politikern hier aus diesem Hause gesagt wordenist, daß es sehr wichtig und notwendig ist, was ehrenamtlichgetan wird. Sie haben völlig recht. Ich glaube, da sind wiruns alle in diesem Haus einig, daß diese Gesellschaft ver-dammt anders aussehen würde, wenn es ehrenamtlichesEngagement nicht gäbe. Dafür sollte man auch nocheinmal ausdrücklich danken.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Insofern kann ich Ihnen im Grundsatz ja zustimmen. Esist schade, daß ein solches Gesetz nicht kommt.

(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS: Daß Sie soeinen Schlenker machen.)

Jetzt kann man ja einmal darüber nachdenken, warum esnicht kommt. Möglicherweise hätten wir die verschiede-nen Bereiche in der Diskussion auseinanderdividierenmüssen, weil eine Schwierigkeit - und das wissen Sie ge-nausogut wie ich - gewesen ist, alle ehrenamtlich Tätigen inein Gesetz zusammenzupacken. Das war möglicherweiseein Problem. Aber die Frage, die im Bereich der Unter-stützung ehrenamtlich Tätiger steht, geht doch nicht al-lein in Finanzierungsbereiche. Der wesentliche Punkt,wenn man mit ehrenamtlich Tätigen spricht, ist doch dieFrage der Freistellung. Vielleicht können wir jetzt ein-mal gemeinsam darüber nachdenken, bis es möglicher-weise ein solches Gesetz gibt - Frau Arenhövel hat jadarauf hingewiesen, kein Mensch sagt, daß dieses Ge-setz nicht kommen soll, das haben wir ja ganz deutlichgesagt -, aber vielleicht können wir die Zeit bis dahinnutzen, einmal darüber nachzudenken, wie beispielswei-se die 2,1 Mio. DM im Haushalt effizienter für ehrenamtli-che Tätigkeit verwendet werden können. Vielleicht könnenwir einmal darüber reden, ob es nicht eine Pauschalentschä-digung für Betriebe geben könnte, wenn sie denn ehrenamt-lich Tätige beschäftigen. Darüber könnte man einmal reden,weil, auch das war eine Diskussion innerhalb des Gesetz-entwurfs, es auch nicht nur um die Freistellung derer gehensoll, die im öffentlichen Dienst tätig sind, sondern es

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soll natürlich auch um andere Bereiche gehen, und gera-de das ist das Problem.

(Beifall bei der SPD)

Was ich mir wünschen würde, wäre, die Zeit jetzt zunutzen, Frau Thierbach. Der Kritik, dem Ärger, daß dasGesetz nicht kommt, da stimme ich Ihnen zu.

(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS: Und warumhaben Sie das Jahr jetzt nicht genutzt?)

Also, wenn Sie nicht mitbekommen haben, wie wir dasJahr genutzt haben und wie viele Gespräche geführt wordensind, dann tut es mir leid. Aber Sie können das gerne nochmal bei einer weiteren Veranstaltung mit abklären, wirkönnen Sie dazu einladen. Genau das ist vielleicht auchder Punkt, daß wir uns die Zeit noch mal nehmen soll-ten, diesen Modellversuch mit den 2,1 Mio. DM, wo dasGeld per Richtlinie ausgegeben wird für ehrenamtlich Täti-ge, zu einer Anhörung, zu einer Veranstaltung einladen undnoch mal gemeinsam dieses auswerten und vielleicht auchgemeinsam nach anderen Ideen schauen können. Für michist das Allerwichtigste, es muß die Freistellung geregeltwerden, keiner soll Angst davor haben, wenn er ehrenamt-lich tätig ist, daß er möglicherweise Probleme mit demArbeitgeber bekommt oder mit seinem Arbeitsplatz. Wirhaben uns positioniert im Rahmen der Haushaltsverhand-lungen; wir haben Gelder zusätzlich eingesetzt, z.B. imSportbereich und in anderen Bereichen. Damit war klar,das Geld nun mal für dieses Gesetz, wenn es denn in ei-ner vernünftigen Größenordnung gemacht wird, fehlt, undein Gesetz, was nicht mehr bindet als das, was bereits imHaushalt steht, wäre es nicht wert gewesen. Das sage ichauch ganz offen. Insofern kann ich nur ganz herzlich bitten,die Zeit jetzt bis zur nächsten Haushaltsverhandlung zu nut-zen, darüber nachzudenken, wie kann ich Geld effizientereinsetzen (2,1 Mio.), wie kann ich über vernünftige Ent-schädigungen, z.B. für Arbeitgeber, nachdenken, was dieFreistellung angeht. Lassen Sie uns das Gespräch auch mitden betroffenen Vereinen und Verbänden führen. So zu tun,als ginge es jetzt nur, wenn heute das Gesetz zur Verfügungstünde, Frau Thierbach, das ist nicht der Fall. Man kannauch andere Möglichkeiten nutzen. Nur draufzuhauen undzu sagen, wir haben was auf den Tisch gelegt, was von unsist, und dies ist nicht gewollt, ist ein bißchen einfach. Wirhaben noch Gelegenheit, das Gespräch zu führen.

(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS: Das sagenwir auch, daß Sie es sich etwas einfach ma-chen, Frau Pelke.)

Also, Sie wissen doch um die Diskussion im Vorfeld. UndSie wissen doch auch, daß es eine Schwierigkeit gewesenist, alle Bereiche ehrenamtlich Tätiger in ein Gesetz zufassen. Da müssen Sie mal mit den einzelnen Ministe-rien reden. Sie wissen doch auch, daß in der Kabinettsab-stimmung z.B. von seiten des Wirtschaftsministeriums ge-sagt worden ist, daß kein Gesetz notwendig ist. Sie wissen

doch um die Schwierigkeit, beispielsweise den gesam-ten Bereich der Feuerwehr in das Ehrenamtsgesetz miteinzubinden. Also mal ganz im Ernst, wenn wir uns aufdie Bereiche konzentriert hätten von Anfang an, die imZuständigkeitsbereich des Sozial-, Sport- und Jugend-ministeriums liegen, wäre es sicherlich einfacher gewe-sen. Jetzt tun Sie nicht so, als ob Sie das nicht wissen.

Im Namen meiner Fraktion kann ich der Empfehlung zu-stimmen, daß der Gesetzentwurf der PDS abzulehnen istund kann nur jeden einladen, die Diskussion weiterzuführenund mit vorhandenen Mitteln das Möglichste zu machenund die entsprechenden Gelder dann dafür auch zur Ver-fügung zu stellen. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Präsident Dr. Pietzsch:

Frau Abgeordnete Pelke, danke. Meine Damen und Her-ren, mir liegen keine weiteren Redemeldungen vor, da-mit schließe ich die Aussprache. Mir liegt in der Zwischen-zeit - Drucksachennummer hat es noch nicht - bitte sehr?Herr Abgeordneter Kachel, wollen Sie reden?

(Zuruf Abg. Kachel, PDS: Ja.)

Ich nehme dieses ausnahmsweise zur Kenntnis und sageja, aber ich bitte darum, es kann nicht passieren, daß,nachdem ich die Aussprache beendet habe, man sichdann zu Wort meldet. Bitte rechtzeitig. Bitte sehr, HerrAbgeordneter.

Abgeordneter Gentzel, SPD:

Herr Präsident, nur zur Klarstellung. Haben Sie jetzt dieAussprache geschlossen oder nicht? Ich glaube, ich ha-be deutlich gehört, daß Sie gesagt haben nach zweima-liger Nachfrage: "damit schließe ich die Aussprache".Ich kann mich auch irren.

Präsident Dr. Pietzsch:

Herr Abgeordneter Gentzel, ich kann nicht ausschlie-ßen, daß ich die Wortmeldung da ganz hinten übersehenhabe. Weil ich dieses nicht ausschließen kann, bitte ichjetzt - Herr Abgeordneter Kachel, ich vertraue auf Sie,haben Sie sich danach gemeldet oder davor?

(Zuruf Abg. Kachel, PDS: Ich habe michdavor gemeldet.)

(Unruhe bei der CDU, SPD)

Einen kleinen Augenblick. Danke. Von den Schriftfüh-rern wird mir mitgeteilt, daß Sie sich danach gemeldethaben.

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 72. Sitzung, 29. Januar 1998 6315

Dann darf ich einen Entschließungsantrag der Fraktionder PDS verlesen, der mir eben hochgereicht wurde zumThüringer Gesetz zur Förderung gemeinnütziger ehren-amtlicher Tätigkeit in der - Drucksache 2/1598 -, das istalso dieses Gesetz, der Entschließungsantrag hat nochkeine Drucksachennummer. Der Entschließungsantragheißt: "Der Thüringer Landtag dankt allen ehrenamtlichengagierten Bürgerinnen und Bürgern für ihre geleisteteArbeit." Nach unserer Geschäftsordnung § 65 wird überEntschließungsanträge nach der Abstimmung über Ge-setze entschieden, allerdings bevor der Tagesordnungs-punkt geschlossen ist.

Wir kommen also zum ersten zu einer Abstimmung überden Antrag der Fraktion der PDS, der Überweisung des Ge-setzes in der - Drucksache 2/1598 - an den Haushalts- undFinanzausschuß. Wer dieser Überweisung seine Zustim-mung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Ge-genstimmen? Danke. Stimmenthaltungen? Keine. Damitist diese erneute Ausschußüberweisung abgelehnt.

Wir kommen dann zur Abstimmung unmittelbar überden Gesetzentwurf der Fraktion der PDS in der - Druck-sache 2/1598 - in zweiter Beratung. Bitte?

Abgeordnete Frau Nitzpon, PDS:

Die PDS-Fraktion beantragt namentliche Abstimmung.

Präsident Dr. Pietzsch:

Danke. Da die Beschlußempfehlung die Ablehnung emp-fohlen hat, wird jetzt direkt über den Gesetzentwurf abge-stimmt. Ich bitte dann die Stimmzettel einzusammeln underöffne die Abstimmung.

Haben alle Abgeordneten die Möglichkeit gehabt, IhreStimme abzugeben? Ich stelle fest, ja. Damit schließeich die Stimmabgabe und bitte um Auszählung.

(Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, wieder Platz zunehmen. Meine Damen und Herren, ich bitte ein weite-res Mal, Platz zu nehmen und gebe das Ergebnis der na-mentlichen Abstimmung über den Gesetzentwurf, Thürin-ger Gesetz zur Förderung gemeinnütziger ehrenamtlicherTätigkeit, in der - Drucksache 2/1598 - bekannt: abgegebe-ne Stimmen 80; Jastimmen 16, Neinstimmen 64 (na-mentliche Abstimmung siehe Anlage 1). Damit ist die-ser Gesetzentwurf abgelehnt. Eine Schlußabstimmungist damit nicht erforderlich.

Ich komme nun zur Abstimmung über den Entschlie-ßungsantrag der Fraktion der PDS. Einen Augenblickmal. Es ist ein Antrag über eine Entschließung. Oderwie betrachten Sie es?

Abgeordnete Frau Nitzpon, PDS:

Ein Entschließungsantrag.

Präsident Dr. Pietzsch:

Danke. Zu diesem abgelehnten Thüringer Gesetz zur Förde-rung gemeinnütziger ehrenamtlicher Tätigkeit, ich lese denEntschließungsantrag noch einmal vor: "Der ThüringerLandtag dankt allen ehrenamtlich engagierten Bürgerin-nen und Bürgern für ihre geleistete Arbeit." Bitte sehr.

Abgeordnete Frau Nitzpon, PDS:

Unsere Fraktion beantragt namentliche Abstimmung.

(Heiterkeit bei der CDU)

Präsident Dr. Pietzsch:

Danke sehr. Dann kommen wir zur namentlichen Ab-stimmung über den Entschließungsantrag. Ich eröffnedie Abstimmung und bitte um Einsammeln der Stimm-karten.

(Glocke des Präsidenten)

Hatte jeder die Möglichkeit, seine Stimme abzugeben?Ich stelle fest, ja. Dann schließe ich die Abstimmungund bitte um Auszählung.

(Glocke des Präsidenten)

Ich darf das Ergebnis der namentlichen Abstimmungüber den Entschließungsantrag der Fraktion der PDS be-kanntgeben. Es wurden 82 Stimmen abgegeben; Jastim-men 77, Neinstimmen 2, Enthaltungen 3 (namentlicheAbstimmung siehe Anlage 2).

Es waren in der Zwischenzeit einige Abgeordnete beimir und haben darum gebeten, eine Erklärung zum Ab-stimmverhalten abgeben zu dürfen. Als erstes Frau Ab-geordnete Pelke, bitte sehr.

Abgeordnete Frau Pelke, SPD:

Herr Präsident, meine Damen und Herren, da es eineSelbstverständlichkeit ist, allen, die ehrenamtlich tätigsind, Anerkennung und Dank auszusprechen,

(Beifall bei der CDU)

habe ich hier bei dieser Abstimmung mit Ja gestimmt.Daß die PDS-Fraktion allerdings meint, es wäre hier,bei einer Sache, die selbstverständlich ist und die alleunterstützen, ein Antrag notwendig, das, denke ich, istan Peinlichkeit nicht zu überbieten. Danke.

(Beifall bei der CDU, SPD)

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Präsident Dr. Pietzsch:

Danke sehr. Als nächster hatte sich Herr AbgeordneterSchwäblein mit einer Erklärung zum Abstimmverhaltengemeldet.

Abgeordneter Schwäblein, CDU:

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren,ich habe mich bei dieser Abstimmung der Stimme enthal-ten, weil ich der Meinung bin, daß der Dank an die, diesich engagieren, einfach nicht ausreichend ist.

(Beifall und Heiterkeit bei der PDS)

Denn neben allen ehrenamtlich Engagierten müßte dieserLandtag natürlich auch allen Müttern, allen Alleinerzie-henden, allen Kinderreichen danken, allen Soldaten, allenFeuerwehrleuten, allen sonst im Rettungsdienst Tätigen,

(Beifall bei der CDU)

allen Mehrschichtarbeitern, allen Landtagspräsidenten.Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Kachel, PDS: Vielleichthat der Antrag mit dem Tagesordnungspunktzu tun.)

Präsident Dr. Pietzsch:

Danke sehr. Als nächster hat sich Herr AbgeordneterUlbrich zum Abstimmverhalten gemeldet. Bitte.

Abgeordneter Ulbrich, CDU:

Ich habe diesem Antrag nicht zugestimmt, weil ich ähnli-cher Meinung bin wie die Kollegen, die vor mir gesprochenhaben, daß es eine Selbstverständlichkeit ist, daß wir alldenen dankbar sind, die sich ehrenamtlich in diesem Landeinbringen. Ich halte auch diese Abstimmungsgrundlage fürnichtig. Außerdem als drittes sehe ich überhaupt nicht ein,warum ich mir persönlich Dank sagen soll, denn ich habedrei ehrenamtliche Funktionen, einmal bin ich Vorsitzendereines Sportvereins, ich bin ehrenamtlich tätig im Frem-denverkehrsverband und ehrenamtlich in der Bergwacht.

(Beifall bei der CDU)

Ich will mich nicht unbedingt noch ehrenamtlich be-glückwünschen. Danke schön.

Präsident Dr. Pietzsch:

Danke sehr. Herr Abgeordneter Wunderlich, es war ge-rade noch um eine Zehntelsekunde. Worum geht es?

Abgeordneter Wunderlich, CDU:

Es geht um mein Abstimmverhalten.

Präsident Dr. Pietzsch:

Also auch eine Erklärung zum Abstimmverhalten?

Abgeordneter Wunderlich, CDU:

Ja. Ich habe diesem Entschließungsantrag zugestimmt mitden gleichen Argumenten, wie es meine Kollegin FrauPelke getan hat, aber ebenfalls mit dem Hinweis, daß ichmeine zukünftigen Danksagungen gegenüber Verbän-den auch über Entschließungsanträge dieses Landtagstun werde.

(Heiterkeit bei der CDU, SPD)

Präsident Dr. Pietzsch:

Meine Damen und Herren, damit schließe ich diesenTagesordnungspunkt.

Ich komme zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 2

Thüringer Gesetz zu dem Staatsvertragzwischen dem Freistaat Sachsen unddem Freistaat Thüringen über die Zu-sammenarbeit in Fragen der Raum-ordnung und LandesplanungGesetzentwurf der Landesregierung- Drucksache 2/2474 -ERSTE und ZWEITE BERATUNG

Ich rufe die erste Beratung auf. Ich bitte um Begrün-dung durch den Antragsteller; das ist die Landesregie-rung. Wird dieses gewünscht? Es wird nicht gewünscht.Dann komme ich zur Aussprache und eröffne die Aus-sprache. Zu Wort gemeldet hat sich Herr AbgeordneterKretschmer.

Abgeordneter Kretschmer, CDU:

Herr Präsident, meine Damen und Herren, nachdem wirvon den Grußadressen wieder zur Sacharbeit zurückkeh-ren können, liegt mit der - Drucksache 2/2474 - durch dieLandesregierung ein Zustimmungsgesetz vor, und zwar dasGesetz zum Staatsvertrag zwischen den beiden FreistaatenThüringen und Sachsen. Dieser Staatsvertrag über die Zu-sammenarbeit in Fragen der Raumordnung und Landes-planung regelt das Zusammenwirken bei der Landesent-wicklung im Grenzbereich Ostthüringens und Sachsens.Der Staatsvertrag war bereits zur Unterrichtung im Wirt-schaftsausschuß in der 33. Sitzung im September vorigenJahres. Dort war ausreichend Gelegenheit zur Informationund Diskussion gegeben. Deshalb ist es angemessen, heutein erster und zweiter Beratung zu versuchen, den Staatsver-trag so schnell wie möglich in Kraft zu setzen. Die Zu-

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 72. Sitzung, 29. Januar 1998 6317

sammenarbeit, die in dem Staatsvertrag geregelt ist, be-trifft die Planungsregion der regionalen Planungsgemein-schaft Ostthüringen, insbesondere die Kreise Greiz, Saale-Orla, Altenburger Land und die kreisfreie Stadt Gera. Ne-ben den schon bestehenden Regelungen auf kommunalerEbene in den Bereichen kommunale Zusammenarbeit, Ar-beit mit Zweckvereinbarungen und den Zweckverbändengeht es hier um die Abstimmung von bedeutenden überört-lichen Maßnahmen. Aber auch die Zuständigen auf regio-naler Ebene können noch intensiver zusammenarbeiten,als sie es bisher schon tun. Da das Grenzgebiet in Ostthürin-gen und Westsachsen ein nicht zu vernachlässigendes Bal-lungsgebiet mit erheblichen Defiziten aber auch mit erhebli-chen Potenzen ist, kann eine länderübergreifende planeri-sche Abstimmung nur begrüßt werden. Potenzen des Rau-mes richtig zu nutzen, heißt, eben jene Strukturentwicklungzu betreiben, die Entwicklung, Ansiedlung und Umwelt-schutz ermöglicht. Erwähnt seien dabei Projekte der gesam-ten Wirtschaftsregion, Verkehrsprojekte, Errichtung vonFach- und Hochschulen, Ansiedlung von Schlüsselindu-strie und der Bergbau. Der Staatsvertrag sieht vor, daßGrundlage der Zusammenarbeit die Verbindlichkeit der Re-gionalplanung ist. Bei allen Problemen des Wettbewerbssoll die Zusammenarbeit ermöglicht werden, damit eineausgewogene Entwicklung vonstatten geht. Dazu wird fest-gelegt, daß vor Erklärung der Verbindlichkeit von Regio-nalplänen eine Abstimmung der Träger der Regionalpla-nung erfolgen soll. Bei raumbedeutenden Planungen undMaßnahmen, welche Auswirkungen auf die Gebiete desNachbarlandes haben, regelt der Artikel 2 das Zusammen-wirken der obersten Landesplanungsbehörden. Dazu kannwiederum eine Behörde federführend beauftragt werden. InArtikel 3 kann eine gemeinsame Raumordnungskommis-sion mit je acht Mitgliedern geschaffen werden. Diese hatunter Einbeziehung von Sachverständigen einstimmige Lö-sungen zu finden, so vorher keine Problemlösung gefundenwurde. Das Zusammenwirken der regionalen Planungsge-meinschaften regelt sich hauptsächlich in den Artikeln 5 bis7. In Einbeziehung der regionalen Planungsgemeinschaftenund der obersten Landesplanungsbehörde soll so bei der Er-arbeitung von Planungsunterlagen zusammengewirkt wer-den, bei der Erarbeitung von Entwicklungskonzeptenund deren Abstimmung sowie die gemeinsame Erstellungvon Prognosen vorangetrieben werden. Im Interesse der ra-schen Entwicklung des ostthüringischen und des west-sächsischen Raumes mit all den Problemen und Poten-zen sind die Defizite im Infrastrukturbereich und bei derBeseitigung der Altlasten von WISMUT und Braunkoh-lentagebau vorrangig in Zusammenwirkung beider Län-der auf der Tagesordnung.

Die Bedeutsamkeit dieses hoch angesetzten Staatsvertragsist auch im Bereich oder in dem Kontakt zu anderen Nach-barländern deutlich. Ich erinnere an die Diskussion oderan die Bemerkung bei der Ansiedlung eines großen Han-delszentrums im bayerischen Raum und auch an die Ängsteim Nordthüringer Raum über raumordnerische Großprojek-te der touristischen Infrastruktur im Südharz. Ich bitte

Sie deshalb um die Zustimmung zu - Drucksache2/2474 -.

(Beifall bei der CDU)

Präsident Dr. Pietzsch:

Danke sehr, Herr Abgeordneter Kretschmer. Mir liegenkeine weiteren Wortmeldungen vor. Damit schließe ichdie erste Beratung. Ausschußüberweisung war auch nichtbeantragt worden.

Ich rufe die zweite Beratung auf. Wird Aussprache ge-wünscht? Ich stelle fest, nicht.

Wir kommen dann zur Abstimmung über den Gesetzent-wurf der Landesregierung in - Drucksache 2/2474 - in zwei-ter Beratung. Wer diesem Gesetzentwurf der Landesregie-rung in - Drucksache 2/2474 - seine Zustimmung gibt,den bitte ich um das Handzeichen. Danke sehr. Gegen-stimmen? Keine Gegenstimmen. Stimmenthaltungen?Eine Reihe von Stimmenthaltungen. Damit ist dieserGesetzentwurf angenommen.

Wir kommen zur Schlußabstimmung über das Gesetz.Wer diesem Gesetz seine Zustimmung gibt, den bitteich, sich vom Platz zu erheben. Danke sehr. Gegenstim-men? Stimmenthaltungen? Eine Reihe von Stimment-haltungen. Damit ist dieses Gesetz so beschlossen. Ichschließe den Tagesordnungspunkt 2.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 3

Erstes Gesetz zur Änderung des ThüringerKrankenhausgesetzesGesetzentwurf der Fraktion der PDS- Drucksache 2/2476 -ERSTE BERATUNG

Die Begründung durch den Antragsteller wird Frau Ab-geordnete Neudert vornehmen.

Abgeordnete Frau Neudert, PDS:

Herr Präsident, meine Damen und Herren, natürlich wä-re es besser gewesen, diesen vorliegenden Gesetzent-wurf vor Abschluß der Haushaltsdebatte zu beraten, wiewir es - beachten Sie bitte das Datum der Einbringung -vorhatten. Sie, meine Damen und Herren von CDU undSPD, haben das anders entschieden. Nun seien Sie aberauch bitte so gut und ersparen Sie uns in der Debatte dieganz billige Tour nach dem Motto: Der Haushalt ist nunbeschlossen und dafür kein Geld eingeplant.

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Stimmt wohlnicht?)

Sie wissen so gut wie ich, was gehen soll, wird auch gehendgemacht. Dafür haben Sie in den vergangenen beiden Jah-

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ren, meine Damen und Herren von CDU und SPD, jaBeispiele geliefert.

Meine Damen und Herren, das Gesundheitsstrukturge-setz ist ein Flop und hat nur minimale Spareffekte ge-bracht.

(Beifall bei der PDS)

Frau Arenhövel, jetzt liegen Sie schief, diese Sätze ver-kündete Gesundheitsminister Seehofer in einem Inter-view mit dem Wirtschaftsmagazin ”Impulse”. Eine spä-te Einsicht. Jawohl, es ist ein Flop, ein politischer Flop,der auf Kosten der Bevölkerung ausgetragen wird,

(Zwischenruf Abg. Köckert, CDU: ZitierenSie doch vollständig!)

genau so, wie das Erste und Zweite Neuordnungsgesetzein Flop ist.

(Beifall bei der PDS)

Aber diese Einsicht ist von der Bonner und ThüringerKoalition noch nicht zu hören, jedenfalls öffentlich nochnicht. Möglicherweise sind ja wahltaktische Erwägun-gen die Ursache dafür.

Das Dilemma, meine Damen und Herren, um die In-standhaltungskosten für die Krankenhäuser nahm am21.03.1993 aufgrund eines Urteils des Bundesverwaltungs-gerichts seinen Lauf. Von dieser Zeit an haben sich die Län-der aus der Übernahme der Instandhaltungskosten mehrund mehr herausgemogelt. Die Bundesregierung war nichtin der Lage, die Problematik der Finanzierung der In-standhaltungskosten im Zusammenwirken mit den Län-dern einer sachgerechten Lösung zuzuführen. Von Bonnerwarten wir da auch nichts anderes. Trotzdem wurde inBonn scharf nachgedacht und herauskam das sogenann-te Zweite Neuordnungsgesetz, das am 23.06.1997 mitKanzlermehrheit verabschiedet wurde. Durch Artikel 17§ 2 wurde geregelt, daß Versicherte in den Jahren 1997,1998 und 1999 einen zusätzlichen Beitrag für Instand-haltungskosten für Krankenhäuser in Höhe von 20 DMzu tragen haben. Mit dieser verordneten Sonderzahlung,die auch noch den fatalen Namen ”Notopfer” erhielt, wurdeein weiterer Schritt für den Ausstieg aus der paritätisch fi-nanzierten Krankenversicherung gegangen, denn nur dieKrankenversicherten haben diesen Beitrag zu entrichten,nicht die Arbeitgeber. Zusätzliche Zahlungen treffen wie-derum nur die gesetzlich Krankenversicherten. Selbständi-ge, Beamte und andere nicht gesetzlich Krankenversi-cherte, also Mitglieder in einer privaten Krankenversi-cherung, sind von der heute zur Debatte stehenden zu-sätzlichen Zahlung nicht betroffen.

Meine Damen und Herren, wie Sie sicher alle wissen, läßtder Gesetzgeber die Möglichkeit offen, daß die Länder dieInstandhaltungskosten übernehmen können. Dies bedeutet,

daß die gesetzlich Versicherten von der zusätzlichen Lastder Bezahlung von 20 DM für diese drei Jahre entlastetwerden könnten, wenn man das Thüringer Krankenhausge-setz ändert. Wenn die Thüringer Landesregierung schonkeinen Kampfgeist gegen das Erste und Zweite Neuord-nungsgesetz in Bonn bewiesen hat, so sollten wir hierunseren Handlungsspielraum zugunsten der ThüringerBevölkerung ausschöpfen.

(Beifall bei der PDS)

Präsident Dr. Pietzsch:

Danke sehr, Frau Abgeordnete Neudert. Ich eröffne dieAussprache. Als erste hat sich zu Wort gemeldet FrauAbgeordnete Vopel, CDU-Fraktion. Bitte.

Abgeordnete Frau Vopel, CDU:

Herr Präsident, meine Damen und Herren, am 10. April1997 haben wir in gleicher Sache über einen Antrag derPDS beraten, und in diesem Hause wurde dieser Antrag ab-gelehnt. Heute als Gesetzesänderung ein neuer Vorstoß derPDS. Worum geht es? Es geht um die Finanzierung derbaulichen Instandsetzungsaufwendungen in den Kranken-häusern, also um Fassadenerneuerungen, Dachsanierungen,Brandschutzvorkehrungen und vieles andere. Diese Auf-wendungen haben die Länder bis 1993 aus Steuermittelnfinanziert. Das ist richtig. Die Länder sind für die Finanzie-rung der Investitionen der Plankrankenhäuser zuständig.Demgegenüber tragen die Krankenkassen über die Pflege-sätze die laufenden Kosten. Diese Aufteilung wird in dersogenannten Abgrenzungsverordnung konkretisiert. DieseVerordnung wurde im Bundesrat 1977 und 1986 von denLändern mit beschlossen. Nachdem das Bundesverwal-tungsgericht 1993 einen Formfehler festgestellt hat, nämlichdaß die Ermächtigungsgrundlage im Krankenhausfinanzie-rungsgesetz für die Abgrenzung der Instandhaltungsauf-wendungen von den laufenden Kosten in der Abgrenzungs-verordnung fehle, haben sich die Länder zurückgezogen.Das ist auch richtig. Einzige Ausnahme ist Bayern; dortzahlt nach wie vor die Landesregierung weiter.

Warum ist es nun nicht zu einer Gesetzesänderung ge-kommen, die rechtzeitig das Problem gelöst hat? DieBundesregierung hat alles versucht. Es hat zwei Initiati-ven gegeben zur Sicherstellung der weiteren Finanzie-rung durch die Länder, und immer ist im Bundesrat die-se Gesetzesinitiative gescheitert. Nach dem Auslaufen derBudgetierungsphase für die Krankenhäuser Ende 1996 wäreder gesamte aufgestaute Instandhaltungsbedarf in Höhevon ca. 3,5 Mrd. DM auf einen Schlag über höhere Pfle-gesätze im wesentlichen von den gesetzlichen Kranken-kassen zu finanzieren gewesen. Das hätte den Kranken-versicherungsbeitrag um ca. ¼ Prozentpunkt erhöht. Unddeshalb mußte eine - die Belastung begrenzende - Rege-lung gefunden werden; es mußte Schadensbegrenzungerfolgen. Es ist nichts anderes, es ist Schadensbegren-zung, die erfolgt ist.

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 72. Sitzung, 29. Januar 1998 6319

Was unterlassene Investitionen an baulichem Zustandvon Krankenhäusern mit sich bringen, das haben wir in40 Jahren DDR erlebt. Und wohin verschleppte Investi-tionen und nötige Reparaturen führen, ich glaube, dazubrauche ich hier keine Ausführungen zu machen. Im üb-rigen gab es natürlich noch einen wichtigen Punkt da-bei. Es wurde und wird ja nach wie vor gesagt, daß dieLohnnebenkosten zu hoch sind. Die Lohnnebenkosten soll-ten dabei nicht zusätzlich belastet werden. Und deshalb istvor diesem Hintergrund im Rahmen der 3. Stufe der Ge-sundheitsreform in der NOG-Novelle beschlossen worden,daß in den Jahren 1997 bis 1999 die tagesbezogenen Pfle-gesätze sowie die Fallpauschalen und die Sonderentgeltepauschal um 1,1 Prozent erhöht werden. Die erhöhten Pfle-gesätze sind von allen Krankenkassen, auch den privatenKrankenversicherungen, zu bezahlen. Den Krankenhäusernfließen dadurch ca. 1 Mrd. DM jährlich für Instandhaltungs-maßnahmen zu. Das heißt konkret: Die Krankenkassen be-zahlen mit den Budgetverhandlungen, mit den vereinbar-ten Entgelten, den Krankenhäusern diesen Zuschuß und ho-len sich den im nachhinein über diese 20 DM von den Ver-sicherten zurück. Die damit verbundenen zusätzlichen Aus-gaben in Höhe von ca. 880 Mio. DM bei den gesetzlichenKrankenkassen werden durch einen Zusatzbeitrag derMitglieder in Höhe von 20 DM finanziert. Die privatenKrankenversicherungsunternehmen entscheiden über dieFinanzierung der ihnen entstandenen Mehrausgaben imRahmen ihrer Prämiengestaltung. Ich denke, meine Damenund Herren, es ist uns doch allen bekannt, daß auch privateKrankenversicherungsanstalten keine Wohlfahrtsinstitutesind, daß die sich das Geld von ihren Versicherten wie-derholen, nur wird es nicht extra ausgewiesen.

(Beifall bei der CDU)

Es mußte verhindert werden, daß die Mehrausgaben dergesetzlichen Krankenkassen über den Beitragssatz, unddamit über den Arbeitgeberanteil die Lohnnebenkosten,erhöht werden. Das ist gewollt gewesen. Außerdem solltesichtbar bleiben, daß es sich hierbei um eine besondere"versicherungsfremde Last" handelt, die normalerweise denKrankenkassen aufgebürdet wird. Wie gesagt, alle Lö-sungen sind im Bundesrat nicht zum Tragen gekommen.Meine Damen und Herren, natürlich ist dieses sogenannteNotopfer - der Name gefällt mir auch nicht, aber es ist nuneinmal so genannt worden - ein Ärgernis. Aber wir dürfenauch nicht so tun, als ob diese 20 DM im Jahr die Bür-gerinnen und Bürger Thüringens nun über Gebühr bela-sten, zumal auch hier die Härtefallregelung gilt: Im Rahmender Familienversicherungen sind beitragsfrei mitversicherteAngehörige bzw. alle Jugendlichen bis zum 18. Lebens-jahr von dieser Zuzahlung befreit. Im übrigen gelten dieEinkommensgrenzen, wie sie in der Härtefallregelung sind.Also Alleinstehende, die weniger als 1.456 DM haben, oderEhepaare mit 2.002 DM brauchen diese 20 DM nicht zuzahlen. Wer Sozialhilfe erhält, braucht nicht bezahlen. WerArbeitslosenhilfe vom Arbeitsamt bekommt, braucht nichtbezahlen. Wer BAföG bekommt, braucht nicht bezahlen.Ich denke, das muß man bei dieser Diskussion immer mit

beachten, wenn immer so getan wird, als werden den ärm-sten der Armen dann auch noch einmal 20 DM für die In-standhaltung der Krankenhäuser weggenommen. Und im-mer diese wirklich bewußt geschürte falsche Diskussion:Wieso zahlen nur die Mitglieder der gesetzlichen Kranken-versicherungen und die Privatversicherten, wie die Beamtenund die Selbständigen, nicht? Natürlich, auch die Privatver-sicherten und die Beamten tragen diese Mehrkosten für dieKrankenhäuser mit, denn die Pflegesätze, die um den In-standhaltungszuschlag erhöht werden, müssen von denKrankenkassen - von beiden, gesetzlichen und privaten -aller Krankenhauspatienten aufgebracht werden. Nur wirdes dort im Rahmen der Prämiengestaltung geregelt.

Eine Diskussion, die mich doch schon sehr betroffen ge-macht hat, muß ich sagen: Warum müssen auch die be-zahlen, die nicht im Krankenhaus liegen? Und wenn ichdann - ich darf zitieren, Herr Präsident - Frau Engelen-Kefer höre, die gesagt hat: "Ungerecht ist es vor allem,daß auch Versicherte zahlen müssen, die Krankenhäusermöglicherweise nie in Anspruch nehmen werden.",dann muß ich schon fragen, ob das das Solidaritätsprin-zip der Gewerkschaften ist.

(Beifall bei der CDU)

Ich halte das an sich für eine sehr, sehr schlimme Aus-sage.

Meine Damen und Herren, dieses Krankenhausnotopfer,also diese 20 DM pro Jahr, ist zeitlich befristet. Wie wird esdanach weitergehen? Die pauschale Finanzierungsregelung,also diese 1,1 Prozent, die die Krankenhäuser bekom-men, läuft Ende 1999 aus, und in der Zwischenzeit mußüber eine Anschlußregelung nachgedacht werden. Ichhalte das Ganze für eine Notlösung, das sage ich unum-wunden. Und es ist ein Ärgernis, es hätte anders gelöstwerden können. Aber ich sage auch, hier sind in allerer-ster Linie die Landesregierungen der alten Länder gefragt,denn da hat sich dieser Investitionsstau am meisten ange-häuft. Wir sind hier - und das muß man auch einmal sa-gen - in der glücklichen Lage, durch das Krankenhaus-bauprogramm der Bundesregierung mittlerweile in un-seren Krankenhäusern einen Stand zu haben, der man-chen Krankenhausträger der alten Länder sehr neidvollin unsere Region blicken läßt. Ich hatte es Ihnen vor Weih-nachten anempfohlen, während der Feiertage vielleicht ein-mal eine Rundfahrt durch Thüringen zu machen und sichKrankenhäuser anzusehen. Dadurch haben wir das Pro-blem natürlich nicht in dem Maße. Aber hätte denn derGesetzgeber für alte und neue Länder unterschiedlicheGesetze erlassen sollen? Ich denke, das wäre auch nichtder richtige Weg gewesen. Es muß eine vernünftige An-schlußlösung gefunden werden, und ich bin mir sicher,sie wird auch gefunden. Deshalb denke ich auch, dieseGesetzentwurfsänderung der PDS braucht auch im Aus-schuß nicht behandelt zu werden, da wir im Novemberim Ausschuß sehr ausführlich darüber gesprochen habenund auch gerade diese Probleme, müssen Privatversi-

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cherte zahlen oder nicht, sehr eindeutig behandelt wur-den. Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Präsident Dr. Pietzsch:

Danke sehr, Frau Abgeordnete Vopel. Als nächste hatsich zu Wort gemeldet Frau Abgeordnete Dr. Fischer,PDS-Fraktion. Bitte.

Abgeordnete Frau Dr. Fischer, PDS:

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Vopel,also wir brauchen bestimmt nicht die Weihnachtszeit,um Krankenhäuser in Thüringen kennenzulernen. Ichglaube, das können Sie uns ruhig zutrauen.

(Zwischenruf Abg. Frau Vopel, CDU: Abermanchmal hat man den Eindruck, Sie kennendie Lage nicht.)

Das Leben, meine Damen und Herren, ist voller Überra-schungen. Im Vorfeld der letzten Ausschußsitzung für Ar-beitsmarkt und Gesundheit passierte es wieder einmal. Daflatterte uns ein Antrag der CDU auf den Tisch, den ichzunächst ungläubig hin und her drehte. Die Landesre-gierung wurde von der CDU gebeten, zu berichten, welcheSchritte unternommen wurden, um eine Gleichbehandlungder Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherungen inThüringen mit denen im Freistaat Bayern zu erreichen. Soweit, so gut, möchte man meinen. Aber im Ausschuß, unddas haben Sie ja angedeutet, selbst wurde ich ganz schnellwieder auf den Boden der Thüringer Wirklichkeit geholt.Ein Gesetz zur Änderung des Thüringer Krankenhausgeset-zes zur Realisierung des CDU-Ausschußantrags war selbst-verständlich nicht geplant. Unsere Zustimmung dazu wäreIhnen natürlich sicher gewesen. Kein Geld, so die Begrün-dung. Bedauerlich sei nur, daß ausgerechnet vor Weihnach-ten dem Versicherten der Bescheid über das zu zahlendeNotopfer ins Haus flattert. Das sei unklug, so die Fest-stellung eines CDU-Abgeordneten. Wäre das im Früh-herbst schon erledigt gewesen, dann wäre die Besche-rung friedvoller gewesen.

(Heiterkeit bei der SPD)

(Beifall bei der PDS)

Und genau an dieser Stelle denken wir, Frau Vopel, Sieirren, meine Damen und Herren von der CDU, denn andieser Stelle geht es um prinzipielle Dinge und nicht nurum die 20 DM. Ich darf daran erinnern, daß die PDS-Fraktion bereits am 05.12.96 einen Antrag zur Ände-rung des Krankenhausgesetzes mit dem Ziel eingebrachthat, daß das sogenannte Notopfer für Instandhaltungs-maßnahmen in Krankenhäusern vom Land Thüringen ge-tragen wird. Dieser Antrag wurde am 10. April 1997 hierim Hause diskutiert. Im 2. NOG Artikel 11 wird darauf

aufmerksam gemacht, daß dieses Notopfer in Höhe von20 DM nicht von dem Versicherten zu zahlen ist, fallsdurch Landesgesetz die Mittel für Instandhaltung bereit-gestellt werden. Im Thüringer Krankenhausgesetz ist al-lerdings von Instandhaltungskosten nicht die Rede. Icherinnere an dieser Stelle an eine Mündliche Anfragemeiner Kollegin Tamara Thierbach vom 16.01.1997, dieFrau Ministerin Ellenberger wie folgt beantwortete - ichdarf zitieren: "Aus meiner Sicht ist die nach dem Ent-wurf des 2. NOG Artikel 11 vorgesehene Regelung einesNotopfers der Versicherten zur Finanzierung der Instand-haltungskosten der Krankenhäuser abzulehnen. Wenn das2. NOG tatsächlich mit der zu den Instandhaltungsko-sten der Krankenhäuser vorgesehenen Regelung erlas-sen werden sollte, muß geprüft werden, ob Thüringendie Möglichkeit, Instandhaltungskosten zu fordern undauf diese Weise das Notopfer für die Versicherten zuverhindern, aufgreift.” Prüfungsergebnisse, und ob über-haupt ernsthaft geprüft wurde oder darüber nachgedachtwurde, sind mir nicht bekannt. Wir haben vielmehr denEindruck gewonnen, daß die Ministerin an ihre eigenenAussagen nicht so gern erinnert wird. Wir haben siedennoch aufgefordert, eine Novelle des Thüringer Kran-kenhausgesetzes in ihrem Sinne vorzulegen. Passiert istnatürlich in dieser Richtung wiederum nichts. Frau Mini-sterin, Sie gehen den Weg des geringsten Widerstands,wenn Sie mit dem Hinweis auf eine erhebliche Mehrbela-stung des Landeshaushalts einen solchen Antrag ableh-nen. Wo ein politischer Wille ist, werden sich auch Mit-tel im Landeshaushalt, notfalls in einem Nachtragshaus-halt, finden lassen.

(Beifall bei der PDS)

Und ich sage auch an dieser Stelle, wenn Landesanteileoder eine Landesklinik verkauft wird oder Anteile anBad Berka verkauft werden, dann darf man doch erwar-ten, daß diese Mittel vielleicht in diesem Sinne für dieVersicherten wieder eingesetzt werden.

(Beifall bei der PDS)

Die Absicht der Bundesregierung, meine Damen und Her-ren, die Landeshaushalte gegen die Versicherten auszuspie-len, wurde kritisiert, und das kritisieren wir auch. Aberder Streit zwischen Bund und Land kann aus unsererSicht nicht auf dem Rücken der Versicherten ausgetra-gen werden. Nur weil sich Bund und Länder nicht überQualität, Zuständigkeit für die Sicherheit und Funk-tionsfähigkeit der Krankenhäuser einigen können, bittetdie Bundesregierung die gesetzlich Krankenversichertenzur Kasse. Die Krankenkassen werden dabei zu unfrei-willigen Erfüllungsgehilfen verurteilt. Und das möchteich an dieser Stelle auch noch einmal hervorheben. Derdringende Appell der Kassen an das Land Thüringen,seinen Finanzierungsverantwortungen nachzukommenund ebenso wie in Bayern die Instandhaltungskosten zuübernehmen, tragen wir mit.

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 72. Sitzung, 29. Januar 1998 6321

Meine Damen und Herren, diese Gesetzesvorlage ist nichtnur sinnvoll, sondern sie ist es wert, von den Mitgliederndieses Hauses unterstützt zu werden. Frau Ministerin Ellen-berger, wenn Sie tatsächlich der Meinung sind, daß eineweitere Mehrbelastung der Versicherten grundsätzlich zuvermeiden ist und das um so mehr gilt, weil die Bundesre-gierung die Versicherten einseitig belastet, bleibt nichts an-deres übrig, als das Krankenhausgesetz Thüringen wiefolgt zu ändern: ”Dem § 12 des Thüringer Krankenhaus-gesetzes vom 10. März 1994 ..., das durch Artikel 2 desGesetzes vom 15. März 1995 ... geändert worden ist, wirdfolgender Absatz 5 angefügt: '(5) Der Freistaat Thüringenträgt die Kosten nach § 17 Abs. 4 b Satz 4 des Kranken-hausfinanzierungsgesetzes im Wege einer Förderungdurch Jahrespauschalen. Die Landesregierung wird er-mächtigt, die Höhe der Jahrespauschale durch Rechts-verordnung zu bestimmen.'” Und: Dieses Gesetz trittrückwirkend zum 1. Juli 1997 in Kraft. Frau Raber, es wäreeinfach billig, wie im April 1997 auf das Fehlen einerDruckmaschine für Westgeld hinzuweisen. Bürgerinnenund Bürger hier in Thüringen werden eine Ablehnung un-seres Antrags zur Abwendung weiterer finanzieller Bela-stungen nicht verstehen. Und, Frau Raber, Sie wissen sicherwie ich, daß die AOK über die Bundespflegesatzverord-nung bereits 28 Mio. DM über das Budget an die Kranken-häuser gezahlt hat. Die Krankenhäuser haben darauf einenRechtsanspruch. Selbst wenn alle Versicherten, die zah-lungspflichtig sind, theoretisch zahlen würden - 50 Pro-zent ungefähr haben es ja getan -, ständen diesen Ein-nahmen von 25 Millionen gegenüber. Bereits hier sei ei-ne Unterdeckung vorhanden. Frau Vopel, wenn Sie sa-gen, es gibt ja die Härtefallklausel und so weiter und sofort, frage ich Sie: Wer bezahlt dann diese Kosten? Undwenn alle bezahlen würden, das wäre ja nun der gün-stigste Fall, Verwaltungskosten sind bei diesen Zahlennoch gar nicht berücksichtigt. Die Unterdeckung ist inWirklichkeit bei weitem größer. Damit vergrößern Sienicht nur das Defizit der Krankenkassen, sondern Sieunterstützen, und an dieser Stelle ist das wortwörtlichangebracht, eine absurde Regelung.

(Beifall bei der PDS)

Mit unserem Antrag würden Verwaltungskosten auf einMinimum beschränkt. Und es gibt weitere Vorteile. NachVorstellung der ÖTV können damit z.B. auch die Instand-haltungsmittel der Krankenhäuser nicht nach dem Gieß-kannenprinzip verteilt werden. Unser Gesetzentwurf er-öffnet auch die Möglichkeit, mit einer Rechtsverordnunggezielt bisher benachteiligte Krankenhäuser für bestimmteZeiträume zu fördern. Krankenhäuser, die in den letztenJahren - das ist ja in Thüringen der Fall - Investitionsmit-tel in Größenordnungen erhalten haben, können unsererMeinung nach zugunsten notleidender Krankenhäuser z.B.für die nächsten drei Jahre verzichten.

Meine Damen und Herren, Anträge, das Notopfer, Zuzah-lungen, Kurbeschränkungen usw. abzuschaffen, lagen aus-reichend von unserer Fraktion vor. Die PDS hat speziell

zur Abschaffung des Notopfers einen Antrag in den Bun-destag eingebracht. Aber, meine Damen und Herren, Siewissen so gut wie ich, solange diese Koalition in Bonnregiert, sind keine Änderungen zu erwarten. Und des-halb die Bitte von uns, gehen Sie den von uns vorge-schlagenen Weg mit. Die PDS-Fraktion fordert Sie auf,das Gesetz im Ausschuß für Arbeitsmarkt und Gesund-heit zu beraten, ich denke, das ist es wert. Und die Ver-sicherten fordern wir auf, nicht nachzulassen in ihremWiderstand gegen das Notopfer, und wir danken an dieserStelle ausdrücklich denjenigen Bürgerinnen und Bürgern,die mit Zivilcourage gegen das Notopfer Widerspruch ein-gelegt haben.

(Beifall bei der PDS)

Präsident Dr. Pietzsch:

Danke sehr, Frau Abgeordnete Dr. Fischer. Als nächstehat sich zu Wort gemeldet Frau Abgeordnete Raber,SPD-Fraktion. Bitte.

Abgeordnete Frau Raber, SPD:

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Fischer,Sie sollten vielleicht den Haushalt mal richtig lesen, dannwürden Sie sehen, daß wir aufgrund der Haushaltssituationschon 14 Mio. DM bei der Pauschalförderung wegstrei-chen mußten, und dann können wir jetzt nicht für dasNotopfer noch einmal soundso viel Millionen draufle-gen. Außerdem wollen Sie Grundstücke verkaufen, Siewollen landeseigene Grundstücke verkaufen, das wollenSie mehrfach einsetzen. Für das Ehrenamtsgesetz wol-len Sie es einsetzen, Sie wollen es für das Notopfer ein-setzen, wie lange wollen Sie ...

(Zwischenruf Abg. Frau Dr. Fischer, PDS:Natürlich können wir darüber reden.)

Also wenn, dann müssen Sie schon eine solide Finanzie-rung vorschlagen und nicht ein Grundstück verkaufen odermehrere Grundstücke verkaufen und das für Jahre ver-wenden. Wo ist denn da Ihre solide Finanzpolitik?

(Unruhe bei der PDS)

Präsident Dr. Pietzsch:

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Abgeordnete Frau Raber, SPD:

Nein, anschließend. Wie bei der Steuerreform oder an-deren unbedingt notwendigen Reformen im Land stehtdie Bundesregierung auch bei der Lösung der Problemeim Gesundheitswesen ohnmächtig und unfähig da.

(Beifall bei der SPD)

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6322 Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 72. Sitzung, 29. Januar 1998

Was von Bonn kommt, ist immer nur Stückwerk. Es wirdnicht versucht, die wirklichen Probleme im Gesundheitswe-sen durchgreifend zu lösen. Nach sozialverträglichen Lö-sungen wird schon lange nicht mehr gesucht. Erst wennder Großteil der Arbeitnehmer durch Beiträge und Ab-gaben auf Sozialhilfeniveau im Netto angelangt ist, wirddiese Bundesregierung vielleicht aufwachen - wenn esdann nicht zu spät ist. Rudolf Dreßler hat die Sache ein-mal beim Namen genannt und die politischen Aktivitä-ten der Bundesregierung mit dem Hase-und-Igel-Spielverglichen. Jedesmal, wenn im Gesundheitswesen dieEinnahmeausfälle in Größenordnungen vorhanden sind,beginnt diese Bundesregierung wie ein Hase hinterher-zulaufen und durch Leistungskürzungen oder neue Bela-stungen der Versicherten die Defizite in den Griff zu be-kommen. Zu wirklichen Reformen beweist sie doch im-mer wieder Handlungsunfähigkeit - so auch geschehenbei den drei Einzelgesetzen der sogenannten DrittenStufe der Gesundheitsreform. Mit diesem Kakophonen-Dreiklang wurde nicht nur der Konsens von

(Zwischenruf Abg. Köckert, CDU: Oh - dasist ja erstaunlich.)

Lahnstein verlassen. Damals ging es noch um wirklicheStrukturpolitik, um tatsächliche Reformen, die das Ge-sundheitswesen vom Grunde her sanieren sollten. Auch da-bei wollte man die Kosten nicht einseitig auf Beitragszahlerbzw. Kassen verteilen. Alle Beteiligten sollten zur Sparsam-keit aufgerufen werden und zum wirtschaftlichen Arbei-ten - die Ärzte, die Krankenhäuser und insbesondere diePharmaindustrie. Richtig ist, daß in Zeiten leerer Kassenalle sparen müssen. Da kann man aber nicht nur die Pa-tienten bzw. Versicherten ansprechen. Da müssen sichauch Ärzte Gedanken machen, wo kann ich einsparen,welche Medikamente haben die gleiche Wirkung, wiekann ich auch preiswertere oder preisgünstigere Medi-kamente verordnen, die die gleiche Wirkung haben. Ins-besondere spreche ich hier auch die Pharmaindustrie an,die mit ihrem Supergewinndenken endlich einmal zu-rückgepfiffen werden müßte.

(Beifall bei der SPD)

Aber dazu war und ist Herr Seehofer nicht in der Lage.Denn, wo ist die Positivliste geblieben? Denn mit dem imZweiten Neuordnungsgesetz beschlossenen Notopfer fürdie Instandhaltungskosten der Krankenhäuser in Höhe von20 DM wird ein weiterer Schritt unternommen, einseitigzu Lasten der Versicherten Geld einzutreiben. Von denunverschämten Zuzahlungserhöhungen will ich an dieserStelle nicht noch einmal sprechen. 20 DM - kein großer Be-trag, wie es immer wieder von F.D.P.-, CDU- und CSU-Seite zu hören war und ist. Aber es geht darum, daß im-mer wieder einseitig die Versicherten berappen müssen,und die Gesamtbelastungen haben nun endlich das Faßzum Überlaufen gebracht, und oft reicht ja dafür schonein kleiner Tropfen. Viele werden diese 20 DM nicht be-zahlen, das habe ich von vielen Beitragszahlern und Versi-

cherten gehört. Ich kenne Stimmen, die auch sagen: "DerVerwaltungsaufwand ist doch viel zu hoch. Und wozu be-zahle ich denn eigentlich noch Versicherungsbeiträge?" Esist doch die Frage, was bleibt von den eigentlichen 20 DMnach Abzug der Verwaltungskosten übrig? Mit dem Erfas-sen der Zahlungspflichtigen und dem Verschicken der Zah-lungsaufforderungen durch die Kassen sind bereits Kostenin immenser Höhe entstanden. Die erhoffte jährliche zusätz-liche Milliarde wird wohl nie erreicht werden. Will man dieVersicherten nicht erneut zur Kasse bitten, so stimmt eszwar, daß es eine Möglichkeit gibt, das jeweilige Landmuß die Instandhaltungskosten übernehmen. Das erfolgtaber bisher nur in einem Land, und zwar in Bayern. Dortwurde aber das Landesgesetz zur Krankenhausfinanzierungnicht geändert und somit der Paragraph über die Instand-haltungskosten nur beibehalten. Wir haben in diesemHause an gleicher Stelle im April 1997 schon einmal aus-führlich dieses Thema aufgrund eines PDS-Antrags behan-delt. Meine Fraktion hat dazu heute keine andere Mei-nung. Es kann nicht sein, daß die Länder die Schweine-reien des Bundes durch höhere Ausgaben in den Lan-deshaushalten kompensieren.

(Unruhe bei der CDU)

(Beifall bei der SPD)

Wir sind doch nicht der Ausputzer für den sozialpoli-tischen Unsinn, der immer wieder aus Bonn kommt.

(Beifall bei der SPD, PDS)

Ich möchte an dieser Stelle auch darauf verweisen, daßder Haushalt 1998 bereits beschlossen ist, und ich hattees vorhin schon einmal gesagt, daß wir bereits 14 Mio. DMbei der Pauschalförderung streichen mußten. Da ist dervon der PDS eingebrachte Gesetzentwurf zur Änderungdes Thüringer Krankenhausgesetzes, der beinhaltet, diezusätzlichen Instandhaltungskosten für Krankenhäuserfür die Jahre 1997, 1998 und 1999 im Landeshaushalt ein-zustellen, noch dazu ohne Deckungsvorschläge, schlichterUnsinn und würde eine Mehrbelastung des Landeshaus-halts bedeuten. Wir machen diese Flickschusterei undHinundherschieberei von Kosten nicht mit.

(Beifall bei der SPD)

Ich denke, das Land wird seiner Verpflichtung gegen-über den Krankenhäusern auch im Jahre 1998 gerecht.Ich erinnere nur an die Investitionen nach Artikel 14 und fürdas Klinikum Erfurt u.a. extra noch einmal und an die350,3 Mio. DM, die wir im Landeshaushalt zur Verfü-gung gestellt haben. Dieses Notopfer ist in der Bevölke-rung so aufgenommen worden, wie es der Name ver-spricht, der an Notgeld, Notstandsgesetze u.ä. erinnert.Ist diese Bundesregierung wirklich schon so auf denHund gekommen, daß sie nichts anderes mehr weiß?

(Beifall bei der SPD)

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 72. Sitzung, 29. Januar 1998 6323

Es grenzt langsam an Peinlichkeit, was da aus Bonn anuns heruntergereicht wird

(Zwischenruf Abg. Köckert, CDU: BilligePolemik!)

und daß die PDS immer wieder darauf reinspringt. Der- Drucksache 2/2476 - werden wir nicht zustimmen.

(Beifall bei der SPD)

Präsident Dr. Pietzsch:

Herr Abgeordneter Kachel, Ihnen war eine Nachfrage zu-gesagt. Frau Abgeordnete, Sie hatten dem AbgeordnetenKachel zugesagt, am Ende ... Also wie denn nun?

(Zuruf Abg. Kachel, PDS: Ich würde gernsprechen.)

Eine Wortmeldung. Bitte sehr. Dann also keine Nach-frage, sondern eine Wortmeldung.

Abgeordneter Kachel, PDS:

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren,Frau Raber hat im zweiten Teil ihres Beitrags eigentlich dasvorweggenommen, was ich als Frage stellen wollte. Esgeht nämlich darum, daß natürlich die schlechte Finanz-situation der Länder und der geringe Spielraum auf Landes-ebene auch in sozialpolitischen Fragen schon im Zusam-menhang steht mit der Finanzpolitik des Bundes und mitder steuerlichen Entlastung von Großunternehmen undBesserverdienenden durch die gegenwärtige Bundesre-gierung seit 1982. Das ist klar.

(Beifall bei der PDS)

Ich verstehe voll und ganz, Frau Raber, und ich finde dasMotiv auch für gerechtfertigt, wenn man dann, sagen wirmal, auf Landesebene sich weigert, den Ausputzer für einesolche verfehlte Sozialpolitik zu spielen. Die Frage ist nur,wer sind diejenigen, die dann die Folgen einer solchengegen den Bund gerichteten Konsequenz zu tragen ha-ben? Und im vorliegenden Fall sind das die Versicher-ten. Wir sind der Meinung, das ist dann die falsche Kon-sequenz.

(Beifall bei der PDS)

Deswegen erinnere ich Sie noch mal an den Entschlie-ßungsantrag, den wir zur Haushaltsdebatte vorgelegt haben,daß wir nämlich versuchen wollten, über den Bundesrat ei-ne Initiative der Länder einzuleiten, darauf zu drängen, daßz.B. Erbschaftssteuer und Vermögenssteuer wieder auf denStand zurückgeführt werden, den sie mindestens 1982 ge-habt haben. Ich erinnere Sie daran, daß wir Ihnen vorge-rechnet haben, daß das allein für Thüringen in diesem JahrMehreinnahmen aus diesen beiden Steuerarten von annä-

hernd 1 Mrd. DM bedeuten würden. Das, Herr Köckert,würde bedeuten,

(Zwischenruf Abg. Köckert, CDU: KennenSie das Urteil des Bundesverfassungsge-richts?)

daß es das Haushaltsloch überhaupt nicht gegeben hätteund daß noch darüber hinaus mehr möglich gewesenwäre als alle Vorschläge der PDS-Fraktion.

(Zwischenruf Abg. Köckert, CDU: MachenSie sich doch erst einmal mit der Gesetzlich-keit vertraut.)

(Beifall bei der PDS)

Präsident Dr. Pietzsch:

Danke sehr, Herr Abgeordneter Kachel. Es hat sich nocheinmal zu Wort gemeldet Frau Abgeordnete Vopel. Bitte.

Abgeordnete Frau Vopel, CDU:

Auf die Steuerdebatte von Herrn Kachel will ich nicht ein-gehen; daß die Vermögenssteuer aufgrund des Verfas-sungsgerichtsurteils abgeschafft worden ist, das habenSie wahrscheinlich noch nicht mitgekriegt.

Frau Raber, wissen Sie es nicht besser oder ist es wirk-lich billige Polemik? Für Investitionen in den Kranken-häusern sind die Länder zuständig, immer bisher gewe-sen. Wir können es ändern, es gibt Vorschläge einer moni-stischen Finanzierung, daß praktisch alles über die Kassengetragen wird, aber so weit sind wir nicht. Ich weiß nicht,ob Sie das wollen. Wenn Sie hier den Bund in dieser Sa-che anschießen, da sind Sie völlig an der verkehrten Stelle.

(Zwischenruf Abg. Frau Raber, SPD)

Herr Seehofer hat zugunsten von Krankenhäusern ent-schieden, die kurz vor der Schließung stehen müssen.Fragen Sie mal Ihre Kollegen in Nordrhein-Westfalen.Da gibt es Krankenhäuser, die müßten aus brandschutz-rechtlichen Sicherheitsgründen geschlossen werden. Undwenn das noch länger verzögert worden wäre, wären diegeschlossen worden. Dann frage ich Sie natürlich, wosind denn Ihre SPD-regierten Bundesländer aufgetreten,warum haben sie denn das nicht übernommen? Es istihre originäre Aufgabe. Es ist nicht Sache des Bundes.

(Beifall bei der CDU)

Präsident Dr. Pietzsch:

Danke sehr, Frau Abgeordnete Vopel. Frau MinisterinEllenberger, bitte sehr.

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6324 Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 72. Sitzung, 29. Januar 1998

Frau Ellenberger, Ministerin für Soziales undGesundheit:

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Abge-ordnete Vopel, ein bißchen muß ich Sie korrigieren. FürInvestitionskosten sind nicht immer und ewig schon dieLänder zuständig gewesen, sondern erst mit dem Zwei-ten Neuordnungsgesetz sind die Länder für Instandhal-tungskosten zuständig gemacht worden.

(Beifall bei der SPD)

(Zwischenruf Abg. Köckert, CDU: Aber dochmit Bundesratszustimmung!)

Oh doch, lesen Sie nach. Für Investitionskosten sind ...Quatsch, Entschuldigung, ich habe ein falsches Wort ge-braucht, für Investitionskosten sind die Länder zuständiggewesen. Aber wir reden hier über die Instandhaltungs-kosten, und dafür sind die Länder erst mit dem ZweitenNeuordnungsgesetz zuständig geworden und nicht seitimmer und ewig zuständig. Frau Vopel, lesen Sie nach.Lesen Sie nach, Sie werden es sehen, es besteht ein gra-vierender Unterschied zwischen Instandhaltungskostenund Investitionskosten. Ich will auch nichts mehr zu derEntstehungsgeschichte des Zweiten GKV-Neuordnungsge-setzes und über den Sinn oder Unsinn dieses sogenanntenNotopfers hier referieren. Meine Vorgängerinnen habendies ausreichend getan. Eine Bemerkung dazu möchteich mir aber trotzdem noch erlauben, auch wenn es eineWiederholung ist. Dieses sogenannte Notopfer haben dieVersicherten ohne Beteiligung der Arbeitgeber zu erbrin-gen. Das ist heute, wie gesagt, schon erwähnt worden,aber das ist aus meiner Sicht ein sehr bedeutsamer As-pekt. Und gerade aus diesem Grunde, nämlich weil dasPrinzip der Sozialversicherung verletzt wird, wonachgrundsätzlich Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Beiträ-ge jeweils zur Hälfte zahlen müssen, haben die Länderin ihrer Mehrheit dieses Gesetz abgelehnt.

(Zwischenruf Abg. Köckert, CDU: Daswären noch mehr Lohnnebenkosten.)

Allerdings ist dieser Einspruch - es war ja kein Zustim-mungsgesetz, sondern nur ein Einspruchsgesetz - mitder sogenannten Kanzlermehrheit damals zurückgewie-sen worden. Nun müssen wir eben mit diesem, aus mei-ner Sicht doch Unsinn des Notopfers leben.

Artikel 17 § 2 GKV-NOG regelt, daß die Zahlungspflichtfür die Mitglieder entfällt, die ihren Wohnsitz in einemLand haben, in dem nach § 17 des Krankenhausfinan-zierungsgesetzes die Pflegesatzfähigkeit von Instandhal-tungskosten entfallen ist. Das ist dann der Fall, wenn dasLand diese Kosten für die in den Krankenhausplan aufge-nommenen Krankenhäuser auf dem Wege der Einzelförde-rung oder der Pauschalförderung trägt. Nun ist in den Ein-zel- bzw. Pauschalförderungen des Landes Thüringen dieFörderung von Instandhaltungskosten nicht enthalten, das

ist wohl wahr, trotzdem muß man in diesem Zusammen-hang anmerken, daß die Summe der Pauschalförderungund der Einzelförderung in Thüringen in den vergange-nen Jahren weit über dem Durchschnitt der übrigen Län-der lag. In Thüringen betrug allein die Einzelförderungvon Investitionen im Krankenhausbereich in den Jahren1991 bis 1997 1,4 Mrd. DM, die Pauschalförderung einge-schlossen, ergibt sich eine Summe von über 2 Mrd. DM.Durch den Einsatz dieser Mittel - überdimensional im Ver-gleich zu den Mitteln in anderen Ländern - haben sich dieBausubstanz und die Ausstattung der Häuser nach undnach erheblich verbessert, so daß sich der Aufwand fürInstandhaltung entsprechend allmählich reduziert.

(Zwischenruf Abg. Köckert, CDU: Schaut an,schaut an.)

1998 sind für die Krankenhausinvestitionen aus demProgramm nach Artikel 14 Gesundheitsstrukturgesetz72 Mio. DM vorgesehen. Frau Vopel, auch da muß ichSie korrigieren, es ist nicht nur ein Programm der Bun-desregierung, sondern es wird vom Land zur Hälfte fi-nanziert. Das ist auch eine gewaltige Kraftanstrengung.

(Zwischenruf Abg. Frau Vopel, CDU: Nein,das ist richtig, aber ohne das Geld des Bundeshätten wir es nicht geschafft.)

Das ist richtig, aber Sie haben gesagt, es ist ein Pro-gramm der Bundesregierung ganz allein, und das ist na-türlich mitnichten so. Es bedarf einer großen Kraftan-strengung, diesen 50-Prozent-Anteil auch aufzubringen.

(Zwischenruf Abg. Köckert, CDU: Aberwenn wir nicht die Bundesgelder hätten?)

Herr Abgeordneter Köckert, ganz zweifellos, die Solida-rität der alten Länder ist in diesem Falle sehr groß, undwir sind auch noch eine weitere Zeit auf diese Solidari-tät angewiesen. Ich bin froh, daß diese Solidarität be-steht.

(Zwischenruf Abg. Frau Arenhövel, CDU:Na, dann sollten Sie sich einmal etwas zu-rückhalten.)

Ich habe nur korrigiert, Frau Arenhövel, vielleicht hörenSie mir zu, daß Frau Vopel gesagt hat, es ist ein Pro-gramm der Bundesregierung. Es ist eben nicht so.

(Beifall bei der SPD)

(Zwischenruf Abg. Frau Vopel, CDU: Wennwir das Geld nicht hätten, hätten ...)

Es sind in 1998 272,3 Mio. DM im Krankenhausinvesti-tionsprogramm nach Artikel 14 GSG eingesetzt für Investi-tionen im Klinikum Erfurt, und aus dem Programm nach

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 72. Sitzung, 29. Januar 1998 6325

§ 9 Krankenhausgesetz stehen weitere 88 Mio. DM rei-ne Landesmittel zur Verfügung.

(Beifall Abg. Frau Raber, SPD)

Zusätzlich werden 1998 60 Mio. DM pauschale Förder-mittel ausgezahlt, übrigens abgestuft entsprechend demZustand der einzelnen Krankenhäuser. Ein neugebautesKrankenhaus bekommt natürlich nicht diese pauschalenFördermittel wie ein Haus, das diese Investitionsförderungnoch vor sich hat, das ist ja selbstverständlich. Insgesamtwerden 430,3 Mio. DM aus den öffentlichen Förderpro-grammen zur Verfügung gestellt. Ich glaube, das ist einegewaltige Summe, eine große Kraftanstrengung auch fürdas Land Thüringen. Über die in den Landeshaushalt einzu-stellenden Mittel für Einzelförderung sowie die pauschaleFörderung hinaus kommt die Möglichkeit, die Instandhal-tungskosten zu fördern, aus den vorgenannten Gründennicht in Frage, obgleich wir natürlich prüfen mußten, obes möglich ist. Aber wir haben ein Einnahmedefizit desgesamten Landesetats von knapp 400 Mio. DM, und wirkönnen nicht einfach so tun, als würden wir das einmalganz kurz, wenn wir ein Gesetz behandeln, vergessenund haben dann am Ende mit viel größeren Defiziten zutun. Ich halte das für eine sehr unseriöse Art und Weise,mit öffentlichen Mitteln umzugehen. Die Behauptung,daß wir jetzt am Ende kommen und sagen, na gut, dannmüßten Sie jetzt eine Druckmaschine einsetzen, um viel-leicht die fehlenden 30 Mio. DM - um mindestens diese30 Mio. DM geht es ja, diese Behauptung ist natürlichnicht so ganz ohne. Frau Abgeordnete Raber hat mitRecht darauf hingewiesen, daß wir es uns nicht erlaubenkönnen, Mittel, die jetzt möglicherweise über Verkaufoder ähnliches in den Landesetat eingestellt werden, da-zu zu benutzen, Mehrausgaben zu tätigen, sondern wirsollten schauen, wie wir unsere Defizite damit abbauenkönnen. Das ist, glaube ich, auch im Hinblick auf diezukünftigen Generationen, für die wir Sorge zu tragenhaben, im Moment sicher das Gebot der Stunde.

(Beifall Abg. Frau Raber, SPD)

Wie gesagt, mindestens 30 Mio. DM Mehraufwand. Ichvermute, daß es allerdings noch etwas mehr sein könnte. Ichsehe keine Möglichkeit, wirklich keine Möglichkeit, weite-re Mittel im Landeshaushalt zu Lasten anderer wichtigerMaßnahmen, darüber könnte man ja auch nachdenken, ein-zustellen. All das, was im Landeshaushalt an Mitteln einge-stellt wird, vor allem auch im Sozialhaushalt, wird auchan dieser Stelle gebraucht. Darauf lege ich allergrößtenWert. Es sind einfach keine Reserven da. Das muß man zurKenntnis nehmen. Man muß sich nicht darüber freuen, aberdie Fakten sind nun einmal so, ohne daß wir eigeneMöglichkeiten haben, diese zu ändern. Ich kann demLandtag nicht empfehlen, dem Antrag der PDS zuzu-stimmen.

(Beifall bei der SPD)

Präsident Dr. Pietzsch:

Danke sehr, Frau Ministerin. Weitere Wortmeldungen lie-gen mir nicht vor. Damit schließe ich die Aussprache, undwir kommen zur Abstimmung. Ich habe keinen Ausschuß-überweisungsantrag gehört. Bitte?

(Zuruf aus der PDS-Fraktion: Arbeitsmarktund Gesundheit.)

Arbeitsmarkt und Gesundheit, ich bitte um Entschuldi-gung. Wir stimmen über die Ausschußüberweisung ab.Wer der Überweisung des Gesetzes zur Änderung des Thü-ringer Krankenhausgesetzes in der - Drucksache 2/2476 -an den Ausschuß für Arbeitsmarkt und Gesundheit zu-stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Danke sehr. Ge-genstimmen? Danke sehr. Das ist die Mehrheit. Stimment-haltungen? Keine. Damit ist die Ausschußüberweisungabgelehnt. Bitte?

Abgeordnete Frau Nitzpon, PDS:

Unsere Fraktion beantragt namentliche Abstimmung.

(Unruhe bei der CDU)

Präsident Dr. Pietzsch:

Augenblick einmal, es ist die erste Beratung, es geht jain die zweite Beratung.

Abgeordnete Frau Nitzpon, PDS:

Gut, dann erst in der zweiten Lesung.

Präsident Dr. Pietzsch:

Das wollte ich gerade sagen. Damit ist der Tagesord-nungspunkt beendet.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 4

Zweites Gesetz zur Änderung desThüringer Verwaltungszustellungs-und VollstreckungsgesetzesGesetzentwurf der Landesregierung- Drucksache 2/2524 -ERSTE BERATUNG

Begründung durch den Antragsteller. Jetzt schaue ichnoch öfter als üblich nach rechts und links. Herr Mi-nister, bitte.

Dr. Dewes, Innenminister:

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und HerrenAbgeordneten, die Landesregierung legt heute dem Landtagzur ersten Beratung den Entwurf eines Zweiten Gesetzeszur Änderung des Thüringer Verwaltungszustellungs- und

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6326 Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 72. Sitzung, 29. Januar 1998

Vollstreckungsgesetzes vor. Es geht im wesentlichen umeine notwendige Änderung des Gesetzes in der Bekanntma-chung vom 27. September 1994. Grundsatz dieses Gesetzesist die Eigenvollstreckung der kommunalen Verbände, derkommunalen Gebietskörperschaften und Zweckverbände,d.h. der Gemeinden, Verwaltungsgemeinschaften, Land-kreise und Zweckverbände. Kommunen mit geringer Ver-waltungskraft können die Vollstreckung auf die Kasse derLandkreise übertragen. Auch Zweckverbände können diestun, d.h., sie können von einer eigenen Vollstreckungsbe-hörde und Organisation absehen und diese Zuständigkeitauf die Kreiskasse übertragen. Die vom Gesetz vorgeseheneRegelausnahmeregelung, dies haben die vergangenen dreiJahre gezeigt, hat sich in der Praxis in das Gegenteil ver-kehrt. Deshalb ist es notwendig geworden, dieses Gesetz zunovellieren, um insbesondere darauf hinzuwirken, daß denIntentionen des Gesetzes auch durch die kommunale EbeneRechnung getragen wird. Einerseits sollen die Gebietskör-perschaften stärker und nachdrücklich zur Eigenvoll-streckung motiviert werden, andererseits soll den Landkrei-sen eine Kompensation für den Verwaltungsaufwand ge-währt werden, welche sie für die Gemeinden, Städte, Ver-waltungsgemeinschaften und Zweckverbänden leisten.

Der Kernpunkt insbesondere der Änderung des § 36 Abs. 3des Gesetzes ist es, die nicht selbst vollstreckende Gebiets-körperschaft, d.h. die Gemeinde, Verwaltungsgemeinschaftund der Zweckverband, die an die Kreiskasse abgeben,zahlt für jeden Vollstreckungsauftrag eine Pauschale. Diesetritt neben die dem Kreis aus der Vollstreckung ohnedieszufließenden Vollstreckungsgebühren. Die Einführung die-ser Kompensationsleistung soll Gemeinden, Zweckverbän-den und Verwaltungsgemeinschaften mit hohem Vollstrek-kungsaufkommen dazu veranlassen, zu überprüfen, ob sienicht doch selbst die Vollstreckung mit eigenen Kräftendurchführen und dies nicht doch finanziell sinnvoller undzweckmäßiger wäre, als dies der Kreiskasse zu übertragen.

Gestatten Sie mir noch ein Wort zur Kompensationsge-bühr, die hier vorgeschlagen ist. Sie ist natürlicherweiseim Vorfeld nicht unumstritten geblieben. Den Gemein-den erscheint sie zu hoch, den Landkreisen erscheint siezu niedrig. Sie wird, und dessen bin ich mir sicher, ausden natürlichen Interessen der einen wie der anderenSeite heraus kaum jemals die beiderseitige Zustimmungfinden. Es mußte ein Mittelweg gesucht werden, vondem ich meine, daß er dem Ziel, was mit dem Gesetzangestrebt wird, auch Rechnung trägt.

Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, im Än-derungsentwurf sind noch zwei weitere Sachproblemein den §§ 48 und 56 abgehandelt: Zum einen wird ex-pressis verbis klargestellt, was bisher diskutiert wordenist, daß auch Zweckverbände die Möglichkeit einer Voll-streckung durch die Kassen der Landkreise haben, und zumanderen wird in § 37 in genereller Weise nunmehr auch Be-liehenen der Zugang zur Verwaltungsvollstreckung er-öffnet. Dies trägt dem Umstand Rechnung, daß im Rah-men der Überprüfung, inwieweit auch hoheitliche Tätig-

keiten in einzelnen Fällen, wie dies ja schon in den ver-schiedensten Verwaltungsbereichen geschieht, auch Priva-ten unter bestimmten fachlichen und persönlichen Voraus-setzungen übertragen werden können. Im Gesetzentwurf,der, dies möchte ich noch einmal betonen, in seinemKern den wohlverstandenen Interessen sowohl der Ge-meinden als auch der Landkreise zu dienen bestimmtist, wünsche ich eine wohlwollende und zügige Behand-lung in diesem Hohen Hause. Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Präsident Dr. Pietzsch:

Danke sehr. Damit eröffne ich die Aussprache, und alserster hat sich zu Wort gemeldet Herr AbgeordneterRieth, SPD-Fraktion. Bitte.

Abgeordneter Rieth, SPD:

Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordneten,heute beraten wir in erster Lesung das Zweite Gesetz zurÄnderung des Thüringer Verwaltungszustellungs- undVollstreckungsgesetzes. Ich möchte nur, es ist die erste Le-sung, auf einige wenige Punkte eingehen. Zwei Maximenbeherrschen das Thüringer Verwaltungszustellungs- undVollstreckungsgesetz: einmal der Grundsatz der Verwal-tungsvollstreckung. Das bedeutet, daß die Verwaltungsvoll-streckung ohne Rückgriff auf Verwaltungsorgane, die au-ßerhalb der Exekutive angesiedelt sind, durchgeführt wer-den soll. Der Grundsatz der Eigenvollstreckung bedeutet,daß die Gemeinden, Verwaltungsgemeinschaften undZweckverbände ihre Verwaltungsakte selbst vollstrecken.Diese beiden Grundsätze zusammen betrachtet, bedeutennach meiner Ansicht Schnelligkeit, eine enorme Ersparnisvon Aufwendungen bei der Vollstreckung. Ein weitererpositiver Aspekt könnte folgender sein: Vollstreckt dieGemeinde ihre Forderungen selbst, ist sie nochmals vorOrt mit dem Schuldner konfrontiert. Ich könnte mir vor-stellen, daß sich im direkten Gespräch mit dem Schuldneroftmals Lösungen ergeben, die eine Vollstreckung überflüs-sig machen. Nun vollstrecken Gemeinden, denen nach § 36Abs. 1 die Möglichkeit der Eigenvollstreckung gegebenwird, nicht so häufig selbst als es wünschenswert wäre. DerMinister hat es eben ausgeführt. Auch Verwaltungsgemein-schaften und Zweckverbände verzichten oftmals auf die Ei-genvollstreckung. Das hat leider zur Folge, daß im kom-munalen Bereich bisher nur unzureichend vollstrecktwurde. Soweit die Vollstreckungsstellen der Landkreisedie Vollstreckung für die Aufgabenträger übernahmen,hatte das zur Folge, daß bei den Kreisen ein zusätzlicherhoher Verwaltungsaufwand entstand. Die Landesregierungschlägt im uns vorliegenden Gesetzentwurf vor, den Ver-waltungsgemeinschaften und Zweckverbänden ausdrück-lich die Möglichkeit einzuräumen, die Vollstreckung an dieKasse des Kreises zu übertragen. Die übertragenden Ver-waltungsgemeinschaften erstatten den Landkreisen bei je-der Vollstreckung einen gewissen Betrag nach § 36 Abs. 3,um den zusätzlichen Verwaltungsaufwand abzugelten.

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 72. Sitzung, 29. Januar 1998 6327

Das sei notwendig, führt die Landesregierung hierzu aus, dadiese zusätzlichen Kosten weder durch die Kreisumlagenoch durch die den Kreisen zustehenden eigentlichenVollstreckungsgebühren abgedeckt werden.

Meine Damen und Herren, ich begrüße namens der SPD-Fraktion den zweiten Gesetzentwurf zur Änderung des Ver-waltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes im Inter-esse einer effizienten und zeitnahen Vollstreckung. Ichglaube aber, daß wir uns im Innenausschuß die Kosten-regelung - der Minister sprach von der Kompensations-gebühr - genauer betrachten müssen. Ich beantrage na-mens meiner Fraktion die Überweisung an den Innen-ausschuß. Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Vizepräsident Friedrich:

Ich danke Herrn Abgeordneten Rieth. Als nächsten Red-ner bitte ich Herrn Abgeordneten Kölbel, Fraktion derCDU, nach vorn.

Abgeordneter Kölbel, CDU:

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Da-men und Herren Abgeordneten, verehrte Gäste, in ersterLesung hat die Landesregierung soeben die - Druck-sache 2/2524 -, das Zweite Gesetz zur Änderung desThüringer Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungs-gesetzes, eingebracht. So mancher Abgeordnete wird sichfragen, weshalb schon wieder eine Änderung eines Landes-gesetzes, das erst 1994 in den derzeitigen Stand versetztworden war. Ursache der Gesetzesänderung ist, daß Ge-meinden, Verwaltungsgemeinschaften und Zweckverbändeteils nur unzureichend von der damals eingeräumten Mög-lichkeit ihrer öffentlich-rechtlichen sowie auch eines Teilsihrer privaten Geldforderungen auch selbst zu vollstrecken,Gebrauch gemacht haben. Nur im Ausnahmefall war sei-nerzeit an Übertrag auf die Kasse des Landkreises ge-dacht, so z.B. wenn die eigene Verwaltungskraft dazunicht ausreichte. Häufig war aber in den vergangenenJahren festzustellen, daß aus der Ausnahme die Regel wur-de. Auch dort, wo ausreichend Verwaltungskraft bei Ge-meinden und Verwaltungsgemeinschaften vorhanden war,wurde diese Aufgabe gern auf die Kreiskasse, möchte ichsagen, aus sehr unterschiedlichen Gründen übertragen. Dortkam es teilweise, wie wir erfahren konnten, zu gewissenStauerscheinungen beim Vollziehen. Die Folge davon warein nicht unerheblicher Verwaltungsmehraufwand bei denLandkreisen oder ein Nichtvollstrecken oder auch ein Zu-spätvollstrecken. Die nunmehr heute vorgeschlagene Geset-zesänderung geht von der ausdrücklichen Übertragung die-ser gemeindlichen Aufgabe auf die Landkreise aus, aber mitKostenausgleich für die Landkreise, mindestens 20 DM,meist 5 Prozent der beizutreibenden Geldforderungen, je-doch muß die Gemeinde für diesen Service an den Land-kreis dann zahlen.

Namens der CDU-Fraktion ersuche ich dieses Hohe Hausum Überweisung der - Drucksache 2/2524 - an den Innen-ausschuß. Dort wird die derzeitig vorliegende Praxis derVollstreckung im Lande zu prüfen und zu untersuchensein und auch die Leistung der Landkreise für ihre Ge-meinden insgesamt im Rahmen der Kreisumlage zu be-trachten sein. Die Gesetzesnovelle fußt mit Strenge dar-auf, daß berechtigt auch vollstreckt wird. Der Grundsatzder Eigenvollstreckung soll zukünftig aber nicht aufgege-ben werden. Daß mit dieser Gesetzesnovelle auch gleichzei-tig erkannte redaktionelle Fehler und dringend notwendigeKlarstellungen für die Praxis mit eingearbeitet wordensind, wird begrüßt. Andererseits werden wir Abgeordne-ten des Innenausschusses darauf zu achten haben, daßinsgesamt der Verwaltungsaufwand bei dieser Regelungnicht aufgebläht werden darf. Auch die Frage der Mah-nungen und des Zwangsgeldes wurde nunmehr klarer inder Novelle gefaßt, wie wir feststellen konnten. Mit alldiesen Fragen bei Rücksprache mit den betroffenen kom-munalen Körperschaften, ob schriftlich oder mündlich, wer-den wir uns im Innenausschuß weiter zu beschäftigenhaben. Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Vizepräsident Friedrich:

Ich danke Herrn Abgeordneten Kölbel. Weitere Rede-meldungen liegen mir nicht vor, so daß ich die Aus-sprache zu diesem Gesetzentwurf schließe.

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung. Es war Aus-schußüberweisung an den Innenausschuß beantragt. Wirstimmen darüber ab. Wer der Überweisung der - Druck-sache 2/2524 - an den Innenausschuß seine Zustimmunggibt, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Gegen-stimmen? Stimmenthaltungen? Damit einstimmig über-wiesen, und wir sind am Ende dieses Tagesordnungs-punkts, den ich damit schließe.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 5 auf

Erstes Gesetz zur Änderung des ThüringerGesetzes über die Gesamtvollstreckung indas Vermögen juristischer Personen desöffentlichen RechtsGesetzentwurf der Landesregierung- Drucksache 2/2530 -ERSTE BERATUNG

Ich bitte für die Landesregierung Herrn MinisterKretschmer, die Begründung des Gesetzentwurfs vorzu-nehmen.

Kretschmer, Minister für Justiz undEuropaangelegenheiten:

Danke schön, Herr Präsident. Meine sehr geehrten Damenund Herren, Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung

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des Thüringer Gesetzes über die Gesamtvollstreckung indas Vermögen juristischer Personen des öffentlichenRechts. Dieser langen Überschrift folgt ein kurzes, auseiner einzigen Regelung bestehendes Gesetz, das dieLandesregierung nach kritischer Prüfung einer Anre-gung der Thüringer Handwerkskammern erarbeitet hat.Angesichts des geringen Regelungsumfangs werde ichmich bei der Erläuterung des Entwurfs auf wenige An-merkungen beschränken.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das derzeitigeGesetz schließt die Gesamtvollstreckung gegen juristischePersonen des öffentlichen Rechts aus, soweit sie unter derAufsicht des Landes stehen. Hierzu soll mit der vorgeschla-genen Änderung ein Ausnahmetatbestand geschaffen wer-den, und das aus folgendem, wie ich meine, einleuchten-dem Grund. Leider ist es in der Vergangenheit in Ein-zelfällen zur Zahlungsunfähigkeit von Kreishandwerker-schaften in Thüringen gekommen. Die neue Regelung sollsicherstellen, daß in diesem Fall die Mitarbeiter der Hand-werksinnungen und der Kreishandwerkerschaften Konkurs-ausfallgeld und Leistungen des Pensionssicherungsfonds inAnspruch nehmen können; denn beitragspflichtig und lei-stungsberechtigt sind nach dem Arbeitsförderungsgesetzsowie dem Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Al-tersversorgung nur insolvenzfähige juristische Personen. Ei-ne Einbeziehung der genannten Handwerksverbände in die-ses Sicherungssystem ist sowohl nach Auffassung derLandesregierung als auch der betroffenen Handwerks-verbände geboten, da im Fall der Gesamtvollstreckungeine Haftung des Landes nicht gesichert ist. Der Gesetz-entwurf bewirkt insoweit, davon bin ich überzeugt, einenotwendige Klarstellung zumindest der Rechtslage.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will michan mein Versprechen halten, kurz dazu zu sprechen. Ichschlage vor, den Gesetzentwurf zur Beratung an den fe-derführenden Justiz- und Europaausschuß zu überwei-sen und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Vizepräsident Friedrich:

Ich danke Herrn Minister. Ich eröffne nunmehr die Aus-sprache und bitte Herrn Abgeordneten Wolf, Fraktionder CDU, nach vorn.

Abgeordneter Wolf, CDU:

Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordne-ten, Gesetze sollen leicht lesbar, leicht verständlich undauch leicht anzuwenden sein. Das ist die eine Seite. Dieandere Seite verlangt aber auch, Gesetze sollen eindeu-tig sein. Daß dies nicht immer einfach unter einen Hutzu bringen ist, dafür haben wir heute ein schönes Bei-spiel. Wer also in Zukunft mit dem Gesetzentwurf, wennwir ihn so beschließen sollten, arbeiten will, braucht dasGesamtvollstreckungsgesetz. Zur Zeit liegt es in der Fas-

sung vom 23. Mai 1991 vor. Wer es nachlesen möchte, esist erschienen im Bundesgesetzblatt Teil I Seite 1185. Dazugibt es inzwischen - von uns als Thüringer Landtag verab-schiedet - ein Ausführungsgesetz vom 10. November 1995;über den Inhalt hat der Minister eben schon referiert. In die-sem Gesetz ist u.a. geregelt, daß für juristische Personen desöffentlichen Rechts auch Ausnahmeregelungen eintretenkönnen. Der Absatz 2 dieses Gesetzes legt eindeutig fest,der § 2, daß für öffentlich-rechtliche Versicherungsunter-nehmen sowie für öffentlich-rechtliche Banken und Kredit-anstalten dies nur insoweit zutrifft, sobald eine Gebietskör-perschaft oder ein kommunaler Zweckverband als Ge-währsträger unbeschränkt haftet. Nun trifft dieses für Kreis-handwerkerschaften und für Handwerksinnungen nicht zu.Und die Gesetzesanwendung hat gezeigt, daß es doch Aus-legungsschwierigkeiten, Unsicherheiten bei der Anwen-dung des Gesetzes gibt. Somit sind wir bei der Problematik,die ich eingangs erwähnt habe, Gesetze sollen eindeutigsein. Die Handwerksordnung hat eine eigenständige Rege-lung, und das Thüringer Gesetz vom 10. November 1995,bereits zitiert, regelt es nicht abschließend. Aus diesemGrund liegt uns allen heute ein Gesetzentwurf in der- Drucksache 2/2530 - vor, der jetzt mit diesem einenSatz abschließend regelt, daß die Gesamtvollstreckungfür juristische Personen des öffentlichen Rechts in derFassung des uns vorliegenden Gesetzes nicht gilt fürHandwerksinnungen und Kreishandwerkerschaften. Diesführt zur Rechtsklarheit.

Ich empfehle, auch im Namen meiner Fraktion, diesenGesetzentwurf in der - Drucksache 2/2530 - an den Ju-stiz- und Europaausschuß zu überweisen. Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsident Friedrich:

Ich danke Herrn Abgeordneten Wolf. Weitere Redemel-dungen liegen mir nicht vor, so daß ich die Aussprachezu diesem Gesetzentwurf schließe.

Wir kommen zur Abstimmung. Es war die Überweisung anden Justiz- und Europaausschuß vorgeschlagen worden.Darüber stimmen wir ab. Wer der Überweisung des Gesetz-entwurfs, enthalten in der - Drucksache 2/2530 -, an denJustiz- und Europaausschuß seine Zustimmung gibt, denbitte ich um sein Handzeichen. Danke. Gegenstimmen?Stimmenthaltungen? Damit ist einstimmig überwiesen wor-den, und wir sind am Ende dieses Tagesordnungspunkts.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 6

Thüringer Gesetz über Gebühren für dieFortführung des Liegenschaftskatasters(Thüringer Katasterfortführungsge-bührengesetz - ThürKatFortGebG -)Gesetzentwurf der Landesregierung- Drucksache 2/2534 -ERSTE BERATUNG

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Wir treten in die erste Beratung ein. Wird Begründungdurch die Landesregierung gewünscht? Bitte, Herr In-nenminister Dr. Dewes.

Dr. Dewes, Innenminister:

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und HerrenAbgeordneten, bei dem Gesetz der Landesregierung, wel-ches Ihnen heute zur Beratung in erster Lesung vorliegt,geht es kurz gesagt um die Einführung einer Gebühr fürFolgearbeiten im Liegenschaftskataster aufgrund von Ei-gentumsumschreibungen im Grundbuch. Schon wieder ei-ne Gebühr, sagen da einige, aber auch für den Gesetzge-ber gibt es sicherlich angenehmere Aufgaben, als einezusätzliche Abgabe im Katasterbereich gesetzlich fest-zuschreiben. Dabei sollte aber nicht übersehen werden,daß der Staat im Bereich der Fortschreibung des Liegen-schaftskatasters seine Tätigkeit für bestimmte Bürgerin-nen und Bürger wahrnimmt, die auf der einen Seite not-wendig ist, auf der anderen Seite aber nicht umsonst er-bracht werden kann. Würde man, wie bislang, auf einekostendeckende Gebühr für diese Behördenleistung ver-zichten, muß man im gleichen Atemzug aber auch ein-gestehen, daß diese Leistung dann von der Allgemein-heit erbracht werden muß, also auch von solchen Bürge-rinnen und Bürgern, die von der Leistung in keiner Weiseprofitieren. Insoweit hat die Einführung dieser Gebühr auchetwas mit verteilender und ausgleichender Gerechtigkeit zutun, daß nämlich derjenige, der die Behördenleistung inAnspruch nimmt, hierfür auch ein Geld zu entrichten hat,wie dies im übrigen auch in anderen Dienstleistungsberei-chen der Fall ist. Hinzu kommt, daß dieser Kreis von Bür-gerinnen und Bürgern in der Regel nicht zu dem unvermö-genden Teil der Bevölkerung gehört. Vereinfacht läßt sichalso feststellen, daß hier Kosten, die dem Staat entste-hen, nicht auf die Allgemeinheit abgewälzt werden, son-dern lediglich diejenigen belastet werden, die eine kon-krete Dienstleistung des Staates in Anspruch nehmen.

(Zwischenruf Abg. Sonntag, CDU: Müssen.)

Die Erhebung einer kostendeckenden Gebühr hat aber nocheinen anderen Hintergrund. Seit dem 1. Januar 1997 bildendie Thüringer Katasterämter einen Landesbetrieb, das heißt,sie sollen weitgehend kostendeckend wirtschaften. Ein Mo-dell, das bislang gut funktioniert.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn ich dannhöre, daß ein Fraktionsvorsitzender aus diesem Hohen Hausdiesen Gesetzentwurf der Landesregierung kritisiert, dannmöchte ich deutlich machen, dieses Hohe Haus hat mitden Stimmen der beiden Koalitionsfraktionen diesemLandesbetrieb eine Kürzung in den Landeszuführungenvon 2 Mio. DM verordnet, nämlich von 18 Mio. DM auf16 Mio. DM, mit der klaren Erklärung des Finanzmini-sters, dies möge der Landesbetrieb zuzüglich durch sei-ne Tätigkeit erwirtschaften.

(Beifall bei der SPD)

Die Bildung des Landesbetriebes hat bei den Mitarbei-tern der Katasterämter zu einer erfreulichen und deutli-chen Motivationssteigerung geführt. Insbesondere zeigtsich dies in dem gestiegenen Verantwortungsbewußtseinfür die Effektivität des eigenen Handelns. Bereits im Probe-jahr 1997 hat der Landesbetrieb bewiesen, daß die hohenin ihn gesetzten Erwartungen sowohl hinsichtlich seinerWirtschaftlichkeit als auch zur Erfüllung seiner Aufgabefür das Land und zur Zufriedenheit seiner Kunden - ichbetone, seiner Kunden - voll erfüllt werden konnten. Einverbleibender Landeszuschuß dient lediglich noch zurFinanzierung von Daseinsvorsorgemaßnahmen, wozu unteranderem die Vorhaltung und Qualitätsverbesserung der um-fangreichen Unterlagen gehören. Um die Kostendeckungbei diesem Landesbetrieb zu gewährleisten, wurde ebenfallszum 01.01.1997 eine Kostenordnung für den Bereich derantragsbezogenen Leistungen geschaffen. Diese umfaßtjedoch nicht die Folgearbeiten im Liegenschaftskatasteraufgrund von Eigentumsumschreibungen im Grundbuch.

Vizepräsident Friedrich:

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage desHerrn Abgeordneten Sonntag?

Dr. Dewes, Innenminister:

Anschließend bitte.

Wird im Grundbuch ein Eigentümerwechsel eingetragen,muß auch der Katasternachweis geändert werden, da sichder Grundbuchnachweis auf das Liegenschaftskataster be-zieht. Um die Rechte der Eigentümer wahren zu können,muß im Liegenschaftskataster neben dem Namen des neuenEigentümers auch noch die Adresse verzeichnet werden.Ein zum Teil mühsames Unterfangen, weil ein Grund-stückseigentümer, der sein Grundstück zum Beispiel ver-pachtet hat, fast nie auf den Gedanken kommt, im Falle ei-nes Umzugs, der mit dem verpachteten Grundstück eigent-lich in keinem Zusammenhang steht, seine Adressenände-rung im Katasteramt anzuzeigen. Nur so kann das Kata-steramt den Eigentümer über eine Katastervermessunginformieren, die z.B. ein Nachbar beantragt hat. Damitwird sichergestellt, daß zu einer die Grundstücksgrenzenbetreffenden Vermessung alle anliegenden Grundstücksei-gentümer zur Wahrung ihrer Eigentumsrechte eingeladenund auch beteiligt werden können. Für den Nachweis derneuen Eigentümerangabe nach einem Eigentumswechselim Grundbuch, z.B. nach einem Kauf, Tausch oder Erbfall,und für die Aktualisierung der Adressen haben die Kataster-ämter bislang keine Gebühr erhoben. Insofern wurde dieentsprechende Wahrung der Rechte der begrenzten und an-grenzenden Eigentümer vom Steuerzahler getragen. ImGegensatz zu Thüringen erheben die Länder Bayern undHessen schon seit vielen Jahren eine Katasterfortschrei-bungsgebühr. In Bayern werden so 30 Prozent auf dieGrundbuchgebühr aufgeschlagen, in Hessen 10 Prozent.Bremen hat kurz vor Thüringen einen Landesbetrieb fürden Katasterbereich eingeführt und dabei die verlangte

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hohe Kostendeckung zum Anlaß genommen, um eben-falls eine Katasterfortführungsgebühr zu begründen. Bre-men hat dabei die älteren Prozentfestlegungen der Län-der Bayern und Hessen als nicht mehr ausreichend an-gesehen und als Katasterfortführungsgebühr einen Auf-schlag auf die Grundbuchgebühr von 35 Prozent festgelegt.So weit wollen wir in Thüringen allerdings nicht gehen,obwohl hier der Anlaß der gleiche ist, nämlich das Be-streben des Landes, nach Einführung des Landesbetriebesdie Kosten der Katasterämter so weit wie möglich vomVerursacher und auch Nutznießer decken zu lassen, undhaben einen Gebührensatz von 30 Prozent parallel wieBayern vorgesehen. Ein Nachweis des neuen Eigen-tümers in den amtlichen Unterlagen, die sein Eigentumsichern, liegt nahezu ausschließlich in dessen Interesse.

Die Katasterfortführungsgebühr soll in einfachster Wei-se erhoben werden und ist regelmäßig gering. Ich willBeispiele nennen. So kostet die katastertechnische Um-schreibung einer 2.000 Quadratmeter großen Ackerflä-che bei einem Bodenwert von einer 1 DM pro Quadrat-meter einmalig 6 DM. Also wird für die Umschreibungeiner Ackerfläche von 2.000 Quadratmeter 1 DM proQuadratmeter als Wert zugrunde gelegt, so ist insgesamtein Betrag für die Umschreibung von 6 DM zu zahlen.Bei einem freistehenden Eigenheim, also einem Einfa-milienhaus mit Garage, im Wert von 300.000 DM fallenbei einer Umschreibung 168 DM an. Spätere Adressen-änderungen sind in dieser Gebühr mit enthalten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, so ist die Ge-bühr für die Betroffenen gering. Sie hilft aber dem Landund damit auch seinen Bürgerinnen und Bürgern, dieLandeskasse zu schonen und entspricht dem Verursa-cher- und Nutznießerprinzip.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Weg in denEigenbetrieb, in den Landesbetrieb, in der Thüringer Kata-sterverwaltung ist der Weg in die richtige Richtung. DieMotivation und die Leistungsfähigkeit dieses Landesbe-triebes sind vorbildhaft für andere Bereiche der Landes-verwaltung. Wir wollen als Landesregierung diesen Wegweiter beschreiten und werden auch in anderen Bereichendies so einführen. Deshalb ist dieses Beispiel und diesesModell "Landesvermessungsverwaltung" ein Vorbild,und ich bitte Sie, auch was den vorgelegten Gesetzent-wurf angeht, dies als ein Stück auf diesem Weg zu se-hen und ihn so mitzugehen. Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vizepräsident Friedrich:

Herr Minister, die Frage des Herrn Abgeordneten Sonn-tag noch. Bitte, Herr Sonntag.

Abgeordneter Sonntag, CDU:

Herr Minister, ich danke Ihnen, daß Sie an das Podium zu-rückgekehrt sind. Gestatten Sie mir die Frage: Einmal abge-sehen davon, daß in Thüringen die Schlaggrößen nicht nachQuadratmeter, sondern nach Hektar gemessen werden unddann auch ganz andere Gebühren auftreten. Ihre Polemik,was die Eigentümer und deren Wirtschaftsfähigkeit betrifft,in allen Ehren, aber haben Sie einmal darüber nachgedacht,daß gerade die Kommunen bei der Entflechtung von Parzel-len, die zu DDR-Zeiten keine Rolle gespielt hat, nur um dieKreditfähigkeit wieder herzustellen, in Größenordnungenund vor allem in großen Größenordnungen Vermessungsar-beiten durchführen müssen oder durchgeführt haben - fürdie Kommunen, die es gemacht haben, Gott sei Dank, dawaren die Preise noch niedriger - daß dort die Kommu-nen in Größenordnungen belastet werden und das danndurchaus wieder von der Allgemeinheit, zumindest vonder Allgemeinheit der in der Kommune Lebenden, zu fi-nanzieren ist?

Vizepräsident Friedrich:

Darf ich einmal, Herr Sonntag, dazwischenfragen: Siefragen den Minister, ob er darüber nachgedacht hat?Gut. Ich wollte es nur noch einmal festhalten.

(Heiterkeit bei der SPD)

Dr. Dewes, Innenminister:

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Sonntag, mir ist bekannt,daß gerade im kommunalen Bereich, was Katasterfort-schreibungen, Katasterkorrekturen, Grundbuchberichtigun-gen angeht, besonders großer Bedarf besteht. Dies gilt abernicht nur für die kommunale Ebene. Dies gilt auch fürFirmenbetriebe und gilt auch, wie Sie zu Recht angespro-chen haben, für landwirtschaftliche Betriebe, in welcherRechtsform auch immer, aber gilt für viele hunderttausendeMitbürgerinnen und Mitbürger in diesem Lande, die Eigen-tum besitzen. Es gibt kein Bundesland in der Bundesrepu-blik Deutschland, das ein so vielfältiges aber auch schwieri-ges Katasterwesen hat, wie dies in Thüringen der Fall ist.Dies hängt mit der Geschichte dieses Landes zusammen.Wir haben acht Katastersysteme, mit denen die Katasterver-waltung und dieser Eigenbetrieb, dieser Landesbetrieb,und das Landesvermessungsamt umzugehen haben. Ichmuß sagen, sie haben dies in den vergangenen Jahrenvorbildlich getan. Sie haben damit die Grundlage, undsie schaffen sie fortlaufend, auch für die Entwicklungder Infrastruktur in diesem Lande wesentlich gelegt undgeschaffen. Diese Arbeit müssen sie noch etliche Jahrefortsetzen. Das heißt, die Funktionsfähigkeit einer gu-ten, leistungsfähigen Katasterverwaltung ist ein Stückauch im Hinblick auf den Fortschritt für die Bürgerin-nen und Bürger dieses Landes und seiner Prosperität.Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

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Vizepräsident Friedrich:

Danke. Ich eröffne nunmehr die Aussprache und bitteHerrn Abgeordneten Kölbel, Fraktion der CDU, nachvorn.

Abgeordneter Kölbel, CDU:

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damenund Herren Abgeordneten, verehrte Gäste, in - Drucksache2/2534 - hat heute die Landesregierung diesem HohenHause den Gesetzentwurf mit dem Namen ”ThüringerKatasterfortführungsgebührengesetz” vorgelegt. Vom Na-men her wird es wohl diesen oder jenen Abgeordneten zuder Frage gereizt haben: Was verbirgt sich denn eigent-lich hinter diesem langen Titel? Der Schutz und die Si-cherung des privaten Grund und Bodens hat nach derWende seinen höheren Stellenwert wiedererlangt. Liegen-schaftskataster und Grundbuch müssen dieses Eigentum inihren amtlichen Werken exakt beschreiben und so recht-lich schützen. Jeder, der schon einmal einen Grundbuchaus-zug zur Hand hatte, weiß, daß dort das Eigentum, die Ei-gentumsverhältnisse, weitere Rechte und Belastungen -an Grundstücken beschrieben - nachgewiesen sind. Wasaber kaum mit beachtet wird, daß im Liegenschaftskata-ster je parallel dazu der Nachweis über die Lage derGrundstücke, den Gebäudebestand und die Nutzungsartengeführt werden muß, damit der genaue Bezug, wo sich undin welcher Verfassung sich das Grundstück auf unserer Erd-oberfläche befindet, vermessenstechnisch auch fixiert ist.Somit ergibt sich, daß beide Werke stets in Übereinstim-mung gehalten werden müssen. Muß das Grundbuch umge-schrieben werden, zum Beispiel wegen eines Erbfalls, einerSchenkung, eines Verkaufs, so ist auch das Kataster ent-sprechend fortzuführen. Für die Grundbuchumschreibungwerden in allen Bundesländern Gebühren erhoben. Für diegleichzeitig mit zu erfolgende Katasterfortführung erhebenbislang nur die Länder Bremen, Bayern und Hessen Gebüh-ren. Mit diesem hier vorgelegten Gesetzentwurf der Lan-desregierung soll künftig Thüringen hinzukommen. Des-halb ist dieser Gesetzentwurf auch in der Art und Weise soangelegt wie in den beschriebenen anderen Ländern. Ja, esist schon richtig, wie der Gesetzesbegründung zu entneh-men ist: Würden wir kein solches Gesetz verabschieden,würden weiterhin kostenfreie Leistungen vom Landesbe-trieb Kataster im Rahmen der Eigentumssicherung zuerbringen sein. Wir bauen eigentlich mit diesem Gesetzein ganz kleines Stückchen Subvention ab. Aber gleich-zeitig müssen wir beachten, daß wir von den neuen Län-dern als erstes diese Gebühren erheben. Weiter sind diebereits heute schon erheblichen Belastungen der Grund-stückseigentümer, wir hören ja täglich davon, für Kosten fürGebäudeeinmessung, für Trennmessung, für Wasser undAbwasser, für Abfall und vieles andere mehr, sehr wohl zubeachten.

Was bedeutet dieses Gesetz in vorliegender Form in derPraxis? Ab 1. April 1998 würde also jeder Verursacherund Nutznießer einer Eigentumsumschreibung im Grund-

buch mit einer weiteren Gebühr für die notwendige Fortfüh-rung des Liegenschaftskatasters belegt. Diese orientiert sicham Aufwand und soll 30 Prozent der bisherigen Eigentums-umschreibungsgebühr im Grundbuch betragen. Bei denBeispielen, die mir vorgelegen haben für bebaute Grund-stücke, lag das in einer Größenordnung von 150 DM bis200 DM Umschreibungsgebühr, was dann mit so einerRechnung aus Schleiz einen ereilt, und dort würden alsonoch etwa weitere 50 DM hinzukommen. Um den Verwal-tungsaufwand dabei zu minimieren, wird diese Katasterfort-führungsgebühr gleich von den Amtsgerichten mit erho-ben, auch auf gleicher gesetzlicher Grundlage, also der Ko-stenordnung, in Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbar-keit. Die so erzielten Mehrkosten werden pro Fall relativ,wie schon in Beispielen angegeben, gering sein.

Namens der CDU-Landtagsfraktion ersuche ich Sie, verehr-te Abgeordnete, um Überweisung des Gesetzentwurfs fe-derführend an den Innenausschuß, mitberatend an denJustizausschuß. Dort werden wir uns an praktischenThüringer Beispielen und nach Auskünften von denen,die betroffen wären, zu beraten haben über die Fragendes Ob, des Wann, des Wie und wie hoch Katasterfort-führungsgebühren in Thüringen erhoben werden. Auchder Arbeitsaufwand in den Katasterämtern, der anfälltfür solche Leistungen, ist zu betrachten. Vom Ergebnisaus dem Innenausschuß wird abhängen, wie wir in zweiterLesung mit diesem Gesetzentwurf dann weiter verfahren.Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsident Friedrich:

Ich danke Herrn Abgeordneten Kölbel. Als nächstenRedner bitte ich Herrn Abgeordneten Dietl, Fraktion derPDS, nach vorn.

Abgeordneter Dietl, PDS:

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren,der in - Drucksache 2/2534 - vorliegende Gesetzentwurf derLandesregierung für ein Thüringer Katasterfortführungsge-bührengesetz sieht vor, nunmehr auch Gebühren für dieFortführung des Liegenschaftskatasters einzuführen. Dasheißt, künftig sollen auch Änderungen der Eigentümeran-gaben im Liegenschaftskataster, zum Beispiel nach Käufen,nach Schenkungen und nach Erbfällen, gebührenpflichtigwerden, neben den Gebühren, die bisher bereits für dieÄnderungen im Grundbuch zu entrichten sind. Die Über-nahme von Veränderungen in den Eigentumsverhältnis-sen aus den Grundbüchern in das Liegenschaftskatastersoll in Thüringen also künftig bezahlt werden müssen.

Begründet wird dies durch die Landesregierung, undMinister Dewes hat das noch einmal hier getan, mit denentsprechenden Aufwendungen der Katasterämter, durchwelche der Kostendeckungsgrad der Katasterämter belastet

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wird. Das Argument der Landesregierung lautet: Thürin-gen erbringt zur Zeit noch Leistungen ohne Entgelt.

Diese Gebühren sollen, so ist es zumindest vorgesehen,30 Prozent der entsprechenden Grundbuchgebühren be-tragen. Thüringen wäre damit das vierte Land in der Bun-desrepublik, das neben Bayern, Hessen und Bremen Ka-tasterfortführungsgebühren erheben würde.

Weshalb, so habe ich mich gefragt, strebt die ThüringerLandesregierung einen Spitzenplatz unter den Bundes-ländern bei der Erhebung von Gebühren an, von Gebüh-ren, die Bürger und Investoren gleichermaßen belasten?Ein Spitzenplatz einmal unter dem Gesichtspunkt, daßes zu den ersten Ländern in der Bundesrepublik gehört,das diese Regelung einführt, zum zweiten unter demGesichtspunkt, daß es das erste Land unter den neuenBundesländern sein wird, und drittens hinsichtlich derHöhe des Gebührensatzes. Mit 30 Prozent läge Thürin-gen an zweiter Stelle hinter Bremen, das 35 ProzentGrundbuchgebühren erhebt.

Die Begründung ist recht einfach: Mit der Erhebung dieserGebühren sollen offensichtlich auch die Voraussetzun-gen dafür geschaffen werden, die Zuschüsse des Landesfür die Katasterämter weiter zu reduzieren. Herr Mini-ster sprach von den 2 Mio. DM, die in diesem Jahr we-niger eingestellt sind als im vergangenen Jahr. Gegendiese Zielstellung der Landesregierung, die ZuschüsseSchritt für Schritt zu verringern, ist im Prinzip nichts einzu-wenden. Bedenklich wird es aber aus Sicht meiner Frak-tion, wenn das allein auf Kosten der Bürgerinnen undBürger und auf Kosten jener erfolgen soll, die investie-ren wollen. Und genau das scheint mir bei der Leistungdes Landesbetriebes Katasterämter der Fall zu sein.

Betrachten wir einmal die Zahlen: Die Landeszuschüssean die Katasterämter betrugen im Jahr 1995, also vorBildung des Landesbetriebes, über 31 Mio. DM, 1997waren es 18,5 Mio. DM und im Landeshaushalt 1998,ich sagte es bereits, sind 16,5 Mio. DM vorgesehen. Dieeigenen Einnahmen der Katasterämter machten 199536,5 Mio. DM aus, 1997 waren es 57 Mio. DM und 1998sind 59 Mio. DM in den Landeshaushalt eingestellt worden.

Wodurch werden nun diese höheren Einnahmen erzielt?Das muß man sich ja einmal fragen. Sie werden erzieltin allererster Linie durch höhere Gebühren für Vermes-sungsleistungen auf der Grundlage der neuen Kostenord-nung für das Vermessungswesen. Das ist sicherlich keinZufall, daß genau mit der Bildung des Landesbetriebesdiese neue Kostenordnung eingeführt worden ist. Vorallem dadurch konnten die Einnahmen aus Katasterver-messungen seit 1996 um ca. 50 Prozent erhöht werden.Ich erinnere Sie noch einmal an die Zahlen: 1996 warenes 30,4 Mio. DM, 1997 46,2 Mio. DM. Das erfolgt abernicht durch eine entsprechend höhere Leistung im Ver-messungswesen, sondern in erster Linie durch höhereGebühren auf Kosten der Bürgerinnen und Bürger.

Herr Minister, Sie sagten, die Kunden der Katasterämterseien sehr zufrieden damit. Wie erklären Sie sich dann,daß viele Bürgerinnen und Bürger sich in letzter Zeitgerade über die hohen Gebühren für Vermessungslei-stungen beschwert haben und daß einige sich sogar mitPetitionen an den Landtag gewandt haben?

Ich meine, am Beispiel des Landesbetriebes Katasterämterwerden Inhalt und Zielstellung der Privatisierungspolitikder Thüringer Landesregierung deutlich. Das Land entziehtsich Schritt für Schritt seiner Verantwortung, überträgt dieGeschäftsverantwortung auf Dritte und läßt diese dannMaßnahmen durchführen, für die die Bürgerinnen undBürger bezahlen müssen. Es ist tragisch für Thüringen,daß eine solche Politik von einem SPD-geführten Mini-sterium nicht nur mitgetragen, sondern, wie MinisterDr. Dewes hier vorgetragen hat, sogar initiiert und ge-fördert wird.

(Beifall Abg. Frau Nitzpon, PDS)

Frau Raber hat heute morgen zu Recht die sozialfeindli-che Politik der Bundesregierung beklagt. Aber was ma-chen Sie hier in Thüringen? Doch ähnliches, Sie verla-gern die Kosten auf die Bürger.

(Zwischenruf Abg. Köckert, CDU: Das istPopulismus.)

Es ist kennzeichnend - wie bitte?

(Zwischenruf Abg. Dr. Dr. Dietz, CDU: Werzahlt es denn sonst?)

Sonst ist es von allen bezahlt worden, es war eine Lan-desaufgabe. Aber jetzt greifen wir wieder in die Tascheneinzelner hinein. Wenn wir mehr Steuern verlangen wür-den, würden es andere bezahlen, Herr Dr. Dr. Dietz.

(Zwischenruf Abg. Köckert, CDU: Das zahltder Steuerzahler.)

Und für mich ist es auch kennzeichnend, daß Thüringenbei dieser Entwicklung voranprescht. Der eigentliche Aus-gangspunkt des Gesetzes ist also, Zuschüsse für den Lan-desbetrieb auf Kosten der Bürgerinnen und Bürger ein-zusparen. Und, ich meine schon, daß das ein Zeichen füreine verfehlte Haushalts- und Finanzpolitik ist.

Die PDS-Fraktion wird diesen Gesetzentwurf ablehnen. Siewird sich der Ausschußberatung nicht verweigern, aberim Grunde genommen wird das Anliegen dieses Geset-zes von meiner Fraktion so nicht mitgetragen. Dankeschön.

(Beifall bei der PDS)

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Vizepräsident Friedrich:

Ich danke Herrn Abgeordneten Dietl. Als nächsten Red-ner bitte ich Herrn Abgeordneten Pohl, Fraktion derSPD, nach vorn.

Abgeordneter Pohl, SPD:

Herr Präsident, meine Damen und Herren, bevor ich zudem Thema komme, drei Vorbemerkungen.

Meine erste Vorbemerkung: Mit Verwunderung las ichin der "Thüringer Allgemeinen" die Aussage von HerrnKöckert, daß dies ein Gesetzentwurf des Innenministe-riums ist. Ich war bis jetzt immer der Ansicht, daß Ge-setzentwürfe von der Landesregierung kommen.

(Beifall bei der SPD)

Ein Zweites: In dieser TA-Mitteilung wird auch der Ein-druck erweckt, daß alles, was mit Grundstücksverkäufenzu tun hat, um 30 Prozent teurer wird.

Und eine dritte Vorbemerkung, Herr Dietl: Der Landes-betrieb wurde mit breiter Zustimmung beschlossen, zumBeispiel auch, um Arbeitsplätze zu erhalten. Sie habenauch lange genug im Innenausschuß gesessen und mitdarüber beraten, daß über 500 Zeitverträge bestandenund daß diese 500 Zeitkräfte - zeitlich gestreckt - hättenentlassen werden müssen. Und das haben wir durch dieUmwandlung dieses Landesbetriebes verhindert, Gottsei Dank.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, nach der jahrzehntelangen Ver-nachlässigung des privaten Grundeigentums hat auch dieSicherung des Immobilienbesitzes mit der Wiedervereini-gung eine hohe, eine sehr hohe Bedeutung für die wirt-schaftliche Entwicklung in den neuen Bundesländern ge-wonnen. Und im Zusammenhang von Liegenschaftskatasterund Grundbuch wird das Eigentum an Grund und Bodenin den entsprechenden amtlichen Werken eindeutig be-schrieben und vor allen Dingen auch rechtlich geschützt.Damit wir eigentlich wissen, worüber wir sprechen: DasGrundbuch weist beschreibend Eigentum und Eigen-tumsverhältnisse sowie Rechte und Belastungen nach.Im Liegenschaftskataster wird u.a. der Nachweis überdie Lage der Grundstücke, der Gebäude und der Nut-zungsarten geführt, so daß mit den vermessungstechni-schen Bestimmungsstücken ein eindeutiger Bezug zurErdoberfläche gegeben wird. Beide, Grundbuch und Lie-genschaftskataster, bilden aus diesem Grund eine untrenn-bare Einheit, weil ja die eigentumssichernde Funktion desGrundbuchs sich direkt auf das Liegenschaftskatasterstützt. Beides muß deshalb stets in Übereinstimmung gehal-ten werden. Bei einer Grundbuchumschreibung, z.B. wegeneines Verkaufs, erfolgt deshalb notwendigerweise auch dieKatasterfortführung. Hier kommen wir zu dem eigentlichen

Knackpunkt dieses Gesetzes. Für die Grundbuchumschrei-bung, so wurde es von meinen Vorrednern ja schon ge-sagt, werden bundesweit Gebühren erhoben, aber für dieFortführung des Liegenschaftskatasters werden nur inBremen, Hamburg und Hessen Gebühren erhoben. DerFreistaat Thüringen, nüchtern betrachtet, erbringt somit eineLeistung ohne Entgelt. Der Erlaß eines Landesgesetzesnach dem Vorbild der vorher genannten Gesetze ist deshalbbeabsichtigt. Ohne ein solches Gesetz würden weiterhin ko-stenfreie Leistungen des Landes für die Grundstückseigen-tümer im Rahmen der Eigentumssicherung erbracht und mitallgemeinen Steuereinnahmen subventioniert. Der Entwurfdes Thüringer Katasterfortführungsgesetzes sieht deshalbvor, die Verursacher und Nutznießer für die Fortführungdes Liegenschaftskatasters nach einer Eigentumsumschrei-bung im Grundbuch, zum Beispiel ist genannt wordendurch Kauf, durch Tausch, durch einen Erbfall, mit einerGebühr zu belegen. Die Höhe des Gebührensatzes orientiertsich am Aufwand und soll nach dem Entwurf 30 Prozentder Gebühr des Grundbucheintrags betragen.

Damit Sie, meine Damen und Herren, wissen, um welcheGebührenerhöhung es sich handelt, der Herr Innenministerhatte zwei Beispiele genannt, ich möchte sie um zwei Bei-spiele erweitern. Man muß wissen, es geht um den Ge-schäftswert. Der Geschäftswert ist die Grundlage für dieGrundbuchumschreibung, und er ist also auch die Grundla-ge für die Katasterfortführung. Wenn ich also einmal 8000Quadratmeter Wald nehme - ich gehe davon aus, Wald wirdmit etwa 0,50 DM pro Quadratmeter gehandelt -, dann habeich einen Geschäftswert von 4.000 DM, dann beträgt dieGrundbuchumschreibung 35 DM und die Katasterfortfüh-rung 10,50 DM. Und ein zweites Beispiel: Bei einemBauplatz von 500 Quadratmetern - ich nehme einmal ei-nen mittleren Wert von 65 DM pro Quadratmeter an -habe ich einen Geschäftswert von 32.500 DM. Das würdeeine Grundbuchumschreibung von 130 DM ausmachen,und wenn ich davon 30 Prozent berücksichtige entspre-chend unseres Gesetzentwurfs, kämen als Katasterfort-führungsgebühren 39 DM zustande. Meine Damen undHerren, diese Gebühren sind nicht mit den Vermessungs-gebühren zu verwechseln. Und wer das wissentlich oder un-wissentlich tut, der verwechselt eben Äpfel mit Birnen.

(Beifall Abg. Rieth, SPD)

Ich meine, die Erhöhung dieser Gebühren, dieser Ver-messungsgebühren, nach dem 1. Januar 1997 sind mitRecht kritisch zu hinterfragen, weil sie wirklich auch zueiner unverhältnismäßig hohen Belastung der Bürger undauch der Kommunen führen. Einmal nur zwei Beispiele:Wenn ich zum Beispiel eine Garage nehme mit einem biszu 50.000 DM Rohbauwert, dann kostet diese Vermessung1.710 DM. Und wenn ich zum Beispiel ein Einfamilienhausnehme mit einem Rohbauwert bis zu 200.000 DM, dannhabe ich schon Vermessungsgebühren von 2.285 DM.Das ist eigentlich das, was unsere Bürger belastet, undwir wissen ja auch, dazu kommen noch die Trennver-messungen.

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6334 Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 72. Sitzung, 29. Januar 1998

Meine Damen und Herren, die anfallenden Katasterfort-führungsgebühren sollen nach dem Gesetzentwurf zu-sammen mit den Grundbuchgebühren von den Amtsge-richten eingezogen werden. Das ist sinnvoll und ein ein-facher und zweckmäßiger Weg. Sicher gibt es noch Be-ratungsbedarf, zum Beispiel im Zusammenhang viel-leicht auch mit den Prozentsätzen. Ich beantrage des-halb, diesen Gesetzentwurf selbstverständlich an den In-nenausschuß zu überweisen und federführend auch anden Justiz- und Europaausschuß. Denn sie müssen ja imGrunde genommen auch dafür Sorge tragen, daß dasGeld ...

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Anders-herum, Herr Pohl.)

An den Justiz- und Europaausschuß nicht? Federführendan den Innenausschuß und begleitend an den Justiz- undEuropaausschuß. Ich danke.

(Beifall bei der SPD)

Vizepräsident Friedrich:

Danke, Herr Abgeordneter Pohl. Als nächsten Rednerbitte ich Herrn Abgeordneten Köckert, Fraktion derCDU, nach vorn.

Abgeordneter Köckert, CDU:

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren,da ich mehrfach zitiert worden bin, lassen Sie mich zudiesem Punkt noch einiges klarstellen. Erstens, der Weg,der mit der Thüringer Katasterverwaltung eingeschlagenworden ist, wird von unserer Fraktion voll mitgetragen,und wir haben dies auch immer mit befördert und

(Beifall bei der CDU)

waren an den ganzen Erarbeitungen und gesetzlichenGrundlagen für diesen Weg auch mit beteiligt, und zwarsehr aktiv beteiligt. Meine Fragen bei diesem Gesetzent-wurf gehen in die Richtung, und Herr Pohl hat es ange-deutet, daß wir in den letzten zwei Jahren gerade im Be-reich Kataster Kostensteigerungen und Preissteigerungenfür die Nutzer haben, die sich um ein Vielfaches vergrößerthaben zum Vergleich mit dem Bisherigen. Und, ich denke,man sollte hier sehen und mit Augenmaß handeln, wie weitman dieses in einem zeitlich so kurzen Rahmen weiter-treiben kann. Und da geht es mir nicht darum - und sohabe ich das auch in der Öffentlichkeit gesagt -, daß wirhier diese Gebühr nicht erheben. Mir geht es um die Hö-he dieser Gebühr. Wir sind ein Vorreiter bei dieser Ge-bühr in den neuen Bundesländern. Aber ich frage mich,warum müssen wir dann auch Spitzenreiter sein oderuns in der Spitzengruppe befinden, wenn Bremen 35 Pro-zent erhebt und Bayern 30, dann müssen wir tatsächlichauch 30 machen? Das wage ich zu bezweifeln. Die Hessenhaben zehn. Und ich bitte nur einfach, daß im Ausschuß

mal zusammengerechnet wird, die Summen, die Herr Pohleben genannt hat, bei einem normalen Grundstück, bei einernormalen Hauseinmessung, bei einer normalen Trennver-messung, was auf den Eigentümer zukommt und wo jetztnoch diese zusätzliche Gebühr, deren Rechtmäßigkeit ichnicht bestreite, sondern deren Höhe ich in Frage stelle. Undda, Herr Dewes, erlaube ich mir noch in Ihre Richtung die-sen Hinweis, nur zur Vervollkommnung Ihrer hiesigenKenntnisse. Es sind nicht die Vermögenden, die Grund undBoden besitzen in diesem Land, es sind nicht die Reichen,denen es nichts ausmacht, wenn sie dann mal locker nochzwei Hunderter dazuzahlen müssen. Es sind auch die einfa-chen Bürger, die ihr 500-Quadratmeter-Grundstück überdie DDR-Zeit gerettet haben und die aus Nachlässigkeitvielleicht katastermäßig nicht alles erledigt haben, abernun zur Kasse gebeten werden müssen. Diese Trennung inArm und Reich, und diese Meinung, es trifft ja hier nur dieReichen, und da können wir es nehmen, ist an diesemPunkt vollkommen falsch und unangebracht.

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsident Friedrich:

Danke, Herr Abgeordneter Köckert. Als nächster Red-ner hat sich Herr Minister Dr. Dewes noch einmal ge-meldet.

Dr. Dewes, Innenminister:

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, ansich hatte ich ja nicht die Absicht, noch einmal das Wort zuergreifen. Nur, Herr Abgeordneter Köckert, das, was Siehier gesagt haben, macht es notwendig. Ich halte das,was Sie hier gesagt haben, für pharisäerhaft. Und ichmuß Ihnen sagen, Sie sind ein großer Pharisäer, dasweiß ich.

(Zwischenruf bei der CDU: Oh !)

(Beifall bei der PDS)

(Zwischenruf Abg. Köckert, CDU: Das isteine Unverschämtheit.)

Und ich will das folgendermaßen begründen: Diese Schein-heiligkeit, mit der Sie hier den Eindruck erwecken, sichgegen die Landesregierung, gegen den Gesetzentwurf,den wir nach eingehender Prüfung vorgebracht haben,aussprechen zu müssen mit dem Hinweis, dadurch wür-den die Bürgerinnen und Bürger in unangemessenerWeise belastet werden. Es stimmt nicht. Unsere Kata-stergebühren bei Vermessungen von Grundstücken sindvergleichbar mit denen der anderen alten und neuenBundesländer. Und darum geht es hier und heute garnicht. Und fragen Sie Ihren Kollegen Kölbel, der hiersitzt, der davon mehr versteht als Sie. Fragen Sie Ihn,um was es hier geht.

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 72. Sitzung, 29. Januar 1998 6335

(Beifall bei der SPD)

Es geht um eine Fortschreibung des Liegenschaftskatasters.Und es geht auch nicht - und ich habe dies auch nicht ge-sagt, das möchte ich hier ganz deutlich machen -, um dieVermögenden und Reichen. Ich habe gesagt, es geht umdiejenigen, die Eigentum besitzen. Und es geht darum, undich habe das deutlich gemacht, die Kosten bei einer Kata-sterfortschreibung stehen im Verhältnis zum Wert diesesWohneigentums. Ich habe gesagt, bei 300.000 DM, die einEinfamilienhaus wert ist, wenn diese Katasterfortschrei-bung erfolgt, sind dies 168 DM. Und bei dem landwirt-schaftlichen Grundstück von 2.000 Quadratmetern, mitdem Wert 1 DM pro Quadratmeter sind es 6 DM. Ichwill damit nur deutlich machen, daß es hier nicht um ei-ne Diskussion um die Kataster- und Vermessungsge-bühren geht. Die sind absolut vergleichbar mit denen inden anderen Bundesländern. Und ich bitte einfach umSachlichkeit bei der Behandlung dieses Themas. Mankann nicht auf der einen Seite den Landesbetrieb Katasterin Thüringen loben, auf der anderen Seite ihm 2 Mio. DMaus dem Haushalt herausstreichen - und das haben Siemitgetan, mit uns zusammen - und dann gleichzeitignicht dafür Sorge tragen, daß dieser Betrieb auch ko-stendeckend arbeiten kann. Dies ist eine große Schein-heiligkeit, Herr Köckert.

(Beifall bei der SPD)

Vizepräsident Friedrich:

Als nächsten Redner bitte ich Herrn AbgeordnetenKöckert nach vorn und dann anschließend Herrn Fiedler,wenn ich das richtig gesehen habe.

Abgeordneter Köckert, CDU:

Herr Innenminister, ich weise Ihren Vorwurf des Phari-säertums mit Entschiedenheit zurück. Das ist eine Un-verschämtheit, erstens.

Vizepräsident Friedrich:

Herr Köckert, einen kleinen Moment. Ich schlage ein-mal vor, "Scheinheiligkeit" und "Unverschämtheit" he-ben sich gegeneinander auf.

Abgeordneter Köckert, CDU:

Ja, das ist ja gut. Und es ist gut, daß Sie es jetzt bemer-ken und vorhin nicht bemerkt haben. Aber das ist be-merkenswert.

Vizepräsident Friedrich:

Bitte was? Ich habe jetzt nicht verstanden. Ich habe aberauch bemerkt, daß ...

Abgeordneter Köckert, CDU:

Ich habe auf Ihre Bemerkung schon gewartet, Herr Prä-sident, als es mit dem "scheinheilig" kam. Da haben Sieaber geschwiegen.

Vizepräsident Friedrich:

Herr Köckert, ich habe aber auch die Bemerkung unter-lassen, wenn Sie schon aufzählen, daß Sie hier vornebenfalls schon mal "unverschämt" gesagt haben. Ichdenke, das hebt sich auch auf. Bitte, fahren Sie fort.

(Beifall bei der SPD)

Abgeordneter Köckert, CDU:

Ich weiß gar nicht, was da so lustig ist.

Meine Damen und Herren, Herr Innenminister, wir werdenes im Protokoll nachlesen können, wovon Sie gesprochenhaben, als Sie von den Hauseigentümern geredet haben. Ichhabe Sie da nicht falsch zitiert, zum einen. Und zum zwei-ten, wenn Sie aufmerksam meiner Rede gefolgt wären,dann hätten Sie genau verstanden, was ich will. Dieses Ge-samtpaket, was wir erheben bei Grundbuch und Katasterund auch bei den Überschreibungsgeschichten, das mußman sich ansehen. Da soll man hinsehen, und da spieleich nicht das eine gegen das andere aus. Ich schmälerenicht die Leistungen der Katasterämter. Und wenn wirim Haushalt diese 2 Mio. DM gemeinsam beschlossenhaben, die wir den Katasterämtern weniger geben, dannwerden wir uns das nächste Mal von Ihnen erklären las-sen, wie Sie diese 2 Mio. DM einsparen wollen. Dennes wurde gesagt, durch Effizienzsteigerung im Kataster-wesen und nicht durch ein Einführen einer neuen Gebühr.

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsident Friedrich:

Danke. Herr Abgeordneter Fiedler, bitte.

Abgeordneter Fiedler, CDU:

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren,ich bin schon etwas verwundert, daß die Wellen so hochschlagen bei der Fortführung des Liegenschaftskata-sters. Ich hätte mir erstens gewünscht, daß, bevor wir indie erste Lesung gehen, die Wogen nicht so hoch schla-gen, sondern daß man sich erst einmal fachlich mit denDingen auseinandersetzt. Das, denke ich, ist angemes-sen einer Problematik, wo es um solche Dinge geht. Ichglaube, die Fachleute sollten sich mit den Dingen be-schäftigen. Wir haben uns, seitdem uns der Gesetzent-wurf vorliegt, damit beschäftigt und sind natürlich auchdazu gekommen, daß man genau hinterfragen muß, waskostet das für die Betroffenen - Investoren, Kommunen,Bürger -,

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(Beifall bei der SPD)

und das muß man sich genau anschauen. Ich glaube, wennich mich recht entsinne, war es heute früh die Frau Pelke,wir haben uns über das Ehrenamtsgesetz unterhalten, daswir sicher alle gern gehabt hätten, dann haben wir aber dasGeld nicht mehr gehabt, und dann haben wir den Schrittgetan und gesagt, wir können es jetzt nicht machen. Hierhaben wir genau die Haushaltslage, die uns allen bekanntist. Es wird wohl einen Nachtragshaushalt geben, und wirwerden uns in diesem Haus wieder über Geld unterhaltenmüssen. Da muß man dann auch abwägen, wo kann mannoch Reserven erschließen und wo nicht. Da muß mangenau hinschauen, wie kann man das machen, soll manes machen, oder subventioniert das Land das weiter,weil wir der Meinung sind, daß für bestimmte Betroffe-ne dieses einfach nicht mehr zu bringen ist. Ich streitemich gar nicht, man kann das günstige Beispiel heraussu-chen oder die etwas weniger günstigen, wenn man in Bal-lungsgebiete geht, wo natürlich die Werte ganz anderssind, darüber will ich gar nicht reden. Ich denke, wirsollten in den Ausschüssen uns die Betroffenen ranho-len und mit denen darüber reden, wie ist das finanziellzu verkraften. Wir müssen uns entscheiden als Gesetz-geber, im Endeffekt der Vorlage der Landesregierung zufolgen, daß wir hier auch entsprechende Gelder mobili-sieren - entweder vom Land, oder wir müssen sie vonden anderen holen. Das sollte in den Beratungen genaubedacht werden. Ich denke, ich wünsche uns dazu guteBeratung.

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsident Friedrich:

Danke. Die Rednerliste wird größer. Bitte, Herr Abge-ordneter Pohl.

Abgeordneter Pohl, SPD:

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Abgeord-neter Fiedler, ich unterstütze Ihre Worte ausdrücklich, denndie Frage ist doch ganz eindeutig, und das sollte der HerrKöckert ja auch verstanden haben, daß wir gesagt haben,im Innenausschuß haben wir Beratungsbedarf, und dannwerden wir auch unter Umständen über den Prozentsatzberaten. Aber, ich meine, Herr Köckert, bevor man andie Presse geht, sollte man sich fachlich über die Dingeauch erst mal sicher machen, und dann kann man etwassagen. Danke.

(Beifall bei der SPD)

Vizepräsident Friedrich:

Besteht weiterer Redebedarf? Das ist nicht der Fall.Dann schließe ich die Aussprache zu diesem Gesetzent-wurf, und wir kommen zur Abstimmung. Es bestehtdoch sicherlich Einigkeit, daß wir über Innenausschuß

und Justiz- und Europaausschuß ohne Federführunggleich komplett abstimmen.

Wer der Überweisung der - Drucksache 2/2534 - an denInnenausschuß und den Justiz- und Europaausschuß sei-ne Zustimmung gibt, den bitte ich um sein Handzeichen.Danke. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? 1 Stimm-enthaltung. Gut. Jetzt kommen wir zur Federführung.Wer dafür ist, daß die - Drucksache 2/2534 - federfüh-rend im Innenausschuß behandelt wird, den bitte ich umsein Handzeichen. Danke. Gegenstimmen? Enthaltun-gen? 2 Stimmenthaltungen. Danke. Damit ist überwie-sen und dieser Tagesordnungspunkt erledigt.

Ich rufe auf Tagesordnungspunkt 7

Staatsvertrag über den MitteldeutschenRundfunk (MDR)Antrag der Fraktion der PDS- Drucksache 2/2436 -

Mir wurde signalisiert, daß eine Einbringung nicht er-folgt. Deswegen eröffne ich sogleich die Ausspracheund bitte Herrn Abgeordneten Köckert, Fraktion derCDU, nach vorn.

Abgeordneter Köckert, CDU:

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren,lassen Sie mich zum Antrag der PDS einiges sagen:

1. Der MDR-Rundfunkrat arbeitet seit Dezember. EineHandlungsunfähigkeit des Rundfunkrats ist überhaupt nichtzu erkennen. Die Beschlußfähigkeit ist gegeben. Die ent-sprechenden Arbeitsaufnahmen sind erfolgt. Daß es Entsen-deprobleme gibt, wie auch bei anderen Gremien, aber auchhier beim Rundfunkrat, das ist durchaus nichts Ungewöhn-liches, zumal hier das erste Mal die Regelung des Staatsver-trags in Kraft getreten ist bzw. angewandt wurde, und essich nun zeigte, daß der eine oder andere Punkt dort gege-benenfalls nicht so klar ausgedrückt worden ist, wie eswünschenswert wäre. Diese Entsendeprobleme gab esübrigens in allen Ländern, nicht nur in Thüringen, unddas schmälert nicht die demokratische Zusammenset-zung des Rundfunkrats. Sowohl in Sachsen hatte manmit dem § 19 Abs. 16 Schwierigkeiten wie auch bemer-kenswerterweise in Sachsen-Anhalt mit einem anderen Pa-ragraphen bei der Entsendung, wo bezeichnenderweise diePDS-entsandte Vertreterin in den Rundfunkrat als Problem-fall auftrat, weil sie ihren Wohnsitz nicht in Sachsen-An-halt hat.

(Zwischenruf Abg. Frau Zimmer, PDS: Dasist geregelt.)

Das läßt sich sicher einfach regeln. Aber das zeigt ein-fach die Unsicherheit in dieser Gesamtproblematik. DieRechtsaufsicht, die zur Zeit in der sächsischen Staats-kanzlei liegt, hat keinen Anlaß gesehen, einzugreifen, son-

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 72. Sitzung, 29. Januar 1998 6337

dern hat den MDR-Rundfunkrat aufgefordert, diese Dingeintern zu klären. Dieses Klärungsverfahren ist im Gange.Da der Zeitraum der Legislatur von 1997 bis 2003 geht, derRundfunkrat ist auf sechs Jahre gewählt, kann bei einerweiteren Fassung des Staatsvertrags, die im Jahr 2001 an-steht, diese Entsendeproblematik geklärt werden, um somitdie Unsicherheiten, die aufgetreten sind, noch weiter zu mi-nimieren. Ich kann mir nicht vorstellen, daß alle Problemeauszuschließen sind. Aber im Grunde genommen kann die-ser Fakt nicht zum Anlaß genommen werden, daß man hierneue Staatsvertragsverhandlungen aufnimmt im Gesamtpa-ket des MDR-Staatsvertrags. Deshalb empfehle ich, diesenAntrag abzulehnen.

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsident Friedrich:

Ich danke Herrn Abgeordneten Köckert. Als nächsteRednerin bitte ich Frau Abgeordnete Nitzpon von derFraktion der PDS nach vorn.

Abgeordnete Frau Nitzpon, PDS:

Herr Präsident, werte Abgeordnete, eben, Herr Köckert,weil es solche Rechtsunsicherheiten gibt, sollten schnellst-möglich diese Beratungen zwischen den Regierungen auf-genommen werden. Deswegen könnten Sie ja eigentlichunserem Antrag zustimmen, denn den Rundfunkrat, unddas möchte ich Ihnen an Beispielen darlegen, den kannman durchaus derzeit in seiner Legitimität in Frage stel-len. In Sachsen klagt ein Verein, der sich beworben hat,gegen die Wahl weiterer gesellschaftlicher Organisationenin den sächsischen Landtag, um die verspätete Aufstellungder TU Dresden in Frage zu stellen, die sich auch zu spätbeworben hatten. Die Verbraucherzentrale in Thüringen hatnach eigenen Angaben auch die Absicht, die entsprechendeWahl juristisch anzufechten, und drei benannte Vertreterfür den neu konstituierenden Rundfunkrat haben bei dergegenwärtigen Arbeit - das wissen Sie - kein Stimmrecht,auch bei den damit verbundenen Wahlen. Das heißt, 3 von42, das entspricht 7 Prozent, zähle ich die TU Dresdendazu, sind das 4 von 42, das sind 10 Prozent, die in die-sem Rundfunkrat keine stimmberechtigte Möglichkeithaben, sich dort einzubringen. Sollte, wovon ich zweifels-frei ausgehe, eine juristische Entscheidung gegen die Wahlin Sachsen im sächsischen Landtag und gegen die Wahlin Thüringen im Thüringer Landtag bei der Besetzung wei-terer gesellschaftlich bedeutsamer Gruppen und Organisa-tionen erfolgen, dann sind auch alle bisherigen inhaltli-chen Entscheidungen des neuen MDR-Rundfunkrats ju-ristisch anfechtbar und anzuzweifeln. Ich bin schon des-wegen der Auffassung, der derzeitige MDR-Rundfunk-rat ist nicht handlungsfähig. Und ich stimme Ihnen zu,man muß nicht nur den MDR-Staatsvertrag in diesemPunkt ändern, sondern man sollte sich generell verstän-digen, den MDR-Staatsvertrag in vielen Punkten zu än-dern. Wir haben diesen Antrag auch eingebracht, weil esdiese Unsicherheit der genannten Gruppen in diesem MDR-

Rundfunkrat gibt, aber wir haben ihn auch eingebracht, weilgerade Dr. Pietzsch in den letzten Monaten, als er zu dieserWahl im Thüringer Landtag der relevanten Gruppen undOrganisationen handelte und dazu sprach, sich immer aufdie unkorrekte Formulierung dieses § 19 berief. Deswegenist unser Antrag so formuliert, daß sich die Landesregierungmit der sächsischen Staatsregierung und der Landesregie-rung Sachsen-Anhalts zusammensetzen und in Verhandlun-gen treten sollte, um die Novellierung des MDR-Staatsver-trags in diesem Punkt schnellstmöglich noch einmal neu zuformulieren. Ich denke, es geht in der heutigen Entschei-dung wirklich ausschließlich um die Rechtssicherheit beider Wahl des MDR-Rundfunkrats, und das sollte schnellst-möglich noch einmal geschaffen werden. Danke.

(Beifall bei der PDS)

Vizepräsident Friedrich:

Ich danke Frau Abgeordneten Nitzpon. Als nächstenRedner bitte ich Herrn Abgeordneten Seidel, Fraktionder SPD, nach vorn.

Abgeordneter Seidel, SPD:

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren!Werte Kolleginnen und Kollegen der PDS-Fraktion, nichterst das Nominierungsverfahren der Kandidatinnen undKandidaten für die 2. Amtsperiode des Rundfunkrats desMitteldeutschen Rundfunks hat bewußt gemacht, daß we-sentliche Bestimmungen des MDR-Staatsvertrags sprach-lich unpräzis, nicht eindeutig und diffus sind. Kurzum, dasganze Vertragswerk wurde unsolide und mit heißer Na-del gestrickt und hat sich als rechtliche Katastrophe er-wiesen,

(Beifall bei der PDS)

(Zwischenruf Abg. Köckert, CDU: So einQuatsch.)

so besonders § 19, Zusammensetzung des Rundfunkrats.Dazu kommt noch in dem Fall die gröbliche Verletzungdes Gebots der Staatsferne sowie eine Vielzahl weitererMängel. Die PDS-Fraktion hat durchaus recht, meineDamen und Herren, wenn sie auf eine Novellierung desMDR-Staatsvertrags drängt. Selbige Forderung haben wir,das heißt meine Fraktion, schon vor sechs Jahren und auch1994 vor Beginn der 2. Legislatur bei den Koalitionsver-handlungen aufgemacht. Die rabenschwarze Geschichtedes MDR-Staatsvertrags hier abzuhandeln, wäre ein abend-füllendes Programm für sich. Frau Nitzpon, Sie haben dasganze Dilemma von Anfang an miterlebt. Sicher, ganzbesonders § 19 ist in mancher Hinsicht fragwürdig. Sosteht beispielsweise unter § 19 Abs. 1 Nr. 2: "(1) DerRundfunkrat setzt sich zusammen aus: Vertretern der inmindestens zwei Landtagen durch Fraktionen oder Gruppenvertretenen Parteien

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(Zwischenruf Abg. Köckert, CDU: DerLandesvorsitzende der SPD arbeitet imRundfunkrat recht fleißig mit.)

in der Weise, daß jede Partei entsprechend der Gesamtstär-ke der Fraktionen oder Gruppen je angefangene fünfzig Ab-geordnete ein Mitglied entsendet; - dabei kann im Rahmendieser Bestimmung eine Gruppe nur eine Partei vertreten.Es wird in der Reihenfolge Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thü-ringen entsandt. Die Auswahl der zu entsendenden Vertre-ter innerhalb eines Landes ist gemäß dem d'Hondt'schenHöchstzahlverfahren vorzunehmen -," Da kommt, liebeKolleginnen und Kollegen, Freude auf, welch ästhetischformvollendetes Deutsch die Verfasser in ihrer grenzenlo-sen Weisheit hier zur Sprache brachten.

(Beifall bei der PDS)

Spaß beiseite, das Ganze ist nicht nur ein ästhetischer,sondern vor allem ein juristischer Flop, der jeder Will-kür Tür und Tor öffnet. Ich staune immer wieder, mitwelch krimineller Energie der Paragraph, ja das gesamteVertragswerk, gestrickt wurde. Die PDS hat wahrlich recht,kommt aber mit ihrem Antrag in dieser Frage reichlich spät,da die SPD-Fraktion frühzeitig, schon kurz nach der Ver-abschiedung des Staatsvertrags eine Verfassungsklagein Karlsruhe einreichte. Nach Errichtung des ThüringerVerfassungsgerichtshofs in Weimar wurde diese Klagemodifiziert und umgehend von allen 29 Abgeordneten derSPD-Fraktion in der 2. Legislatur, auch den beiden Mini-stern mit Abgeordnetenmandat am 6. Mai 1996 in Weimareingereicht. Wir wissen heute, daß der Thüringer Verfas-sungsgerichtshof in Weimar die eingereichte Klage imMärz 1998 behandeln wird.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, das Anliegendes PDS-Antrags ist im wesentlichen auch das meinige.Das habe ich wohl ohne irgendwelche inhaltlichen Ver-renkungen hinreichend zum Ausdruck gebracht. In derKoalitionsvereinbarung vom 17. November 1994 steht -gestatten Sie, daß ich zitiere, Herr Präsident?: "Ange-sichts der anhängigen Verfassungsklage der SPD-Frak-tion von Sachsen und Thüringen auf Novellierung desMDR-Staatsvertrags stellen die Koalitionspartner fest, daßeine Novellierung entweder im Falle eines Erfolgs der Kla-ge oder bei Herstellung des Einvernehmens der drei Ver-tragsländer in Frage kommt." Einvernehmen herrscht indieser Frage bis heute nicht einmal zwischen den Thü-ringer Koalitionspartnern, von Sachsen ganz zu schweigen.Während die SPD massiv eine Novellierung des MDR-Staatsvertrags anstrebt, fürchtet die Union eine Verände-rung des Vertrags wie der Teufel das Weihwasser. Die SPDhätte längst einen eigenen Antrag zum vorliegenden Pro-blem eingebracht, wenn sich die Union zwischen dieserFrage beweglich zeigen würde. Aus formalrechtlichenGründen im Sinne der Koalitionsvereinbarung und im In-teresse der politischen Stabilität im Freistaat ist es mir nichtmöglich, dem Antrag der PDS zuzustimmen. In denSchlußbestimmungen "Verfahrensfragen der Koalitionsver-

einbarung" steht: "Die Koalitionspartner verpflichten sich,im Thüringer Landtag nicht mit wechselnden Mehrheitenabzustimmen." Diese Tatsache bestimmt auch mein heuti-ges Abstimmungsverhalten. Säßen im Thüringer Parlamentnur politische Amokläufer, Herr Köckert, ich denke dabeiauch an einige Unions- und PDS-Abgeordnete, so wäredie Politik des Freistaats schon längst im Chaos unterge-gangen. Danke.

(Beifall bei der SPD)

Vizepräsident Friedrich:

Ich danke Herrn Abgeordneten Seidel. Ja, ja, HerrSchwäblein, Sie kommen jetzt dran. Bitte.

Abgeordneter Schwäblein, CDU:

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, esist der seltene Umstand zu verzeichnen, daß ich einmalWortmeldungen sowohl der PDS als auch der SPD in allerEntschiedenheit hier zurückweisen muß, und dies zumgleichen Thema. Das ist jetzt ein ziemliches Novum. IhreInitiative ist so durchsichtig, wie sie kurz formuliert ist, sieist trotzdem zurückzuweisen. Dieser Staatsvertrag ist gültigseit vielen Jahren, und alle Beklagungsversuche haben bis-her nicht zum Erfolg geführt. Also lassen Sie uns fest-stellen, daß es sich hier um einen gültigen Staatsvertraghandelt. Der ist so lange gültig, bis ein Verfassungsgerichtetwas anderes bestimmt. Herr Seidel, ein Gesetz, das durchdiesen Landtag gegangen ist, hat noch in keinem Falle dasAttribut "mit krimineller Energie gestrickt" verdient,

(Beifall bei der CDU)

denn damit beschuldigen Sie alle die, die damals zurMehrheit hier beigetragen haben. Ich weise den Vor-wurf, hier etwas mit krimineller Energie betrieben zuhaben, aufs Entschiedenste zurück.

(Beifall bei der CDU)

Dies ist ein Stil, der bisher zwischen uns noch nichtüblich war, und ich hoffe, daß er auch ganz schnellwieder beiseite gelegt wird. Das führt tatsächlich nichtweiter. Ich weiß nicht, in welche Ecke Sie da schielen,indem Sie das gesagt haben, aber es ist eine bedrohlicheEntwicklung, die Sie damit andeuten. Dies vorab.

(Zwischenruf Abg. Seidel, SPD: DieMeinung habe ich ganz privat.)

Der MDR-Rundfunkrat hat nominell 42 Mitglieder, die un-terschiedlich nach dem Gesetz und gar nicht einmal unver-ständlich formuliert, wenn ich an andere Gesetze diesesLandtags und dieses Staates hier denke, bestimmt werden.D'Hondt ist etwas, was Ihnen persönlich vielleicht nichtschmecken mag, Herr Seidel, aber es ist demokratischlegitimiert und wird in vielen Landtagen und Körperschaf-

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 72. Sitzung, 29. Januar 1998 6339

ten angewendet. Dort, wo die SPD etwas stärker ist, mitVorliebe angewendet. Was Ihnen vielleicht nicht so ganzzupasse kommt hier, okay, damit müssen wir leben, aber esist demokratisch legitimiert, und wir haben es selten zurAnwendung gebracht. Wir haben meistens das Rangmaß-zahlverfahren genommen, aber sie stehen in der Verfas-sungswirklichkeit gleichwertig nebeneinander. Dies nocheinmal zu Ihrer bürgerlichen Fortbildung.

Der MDR-Rundfunkrat ist nach unterschiedlichen Kriterienzusammengesetzt, so unter anderem auch die Gruppierun-gen und Parteien, die in mindestens zwei Landtagen vertre-ten sind, nach dem d'Hondtschen Verfahren. Wenn jetzt ei-ne Organisation nicht benennt oder noch Unklarheiten be-stehen, so muß gefragt werden: Ist der Rundfunkrat dennnoch beschlußfähig? Das ist er nach der Satzung und nachdem Gesetz immer dann, wenn zwei Drittel seiner gesetzli-chen Mitglieder anwesend sind. Ihre Prozentspielereien,Frau Nitzpon, weisen deutlich darauf hin, daß selbst, wennalle die, die im Moment hinterfragt sind, zu Hause bleiben,trotzdem reichlich zwei Drittel da sind, so sie denn kom-men. Damit ist dieser Rundfunkrat beschlußfähig und legi-timiert, was immer Sie auch wollen. Demzufolge mußIhr Antrag schon einmal aus diesem Grunde abgelehntwerden. Ob das Verfahren zur Wahl der einzelnen Ver-treter optimal war, das läßt sich trefflich diskutieren, und ichhalte das, was wir in den letzten Monaten gemacht haben,auch nicht ganz für optimal,

(Beifall Abg. Gentzel, SPD)

gleichwohl demokratisch legitimiert und sachgerecht. Ichsage das gleich hinzu. Es gibt daran keine rechtlichen Zwei-fel. Daß wiederum Gruppierungen, die ob ihrer Bewerbungnicht erfolgreich waren, damit nicht zufrieden sind, sich ent-weder nur lauthals darüber beschweren, aber am Ende da-gegen klagen, ist aber auch kein Novum. Deswegen wirddoch das Gesetzeswerk nicht in Frage gestellt. Der Staats-vertrag ist im übrigen mit einer bestimmten Laufzeit ver-sehen, und erst danach beginnen wieder Verhandlungen.

Wir haben diesen Staatsvertrag damals, ich glaube, sehrzum Wohle der Bevölkerung der drei Staatsvertragsländerabgeschlossen. Der Erfolg des Mitteldeutschen Rundfunkszeigt sich gerade in der hohen Zuschauerakzeptanz undauch darin, daß wir keine Zwergenanstalt gegründet haben,was ja durchaus möglich gewesen wäre - zuschußbedürftigwie der Saarländische Rundfunk und wie Radio Bremen ab-solut schieflastig. Es hat gleichwohl Sinn gemacht, hier dreiLänder zusammenzuführen. Und auch drei Länder, die vorder gleichen Frage standen, schließen sie sich einem ande-ren größeren und schon bestehenden Gebilde an oder ge-hen sie gemeinsam ein Stück des Weges. Daß jetzt Abwer-bungsversuche von Brandenburg Richtung Sachsen-An-halt kommen, ist zwar verständlich, aber halt hinfällig obder Stabilität dieses Vertrags. Und daß Sie von der SPD kla-gen, weil Sie damals mit Ihren Vorstellungen nicht durch-gekommen sind, steht Ihnen doch frei, und warten wirdoch das Ergebnis des Spruchs ab. Wir haben ja noch an-

dere Gesetzgebungsverfahren, die dann am Ende beklagtsind, auch von eigenen Abgeordneten bereits beklagt wa-ren, das ist auch nichts Ungewöhnliches. Aber akzeptierenSie bitte dieses Gesetzeswerk, solange es nicht offiziell inFrage gestellt ist. Und was Sie eben mit Ihrer Brandredegetan haben, war an der Grenze dessen, was man wirk-lich noch ohne scharfen Widerspruch ertragen kann.

Also nochmals abschließend, meine Damen und Herren,zu diesem Punkt: Der MDR-Staatsvertrag ist demokra-tisch legitimiert und in all seinen Punkten gültig. DerRundfunkrat ist sachgerecht und rechtzeitig gewählt undbestimmt und auch deshalb arbeitsfähig, auch wennnicht alle seine Mitglieder da sind oder im Moment dasStimmrecht haben. Das ist ja nur aus Vorsicht gesche-hen, um nicht Beschlüsse, die gefaßt wurden, später nochmal erneut fassen zu müssen. Es wäre sogar gerechtfertigt,diese Leute jetzt an der Abstimmung teilnehmen zu lassen.Ich verweise auf den Umstand, daß in der ersten Periodedes MDR-Rundfunkrats die Handwerkerschaft aus Sach-sen-Anhalt eine ganze Zeit nicht wußte, wen sie eigentlichentsenden sollte. Deswegen waren trotzdem alle Beschlüssedes Rundfunkrats der ersten Periode gültig. Sie selber habendiesen Umstand nicht beklagt, daß da nicht ständig 42 Mit-glieder dort abgestimmt haben. Was soll das Ganze eigent-lich heute? Sollten Sie als Opposition vielleicht nicht dochandere medienpolitische Themen aufgreifen, die wirklichRelevanz in sich tragen? Ich verweise hier nur auf das An-sinnen des ZDF, während der Woche die Kindersendun-gen drastisch zurückzufahren, sie auf das Wochenende zubeschränken, gleichwohl eine Gettoisierung der Kindersen-dungen vorzunehmen? Das ist etwas, was uns hier bewegensollte, das wäre Ihre Aufgabe als Opposition, aber Sie sindja so schwach, daß wir Ihre Aufgaben noch mit über-nehmen müssen.

(Beifall bei der CDU)

Ich verweise mit allem Nachdruck auf diesen skandalö-sen Umstand, meine Damen und Herren. Wir werdenhier vom ZDF verladen. Und ich würde hier noch ganzandere Worte wählen, wären sie nicht schon längst imKatalog für Ordnungsrufe aufgenommen. Aber ich mußtrotzdem sagen, es ist schlicht eine Sauerei, was man damit uns macht,

(Heiterkeit im Hause)

mit dem Gesetzgeber macht, denn damals, als es darumging, die Gebühren auch für den Kinderkanal zu erhö-hen, sind Treueschwüre von den Öffentlich-Rechtlichengeleistet worden, daß es keineswegs gemacht würde, umdann späterhin den Umfang von Kindersendungen ein-zuschränken. Diese Schwüre sind mir noch sehr wohlim Ohr und sollten auch Ihnen von der Opposition nochsehr wohl bewußt sein. Wenige Monate, nachdem derKinderkanal zugegebenermaßen sehr erfolgreich arbei-tet, will sich das ZDF aus einem wesentlichen Bereich sei-ner Grundversorgung zurückziehen. Ich werde dieses Vor-

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gehen nicht vergessen. Und bei dem nächsten Antrag aufGebührenerhöhung gibt es meine Stimme für das ZDFnicht, denn eine ganz dezidiert gegebene Zusage wirdhier gebrochen. Ich weise schon jetzt darauf hin, dieseEntwicklung hat Weiterungen in sich. Die gleichen Be-denken haben wir hier vorgetragen, als es um den Doku-mentations- und Ereigniskanal "Phönix" ging. Und hatdas beim ZDF Erfolg mit den Kindersendungen, wirdman sich demnächst möglicherweise aus einer vertiefen-den Berichterstattung zu politischen Dingen zurückzie-hen, denn da gibt es ja noch irgendwo was, wo das japrinzipiell ausgesendet wird. Ich will darauf verweisen,obwohl mittlerweile der Kinderkanal in allen ...

Vizepräsident Friedrich:

Kollege Schwäblein, ich weiß ja, daß Sie steigerungsfä-hig sind, aber würden Sie sich jetzt wieder zum Themasteigern?

(Beifall Abg. Frau Nitzpon, PDS)

Abgeordneter Schwäblein, CDU:

Mache ich sofort. Ich steigere mich zu dem Thema sofortnach dem einen Satz: Es ist halt nicht so, daß der Kinderka-nal allen Haushalten zur Verfügung steht. Der wird terre-strisch nicht durchgängig abgestrahlt, und die Leute, diekeine Schüssel haben, die keinen Kabelanschluß haben,sind nicht in der Lage, dieses Angebot der Grundversor-gung auch wahrzunehmen. Ich will uns nur dieses The-ma selber aufgeben, um uns wirklich mit etwas Rele-vantem zu befassen und nicht mit Spielchen zu einemVertrag, der seit Jahren seinen Nutzen vollauf bewiesenhat, auch wenn es hier und da von Teilen des Parla-ments in Frage gestellt wird. Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsident Friedrich:

Ich danke. Die Rednerliste ist erschöpft. Ich schließe dieAussprache, und wir kommen zur Abstimmung.

Wir stimmen über den Antrag direkt ab, da nichts ande-res beantragt ist. Wer der - Drucksache 2/2436 -, Antragder Fraktion der PDS, seine Zustimmung gibt, den bitteich um sein Handzeichen. Danke. Gegenstimmen? Dan-ke. Stimmenthaltungen? Danke. Damit ist dieser Antragabgelehnt. Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt.

Wir kommen zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 8

Novellierung des Eigenheim-zulagengesetzesAntrag der Fraktion der PDS- Drucksache 2/2455 -

Ich bitte für die einbringende Fraktion Frau Dr. Wildauer,die Begründung vorzunehmen.

Abgeordnete Frau Dr. Wildauer, PDS:

Herr Präsident, meine Damen und Herren, wir fordern mitunserem Antrag "Novellierung des Eigenheimzulagenge-setzes" die Landesregierung auf, im Bundesrat eine Novelledes Eigenheimzulagengesetzes zu initiieren. Die vorge-schlagene Novelle zielt auf größere soziale Gerechtigkeitbeim Fördern von Eigenheimen, von Eigentumswohnungensowie Erweiterungs- und Umbaumaßnahmen an denselben.Wir schlagen vor, daß Familien mit Kindern, deren zu ver-steuerndes Jahreseinkommen 150.000 DM nicht übersteigt,zusätzlich gefördert werden. Dabei wollen wir die imgeltenden Gesetz festgelegten Einkommensgrenzen von120.000 DM für Alleinstehende bzw. 240.000 DM für Ehe-gatten nicht ändern. Bei zu versteuernden Jahreseinkommender Familien zwischen 150.000 DM und 240.000 DM plä-dieren wir für eine degressive Staffelung der Eigenheimzu-lage. Diese degressive Staffelung verhindert den sogenann-ten Fallbeileffekt des Gesetzes ab 120.000 bzw. 240.000DM. Für Alleinstehende schlagen wir im Antrag eine analo-ge Regelung vor. Die Kinderzulage soll von 1.500 DM auf2.000 DM je Kind erhöht werden. Die Vorschläge der PDS-Fraktion gehen auf die Hinweise vieler von uns befragterBürgerinnen und Bürger zurück. Sie sind sozial vertret-bar und führen zu einer Einsparung finanzieller Mittel.Diese Mittel können eingesetzt werden, um das Wohn-geld für die Bedürftigsten zu erhöhen. Das ist dringendnotwendig. Ich danke.

(Beifall bei der PDS)

Vizepräsident Friedrich:

Ich danke Frau Abgeordneten Dr. Wildauer für die Ein-bringung und eröffne die Aussprache. Als ersten Rednerbitte ich Herrn Abgeordneten Wetzel, Fraktion der CDU,nach vorn.

Abgeordneter Wetzel, CDU:

Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordne-ten, ein Kernstück der Unionswirtschafts- und Sozialpo-litik seit 1990 war, ist und bleibt die Wohnungspolitik.Verbesserungen der Lebensbedingungen im Wohn- und imWohnumfeld - eine 45jährige sozialistische Mißwirtschaft,die auch vor Städten und Dörfern keinen Halt gemacht hatund einen Zustand von Ruinen in den Kommunen hin-terlassen hat, die auch nicht mit den SED-Parteitagsbe-schlüssen zur Lösung der Hauptaufgabe "Jedem eine Woh-nung" oder Ministerratsbeschluß "Alle Dächer dicht" indiesen 45 Jahren nur annähernd gelöst wurden. Ich mußIhnen das immer wieder sagen, damit Sie es nicht ver-gessen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

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Diesen Hinterlassenschaften galt es so schnell wie mög-lich zu begegnen, und ich darf Ihnen sagen, die CDU-Wirtschafts- und Sozialpolitik war in den letzten siebenJahren erfolgreich.

(Beifall bei der CDU)

Sie war so erfolgreich, meine Damen und Herren vonder PDS, daß zwar unter den Blinden der Einäugige Kö-nig ist, aber es gehört schon Blindheit dazu, diese siebenJahre erfolgreiche Wohnungsbaupolitik nicht sehen zuwollen. Um all dieses Grau und diesen Schmutz zu beseiti-gen, wurden die richtigen Weichen gestellt. Mit hoher Effi-zienz, durch Fördermittelrichtlinieneinsatz - hören Siegenau zu, dann verstehen Sie das - wurden richtige Zielegesteckt, sie wurden und werden gleichberechtigt an pri-vat freifinanzierte Wohnungsunternehmen, an geförder-ten sozialen Mietwohnungsneubau wie auch an Sanie-rungen und Modernisierungen des bestehenden Woh-nungsbestandes vergeben. Von 1990 bis zum 31.12.1997wurde die stolze Summe von 11 Mrd. DM Fördermittelausgereicht.

(Beifall bei der CDU)

Von diesen 11 Mrd. DM entfallen 8,2 Mrd. DM auf denKFW und 3,8 Mrd. DM auf Bundes- und Landesmittel.Davon entfallen ca. 800 Mio. DM auf den Mietwohnungs-neubau und 800 Mio. DM für den rein privaten Wohnungs-bau und Hausbau. Von den letztgenannten wird mit Zweck-bestimmung Baudarlehen für Eigentumsmaßnahmen, mitAufwendungszuschüssen für Eigentumsmaßnahmen, mitBaudarlehen für Baukostenzuschüsse für Modernisierungs-und Instandsetzungsmaßnahmen und Erwerb kommunalerWohnungen zusätzlich zum Eigenheimzulagengesetz gear-beitet. Auch künftig werden wir unsere Schwerpunkte inder Wohnungsbauförderung dem privaten Wohnungsbauwidmen, denn wir sind immer noch der Überzeugungund werden dies auch bleiben, daß der sozialste Woh-nungsbau eben der private Wohnungsbau im Lande ist.

(Beifall bei der CDU)

In mehreren Studien, meine Damen und Herren, von unab-hängigen Instituten wurde in den zurückliegenden Jahrenimmer wieder deutlich die Aussage zur Schaffung von pri-vatem Wohnungsbestand getroffen. 82 Prozent der Thü-ringer Mieterinnen und Mieter haben den Wunsch, sichWohneigentum zu schaffen. Vorrang bei der Förderungmuß die Schaffung von Wohneigentum für Familien mitKindern, jungen Familien, behinderten Menschen sein.Dazu sollten günstiges Bauland, verringerte Vorschriften,niedrigere Baukosten und vereinfachte Genehmigungsver-fahren den Vorrang haben. Fördermittel sind in Abhängig-keit von den Einkommen anzulegen. Ca. 60.000 Neubau-wohnungen und Neubauten sind in den letzten sechs Jah-ren entstanden. Gerade die steuerliche Förderung hat Bewe-gung in den Thüringer Wohnungsmarkt gebracht, und wirkönnen davon ausgehen, daß sich der Neubau im Freistaat

künftig noch stärker auf Ein- und Zweifamilienhäuser kon-zentrieren wird. Mit dem Eigenheimzulagengesetz, meineDamen und Herren, und den Verbesserungen beim Bauspa-ren wurden die richtigen Signale gesetzt in eine Richtung,eine Unionsrichtung des sozialsten Wohnungsbaus, nämlichdem Wohneigentum. Es ermöglicht nicht nur die Eigen-tumsquote in den neuen fünf Ländern, sondern auch breitenSchichten der Bevölkerung, insbesondere auch Schwel-lenhaushalten, besser als bisher den Zugang zum Wohn-eigentum. Die OTZ von heute - Herr Präsident, darf ichkurz zitieren - auf der Titelseite "Trend zum eigenenHaus in Thüringen ist ungebrochen". Meine Damen undHerren, warum sollten wir daran etwas ändern?

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, soziale Marktwirtschaft imWohnungsbau in Deutschland funktioniert noch. Ihr Antragzur Novellierung des Wohneigentumszulagengesetzes isteine grundlegende Umstellung der steuerlichen Wohneigen-tumsförderung. Die neue Regelung, die wir jetzt haben, bie-tet eine effektivere Förderung von Familien mit Kindernund Haushalten mit mittlerem Einkommen. Die von derPDS-Fraktion vorgeschlagene Neuregelung würde zunächstdie Anwendung des Gesetzes nur unnötig erschweren.Die im PDS-Antrag enthaltene Ungleichbehandlung vonEinkommensbeziehern steht in vollem Widerspruch zu demZiel des Eigenheimzulagengesetzes. Vor dessen Inkrafttre-ten gab es über die Abschreibungsregelung eher eine Bes-serstellung höherer Einkommensbezieher. Jetzt, meine Da-men und Herren, haben wir die Gleichbehandlung. Die imAntrag vorgegebene Einkommensgrenze, ab der es zu pro-zentualen Abschlägen kommen soll, kann zudem von Ihnennur als willkürlich festgelegt bezeichnet werden. Die PDSspricht zwar immer von Fördergerechtigkeit, und sie führtseit geraumer Zeit die Arm-Reich-Diskussionen im Lande,ich kann bei Ihrem Vorschlag, meine Damen und Herrenvon der PDS, nur endgültig Klarheit erkennen, was Sie bisdahin immer verschwiegen haben, nämlich wo Ihre Grenzezum Reichtum liegt. Die liegt nicht bei 120.000 DM beiEin-Mann-Einkommen und nicht bei 240.000 DM bei ge-meinsamer Einkommensveranschlagung, sondern sie liegtbei Ihnen bei 150.000 DM bei Doppelveranschlagung.Dies ist auch einmal interessant zu wissen. Die ebenfallsvorgeschlagene Erhöhung der Kindergeldzulage im Rah-men des Einkommenszulagengesetzes würde sich finanziellmassiv auswirken und muß deshalb als unrealistische For-derung bezeichnet und abgelehnt werden. Damit wird auchdie Behauptung widerlegt, wonach die von der PDS einge-brachten Vorschläge insgesamt zur Einsparung führenwürden. Meine Damen und Herren, die Fraktion derCDU lehnt die - Drucksache 2/2455 - ab. Danke.

(Beifall bei der CDU)

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Vizepräsident Friedrich:

Ich danke Herrn Abgeordneten Wetzel. Als nächstenRedner bitte ich Herrn Abgeordneten Dietl, Fraktion derPDS, nach vorn.

Abgeordneter Dietl, PDS:

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren!Kollege Wetzel, in Ihren letzten wenigen Sätzen sind Sieauf unseren Antrag ein bißchen eingegangen. Sie habengesagt, damit wird die Behauptung widerlegt. Sie habeneine neue Behauptung aufgestellt, die Sie durch nichtsbelegt haben. Unser Antrag zielt tatsächlich auf eineBundesratsinitiative der Landesregierung ab. Um es miteinfachen Worten zu sagen: Es geht uns darum, diePDS-Fraktion unterbreitet Ihnen einen Vorschlag, wieGeld eingespart werden kann, und ich freue mich schonjetzt auf Ihre freudige Zustimmung.

(Beifall bei der PDS)

Seit dem Jahr 1996 gilt in der Bundesrepublik Deutsch-land das sogenannte Eigenheimzulagengesetz. Ich möchtedie wichtigsten Regelungen in Erinnerung rufen. DiesesGesetz regelt die Höhe eines absoluten Zuschusses für denBau oder Kauf eines Eigenheimes, den Kauf einer Eigen-tumswohnung bzw. für Ausbauten und Erweiterungen anEigentumswohnungen oder auch an Eigenheimen.

In § 9 des Gesetzes werden die Struktur und die Höheder Eigenheimzulage festgelegt. Die Eigenheimzulageumfaßt einen Fördergrundbetrag und die Kinderzulage.Der Fördergrundbetrag liegt für neue Eigenheime bzw.Erstbezug einer Eigentumswohnung bei 5.000 DM füracht Jahre und für die Anschaffung einer Wohnung oderden Ausbau und die Erweiterung von Eigenheimen beijährlich 2.500 DM wiederum für acht Jahre. Für jedesKind, für das ein Anspruch auf einen Kinderfreibetragoder auf Kindergeld besteht, erhält der Anspruchsbe-rechtigte jährlich 1.500 DM.

§ 5 in diesem Gesetz bestimmt die Einkunftsgrenzen fürden Anspruch auf Eigenheimzulage. Anspruchsberech-tigt sind Alleinerziehende, deren zu versteuerndes Ein-kommen im Erst- und im Vorjahr, also für zwei Jahre,240.000 DM nicht übersteigt und Ehegatten, deren zuversteuerndes Einkommen für diese beiden Jahre480.000 DM nicht übersteigt. Das ist einfach gesagt, einAlleinstehender hat ein jährlich zu versteuerndes Ein-kommen von 120.000 DM als Grenze, bei Ehegattensind es 240.000 DM. Ich möchte es gleich vorwegneh-men, wir betrachten das Eigenheimzulagengesetz als ei-nen Schritt in die richtige Richtung, als einen Schritt zueiner besseren Fördergerechtigkeit.

(Zwischenruf Abg. Wetzel, CDU: Na fein.)

Anstelle der früheren steuerlichen Förderung nach § 10 eEinkommenssteuergesetz ist ja nunmehr eine direkte Bezu-schussung in Abhängigkeit vom Einkommen getreten. BisEnde des Jahres 1995 erhielt derjenige für den Eigenheim-bau eine höhere steuerliche Förderung, der über ein höhe-res Einkommen verfügte. Also entsprechend der Steuernwurde berechnet, und wer viele Steuern hatte, konnte vielabsetzen, wer wenig hatte, konnte nichts absetzen. Damitwar doch eine wesentliche Ungerechtigkeit bei dieser För-derung zu verzeichnen. Mit dem Eigenheimzulagengesetzist die Förderung vom Kopf wieder auf die Füße gestelltworden, das ist zu begrüßen, weil vor allem auch Men-schen mit einem geringen oder aber auch einem durch-schnittlichen Einkommen nun in den Genuß der Förderungkommen. Das unterstützt und begrüßt meine Fraktion.

Daran soll auch nichts geändert werden, im Gegenteil.Unser Antrag zielt darauf ab, Familien mit einem zu ver-steuernden jährlichen Einkommen bis zu 150.000 DM min-destens so weiter zu fördern wie bisher. Für Familien bis zueinem solchen Einkommen, die noch erziehungsberech-tigte Kinder im Haushalt haben, den staatlichen Zu-schuß zu erhöhen, und zwar wie im Antrag vorgesehen,Aufstockung des jährlichen Kindergeldes von 1.500 auf2.000 DM jährlich. Des weiteren gehen wir davon aus,daß ab dieser Summe, also 150.000 DM zu versteuern-des Einkommen für Ehepartner und 75.000 DM für Al-leinerziehende, die Eigenheimzulage degressiv gestaltetwerden kann. Lassen Sie mich - weil Herr Wetzel das soabgelehnt hat - es an ein paar Beispielen erläutern. EinEhepaar mit zwei Kindern und einem zu versteuerndenEinkommen bis 150.000 DM würde nach unserem Vor-schlag für acht Jahre eine Eigenheimzulage erhalten, dierund 8.000 DM höher ist als bisher. Ein Ehepaar mitzwei Kindern und einem zu versteuernden Einkommenbis 160.000 DM würde in etwa das gleiche wie bisherbekommen. Ein Familie mit zwei Kindern und einen zuversteuernden Jahreseinkommen von 240.000 DM wür-de aber nach unserem Vorschlag nur noch eine Zulagevon 4.320 DM statt bisher 64.000 DM nach dem gelten-den Gesetz erhalten. Genau darauf zielen wir auch ab,da eine Einkommensgrenze bis 150.000 DM schon rela-tiv hoch bemessen ist und bei 240.000 DM ist es prak-tisch schon "Wasser in die Wipper schütten" oder "Eu-len nach Athen tragen". Ich meine auch, darauf hat dieKollegin Dr. Wildauer verwiesen, daß wir dieses Gesetzja viel im Lande diskutiert haben, bevor wir diesen An-trag eingebracht haben, um genau zu prüfen, wie dieStimmung draußen in der Bevölkerung dazu ist. Bei vie-len Bürgern in Thüringen, deren jährliches Einkommenzwischen 40.000 und 70.000 DM liegt, das ist die über-große Mehrzahl, gibt es wenig Verständnis dafür, daßFamilien mit Einkommen über 150.000 DM praktischdie gleiche Eigenheimzulage erhalten sollten wie sieselbst.

(Zwischenruf Abg. Wetzel, CDU: Arm undreich ...)

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 72. Sitzung, 29. Januar 1998 6343

Es geht also wiederum um mehr Fördergerechtigkeit.Wenn Sie daran denken, Kollege Wetzel, daß bei einemEinkommen bis 150.000 DM beide Ehepartner eigent-lich berufstätig sind und in solchen Fällen das Brutto-einkommen gegenüber dem zu versteuernden Einkom-men eigentlich noch um 30 Prozent höher liegt, dann kön-nen Sie feststellen, daß wir überhaupt keine Grenzen -wie Sie uns unterstellen wollen - festgelegt haben, sonderndaß wir sagen, daß es praktisch bis an einen Bruttoverdienstvon ca. 200.000 DM oder 17.000 DM Monatsbruttoein-kommen gehen kann. Also überhaupt keine Unterstellung,die Sie uns hier unterschieben wollten, wie Sie gedacht ha-ben. Ich denke, daß es - wie wir es vorgeschlagen haben -gerecht ist, wesentlich gerechter als bisher. Um auf denFallbeileffekt noch einmal zu kommen, Frau Dr. Wildauersagte es bereits, wer soll es denn verstehen, daß man mit240.000 DM Jahreseinkommen noch 64.000 DM Förde-rung hat und mit 240.001 DM keinen Pfennig mehr be-kommt. Diesen Fallbeileffekt bauen wir in der degressi-ven Besteuerung eindeutig ab.

Wir hätten Ihnen gern, meine sehr verehrten Damen undHerren, wie es unsere Art ist, ganz konkrete Zahlen vor-gelegt, wie sich das in Thüringen auswirken würde, wie-viel eingespart werden kann, aber die Landesregierunghat dies verhindert, indem sie meine Kleine AnfrageNr. 630 vom 29. April 1997 nur teilweise beantwortethatte. In dieser Anfrage hatte ich ja ganz konkret nachden bewilligten Eigenheimzulagen gefragt, differenziertnach Einkommensgruppen, um den Effekt wirklich nach-rechnen zu können. Auch die Beantwortung meiner Münd-lichen Anfrage in der - Drucksache 2/2420 - war durchden Finanzminister eine Fehlmeldung. Er hat sich wie-derum geweigert, im Grunde genommen diese vorhan-denen Daten darzulegen, damit wir genau prüfen konn-ten, wieviel einzusparen ist. Aber trotz alledem habenwir gerechnet und geschätzt, und wir sind ganz sicher,daß mit Verwirklichung unseres Antrags deutliche Ein-sparungen möglich sein werden, die dann zum Beispielin der Mietenpolitik eingesetzt werden können, also füreine Verbesserung des Wohngeldes. Die Novellierungwird ja heute noch einmal auf der Tagesordnung stehen,und das ist dringend erforderlich. Ich bitte Sie also, mei-ne sehr verehrten Damen und Herren, unserm Antrag inder - Drucksache 2/2455 - freudig Ihre Zustimmung zugeben. Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

Vizepräsident Friedrich:

Ich danke Herrn Abgeordneten Dietl. Als nächste bitte ichFrau Abgeordnete Doht, Fraktion der SPD, nach vorn.

Abgeordnete Frau Doht, SPD:

Herr Präsident, meine Damen und Herren, mit der Ver-abschiedung des Eigenheimzulagengesetzes durch Bun-destag und Bundesrat wurde eine uralte SPD-Forderung

erfüllt. Der bisherige § 10 e des Einkommenssteuerge-setzes bevorzugte die Bezieher hoher Einkommen. Werviel verdiente, konnte viel von der Steuer absetzen, werwenig verdiente, konnte kaum oder gar nichts von derSteuer absetzen. Dieses System war zutiefst ungerechtund erschwerte insbesondere den sogenannten Schwel-lenhaushalten den Erwerb von Wohneigentum. Mit demEigenheimzulagengesetz wurde erstmals eine Gleichbe-handlung erreicht. Bis zu Einkommen von 120.000 bzw.240.000 DM pro Jahr wird eine Eigenheimzulage von8 x 5.000 DM gezahlt. Außerdem wurde das Baukinder-geld erhöht und ökologische Maßnahmen werden beson-ders gefördert. Beim Erwerb von gebrauchtem Wohneigen-tum beträgt die Eigenheimzulage die Hälfte. Die SPD hatdem Eigenheimzulagengesetz im Bund zugestimmt, undwir sind zur Zeit nicht an einer Novellierung interes-siert, um dies vorab zu sagen.

(Zwischenruf Abg. Dietl, PDS: Aber das istdoch schön.)

Die PDS möchte nun die Einkommensgrenzen für die Zah-lung der Eigenheimzulage abschmelzen und eine Degres-sion einführen. Die eingesparten Mittel sollen zur Auf-stockung der Kinderzulage verwendet werden. Dies scheintauf den ersten Blick sehr sozial. Der Erfolg einer sol-chen Initiative ist jedoch zur Zeit sehr gering. In Zeitenknapper Kassen, und die Kassen im Bund sind bekannt-lich leer, besteht allerdings die Gefahr, daß nur der ersteTeil ihres Antrags erfüllt wird, nämlich die Absenkungder Einkommensgrenzen, ohne daß das Baukindergelderhöht wird und die eingesparten Mittel dann zur Stop-fung anderer Haushaltslöcher verwendet werden und so-mit dem Wohnungsbau verlorengehen.

Meine Damen und Herren, wir reden hier über ein Bundes-gesetz, und dies gilt nicht nur für die neuen Bundesländeroder für ländliche Räume. In den großen Ballungsräumen,wie z.B. Frankfurt, München oder Stuttgart, liegen die Prei-se für Wohnbauland in Größenordnungen, die selbst Bezie-her höherer Einkommen in dem einen oder anderen Fall vorProbleme stellen. Nicht umsonst fordert die SPD seit länge-rem beim Bodenrecht Änderungen, die es ermöglichen,Spekulationsgewinne abzuschöpfen und für Erschließungs-maßnahmen einzusetzen. Im Zusammenhang mit der No-vellierung des Baugesetzbuches hat es wieder Vorstößein diese Richtung gegeben, die letztendlich aber am Wi-erstand aus dem konservativem Lager gescheitert sind.Dies wäre aber nach unserer Auffassung auch eine Vor-aussetzung, um über Absenkung von Einkommensgren-zen beim Eigenheimzulagengesetz zu reden. Davon al-lerdings steht im PDS-Antrag nichts.

Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir noch einigeBemerkungen zur wohnungspolitischen Kompetenz derPDS-Fraktion. In schöner Regelmäßigkeit beschäftigenSie uns hier mit Themen, die eigentlich in den Bundes-tag gehören. Diese Anträge kommen von der Bundes-ebene der PDS.

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(Zwischenruf Abg. Dr. Dr. Dietz, CDU:Genau.)

Generalstabsmäßig durchgeplant werden diese Anträgedann in allen neuen Bundesländern in die Landtage ein-gebracht. Wenn man sich einmal die Mühe macht, zuüberprüfen, welche PDS-Anträge in Sachen Wohnungs-politik in den letzten Jahren wirklich originäre Landes-themen betrafen, dann sieht das sehr dünn aus, Herr Dietl.Die Kompetenz braucht man sich ja auch nicht anzueignen,solange die Anträge zentralistisch vorgegeben werden.Mit diesem Antrag hat es allerdings noch eine andere Be-wandtnis. Die Idee einer Degression der Eigenheimzulagefür höhere Einkommen stammt nämlich ursprünglich nichtvon der PDS. Diesen Vorschlag haben bereits die Grünenbei der Diskussion des Eigenheimzulagengesetzes im Bau-ausschuß des Bundestages eingebracht. Dieser Vorschlagwurde dort diskutiert und dann abgelehnt. Das, was Sieheute hier vortragen, Herr Dietl, ist geistiger Diebstahl,und da machen wir nicht mit.

(Beifall bei der SPD; Abg. Dr. Dr. Dietz,CDU)

Vizepräsident Friedrich:

Danke. Als nächsten Redner bitte ich Herrn Abgeordne-ten Ulbrich, Fraktion der CDU, nach vorn.

Abgeordneter Ulbrich, CDU:

Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordneten,eigentlich könnte man es sich ja ganz leicht machen und esauch ganz kurz machen und sagen, wir lehnen dieses Be-gehren, diesen Antrag ab. Da aber bereits mein KollegeWetzel auf ein paar Gründe wohnungspolitischer Art einge-gangen ist, warum unsere Fraktion diesen Antrag ablehnt,möchte ich einige steuerpolitische Gesichtspunkte hier mitanfügen, warum wir diesem Antrag nicht nachkommenkönnen. Es ist doch sicher in diesem Haus unbestritten, daßsowohl der § 10 e Einkommenssteuergesetz, als auch dasEigenheimzulagengesetz und auch andere Abschreibungs-möglichkeiten, die im Zusammenhang mit Schaffung vonWohneigentum stehen, das Steueraufkommen in unseremLand entweder einschränken oder mit dem Eigenheimzula-gengesetz natürlich als Ausgaben im Finanzamt auch gleichmit erscheinen. Aber beide Gesetze und auch die Grundla-gen für Abschreibungsmöglichkeiten hatten doch und ha-ben zum Inhalt, daß die Eigeninitiative, daß eigene Mittelmit staatlicher Förderung verbunden werden, um nicht nurdas Wohnungsproblem zu verringern, sondern das Woh-nungsproblem zu lösen. Ich glaube, wir können in unseremLand, in Thüringen, davon sprechen, daß es dieses Woh-nungsproblem, wie es bei uns in der DDR mal bezeichnetwurde, überhaupt nicht mehr gibt. Ziel war, und das ist auchin dem Fall wieder beim Eigenheimzulagengesetz, daß diesogenannten Schwellenhaushalte, also Haushalte, die an derSchwelle stehen und sich überlegen, Wohneigentum zuschaffen, daß die zu diesem Schritt über diese Schwelle

durch staatliche Unterstützung entsprechend veranlaßt wer-den. Durch die nunmehr progressionsunabhängige Förde-rung ist die zuvor auch oft kritisierte Ungleichbehandlungzwischen niedrigen und hohen Einkommen abgeschafftworden, und zugleich ist die familienbezogene Zusatzförde-rung verbessert worden. Wir meinen, es ist eine gute Lö-sung für die Durchführung von Wohnungsbau. Sie bezeich-nen das ja selber als einen Schritt in die richtige Richtung,wollen aber mit Ihrem Vorschlag die Schwellenhaushaltezum Abbruch ihrer Vorstellungen praktisch bewegen, weilSie die Schwelle verändern wollen, Sie wollen sie nach un-ten verlagern. Das kann natürlich dazu führen, daß eineganze Reihe von denen, die vorher bereit waren oderdas als Möglichkeit erfaßt hatten, eigenes Wohneigen-tum zu schaffen, dann diesen Schritt nicht mehr gehen,sondern auf Mietbasis sich nach Wohnungen umsehen.Ich glaube schon, Ihr Versuch, Ihr Vorschlag geht nachwie vor in die alte Richtung Neiddiskussion.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben jetzt die Neidgrenze bei 75.000 DM festge-macht für eine Einzelperson. Natürlich, da stimmen wirIhnen ja zu, kostet es mehr Geld, wenn wir bis 120.000 DMpro Einzel- oder 240.000 DM für einen Familienhaushaltvoll fördern und den Bauwilligen, geht man einmal von derDurchschnittsfamilie aus, rund 50.000 DM Eigenheim-zulage über acht Jahre, also ein Kind und verheiratet, also6.500 DM im Jahr, zukommen lassen, um dieses Wohnei-gentum zu erwerben oder zu schaffen. Aber wenn wir wol-len, daß weiter gebaut wird, und wir wollen es, daß weitergebaut wird, dann sollten wir diese Schwelle, wie sie jetztim Eigenheimzulagengesetz festgesetzt ist, in dieser Formerhalten und so auch in den nächsten Jahren durchführen.Denn, meine Damen und Herren, innerhalb dieser Schwellewird es doch kaum jemanden geben, der die Bausumme aufden Tisch legen kann, auch von denen, von denen Sie be-haupten, daß sie Besserverdienende sind. Vor allem wird esauch junge Familien nicht in die Lage versetzen, die Bau-summe auf den Tisch zu legen. Ansparsumme, Kreditfinan-zierung und Abzahlung über viele Jahre ist doch das Übli-che. Die Eigenheimzulage, das stimmt doch sicher, be-wirkt auf der einen Seite verringerte Einnahmen, verrin-gerte Steuereinnahmen, aber sie schiebt doch auf der an-deren Seite die Bauwirtschaft ganz wesentlich an undverringert Ausgaben im staatlichen Wohnungsbau. Undwer das gestern verfolgt hat, was durch den MDR verbreitetwurde, daß die Landesbausparkasse verstärkte Bemühun-gen anstellen muß, um die Bausparsummen wieder dorthinzu bekommen, wo sie in den vergangenen Jahren waren,dann ist das doch auch ein Beispiel dafür, daß dieses Ei-genheimzulagengesetz in verstärktem Maß greifen muß.Und nur einmal an der Stadt Suhl betrachtet: 100 Eigen-heime oder Doppelhäuser oder Reihenhäuser im Jahr zubauen, bedeutet ein Bauvolumen von rund 40 Mio. DM.Dieses Bauvolumen kommt in erster Linie Handwerks-betrieben zugute,

(Beifall bei der CDU)

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 72. Sitzung, 29. Januar 1998 6345

und diese Handwerksbetriebe bezahlen dann die Steuerdurch Leistung, die vorher durch die Eigenheimzulageverlorengegangen ist.

Meine Damen und Herren, natürlich kann man in die-sem Zusammenhang auf Steuereinnahmeausfälle auchnoch einmal eingehen. In Verbindung mit dem Haushalthaben wir die Probleme damit gehabt. Wir mußten unsdamit beschäftigen, wie hoch Steuerausfälle Auswirkun-gen auf Ausgaben in unserem Haushalt haben, und dieErgebnisse 1997 werden uns in diesem Zusammenhanghier in diesem Haus auch noch einmal beschäftigen.Aber ich will das einmal als gewollte Steuerausfälle be-zeichnen und nicht als Steuerschlupflöcher. Die Steuer-schlupflöcher, die wollen wir abbauen. Das würde unsauch ganz anders gelingen oder besser gelingen, wenndie SPD ihre Verweigerungshaltung aufgeben würde.

(Beifall bei der CDU)

Steuerausfälle, die auf anderen Gebieten etwas bewir-ken, sind gewollte Steuerausfälle. Wer heute morgen dieNachrichten verfolgt hat, hat auch sicher den Hinweisgehört, daß Weimar eine Berechnung angestellt hat, einestatistische Berechnung von Übernachtungen bis hin auchzu leerstehenden Wohnungen. Da ist verkündet worden:1.000 Wohnungen stehen in Weimar leer, 1.000 Wohnun-gen stehen auch in Suhl leer, 2.000 Wohnungen vielleichtin Erfurt und in Jena - ich weiß es nicht genau - viel-leicht sind es auch noch mehr als in Weimar. Aber diesestehen nicht leer wegen der Bezugsunfähigkeit oder ei-nes unhaltbaren Wohnzustands, sondern sie stehen leer,weil das Wohnungsproblem in diesem Sinne gelöst wor-den ist. Dazu haben natürlich ganz wesentlich Steuerab-schreibungsmodelle mit beigetragen, dieses Wohneigen-tum zu schaffen, und vielleicht oder ganz bestimmt wur-den eine ganze Reihe von Büros dabei zuviel gebaut, nichtnur hier in der Landeshauptstadt, sondern auch woanders.Aber daß die Stadt Erfurt oder daß die anderen Städte in un-serem Land heute dieses Bild bieten, daß Substanz, dievorher nicht erhalten wurde, jetzt erhalten wird, daßnicht nur mit Farbe gearbeitet wird, nicht nur Farbe ge-kleckst wird, sondern wirklich Substanz erhalten wird,das ist doch unübersehbar und auch auf solche Steuerfra-gen zurückzuführen. Es ist eine gewollte Orientierung aufAufgaben, die mit staatlichen Mitteln nicht zu lösen ge-wesen wären. Es hat sich also enorm viel getan. Wersich ehrlich das so ansieht, der wird das sicher auch be-stätigen können. Daß es in der Zwischenzeit notwendigwar, einiges zu verändern, das ist erfolgt. Daß es nichtzur Steuerreform gekommen ist, das hatte ich schon ge-sagt, woran das liegt. Aber in der Zwischenzeit sind dasFördergebietsgesetz und der Abschreibungssatz verän-dert worden. Es sind die Sonderabschreibungen im Miet-wohnungsbau angepaßt worden, um das Überangebot jetztzu berücksichtigen. Und auch das Investitionszulagen-gesetz, das Investitionszulagen aus Einkommenssteuer-aufkommen vorsieht, wurde den neuen Bedingungenangepaßt.

Meine Damen und Herren, die Anpassung an die Situa-tion, die Eigenheimzulage, das Eigenheimzulagengesetzin dieser Form veranlassen mich, Sie zu bitten, diesenAntrag der PDS-Fraktion abzulehnen. Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsident Friedrich:

Ich danke Herrn Abgeordneten Ulbrich. Herr Abgeord-neter Dietl hat sich noch einmal zu Wort gemeldet.Bitte.

Abgeordneter Dietl, PDS:

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren,ich muß darauf eingehen, da mir Kollegin Doht hier geisti-gen Diebstahl vorgeworfen hat. Vermutlich ist KolleginDoht nicht in Kenntnis von allen Vorgängen, die so vorsich gehen, daß sie so etwas behauptet.

1. Das Problem der Degression ist nicht nur von Bünd-nis 90/Die Grünen, sondern auch von der PDS-Bundes-tagsgruppe in genannter Ausschußsitzung als Vorschlageingebracht worden. In Vorbereitung dieser Sitzung hat-ten die wohnungspolitischen Sprecher diesen Degressions-gedanken geboren. Ich gehöre dazu. Es ist ein ursprüngli-cher Gedanke von mir, den ich hier neu vorgetragen ha-be. Ich verwahre mich dagegen, daß mir geistiger Dieb-stahl vorgeworfen wird.

2. Kollegin Doht hat behauptet, daß die SPD nicht darandenkt, an diesem Eigenheimzulagengesetz etwas zu tun.Vermutlich ist sie wieder nicht darüber informiert, daßdie Vertreter der SPD im Bauausschuß am Rande dieserSitzung sich geäußert haben, daß auch sie daran denken,eine entsprechende Degression einzuführen oder übereine Degression nachzudenken, formuliere ich einmalganz vorsichtig. Also, es gibt auch diese Dinge.

(Zwischenruf Abg. Dr. Dr. Dietz, CDU:Wann?)

Ich werde keine Namen sagen, so etwas mache ich nie,Herr Dr. Dr. Dietz.

Dann möchte ich Ihnen, Herr Ulbrich, antworten, weilSie sagten, die 240.000 DM, die würden dann nichtmehr bauen. Also 4.000 DM sind bei 240.000 DM Jah-reseinkommen 1,8 Prozent, lumpige 1,8 Prozent, und je-der, der 240.000 DM hat, der ist auf diese 4.000 DMnicht angewiesen im Jahr. Deshalb meine ich schon, daßman hier sparen kann.

3. Sie haben gesagt, die Bausparsumme sei zurückgegan-gen im letzten Jahr. Das ist nicht wahr. Die Landesbauspar-kasse hat gestern Zahlen vorgelegt, daß auch 1997 die Bau-sparsumme angestiegen ist. Nicht so schnell wie 1996, dasist richtig, aber sie ist immer noch angestiegen. Das ist

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also falsch, was Sie hier behaupten. Und dann hacken Sieständig auf der SPD herum, das mag Ihr gutes Recht sein,sie würde die Steuerreform blockieren. Sie als CDU mit Ih-rem Partner könnten doch ein ganz einfaches Modell fest-legen. Sie sagen ganz einfach, es darf keiner mehr als 25oder 30 Prozent seines zu versteuernden Einkommensdurch irgendwelche Abschreibmodelle wegdrücken. Dannwürden 70 Prozent Steuern gezahlt werden müssen,

(Beifall Abg. Frau Nitzpon, PDS)

und die Steuern würden sprudeln in diesem Land. Daskönnten Sie ganz allein, wenn Sie das eigentlich wolltenim Bundestag, aber genau das wollen Sie gar nicht.Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

Vizepräsident Friedrich:

Danke. Es gibt keine Redemeldung mehr. Ich schließedie Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Ausschußüberweisung war,soweit ich das gesehen habe, nicht beantragt worden, so daßwir direkt über die Drucksache abstimmen. Wer der- Drucksache 2/2455 -, Antrag der Fraktion der PDS, No-vellierung des Eigenheimzulagengesetzes, seine Zustim-mung gibt, den bitte ich um sein Handzeichen. Danke. Ge-genstimmen? Danke. Stimmenthaltungen? Danke. Damitist der Antrag abgewiesen, und ich schließe diesen Ta-gesordnungspunkt.

Wir treten jetzt bis 14.00 Uhr in eine Mittagspause einund setzen dann fort mit der Fragestunde.

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Wir setzen die heutige Tagung fort mit Tagesord-nungspunkt 12

Fragestunde

Es liegt zuerst vor eine Frage in - Drucksache 2/2439 -.Ich bitte Herrn Abgeordneten Dr. Müller, die Frage vor-zutragen. Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Dr. Müller, SPD:

Thüringer Lehr-, Prüf- und Versuchsgut GmbH

Die Thüringer Lehr-, Prüf- und Versuchsgut GmbH er-hält seit Jahren erhebliche Zuschüsse des Landes, da sienach den Aussagen des Ministers für Landwirtschaft,Naturschutz und Umwelt hoheitliche Aufgaben erfüllt.

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche hoheitlichen Aufgaben werden durch dieThüringer Lehr-, Prüf- und Versuchsgut GmbH konkreterfüllt?

2. In welcher Form werden diese Aufgaben erfüllt?

3. Werden die genannten hoheitlichen Aufgaben derzeitauch noch von anderen Einrichtungen des Landes wahr-genommen, bzw. wäre eine Wahrnehmung durch andereEinrichtungen des Landes möglich?

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke schön. Bitte, Herr Minister Dr. Sklenar.

Dr. Sklenar, Minister für Landwirtschaft,Naturschutz und Umwelt:

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und HerrenAbgeordneten! Verehrter Herr Abgeordneter Dr. Müller,Ihre Mündliche Anfrage beantworte ich im Namen derLandesregierung wie folgt:

Zu 1.: Die Lehr-, Prüf- und Versuchsgut GmbH Buttelstedtist vom Freistaat Thüringen mit der Durchführung der sta-tionären Leistungsprüfung, also der Eigenleistungs- undNachkommenschaftsprüfung, für die Tierarten Rind,Schwein und Schaf beauftragt. Grundlage dieser hoheitli-chen Aufgaben ist das Tierzuchtgesetz vom 22. Dezember1989 in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. März1994. Darüber hinaus erfolgt in der Lehr-, Prüf- und Ver-suchsgut GmbH Buttelstedt die überbetriebliche Ausbil-dung der Auszubildenden der Berufe Landwirt/Landwirtinund Tierwirt/Tierwirtin in der Rinderzucht und -haltung.Diese war in der Konzeption zur Gründung der LPVGGmbH ein wesentlicher Schwerpunkt.

Zu 2.: Die Leistungs- und Nachkommenschaftsprüfungwird in Form einer stationären Prüfung durchgeführt, dasie gegenüber der Feldprüfung betriebliche und Um-welteinflüsse ausschließt und damit eine größere Sicher-heit gewährleistet. Die Prüfung der Zuchttiere ist dar-über hinaus im Interesse des Verbraucherschutzes undfür die Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der Landwirt-schaftsbetriebe von großer Bedeutung. Da wir in Thürin-gen kein Landesgut wie in anderen Bundesländern zurVerfügung haben und andererseits kein Eigenbetrieb desLandes errichtet werden sollte, wurde die LPVG GmbHim März 1994 gegründet und mit der Wahrnehmung dieserhoheitlichen Aufgaben beauftragt. Dem ging voraus, daß1993 die Vermögenswerte der ehemaligen VEB Tierzuchtin Dornburg und Wechmar dem Land zugeordnet wurden.Angesichts der Zuständigkeit und Verantwortung des Lan-des für diese Betriebsstätten mit größeren Tierbeständen er-gab sich ein dringender Handlungsbedarf in der raschenGründung einer GmbH. Durch das Land als Mehrheitsge-sellschafter und durch die Zuchtverbände als fachlich kom-

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petente Mitgesellschafter war die Fortführung der genann-ten Betriebsstätten am besten gewährleistet. Die Lehrlings-ausbildung erfolgt in den Lehrwerkstätten Rinderaufzuchtund -haltung in Gruppen von acht Auszubildenden inWochenlehrgängen unter Anleitung einer Lehrkraft derüberbetrieblichen Ausbildungsstätte für Landwirtschaftund Hauswirtschaft Schwerstedt.

Zu 3.: Auf dem Gebiet der Tierzucht werden bei den ge-nannten Tierarten die Leistungsprüfungen von keineranderen Einrichtung wahrgenommen. Es bestehen auchkeine anderen Einrichtungen des Landes, die diese Auf-gaben wahrnehmen können. Das Landwirtschaftliche Be-rufsausbildungszentrum Schwerstedt - in Lernortkoopera-tion der überbetrieblichen Ausbildungsstätte für Landwirt-schaft und Hauswirtschaft mit der Thüringer Lehr-, Prüf-und Versuchsgut GmbH und der staatlich berufsbilden-den Schule - wurde als einziges dieser Art in Thüringeneingerichtet mit dem Ziel, mehrere Aufgabenbereichean einem Standort zu konzentrieren unter gemeinsamerNutzung der dort vorhandenen personellen und materiellenKräfte. Damit wurde ein effektiv arbeitendes und auf Spar-samkeit angelegtes Bildungszentrum geschaffen.

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke schön. Nachfragen gibt es nicht. Ich stelle dieBeantwortung der Frage fest. Wir kommen zur - Druck-sache 2/2440 -. Bitte Herr Abgeordneter Griese.

Abgeordneter Griese, SPD:

Vermarktung des ehemaligen Schulungsgebäudes (Bahn-hofstraße 12) in Frankenhain

Im Rahmen der Neuordnung der Liegenschaftsverwaltungdes Freistaats Thüringen wurde das ehemalige Schulungs-gebäude (Bahnhofstraße 12) in Frankenhain von Landes-eigentum in das Eigentum der Landesentwicklungsge-sellschaft (LEG) überführt, mit der Maßgabe der Ver-marktung der Liegenschaft durch die LEG.

Ich frage die Landesregierung:

1. Welcher Stand wurde bei der Vermarktung des Schu-lungsgebäudes inzwischen erreicht?

2. Welche Auffassung vertritt die Gemeinde bezüglichder Verwendung der Liegenschaft, bzw. hat die Ge-meinde bestimmte Forderungen geltend gemacht?

3. Werden oder wurden die unter Frage 2 genanntenAuffassungen und Forderungen bei einem Verkauf derLiegenschaft berücksichtigt, wenn ja, wie, wenn nein,warum nicht?

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke schön. Bitte, Herr Staatssekretär.

Richwien, Staatssekretär:

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren!Sehr geehrter Herr Griese, ich beantworte die MündlicheAnfrage für die Thüringer Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Ein Investor beabsichtigt, das ehemalige Schu-lungsgebäude zu erwerben. Wegen des schlechten bauli-chen Zustands und den damit verbundenen hohen Sanie-rungskosten gestalten sich die Kaufverhandlungen sehrschwierig und verlaufen daher zur Zeit stockend. Sobaldeine Bankbürgschaft vorliegt, kann der Kaufvertrag er-folgen. Seitens der LEG ist eine Veräußerung sofortmöglich.

Zu Frage 2: Die Gemeinde Frankenhain hat bisher keineNachnutzungsvorstellungen geäußert. Auf mögliche Ge-fahren im Zusammenhang mit dem baulichen Zustandhat die Gemeinde hingewiesen. Die LEG berücksichtigtdiesen Hinweis bei der Sicherung des Gebäudes.

Zu Frage 3: Ich glaube, damit ist dann auch die Frage 3beantwortet.

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Eine Nachfrage? Bitte, Herr Griese.

Abgeordneter Griese, SPD:

Sie haben das selber schon erwähnt. Das Gebäude siehtsehr heruntergekommen aus. Jedes leerstehende Gebäu-de zieht Vandalismus an. Es liegt an ziemlich markanterStelle, und Frankenhain ist ein Fremdenverkehrsort. Läßtsich hier in etwa schon sagen, wann die Verkaufsver-handlungen zu einem positiven Abschluß gebracht wer-den können, um diesen Mißstand zu beseitigen?

Richwien, Staatssekretär:

Ich hatte schon erwähnt, Herr Abgeordneter, daß, wenndie Bankbürgschaft vorliegt, die LEG sofort bereit ist,diesen Kaufvertrag zu tätigen. Wenn das dann gegebenist, glaube ich, könnte man davon ausgehen. Danke.

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke schön. Die Mündliche Anfrage in - Drucksache2/2448 -, so bin ich informiert worden, wurde zurück-gezogen, demzufolge kommen wir zur - Drucksache2/2463 -. Herr Abgeordneter Griese, bitte schön.

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Abgeordneter Griese, SPD:

Verkauf des ehemaligen Kinderferienlagers in Neuroda

Den Vorspann erspare ich mir jezt. Ich frage die Lan-desregierung:

1. Welcher Stand wurde bei der Vermarktung des Fe-rienlagers inzwischen erreicht?

2. Welche Auffassung vertritt die Gemeinde bezüglichder Verwendung der Liegenschaft, bzw. hat die Ge-meinde bestimmte Forderungen geltend gemacht?

3. Werden oder wurden die unter Frage 2 genanntenAuffassungen und Forderungen bei einem Verkauf derLiegenschaft berücksichtigt, wenn ja, wie, wenn nein,warum nicht?

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke. Bitte, Herr Staatssekretär Richwien.

Richwien, Staatssekretär:

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren!Herr Abgeordneter Griese, ich beantworte die MündlicheAnfrage für die Thüringer Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Das Grundstück ist bereits von der LEGveräußert worden. Die Beurkundung des Kaufvertragserfolgte am 6. Juni 1997.

Zu Frage 2: Die Gemeinde hat sich zu der Verwendungdieses Grundstücks nicht geäußert.

Zu Frage 3: Das erübrigt sich dann automatisch wieder,weil das mit der Frage 2 beantwortet ist.

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke schön. Ich stelle die Beantwortung der Fragefest. Wir kommen zur - Drucksache 2/2464 -. Nochmalsbitte, Herr Abgeordneter Griese.

Abgeordneter Griese, SPD:

Dramatische Entwicklung im Bauhauptgewerbe

Diese Anfrage hat ja nun in der Zwischenzeit, seit siegestellt worden ist, durch die Insolvenz und die Kon-kursanträge mehrerer größerer Baufirmen in Thüringentraurige Aktualität gewonnen.

Der September ist für das Bauhauptgewerbe in der Re-gel ein guter Saisonmonat. Jedoch ist in den neuen Bun-desländern ein Anstieg der Arbeitslosenzahlen im Bau-hauptgewerbe von 45,7 Prozent gegenüber dem Septem-ber des Vorjahres zu verzeichnen. In absoluten Zahlen

beinhaltet das einen Anstieg von 62.649 auf 91.252 Ar-beitslose im Bauhauptgewerbe.

Auch war im Vergleich zum August dieses Jahres mit91.934 Arbeitslosen nur eine Reduzierung von 0,7 Pro-zent zu verzeichnen. Der Hauptverband der DeutschenBauindustrie spricht von einer ”unerwartet dramatischenEntwicklung”.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie sehen die konkreten Zahlen für Thüringen aus?

2. Worauf führt die Landesregierung diese dramatischeEntwicklung zurück?

3. Welche Maßnahmen hat die Landesregierung ergrif-fen, um dieser Entwicklung entgegenzusteuern?

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke schön. Bitte, Herr Staatssekretär.

Richwien, Staatssekretär:

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren,namens der Landesregierung beantworte ich die Mündli-che Anfrage von Herrn Abgeordneten Griese wie folgt:

Zu Frage 1: In Thüringen ist, wie in Gesamtdeutschland,die Entwicklung im Baugewerbe rückläufig. Die Auftrags-eingänge sind in Deutschland von Januar bis August 1997um 7,1 Prozent zurückgegangen, in den neuen Bundes-ländern um 13,0 Prozent. In Thüringen gingen die Auf-tragseingänge um 9,3 Prozent zurück. Damit liegt in Thü-ringen der Rückgang der Auftragseingänge niedriger als imDurchschnitt der neuen Bundesländer. Die Bauproduktionsank in Deutschland von Januar bis September 1997 um 4,8Prozent, in den neuen Bundesländern sank sie im gleichenZeitraum um 5,1 Prozent. In Thüringen konnte die Bau-produktion in den neun Monaten, d.h. im Jahre 1997, um2,1 Prozent gesteigert werden.

Ein paar Ausführungen zum Bauhauptgewerbe: Im Thü-ringer Bauhauptgewerbe realisierten die Betriebe mit 20und mehr Beschäftigten in den ersten drei Quartalen1997 einen Umsatz in Höhe von 7 Mrd. DM, das ist eineSteigerung von plus 1,6 Prozent im Vergleich zum Vorjah-reszeitraum. Die Produktivität im Bauhauptgewerbe lag imIII. Quartal 1997 bei 42.222 DM, das ist eine Steigerung ge-genüber dem II. Quartal um 14,4 Prozent, und im Ver-gleich zum III. Quartal 1996 wurde die Produktivität um4,5 Prozent erhöht. Die Zahl der Beschäftigten betrugEnde September 1997 69.118 Personen in 1.520 Betrie-ben. Im Vergleich zum III. Quartal 1996 erhöhte sichdie Anzahl der Betriebe um 42, die Zahl der Beschäftig-ten verringerte sich aber um 3.286 Personen.

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 72. Sitzung, 29. Januar 1998 6349

Zu Straßen- und Brückenbau: Die durchschnittliche Mittel-bereitstellung für Investitionen im Bereich Bundesfernstra-ßen und Landesstraßen betrug im Zeitraum 1991 bis 1997800 Mio. DM pro Jahr. Im Jahr 1998 bis 2000 sind rund1,14 Mrd. DM pro Jahr geplant. Die größten Vorhaben wer-den ausschließlich durch Thüringer Firmen realisiert. Insge-samt waren die Thüringer Firmen 1997 - wie in den Jahrenzuvor - auch mit 95 Prozent an allen erteilten Aufträgen derThüringer Straßenbauverwaltung beteiligt.

Zu Frage 2: Das Bauhauptgewerbe ist nach 1990 wegendes immensen Nachholbedarfs in den neuen Ländernund dementsprechend auch in Thüringen im Vergleichzu den alten Bundesländern sowohl in der Beschäfti-gung wie auch in der Wertschöpfung zunächst überpro-portional gewachsen. In den vergangenen Jahren war je-doch ein Rückgang beim Auftragsvolumen - verbundenmit Arbeitsplatzabbau - in der gesamten Bauwirtschaftfestzustellen. In den neuen Bundesländern ist diese rückläu-fige Entwicklung besonders ausgeprägt, da durch den im-mensen Nachholbedarf in der Zeit nach 1990 bei Baulei-stungen aller Gewerke erhebliche Überkapazitäten auf-gebaut wurden.

Zu Frage 3: Die Thüringer Landesregierung hat trotz desRückgangs von Bundes- und Landesmitteln auch im Jahr1997 alle Möglichkeiten ausgeschöpft, Mittel über För-derprogramme so schnell wie möglich einzusetzen. Ins-besondere wurde auch wieder verstärkt von dem Instru-ment der Genehmigung des vorfristigen Baubeginns beiverschiedenen Projekten Gebrauch gemacht.

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Eine Nachfrage? Bitte.

Abgeordneter Griese, SPD:

Eine ganz konkrete Nachfrage: Als Ende Dezember dieersten Meldungen über den Konkurs der Fröhlich-Grup-pe, die ja damit auch die Arnstädter Bauunion betrifft,durch die Presse ging, wurde von einer Auffanggesell-schaft oder Hilfen des Landes gesprochen. Nun ist esbeim Bauen ja so, wenn man nicht sofort hilft, werdendie Verträge gekündigt, dann braucht man gar nichtmehr helfen. Dieselbe Meldung ist jetzt bei HTI Wei-mar durch die Presse gegangen. Geschehen ist bezüglichder Arnstädter Bauunion nichts. Ich weiß nicht, ob inWeimar was geschehen wird. Ich frage jetzt ganz kon-kret: Sieht die Landesregierung Hilfen für vom Konkursbedrohte oder in Konkurs gegangene Bauunternehmenin Thüringen vor?

Richwien, Staatssekretär:

Herr Abgeordneter, Sie wissen genausogut wie ich, daßman im Detail erst einmal nachschauen muß, wie dieHilfen von unserer Seite überhaupt möglich sein kön-nen. Das ist meistens sehr diffizil. Das, was wir im Rah-

men unserer Möglichkeiten tun können, das ist zweifels-frei, und dann muß ja die eine oder andere Person ersteinmal eingesetzt werden, um genau zu wissen, wo kannder Firma überhaupt geholfen werden. Das kann maneinfach von heute auf morgen gar nicht anders tun. Das,was wir von unserer Seite bisher tun konnten, werdenwir auch in Zukunft tun.

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Ich stelle die Beantwortung der Frage fest. Wir kommenzu der in - Drucksache 2/2467 -. Bitte, Herr Abgeordne-ter Höpcke.

Abgeordneter Höpcke, PDS:

Verbleib des Betrags, um den die finanziellen Zuwen-dungen des Landes an die Friedrich-Naumann-Stiftung1997 vermindert wurden

Der F.D.P.-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung, die 1992bis 1996 jährlich jeweils 87.500 Deutsche Mark aus Thü-ringer Landesmitteln erhielt, wurden im Haushaltsjahr 199775.000 Deutsche Mark an Zuwendungen ausgereicht. Dasgeht aus der Antwort hervor, die Finanzminister Traut-vetter mit Schreiben vom 17. November 1997 auf dieKleine Anfrage des Abgeordneten Gentzel vom 2. Okto-ber 1997 gegeben hat (vgl. Drucksache 2/2426).

Im Interesse der Aufklärung, wo der Betrag gebliebenist, um den die finanziellen Zuwendungen des Landesan die Friedrich-Naumann-Stiftung 1997 vermindertwurden, frage ich die Landesregierung:

1. Kann davon ausgegangen werden, daß die Verminderungder an die F.D.P.-nahe Stiftung 1997 gezahlten Zuwendun-gen im Thüringer Landeshaushalt - Kapitel 17 16 Titel685 05 - zu einer Einsparung von 12.500 Deutsche Markgeführt hat, oder ist der Wahrheit näher, wer argwöhnt,Finanzminister Trautvetter (CDU) habe die Zuwendun-gen aus dem Thüringer Landeshaushalt an die CDU-na-he Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. im Jahre 1997 um12.500 Deutsche Mark erhöht, was bei der Ausgangsba-sis von 262.500 Deutsche Mark in den Vorjahren einerSteigerung um rund 5 Prozent entspräche?

2. Gibt es in Thüringen 1997 einen gleichen bzw. ähnlichenVorgang der Zuwendungsverminderung auf der einen Seiteund der Einsparung oder der Umschichtung/Aufstockungauf anderer Seite im Hinblick auf Zahlungen an die Stiftungfür politische Bildung, die der Partei Bündnis 90/Die Grü-nen nahesteht?

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke schön. Bitte, Herr Finanzminister.

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Trautvetter, Finanzminister:

Herr Präsident, namens der Landesregierung beantworteich diese Mündliche Anfrage wie folgt:

Zu Frage 1: Zum ersten Teil der Frage 1 - ja; zum zwei-ten Teil der Frage 1 - nein.

Zu Frage 2: Die Zuwendungen an alle politischen Stif-tungen wurden im Rahmen von Haushaltskürzungen re-duziert.

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke schön. Es gibt eine Nachfrage.

Abgeordneter Gentzel, SPD:

Herr Minister, wie bewerten Sie folgenden Sachverhalt:Ich habe in der Bundeszentrale der Naumann-Stiftungangerufen und habe nach der Dependance in Thüringengefragt. Dort ist mir gesagt worden, in Thüringen gibt esnichts, Thüringen wird von Sachsen aus betreut. Ich ha-be daraufhin die von Ihnen genannte Adresse in Marlis-hausen ausfindig gemacht, habe auch dort angerufenund habe nach Material und Aktivitäten gefragt, unddort ist mir im O-Ton gesagt worden, ich zitiere: "Hiergibt es nichts." Haben Sie bei Ihren Überprüfungen indieser Richtung nur eine Adresse im Katalog benutztoder haben Sie eventuell auch einmal nachgeprüft, obdas als Briefkastenadresse benutzt wird, um an öffentli-che Gelder in Thüringen heranzukommen?

Trautvetter, Finanzminister:

Sie werden verstehen, daß ich solche Behauptungen,wie Sie sie in der Frage formuliert haben, nachprüfenwerde und an dieser Stelle nicht bewerten werde.

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke schön. Ich stelle mit dieser Zusicherung auf Prü-fung die Beantwortung der Frage fest. Wir kommen zu- Drucksache 2/2471 -, zur Anfrage von Herrn Abgeord-neten Griese. Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Griese, SPD:

Verkauf von Wohnungsbeständen an Zwischenerwerber

Der brandenburgische Minister für Stadtentwicklung, Woh-nen und Verkehr, Hartmut Meyer, hat in den Wohnungs-wirtschaftlichen Informationen 45/97 auf die Problematikdes voreiligen Verkaufs von Wohnungsbeständen anZwischenerwerber hingewiesen.

Es seien bei Einzelfällen Schwierigkeiten bei der Kauf-preiszahlung bekanntgeworden. Grund hierfür waren fastimmer finanzielle Schwierigkeiten des Zwischenerwerbers.

Ich frage die Landesregierung:

1. Sind solche Fälle auch für Thüringen bekannt?

2. In wie vielen Fällen wurden in Thüringen Wohnungs-bestände an Zwischenerwerber veräußert?

3. Wie kann die Überwachung des Zwischenerwerbershinsichtlich der Sanierungs- und Privatisierungsver-pflichtung sichergestellt werden?

4. Liegen Erkenntnisse vor, wie viele Zwischenerwerberbisher die Auflage zur Privatisierung an die Mieter er-füllt haben?

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke schön. Bitte, Herr Staatssekretär.

Richwien, Staatssekretär:

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren,ich beantworte die Mündliche Anfrage des Abgeordne-ten Griese für die Thüringer Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: In Thüringen sind keine Fälle bekannt, indenen es hinsichtlich des Verkaufs von Wohnungsbe-ständen an Zwischenerwerber zu Schwierigkeiten beider Kaufpreiszahlung an die veräußerten Unternehmengekommen ist.

Zu Frage 2: Mit der Umsetzung des Altschuldenhilfege-setzes und der Wohnungsprivatisierung ist für den Bunddie Kreditanstalt für Wiederaufbau beauftragt. Bei die-ser sind z.Z. für Thüringen 40 Zwischenerwerber be-kannt. Von den vorgelegten Verträgen sind 24 bislanggeprüft und von der KfW akzeptiert.

Zu Frage 3: Der Verkauf von Wohnungen an Zwischen-erwerber ist ein privatrechtliches Geschäft und unter-liegt der freien Vereinbarung der Vertragsparteien. DieÜberwachung der Sanierungsverpflichtung ist in diesemVerhältnis Sache der Wohnungsunternehmen. Aufgrunddes der Mündlichen Anfrage zugrunde liegenden Pro-blemfalls hat die KfW in Abstimmung mit dem Bundes-ministerium für Bau und Vertretern der Wohnungswirt-schaft Empfehlungen für die Auswahl von Zwischener-werbern herausgegeben. Wesentliche Inhalte sind ein-mal die Auswahl des Zwischenerwerbers nach vorgeleg-ten Referenzen und Privatisierungsobjekten und eineBonitätsprüfung unter Einbeziehung der vom Zwischen-erwerber zu realisierenden Instandsetzung und Moderni-sierung. Als wichtigster Ansatzpunkt wird die vertragli-che Ausgestaltung der Informations- und Kontrollrechteder veräußerten Wohnungsunternehmen gegenüber dem

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 72. Sitzung, 29. Januar 1998 6351

Zwischenerwerber angesehen. Des weiteren wird emp-fohlen, Informationspflichten des Zwischenerwerbers zuvereinbaren, um hierdurch frühzeitig auf Schwierigkei-ten reagieren zu können.

Zu Frage 4: Bislang - ich hatte es schon erwähnt - sind24 Verträge von Zwischenerwerbern in Thüringen vonder KfW anerkannt. Es liegt kein Material vor, ob einZwischenerwerber bereits seine Verpflichtungen voll-ständig erfüllt hat.

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke schön. Ich stelle die Beantwortung der Fragefest. Wir kommen zur Frage in - Drucksache 2/2473 -.Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Pidde.

Abgeordneter Dr. Pidde, SPD:

BIOLAK-Kläranlage

Ich frage die Landesregierung:

1. Welches technische Konzept verbirgt sich hinter derBezeichnung BIOLAK-Kläranlage?

2. Welche bau- und betriebswirtschaftlichen Folgekos-ten sind mit einer BIOLAK-Kläranlage im Vergleich zuanderen Kläranlagen zu erwarten?

3. Für welchen Zeitraum läßt sich eine BIOLAK-Klär-anlage technisch nutzen?

4. Ist der Bau von BIOLAK-Kläranlagen in Thüringenbereits erfolgt bzw. möglich?

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke schön. Bitte, Herr Minister Dr. Sklenar.

Dr. Sklenar, Minister für Landwirtschaft,Naturschutz und Umwelt:

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und HerrenAbgeordneten! Werter Herr Dr. Pidde, Ihre MündlicheAnfrage beantworte ich im Namen der Landesregierungwie folgt:

Zu Frage 1: Die BIOLAK-Kläranlage entspricht in derKonzeption einer schwach belasteten Belebungsanlage.Die erforderlichen Becken werden nicht aus Beton her-gestellt, sondern als Erdbecken ausgeführt, die mit Kunst-stoffbahnen abgedichtet werden. Des weiteren wird die inder biologischen Stufe benötigte Sauerstoffzufuhr durchwandernde Belüftungsketten erzeugt. Bei der herkömm-lichen Bauweise werden stationäre Belüfter eingesetzt.

Zu Frage 2: Das Hauptargument für den Bau einerBIOLAK-Anlage ist die Kostenentscheidung, da durch

die Erdbauweise Einsparungen von geschätzten 20 Pro-zent der Bausumme gegenüber der herkömmlichen Be-tonbauweise zu erwarten sind. Betriebswirtschaftlichdürften sich keine nennenswerten Einsparungen durchdiese Kläranlagenvariante erzielen lassen.

Zu Frage 3: Laut Herstellerangaben sind die Anlagenauf eine Nutzungsdauer von mindestens 50 Jahren kon-zipiert. Die tatsächliche Nutzungsdauer ist allerdings,bedingt durch die bis heute relativ kurze Erprobungs-zeit, nicht gesichert anzugeben.

Zu Frage 4: Der Bau von BIOLAK-Anlagen in Thürin-gen ist möglich, jedoch müssen wie bei allen Kläranla-gen die Bedingungen, die notwendig sind, im Einzelfallim Vorfeld untersucht werden. In diesem Jahr erfolgteim Verbandsgebiet des Zweckverbands "Goldene Aue"der erste Bau einer derartigen Anlage in Thüringen. Eshandelt sich um die Kläranlage in der Gemarkung Aule-ben im Landkreis Nordhausen, die für 10.000 Einwoh-nerwerte bei einer Nutzungsdauer von 25 Jahren ausge-legt wurde. Am 27.11.1997 wurde die Zustimmung zurAufnahme des Probebetriebs erteilt. Durch den Bau undBetrieb dieser Anlage werden sich neue Erkenntnisseüber die technische und betriebswirtschaftliche Eignungder BIOLAK-Anlagen in bezug auf die Verhältnisse inThüringen ergeben.

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke schön. Ich stelle die Beantwortung der Fragefest. Wir kommen zur Frage in - Drucksache 2/2486 -.Bitte, Frau Abgeordnete Zimmer.

Abgeordnete Frau Zimmer, PDS:

Fachberaterin für Mädchenarbeit

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche Aufgaben und Kompetenzen der Fachberate-rin für Mädchenarbeit wurden im Rahmen einer Stellen-beschreibung geregelt?

2. Wie erfolgte die Eingruppierung der Fachberaterinfür Mädchenarbeit im Rahmen des Bundesangestellten-tarifs?

3. Welche rechtlichen und finanziellen Möglichkeitender beruflichen Fort- und Weiterbildung wurden für dieFachberaterin für Mädchenarbeit geschaffen?

4. Wie ist der Stand bei der Erstellung eines ThüringerMädchenförderplans in Zusammenarbeit der Ministerienmit der Landesfrauenbeauftragten?

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke schön. Bitte, Frau Ministerin Ellenberger.

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6352 Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 72. Sitzung, 29. Januar 1998

Frau Ellenberger, Ministerin für Soziales undGesundheit:

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Zu Ihrer Frage 1, Frau Abgeordnete Zimmer: Die Fachbera-terin für Mädchenarbeit hat den Auftrag, örtliche und über-örtliche Träger der Jugendhilfe bei der Entwicklung mäd-chenspezifischer Jugendhilfeangebote und Konzepte zu be-raten, dergleichen anzuregen und zu initiieren. Arbeits-schwerpunkt ist derzeit neben Fortbildung und Qualitäts-sicherung die Bestandssicherung und die Weiterführungmädchengerechter bzw. geschlechtsspezifischer Jugend-hilfeeinrichtungen im Rahmen der Richtlinie "Jugendpau-schale".

Zu Frage 2: Die Mitarbeiterin ist in die Vergütungsgrup-pe V b BAT-Ost, die mit der Beamtenlaufbahn des ge-hobenen Dienstes vergleichbar ist, eingruppiert.

Zu Frage 3: Die allgemeinen Bedingungen für die Fort-und Weiterbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiterdes Landesjugendamts gelten uneingeschränkt auch fürdie Fachberaterin für Mädchenarbeit.

Zu Frage 4: Im Rahmen der Evaluation der Jugendpau-schale und des Modellversuchs "mädchengerechte Jugend-hilfeplanung", das gemeinsam von Bund und Land getragenwird, wird erkennbar sein, ob weitere, besondere Förder-instrumente für Mädchen, z.B. ein Mädchenförderplanin Zukunft entwickelt werden müssen. An der Umset-zung der Evaluation und des Modellvorhabens wird dieLandesfrauenbeauftragte beratend beteiligt.

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke schön. Die Frage ist beantwortet. Wir kommenzur - Drucksache 2/2487 -. Bitte, Frau Zimmer.

Abgeordnete Frau Zimmer, PDS:

Frauengesundheitsförderung

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie ist die strukturelle Angliederung bzw. Zuständig-keit innerhalb der Landesregierung geregelt, die dieThemen von "Frau und Gesundheit" betreffen?

2. Wie und durch wen werden gegenwärtig ThüringerFrauengesundheitsprojekte in Zuständigkeit der Landes-regierung gefördert?

3. Gibt es Bestrebungen, gezielte Förderrichtlinien fürFrauengesundheitsinitiativen zu erarbeiten?

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke schön. Bitte, Frau Ministerin Ellenberger.

Frau Ellenberger, Ministerin für Soziales undGesundheit:

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Frau Abgeordnete Zimmer, zu Frage 1: Gemäß der Ver-ordnung über die Zuständigkeit der einzelnen Ministe-rien nach Artikel 76 Abs. 2 der Verfassung des Frei-staats Thüringen im Gesetz- und Verordnungsblatt vom20. April 1995, Seite 176, ist mein Haus, das TMSG, zu-ständig für die Gesundheitsförderung und das öffentlicheGesundheitswesen, und dies gleichermaßen für Bürge-rinnen und Bürger. In diesem Rahmen und nur in die-sem Rahmen ist das TMSG auch zuständig für die Pro-blematik "Frau und Gesundheit", nicht aber für spezifi-sche Frauenprojekte wie etwa ein Frauengesundheits-zentrum. Das wird übrigens auch in anderen Ländernund auch auf Bundesebene so gehandhabt.

Zu Frage 2: Das Thüringer Ministerium für Soziales undGesundheit hat mit der Umsetzung von Maßnahmen derGesundheitsförderung die Landesarbeitsgemeinschaft fürGesundheitsförderung Thüringen e.V. AGETHUR beauf-tragt. Die AGETHUR leitet landesweit auf dem Gebiet derGesundheitsförderung Tätige an und koordiniert die zahlrei-chen Aktivitäten. Schwerpunktmäßig wird die AGETHURdabei in den Bereichen gesunde Schule, gesunde Ernäh-rung, Gesundheit und Umwelt, Psychoprophylaxe, Selbst-hilfearbeit, Sexualerziehung und Aidsprävention sowieSuchtprävention tätig. Angesprochen von den Maßnahmender AGETHUR ist jede Bürgerin und jeder Bürger. Es gibtaber auch spezifische Angebote für Kinder und Jugendli-che, ältere Menschen und für Frauen. Unbestritten be-dürfen Frauen aufgrund ihrer meist erheblichen Doppel-belastung durch Familie und Beruf, aber auch durch diezunehmende Arbeitslosigkeit, von der Frauen besondersbetroffen sind, auch durch psychische Belastungen durcherlittene Gewalt für ihre körperliche und geistige Gesund-heit der besonderen Unterstützung. Die AGETHUR ver-sucht zunehmend, diesem Bedarf durch spezifische Ange-bote der Gesundheitsförderung gerecht zu werden. Frauenund Mädchen sollen besser über die Gesundheit von Frauenund daraus ableitbaren gesunden Lebensweisen und Vor-sorgemaßnahmen informiert werden. Für 1998 ist vonder AGETHUR eine landesweite Frauengesundheitskonfe-renz in Vorbereitung.

Zu Frage 3: Die langfristige und dauerhafte Sicherungder Gesundheitsförderung, gerade auch für die Frauen-gesundheit, ist nur gemeinsam mit den Krankenkassenerreichbar, was natürlich durch die Streichung von § 20Abs. 4 SGB V z.Z. sehr erschwert wird. Zur Zeit gibt esüber die unter 2 gemachten Angaben keine Förderungund deshalb auch keine Vorbereitung von Richtlinien.

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Nachfrage? Einen Moment bitte, Frau Ministerin. Bitteschön.

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 72. Sitzung, 29. Januar 1998 6353

Abgeordnete Frau Zimmer, PDS:

Das bedeutet also, daß es auch in absehbarer Zeit keine Be-strebungen gibt, daß Veranstaltungen, die von Frauenzen-tren, Fraueninitiativen, Frauenvereinen unternommen wer-den, um das Thema "Frau und Gesundheit" zu problemati-sieren, durch die Landesregierung gefördert werden kön-nen? Denn durch die Landesfrauenbeauftragte wird hier dieZuständigkeit an das Ministerium für Soziales und Gesund-heit verwiesen, und wir wissen, daß aus Ihrem Ministeriumdie Ablehnung solcher Förderanträge genauso erfolgt.

Frau Ellenberger, Ministerin für Soziales undGesundheit:

Frau Abgeordnete Zimmer, ich habe Ihnen in meiner Ant-wort vorgetragen, wofür das TMSG zuständig ist, nämlichfür Gesundheitsförderung ganz allgemein für Frauen undfür Männer. Für frauenspezifische Projekte ist aus meinerSicht die Landesfrauenbeauftragte zuständig.

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Noch eine? Bitte.

Abgeordnete Frau Zimmer, PDS:

Dann muß ich noch einmal nachfragen: Wer regelt danninnerhalb der Landesregierung die Zuständigkeit für solchenotwendigen Fördermaßnahmen? Sie sagen, die Landes-frauenbeauftragte ist zuständig, die Landesfrauenbeauftrag-te sagt, das Ministerium ist zuständig. Fakt ist, die Projektebleiben dabei auf der Strecke. Ich möchte einfach nurwissen, wo und an welcher Stelle wird eine solcheÜbereinstimmung hergestellt, daß tatsächlich auch dieseProjekte unterstützt werden können?

Frau Ellenberger, Ministerin für Soziales undGesundheit:

Es ist kein Geheimnis, daß es dort zwischen der Landes-frauenbeauftragten und dem TMSG, speziell mir, si-cherlich Meinungsunterschiede gibt. Aus meiner Sichtist es eindeutig geregelt, wer wofür zuständig ist. Ichhabe überhaupt keinen Anlaß, dort in andere Belangereinzureden.

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke. Damit ist die Frage beantwortet. Wir kommen zur- Drucksache 2/2488 -. Bitte, Frau Abgeordnete Zimmer.

Abgeordnete Frau Zimmer, PDS:

Mädchenarbeit in Thüringen

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche Maßnahmen wurden ergriffen, um die Exi-stenz und den Fortbestand von Projekten der Mädchen-arbeit zu sichern?

2. Wie hoch ist der Anteil von Stellen für Mädchenar-beit im Rahmen der Jugendpauschale; wurde dabei dasKriterium Geschlechtsspezifik berücksichtigt?

3. Wie viele Festanstellungen in der Mädchenprojektar-beit wurden seit 1. Januar 1997 geschaffen?

4. Sind Landes- und Bundesmodellprojekte der geschlechts-spezifischen Kinder- bzw. Jugendarbeit für 1998 geplant?

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke schön. Bitte, Frau Ministerin.

Frau Ellenberger, Ministerin für Soziales undGesundheit:

Herr Präsident, meine Damen und Herren, zu Ihrer Fra-ge Nummer 1, Frau Abgeordnete Zimmer: Die Angebo-te der Mädchenarbeit gehören in den Kontext der Ju-gendhilfe, so daß der weitaus größte Teil der hier ge-fragten Angebote von den örtlichen Trägern der öffent-lichen Jugendhilfe erbracht werden muß. Die Mädchen-arbeit ist aber auch ein jugendpolitischer Schwerpunktdes Landes. Deshalb habe ich mich auch für die Errich-tung der Fachberatungsstelle für Mädchenarbeit im Lan-desjugendamt eingesetzt und innerhalb der Jugendpau-schale ausdrücklich den gesetzlichen Auftrag des § 9SGB VIII betont. Aus der Tätigkeit der Fachberaterin-nen sind im Landesjugendamt ungefähr 50 Mädchen-projekte bekannt, die auch von dort aus beraten werdenkönnen und auch beraten werden.

Zu Frage 2: Wie hoch der Anteil der Stellen für Mädchen-arbeit im Rahmen der Umsetzung der Jugendpauschale ist,kann z.Z. noch nicht mitgeteilt werden, noch weniger, in-wieweit damit dem genannten Problem Rechnung getra-gen wurde. Die Umsetzung der Jugendpauschale wirdwissenschaftlich ausgewertet. Erst im Ergebnis der Eva-luation der Jugendpauschale, also etwa im Sommer 1998,wird es eine genaue Übersicht über die Anzahl der Stel-len auch in der Mädchenarbeit geben.

Zu Frage 3: Die seit dem 1. Januar 1997 geschaffenenFestanstellungen in der Mädchenprojektarbeit werden,wie ich schon bei 2 sagte, im Rahmen der Evaluationder Jugendpauschale ermittelt.

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Zu Frage 4: Zwischen dem TMSG und dem Bundesmi-nisterium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend wurdedas gemeinsam finanzierte Modellprojekt "integrierte mäd-chenbewußte Jugendhilfeplanung" initiiert, das für 1998 bis2000 an zwei Projektstandorten in Thüringen, genau ge-sagt in Erfurt und im Landkreis Nordhausen, mädchen-spezifische Jugendhilfeplanung entwickeln wird. Trägerdes Modellprojekts wird das Institut für Sozialarbeit undSozialpädagogik in enger Zusammenarbeit mit dem Lan-desjugendamt sein. Vom Freistaat Thüringen und von derBundesrepublik Deutschland werden für die gesamte Lauf-zeit über 450.000 DM an Fördermitteln für das Modellpro-jekt aufgewendet. Ziel soll es auch sein, die Ergebnisse desModellvorhabens über den Fortbildungs- und Beratungs-auftrag des Landesjugendamts allen interessierten Landkrei-sen und kreisfreien Städten zu vermitteln. Ich erhoffe des-halb von den zwei Modellstandorten eine Signalwirkung füralle Jugendämter im Freistaat Thüringen.

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke schön. Die Frage ist beantwortet. Wir kommenzur - Drucksache 2/2491 -. Bitte, Herr AbgeordneterGriese.

Abgeordneter Griese, SPD:

WGT-Liegenschaften in Rudisleben

Ein Investor wollte auf der WGT-Liegenschaft in Rudisle-ben einen Ferienpark mit Tropenbad errichten. Das Raum-ordnungsverfahren ist abgeschlossen, und es besteht Bau-recht. Ein Baubeginn ist bisher nicht erfolgt, obwohlmehrfach in der Lokalpresse ein erster Spatenstich an-gekündigt wurde.

Ich frage die Landesregierung:

1. Was führte zu den Verzögerungen bei der Realisie-rung der Investition?

2. Wird die Investition vom Land gefördert, wenn ja,mit welchem Fördersatz?

3. Ist mit einem baldigen Beginn der Investition zurechnen?

4. Wie ist der gegenwärtige Stand des Verfahrens?

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke schön. Bitte, Herr Staatssekretär.

Richwien, Staatssekretär:

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren,ich beantworte die Mündliche Anfrage des Abgeordne-ten Griese für die Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Der Investor hat keine Durchfinanzierungs-bestätigung einer Bank vorgelegt. Die Gründe dafür sinduns nicht bekannt.

Zu den Fragen 2 und 3: Ich glaube, daß ich die hier imZusammenhang beantworten kann. Es war vorgesehen,das Investitionsvorhaben mit GA-Mitteln zu fördern. DerZuwendungsbescheid vom 13. März 1997 wurde unter derBedingung erlassen, daß der Antragsteller bis Ende Mai1997 eine vorbehaltlose Durchfinanzierungsbestätigung so-wie einen notariell beglaubigten Kaufvertrag für den Er-werb des Grundstücks vorlegt. Die Frist hat der Antrag-steller nicht eingehalten, so daß der Bescheid nicht be-standskräftig werden konnte. Bei betrieblichen Einzel-förderungen darf aus datenschutzrechtlichen Gründendie Höhe des Fördersatzes nicht genannt werden.

Zu Frage 4: Nach Angaben der für die Förderung zu-ständigen Thüringer Aufbaubank hat der Investor bisherkeinen neuen Förderantrag gestellt.

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Eine Nachfrage, Herr Staatssekretär. Bitte, Herr Griese.

Abgeordneter Griese, SPD:

Es ist ja ein erheblich großes Gelände, was mit öffentli-chen Mitteln von der LEG für eine Investition vorberei-tet wurde; wir haben eine große Arbeitslosigkeit im Ilm-kreis - sind Alternativen der Nutzung vorgesehen? Wenn ja,welche? Gibt es konkrete andere Investoren, die in diesemGelände etwas vorhaben, bzw. was wird auf diesem Ge-lände dann gestaltet werden?

Richwien, Staatssekretär:

Herr Abgeordneter, es ist mir zum jetzigen Zeitpunktnicht bekannt, ob andere Investoren da eventuell ein-springen werden. Ich mache mich im Haus noch malkundig und würde Ihnen dann die Antwort, wenn dasder Fall wäre, noch zukommen lassen.

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke schön. Die Frage ist beantwortet. Wir kommenzu - Drucksache 2/2492 -.

Abgeordneter Griese, SPD:

Baustraße für den Ausbau der B 88 zwischen Crawinkelund Frankenhain

Wegen Bauarbeiten an der B 88 zwischen Crawinkel undFrankenhain wurde eine Baustraße errichtet. Nach Ab-schluß der Straßenbauarbeiten soll diese Baustraße vollstän-dig rückgebaut werden. Weil die B 88 als künftiger Auto-bahnzubringer ein größeres Verkehrsaufkommen habenwird und zur touristischen Aufwertung der Region fordern

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die Gemeinden Crawinkel und Frankenhain, die Baustraßenach Beendigung der Bauarbeiten als Radweg zu nutzen.Dies wird jedoch vom Thüringer Ministerium für Wirt-schaft und Infrastruktur, wie aus der Antwort auf die Klei-ne Anfrage 704 des Abgeordneten Dr. Pidde (Drucksa-che 2/2184) ersichtlich ist, abgelehnt.

Ich frage die Landesregierung:

1. Warum wurden die seit Jahren bekannten Forderun-gen nach einem Radweg von Crawinkel nach Franken-hain bei den Planungen nicht berücksichtigt?

2. Was kostet der vollständige Rückbau der Baustraße?

3. Welche Kosten würden für eine Planung zur Umnut-zung der Baustraße als Radweg und die damit verbunde-nen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen entstehen?

4. Stimmt die Landesregierung mit mir überein, daßRadwege eine notwendige Investition in die touristischeInfrastruktur darstellen?

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke schön. Bitte, Herr Staatssekretär.

Richwien, Staatssekretär:

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren,ich beantworte die Mündliche Anfrage des Abgeordne-ten Herrn Griese für die Thüringer Landesregierung wiefolgt:

Zu Frage 1: Die B 88 wird in diesem Abschnitt zur Zeittäglich von rund 3.500 Kraftfahrzeugen und im Durch-schnitt von 21 Radfahrern befahren. Ein seitenbegleiten-der Radweg ist aufgrund des geringen Aufkommens vonRadfahrern gegenwärtig verkehrlich nicht begründbar.

Zu Frage 2: Der Rückbau der Baustraße kostet etwa45.000 DM.

Zu Frage 3: Die Baukosten für einen ca. 2,4 m langenseitenbegleitenden Radweg würde sich einschließlichder Kosten für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen aufetwa 700.000 DM belaufen. Hinzu kämen Planungsko-sten in Höhe von ca. 60.000 DM. Eine Umnutzung derBaustraße ist aufgrund der wechselseitigen Lage unddes abschnittsweisen Baus mit anschließender Wieder-verwendung des Baumaterials nicht möglich.

Zu Frage 4: Ja. Ein seitenbegleitender Radweg ist aberin diesem Bereich der B 88 als Bestandteil eines touri-stischen Radwegenetzes nicht vorgesehen.

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke. Ich stelle die Beantwortung der Frage fest. Wirkommen zur - Drucksache 2/2493 -. Bitte, Herr Griese.

Abgeordneter Griese, SPD:

Reduzierung der Fördersätze im Bereich des ThüringerMinisteriums für Wirtschaft und Infrastruktur (TMWI)

Zeitungsberichten folgend beabsichtigt der Wirtschafts-minister, mit Beginn des Jahres 1998 die Fördersätze imBereich des TMWI zu reduzieren.

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche Gründe liegen vor, die Fördersätze zu redu-zieren, und in welchen Bereichen sollen die Fördersätzereduziert werden?

2. Gibt es Überlegungen im TMWI, bei der Ausrei-chung der Fördermittel verstärkt regionale, sektorale, ar-beitsmarktorientierte oder qualitative Aspekte mit ein-zubeziehen?

3. Wurde die obengenannte Veränderung mit den Wirt-schaftsverbänden und Kammern in Thüringen bespro-chen, und wie ist deren Haltung zu den für 1998 vorge-sehenen Veränderungen?

4. Gibt es für Thüringen Untersuchungen über die Effi-zienz des Förderinstrumentariums und des Mitteleinsat-zes im Bereich des TMWI? Wenn ja, zu welchen Er-gebnissen kommen diese Untersuchungen?

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke schön. Herr Staatssekretär, bitte.

(Zwischenruf Abg. Frau Vopel, CDU:Warum bleiben Sie nicht gleich stehen?)

Richwien, Staatssekretär:

Ja, ich könnte gleich hier stehenbleiben. Herr Präsident,meine sehr geehrten Damen und Herren, namens derLandesregierung beantworte ich die Mündliche Anfragevon Herrn Griese wie folgt:

Zu Frage 1: Die stark gestiegene Investitionsneigung Thü-ringer Unternehmen hat dazu geführt, daß die Nachfragenach Mitteln aus der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserungder regionalen Wirtschaftsstruktur" die zur Verfügung ste-henden GA-Mittel um ein Mehrfaches übersteigt, so daß ei-ne entsprechende Anpassung der Fördermittelbestimmungnotwendig wurde. Die Ergänzung der GA-Durchführungs-richtlinie wurde, ich glaube, wie jedem bekannt ist, am12. Januar 1998 im Thüringer Staatsanzeiger veröffentlicht.Als eine Maßnahme werden die Fördersätze für einzel-

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betriebliche Investitionsvorhaben für alle Bereiche inAbhängigkeit von der Investitionsart reduziert.

Zu Frage 2: Es ist gemäß der neuen GA-Durchführungs-richtlinie möglich, daß Vorhaben im besonderen Struk-tureffekt im Einzelfall einen um 5 Prozentpunkte höhe-ren Fördersatz erhalten können. Der besondere Struktur-effekt kann vorliegen, wenn das Vorhaben in besondererWeise geeignet ist, quantitativen und qualitativen Defi-ziten der Wirtschaftsstruktur und des Arbeitsplatzange-bots entgegenzuwirken.

Zu Frage 3: Die Weiterentwicklung der landesinternen GA-Durchführungsbestimmung wurde sowohl mit der Indu-strie- und Handelskammer, oder den Kammern müßte ichhier besser sagen, als auch den Handwerkskammern sowiedem Verband der Wirtschaft Thüringens diskutiert. Vonden anwesenden Präsidenten und den Institutionen wurdeunseren Vorschlägen zur stärkeren sachlichen Konzentra-tion der Förderung grundsätzlich Zustimmung erteilt.

Zu Frage 4: Die Bewertung der Effizienz des Förderinstru-mentariums und des Mitteleinsatzes ist eine kontinuierlicheAufgabe im Programmvollzug. Für den Bereich des TMWIliegen folgende Untersuchungen namhafter Gutachter vorbzw. befinden sich in Erarbeitung. Im Rahmen des Mit-telstandsberichts 1996 hat das Rheinisch-Westfälische Insti-tut für Wirtschaftsforschung Essen die vorhandenen Förder-programme analysiert und im Ergebnis u.a. festgestellt,daß sich das vorhandene Fördersystem im Grundsatz be-währt hat. Die Gutachter empfahlen, alle Maßnahmen zuvermeiden, die auf eine strukturkonservierende Förderunghinauslaufen. Das IFO-Institut hat eine Zwischenbewertungder EFRE-Förderung '94 bis '96 in Thüringen vorgenom-men und kommt u.a. zum Ergebnis, daß vor dem Hinter-grund des Entwicklungsrückstands ein weiterer Einsatz vonEFRE-Mitteln in Thüringen notwendig ist.

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke. Eine Nachfrage?

Abgeordneter Griese, SPD:

Nach meinen Informationen gibt es im Landkreis Söm-merda z.B. innerhalb eines Landkreises den Zustand,daß die Gemeinden des Altkreises Sömmerda A-Förder-gebiet sind, während die Gemeinden, die aus dem ehe-maligen Landkreis Erfurt dazugekommen sind, B-För-dergebiet. Wie ist so eine Differenzierung innerhalb ei-nes Landkreises zu begründen?

Richwien, Staatssekretär:

Ich kann Ihnen nur sagen, daß wir die A-Fördergebieteund die B-Fördergebiete haben, und da finden sich dieeinzelnen Kommunen wieder, und nach diesen Förder-sätzen werden wir verfahren.

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Einen Moment bitte, Herr Staatssekretär, Entschuldi-gung. Hier ist noch eine Frage aus der Mitte des Hauses.Bitte, Herr Gerstenberger.

Abgeordneter Gerstenberger, PDS:

Herr Staatssekretär, ist vorgesehen, daß die von Ihnen alszweite erwähnte Studie zu EFRE dem Landtag oder demWirtschaftsausschuß zur Information zugeleitet wird, undwenn ja, wann?

Richwien, Staatssekretär:

Das kann ich Ihnen zur Zeit nicht sagen. Die Fragekönnte ich Ihnen hier von der Stelle aus nicht beant-worten. Wenn das der Fall ist, dann ist es klar, daß wirIhnen diese Studie zuleiten könnten.

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Ja bitte?

Abgeordneter Gerstenberger, PDS:

Ich würde darum bitten, daß wir die Information dannvon Ihnen noch nachgereicht bekommen.

Richwien, Staatssekretär:

Ja. Das hatte ich Ihnen eben gerade zugesagt.

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke schön. Wir kommen zur Frage in - Drucksache2/2519 -. Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Häfner.

Abgeordneter Dr. Häfner, CDU:

Vor dem Hintergrund der Demonstrationen und Protesteder niedergelassenen Ärzte im ambulanten Dienst (Kas-senärzte) frage ich die Landesregierung:

1. Gibt es eine Kontrolle bezüglich der Einnahmen undAusgaben und des Verwaltungsaufwands der gesetzli-chen Krankenkassen in Thüringen?

2. Wer ist Kontrollbehörde, wo sind Prüfergebnisse ver-öffentlicht?

3. Welche Maßnahmen gedenkt die Landesregierung zu er-greifen, um Kürzungen von Ausbildungsstellen, die Entlas-sung von Auszubildenden, den Verlust von Arbeitsplätzenin den Arztpraxen einzudämmen?

4. Ist die Landesregierung bereit, den gravierenden Un-terschied in der ambulanten Betreuung zwischen denbeiden Ländern Hessen und Thüringen zu dulden, wobei

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zu bedenken ist, daß die betriebswirtschaftliche Situa-tion der niedergelassenen Ärzte in Thüringen einen hi-storischen Tiefstand erreicht hat?

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke schön. Bitte, Frau Ministerin Ellenberger.

Frau Ellenberger, Ministerin für Soziales undGesundheit:

Herr Landtagspräsident, meine Damen und Herren Ab-geordneten! Herr Dr. Häfner, ich freue mich sehr, daßSie mir mit Ihrer Frage Gelegenheit geben, zu den jüng-sten Aktionen der Thüringer Ärzteschaft und zu derenteilweise besorgniserregenden Darstellungen einige Faktenbeizutragen. Ich bin mir sicher, daß diese das derzeitigeBild etwas relativieren werden.

Zu Ihren Fragen 1 und 2: Alle gesetzlichen Krankenkassenhaben jährlich einen Haushaltsplan aufzustellen, in dem dievoraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben Berücksichti-gung finden. Dieser Haushaltsplan wird vom Verwaltungs-rat der Krankenkasse in einer öffentlichen Sitzung beschlos-sen. Da er jedoch keine eigenständige Rechtsnorm darstellt,ist er auch nicht vom Versicherungsträger zu veröffentli-chen. Die Haushaltspläne der landesunmittelbaren Kran-kenkassen - in Thüringen sind es die AOK, zwei Betriebs-und drei Innungskrankenkassen - sind der Fachabteilungdes Thüringer Ministeriums für Soziales und Gesund-heit als Aufsichtsbehörde zur Prüfung vorzulegen. Beiden bundesweit organisierten Ersatzkrankenkassen istdas Bundesversicherungsamt zuständig. Kriterien für eineHaushaltsplanprüfung sind die Rechtmäßigkeit der vorgese-henen Ausgaben und Einnahmen und die wirtschaftlicheLeistungsfähigkeit der einzelnen Krankenkasse für die Er-füllung ihrer gesetzlichen Aufgaben. Weiterhin ist die Ge-schäfts-, Betriebs- und Rechnungsführung jeder gesetzli-chen Krankenkasse mindestens einmal in fünf Jahren zuprüfen. Die Prüfung erstreckt sich auf den gesamten Ge-schäftsbetrieb und umfaßt die Gesetzmäßigkeit und Wirt-schaftlichkeit. Sie wird für die landesunmittelbaren Kran-kenkassen vom Landesprüfdienst der Sozialversicherungim Thüringer Ministerium für Soziales und Gesundheit vor-genommen. Bei den bundesweit organisierten Ersatzkassenist wiederum das Bundesversicherungsamt zuständig. Inden Jahren 1995 bis 1997 wurden alle sechs in Fragekommenden Krankenkassen Thüringens geprüft. Anlaßzu Aufsichtsmaßnahmen bestand nicht. Eine Veröffent-lichung der Prüfberichte ist vom Gesetzgeber nicht vor-gesehen und stünde auch nicht im Einklang mit dem vonihm immer weiter vorangetriebenen Wettbewerbsgedankenin der gesetzlichen Krankenversicherung. Neben diesenvorgenannten Prüfungen haben die Krankenkassen nachRechnungsabschluß für jedes Kalenderjahr eine Jahresrech-nung zu erstellen und von einer eigenen Prüfstelle oder ei-nem Sachverständigen prüfen zu lassen. Sowohl die Jahres-rechnung als auch der Prüfbericht sind der zuständigen Auf-sichtsbehörde vorzulegen. Sie können also sehen, Herr Ab-

geordneter Dr. Häfner, daß Geschäfts- und Rechnungser-gebnisse der gesetzlichen Krankenkassen vor, währendund nach jedem Kalenderjahr geprüft werden. Unwirt-schaftlichkeit konnte bei den landesunmittelbaren Kran-kenkassen in diesem Zusammenhang nicht festgestelltwerden, auch nicht bei den Verwaltungskosten. Die Ver-waltungskosten der unserer Aufsicht unterstehenden Kran-kenkassen mögen naturgemäß in der Aufbausituation etwashöher als in den alten Bundesländern gewesen sein. Dasgilt jedoch für alle neuen Länder. Im Durchschnitt derletzten drei Jahre liegen die Verwaltungskosten der AOKThüringen mit 4,95 Prozent der Gesamtausgaben unter demDurchschnitt der neuen Länder, auch teilweise der altenLänder. Innungs- und Betriebskrankenkassen liegen etwasüber dem Vergleichswert der neuen Länder.

Zu Frage 3: Die Entscheidung über den Personalbestandin der eigenen Arztpraxis trifft der niedergelassene Arztvor dem Hintergrund des aus seiner Sicht medizinisch Not-wendigen. Dabei sind in meinem Hause bisher keine Hin-weise von Bürgerinnen und Bürgern bekannt, daß durchPersonalreduzierung eine unzureichende Betreuung in denArztpraxen erfolgt ist. Ein spezielles Programm der Lan-desregierung zur Förderung von Ausbildungsstellen inden Arztpraxen gibt es nicht. Die bereits bekannten För-derprogramme zur beruflichen Bildung sollen auch imlaufenden Ausbildungsjahr als flankierende Maßnahmevorrangig die Bereitstellung betrieblicher Ausbildungs-plätze unterstützen. Die Konditionen wurden im letztenJahr verbessert und vor allem für kleine und mittlere Unter-nehmen attraktiver gestaltet. Diese Förderprogramme gel-ten, wenngleich nicht eigens für diesen Bereich ausgelegt,auch für Arztpraxen. Im übrigen verfügt das Ministe-rium für Soziales und Gesundheit über keine spezifi-schen Programme, mit denen dem Abbau von Arbeits-plätzen auch in Arztpraxen begegnet werden könnte.

Zu Frage 4: Mir ist der erwähnte gravierende Unterschied inder ambulanten medizinischen Versorgung der Bevölke-rung zwischen den beiden Ländern Hessen und Thüringennicht bekannt. Die Qualität der medizinischen Betreuung istbundesweit einheitlich im Gesetz und in entsprechendenRahmenverträgen vorgeschrieben. Spielraum auf Länder-ebene gibt es dabei nicht. Wegen der Beschränkung derärztlichen Zulassungszahlen durch bundesweit gültige Be-darfsplanrichtlinien gibt es auch keine medizinisch relevan-ten Unterschiede in der Ärztedichte. Bei der letzten Erhe-bung im Jahr 1994 hatte in Thüringen ein Arzt 764 Einwoh-ner zu versorgen. In allen neuen Ländern waren dies durch-schnittlich 774 Einwohner. Ein Arzt in Hessen hatte hinge-gen nur 677 Einwohner medizinisch zu betreuen. Aus die-sem Unterschied darf jedoch kein Rückschluß auf die Qua-lität der medizinischen Versorgung erfolgen. Gemäß dengültigen Bedarfsrichtlinien sind in den Thüringer Kreisendrei Viertel aller ärztlichen Zulassungbereiche gesperrt. Dasheißt, die bestehende ambulante Versorgung geht bereitsüber das Maß des Notwendigen hinaus. In Hessen wiein den übrigen alten Ländern ist die Arztdichte höher,weil die strengen Zulassungsbeschränkungen bei ärztli-

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cher Überversorgung erst 1993 eingeführt wurden. Wäh-rend sie in den neuen Ländern sofort gegriffen haben, muß-te in den alten Ländern auf den Besitzstand der zugelasse-nen Ärzte Rücksicht genommen werden. Eine weitereAngleichung der Verhältnisse an die der neuen Länderist daher langfristig zu erwarten. Inzwischen nehmen inThüringen 3.102 niedergelassene Ärzte an der ambulan-ten Versorgung der Bevölkerung teil. Das sind 350 Ärz-te mehr als noch vor fünf Jahren. Nur noch 78 ärztlicheZulassungen können in ganz Thüringen bedarfsbedingtvergeben werden. Im Jahr 1996 hat die Ärzteschaft rund1,1 Mrd. DM für ihre Leistungen erhalten. Das entsprichtimmerhin Leistungsausgaben von durchschnittlich rund350.000 DM je Arzt im Jahr. Sie haben sich also in denletzten Jahren von ungefähr 250.000 DM auf 350.000 DMerhöht. Ich will dazu aber noch zwei Randbemerkungenmachen. Aus diesen Zahlen kann man natürlich nicht ablei-ten, was ein einzelner Facharzt konkret an Einkommen hat.Und es ist auch zu erkennen, daß die Leistungsausgabenzwischen 1996 und 1997 ein Stück zurückgegangen sind.Nur diese Zahlen liegen mir in ihrer Genauigkeit noch nichtvor. Aber die Tendenz ist zu erkennen, wenn auch nur mini-mal.

Meine Damen und Herren, die von den Ärzten angeführteDarstellung, ihre Vergütung betrage nur 68 Prozent desWestniveaus, ist allerdings falsch. Diese Zahl bezieht sichauf die Ausgaben der Krankenkassen je Mitglied, wobei dieVergütung für die beitragsfreien mitversicherten Familien-angehörigen bereits enthalten ist. Da die Zahl der beitrags-freien mitversicherten Familienangehörigen in den neuenLändern naturgemäß geringer ist als in den alten Län-dern, kann ein Vergleich der Kosten je Mitglied kein reali-stisches Bild aufzeigen. Ein direkter Vergleich je Versi-cherter, das heißt unter Berücksichtigung der Familienversi-cherten, führt dagegen zu einem realistischen Bild. Die Hö-he der ärztlichen Vergütung in Thüringen im ersten Halb-jahr 1997 betrug je Versicherten zwischen 80 und 82 Pro-zent des Westniveaus, also in etwa dem Niveau, was wireigentlich in allen Bereichen haben; im günstigsten Falleauch in anderen Bereichen, will ich sagen. Die Vergütungärztlicher Leistungen muß daher im Hinblick auf das pro-zentuale Westniveau einen Vergleich mit dem allgemeinenNiveau der Bevölkerung in Thüringen nicht scheuen. Diewirtschaftlichen Probleme der Thüringer Ärzte sind viel-mehr auf den Punktwertverfall, insbesondere durch eineMengenausweitung ärztlicher Leistungen zurückzuführen.Maßgeblich für diese Verteilung der ärztlichen Vergütungist der Honorarverteilungsmaßstab. Anhand dieses Schlüs-sels verteilt die Kassenärztliche Vereinigung Thüringen dieZahlungen der Krankenkassen an die einzelnen Ärzte. Aufdie Gestaltung dieses Honorarverteilungsmaßstabs hat dieLandesregierung keinen Einfluß. Er wird von der Kassen-ärztlichen Vereinigung im Benehmen mit den Krankenkas-sen festgesetzt. Eine innerärztliche Verteilungsproblematikkann daher auch nur innerhalb der Ärzteschaft bzw. inner-halb der Selbstverwaltung Krankenkasse - Ärzteschaft ge-löst werden.

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Eine Nachfrage. Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Häfner.

Abgeordneter Dr. Häfner, CDU:

Frau Ministerin, Sie haben ja bemerkt, daß ich dieseFragen nur von interessierten Ärzten an Sie weiterge-geben habe. Kann ich die Antwort von Ihnen schriftlichbekommen, so daß ich sie so weitergeben kann?

Frau Ellenberger, Ministerin für Soziales undGesundheit:

Sie haben ja das Protokoll, Herr Abgeordneter Dr. Häfner.Ich denke, in der Landtagsverwaltung wird man auf Ihrspezielles Bedürfnis Rücksicht nehmen.

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke schön. Ich stelle die Beantwortung der Frage undgleichzeitig auch das Ende des Zeitfonds der Fragestun-de fest. Wir haben ja morgen noch einmal die Möglich-keit. Ich schließe den Tagesordnungspunkt 12 und rufeauf den Tagesordnungspunkt 13

Aktuelle Stunde

a) auf Antrag der Fraktion der PDS zumThema:"Länderübergreifender Schienen-personennahverkehr"Unterrichtung durch den Präsidenten desLandtags- Drucksache 2/2434 -

Wie immer - Zeitfonds für die beiden Themen jeweils30 Minuten und die Redezeit für jeden Redner 5 Minu-ten. Um das Wort hat Herr Abgeordneter Lemke, PDS-Fraktion, gebeten. Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Lemke, PDS:

Herr Präsident, meine Damen und Herren, vergegenwärti-gen wir uns einmal, was sich in Thüringen nach Inkraft-treten des Regionalisierungsgesetzes und des daraus resul-tierenden ÖPNV-Gesetzes im Schienenpersonennahverkehrgetan hat. Es ist nicht ganz einfach, sich ein umfassendesBild zu machen, da die Informationswilligkeit der Landes-regierung in diesem Bereich nicht sehr stark ausgeprägt ist.Es bedurfte schon einiger Nachfragen und der Behandlungim Wirtschaftsausschuß, um ansatzweise Informationen zuerhalten. Deutlich wurde in der Beantwortung der Anfra-gen, aber auch bei der Behandlung von Anträgen im Ple-num, daß die Landesregierung ihre eigenen Papiere nichtkennt. Wäre es anders, hätte man zum Beispiel unseren An-trag auf Vermeidung von Streckenstillegung und Entwid-mung von Bahntrassen nicht mit dem platten Hinweis auf

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Populismus abgelehnt, denn im Entwurf des SPNV-Plansist genau dieses als eine wichtige Aufgabe formuliert.

Noch schwieriger wird es, wenn der länderübergreifendeSPNV betrachtet werden soll. Nehmen wir als Beispiel dieVerbindung nach Sachsen: Zum nächsten Fahrplanwechselwill Sachsen die Bahnverbindung Gera - Wünschendorf,Werdau - Zwickau sowie Gera - Weida - Mehltheuer - Hofeinstellen. Die Kleinstaaterei trägt hier ihre ersten Blüten.

Aber Informationen kommen entweder gar nicht odersehr spärlich. Warum wird in der Beantwortung meinerKleinen Anfrage Nr. 761, in der es genau um diese län-dergrenzenüberschreitende Bahnverbindung geht, nichtdeutlich gemacht, daß es zwischen Sachsen und Thürin-gen große Probleme gibt? Der Ex-Staatssekretär Linksprach sogar von einem tobenden Bahnkrieg. Warum wirdnicht gesagt, daß bereits im April ein Entwurf eines Staats-vertrags von Thüringen nach Sachsen verschickt wurde,die Sachsen jedoch eine unverbindlichere Regelung be-vorzugen? Warum wird nicht informiert, daß es zwi-schen den zuständigen Ministerien von Thüringen undSachsen auf Arbeitsebene Abstimmungen gegeben hat,die die Finanzierung von SPNV-Leistungen auf sächsi-schem Territorium durch Thüringen vorsehen?

Meine Damen und Herren, diese Zusammenhänge sindauch vor dem Hintergrund knapper Mittel im Haushalt Thü-ringens einerseits und dem Ansinnen der Sachsen zur Um-widmung von Bundesmitteln für den regionalen Personen-verkehr auf der Schiene andererseits so ungeheuerlich, daßdie Landesregierung durch uns aufzufordern war, im Rah-men dieser Aktuellen Stunde einen entsprechenden Be-richt abzugeben. Es kann doch nicht im Sinne Thüringenssein, daß nach dem Entwurf einer Finanzordnung des säch-sischen Wirtschaftsministeriums für den öffentlichen Nah-verkehr gewissermaßen eine Art Prämie an die Kommunenfür die Zustimmung zur Stillegung von Bahnstrecken ge-zahlt wird und gleichermaßen Thüringen für eben dieseBahnstrecken auf sächsischer Seite die Mittel aus demRegionalisierungsfonds bereitstellt. Die Zusammenhän-ge erfordern

1. eine Überprüfung der Wirksamkeit des Regionalisie-rungsgesetzes im länderübergreifenden Schienenperso-nennahverkehr und ein Wirksamwerden der ThüringerLandesregierung in Bonn zur Nachbesserung der ent-sprechenden gesetzlichen Grundlage und vor allem

(Beifall bei der PDS)

eine entsprechende Umverteilung der Regionalisierungs-mittel in Abhängigkeit von der Aufrechterhaltung des Sta-tus quo der Finanzmittelbemessung,

2. die Durchsetzung des Staatsvertrags mit dem FreistaatSachsen mit dem Ziel der Aufrechterhaltung von durchThüringen angemeldete Verbindungen ohne finanzielle Be-

teiligung für die Fahrleistung auf sächsischem Territo-rium und

(Beifall bei der PDS)

3. eine Überprüfung der Wirksamkeit und der vertrags-rechtlichen Grundlagen für die Aufrechterhaltung desSPNV auf länderüberschreitender Relation zu Bayern,Hessen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt.

Im übrigen darf ich abschließend anmerken, daß die säch-sische Staatsregierung ebenfalls mit dem Ausbau der S 61,für deren Ertüchtigung Thüringen mit der OrtsumfahrungSchönheide bereits Vorleistungen geschaffen hat, einenTrassenabschnitt zur Umfahrung eines Landschaftsschutz-gebiets auf Thüringer Territorium vorsieht, den Thürin-gen auch noch bezahlen soll. Auch hier macht sich dieSchaffung von Klarheit zwischen den Landesregierun-gen notwendig. Ich bedanke mich.

(Beifall bei der PDS)

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke schön. Das Wort hat Herr Abgeordneter Kallen-bach, CDU-Fraktion. Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Kallenbach, CDU:

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren,zuerst habe ich bei diesem Thema an die Schienenwege ge-dacht, die durch die innerdeutsche Grenze unterbrochenworden sind.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Frau Vopel, CDU: Ja.)

So klang das nämlich. Allerdings sind die nach der deut-schen Einheit sehr schnell 1990/91 wieder geschlossen wor-den. Es handelt sich vor allen Dingen um die Verbindungenzwischen Ellrich und Walkenried, zwischen Eisenach, War-tha und Bebra, zwischen Rentwertshausen und Mellrich-stadt, Arenshausen und Eichenberg sowie Sonneberg undCoburg. Das ging damals sehr, sehr schnell, zügig und un-kompliziert. Sie gestatten, daß ich an der Stelle einmalsage: Das ist vor allen Dingen zwei Männern zu verdan-ken gewesen, dem damaligen Regierungsbeauftragten, spä-ter Ministerpräsidenten, Josef Duchac, und dem damaligenPräsidenten der Reichsbahndirektion Erfurt, dem SiegfriedKnüpfer.

(Beifall bei der CDU)

In anderen Bundesländern ging das bei weitem lang-samer und nicht so unkompliziert. Aber, ich denke, dasist im Sinne der Menschen gewesen.

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Dann dachte ich, mein Gott, mit dem grenzübergreifen-den Verkehr, das hat vielleicht mit dem Schengener Ab-kommen zu tun. Aber das ist es, wie wir jetzt gehörthaben, also nicht.

Zur Zeit werden aber weitere Netzergänzungen geplant,zum Beispiel im Bereich zwischen Südthüringen und Un-terfranken. Wir werden uns als Fraktion gerade in dieserDiskussion demnächst auch mit weiteren Vorschlägen ent-sprechend einschalten. Aber um dann auch einmal andereBereiche zu beleuchten: Zum Beispiel zwischen Thüringenund Hessen wird mit dem nächsten Fahrplan ein Takt-fahrplan eingeführt zwischen Eisenach und Bad Hersfeld.In dem Bereich zwischen Thüringen und Niedersachsen istvor allen Dingen natürlich der Ausbau der EichenbergerKurve zu nennen, der in diesem Jahr im September fer-tig werden und in Betrieb gehen wird. Thüringen zahltdafür 1 Mio. DM, Niedersachsen 4 Mio. DM. Und dannkönnen von Erfurt über Eichenberg nach Göttingen durch-gängige Regionalexpreßzüge eingesetzt werden, die An-schluß an die ICE-Verbindungen in Göttingen haben wer-den. Dieser Bereich wird auch der erste sein auf ThüringerGebiet, auf dem Neigezüge eingesetzt werden. Außerdemwird die Verbindung zwischen Bad Langensalza, Mühlhau-sen und Leinefelde weiterhin ausgebaut, allerdings muß ichauch sagen, nicht besonders zügig. Hier könnte die Deut-sche Bahn an Geschwindigkeit etwas schneller werden.

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU:Teststrecke.)

Ja, die testen das dort, aber sie hat auch dann eine Bedeu-tung für den Güterverkehr, denn über diese Strecke erhältThüringen Verbindungen zu den Seehäfen der Nordsee.Aber es gibt auch weitere Untersuchungen zu Netzergän-zungen, zum Beispiel zwischen Teistungen und Duderstadt,und das Eichsfeld ist uns ja wichtig.

(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS: Na eben, dasist ja Ihre Hochburg.)

Na eben, deswegen wird es ja auch gemacht.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU, SPD)

Um die angesprochene Situation zwischen Thüringen undSachsen-Anhalt erst einmal kurz zu benennen: ZwischenHalle, Nordhausen und Heiligenstadt und Kassel wirdeine Verbindung mit dem nächsten Fahrplan in Betriebgehen, die die Reisezeit um 22 Minuten verkürzen wird.

Dann komme ich direkt zu den angesprochenen Verbindun-gen zwischen Thüringen und Sachsen: Da ist vor allem na-türlich zuerst aus unserer Sicht die Mitte-Deutschland-Schienenverbindung zu nennen. 1997 war bereits der Bau-beginn für den Ausbau dieser Strecke. Es sind insgesamtim Bundesverkehrswegeplan 100 Mio. DM für den Aus-bau vorgesehen gewesen, allerdings bis zum Jahre 2002.Durch intensive Verhandlungen der Landesregierung

mit dem Bund und der Bahn konnte diese Summe auf177 Mio. DM erhöht werden, und zwar soll die bereitsausgegeben werden bis zum Jahr 2000. Thüringen betei-ligt sich mit einem Betrag von 30 Mio. DM, so daß dieVerbindung zwischen Weimar, Jena und Gera deutlichaufgewertet wird. Bereits im Jahr 2000 werden 42,7 Kilo-meter zweigleisig in Betrieb gehen.

Auf den anderen Relationen, Herr Lemke, zwischenSchleiz, Schönberg und Plauen, zwischen Gera und Mehl-theuer und Gera - Zwickau über Werdau und Wünschen-dorf gab es tatsächlich Probleme. Dort wollte die sächsi-sche Landesregierung Leistungen abbestellen.

(Zwischenruf Abg. Lemke, PDS: Das tut sie.)

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Herr Abgeordneter, ich muß Sie darauf hinweisen, daßIhre Zeit abgelaufen ist.

Abgeordneter Kallenbach, CDU:

Gut, dann nur noch zwei Sätze zum Abschluß. DieseVerbindungen werden auch im nächsten Fahrplan, alsobeginnend ab Mai dieses Jahres, weiter bedient werdenvon thüringischer und sächsischer Seite, das kann manhier verbindlich sagen.

(Beifall bei der CDU, SPD)

(Zwischenruf Abg. Lemke, PDS: ....gewesen.)

Und wenn Sie - nein, ich kann Ihnen doch sagen, wiedas ist. Das Ministerium, Staatssekretär Richwien, wirdja auch noch hierzu sprechen. Jedenfalls das ist der ak-tuelle Stand.

(Beifall bei der SPD)

Abschließend möchte ich sagen: Immerhin zahlt derSteuerzahler pro Jahr 480 Mio. DM zur Subvention desSchienenpersonennahverkehrs in Thüringen. Das ist al-lerhand. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke schön. Das Wort hat der Herr AbgeordnetePreller, SPD-Fraktion. Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Preller, SPD:

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren,wenn ich die - Drucksache 2/2434 - richtig gelesen habe,handelt es sich hier um eine Aktuelle Stunde zum länder-übergreifenden Schienenpersonennahverkehr. Jetzt höre

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ich, daß ein Bericht der Landesregierung erwartet wird.Nichtsdestotrotz werde ich zum Thema "Länderüber-greifender Schienenpersonalverkehr"

(Heiterkeit bei der CDU, SPD)

sprechen. Entschuldigung - Schienenpersonennahver-kehr -, das war jetzt das letzte Mal.

(Heiterkeit bei der CDU, SPD)

(Zwischenruf Abg. Dr. Häfner, CDU: Na, wirsind gespannt, Herr Preller.)

Seit der Regionalisierung des SPNV, jetzt kürze ich es malab, seit das Land Nahverkehrsleistungen auf der Schienebestellen und bezahlen muß, muß es sich mit den angren-zenden Bundesländern darüber einigen, welche Verkehrs-leistungen auf den grenzüberschreitenden Strecken bestelltwerden und wer wieviel dafür bezahlt. Daß es da oftmalssehr unterschiedliche Interessen gibt, daß der Streit darüber,welche Strecken wie oft befahren werden und welcheStrecken als wichtig oder als weniger wichtig betrachtetwerden, ist eigentlich ganz normal. Nun gab es in denvergangenen Monaten immer wieder Zeitungsberichte -erst gestern wieder in einer thüringischen Tageszeitungunter der Schlagzeile "Drei Bahnlinien weniger" -, daßman von sächsischer Seite die Strecken Wünschendorf -Werdau, Schönberg - Schleiz und Gera - Mehltheuer ab-gemeldet habe. Daß es gerade diese drei Strecken sind,für die der Freistaat Sachsen Verkehrsleistungen abbe-stellen möchte, liegt vielleicht daran, daß die RegionWestsachsen der sächsischen Staatsregierung genauso fernliegt, wie die Region Ostthüringen der thüringischen

(Heiterkeit bei der SPD)

- Moment, Moment - CDU/F.D.P.-Landesregierung bis1994.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU, SPD)

Aber das ist nur die Spekulation eines Ostthüringers.Davon, daß es mit dem Fahrplanwechsel im Mai 1998drei Bahnlinien weniger zwischen Thüringen und Sach-sen geben wird, kann gar nicht die Rede sein,

(Beifall Abg. Kretschmer, CDU)

da die einzelnen Bundesländer zwar Nahverkehrsleistungenabbestellen können, was jedoch nicht gleichbedeutend mitder Stillegung einer Strecke ist. Das ist wesentlich kom-plizierter und liegt auch nicht allein im Ermessen desFreistaats Sachsen. Auf den obengenannten Strecken wirdes weiter Schienenpersonennahverkehr geben, und dieZüge werden sowohl auf thüringischen wie auf sächsi-schen Bahnhöfen halten. Dafür, daß es diesbezüglichnach, wie ich mir habe sagen lassen, schwierigen Ver-

handlungen eine Einigung gegeben hat, sollte man, dawir heute nun mal bei Danksagungen sind,

(Beifall bei der SPD)

allerdings ohne Entschließungsentwurf, denen danken,die das auf Thüringer Seite bewerkstelligt haben.

(Beifall bei der CDU, SPD)

(Zwischenruf Abg. Köckert, CDU: Ja, so istdas Wirtschaftsministerium.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist eine Tatsa-che, daß es in den vergangenen Jahren auf den verschiede-nen Strecken in die benachbarten Bundesländer erheblicheVerbesserungen im SPNV gegeben hat, Verbesserun-gen, was das Fahrplanangebot, die Fahrzeiten, aber auchdie Anschlußmöglichkeiten und den Fahrkomfort anbe-langt. Für die Strecken von Thüringen in die Bundeslän-der Hessen, Bayern und Niedersachsen ergeben sich dafür den SPNV einmal streng mathematisch betrachtet,Herr Gerstenberger, in das Unendliche gehende Steige-rungsraten, war doch der SPNV vor 1990 gleich Null.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Auch nach der Regionalisierung, die ja noch in ihren An-fängen steckt, das heißt, seitdem das Land, aber auch dieLandkreise und Kommunen bei der Gestaltung des Schie-nenpersonennahverkehrs mitreden können, hat es auf ver-schiedenen länderübergreifenden Strecken erheblicheSteigerungen, z.B. bei der Harzquerbahn von Nordhau-sen nach Wernigerode oder auf der Strecke Meiningenbzw. Suhl nach Schweinfurt bzw. Würzburg, gegeben.Aber es gibt auch noch Reserven, Reserven, die sich al-lerdings oft nur mit erheblichen Investitionen erschließenlassen. Der Bau der Eichenberger Kurve und der Ausbauder Strecke Gotha - Leinefelde

(Beifall bei der SPD)

ermöglichen einmal durchgehende Verbindungen vonGreiz bis nach Göttingen ...

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Herr Abgeordneter, darf ich Sie auch bitten, mit zweiSätzen zum Schluß zu kommen und sich vielleicht nichtzu verzählen, wie Kollege Kallenbach?

Abgeordneter Preller, SPD:

Ich versuche einmal, zum Schluß zu kommen.

(Heiterkeit bei der CDU, SPD)

Es gibt auch auf regionaler Ebene Bemühungen, denSPNV zu verbessern, z.B. in der Region Sonneberg und

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Coburg, aber auch auf sächsisch-thüringischer Seite imVogtland. Da gibt es ein regionales Entwicklungskonzeptum Greiz und Reichenbach. Dort ist auch so etwas vorge-sehen. Also, die Sachsen sind nicht alle so bösartig.

Meine Damen und Herren, ich habe es Ihnen erspart, dieSteigerungsraten, Zuwächse aber auch Rückgänge zah-lenmäßig aufzulisten. Eines möchte ich jedoch noch ein-mal betonen: Diese Koalition bekennt sich zum öffentlichenPersonennahverkehr. Sie gewährleistet mit einem gutenÖPNV-Gesetz die Übertragung wichtiger Verkehrsaufga-ben an die Nahverkehrsservicegesellschaft, aber auch durchdie jährlichen Haushalte die Mobilität für alle Bürger. Die-ses lassen wir uns auch nicht durch ständiges Schlechtredenund unsachliche Kritik oder Polemik von der PDS abspre-chen. Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke schön. Das Wort hat der Herr AbgeordneteKretschmer, CDU-Fraktion. Bitte sehr.

Abgeordneter Kretschmer, CDU:

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Lemke,Sie merken bei meinen Vorrednern, wir waren sehr ge-spannt, was Sie mit Ihrer Aktuellen Stunde uns vortragenwollten, was Ihnen denn würdig oder nötig war, hier zu be-sprechen. Aber ich muß sagen: Außer wüsten Vermutungenund einem Reflex auf eine unglückliche Formulierung vonHerrn Staatssekretär Link von dem Bahnkrieg ist hier nichtsNeues gekommen. Außerdem verstehen Sie nicht einmalIhr Handwerkszeug, wie Herr Kollege Preller sagte. Miteiner Aktuellen Stunde können Sie nicht die Landesre-gierung zu einem Bericht zwingen. Das müssen Sieschon anders machen. Aber, wie gesagt, wenn nicht ein-mal der Inhalt stimmt, wie soll dann das Handwerks-zeug auch stimmen?

(Beifall bei der CDU, SPD)

Ich will Ihnen aber meine Vermutung nicht vorenthal-ten, die ich mit Ihrer Aktuellen Stunde gehegt hatte. Ichdachte zunächst, Sie wollen die Würdigung der Bemü-hungen der Landesregierung vornehmen, um die Reali-sierung der Schienenverbindung Mitte Deutschlands,

(Beifall bei der CDU, SPD)

also die länderübergreifende Verbindung aus dem Ruhr-gebiet über Thüringen nach Sachsen, wo die Landesre-gierung in Vorleistung

(Beifall bei der CDU, SPD)

geht, damit diese Schienenverbindung, zu der wir unshier schon mehrmals bekannt haben, auch erstellt wird.

Gut, ich sehe schon an Ihrem Kopfschütteln, das istnicht Ihre Linie. Ich hatte auch nicht vermutet, daß Sieuns zum Beispiel unterstützen werden im Kampf um dieICE-Strecke über Erfurt.

(Heiterkeit bei der CDU, SPD)

Ich nehme an, das hätte auch sein können. Herr Lemke,das ist länderübergreifender Verkehr.

Lassen Sie mich aber ernsthaft auch noch die Bemer-kungen, die sowohl von Herrn Kollegen Preller undKollegen Kallenbach hier getätigt wurden, aufnehmen.Gerade im länderübergreifenden Schienenpersonennahver-kehr waren ihre Ziehväter und ihre Vormütter doch dabei,den rigoros nach Bayern und Hessen abzutrennen. Des-halb finde ich es schon ziemlich stark, wenn Sie das hierso thematisieren.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke schön. Herr Staatssekretär Richwien, hat dasWort. Bitte, Herr Staatssekretär.

Richwien, Staatssekretär:

Herr Präsident, vorab eine Bemerkung. Ich kann von derStelle aus nicht die Zeitungsmeldung bestätigen, und dem-zufolge will ich auch nicht weiter darauf eingehen. DieSchaffung gleichwertiger Lebensbedingungen in allen Lan-desteilen ist Ziel der Landespolitik. Für den Verkehrssektorbedeutet dies, eine angemessene Erreichbarkeit durch Ver-kehrsinfrastruktur zu schaffen, um den Mobilitätsansprü-chen der Wirtschaft und aller Bürger gerecht zu werden.Darüber hinaus ergibt sich die Notwendigkeit, den öffentli-chen Personennahverkehr, bestehend aus Schienenperso-nennahverkehr und Straßenpersonennahverkehr, zu einerattraktiven Alternative zum motorisierten Individualver-kehr auszubauen. Im ÖPNV-Gesetz des Landes ist dieAufgabenträgerschaft für den Straßenpersonennahverkehrden Landkreisen und kreisfreien Städten zugewiesen. Fürden Schienenpersonennahverkehr wird sie vom Land wahr-genommen, wozu die Nahverkehrsservicegesellschaft Thü-ringen bestimmte Aufgaben im Auftrag erledigt. Insbeson-dere wird eine enge Verknüpfung von Schienenpersonen-nahverkehr und Straßenpersonennahverkehr untereinan-der und mit den individuellen Zugangsverkehrsmitteln,z.B. PKW und Fahrrad, unterstützt und entsprechend ge-fördert. Aufgrund der zentralen Lage des Freistaats Thürin-gen sind besonders die länderübergreifenden Formen desVerkehrsangebots, also vorrangig die des Schienenper-sonennahverkehrs, geeignet, die Verkehrsbedürfnisse inZukunft noch besser zu befriedigen. Das setzt eine engeZusammenarbeit mit den Aufgabenträgern des Schienen-personennahverkehrs in den angrenzenden Bundesländernvoraus. Auch diese Aufgabe der Abstimmung der länder-übergreifenden Schienenpersonennahverkehrsleistung wird

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durch das Land unter Einbeziehung der Nahverkehrsservi-cegesellschaft wahrgenommen. Ziele sind neben der tou-ristischen Erschließung die Gewährleistung günstiger An-gebote für Nah- und Fernpendler sowie die Erfüllung vonAufgaben im Rahmen von Verkehrsleistungen in gewach-senen länderübergreifenden Verkehrsräumen. Im Ergeb-nis der bisherigen länderübergreifenden Schienenperso-nennahverkehrsplanung konnten erhebliche Verbesse-rungen zu allen angrenzenden Ländern erreicht werden.

Ich will die wesentlichen Verbesserungen oder bestehendegemeinsame Konzepte mit den Nachbarländern wie folgtdarstellen. Ein paar Ausführungen zu Bayern: Auf den län-derübergreifenden Strecken zwischen Thüringen undBayern wurden die Nahverkehrsangebote zum gegensei-tigen Vorteil und Kundennutzen exakt abgestimmt undständig erweitert. Zum Fahrplanwechsel 1997/98 wurdedas Angebot der Regionalexpreßlinie Erfurt - Schwein-furt um eine Frühleistung von Erfurt nach Würzburgund eine Spätleistung von Würzburg nach Erfurt erhöht.Weiterhin wurde die Durchbindung von vier Zugbahnenbis Würzburg erreicht und damit Wünschen von Suhlund aus Unterfranken Rechnung getragen. Die Nahver-kehrsservicegesellschaft Thüringen und die bayerischeEisenbahngesellschaft haben gemeinsam eine zusätzlicheLeistung auf der Strecke Meiningen - Schweinfurt speziellfür Theaterbesucher des Meininger Theaters bei der Deut-schen Bahn AG bestellt. Der Theaterzug verkehrt an Sams-tagen entsprechend dem Vorstellungsbeginn und der End-zeiten von Schweinfurt nach Meiningen und zurück. Thü-ringen und Bayern untersuchen 1998 gemeinsam eine wei-tere Netzergänzung zwischen Blankenstein und Maxgrünmit dem Ziel, ein Schienenpersonennahverkehrangebotzwischen Saalfeld und Hof zu schaffen. Im TaktknotenSonneberg wurden die Regionalexpreßlinien Sonneberg -Nürnberg und die Regionalbahnlinie Sonneberg - Lichten-fels mit der Regionalbahn nach Lauscha und Probstzellaoptimal aufeinander abgestimmt.

Ein paar Ausführungen zu Hessen: Zum Fahrplan 1997/98wurde zwischen Eisenach und Bad Hersfeld ein Zweistun-dentakt mit optimalen Anschlußbeziehungen in Eisenachzum Fernverkehr eingerichtet. Zusammen mit dem schonbestehenden Zweistundentakt Eisenach - Bebra wurde eineversetzte stündliche Bedingung in dieser Relation erreicht.Das gemeinsame Ziel der Nahverkehrsservicegesellschaftund des nordhessischen Verkehrsverbundes ist es jedoch,einen exakten Einstundentakt auf diesem Abschnitt zu er-reichen.

Zu Niedersachsen ein paar Worte: Zum Bau der Eichen-bergkurve, dazu wurde ja an dieser Stelle schon etwasgesagt, haben die Länder Niedersachsen und Thüringeneinen Vertrag mit der Deutschen Bahn AG abgeschlossen.Beide Länder unterstützten das Vorhaben durch einen Bau-kostenzuschuß. Thüringen gab 1 Mio. DM, und Nieder-sachsen war mit 4 Mio. DM beteiligt. Nach Fertigstel-lung der Eichenbergkurve wird die derzeitige Regional-expreßverbindung Erfurt - Eichenberg nach Göttingen

verlängert. Die Planungen der beiden Länder gehen da-von aus, ab Fahrplanwechsel 1999 diese neue Linie ein-zuführen. In Göttingen werden dann optimale Fernver-kehrsanschlüsse hergestellt sein. Einvernehmlich gelöstwurde der Neigetechnikeinsatz auf dieser Regionalex-preßlinie bis Göttingen. Diese Maßnahme ist auch mitdem nordhessischen Verkehrsverbund abgestimmt. Vor-bereitet wird außerdem zwischen Hessen, Niedersach-sen und Thüringen ein Konzept, d.h. ein optimiertesVerbinden und Trennen von Triebwageneinheiten fürden Knoten Eichenberg.

Zu Sachsen-Anhalt: Zur Verbesserung des Nahverkehrsan-gebots auf der im Rahmen der Verkehrsprojekte DeutscheEinheit Nr. 6 ausgebauten Strecke Halle - Eichenberg wur-de zwischen Dessau - Halle und Kassel - Wilhelmshöhe ei-ne zweistündliche Regionalexpreßbedingung eingerichtet.Zum Fahrplan 98/99 werden die Standzeiten minimiertund somit ein Reisezeitgewinn in der gesamten Relationvon ca. 22 Minuten erreicht. Die gemeinsam eingerichte-te Stadtexpreßlinie Eisenach - Halle erweist sich als großerErfolg. Neu vereinbart wird ab 1998/99 die StadtexpreßlinieSaalfeld - Naumburg, was zusätzliche Kilometerleistungenin Sachsen-Anhalt erfordert. Gemeinsam realisiert wurdedie Ausschreibung der länderübergreifenden Unstrut-Bur-genland-Bahn, das ist die Linie Naumburg - Artern, und dieVergabe an eine Betreibergesellschaft. Engste Zusammen-arbeit erfolgt bezüglich der Harzer Schmalspurbahn GmbHauf dem Gebiet des Schienenpersonennahverkehrs, des No-stalgie- und Tourismusverkehrs ebenso zur Nutzung derHSB für den Schienengüterverkehr. Hervorzuheben istein gemeinsames Fahrzeugkonzept, insbesondere zurBeschaffung des modernen Schienendoppelstockbusses.

Ein paar Worte noch zu Sachsen: Im Ergebnis gemeinsamerPlanungen konnten die Schienenpersonennahverkehrsange-bote in Ostthüringen und Westsachsen seit 1995 schrittwei-se verbessert werden. Das gilt für die Mitte-Deutschland-Verbindung, auch hier haben wir schon einige Ausführun-gen gehört, auf der eine Regionalexpreßlinie Gera - Gößnitz- Glaucha eingeführt wurde, sowie für die Strecke Leipzig -Altenburg - Gößnitz - Zwickau bzw. dann Reichenbach,auf der das Angebot erheblich verbessert wurde. Ein Er-folg der gemeinsamen Planung war auch die Einrich-tung der im Zweistundentakt verkehrenden Regional-bahnlinie Schleiz - Schöneberg - Plauen. Am 15.12.97wurden zwischen Thüringen und Sachsen die Linienkon-zepte für den Schienenpersonennahverkehr auf den länder-übergreifenden Strecken in Vorbereitung des Fahrplans1998/99 aufeinander abgestimmt. Hierbei sind als wich-tige Ergebnisse zum Schluß für Thüringen zu nennen:einmal die Erhaltung der Schienenpersonennahverkehrs-verbindung Schleiz - Schöneberg - Plauen - Gera undzweitens und letztens die Einrichtung einer neuen, imZweistundentakt verkehrenden Regionalexpreßlinie zwi-schen Gera und Zwickau als direkte Verbindung zwischenbeiden Oberzentren. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

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Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke schön. Weitere Redemeldungen liegen nicht vor.Daran ändert sich auch nichts. Wir können also diesenTeil der Aktuellen Stunde schließen und kommen zumzweiten Teil

b) auf Antrag der Fraktion der SPD zumThema:"Umsetzung des EU-Programms ’Natura2000' im Freistaat Thüringen"Unterrichtung durch den Präsidenten desLandtags- Drucksache 2/2556 -

Um das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Mäde gebeten.Bitte, Herr Dr. Mäde.

Abgeordneter Dr. Mäde, SPD:

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren,der Erhalt und die Sicherung von Lebensräumen unsererheimischen Tier- und Pflanzenarten ist nicht nur gesetzlichvorgeschrieben, es sind auch ethische, ökologische undökonomische Gründe, die uns verpflichten, diesem grund-sätzlichen Anliegen des Naturschutzes und der Landschafts-pflege nachzukommen. Wer aber meint, der bis heute nichtzu stoppende Artenschwund sei lediglich ein Problem derLänder der dritten Welt, der unterliegt einem verhängnis-vollen Trugschluß. Die 1993 von der Thüringer Landes-anstalt für Umwelt veröffentlichten Roten Listen ausge-wählter Pflanzen- und Tierartengruppen sowie Pflanzenge-sellschaften des Landes Thüringen belegen, daß in Mittel-europa und auch in Thüringen Lebensräume und damitauch Arten verschwinden, die biologische Vielfalt stän-dig abnimmt, die Roten Listen werden immer länger.Deutschland hat nicht zuletzt auch deshalb im Juni 1992die Konvention zur biologischen Vielfalt in Rio de Ja-neiro unterzeichnet und am 21. Dezember 1993 ratifi-ziert. Auf europäischer Ebene verpflichten die Vogel-schutzrichtlinie und die sogenannte Flora-Fauna-Habi-tat-Richtlinie - kurz FFH-Richtlinie - die Regionen zurAusweisung besonderer Schutzgebiete. Diese auf derGrundlage beider Richtlinien ausgewiesenen besonde-ren Schutzgebiete hoher Qualität werden zusammen einals "Natura 2000" bezeichnetes ökologisches Netz bil-den mit dem Ziel eines wirksamen Lebensraum- und Arten-schutzes. Jede Region in Deutschland, also jedes Bundes-land, sollte 10 Prozent ihrer Fläche als besondere Schutzge-biete ausweisen. Während die Vogelschutzrichtlinie seit1981 in Kraft ist, sieht der vereinbarte Zeitraum für die Um-setzung der FFH-Richtlinie vor, daß bis Juli 1994 dieMitgliedsstaaten entsprechende Ausführungsgesetze er-lassen haben und bis Juni 1995 Listen mit den vorgese-henen Schutzgebieten bei der Europäischen Kommis-sion hinterlegt haben.

Angesichts der eingangs geschilderten Situation bezüglichdes Arten- und Landschaftsschutzes ist es erschreckend,

daß bis jetzt lediglich Belgien und Dänemark eine angemes-sene Anzahl von besonderen Schutzgebieten ausgewiesenhaben. Die Bundesrepublik bildet mit 1,4 Prozent dasSchlußlicht in Europa. Im Gegensatz zu Sachsen-Anhaltund Bayern, die bereits ihre Listen bei der EU gemeldethaben, hat sich leider Thüringen bis heute sehr zurück-gehalten. Die beiden angrenzenden Bundesländer habenallerdings einen guten Grund, so zu handeln. Die Richtlinieeröffnet nämlich für die Länder gewisse Handlungsspielräu-me. Wenn sie 5 Prozent ihrer Fläche als besondere Schutz-gebiete anmelden, eröffnet die EU die Möglichkeit, beiweiteren Ausweisungen insbesondere wirtschaftlich undregional wichtige Belange flexibel zu berücksichtigen.Diese Möglichkeit hat Thüringen bisher nicht genutzt.Wir kommen damit in Thüringen in eine ordnungspoli-tisch prekäre Situation, denn die EU kann mit geringemMitspracherecht der Länder ein eigenes Verfahren eröff-nen. Es ist doch paradox, daß die Bundesregierung, an-statt Fördermittel der EU in Anspruch zu nehmen, es aufSanktionen ankommen läßt, denn ab August dieses Jah-res kommen Sanktionszahlungen in Größenordnungenvon 1,5 Mio. DM täglich auf die Bundesrepublik zu. Mankann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß es sich um ei-ne politisch gesteuerte Verzögerungstaktik ersten Rangeshandelt, wenn in Thüringen durch das verantwortliche Mi-nisterium erst jetzt mit zweieinhalbjähriger Verspätunggewissermaßen 5 Minuten vor der Angst und ohne Be-teiligung des zuständigen Ausschusses eine unvollstän-dige Liste gemeldet wurde, die fast ausschließlich Na-turschutzgebiete des Biosphärenreservates Rhön enthält,nicht aber beispielsweise das Leutratal oder den Hainich.Oder wurde der Hainich nun doch gemeldet, Herr Minister?Nach welchen Kriterien wurde hier entschieden? Wurdenach naturschutzfachlichen Gesichtspunkten entschieden,oder wurde wieder einmal der Weg des geringsten Wider-stands gewählt? Eine umfangreiche Liste anerkennungsfä-higer Gebiete existiert in Thüringen. Ein Bruchteil der dortaufgeführten Flächen genügt, um den Kriterien der EUzu genügen und uns die notwendigen Handlungsspiel-räume zu sichern. Warum werden diese Möglichkeitennicht genutzt? Was nützen die schönsten Sonntagsreden,wenn die alltägliche Praxis ganz anders aussieht, wenn umjeden Quadratmeter Schutzgebiet nach Art der orientali-schen Händler gefeilscht wird, wenn krampfhaft nach Ar-gumenten gegen den Naturschutz und nicht für diesengesucht wird? Die Natur, meine Damen und Herren,kennt keine Kompromisse, sie kennt nur Konsequenzen.

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Unsere Geschäftsordnung auch nicht, Herr Dr. Mäde,kommen Sie bitte zum Schluß.

(Heiterkeit bei der CDU, SPD)

Abgeordneter Dr. Mäde, SPD:

Das ist jetzt schwierig. Herr Wunderlich, gestatten Siemir noch eine Aufforderung. Ich möchte Sie ermutigen,

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 72. Sitzung, 29. Januar 1998 6365

hier einmal einen konstruktiven Beitrag zu halten undnicht mit den üblichen Schmähreden "Marke Wunder-lich" aufzuwarten.

(Unruhe bei der CDU)

Die von Ihrer Bundesministerin auf Drängen des BonnerKoalitionspartners vorgelegten Vorschläge, die darauf ab-zielen, einen Keil zwischen Landwirte und ihre Länder zutreiben, ist abzulehnen. Parteigezänk auf Kosten des Natur-schutzes auszutragen, ist hier fehl am Platze. Auch die Um-setzung der FFH-Richtlinie und der Vogelschutzrichtliniewäre dadurch gefährdet.

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Herr Abgeordneter ...

Abgeordneter Dr. Mäde, SPD:

Den Landwirten einen mageren Knochen hinzuhängenund ihnen vorzugaukeln, dies sei ein saftiger Schinken,ist unredlich und diskriminiert diese als kurzsichtig.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Herr Abgeordneter ...

Abgeordneter Dr. Mäde, SPD:

Gerade - der letzte Satz, Herr Präsident - im Arten- undBiotopschutz sollten wir nicht auch noch der landläufi-gen Meinung Vorschub leisten, daß Politiker nur gewilltsind, in Wahlperioden und offensichtlich nur Staatsmän-ner in der Lage seien, in Generationen zu denken. Vie-len Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Herr Abgeordneter, die Geschäftsordnung ist auch inso-weit kompromißlos, als ich Ihnen für die Vokabel"Schmähreden" im Zusammenhang mit Herrn Abgeord-neten Wunderlich einen Ordnungsruf erteilen muß.

(Beifall bei der CDU)

Den Bewegungsspielraum des Präsidiums sollte manauch bei der Länge der Rede bei 5 Minuten zugunstenanderer Kollegen nicht überziehen.

(Zwischenruf Abg. Wunderlich, CDU: Ichwürde Einspruch erheben, ...)

Herr Abgeordneter Werner, Sie hatten um das Wort ge-beten. Bitte schön.

Abgeordneter Werner, CDU:

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren,für die Umsetzung des EU-Programms "Natura 2000"im Freistaat sind aus Sicht der CDU-Fraktion eine Reihevon Grundsätzen anzusprechen und zu untersetzen:

1. Mit dem Projekt "Natura 2000" - ausgerufen durchdie EU - soll zur Erhaltung der biologischen Vielfalt eineuropäisches Netz besonderer Schutzgebiete bis zumJahr 2000 und darüber hinaus angestrebt werden. Dazugibt es die Richtlinie des Rates vom 21.05.92.

2. Die CDU-Fraktion des Thüringer Landtags unterstütztdieses Projekt. Wir sind jedoch der Auffassung, daß es da-bei nicht nur um naturschutzrechtliche Aspekte gehenkann, sondern daß auch die strukturellen, die wirtschaft-lichen und sozialen Folgen für die betroffenen Men-schen entsprechende Berücksichtigung finden müssen.Das heißt, daß meine Fraktion der Auffassung ist, nureine Mitteilung an das Bundesumweltministerium zugestatten bzw. zuzulassen, wenn eine umfassende Ab-stimmung innerhalb des Kabinetts erfolgt ist.

3. Der Freistaat hat mit seiner Umweltpolitik der letztenJahre in Vorbereitung des Projekts "Natura 2000" be-reits hervorragende Vorarbeit geleistet, einen National-park, fast 200 Naturschutzgebiete, auch die Kernzonender Biosphärenreservate, indem er geschützte Landschafts-bestandteile festgeschrieben hat, welche unserer Auffassungwürdig sind das Projekt "Natura 2000" mit auf den Weg zubringen. Letztlich kann man auch damit Mittel aus demEU-Förderprogramm "LIFE Natur" erhalten.

4. Die CDU-Fraktion sieht in der Europäischen Unioneinen entscheidenden Partner für eine konstruktive Um-weltzusammenarbeit. Überlegungen und Meldungen weite-rer Gebiete, z.B. Buchenwälder, Erlenwälder, Kalkmisch-rasen usw. sollten aus Sicht der CDU-Fraktion nicht ge-meldet werden, weil ja letztlich auch damit das Hoheits-recht des Landes an die EU zum Teil abgegeben wird.

5. Die CDU-Fraktion geht davon aus, daß vor weiterenMeldungen von Gebieten angemessener Bedeutung einintensiver Abwägungsprozeß mit den betroffenen Kom-munen, den Wirtschafts- und Naturschutzverbänden er-folgen muß. Hier kann es nur über einen Interessenaus-gleich aller Beteiligten gehen.

6. und letztens: Bei allen wohlgemeinten Zielstellungen,Herr Dr. Mäde, sollte stets auch das Finanzierungsinstru-mentarium, auf das Sie überhaupt nicht eingegangen sind,mit in die Überlegungen einbezogen werden. Hier sehe icheine finanzielle Überforderung der Länder, wenn weitereUnterschutzstellungen und damit Ausgleichszahlungenerfolgen sollen. Schönen Dank.

(Beifall bei der CDU)

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Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke schön. Das Wort hat Herr Abgeordneter Gersten-berger, PDS-Fraktion. Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Gerstenberger, PDS:

Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich bin mit Ih-nen, meine Damen und Herren der SPD-Fraktion, durchausder Auffassung, daß sich dieser Landtag mit der Umsetzungder EU-Richtlinie 92/43 EWG des Rates vom 21. Mai 1992zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild-lebenden Tiere und Pflanzen befassen muß, vor allem vordem Hintergrund des nicht ausreichenden Standes des Aus-weisens von Schutzgebieten unter Beachtung des Aus-laufens vorläufiger Schutzmaßnahmen. Ich verweise nurals Beispiel auf das sogenannte Grüne Band, den altenDDR-Grenzstreifen, die erst zu etwa 50 Prozent erfolg-ten Waldbiotopkartierungen auf der Grundlage des § 5des Thüringer Waldgesetzes und den § 18 des Vorläufi-gen Thüringer Naturschutzgesetzes und die Tatsache -Herr Mäde, in Ergänzung Ihrer Ausführungen -, daß 382in Thüringen lebende Tierarten vom Aussterben bedrohtsind, darunter 3 Süßwasserkrebsarten, 23 Vogelarten, 27Tagfalter, 41 Wildbienenarten, um nur einige zu nennen,und vor dem Hintergrund der Tatsache, daß es erst Hinwei-sen eines benachbarten Freistaats bedurfte, Herr Werner,um Thüringen auf den Zusammenhang zwischen den auf-grund der Richtlinie 79409 EWG auszuweisenden besonde-ren Schutzgebieten, dem Netz "Natura 2000" und EU-Richtlinien hinzuweisen bzw. zu erinnern. Alles zusam-men keine Hochleistung, nicht einmal Normalleistungdes zuständigen Ministeriums und seiner Ämter.

(Beifall bei der PDS)

(Zwischenruf Dr. Sklenar, Minister für Land-wirtschaft, Naturschutz und Umwelt: Na,Gott sei Dank.)

Dabei, meine Damen und Herren, spielt es überhaupt keineRolle für mich, daß die Bundesregierung ihren Aufgabenzum Erlaß der erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvor-schriften nach Artikel 23 Abs. 1 - Herr Dr. Mäde sagte dasbereits - der genannten EU-Richtlinie nur mit dreijähri-ger Verspätung nachkommt und diese Richtlinie auchbisher nicht in die Grundlagen der Umweltberichterstat-tung durch das Thüringer Ministerium für Landwirt-schaft, Naturschutz und Umwelt einbezogen wurde. Not-wendig ist aus Sicht der PDS-Fraktion nicht die Reparatureiner Unterlassung, um Rückzahlungen zu vermeiden oderStrafzahlungen aus dem Weg zu gehen, notwendig ist ei-ne schnellstmögliche Umsetzung der EU-Richtlinie mitoder ohne Bundeserlaß auf der Grundlage des Landesgeset-zes unter Einbeziehung der Öffentlichkeit. Herr Werner, woein Wille ist, ist auch ein Weg, sagt das Sprichwort. Aber,meine Damen und Herren, hier ist also eine Grundsatz-aussprache zum Naturschutz in diesem Land und keineaktuelle halbe Stunde notwendig. Das dürften wohl die

Äußerungen des Herrn Werner auch für Sie, Herr Mäde,deutlich gemacht haben.

Ich werte die Aktion der Koalitionspartei SPD so, daßhier ein Nebenschauplatz aufgemacht werden sollte, dervon den tatsächlichen Problemen und den Schwerpunk-ten, die in diesem Lande existieren, ablenkt. Es hätte Ih-nen gut zu Gesicht gestanden, Herr Dr. Mäde, wenn Siediese Entschiedenheit auch in der Haushaltsdebatte de-monstriert und deutliche Maßnahmen zur Bekämpfungder Arbeitslosigkeit eingefordert hätten. Aber an dieserStelle hatten Sie sich im Koalitionsausschuß bereits ge-einigt, und zwar zu einem Ergebnis, was eine Erhöhungder Arbeitslosenzahlen zur Folge haben wird, zu einemErgebnis, was ein Ansteigen der Insolvenzen zur Folgehaben wird, und auch eine Einigung, die dazu geführt hat,daß den kleinen und mittelständischen Unternehmen vonder Thüringer Aufbaubank immer noch keine Bewilligungfür die forschungsseitigen Förderungen übergeben werdenkönnen, weil der Finanzminister die Freigabe der Mittelnoch nicht genehmigt hat.

(Zwischenruf Abg. Wunderlich, CDU: Washat denn das mit "Natura 2000" zu tun? Siesind doch schlechter als Herr Dittes.)

Herr Wunderlich, Sie einigen sich bei schwerwiegendenProblemen, die für die Entwicklung des Freistaats vongrundlegender Bedeutung sind, allerdings haben dieseEinigungen negative Folgen. Und um von denen abzu-lenken, machen Sie Nebenschauplätze auf. Dies zusam-mengenommen mit der Aussage ...

(Beifall bei der PDS)

(Zwischenruf Abg. Frau Dr. Klaus, SPD:Naturschutz als Nebensache!)

Frau Dr. Klaus, noch einmal, ich habe gesagt, dieser Neben-schauplatz aktuelle halbe Stunde als Ersatz für eine Grund-satzdebatte Naturschutz, das werfe ich Ihnen vor.

(Beifall bei der PDS)

(Zwischenruf Abg. Frau Dr. Klaus, SPD:Dann sagen Sie doch einmal etwas zumNaturschutz.)

Frau Dr. Klaus, dies zusammengenommen mit Ihren Aus-sagen der Partei und auch der Fraktionsspitze zur Erfüllungder Koalitionsvereinbarung bis zum Ende wird es auch alsdas darstellen, was es ist, nämlich Unentschlossenheitim Handeln zum Wohl des Landes Thüringen, Aufrecht-erhaltung und Konservierung einer CDU-Politik, die fürdie Entwicklung in der Bundesrepublik und in Thürin-gen auf wirtschaftlichem, sozialem, arbeitsmarktpoliti-schem, bildungs- und ausbeutungspolitischem Gebietund auch im Bereich Umwelt die Verantwortung trägt.

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 72. Sitzung, 29. Januar 1998 6367

Denken Sie, meine Damen und Herren in der SPD-Frak-tion, auch einmal darüber nach und stellen Sie sich denwirklichen Schwerpunkten dieses Landes im Rahmendes tatsächlichen Spielraums, den Sie haben, und an denStellen, wo Entscheidungen notwendig und auch mög-lich sind.

Herr Preller, das Bekenntnis allein, was Sie hier mit diesemAufruf der Aktuellen Stunde erreichen, das reicht nicht.Notwendig sind Taten und tatsächliche Entscheidungenund insbesondere auf diesem sträflich vernachlässigtenGebiet in Thüringen. Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke. Das Wort hat Herr Abgeordneter Wunderlich,CDU-Fraktion. Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Wunderlich, CDU:

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren,mein Kollege Dietmar Werner ist auf grundlegende Dingeder FFH-Richtlinie eingegangen, und ich meine, diese FFH-Richtlinie hätte bessere Beiträge sowohl von Dr. Mäde,aber vor allem auch von Herrn Gerstenberger verdient.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

(Zwischenruf Abg. Frau Dr. Klaus, SPD:Vielleicht können Sie das jetzt ändern.)

die CDU ist grundsätzlich der Auffassung, daß der Frei-staat Thüringen mit seiner einmaligen Naturausstattungeine besondere Verantwortung hat und diese gemeinsammit den Bürgerinnen und Bürgern des Freistaats erhal-ten und weiterentwickeln sollte.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die CDU betontausdrücklich, daß dies nur mit geordneten Beteiligungsrech-ten, die rechtsstaatlichen Ansprüchen genügen, der Bürge-rinnen und Bürger, das heißt den Grundstückseigentümernund den Kommunen, umgesetzt werden kann. Herr Mi-nister, machen Sie auf diesem Wege weiter so und las-sen Sie sich da nicht beeindrucken, denn diese Dingekönnen nur in der Öffentlichkeit und mit den Bürgerin-nen und Bürgern umgesetzt werden.

(Beifall bei der CDU)

Internationale Umweltschutzorganisationen wie der WWFkommen immer mehr zu der Erkenntnis, daß das bisherigeausschließliche Schutzgebietskonzept gescheitert ist undein möglichst großräumiger Schutz von Natur und Land-schaft und damit der Erhalt von Lebensräumen von Tierenund Pflanzen nur durch eine intensive Einbeziehung derbetroffenen Menschen verwirklicht werden kann. Demist nichts hinzuzufügen. Ich habe es schon einmal gesagt,

der Mensch ist nun einmal ein Teil dieser Evolution. Sich indieser Frage über die Befindlichkeiten der betroffenen Men-schen in den Kommunen, der betroffenen Land- und Forst-wirte - die bewirtschaften ja rund 80 Prozent der Flächen inDeutschland -, der Grundstückseigentümer hinwegzusetzen,zeugt nach meiner Auffassung nicht nur von einem gestör-ten Verhältnis zum Grundeigentum, sondern wird dazu füh-ren, daß die Akzeptanz der betroffenen Bürgerinnen undBürger gerade im ländlichen Raum zu einem Naturschutz,der nicht mit ihnen gemeinsam gestaltet wird, weiter abneh-men wird. Akzeptanz und Ausgewogenheit sind gerade beider Umsetzung dieser Richtlinie dringendes Gebot. DieUmsetzung dieser Richtlinie erfordert Öffentlichkeit. Dennsind diese Gebiete gemeldet, unterliegen sie den beson-deren Bestimmungen des Artikels 6 der genannten Ver-ordnung, die für diese gesonderten Schutzgebiete auchgesonderte Schutzvorschriften festschreibt, das dann zuerheblichen Nutzungsbeschränkungen führen wird. DieCDU geht davon aus, daß bei der Umsetzung der FFH-Richtlinie vorrangig bereits unter Schutz gestellte Ge-biete gemeldet werden und bei der Konzeption neuerGebiete die wirtschaftlichen und sozialen Folgen für diebetroffenen Menschen entsprechend der Richtlinie be-rücksichtigt werden. Ich glaube, da sind wir auch in gu-ter Gemeinschaft. Ich darf vielleicht den agrarpoliti-schen Sprecher der SPD-Landtagsfraktion von Nord-rhein-Westfalen zitieren, Herr Präsident, gestatten Sie?

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Ja, bitte.

Abgeordneter Wunderlich, CDU:

Er sagte, Herr Steinkühler, daß neue Belastungen desStandorts Nordrhein-Westfalen unbedingt zu vermeidensind. "Weder durch die seit 1994 überfällige Umsetzung derRichtlinie in nationales Recht, noch durch die Meldungvon Flächen durch das Land dürften Restriktionen fürdie wirtschaftliche Betätigung und die kommunale Ent-wicklung entstehen." Dem ist nichts hinzuzufügen, und,ich glaube, so verfahren wir auch hier in Thüringen. DieCDU-Fraktion ist der Auffassung, daß die zum Ausgleichfür die Landwirtschaft bestehenden Härte- und Erschwer-nisklauseln nicht ausreichen. Wir erwarten, daß im Rah-men der Zuständigkeit der Länder, also auch in Thürin-gen, Ausgleichsregelungen für die Land- und Forstwirt-schaft zu treffen sind und daß in Thüringen bei der Er-füllung sich aus der FFH-Richtlinie ergebenden Pflich-ten soweit wie möglich von dem nach der FFH-Richtliniezulässigen Instrument des Vertragsnaturschutzes Gebrauchgemacht wird. Ganz davon abgesehen bedauert es die CDU,daß es im Vermittlungsausschuß nicht gelungen ist, dasNaturschutzrecht in dieser Legislaturperiode zu refor-mieren und das Bundesnaturschutzgesetz umfassend zunovellieren, vor allem auch deshalb, weil sich die SPD-regierten Länder einer bundeseinheitlichen Ausgleichs-regelung bei der Bewirtschaftungsauflage für die Land-wirtschaft verweigert haben. Die CDU-Fraktion ist wei-

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terhin der Auffassung, daß ein Ausgleich zugunsten derLand- und Forstwirtschaft bei naturschutzbedingten Aufla-gen, die über die Anforderungen der guten fachlichen Pra-xis hinausgehen, gewährt werden müssen. Dadurch sollenwirtschaftliche Belastungen ausgeglichen werden, dieLand- und Forstwirten im Interesse des Naturschutzesund damit im Interesse der Allgemeinheit auferlegt wer-den. Die CDU anerkennt selbstverständlich die dringen-de Verpflichtung, EU-Recht umzusetzen und begrüßtdeswegen, ich hoffe baldmöglichst, die Umsetzung desGesetzes zur Umsetzung der FFH-Richtlinie und derArtenschutzverordnung.

Herr Dr. Mäde, noch etwas Fachliches: Wenn Sie vonRoten Listen sprechen und wenn ich mir den Anhang 1dieser FFH-Richtlinie ansehe, wenn in dieser FFH-Richt-linie die Hainsimsen und die Waldmeister-Buchenwäldermit verankert sind und auf den Roten Listen geführt sind,dann ist es ein Trauerspiel. Dann ist es ein Trauerspiel,weil das dann wirklich nicht mehr den Richtlinien vonRoten Listen entspricht.

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Herr Wunderlich, ich muß Sie bitten, zum Schluß zukommen.

Abgeordneter Wunderlich, CDU:

Genau diese Wälder sind in Deutschland sehr weitverbreitet und dehnen sich aus. Danke.

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke schön. Das Wort hat Frau Abgeordnete Becker,SPD-Fraktion. Bitte, Frau Abgeordnete.

Abgeordnete Frau Becker, SPD:

Herr Präsident, meine Damen und Herren, das Resultatdieser Woche ist eindeutig. Die FFH-Richtlinien und dieVogelschutzrichtlinien werden nicht im Bundesrecht umge-setzt. Ihre Kollegen in Bonn, Herr Wunderlich, haben eine,auch mit Hilfe des Staatssekretärs Illert mühsam gefundeneKompromißlinie des Vermittlerausschusses verlassen aufDruck ihres Koalitionspartners. Tatsache ist doch, daßsich die CDU wieder einmal von ihrem Anhängsel, derF.D.P., am Nasenring vorführen läßt.

(Beifall bei der SPD)

Der Keil, den Sie mit Ihren erneuten Forderungen nachAusgleichszahlungen zwischen Länder und Agrarunterneh-men treiben wollen, ist sehr scharf, das gebe ich zu. Er ver-sperrt aber auch den Blick auf die Wirklichkeit im Bund.Seit Jahren wird nicht nur in Thüringen um jedes Natur-schutzprojekt gerungen, an dem der Bund mit Flächenbeteiligt ist. Naturschutz ist Ländersache, das sagt dasGrundgesetz, aber es ist unredlich, die Länder zum ma-

teriellen Ausgleich für Landwirte in Schutzgebieten auf-zufordern und sich selbst gleichzeitig aus der finanziel-len Verantwortung zu stehlen.

(Zwischenruf Abg. Wunderlich, CDU: DieSPD hat ja sogar die Mitfinanzierung abge-lehnt.)

Wir fordern seit langer Zeit eine wahrnehmbare Beteili-gung des Bundes am Naturschutz. Unsere Haushaltslageverbietet es, ohne exakte Festschreibung und Begren-zung des Ausgleichsbedarfs Zahlungen zu leisten. Was istdenn nun gute fachliche Praxis, Herr Wunderlich? WennSie mir das beantworten würden, dann wären wir schon einStück weiter. Diese Frage will in Bonn auch niemand be-antworten. Unsere langjährige Forderung nach angemesse-nem Ausgleich für die Landwirte in Wasserschutzgebie-ten haben Sie, Herr Minister, auch noch nicht erfüllt. Dakommen Ihre Kollegen aus Bonn schon mit neuen Vor-schlägen.

Meine Damen und Herren der CDU, machen Sie dochbitte erst einmal Ihre Hausaufgaben. Wahlkampf sollsein, aber nicht auf dem Rücken der Bauern und nichtmit leeren Versprechungen.

(Beifall bei der SPD, PDS)

(Unruhe bei der CDU)

Schaukämpfe werden wir noch genügend erleben. Küm-mern Sie sich lieber darum, daß die Neufassung der EU-Agrarpolitik so ausfällt, daß unsere Agrarunternehmeneine reale Überlebenschance haben.

(Zwischenruf Abg. Köckert, CDU: Siemachen doch hier eine Show.)

Sorgen Sie dafür, daß die Förderobergrenze

(Zwischenruf Abg. Wunderlich, CDU:Lüge!)

fällt, und alles andere ist leeres Gerede. Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke schön, Frau Abgeordnete Becker. Herr Abgeord-neter Wunderlich, es ist Ihnen klar, daß ich Ihnen fürdiesen Vorwurf, den Sie Frau Becker gegenüber eröff-net haben, natürlich auch einen Ordnungsruf gebenmuß. Herr Minister Sklenar, bitte schön.

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 72. Sitzung, 29. Januar 1998 6369

Dr. Sklenar, Minister für Landwirtschaft,Naturschutz und Umwelt:

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und HerrenAbgeordneten, ich staune, ich staune über dieses Parla-ment, mit welcher Vehemenz man hier über einen Ne-benschauplatz diskutiert. Herr Gerstenberger, da haben Sieausnahmsweise einmal recht. Ich staune aber auch, wie manhier plötzlich eine EU-Richtlinie verteidigt, während mansonst immer sehr schnell dabei ist, die Richtlinien außerKraft zu setzen und uns von der Regierung auffordert,doch nicht so genau mit diesen Richtlinien umzugehen.Das ist sagenhaft, was man hier erlebt, sagenhaft.

(Beifall bei der CDU)

Und, Frau Becker, das letzte, was Sie gesagt haben, hät-ten Sie sich sparen können. Ich will jetzt nicht über die"Agenda 2000" referieren, aber ich würde Ihnen ganzeinfach nur raten, einmal sehr aufmerksam zuzuhörenund sehr aufmerksam die Zeitung zu lesen, dann werdenSie sehen, wer konsequent gegen Obergrenzen und ge-gen Degressionen in dieser "Agenda 2000" auftritt.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich jetzt etwas zuder Thematik hier sagen: Dr. Mäde hat gefordert, 10 Pro-zent der Fläche Thüringens Naturschutzgebiete, FFH-Ge-biete - prima, kann ich nur sagen, prima, mache ich sofortmit. Wenn Sie mir sagen, wie die Menschen, die dort le-ben, die dort arbeiten, einen Ausgleich kriegen, welchenBeitrag sie dafür bekommen,

(Beifall bei der CDU)

dann bin ich dafür. Ich bin für all das, auch auf dem Ge-biet des Naturschutzes, was machbar ist, was vertretbarist, was ich gegenüber den Menschen vertreten kann.Und manch einer scheint das ganz einfach zu vergessen.Und manch einer scheint auch zu vergessen, was in der1. Legislaturperiode auf diesem Gebiet schon gemachtworden ist. Man war da nicht ganz untätig. Ich darf hiernur daran erinnern, daß immerhin in der 1. Legislaturpe-riode der Freistaat Thüringen die Verpflichtung aus derEG-Vogelschutzrichtlinie erfüllt hat und insgesamt neunEG-Vogelschutzgebiete mit einer Gesamtfläche von ca.24.000 ha gemeldet hat. Das scheint man schon wiedervergessen zu haben. Und daß es sich dabei um fünf Na-turschutzgebiete handelt im Bereich des Thüringer Schie-fergebirges, die insbesondere dem Schutz des Auer- undBirkhuhns dienen, daran will man sich auch nicht mehrerinnern, scheint mir, oder das Biosphärenreservat Ves-sertal, das internationale Feuchtgebiet Stausee Berga-Kelbra, das Plothener Teichgebiet und die HerbslebenerTeiche im Thüringer Becken. Ich denke, hier sind in der1. Legislaturperiode schon einige Dinge passiert. Aber, unddas ist richtig, auch Thüringen hat eine ganze Reihe vonTier- und Pflanzenarten, die auf der Roten Liste stehen, die

sind gefährdet, und wir haben einen Verlust von biologi-scher Vielfalt zu verzeichnen. Weit mehr als die Hälfte derheimischen Wirbeltierarten und mehr als ein Drittel der hei-mischen Farne und Blütenpflanzen müssen derzeit als ge-fährdet gesehen werden. Das ist so. Das muß man offen undehrlich eingestehen. Aber das hat noch nie jemand bezwei-felt, und ich habe auch noch niemanden gesehen, der vonmeiner Fraktion das nicht mitgetragen hätte. Aber, mei-ne sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen auchdaran denken, daß nicht nur direkte Veränderung vonNatur und Landschaft wie z.B. durch Flächenverbrauch,sondern daß zunehmend auch indirekte Faktoren wie Nut-zungsaufgabe, Nährstoffanreicherung und Schadstoffim-mission dazu führen, daß wir einen Arten- und Lebens-raumverlust haben. Auch das muß man bedenken. Und ge-rade die Aufgabe extensiver landwirtschaftlicher Nutzungs-form, ich denke hier an die Hüteschafhaltung, führt zu Ver-änderungen der typischen, über viele Jahrhunderte gewach-senen Kulturlandschaft in Thüringen. Verstärkte Sukzes-sion der Lebensräume sind die Folge, daß die typischen,auf extensive Nutzung angewiesenen Arten verschwin-den. Es muß also unsere Aufgabe sein, unseren Teil zurSicherung der Tier- und Pflanzenarten und ihrer Lebensräu-me und damit zur Sicherung der biologischen Vielfalt ganzeinfach beizutragen. Das Land ist schon bereit. Aufbauendauf fundierten Grundlagen werden die Flächen im Landermittelt, die für die Erhaltung der biologischen Vielfaltvon besonderer Bedeutung sind. Ziel ist es, ein landes-weites Biotopverbundnetz zu entwerfen und für diese Flä-chen die erforderlichen Maßnahmen für deren Erhaltungund Entwicklung darzustellen. Herr Gerstenberger hat hierdas "Grüne Band" angesprochen, die ehemalige Zonengren-ze. Auch ich bin dafür, daß man die, soweit das möglich ist,erhält und auch weiter pflegt. Nur bin ich dagegen, daßLeute, die nichts damit zu tun haben, die nur klug schnak-ken, die in München oder Hamburg wohnen, uns Vorschrif-ten machen wollen, was wir hier zu tun und zu lassenhaben.

(Beifall bei der CDU)

Denn vergessen wir nicht, die Grenze und die Grenz-befestigungsanlagen waren auf unserer Seite und nichtauf der Seite der Bayern, Hessen oder Niedersachsen.

(Zwischenruf Abg. Wetzel, CDU: Sehrrichtig.)

Und es ist unser Land, und es sind unsere Menschen,denen das Land dort verlorengegangen ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, viele schutzwür-dige Biotope, wie z.B. die orchideenreichen Kalkmagerra-sen oder die Borstgrasrasen der Rhön, die Bergwiesen desThüringer Waldes oder die Feuchtwiesen des Werratals,sind durch jahrhundertelange menschliche Nutzung entstan-den. Werden solche Bestände sich selbst überlassen, so ver-ändern sie sich. Durch natürliche Entwicklung entstehtGebüsch, schließlich Wald. Ziel des Biotopschutzes ist

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es daher, durch Fortführung der traditionellen Nutzungdie Biotope in ihrem natürlichen Zustand zu erhalten. Esgilt, Landwirte als Partner des Naturschutzes für dieseneue und gleichzeitig alte Aufgabe, die Erhaltung schutz-würdiger Lebensräume durch naturschutzgerechte Bewirt-schaftung zu gewinnen. Denn Landschaftspflege

(Zwischenruf Abg. Dr. Mäde, SPD: Ist dennnun der Hainich gemeldet?)

- gemach, gemach, Herr Dr. Mäde - ist kein Selbstzweck.Mir scheint, ich muß erst einmal einige Grundlagen darle-gen, ehe wir dann zu speziellen Fragen kommen können.Landschaftspflege verliert dort ihren Sinn, wo sie nichtmehr in Landnutzungskonzepten der Landwirtschaft inte-griert werden kann. Landschaftspflege wird dort zumKunstgriff, wo durch Pflegemaßnahmen organischer Ab-fall entsteht. Da haben wir schon genug, mehr als ge-nug. Wir haben deshalb im Förderprogramm KULAPkonsequent den Weg einer engen Kooperation von Natur-schutz und Landwirtschaft gewählt. Die Grundförderungsoll sicherstellen, daß auch in den sogenannten benach-teiligten Gebieten eine landwirtschaftliche Grundstrukturerhalten bleibt. Landschaftspflege zur Verwirklichung derZiele des Arten- und Biotopschutzes muß sich auch für dieLandnutzer lohnen. Es zeigt sich, wenn Landwirtschaftund Naturschutz partnerschaftlich zusammenarbeiten,können die Ziele des Arten- und Biotopschutzes verwirk-licht werden und gleichzeitig die wirtschaftliche Existenzder landwirtschaftlichen Unternehmen genutzt werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, für den Ver-tragsnaturschutz, zu dem wir stehen, haben wir in denletzten Jahren eine Reihe von finanziellen Mitteln, inden Jahren 1996/97 von 12 Mio. DM aufgewendet, umhier 50.000 Hektar in dieser Art und Weise zu fördernund weiter zu erhalten. Unser Bemühen, meine sehr ver-ehrten Damen und Herren, des Arten- und Biotopschut-zes auf Landesebene befindet sich in Übereinstimmungmit den von der EU vorgegebenen Zielvorstellungen.Ich lege besonderen Wert auf die Feststellung, daß zurUmsetzung der FFH-Richtlinie in Thüringen keine neuenSchutzgebietskategorien eingeführt werden. Die besonderenSchutzgebiete des Netzes "Natura 2000" können künftig alsNaturschutzgebiete, als Teilgebiete von Biosphärenreserva-ten, Naturparks oder Landschaftsschutzgebieten als ge-schützte Landschaftsbestandteile oder auch als Schutzgebie-te im Sinne des Wald- und des Wassergesetzes ausgewiesenwerden. Die ordnungsgemäße land- und forstwirtschaftlicheBodennutzung ist weiter zulässig. Sie ist bei Gebieten, dieihren naturschutzfachlichen Wert einer extensiven mensch-lichen Nutzung verdanken, sogar erforderlich.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die FFH-Gebietesollen im Rahmen der bestehenden Programme des Landesdaher künftig eine bessere Förderung erfahren. Die Umset-zung der FFH-Richtlinie einschließlich der Gebietsauswahlerfolgt unter Beteiligung der Kommunen, der kommunalenSpitzenverbände und der Landnutzer, um in diesen Fragen

einen weitestgehenden Konsens herzustellen. Ich habe be-reits in den Jahren '94 und '95 die Thüringer Landesanstaltfür Umwelt und die Thüringer Landesanstalt für Wald-und Forstwirtschaft beauftragt, ein Fachkonzept zur Um-setzung der FFH-Richtlinie in Thüringen zu erarbeiten. Aufder Grundlage der vorhandenen Informationen zur Faunaund Flora im Land wurden die Flächen ermittelt, dieaufgrund des Vorkommens von Arten und Lebensräu-men für eine Benennung als besondere Schutzgebieteim Sinne der FFH-Richtlinie in Frage kommen. Es sinddies insbesondere Gebiete mit naturnahen Buchenwaldbe-ständen, mit Schluchtwäldern, Auenwäldern, Kalkmagerra-sen, Borstgrasrasen, Moore und naturnahe Fließgewässer-abschnitte. Diese Fachkonzeption zur Umsetzung der FFH-Richtlinie wurde den kommunalen Spitzenverbänden, demBauernverband, dem Waldbesitzerverband, den anerkann-ten Naturschutzverbänden sowie allen Betroffenen, über300 Gemeinden, zur Stellungnahme übersandt. Als ein we-sentliches Ergebnis der Beteiligung der Verbände undKommunen bleibt festzuhalten, daß eine Gebietsmel-dung in Thüringen nur dann Akzeptanz findet, wenn dieRechtsfolgen für Kommunen, Eigentümer und Nutzungs-berechtigten eindeutig klar sind. Diese Rechtssicherheit,z.B. was den künftigen Schutzgebietstatus, mögliche Nut-zungsbeschränkungen oder Auswirkungen auf künftigePlanungen betrifft, ergibt sich nicht aus dem Richtli-nientext selbst. Rechtssicherheit wird erst durch eineUmsetzung der Richtlinie in nationales Recht geschaffen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, um EU-Mittelnicht verfallen zu lassen, hat die Landesregierung trotzfehlender ausreichender Rechtsgrundlagen am 06.01. diesesJahres beschlossen, eine Liste von zunächst 18 Gebieten alsFFH-Gebiete zu melden, die als besondere Schutzgebiete indas europäische Schutzgebietsnetz "Natura 2000" aufge-nommen werden sollen. Es handelt sich um 16 Natur-schutzgebiete im Biosphärenreservat Rhön, um ein be-stehendes Naturschutzgebiet im Bereich des Hainich so-wie um die Flächen des Nationalparks Hainich. Also,Dr. Mäde, ich hoffe, Ihnen damit Genüge getan zu haben.

(Beifall Abg. Dr. Mäde, SPD)

Nicht zuletzt das von der EU geförderte SchutzkonzeptHainich hatte die fachliche Grundlage dafür gelegt, daßeine Ausweisung dieses wichtigen Bausteins im Schutz-gebietsnetz "Natura 2000" als Nationalpark in Rekord-zeit möglich war. Ziel war es, die FFH-Gebietsmeldungbis zum 31.01.1998 bei der EU-Kommission eingereicht zuhaben, um die Voraussetzung für eine Förderung nach demProgramm "LIFE" der EU zu erfüllen. Eine Förderung imRahmen des Förderprogramms "LIFE" wird von der EUnur gewährt, wenn die zu fördernden Gebiete als FFH-Ge-biete gemeldet sind. Diese Voraussetzung haben wir da-mit erfüllt. Gleichzeitig, meine sehr verehrten Damen undHerren, sind wir nach wie vor darum bemüht und arbeitenmit Hochdruck an der weiteren Schutzgebietsausweisung.Sie wissen, daß im Jahr 1995 eine Projektgruppe zur be-schleunigten Ausweisung bei der oberen Naturschutzbe-

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hörde im Landesverwaltungsamt eingesetzt worden ist.Diese Projektgruppe, die derzeitig aus 20 Personen be-steht und über zwei Ressorts finanziert wird, sollte biszum Jahre 2001 verlängert werden. Heute kann die Pro-jektgruppe Schutzgebiete beim Landesverwaltungsamtauf die Ausweisung von 50 Naturschutzgebieten zurück-blicken, 59 Verfahren befinden sich derzeit in Bearbeitung.Die Verfahren für weitere 30 Gebiete werden derzeitvorbereitet. Mit der Ausweisung des 50. Naturschutzge-bietes existieren in Thüringen jetzt 212 Naturschutzge-biete mit einer Fläche von 24.000 Hektar.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, unser Ziel ist es,der Öffentlichkeit deutlich zu machen, daß die Ausweisungals Schutzgebiet und die Aufnahme in das Schutzgebiets-netz "Natura 2000" keine Käseglocke für die betroffeneLandschaft bedeutet, sondern helfen soll, die wirtschaftli-che Situation in diesem Gebiet zu fördern. All diese Aktivi-täten machen deutlich, daß sich die Landesregierung dereuropäischen Naturschutzaufgabe gestellt hat. Ich denke,entgegen der Meinung von ganz rechts und ganz linksvon mir aus gesehen, wir haben in den letzten zweiein-halb Jahren bewiesen, daß auch wir dazu in der Lage sind,einiges auf diesem Gebiet zu erreichen. Schönen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke schön. Eine weitere Wortmeldung liegt nicht vor.Ich schließe also auch diesen Teil 2 der Aktuellen Stun-de und den Tagesordnungspunkt 13 insgesamt. Für dieFortsetzung der Sitzung nehmen wir hier vorn einenWechsel vor. Danke schön.

Präsident Dr. Pietzsch:

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 9

Novellierung des WohngeldgesetzesAntrag der Fraktion der PDS- Drucksache 2/2456 -

Begründung durch den Antragsteller, Frau Dr. Wildauer.Bitte sehr.

Abgeordnete Frau Dr. Wildauer, PDS:

Herr Präsident, meine Damen und Herren, die PDS-Frak-tion beantragt, daß der Landtag die Landesregierung auffor-dert, sich im Bundesrat für eine Novellierung des Wohn-geldgesetzes einzusetzen. Das Ziel der Initiative bestehtdarin, das Wohngeld noch für das Jahr 1998 zu erhöhen.Damit wäre die Bundesregierung veranlaßt, ihre Verspre-chungen der letzten Jahre endlich einzulösen.

(Beifall bei der PDS)

Die Wohngelderhöhung ist längst überfällig. Lassen Siemich aus der Begründung unseres Antrags noch einmal denehemaligen Bundesbauminister zitieren. Herr MinisterTöpfer sagte in seiner Rede während der Bundestagsdebattezum Mietenüberleitungsgesetz am 18. Mai 1995 - erlaubenSie -, ich zitiere: "In diesem Zusammenhang ist auch wich-tig, daß der vorliegende Kompromiß die Verpflichtung ent-hält, ein neues Wohngesetz vorzulegen, das im Jahr 1996wirksam wird. Davon sind wir gar nicht weit entfernt. Wirgehen auf die Haushaltsberatung zu. Wir werden uns unmit-telbar an die Arbeit begeben, um wieder eine Regelung zufinden, die alle Seiten mittragen können." Aber es geschahnichts. Der Thüringer Landtag beschloß am 14. März 1996einen Antrag der SPD- und CDU-Fraktion zur Novellierungdes Wohngeldgesetzes. Doch auch dieser Beschluß erreich-te seinen Zweck nicht. Es kam lediglich zu einem Wohn-geldüberleitungsgesetz für die ostdeutschen Länder. Wederfür die ostdeutschen noch für die westdeutschen Länderkam die erforderliche Mindesthöhe für das Wohngeld zu-stande. Wir müssen feststellen, daß das Wohngeld seineAufgabe immer weniger erfüllt. Es kann einkommens-schwachen Familien kaum noch angemessenen und fami-liengerechten Wohnraum sichern. Die Mieten bleiben hoch,Realeinkommen und Wohngeld sinken. In Ost und Westentsteht den Beziehern von Wohngeld, also den Ärm-sten, Schaden.

Meine Fraktion versteht ihren Antrag auch als einen Ap-pell an den Landtag, nicht länger tatenlos zuzusehen,wie auf Kosten der Bedürftigsten, darunter beim Wohn-geld, gespart wird.

(Beifall bei der PDS)

Wir schlagen vor, die monatlichen Höchstbeträge für zu-schußfähige Mieten oder Belastungen anzuheben, außer-dem die Einführung einer Anpassungspauschale in Ost undWest. Die im Antrag vorgeschlagenen Regelungen stel-len einen realisierbaren Schritt in Richtung einer ein-heitlichen Wohngeldregelung dar. Dabei werden die be-sonderen ostdeutschen Bedingungen, vor allem die Ein-kommensunterschiede, berücksichtigt. Ich danke.

(Beifall bei der PDS)

Präsident Dr. Pietzsch:

Danke sehr, Frau Dr. Wildauer. Ich eröffne damit dieAussprache. Zu Wort hat sich Frau Abgeordnete Doht,SPD-Fraktion, gemeldet.

Abgeordnete Frau Doht, SPD:

Herr Präsident, meine Damen und Herren, uns liegt ein An-trag der PDS zur Novellierung des Wohngeldgesetzes vor.Meine Damen und Herren von der PDS, die Forderung ei-ner Novelle des Wohngeldgesetzes ist nicht neu, und auchdiese stammt, wie einige anderen Forderungen, nicht vonIhnen. Die Koalitionsfraktionen haben auf Initiative der

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SPD bereits 1996 einen Antrag verabschiedet, welcherdie Landesregierung aufgefordert hat, sich im Bund füreine gesamtdeutsche Wohngeldnovelle unter Beachtungder besonderen Bedingung der neuen Bundesländer ein-zusetzen.

(Zwischenruf Abg. Kachel, PDS: Dannstimmen Sie doch einmal zu.)

Herr Kachel, jetzt rede ich. Sollte dies nicht möglich sein,haben wir eine Verlängerung des Sonderwohngelds in denneuen Bundesländern gefordert. Dazu bedurfte es nichtder Aufforderung durch die PDS. Zu einer gesamtdeut-schen Wohngeldnovelle ist es bislang nicht gekommen.Die vollmundigen Ankündigungen vom BundesbauministerTöpfer erwiesen sich als zahnloser Papiertiger, statt dessenwurde das Wohngeldüberleitungsgesetz verabschiedet.Durch die gemeinsamen Anstrengungen der Bauministerder neuen Bundesländer konnte gegen den Widerstand allerFinanzminister - ich betone: aller Finanzminister - Verbes-serungen des ursprünglichen Gesetzentwurfs durchgesetztwerden. So konnte letztendlich ein tragfähiger Kompromißerreicht werden. Diesen jetzt in Frage zu stellen, wo bun-des- und landesweit über Einsparungen bei Leistungsgeset-zen nachgedacht wird, ist nicht im Sinne der ThüringerMieterinnen und Mieter, als deren alleiniger Interessenver-treter sich die PDS hier immer aufspielt. Der KompromißWohngeldüberleitungsgesetz trägt bis zum 31.12.1998.Selbst der Deutsche Mieterbund erwartete zum 01.01.1998mit der Einführung des Vergleichsmietensystems keine grö-ßeren Mietsprünge. Die Notwendigkeit einer kurzfristigenÄnderung beim Wohngeld, welche die Gefahr birgt, daßwir am Ende nicht mit mehr, sondern mit weniger aus-kommen müssen, ist aus unserer Sicht nicht gegeben.Zwar ist die Zahl der Wohngeldempfänger 1997 gegen-über 1996 zurückgegangen, die durchschnittliche Sum-me des ausgezahlten Wohngeldes hat sich aber erhöht.Wir sehen, wie bereits erwähnt, die Notwendigkeit einersolchen Bundesratsinitiative zum jetzigen Zeitpunkt nicht,und ich betone: zum jetzigen Zeitpunkt. Denn es ist zu er-warten, daß unter der gegebenen Regierungskonstellation inBonn kein akzeptabler Kompromiß zustande kommt. DieSPD wird im September 1998 das Ruder in Bonn selbstin die Hand nehmen, und unsere Konzepte sind fertig.Wir werden rechtzeitig bis zum Auslaufen des Wohngeld-überleitungsgesetzes die längst überfällige Wohngeldnovel-le durchsetzen. Dazu brauchen wir weder die Aufforde-rung der PDS noch von anderer Seite. Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

Präsident Dr. Pietzsch:

Danke sehr, Frau Abgeordnete Doht. Als nächster Red-ner hat sich zu Wort gemeldet Herr Abgeordneter Dietl,PDS-Fraktion. Bitte.

Abgeordneter Dietl, PDS:

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, in- Drucksache 2/2456 - hat die PDS einen Antrag einge-bracht, der die Landesregierung auffordert, im Bundesrateine Novellierung des Wohngeldgesetzes zu beantragen.

Frau Doht, Sie haben heute morgen bedauert, daß wirimmer solche Bundesratsinitiativen fordern. Aber istnicht genau dazu das Verfassungsorgan Bundesrat ge-schaffen worden, damit die Länder Einfluß auf die Bun-despolitik nehmen müssen.

(Beifall bei der PDS)

So lange diese Bundesrepublik eine so miese Politik be-treibt, was Sie ja oft genug selbst feststellen, ist es not-wendig, daß wir hier aktiv werden und nicht in weiterFerne und irgendwann, sondern jetzt, hier und heute.

(Beifall bei der PDS)

Sie erklären immer, daß das ureigenste Positionen derSPD sind. Aber jedesmal, wenn es darum geht, die urei-gensten Positionen der SPD durchzusetzen, dann ver-weigern Sie sich, dann stimmen Sie dagegen. Ich kanndas nicht begreifen.

(Beifall bei der PDS)

Entweder wollen Sie nicht oder Sie können nicht oderSie dürfen nicht. Eins von den dreien wird es wohl sein.

(Zwischenruf Abg. Sonntag, CDU: Diedürfen nicht.)

Ich werde Sie natürlich im Herbst dieses Jahres an Ihreheutige Aussage erinnern.

Weshalb stellen wir also zu diesem gegenwärtigen Zeit-punkt unseren Antrag? Ganz einfach deshalb, weil die Ge-schichte um die seit langen überfällige Novellierung desWohngeldes einem Skandal gleichkommt. Skandal undTragödie zugleich, weil alle Thüringer Fraktionen desLandtags eine Novellierung für dringlich erforderlich haltenund dazu permanent öffentliche Erklärungen abgeben. Inder Sitzung des Bauausschusses des Bundestages stellteman kürzlich fest, daß ohne eine Reform des Wohngeldeskeine Reform des sozialen Wohnungsbaus möglich ist. FrauDoht, Sie haben im November in der Plenartagung eineähnliche Feststellung gemacht, indem Sie sagten, daß dasWohngeldgesetz die wichtigste Voraussetzung für die Re-form der Wohnungsbauförderung ist. Das ist alles gutund richtig, aber letztlich tun Sie nichts. Das geht aufKosten der Bedürftigsten in diesem Lande.

(Beifall bei der PDS)

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 72. Sitzung, 29. Januar 1998 6373

Erschreckend für mich, meine sehr verehrten Damenund Herren, ist, daß im Haushalt des Bundes und leiderauch des Landes Thüringen für '98 keinerlei Verände-rungen im Wohngeld konzipiert wurden. Die ThüringerSPD akzeptiert damit einen Haushalt 1998, der das bisheri-ge Wohngeld festschreibt und nicht die geringste Verbesse-rung für die einkommensschwachen und bedürftigen Haus-halte vorsieht. Sagen Sie das, meine sehr verehrten Da-men und Herren von der SPD, den Bürgerinnen und Bür-gern Thüringens. Sagen Sie den Menschen in Thüringen,daß Ihre Koalitionsdisziplin das nicht zuläßt. Mit IhremJa zum Haushalt 1998 sagten Sie, meine sehr verehrtenDamen und Herren von der SPD, Nein zu einem bes-seren, zu einem höheren Wohngeld 1998.

Weil das nicht so sein darf, weil man nicht einfach zur Ta-gesordnung übergehen kann, ohne alle Möglichkeiten fürein neues Wohngeld genutzt zu haben, hat sich unsere Frak-tion zu diesem Antrag in der - Drucksache 2/2456 - ent-schlossen. Wohl wissend, daß dafür mehr Geld durch Bundund natürlich auch durch das Land bereitgestellt werdenmuß. Nach unseren überschläglichen Berechnungen wärendas in Thüringen für ein Jahr zwischen 20 und 30 Mio. DM.Eine zumindest teilweise Finanzierung wäre möglichüber die von unserer Fraktion heute morgen vorgeschla-gene Novellierung des Eigenheimzulagengesetzes. Aberich frage Sie ernsthaft: Wollen Sie die Praxis der Bon-ner Regierung mitmachen, einen Haushalt aufzustellen,ohne Wohngeldverbesserungen zu berücksichtigen, unddann die Frage aufwerfen, woher soll die Finanzierungkommen? Weil die Finanzierung offen ist, werden wirkein Gesetz erarbeiten. Ein Haushalt, dessen Lücken ge-schlossen werden, indem man bei den Bedürftigstenspart, ist falsch. Er bedarf einer generellen Korrektur.

(Beifall bei der PDS)

Wir halten es für durchaus realistisch, den für 1998 er-forderlichen Landesanteil im Rahmen des vom Finanz-minister angekündigten Nachtragshaushalts 1998 einzu-ordnen. Wo ein politischer Wille vorhanden ist, ist im-mer auch ein finanzielles Gebüsch.

(Beifall bei der PDS)

Geht man davon aus, daß ein neues Wohngeld ab01.07.1998 wirksam werden könnte, handelt es sichbeim Landesanteil lediglich um 10 bis 15 Mio. DM. ImBundestag hat die Bundestagsgruppe der PDS konkreteFinanzierungsvorschläge für den Bundesanteil gemacht,also einmal den Abbau von Steuerabschreibungen fürnicht selbstgenutzten Mietwohnungsbau, Abschöpfungvon Spekulationsgewinnen im Immobilienhandel, Ein-sparung der für die Durchsetzung der Zwangsprivatisie-rung geplanten Mittel und, und, und. Deshalb unser An-trag auf eine Bundesratsinitiative der Thüringer Landes-regierung, und deshalb auch unsere Zielstellung, einneues Wohngeldgesetz noch 1998 wirksam zu machen.

(Beifall bei der PDS)

Die Zeit ist überfällig. Der Thüringer Landtag sollte sichentschieden gegen eine weitere zeitliche Verschleppungwenden und vor allem dem Bundesfinanzminister deutlichmachen, daß er nun endlich grünes Licht für ein besseresWohngeld geben muß. Ich erinnere Sie in diesem Zu-sammenhang auch an ein Interview, was der ehemaligeBundesbauminister, Herr Töpfer, dem "Neuen Deutsch-land" gegeben hat, in dem er sinngemäß feststellte, daßes notwendig ist, daß die Finanzminister, daß die Bau-minister der neuen Länder dem Bundesfinanzministermehr Dampf machen, dann kommt es auch zu einer Re-gelung in Bonn.

Eine Anpassung des Wohngeldes, und das sagten selbst Sie,Frau Doht, ist längst überfällig. Das Wohngeld kann seineAufgaben, einkommensschwachen Haushalten angemes-sen und familiengerechten Wohnraum zu sichern, im-mer weniger erfüllen. Das Wohngeld hält mit der Ent-wicklung der Mieten in Ost und West nicht Schritt.

Die Bundesregierung hat trotz mehrfacher vollmundigerAnkündigungen seit sieben Jahren weder eine Dynami-sierung des Wohngelds West noch eine umfassende Novel-lierung des Wohngelds durchgeführt. Im Durchschnitt derHaushalte weist nach neuesten Untersuchungen der Bun-desforschungsanstalt für Landes-, Bund- und Raumfor-schung die Wohnkostenbelastung nach Wohngeld, also dieBruttowarmmiete, in den westlichen Bundesländern eineHöhe von 28,9 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens,in den östlichen Ländern von 24,6 Prozent aus.

Auch im letzten Wohngeld- und Mietenbericht der Bundes-regierung wird festgestellt, daß mit wechselndem zeitlichenAbstand zur letzten Wohngeldnovelle die Miethöchstbeträ-ge hinter der tatsächlichen Mietentwicklung zurückge-blieben sind und damit zunehmend weniger den tatsäch-lichen Wohnungsmarktverhältnissen Rechnung tragen.Auch in den ostdeutschen Ländern ist ein erheblicherTeil der Mietkosten nicht mehr wohngeldfähig. Die imWohngeldüberleitungsgesetz vom 21. November 1996festgesetzten Miethöchstgrenzen reichen nicht mehr aus,um einkommensschwachen Haushalten eine sozial zu-mutbare Wohnkostenbelastung zu sichern.

Ab 1. Januar 1998 ist das Vergleichsmietensystem in denneuen Ländern in Kraft getreten. Gleichzeitig wird die Kap-pungsgrenze von 3 DM/ m² bei der Modernisierungsumlageaufgehoben. Das wird in diesem Marktsegment zu Miet-steigerungen beitragen. Es kommt noch hinzu, daß inden vergangenen Jahren viele Wohngeldbezieherinnen undWohngeldbezieher nominelle Einkommenssteigerungen er-fuhren, ihr Wohngeld, ihre Wohngeldanspruchsberechti-gung verlieren, obwohl sich ihr Realeinkommen nicht er-höht hat. Für einen beträchtlichen Teil der Thüringer Haus-halte, und wir schätzen, daß es zwischen 25 und 30 Pro-zent aller Mieterhaushalte sind, ist die Mietkostenbela-stung trotz Wohngelds zu hoch, und sie beträgt zwi-

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schen 30 bis 45 Prozent. Genau um diese Haushalte gehtes in unserem Antrag. Die Menschen schränken ihrenLebensstandard immer mehr ein, um Miete zu bezahlen.Für sie wird die Miete zu einem Faktor der Armutsent-wicklung.

(Beifall bei der PDS)

Wer das unterschätzt, meine sehr verehrten Damen undHerren, fördert die Armutsentwicklung. Ein Ausgleich mußüber ein erhöhtes Wohngeld erfolgen, nicht irgendwannin den Sternen stehend, sondern noch im Jahr '98. DieBetroffenen warten lange genug darauf. Für die Erhö-hung des Wohngeldes schlagen wir drei Kriterien vor:

Erstens: Die Miethilfsbeiträge für die zuschußfähige Mieteoder Belastung werden in den westlichen Bundesländernum durchschnittlich 20 Prozent angehoben, das entsprichtin etwa dem Vorschlag des Bundesrates von 1995.

Zweitens: In den westlichen und östlichen Bundeslän-dern ist eine Anpassungspauschale von 1.800 DM plus600 DM für jedes zweite und weitere Familienmitgliedals Inflationsausgleich einzuführen. Diese Anpassungspau-schale ist von dem für die Berechnung des Wohngelds zuermittelnden Familieneinkommen abzusehen; so ähnlichlautet auch der Vorschlag des Bundesrates aus demJahre 1995.

Drittens: Im Wohngeldüberleitungsgesetz, gemeint ist§ 42, für die ostdeutschen Länder sind die Miethöchst-grenzen für den Bezug von Wohngeld in den Positionen

1. Wohnungen mit Sammelheizung bis Baujahr '91 und

2. Wohnungen ab Baujahr '92 anzuheben, und zwar andas Niveau der vorgeschlagenen neuen Mietenstufe 3 fürdie westlichen Länder.

Das macht etwa eine Erhöhung der Miethöchstgrenzenzwischen 10 und 20 Prozent aus. Mit diesen unseren Vor-schlägen, meine sehr verehrten Damen und Herren, kanndie längst überfällige Wohngeldanhebung realisiert werden.Sie stellen noch kein bundesweit einheitliches Wohngeld-gesetz dar, mit ihnen werden aber notwendige Schritte ge-nau in diese Richtung getan. Ich bitte Sie deshalb, unse-rem Antrag in der - Drucksache 2/2456 - zuzustimmen.Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

Präsident Dr. Pietzsch:

Danke sehr, Herr Abgeordneter Dietl. Als nächster hatsich Herr Abgeordneter Wetzel, CDU-Fraktion, zu Wortgemeldet.

Abgeordneter Wetzel, CDU:

Herr Präsident, meine Damen und Herren, in der - Druck-sache 2/2456 - liegt uns eine neue, qualitative und auchquantitative Steigerung einer PDS-Drucksache vor, die ge-genüber der - Drucksache 2/1309 - diese qualitative undquantitative Steigerung durchaus aufweist. Herr Dietl,

(Zwischenruf Abg. Dietl, PDS: Herr Wetzel?)

ich hätte ja vorhin ganz gern schon mal von Ihnen dieFrage beantwortet gewußt.

(Zwischenruf Abg. Dietl, PDS: Ichbeantworte sie Ihnen danach.)

Sie haben ja eine Frage gestellt, ob sie wollen, ob sienicht können oder ob sie nicht dürfen: Warum ist dasdenn offengeblieben? Ihre Meinung hätte mich da schoneinmal interessiert.

(Zwischenruf Abg. Dietl, PDS: Ich sage esIhnen hinterher.)

Ihr Finanzierungsgebüsch, Herr Dietl, hätte mich natür-lich auch einmal interessiert, wie das ausschaut, dennSie haben ja gesagt, politischer Wille ist auch ein Finanzie-rungsgebüsch. Hoffentlich sieht das Finanzierungsgebüschnicht wie eine Gelddruckpresse aus. Und die Problematik"Wohngeld ein Skandal", also ich würde eher sagen, derBegriff, den Sie dafür gebraucht haben - Wohngeld einSkandal - ist ein Skandal, denn ich habe schon einmal ge-sagt: Sie wollen eine Ost-West-Diskussion

(Zwischenruf Abg. Dietl, PDS: Eben nicht.)

immer am Kochen halten, und das geht natürlich am be-sten über die Geldgeschichte, und das geht am bestenüber die Neiddiskussion. Sie wollen natürlich letztend-lich damit schon auch eine klein wenig andere Republikals die, die wir wollen.

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU: Nichtnur ein klein wenig.)

(Zwischenruf Abg. Dietl, PDS: Das kannmöglich sein - eine bessere.)

Aber ich habe es versucht, in der Verniedlichung darzustel-len, daß es nicht gar zu kraß wird. Es geht auf den Abendzu, ich will auch unsere Zuhörer oben nicht erschrecken.Auch wenn Frau Nitzpon jetzt wieder sagen wird, daß siedas schon singen kann. Laut einer ihrer letzten Äußerungen,muß ich sagen, kann ein Landtag eine Landesregierungnicht zur Tätigkeit auffordern, sondern lediglich bitten, indiesem Sinne tätig zu werden. Also, das möchte aber auchfast das einzige gewesen sein, wo ich versuche, in dasThema dieses Antrags tiefgründiger hineinzugehen. In Sa-chen Wohngeld, meine Damen und Herren, hat die Koali-

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 72. Sitzung, 29. Januar 1998 6375

tion in den zurückliegenden Jahren viel getan. Und speziellin der vorhin auch schon von meiner Kollegin Doht ange-sprochenen - Drucksache 2/966 - vom 7. März 1996 wirdbereits die Landesregierung gebeten, bei Bedarf der Diskus-sion in Bonn zu diesem Thema "Wohngeld" tätig zu wer-den und diese Diskussion dort zu führen, meine Damenund Herren.

Um die sozial notwendige Flankierung bei der Überleitungder Mieten in den neuen Bundesländern in das Vergleichs-mietensystem sicherzustellen, sieht das Anfang 1997 inKraft getretene Wohngeldüberleitungsgesetz befristete Son-derregelungen beim Wohngeld vor. Unter anderem schließtdies eine besondere Verhältnisse auch in den neuen Bun-desländern berücksichtigende Höchstbetragstabelle-Ost, ei-nen höheren Pauschalabzug sowie höhere Einkommensfrei-beträge für Miethaushalte mit sehr niedrigem Einkommenein. Die Initiative der Thüringer Landesregierung hat maß-geblich zu dem Zustandekommen dieser für die Bürgerin-nen und Bürger in den neuen Ländern wichtigen Sonderre-gelung beigetragen. Mit dem Wohngeldüberleitungsgesetzhaben wir nach sieben Jahren endlich bundesdeutscheRechtsnorm auf dem Gebiet des Wohngelds erreicht, wennauch noch nicht gleiche Leistungsnormen. Das möchte ichdabei schon einschränkend sagen. Aufgrund der zeitlichenBefristung der geltenden Regelung ergibt sich ein Hand-lungsbedarf, der auch von anderen Bundesländern gesehenwird. Es wäre jetzt allerdings unsinnig, den Verhandlungs-spielraum der Landesregierung durch eine vom Landtag ge-troffene Entscheidung, wie sie der PDS-Antrag vorsieht,unnötig einschränken zu wollen. Der von der PDS zu-dem vorgeschlagene Inflationsausgleich muß als voll-kommen unsinnig abgetan werden.

(Zwischenruf Abg. Dietl, PDS: Das war keinVorschlag von uns.)

Wer einen festen Abzugsbetrag im Inflationsausgleich her-beiführen will, meine Damen und Herren, konterkariert sei-ne eigenen Absichten. Die finanziellen Auswirkungen wür-den sich massiv auf den Bundeshaushalt auswirken, und dasWort "massiv" steht irgendwo im Raum, die 3,3 Mrd. DM,nur daß wir wissen, von welchem Geld wir reden, HerrKollege Dietl.

(Zwischenruf Abg. Dietl, PDS: 1 Milliardevom Bund sind nötig.)

Meine Damen und Herren von der PDS, Ihre Horrorsze-narien, die Sie in den sieben Jahren seit 1990 nun überWohngeld und Wohnungsnot an den Thüringer Himmelgemalt haben, sind nicht eingetreten. Ich sage es Ihnennoch mal: sind nicht eingetreten. Und auch Ihr Mietwu-cher, den Sie an den Himmel gemalt haben, ist nichteingetreten.

(Beifall bei der CDU)

Und ich kann mir nicht vorstellen, wie ein künftiger Unter-nehmer, ein künftiges Wohnungsunternehmen eine Mietko-stenbelastung mit Mitmietern bei leerstehenden Wohnun-gen in Thüringen durchstehen will. Wir haben einen Woh-nungsmarkt, Herr Dietl, wir haben keinen Wohnungsnot-stand mehr und brauchen nicht verteilen. Der Mieter kanndurchaus auch gehen, und das Wohnungsunternehmenwird mit leerstehenden Wohnungen sicherlich irgend-wann andere betriebswirtschaftlichen Zahlen haben alsmit vollstehenden Wohnungen.

Meine Damen und Herren, wie gesagt, an den ThürigerHimmel gemalte Horrorszenarien sind nicht eingetreten.Und, meine Damen und Herren, die CDU entfernt sichin keiner Weise von den sozial Schwachen und von densozial Bedürftigen, was auch die PDS da immer behaup-ten mag. Wir leben Gott sei Dank, Herr Dietl, in einer De-mokratie, wo nicht eine Partei alle anderen meinungs- unddienstverpflichten kann. Natürlich haben wir Verhandlungs-bedarf und auch Verhandlungsnotstand im Bereich Wohn-geld, der in Bonn natürlich auch ausgehandelt werdenmuß bei der Wohngeldnovelle, die ansteht. Mehr sozialeGerechtigkeit muß erreicht werden für alle Betroffenen.Zu deutsch: Ein Ende der Fehlsubventionen muß er-reicht werden, eigentlich das, was der Bundesbaumini-ster in den letzten vier Jahren ständig gesagt hat. Undhier tritt die CDU-Meinung eindeutig zutage, und wir sa-gen, Förderung und Unterstützung muß künftig denwirklich Bedürftigen erreichen, Herr Kollege Dietl, undnicht durch Fehlsubventionen an die Falschen gehen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, im Namen der CDU-Fraktionlehne ich die - Drucksache 2/2456 - ab. Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Präsident Dr. Pietzsch:

Danke sehr, Herr Abgeordneter Wetzel. Als nächster hatsich zu Wort gemeldet Herr Staatssekretär Richwien.Bitte.

Richwien, Staatssekretär:

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren,die Thüringer Landesregierung hatte bereits im Mai 1996einen Entschließungsantrag zum Thema "Wohngeldsonder-gesetz" in den Bundesrat eingebracht. Dieser Antrag for-derte die Bundesregierung auf, umgehend einen Reform-vorschlag zum Wohngeldrecht vorzulegen, der ein einheitli-ches Wohngeld vorsieht und der einen angemessenen Bei-trag zur Wohnkostenentlastung leistet. Für den Fall, daß einsolcher Reformvorschlag nicht so rechtzeitig vorgelegt wer-de, daß er zum 1. Januar 1997 in Kraft treten könne, solltedas Wohngeldsondergesetz in seiner Geltungsdauer biszu diesem Zeitpunkt, an dem ein einheitliches Wohngeld-recht wirksam wird, verlängert werden. Dieser Entschlie-

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ßungsantrag, dem auch andere neue Bundesländer beige-treten waren, wurde im Bundesrat jedoch nicht abschlie-ßend beraten. Die Gründe hierfür lagen zunächst darin,daß die Bundesregierung noch im August 1996 den Ent-wurf eines Wohngeldüberleitungsgesetzes vorlegte, derdie Fortgeltung wohngeldrechtlicher Sonderregelungenin den neuen Ländern vorsah und dem alle neuen Bun-desländer nach Berücksichtigung gewünschter Korrektu-ren und Verbesserungen zustimmen konnten. Ein wichtigerGrund war aber auch die Haltung der alten Länder. Da mußman schon an dieser Stelle ein Stück weit ehrlich sein,die nämlich signalisierten, einer erneuten Verlängerungdes Wohngeldsondergesetzes auf keinen Fall im Bun-desrat zuzustimmen. Die alten Länder waren jedoch be-reit, das Wohngeldüberleitungsgesetz mitzutragen. DiesesWohngeldüberleitungsgesetz ist dann im Januar 1997 inKraft getreten und sichert, daß auch nach Auslaufen desWohngeldsondergesetzes weiterhin das Wohnen in denneuen Ländern bezahlbar bleibt. Die Initiative Thürin-gens im Bundesrat kann damit als im Ergebnis erfolg-reich bezeichnet werden.

(Beifall bei der CDU; Abg. Lippmann, SPD)

Die in dem Antrag der PDS enthaltene Unterstellung, dieThüringer Landesregierung habe sich nicht, wie 1995 zuge-sichert, für eine sozialverträgliche Einführung des Ver-gleichsmietensystems und für die Fortgeltung von wohn-geldrechtlichen Sonderregelungen für den Zeitpunkt nachAußerkrafttreten des Wohngeldsondergesetzes eingesetzt,trifft nicht nur nach meiner Meinung nicht zu. Ich glau-be, der Antrag der PDS geht hiermit ins Leere. Ich emp-fehle, den Antrag abzulehnen. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Präsident Dr. Pietzsch:

Danke, Herr Staatssekretär. Ich schaue mich noch malum. Ich schließe dann die Aussprache. Wir kommen zurAbstimmung. Einen Antrag auf Ausschußüberweisunghabe ich wohl nicht gehört oder habe ich ihn überhört?Ich habe ihn nicht überhört, es ist keine Ausschußüber-weisung beantragt worden, so daß wir unmittelbar überden Antrag der Fraktion der PDS in der - Drucksache2/2456 - in die Abstimmung eintreten. Wer diesem An-trag "Novellierung des Wohngeldgesetzes" seine Zustim-mung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. Danke sehr.Gegenstimmen? Das ist die Mehrheit. Stimmenthaltungen?Keine. Danke. Damit ist der Antrag der Fraktion derPDS in der - Drucksache 2/2456 - abgelehnt.

Ich komme zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 10

Schlußfolgerungen der Landesregierungaus dem Ersten Sozialbericht des Frei-staats ThüringenAntrag der Fraktion der PDS- Drucksache 2/2523 -

Begründung durch den Antragsteller, Einbringer. Das istso, wenn man mehrere Worte durcheinander bringt. Istegal. Auf jeden Fall ist klar, daß Frau Beck den Antragbegründen wird. Bitte sehr.

Abgeordnete Frau Beck, PDS:

Verehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren, imFrühjahr 1997 hat die Landesregierung den Ersten Sozial-bericht des Freistaats Thüringen vorgelegt. Am 19. Juni desletzten Jahres wurde durch drei Fraktionen des Landtagseine inhaltliche Wertung des Berichts vorgenommen. DiePDS-Fraktion als Opposition hat entsprechend ihresWählerauftrags eine ausführliche politische Wertung zurDarstellung von Themen wie Pflege, Rente, Sozialhilfe, Ar-beitslosigkeit, Jugend usw. vorgenommen. In ihrem Beitragzum Sozialbericht stellte Frau Raber damals u.a. die Frage,ob die sozialen Sicherungssysteme wirklich noch sozial ab-sichern, kritisierte die Bundesregierung mit ihren gerade inAngriff genommenen finanziellen Kürzungen für die Ar-beitsförderung, und zum Schluß wurde durch die SPD-Fraktion die Forderung aufgemacht, den Bericht zum Anlaßzu nehmen, um politische Handlungen abzuleiten. Eine Dis-kussion in den Ausschüssen wäre der erste Schritt dazu. DieCDU-Fraktion vertrat die Auffassung, daß die Ausschüssefür Soziales und Sport, Arbeitsmarkt und Gesundheit sowieder Gleichstellungsausschuß sich mit dem Sozialbericht be-fassen sollten. Meine Damen und Herren, in den letztenMonaten wurde jedoch in den Ausschußsitzungen deutlich,daß die Koalitionäre nicht bereit waren, eine inhaltliche Be-ratung zum Ersten Sozialbericht durchzuführen. Ein von derPDS gestellter Antrag zur öffentlichen Anhörung mit Ver-einen und Verbänden wurde einhellig abgelehnt. Mit demSchreiben vom 12.11.1997 machte die Thüringer Landesar-mutskonferenz auf die prekäre Situation im sozialen Be-reich abermals aufmerksam und mahnte unbedingten Hand-lungsbedarf an. In dem letzten Abschnitt ihres Briefs heißtes u.a., darf ich zitieren?

Präsident Dr. Pietzsch:

Bitte.

Abgeordnete Frau Beck, PDS:

"Wir bieten an, unsere Sach- und Fachkompetenz in dieweitere Arbeit mit dem Sozialbericht einzubringen. Wirschlagen vor, Gespräche in den einzelnen Bereichen zuführen und gemeinsam mit der Thüringer Landesregie-rung Lösungsansätze zu erarbeiten. Denkbar wären Dis-kussionsrunden oder Foren mit einzelnen Ministerien,aber auch ressortübergreifende Sachdiskussionen, vor allemaber fordern wir eine öffentliche Anhörung zum Sozialbe-richt der Thüringer Landesregierung im Landtag."

Meine Damen und Herren, ich denke, vor allem deroben zitierte Abschnitt ist Anlaß genug, um den Antragder PDS-Fraktion in der - Drucksache 2/2523 - zu bera-

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ten und an den Ausschuß für Soziales und Sport feder-führend zu überweisen.

Präsident Dr. Pietzsch:

Danke, Frau Abgeordnete Beck. Ich eröffne damit dieAussprache. Es hat sich zu Wort gemeldet Herr Abge-ordneter Emde, CDU-Fraktion. Bitte.

Abgeordneter Emde, CDU:

Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordneten,der Sozialbericht wurde bereits mehrfach und sehr ausgie-big in den Ausschüssen dieses Landtags besprochen, und esgibt eine Drucksache, die sagt, dieses Thema ist abschlie-ßend behandelt. Abschließend natürlich nur insoweit, alsFragen der sozialen Belange ständig Gegenstand der Bera-tungen im Landtag und innerhalb der Landesregierungsind, um natürlich auf alle aktuellen Entwicklungen rea-gieren zu können und zu agieren. Dies geschieht immer,und so auch in der Erarbeitung bzw. auch in der Fortschrei-bung des Sozialberichts unter Einbeziehung der beteiligtenTräger, Verbände etc. Das heißt, wir brauchen auch keineweitere Anhörung, wie in diesem Antrag gefordert. DieMöglichkeiten von Exekutive und Legislative nutzend,agiert die Landesregierung auch mit den Ergebnissenaus dem Sozialbericht bei der Wahrung der sozialen Be-lange der Thüringer Bürgerinnen und Bürger. Aus dengenannten Gründen lehnen wir daher diesen Antrag ab.

Meine Damen und Herren, eines möchte ich noch be-merken: Primär höre ich aus diesem Antrag heraus sol-che Schlagworte wie "Diskriminierung", "Armut", "Ob-dachlosigkeit", "Armutsrisiken". Wahrscheinlich wollenSie den Menschen diese Horrorszenarien nach alter Pro-pagandamethode in die Köpfe reinhämmern, um dannals die roten Heilsverkünder das sozialistische Schlaraf-fenland hinzuzaubern. Ich sage Ihnen aber, mit Angstund Furcht kann kein Werk gelingen. In den schwerenZeiten ist es doch besser mit realistischem Optimismusan die Dinge heranzugehen, und das ist die richtige Me-dizin für die gebeutelten Leute, um die es ja wohl geht.

(Beifall bei der CDU)

Präsident Dr. Pietzsch:

Danke sehr, Herr Abgeordneter Emde. Als nächste hatsich zu Wort gemeldet Frau Abgeordnete Dr. Fischer,PDS-Fraktion. Bitte.

Abgeordnete Frau Dr. Fischer, PDS:

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Emde,ich kann nur hoffen, daß wirklich Betroffene Sie jetztnicht gehört haben.

(Beifall bei der PDS)

In den letzten Tagen waren so spektakuläre Schlagzeilenwie: "Die Lunte brennt", TLZ vom 24.01.98, "Arbeitslosehalten nicht länger still", TLZ vom 24.01.98 oder "Immermehr Fälle von Sozialhilfe", TA vom 19.08.97 zu lesen. Ichhoffe doch, Herr Emde, Sie haben das auch gelesen. Undich hoffe, Sie gehen davon aus, daß diese Zahlen, die dortgenannt worden sind, die sind schlimm genug, richtig sind.Diese Titel haben auf die angespannte, explodierendesoziale Lage der Bevölkerung in Thüringen aufmerksamgemacht. Beweise dafür sind 232.000 Thüringer Arbeits-lose, davon 130.500 Frauen und davon 21.400 junge Men-schen bis zu 25 Jahren. Staatssekretär Schröder geht sogardavon aus, daß in diesem Jahr gar noch 35.000 Arbeits-lose in Thüringen hinzukommen könnten.

Meine Damen und Herren, skandalös sind die steigen-den Zahlen von sozialhilfebedürftigen Thüringer Bürge-rinnen und Bürgern. Allein Mitte 1997 erhöhte sich dieZahl der Sozialhilfeempfängerinnen in Thüringen um7.000 auf ungefähr 47.600. Aus den Sozialämtern derKreise sowie der kreisfreien Städte ist zu hören, daß dieZahl der Bedürftigen im Vergleich zum Vorjahr um einViertel gestiegen ist. Da sprechen Sie von Optimismus,Herr Emde? Hauptursache für Sozialhilfe ist der Verlustdes Arbeitsplatzes sowie zu niedrige Einkommen. Skan-dalös ist, daß Kinder bzw. die Geburt eines Kindes indiesem Lande schon zu Armut und Sozialhilfebedürftig-keit führen. Da lassen sich zahlreiche Beispiele anfüh-ren. Da brauchen Sie nicht zu lachen, Herr Emde, ich findedas sehr traurig. Damit leistet die Koalition in Bonn undErfurt quasi einen Offenbarungseid. Bezeichnend für eineGesellschaft ist immer, wie sie mit ihren schwächstenMitgliedern umgeht. 53 Prozent der Sozialhilfeempfän-ger sind unter 25 Jahre. Ihr Anteil an der Gesamtbevöl-kerung in Thüringen beträgt 28,3 Prozent. Kinder untersieben Jahren sind dabei überproportional betroffen. Wasdiese Fakten für Kinder und Jugendliche und ihre Zukunfts-chancen bedeuten, kann nur als verheerend bezeichnet wer-den. Ich bin Kinderärztin, ich kann Ihnen da wirklichaus meiner eigenen Praxis sehr viel erzählen.

(Beifall bei der PDS)

Skandalös ist auch, daß arbeitslose Menschen mit Be-hinderungen, die in der Warteschleife nach einem Arbeits-platz stehen, gleichzeitig wissen, daß das Land Thüringendie Beschäftigungspflicht für Schwerbehinderte 1996 bloßmit 3,1 Prozent erfüllte und sich mit 200 DM monatlichfreikauft, statt Arbeitsplätze zu schaffen.

Meine Damen und Herren, in der Einbringung unseresAntrags hat meine Kollegin, Frau Beck, bereits auf dasSchreiben der Landesarmutskonferenz hingewiesen. Andieser Stelle möchte ich allen Mitgliedern der Landesar-mutskonferenz sowie den Betroffenen, den Mitgliedernaus Vereinen und Verbänden im Namen meiner Frak-tion Dank sagen für die inhaltliche Auswertung des So-zialberichts sowie für die Ableitungen, und darum gehtes, konstruktiver Forderungen zur Veränderung der So-

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zialpolitik in Thüringen. Die PDS-Fraktion sieht es alsein Signal im Sinne der Erfurter Erklärung, wenn Be-troffene aus der sogenannten Zuschauerdemokratie her-austreten und den Versuch wagen, sich aktiv einzumi-schen und einzubringen. Aber das brauchen Sie wohlnicht, Herr Emde.

(Beifall bei der PDS)

Diesem Bemühen sollten wir hier alle in diesem Hausehohe Anerkennung zollen.

Meine Damen und Herren, in der Aussprache zum Sozial-bericht am 19.06.1997 hat Frau Arenhövel behauptet, daßdie Sozialpolitik im Lande besser bei der CDU aufgehobensei. Begründung: Sozialpolitische Ideen seien weder in denletzten Jahren entwickelt noch umgesetzt worden. Ich fragemich, wie sich das mit Ihrer Rede vereinbart, was FrauArenhövel hier gesagt hat. Eine Antwort auf diese Anma-ßung gibt die heutige soziale Situation in Thüringen. Sie istgekennzeichnet von Massen- und Langzeitarbeitslosigkeit,das läßt sich ja wohl nicht bestreiten, Armut und vor allemKinderarmut. Und wenn Sie dann im "Parlament" gelesenhaben, dann werden Sie auch wissen, was ich dazu gesagthabe - vielleicht gelesen haben. Armut in Deutschland istnicht immer sichtbar, da muß man schon genau hinsehen,Perspektivlosigkeit von Jugendlichen, eine anhaltende Ab-wanderung von Thüringer Bürgerinnen und Bürgern. DerGrundstein, Frau Arenhövel, allerdings, wurde dabei untereinem CDU-geführten Sozialministerium gelegt.

(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren, der Antrag der PDS-Fraktionhat vor allem aber auch unter dem Blickwinkel des inKraft getretenen Landeshaushalts 1998 seine Berechti-gung. Sie wußten doch über die angespannte soziale La-ge im Lande genau Bescheid und haben trotz besserenWissens einen Haushalt zusammengetrautvettert, derdieser Lage nicht angemessen ist.

(Beifall bei der PDS)

Die Folgen haben Sie zu verantworten. Nur einige Bei-spiele: Sie haben die Förderung von Familien auf Spar-flamme gedreht. Der Mittelansatz für die Unterstützungvon Familienurlaub ist viel zu niedrig angesetzt. Das hatsich das letzte Jahr auch schon gezeigt. Es wurden zu-sätzliche Gebühren für Personal in Horten eingeführt.Auch das trifft die Familien. Ganz zu schweigen von derMittelkürzung für ältere und kranke Bürger und Bürge-rinnen des Landes, also die Hilfe zur Pflege in Einrich-tungen. Der Thüringer Sozialbericht hat zumindest inden finanziellen Rahmenbedingungen keine Resonanzim Landeshaushalt 1998 gefunden.

Frau Ellenberger, an dieser Stelle sagen wir Ihnen auch,die Förderprogramme "Arbeit statt Sozialhilfe" oder dasFörderprogramm für Schwerbehinderte oder die ver-

schiedenen Förderinstrumente nach dem alten AFG ha-ben sich sicher für einige Betroffene als Hilfe erwiesen,aber all diese Programme konnten und können nicht diesoziale Misere im Lande beseitigen. Sie sind ein Trop-fen auf den heißen Stein und stellen auch keine Konzep-te für die Zukunft dar, keine Konzepte zur Beseitigungder Diskriminierung durch Arbeitslosigkeit.

Meine Damen und Herren, ja, der Erste Sozialbericht wurdevorgelegt und die Koalition kann ein Häkchen machen.Aber welche politischen Konsequenzen, welche Konzepteergeben sich für die Landesregierung aus diesem Bericht?Sozial- bzw. Armutsberichte werden sicher nicht um ihrerselbst willen erstellt, sondern sind aus unserer Sicht Grund-lage für konkrete Maßnahmen zur Veränderung der an-gespannten Situation. Genau dieser Aufgabe, konkreteSchlußfolgerungen zu ziehen, wurde diese Landesregierungbisher nicht gerecht. Ich muß sagen, ich habe selbst Aus-schußsitzungen miterlebt, da habe ich davon auch nichtsgehört. Antworten auf die brennenden Fragen, wie z.B. dasseit 01.01.1998 in Kraft getretene SGB III, sind durch dieLandesregierung nicht zu hören. Wie, Ministerin Ellen-berger, wollen Sie mit den neuen bzw. veränderten Instru-menten der Arbeitsförderung umgehen? Wie sind die Ant-worten der Landesregierung zu den geplanten und per Ge-setz auch durchzuführenden Lohnkostenzuschüssen, Trai-ningsmaßnahmen, Eingliederungsverträgen? Was unter-nimmt die Landesregierung, um die bisherigen Leistungs-bezieher über Veränderungen im Leistungsbezug, wie z.B.die Kurzzeitigkeitsgrenze, die Zuverdienstgrenze, die ver-änderte Anspruchsdauer sowie die Veränderungen im Be-rechnungsmodus, überhaupt zu informieren?

Meine Damen und Herren, fangen Sie endlich an, überKonzepte, wie z.B. die Einführung einer steuerfinanzierten,bedarfsorientierten Grundsicherung oder die Einführung ei-ner umlagefinanzierten Ausbildung nachzudenken, und vorallem diese zu realisieren.

(Zwischenruf Dr. Vogel, Ministerpräsident:Ist doch längst geschehen.)

Punkt 2 unseres Antrags geht davon aus - das kann schonsein, Herr Vogel, das halte ich für möglich -, daß in Vorbe-reitung o.g. Konzepte eine öffentliche Diskussion mit Ver-einen und Verbänden durchgeführt werden sollte. DieBetroffenen müssen einbezogen werden. Nutzen Sie dieKompetenz dieser Thüringer Bürgerinnen und Bürger beider Erarbeitung Ihrer Konzepte und lassen Sie sie nicht au-ßen vor, Herr Emde. Ein Sozialbericht muß mehr sein alseine Datensammlung. Das Hauptanliegen eines Sozial-berichts darf sich nicht darin erschöpfen, daß allgemeinzugängliche Daten zur sozialen Lage einer breiteren Öf-fentlichkeit vorgestellt werden. Ein Sozialbericht, derseinem Namen gerecht werden will, hat sogleich mit derAnalyse der sozialen Situation Schlußfolgerungen alsGrundlage sozialpolitischer Handlungsstrategien aufzu-zeigen. Wir fordern von Ihnen, konkrete Konzepte vor-

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zustellen, die der tatsächlichen sozialen Situation inThüringen gerecht werden.

(Beifall bei der PDS)

Ich bitte um Überweisung unseres Antrags an den Aus-schuß für Soziales und Sport federführend, um auf die-sem Wege eine intensive Diskussion einzuleiten.

(Beifall bei der PDS)

Präsident Dr. Pietzsch:

Danke sehr, Frau Abgeordnete Dr. Fischer. Als nächstehat sich zu Wort gemeldet Frau Abgeordnete Raber,Fraktion der SPD. Bitte.

Abgeordnete Frau Raber, SPD:

Herr Präsident, meine Damen und Herren, seit April 1997liegt der Erste Sozialbericht des Freistaats Thüringen nichtnur den Abgeordneten, sondern auch der Öffentlichkeit, d.h.allen Verbänden, Vereinen, den Gewerkschaften, allen, diesich dafür interessieren, vor. Dieser Bericht enthält sowohlumfassendes Analysen- und Datenmaterial über die Le-benslage der Thüringer Bevölkerung als auch Schlußfolge-rungen für die weitere Arbeit. Ich denke, mit diesem Be-richt ist es dem Sozialministerium gelungen, ein ausreichen-des, umfangreiches und gesichertes Datenmaterial allen In-teressierten und der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen.Es werden hier die Situationen und die Lebenslagen ver-schiedener Thüringer Bevölkerungsgruppen analysiert; erweist auch auf negative Entwicklungen hin und zeigt denNachholbedarf in den einzelnen Bereichen auf, wie z.B. imBehindertenbereich. Natürlich bringt so ein Bericht nichtnur positive Dinge hervor. Mir war schon von Anfang anklar, daß dieser Bericht auch viele negative Seiten unseresLebensalltags aufzeigen wird. Man müßte ja blind durchdas Land laufen, wenn man das nicht erwartet hätte. ZumGlück sind wir von Berichten, wie es sie zu DDR-Zeitengab und die massiv schöngefärbt wurden, weit entfernt.Diese Zeiten sind hoffentlich für immer vorbei. Ich bin des-halb froh, daß uns mit dem Ersten Sozialbericht nicht nurein solides Zahlenmaterial vorliegt, was als Grundlage fürdie weitere praktische Arbeit genommen werden kann, son-dern auch erste Schlußfolgerungen, unter anderem für denZweiten Sozialbericht, gezogen werden können. Ich ver-weise hier z.B. auf den Teil 6.4.6 Fazit zur sozialen Lageälterer Menschen - notwendige Entwicklung bei den altenBeratungsstellen. Wer dies und den Haushalt 1998 auf-merksam vergleicht, kann sehen, daß durch die Landesre-gierung die Weichen richtig gestellt wurden. Ich denke da-bei z.B. aber auch an den Jugendbereich, Behinderten-bereich oder auch an die Familienförderung. Es bedarfwirklich nicht der Mahnung durch die PDS nach Kon-zeption. Die PDS hat doch nur ein Konzept, durch dasLand zu ziehen und allen alles zu versprechen.

(Beifall Abg. Schwäblein, CDU)

Wir müssen langfristige Konzepte so anlegen, daß auchnotwendiges, kurzfristiges Reagieren möglich ist undwollen keinen zentralen Fünfjahrplan erarbeiten. Bild-lich gesprochen meine ich das. Es darf nicht wie frühersein, wenn unversehens ein Winter einbricht und eineSchneeflocke fliegt, daß dann das Chaos im Land aus-bricht. Ich bin der Meinung, mit ihrem Antrag will diePDS wieder einmal durch Populismus auf sich aufmerk-sam machen. Konkrete, d.h. heißt auch in der Praxisdurchführbare Vorschläge, wie sie Armutsrisiken, Ar-mut und Obdachlosigkeit oder die Arbeitslosigkeit ver-hindern oder beseitigen wollen, haben sie hier noch mitkeinem Antrag eingebracht.

(Beifall Abg. Frau Arenhövel, CDU)

Es bleibt jeder Fraktion, jeder Partei unbenommen, sichmit den von Ihnen genannten Vereinen und Verbändenzu konsultieren, auszutauschen bzw. zusammenzuarbei-ten. Ebenso steht das Sozialministerium im ständigenKontakt mit der Liga und ihren Verbänden. Nach den erstenausgiebigen Beratungen im Thüringer Landtag am 19. Ju-ni 1997 wurde beschlossen, daß der Erste Sozialbericht imAusschuß für Arbeitsmarkt und Gesundheit federführendund im Ausschuß für Soziales und Sport sowie im Gleich-stellungsausschuß weiterberaten werden sollte. Beim Lesender Ausschußprotokolle ist mir aufgefallen, daß die Vertre-terinnen der PDS-Fraktion kaum inhaltlich auf die einzel-nen Punkte des Sozialberichts eingegangen sind. Die ersteFrage ging insbesondere in die Richtung: Wann kommt derZweite Sozialbericht, was beinhaltet dieser, und wiesollte dieser aussehen, und wann ist die Anhörung zumErsten Sozialbericht? Das verstehe ich nicht unter einer in-haltlichen Arbeit. Ich denke, neben allen Dingen, die unbe-stritten noch verbesserungswürdig sind, zeigt der Berichtauch, welche Anstrengungen unternommen wurden, um diesozialen Schieflagen auszugleichen. Ohne diese Anstren-gungen seit 1989/90, und diese sind doch wohl in Konzep-ten und nicht nach dem Gießkannenprinzip erfolgt, hättenwir jetzt hier Zustände, wie in Bulgarien oder Rußland.

Der vorliegende Sozialbericht ist seiner Aufgabenstellunggerecht geworden. Er gibt genügend Ansatzpunkte, daß je-der, der will, seine Konzeptionen bzw. Strategien entwik-keln kann. Wir haben unsere Verbindungen und Kontak-te zu den von Ihnen, von der PDS genannten Vereinenund Verbänden und arbeiten mit ihnen eng zusammen.Wenn Sie von der PDS das nicht haben, dann müssenSie es innerhalb Ihrer Partei auswerten.

Zu Ihrem Punkt 1: Sie kommen zu spät. Wer den ErstenBericht abgibt, hat schon die ersten Ansatzpunkte und Kon-zeptionen auch für den Zweiten Bericht im Kopf. Das heißt,das Sozialministerium ist längst dabei, an dem Zweiten Be-richt zu arbeiten, der voraussichtlich auch Ende des Jah-res 1998 vorliegen wird. Befürwortet man einen solchenAntrag, würden wir bloß um des Populismus willen dasMinisterium beschäftigen. Hiermit begeben Sie sich von

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der PDS in die nationale Front mit gewissen CDU-Innenpolitikern. Meine Fraktion lehnt diesen Antrag ab.

(Beifall bei der SPD)

Präsident Dr. Pietzsch:

Danke sehr, Frau Abgeordnete Raber. Mir liegen keineweiteren Wortmeldungen - bitte sehr, Frau Ministerin.

Frau Ellenberger, Ministerin für Soziales undGesundheit:

Herr Präsident, meine Damen und Herren, bevor ich aufdie beiden Punkte des Antrags der Fraktion der PDS einge-he, möchte ich einige Vorbemerkungen machen. Die Zah-len und Daten, die im Ersten Sozialbericht des FreistaatsThüringen von der Landesregierung vorgelegt wurden,bilden für diejenigen, die sich mit den jeweiligen Fach-gebieten im Rahmen ihrer Zuständigkeit befassen, ganzunabhängig von ihrer Veröffentlichung, eine Basis fürdie Arbeit der Landesregierung. Selbstverständlich ist diePolitik der Landesregierung und insbesondere die meinesHauses darauf gerichtet, die Entstehung sozialer Problem-lagen nach Kräften zu vermeiden, zu ihrer Beseitigungbeizutragen oder zumindest zu helfen, die Auswirkun-gen und Folgen für die Betroffenen zu mildern. Zu denfatalen Folgen der hohen Arbeitslosigkeit wurde in die-sem Hause schon vieles gesagt. Der Landeshaushalt fürdieses Jahr, den Sie vor wenigen Wochen verabschiedethaben, zieht für das Engagement des Landes in finan-zieller Hinsicht Grenzen. Dieser ganze Hintergrund istIhnen bekannt. Ich möchte daher für die Landesregie-rung auf den Antrag folgendes erwidern:

Meine Damen und Herren, ich gehe bewußt nicht aufden Antrag im einzelnen ein, weil er seinem Wortlautnach von einer Verkehrung der Notwendigkeiten aus-geht, von der ich mich deutlich distanziere.

(Beifall Abg. Emde, CDU)

Aufgabe von Politik ist es vor allem, die Ursachen vonArmut, Obdachlosigkeit und Arbeitslosigkeit zu beseiti-gen und sich natürlich dann auch um die von sozialenNotlagen Betroffenen zu kümmern. Die Bekämpfung derdamit ohne Zweifel verbundenen Diskriminierung würdeerst dann zur vorrangigen Aufgabe, wenn man bei der Be-kämpfung der Ursachen resigniert hätte. Hierfür habe ich,trotz der allen bekannten nicht hoffnungsfroh stimmen-den wirtschaftlichen Daten, keinerlei Anlaß. Ein Grunddafür ist z.B. die Tatsache, daß auch im Haushalt 1998die Mittel für den öffentlich geförderten Arbeitsmarktwiederum erhöht werden konnten. Aus diesen Mittelnkönnen die von Ihnen, Frau Dr. Fischer, angesproche-nen Schwerbehindertenprogramme oder die Programmefür die Eingliederung von Jugendlichen in das Arbeits-leben finanziert werden, jeweils modifiziert entspre-chend den sich laufend ändernden Gegebenheiten.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung hat denSozialbericht der Öffentlichkeit vorgelegt. Wir haben anDiskussionen darüber teilgenommen, und uns haben Zu-schriften erreicht, die sich auch kritisch mit Vorschlägenmit dem Bericht auseinandersetzen. Mein Haus steht mitfast allen im Antrag aufgezählten Verbänden in engem,kontinuierlichem, besonders fachlichem Kontakt, so daßderen Vorstellungen, Anregungen und Vorschläge stetsaufs neue in die Arbeit einfließen. Ich schlage Ihnen,meine Damen und Herren, daher vor, den Antrag abzu-lehnen.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Präsident Dr. Pietzsch:

Danke sehr, Frau Ministerin. Mir liegen jetzt keine wei-teren Wortmeldungen vor. Ich schließe die Aussprache.Es war Ausschußüberweisung an den Ausschuß für So-ziales und Sport beantragt worden. Weitere Ausschuß-überweisungen werden nicht gewünscht.

Dann kommen wir zur Abstimmung über die Ausschuß-überweisung. Wer diesen Antrag der Fraktion der PDSin der - Drucksache 2/2523 - an den Ausschuß für So-ziales und Sport überweisen möchte, den bitte ich umdas Handzeichen. Danke sehr. Gegenstimmen? KlareMehrheit. Enthaltungen? Keine. Danke sehr. Die Aus-schußüberweisung ist abgelehnt.

Wir kommen damit zur Abstimmung über den Antragder Fraktion der PDS in der - Drucksache 2/2523 -. Werdiesem Antrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich umdas Handzeichen. Danke sehr. Gegenstimmen? Dankesehr. Stimmenthaltungen? Keine. Damit ist dieser An-trag mit Mehrheit abgelehnt, und ich schließe den Ta-gesordnungspunkt 10.

Ich komme zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 11

Thüringer Positionen zu HRG-Novellierung und BAföG-ReformAntrag der Fraktion der PDS- Drucksache 2/2549 -

Der Antrag wird begründet durch den Antragsteller. DieBegründung übernimmt Frau Abgeordnete Dr. Fischer.

Abgeordnete Frau Dr. Fischer, PDS:

Herr Präsident, meine Damen und Herren, die Abgeord-neten der PDS-Fraktion im Thüringer Landtag haben,sicherlich wie viele Politiker anderer Parteien ebenfalls,in den letzten Monaten zahlreiche Forderungskataloge vonprotestierenden Studenten übermittelt bekommen. Diesestudentischen Forderungen erwuchsen aus großer Sorge umdie Entwicklung unseres Landes, insbesondere aber aus derSorge um die Ausbildung und Zukunft der akademischenJugend selbst. Zwar haben fast alle Politiker - eine Ausnah-

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 72. Sitzung, 29. Januar 1998 6381

me bildet Peter Glotz, der den Studenten Albernheit vor-warf - ihr Verständnis geäußert, aber politisches Handelnzur Änderung der Situation unterblieb. Die Bonner Än-derungen am Bundesausbildungsförderungsrecht warenso minimal, daß sie als Verhöhnung begriffen werdenmußten.

(Beifall Abg. Frau Nitzpon, PDS)

Um endlich politisches Handeln zu befördern, formu-lierten wir den vorliegenden Antrag. Er berücksichtigt,daß es in der Hochschulpolitik sowohl Zuständigkeit derLänder als auch des Bundes gibt. Er konzentriert sichzugleich auf Kernfragen, die bei der Novellierung desHochschulrahmengesetzes und der Länderhochschulgesetzegelöst werden müssen, ohne Vollständigkeit anzustreben.Die dargestellten Positionen haben Kompromißcharakterund sind deshalb mehrheitsfähig. Unterstützung finden siedurch: Freier Zusammenschluß von Studentinnenschaften,Dachverband der AStA, UStA und Studentinnenräte, Bunddemokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler,die Sprecherinnen der Bündnisgrünen hochschulpolitischenBundesarbeitsgemeinschaft, die Juso-Hochschulgruppen,den Bundesausschuß der Studentinnen in der GEW sowiedie Hochschulgruppen der PDS. Der Antrag ist auch zeit-lich dringlich, da beispielsweise in der nächsten Wocheder entsprechende Fachausschuß des Bundestags berätund in der nachfolgenden Woche im Bundestag zur Hoch-schulrahmengesetznovellierung die zweite und dritte Le-sung stattfindet. Unklar, aber nicht ausgeschlossen ist, daßsich auch der Bundesrat mit der Materie befassen muß. DieFraktion der PDS hält eine Debatte zum vorliegenden An-trag heute für erforderlich. Den Zeitdruck habe ich bereitserwähnt. Eine Ausschußüberweisung ist aus Zeitgrün-den ausgeschlossen.

(Beifall bei der PDS)

Präsident Dr. Pietzsch:

Danke sehr, Frau Abgeordnete Dr. Fischer. Ich eröffnedamit die Aussprache. Zu Wort hat sich gemeldet HerrAbgeordneter Enkelmann, SPD-Fraktion. Bitte.

Abgeordneter Enkelmann, SPD:

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren,meine sehr verehrten Kollegen von der PDS, Ihr Antragkommt, aber er ist nicht nötig, denn es dürfte Ihnen un-schwer entgangen sein, daß seitens der Landesregie-rung, und hier im besonderen durch den Wissenschafts-minister, egal ob es das BAföG, die Studiengebühren,die schwerwiegenden Probleme beim Hochschulneubauoder was auch immer Sie wollen, vehement in diesemSinne vertreten werden, wie er scheinbar auch in diesemHaus in vielen Punkten Konsens ist. Sie wissen, daß dieLandesregierung die BAföG-Regelung, wie sie jetzt ge-troffen worden ist, nicht in dem Maße unterstützt, daßsie behauptet, das ist das Nonplusultra, sondern das ist

ein Kompromiß; und aus meiner Sicht, ähnlich wie Siedas beurteilen, ein schlechter, aber besser als keiner. DieLandesregierung, sonderlich der Wissenschaftsminister,lehnt strikt Studiengebühren ab. Es gibt hier das vehementeund lange Bemühen, Deutschland einheitlich mit einemVerbot von Studiengebühren auszustatten, weil uns allenbewußt ist, wenn dieses nicht passiert, wenn in diesemHochschulrahmengesetz eine Aufweichung der Studien-gebührenproblematik möglich wird, dann gibt es nichtmehr gleiche Bedingungen in Deutschland beim Stu-dium, und dann wird ein Ländergefälle alles andere alsproduktiv für die Entwicklung der Hochschullandschaftin Deutschland wirken. Nein, dieser Wissenschaftsmini-ster tritt vehement dafür ein, daß ein generelles Verbotvon Studiengebühren etabliert wird.

(Zwischenruf Dr. Birkmann, Staatssekretär:Aber nicht der Finanzminister.)

Ach wissen Sie, bei dem Finanzminister würde ich niefragen, ob Sie das nicht wollen, diese Frage ist umsonst,Herr Staatssekretär. Es ist klar, daß Sie das so natürlichnicht wollen, aber der Fokus eines Finanzministers aufGeld ist doch lange nicht ein hinreichender Grund, zusagen, daß er für Studienfinanzierungen und sonderlichfür Studiengebühren kompetent ist an der Stelle, weil erja nicht im Fokus hat, wie der Hochschulzugang so ge-währleistet wird, daß er die Zukunft des Landes garan-tiert. Also auch Ihr Vorstoß vor Weihnachten war allesandere als ein Weihnachtsgeschenk.

(Zwischenruf Dr. Birkmann, Staatssekretär:Sollte es auch nicht sein.)

(Beifall bei der PDS)

Darüber würde ich jetzt gar nicht reden wollen, sondernnoch einmal für meine Fraktion und für diesen Ministerfeststellen, daß Studiengebühren jetzt und so, wie Siedie vorstellen wollen, alles andere als produktiv sind.Wir haben ein Modell zur Finanzierung des Studiums,das BAföG, das alles andere, aber nicht Studiengebüh-ren zuläßt, nämlich damit die Verunsicherung noch grö-ßer macht, daß der Zugang zum Studium denen möglichist, die die Fähigkeiten und nicht nur die reichen Elterndazu haben.

(Beifall bei der SPD)

Und Sie haben die Gnade der westlichen Geburt, Siewissen, daß wir hier in diesem Land genügend Restrik-tionen hinter uns haben, was der begrenzte Zugang zumStudium ist. Wenn es heute dazu kommt, daß sonderlichin Ostdeutschland Studenten aus Gründen der Studien-gebühren nicht in die Lage versetzt werden zu studieren,dann ist das so etwas von volkswirtschaftlich schädlich,wie man es sich nicht größer vorstellen kann. Denn dasist unser zukünftiges Kapital - das Wissen und Vermö-gen der Absolventen unserer Hochschulen. Sie werden

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neue Arbeitsplätze schaffen, sie werden diese Gesell-schaft hoffentlich weiterentwickeln. Und wer solch eineBarriere aufbaut, der vergeht sich an der Zukunft diesesLandes, aber auch dieser Republik.

(Beifall bei der SPD, PDS)

Und weil wir nun mal schon beim Finanzwesen sind, Siehaben mir das Stichwort gegeben, Sie dürfen sich jetzt nichtbeschweren, das gleiche gilt für den Hochschulneubau.Wenn wir den den Finanzministern überlassen, dann wirdes weiterhin katastrophal an unseren Hochschulen zuge-hen. Es ist eine grundgesetzliche Pflicht dieser Bundes-republik, die Lasten im Hochschulbau mitzutragen. Daßsie es nicht tut, das ist nicht mehr Unvermögen, das istaus meiner Sicht Vorsatz und gefährdet die Entwicklungder Hochschulen in Deutschland. Deswegen, meine sehrverehrten Damen und Herren von der PDS, lassen Siesich davon überzeugen, daß in dieser Landesregierungauch die Anliegen, die Sie hier von den Studenten zu-sammengeschrieben haben, in guten Händen sind unddaß es überhaupt nicht wahr ist, daß hier nicht auf dieForderung der Studierenden reagiert worden ist. Wahrist allerdings, daß diese Landesregierung schon vor denProtesten eine solche Intention vertreten hat und in die-sem Sinne aktiv geworden ist.

Gestatten Sie mir zum Rektor der Erfurter Universitäteinen kleinen Nebensatz: Professor Glotz vertritt aus derSicht eines Rektors mit gewissem Verständnis von mei-ner Seite die Forderung, Studiengebühren zu haben.

(Zwischenruf Abg. Dr. Zeh, CDU: Vorherschon.)

Ja, vorher auch schon, aber er vertritt es, nachdem er sichjahrelang die Zähne ausgebissen hat, als Hochschulpolitikerdie Finanzierung von Forschung und Hochschulen auf bes-sere Beine zu stellen. Und wenn jemand mit dieser jahre-langen Erfahrung zu diesem Schluß kommt, weil er sagt,letztendlich ist die Entwicklung der Wissenschaft wichtiger,dann kann ich das diesem Herrn nachsehen, aber er istnicht mehr politisch aktiv in dem Sinne, daß er die Lan-desregierung beeinflußt, sondern er ist als Rektor aktivund eine Stimme unter vielen. Deswegen wird Ihr An-trag nicht nötiger.

In diesem Sinn bitte ich Sie herzlich, unterstützen Siedie Bemühungen der Landesregierung, aber versuchenSie nicht den Eindruck zu erwecken, daß auch dieser An-trag solche Bemühungen ins Leben ruft. Vielen Dank.

Präsident Dr. Pietzsch:

Danke sehr, Herr Abgeordneter Enkelmann. Es hat sichals nächste zu Wort gemeldet Frau AbgeordneteDr. Klaubert, PDS-Fraktion. Bitte.

Abgeordnete Frau Dr. Klaubert, PDS:

Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordneten,Herr Enkelmann, ich wäre natürlich froh, wenn es einenbreiten Konsens gäbe zu den Positionen, die in unseremAntrag in der - Drucksache 2/2549 - aufgeschrieben sind,und wenn dann die Stimme des Wissenschaftsministersnicht eine unter vielen wäre, die dann tatsächlich eine sol-che Reform in der Hochschullandschaft in Deutschland be-fördern würde. Aber weil das oft ganz anders ist und auchganz anders aussieht, haben wir diesen Antrag eingebracht.Und wenn Sie genau nachlesen, werden Sie wiederfin-den, daß wir die Landesregierung auffordern, im Bundes-rat, bei Beratungen der Regierungschefs von Bund undLändern sowie der für Wissenschaft und Hochschulen Ver-antwortung tragenden Minister darauf hinzuwirken, daß fol-gende Positionen verwirklicht werden. Und damit richtetsich der Antrag natürlich nicht nur an den Wissenschaftsmi-nister, sondern an die Landesregierung als Ganzes. Deswe-gen auch einige grundsätzliche Bemerkungen noch zu die-sem Thema.

Ich erinnere doch noch einmal daran, daß, als die Öf-fentlichkeit des Landes viele tausende Studentinnen undStudenten mit Kundgebungen und Demonstrationen, mitgeistreichen und mit witzigen Forderungen, aber natür-lich auch ernstgemeinten Forderungen auf die Straßetrieb, plötzlich eine überwiegend freundliche Zustim-mung aller Beteiligten zu verzeichnen war.

(Beifall Abg. Frau Nitzpon, PDS)

Die Politiker meinten, selbst die Notwendigkeit zu erken-nen, daß Hochschulen und Universitäten zu reformierenseien, und manchmal erschien es so, als ob sie sich an dieSpitze der Demonstrationszüge gleich selbst stellen wollten,allen vorweg unser aller Bundeskanzler. Aber nicht nur beiden Studierenden schwand der Elan, wenngleich am gestri-gen Tag sowohl in Jena die Proteste wieder deutlich wur-den als auch bei der Vergabe des Forschungspreises fürThüringen der Rektor der Technischen Universität Ilmenauin Richtung Haushaltsvollzug 1998 einige mahnende Worteansprach. Man hat trotzdem den Eindruck, daß der Elannachgelassen hat und daß vor allem der Elan der Politikernachgelassen hat, tatsächliche grundlegende Reformierun-gen anzugehen, die die deutsche Hochschullandschaft be-treffen. Man könnte es auch anders sagen: Man spitzte zwarden Mund, aber am Ende hat man nicht gepfiffen.

(Beifall bei der PDS)

Was als Reförmchen auf den Weg gebracht wird, liest sich,wenn man es genauer betrachtet, leider wie Hohn. Dennwas anderes kann man zur geringen Erhöhung des BAföGdurch seine 19. Novelle sagen oder dazu, daß die Hoch-schulrahmengesetznovelle so dürftig ist, daß sie von derMehrheit der Studierenden eben abgelehnt wird? Und da-bei, muß man sagen, kann man die Proteste nicht darauf re-duzieren, daß der Wissenschaftsminister des Landes Thü-

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ringen hier etwas gesagt hat oder daß in der Öffentlichkeitdie eine oder andere Meinung verkündet wird. Dazu, mußman sagen, braucht es grundlegende Positionen der für dieentsprechende Novellierung verantwortlichen Politiker.Trotz der Notwendigkeit grundlegender Reformen imHochschulbereich sind die Bonner Politiker von CDU undCSU, leider mit Zustimmung der SPD, nur zu allerkleinstenSchritten bereit. Wieder, so scheint es, werden Chancenzum Nachteil der akademischen Jugend und der Zukunftdes Landes verpaßt, und hier, Herr Abgeordneter Enkel-mann, stimme ich Ihnen in all dem zu, was Sie zur grundle-genden Reformierung der Studienfinanzierung gesagthaben. Ich kann nur sagen, hoffentlich wird das mehr-heitsfähig.

(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren, die heutige Debatte zu Hoch-schulproblemen nimmt auch einen ganz spezifischen Platzein. Sie findet nach der Verabschiedung des Landeshaus-halts 1998 für den Freistaat Thüringen statt und kurz vorder Verabschiedung der HRG-Novelle und auch kurz vorder Verabschiedung - oder anders gesagt - kurz vor der Än-derung des Thüringer Hochschulgesetzes. Prägend werdenalso die engen finanziellen Grenzen des Landes sein und dieminimalen oder auch verfehlten Reformansätze in den Ent-würfen der Änderungsgesetze. Obgleich ein landtagsreiferEntwurf eines geänderten Thüringer Hochschulgesetzesnicht vorliegt, zwingt das nicht dazu, die hier zu regeln-den Probleme auszuklammern. Gleichwohl kann die Be-ratung des Thüringer Hochschulgesetzes natürlich nichtvorgezogen werden, aber generelle Bemerkungen sindin dieser Debatte zu erwarten. Obwohl vielleicht dieThese von der Stärkung der Autonomie der Hochschu-len breite Zustimmung finden könnte, wir haben dasauch in unserem Antrag festgehalten, muß man feststel-len, es tut sich kaum etwas, was zur Stärkung der Auto-nomie der Hochschulen führt. Bedenkt man, wie vielfäl-tig und zahlreich die externen Eingriffe in die Entschei-dungen der Hochschulen sind, fragt man sich sowieso,warum da überhaupt noch von Autonomie gesprochenwird. Ein Ausbau der Hochschulautonomie ist, sollen dieHochschulen mit größerer eigener Verantwortung und Ini-tiative ihre Aufgaben in die Gesellschaft einbringen, nichtzu umgehen. Stärkung der Autonomie der Hochschulen be-deutet weniger staatliche Reglementierung, was übrigensdem Artikel 5 Abs. 3 des Grundgesetzes entspräche. Nochkonkretisiert das Thüringer Hochschulgesetz nicht die Au-tonomie, sondern beschränkt sie. Das, was gegenwärtig anReformvorstellungen existiert, glossiert Peter Glotz, undich sage leider, zutreffend mit den Worten: "In den No-vellierungsentwürfen für die Hochschulgesetze der Län-der stehen neben 20 Deregulierungen in der Regel 80neue Regulierungen."

Meine Damen und Herren, aber nicht nur die Landeshoch-schulgesetze sind von Bedeutung. Wie sollen Hochschulenvernünftig und sparsam mit dem Geld umgehen, so frageich, wenn ständig Eingriffs- und Steuerungsinstrumente in

den alltäglichen Haushaltsvollzug eingreifen. Da gibt esSperren bei den Ansätzen für sächliche Verwaltungsausga-ben, Sperren bei den Ansätzen für Baumaßnahmen und In-vestitionen, Stellenbesetzungs- und Beförderungssperren,Stellenstreichungen, Zustimmungsvorbehalte usw. Es hatmal einer auf die Formel reduziert, am Ende muß wegen je-dem Bleistift nachgefragt werden, ob dieser noch anzu-schaffen ist. Ich kenne kein Jahr ohne diese oder andereEingriffe. Anreize für Einsparungen unter Effizienzge-sichtspunkten, die die Eigenverantwortlichkeit der Hoch-schulen im Umgang mit den ihnen übertragenen Mittelnstärken könnten, werden auf diese Weise nicht erreicht.Nun gibt es ja in Thüringen die sogenannte Experimentier-klausel oder Experimentiererlaubnis, die sowohl für dieUniversität Erfurt als auch für die Bauhaus-Universität an-gesetzt wurde. Aber erstens, auch diese ist eng gestaltet, undzweitens fehlt es offenbar am Willen zur Ausdehnung desExperiments auf andere Hochschulen. Die Erweiterung derDeckungsfähigkeit und Übertragbarkeit ist einfach zu ge-ring, und die Möglichkeit der Hochschulen zur Selbstbe-wirtschaftung müssen ausgebaut werden. Die Entmachtungder kollektiven Leitungsgremien der Hochschulen und ih-re Ersetzung durch starke Dekane oder den Rektor selbstbeschädigen nur die Hochschuldemokratie, bringen aber fürdie Hochschulautonomie nichts. Ich hatte das schon in dieDebatte im Wissenschaftsausschuß eingebracht.

Meine Damen und Herren, unser Antrag will keine Lö-sung der angestauten Probleme vorschreiben. Er ist of-fen für die besten Lösungen, die gemeinsam mit denHochschulangehörigen, und zwar allen Hochschulange-hörigen, gefunden werden müssen. Sein Ziel ist, das ge-be ich zu, natürlich begrenzt, aber das Ziel ist notwendigzu formulieren. Man muß weit über das hinausgehen, wasin den bekanntgewordenen Gesetzentwürfen, ob das vonder Bundes- oder Landesregierung vorgetragen wurde, an-gesprochen wird. Diese Verantwortung will der Antrag un-terstreichen und befördern, und ich meine, wir müßtenzur Einigung kommen, daß eine echte Hochschulreformnotwendig ist.

(Beifall bei der PDS)

Präsident Dr. Pietzsch:

Danke sehr, Frau Abgeordnete Dr. Klaubert. Als näch-ster hat sich zu Wort gemeldet Herr AbgeordneterHöpcke, PDS-Fraktion. Bitte.

Abgeordneter Höpcke, PDS:

Herr Präsident, meine Damen und Herren, manche habenvon den studentischen Protesten des Herbstes 1997 nurzwei Forderungen wahrgenommen - erstens: Verbot vonStudiengebühren, zweitens: Veränderung der Höhe und derBedingungen für Zahlungen nach Bundesausbildungsförde-rungsgesetz, BAföG. Von beiden wird hier heute noch zureden sein. Das sind ganz wichtige Punkte. Es ging undgeht den Studierenden und vielen ihrer akademischen Leh-

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rer aber auch um mehr, um Grundsätzliches. Sie sehen, wieseitens der Bundesregierung versucht wird, die Hochschu-len vorrangig nach betriebswirtschaftlichen Regeln "fit fürdie Zukunft", wie es heißt, machen zu wollen. Qualitativewissenschaftliche Maßstäbe sollen durch quantitativeMarktmechanismen ersetzt werden. Humboldts Universi-tätsidee bliebe auf der Strecke. Daß sich Studierende bei ih-ren Streiks und den anderen Protestformen auch zu diesenVersuchen ins Verhältnis gesetzt, sie diskutiert und abge-lehnt haben, macht die gesellschaftliche Tragweite der stu-dentischen Aktionen aus. Mit den im Antrag der PDS-Frak-tion "Thüringer Positionen zu HRG-Novellierung undBAföG-Reform" enthaltenen Vorschlägen wird angestrebt,dieser Tragweite gerecht zu werden. Dabei verdienen be-sondere Aufmerksamkeit Überlegungen zur Demokratie,hier dazu, wie die Hochschuldemokratie auch im Sinne de-mokratischer Beratungs- und Entscheidungsvorgänge inner-halb der Universitäten und Hochschulen entwickelt werdenkann. Wir stimmen mit denen überein, die meinen, in ei-ner demokratischen Hochschulreform müsse erreicht wer-den, daß auch die Hochschulmitglieder, die derzeit fast völ-lig vom Entscheidungsprozeß ausgeschlossen sind, gleich-berechtigt und institutionell gesichert an der Gestaltung ih-rer Studien-, Arbeits- und Forschungsbedingungen beteiligtwerden. Ich nenne Ihnen einige wenige Punkte, an denenablesbar ist, wie das bewerkstelligt werden könnte.

1. Die verfaßte Studierendenschaft ist im HRG festzu-schreiben, und zwar angelegt als Körperschaft des öf-fentlichen Rechts. Sie sollte mit politischem Mandatausgestattet sein, des weiteren mit Beitrags- und Finanz-hoheit sowie Satzungsautonomie. Das entspräche denheutigen Erfordernissen selbstbestimmten Wirkens derStudierenden, ihrer sinnvollen Übung in der Wahrneh-mung demokratischer Rechte und Pflichten während derStudienzeit.

2. In Universitäts- und Hochschulgremien sollte die Pro-fessorenmehrheit auf die vom Bundesverfassungsgericht1973 geforderten Entscheidungsgegenstände - ich darfzitieren: "... alle Belange, die unmittelbar Lehre, For-schung und künstlerische Entwicklungsvorhaben betref-fen" - begrenzt werden. Für Entscheidungen, die nichtder Professorenmehrheit bedürfen, z.B. Haushaltsangele-genheiten, sollten Gremien eingerichtet werden, die entspre-chend den sachlichen Anforderungen besetzt werden, z.B.Lehr- und Studiumskommissionen zur Hälfte mit Studie-renden.

3. Von dem Gremium, das die Grundordnung beschließt,meinen wir in Übereinstimmung mit vielen Hochschulange-hörigen, es müsse viertelparitätisch besetzt sein, aus Hoch-schullehrern (Professoren, Oberärzten, Oberingenieuren,Oberassistenten, akademischen Musikdirektoren, hauptamt-lichen und hauptberuflichen Lektoren und Studienleitern),wissenschaftlichen Mitarbeitern (Assistenten, abgeordnetenLehrern und sonstigen hauptamtlich in Forschung und Leh-re Tätigen, vollbeschäftigten wissenschaftlichen Hilfskräf-ten mit abgeschlossenem Studium), Studierenden und den

sogenannten sonstigen Mitarbeitern (den an den Hoch-schulen tätigen Beamten, Angestellten und Arbeitern,die nicht Hochschullehrer oder wissenschaftliche Mitar-beiter sind). Für jede einzelne dieser vier Gruppen sollteein bindendes Gruppenveto vorgesehen werden, wo-durch Regelungen zu Lasten einer der Gruppen aus-schließbar wären.

4. Für die Wahlen von Hochschulleitungen schlagen wirvor, daß sie direkt nach dem Prinzip "Ein Mensch - eineStimme" erfolgen.

Eine Demokratisierung der inneren Hochschulstrukturenmüßte außer den genannten vier Punkten auch die Be-ziehungen zwischen den Beratungs- und Entscheidungs-gremien auf der einen Seite und den mit exekutivenAufgaben betrauten Rektoren und Dekanen auf der an-deren Seite betreffen. Vermieden werden müssen Ver-änderungen, die etwa darauf hinauslaufen würden, daßHierarchisierung, Privilegierung, Monopolisierung undPartikularisierung zunehmen und verfestigt werden, alsoOrdnungsprinzipien, die zum Normensystem der Wis-senschaft eher im Widerspruch stehen, weil sie ihm ab-träglich sind. Auszuweiten und zu stärken dagegen sindEgalität, Mobilität, Pluralismus und Transparenz - Ord-nungsprinzipien, die den Wissenschaften gemäß sind.

Universitäten und Hochschulen, an denen nach denGrundsätzen der Egalität und Mobilität, des Pluralismusund der Transparenz geleitet und gearbeitet wird, begünsti-gen die Verwirklichung eines Bildungsbegriffs, Bildung alsBestandteil und notwendige Voraussetzung für die Emanzi-pation des einzelnen Menschen und der gesamten Gesell-schaft begreift. So wird als Aufgabe von Studium ver-standen, daß die Studierenden befähigt werden und sichbefähigen, die gesellschaftliche Praxis, darunter die in-stitutionalisierte Wissenschaft umfassend und kritischzu hinterfragen, um so zu ihrer Gestaltung und Verände-rung beizutragen. Im Ausbau von Hochschuldemokratie, inder Demokratisierung der Beratungs- und Entscheidungs-vorgänge an den Universitäten sehen wir nicht zuletzt eineder entscheidenden Chancen, die Teilung des Bildungssy-stems in "Wissenschaft" und "Beruf" oder "Theorie" und"Praxis" zu überwinden. Das ist eine verderbenbringendeTeilung, die zu den Ursachen der globalen Krisen und Ge-fahren der Gegenwart gehört, da in ihrem Gefolge diejeni-gen, die für die Gewinnung von Erkenntnissen verantwort-lich sind, von denjenigen getrennt werden, die sie anwen-den oder ihre Anwendung hintertreiben. Hochschuldemo-kratie erfordert erweiterte Mitbestimmung aller Hochschul-angehörigen. Diesem Gedanken sollte das Hochschulrah-mengesetz Rechnung tragen. Eine Novellierung, in der einKernpunkt darauf hinausliefe, hätte Sinn. Wer das versteht,wird unserem Antrag zustimmen.

(Beifall bei der PDS)

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 72. Sitzung, 29. Januar 1998 6385

Präsident Dr. Pietzsch:

Danke sehr, Herr Abgeordneter Höpcke. Als nächsterhat sich Herr Abgeordneter Zeh zu Wort gemeldet. Bitteschön.

Abgeordneter Dr. Zeh, CDU:

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren,Frau Abgeordnete Klaubert und Herr Höpcke, Sie habensich auf die Streiks und Studentendemonstrationen bezo-gen. Ich glaube, daß wir uns aber darin einig sind, daßdie Gründe für die Streiks im Westen der Bundesrepu-blik doch um einiges anders sind als das, was wir hierals Gründe für Streiks gehört haben. Überfüllte Hörsäle,überforderte Betreuer, lange oder keine Labortermine,lang hinausgeschobene Prüfungen, alles das - denke ich -ist bei uns nicht Realität. Wenn ich die Diskussion richtigverfolgt habe, dann ging der größte Teil der Diskussion mitden Studenten um die Frage nach Studiengebühren, um dasBAföG; es ging da um die Frage, ob die Fachhochschulennun "disqualifiziert" werden bzw. gestutzt werden sollenauf den Abschluß "Bachelor". Das waren die Fragen derStudenten. Den Teil, den Sie aufgemacht haben, das ist eineWunschvorstellung, die ich so bei den Studenten nichterlebt habe. Dennoch meine ich, muß man darüber re-den. Ich will damit überhaupt gar nicht die Diskussionabwürgen, sondern ich wollte nur klarstellen, die Stu-denten hatten hier ganz andere Probleme.

Ich plädiere auch für folgendes, Herr Enkelmann: Ichglaube, es nützt nichts, wenn wir uns zwischen Bund undLändern gegenseitig den Schwarzen Peter zuschieben.

Präsident Dr. Pietzsch:

Herr Abgeordneter ...

Abgeordneter Dr. Zeh, CDU:

Am Ende bitte. Wenn ich zitieren darf, Herr Glotz hattedas ganz gut gesagt, daß 80 Prozent der Kompetenz zuden Hochschulen bei den Ländern liegt. Das heißt, daßwir einen erheblichen Teil zu verwirklichen haben vondem, was zu verwirklichen ist. Es macht keinen Sinn,immer nur auf den Bund zu zeigen.

(Beifall Abg. Frau Arenhövel, CDU)

Ich darf, meine Damen und Herren, generell sagen, daßfür die Fraktion der CDU dieser Antrag abzulehnen ist.Ich darf das an verschiedenen Punkten begründen.

1. Hier wird grundsätzlich verlangt, daß für Langzeitstu-denten oder Langzeitstudierende ein explizites Verbotfür die Einführung von Studiengebühren aufgenommenwerden soll. Ich halte das für nicht gut. Ich habe da einStudentenehepaar in Dresden im Auge, die waren neben ih-rem studentischen Dasein Besitzer und Betreiber einer

Kneipe. Nicht etwa weil sie das als Zubrot für ihr Studiumbrauchten, nein, das war einfach eine ganz fantastische Sa-che. Sie konnten alle Vorteile des studentischen Daseinsmitnehmen. Ich will damit nicht sagen, daß alle Studentenso etwas vorhaben, ich will keine generelle Diskriminie-rung der Studenten in diese Richtung vornehmen, aberich meine doch, daß wir diesen Auswüchsen vorbeugensollten. Deswegen meine ich, daß es unter bestimmten Um-ständen vernünftig ist, für Langzeitstudierende, wie es heißt,auch über Studiengebühren nachzudenken.

Sie haben in Punkt 2 Ihres Antrags gesagt, Sie brauchenund wollen mehr Autonomie bei den Hochschulen. FrauDr. Klaubert hat das sehr ausführlich dargestellt. Im näch-sten Satz kommt dann aber gleich die Einschränkung, daßSie den Rückzug des Staates aus der politischen Verant-wortung natürlich nicht wollen. Das ist schwierig. Wennich die Finanzautonomie will, wenn ich also mehr Ver-antwortung gerade im Bereich der Finanzen übertrage,dann ist natürlich völlig klar, welche Konsequenzen dashat. Dann werden wir als Abgeordnete uns eines Rechtsberauben, nämlich was wir immer als Königsrecht be-zeichnen, über das Budget der Hochschulen im Detailzu befinden. Wenn wir budgetieren, dann haben wir ei-nen Großteil Verantwortung an die Hochschulen über-geben und haben in diesem Bereich natürlich begrenzteEinflußmöglichkeiten, aber das ist so gewollt. Das heißtnicht, daß wir den Rückzug aus der Verantwortung da-mit im Auge haben, sondern daß wir mehr verantwortli-chen Umgang und mehr Autonomie bei den Hochschu-len wollen. Ich darf auf die anderen Punkte jetzt nichteingehen, ich glaube, das hat mein Kollege Häfner nochvor. Ich darf nur auf eines noch eingehen, was mir indiesem Antrag aufgefallen ist, die Frage, daß eine Min-deststudienzeit entkoppelt werden muß von der Norm des- ich kann es kaum aussprechen - Vollzeitpräsensstudieren-den. (Das ist ein schweres Wort, ich weiß nicht, derjenige,der das geschrieben hat, hat sich dabei sicher etwas ge-dacht.) Das halte ich für gefährlich. Ich halte es für ge-fährlich, wenn wir das grundsätzlich entkoppeln. Sie sa-gen hier weiter, daß diskontinuierliche Kombinationenvon Studienphasen vorgesehen sein müssen. Ich denke,umgekehrt müssen wir herangehen. Wir müssen ersteinmal eine Zeit festlegen, wie lange ein Studium zudauern hat, und danach können wir schauen, ob es Be-dingungen gibt, warum der eine oder andere aus sozia-len Gründen sein Studium verlängern muß. Das kannbei Schwangerschaft sein, das kann bei Erziehungsur-laub sein. Das macht Sinn, das wollen wir auch. Aberich kann nicht von vornherein sagen, ich will die Min-deststudienzeit von der Norm der Vollzeitpräsensstudie-renden entkoppeln.

(Zwischenruf Abg. Kachel, PDS: Was ma-chen Sie mit überfüllten Seminaren und feh-lenden Büchern?)

Ich darf weiterhin auf diesen Punkt eingehen - viertelpa-ritätisch. Meine Damen und Herren, das ist aus unserer

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Sicht grundsätzlich abzulehnen. Ich glaube, dann geht anden Hochschulen überhaupt nichts mehr. Wenn wir sagen,wir brauchen Entscheidungsstrukturen, die auch wirklichentscheiden können, dann glaube ich, daß ein bindendesGruppenveto, was Sie vorgesehen haben für jeden derViertelparitäten, ein sich gegenseitiges Blockieren zur Folgehätte. Wir hätten keine Entscheidungen, sondern wir hät-ten lang hinausgezögerte bzw. Nichtentscheidungen.

Ich darf an der Stelle einiges, was mir wichtig ist, fürdie Hochschulrahmengesetznovellierung kurz angeben:Aus meiner Sicht ist es wichtig, daß wir eine leistungs-orientierte Hochschulfinanzierung einführen.

(Beifall bei der CDU)

Die Zuweisung staatlicher Mittel an die Hochschulensoll sich künftig an den in Lehre und Forschung und beider Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses er-brachten Leistungen orientieren.

(Beifall bei der CDU)

Dann, glaube ich, ist die Evaluation von Forschung undLehre wichtig. Ich denke, meine Damen und Herren, wirhaben das hier im Osten schmerzlich hinter uns, aber ichglaube, daß das auch in Zukunft und vor allen Dingen auchfür unsere Kollegen in den Altbundesländern wichtig ist.Daß wir Regelstudienzeiten festlegen wollen, nämlich vierJahre für die Fachhochschulen und für die übrigen Diplom-und Magisterstudiengänge viereinhalb Jahre, das braucheich hier nur am Rande zu erwähnen. Daß wir eine Ver-stärkung der Studienberatungspflicht als ganz wichtigund auch als Teil der Reformen ansehen, ist zu erwäh-nen. Es muß überprüft werden, ob die Studierenden denAnforderungen des gewählten Studiums gewachsen sind,und zwar beizeiten muß das geprüft werden und nicht erstam Ende. Es ist wichtig, daß die Studierenden beizeitenKlarheit darüber haben, ob das, was sie angefangen ha-ben, auch wirklich ihrem innersten Wunsch oder ihrenFähigkeiten entspricht. Dann ist die Einführung einesLeistungspunktesystems zur Akkumulation und zumTransfer von Studien- und Prüfungsleistungen notwendig.Hier wird mit dem englischen Wort Credit-Point-Systemgearbeitet. Ich denke, daß im Rahmen dieses Systems baldschon ein studienbegleitender Leistungsnachweis möglichist, der verstärkt auf Prüfungen angerechnet werden kann.Die Übertragungen von Studien- und Prüfungsleistungensind möglich und daß auch Hochschulwechsel damit mög-lich gemacht wird. Ich halte die Ermöglichung der Ver-gabe der international bekannten Hochschulgrade Ba-chelor und Master, oder wie wir vielleicht sagen wür-den: Bakkalaureus und Meister, für ganz wichtig.

Meine Damen und Herren, wenn wir wollen, daß mehraus dem angelsächsischen Raum hier studieren, dann müs-sen wir natürlich dafür sorgen, daß die Ausbildung, die hierangeboten wird, auch für die Studenten oder Studieren-den in ihrem eigenen Land dann genutzt werden kann.

Dort sind eben nun einmal Bachelor und Master wich-tig. Das heißt aber doch nicht, daß alle das machen müs-sen. Fachhochschulen müssen jetzt nicht Bachelor aus-bilden und Master, sondern es ist ein Angebot. Damitöffnen wir die Schulen für ausländische Studenten.

Es ist wichtig, daß die pädagogische Eignung als unbe-dingte Einstellungsvoraussetzung für Professoren in Zu-kunft zu gelten hat. In Zukunft wird nicht mehr vermu-tet, daß die pädagogische Eignung in der Regel durchdie Erfahrung in der Lehre und Ausbildung nachgewie-sen ist, so wie es bisher war, vielmehr müssen die Be-werber um eine Professur ihre pädagogische Eignungnachweisen. Wie diese Eignung und diese Nachweisedann konkret aussehen, müßte man in einem zweitenSchritt in der Gesetzgebung des Landes realisieren.

Ich darf als allerletztes anmerken: Für mich ist es wich-tig, daß Habilitationen und gleichwertige wissenschaft-liche Leistungen als gleichberechtigte Einstellungsvor-aussetzung für Professoren zu gelten haben. Das starreSystem, daß wir nur Habilitationen als Voraussetzungenfür eine Professur sehen, ist aus meiner Sicht überholtund schon längst nicht mehr zeitgemäß.

Meine Damen und Herren, das sind aus unserer SichtFaktoren bzw. Komponenten einer Reform - nur einigewenige. Ich denke, wenn das im Hochschulrahmenge-setz so auch zu sehen ist und verwirklicht wird, dannhaben wir ein großes Stück Arbeit für diese Bundesre-publik getan.

(Beifall bei der CDU)

Präsident Dr. Pietzsch:

War das jetzt das Ende?

Abgeordneter Dr. Zeh, CDU:

Ja.

Präsident Dr. Pietzsch:

Gut. Bitte,

(Heiterkeit bei der CDU, SPD)

von hinten sieht man das so schlecht.

Abgeordneter Dr. Zeh, CDU:

Ich dachte, der Aufmerksamkeit des Präsidenten entgehtnichts.

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Präsident Dr. Pietzsch:

Ach, was denkst Du, wie aufmerksam ich hier gewesenbin; nur, Du veränderst Dich von hinten nicht, wenn DuSchluß machst. Bitte sehr.

Abgeordneter Höpcke, PDS:

Herr Dr. Zeh, Sie haben Bezug genommen auf die Ge-sprächsgegenstände, die wir bei den Gesprächen in derFachhochschule Erfurt und in der Pädagogischen Hoch-schule Erfurt gehört haben. Können Sie mir zustimmen,daß das natürlich nicht das ganze Spektrum derjenigenMeinungsäußerungen ist, die in Thüringen bei den Stu-dentenstreiks und anderen Protestaktionen eine Rolle ge-spielt haben, daß man auch die mehrheitlich mit Abstim-mung beschlossenen Positionen einbeziehen müßte, zumBeispiel der Studierendenschaft der Friedrich-Schiller-Uni-versität Jena, der Technischen Universität Ilmenau und an-derer, daß die natürlich auch zum Meinungsbild gehören?Und können Sie, wenn Sie das vergleichen würden, be-stätigen, daß sehr vieles in dem Antrag, der vorliegt,enthalten ist?

Abgeordneter Dr. Zeh, CDU:

Ich kann erst einmal bestätigen, daß die Themen weiter ge-fächert waren. Ich hatte ja auch gesagt, daß es schwerpunkt-mäßig den meisten darum ging, wie ist das mit der Studien-gebühr und wie ist das mit dem BAföG. Ich kann mich andie Veranstaltung an der Pädagogischen Hochschule er-innern, ich konnte dort von zwei Stunden nur 1 ¼ Stun-de anwesend sein, aber als ich dann gehen mußte, warimmer noch das Thema BAföG und Studiengebühr. Alsokönnte man sagen, daß von diesen zwei Stunden weit überdie Hälfte das Thema BAföG eine Rolle gespielt hat. Daßdarüber hinaus auch andere Fragen eine Rolle gespielt ha-ben, das kann ich bestätigen. Daß Sie das in Ihrem Antragangesprochen haben, das möchte ich Ihnen auch zuge-stehen, aber ich kann diesem Antrag dennoch nicht zu-stimmen, weil ich diese Probleme und die Lösungen an-ders sehe als Sie.

(Beifall bei der CDU)

Präsident Dr. Pietzsch:

Danke sehr, Herr Abgeordneter Dr. Zeh. Als nächsteRednerin hat sich zu Wort gemeldet Frau AbgeordneteNitzpon. Bitte.

Abgeordnete Frau Nitzpon, PDS:

Herr Präsident, werte Abgeordnete, wer Studiengebühreneinführen will, gefährdet den freien Hochschulzugang. Dassehen in Thüringen fast alle so - die Studierenden und diemeisten der Professoren, der für die Hochschulen im Landezuständige Minister, aber auch Frauen und Männer in Be-trieben, Büros oder auf der Straße, die selbst mit Studium

und Studieren nicht unmittelbar etwas zu tun haben. Ichfreue mich, daß es auch Herr Enkelmann so sieht. LassenSie mich in drei Punkten begründen, warum wir es fürnotwendig halten, eben länderübergreifend, Herr Enkel-mann, durch ein Bundesgesetz, nämlich das Hochschul-rahmengesetz, zu verbieten, daß Studiengebühren einge-führt werden.

Zunächst aber einen Satz zum Beispiel von Dr. Zeh zudem Dresdener Ehepaar: Herr Dr. Zeh, dieses Beispielist nicht repräsentativ für die Lage der Studierenden undihrer Eltern.

(Zwischenruf Abg. Dr. Zeh, CDU: Das habeich aber auch nicht verallgemeinert.)

Herr Enkelmann, Herr Zeh, liegt viel näher an der Rea-lität als Sie.

Nun zu den Beispielen:

1. Man hört von Herrn Minister Dr. Schuchardt oft denSatz, mit ihm seien Studiengebühren nicht zu machen.Herr Enkelmann, Sie haben das bestätigt. Das ist schönund ehrenwert, aber was haben von solch einem Mini-sterwort die Studierenden, die nach Ablauf seiner Amts-periode ihr Studium weiterführen oder beginnen, wäh-rend der Minister nach der nächsten Wahl möglicher-weise an anderer Stelle wirkt?

(Zwischenruf Abg. Frau Künast, SPD: Daspassiert doch nicht.)

Eine bundesgesetzlich verbindliche Regelung in einemsolchen Land ist einem solchen Landesministerwort er-heblich überlegen und deswegen vorzuziehen.

(Beifall bei der PDS)

2. Peter Glotz wird nicht müde, den Satz zu wiederho-len: Für ein Eigenheim verschulde man sich schließlichauch in der Höhe um 400.000 DM, warum nicht glei-chermaßen für hohe Bildung? Wir erwidern, auch ohnemüde zu werden, daß mit solchen Reden an den Lebens-bedingungen in Thüringen wie auch sonst im deutschenOsten gründlich vorbeigedacht wird. Und ich wunderemich, daß Herr Professor Glotz, der inzwischen Rektorder Universität Erfurt ist und auch Einwohner dieserStadt, es immer noch nicht gemerkt hat.

(Beifall bei der PDS)

Und darüber hinaus läuft ein solcher Ansatz auch im We-sten auf eine Bildungspolitik für die Besserverdienendenhinaus, aber als Besserverdienender wie Herr Glotz merktman so etwas vielleicht überhaupt nicht mehr.

3. Manche versuchen Studiengebühren schmackhaft zu ma-chen oder wenigstens hinnehmbar erscheinen zu lassen, in-

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dem sie auf ein sogenanntes Bertelsmann-Modell ver-weisen und auf australische Erfahrungen hinweisen. Dabeigeht es im wesentlichen darum, daß man sich als studieren-der junger Mensch für die Zahlung von Studiengebührenverschulden soll und für die Rückzahlung Bedingungen zu-gebilligt bekommt, nach denen die Höhe der zum Schul-denabstottern angesetzten Beträge in Abhängigkeit von denEinkünften aus der nach dem Studium ausgeübten berufli-chen Tätigkeit gehalten werden sollen. Doch dort kann manetwas erleben, nämlich daß in den letzten zwei Jahren dieStudentinnen und Studenten gerade in Australien, demLand, das leichtfertig als Beispiel für die Einführung vonStudiengebühren hingestellt wird, nämlich dort wurde 1997die Einkommensgrenze, die zur Rückzahlung verpflichtet,auf 24.000 DM jährlich gesenkt, doch die monatliche Rück-zahlungsrate auf 6 Prozent erhöht. Außerdem wurden diejährlich fälligen Studiengebühren folgendermaßen differen-ziert: für ein Medizin- und Jurastudium werden jährlich7.000 DM fällig, für ein Philosophiestudium 4.000 DM. Istes da verwunderlich, wenn man in australischen studenti-schen Kreisen argwöhnt, daß sich Kinder aus begütertemHause, deren Schulnoten nicht für das Wunschfach reichen,ihren Studienplatz künftig erkaufen? Wie man es, meineDamen und Herren, auch anpackt und betrachtet, aus un-serer Sicht läuft es immer wieder auf den einen Punkt hin-aus: Studiengebühren gefährden den freien sozialchancen-gleichen Zugang zum Hochschulwesen. Deswegen derVorschlag unserer Fraktion, daß Thüringen für die Aufnah-me einer entsprechenden Verbotsklausel in die Hochschul-rahmengesetznovelle eintritt. Bloße verbale Bekundun-gen nutzen dabei den Studenten und zukünftigen Stu-dentinnen und Studenten wenig. Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

Präsident Dr. Pietzsch:

Danke sehr, Frau Abgeordnete Nitzpon. Als nächsterRedner hat sich Herr Abgeordneter Dr. Häfner zu Wortgemeldet.

Abgeordneter Dr. Häfner, CDU:

Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordneten,durch den vorliegenden Antrag wird der Eindruck vermit-telt, daß erst angeblich der Landtag die Landesregierung aufTrab bringen müßte, damit diese Landesregierung an-fängt, sich zu bewegen. Dem ist natürlich nicht so. DieLandesregierung, gebildet aus CDU und SPD, hat sichschon lange bewegt, meine Damen und Herren von derPDS, und schon aus diesem Grunde ist Ihr Antrag in der- Drucksache 2/2549 - abzulehnen. Wenn ich betone, daßdie Koalitionsregierung aus CDU und SPD ihren Hand-lungsspielraum ausschöpft, sage ich damit ausdrücklichnicht, daß die in dem Antrag angesprochenen Fragenschon alle gelöst wären. Wir alle wissen, daß sowohlbeim Hochschulrahmengesetz als auch bei der BAföG-Strukturnovelle noch einige Fragen gelöst werden müs-sen. Aber, und das ist der Unterschied, den ich da ma-

chen möchte, das wird nicht geschehen, indem in die-sem PDS-Antrag willkürlich Einzelpunkte herausgegrif-fen und ebenso willkürlich Einzelforderungen erhobenwerden. Auch aus diesem Grunde, Frau Dr. Klaubert, müs-sen wir Ihren Antrag ablehnen, so werde ich es jedenfallsden Kollegen meiner Fraktion empfehlen. Und wenn ichsage, daß die Koalitionsregierung aus CDU und SPD ihrenHandlungsrahmen ausgeschöpft hat, mache ich auch keinGeheimnis daraus, daß dieser Handlungsrahmen angesichtsleerer Kassen bei Bund und Ländern und angesichts derbevorstehenden Bundestagswahlen eng ist. Darüber, wieder Finanzbedarf gedeckt werden soll, verschwendet diePDS übrigens wieder einmal nicht die geringste Überle-gung. Geld hat eben einfach da zu sein. Und, meine Da-men und Herren, daß es nun keineswegs so ist, wie hierbehauptet wird, daß auch - wie Sie, Herr Enkelmann,meinten sagen zu müssen - die Bundesregierung sichaus ihrer Verantwortung herausnimmt, dazu möchte icheinige Zahlen nennen. Der 27. Rahmenplan für die Jahre1998 bis zum Jahr 2001 hat Bauvorhaben in Höhe von3,6 Mrd. DM festgeschrieben. Außerdem sind zusätzlicheBauvorhaben bis zu 5 Mrd. DM möglich. Aufgrund dieserneuen Möglichkeiten des 27. Rahmenplans haben die Län-der insgesamt 33 Bauvorhaben jetzt schon angemeldet. Dasgeschätzte Volumen beträgt jetzt schon 1,7 Mrd. DM. Ichmöchte Sie alle erinnern, daß durch das Modell der Alter-nativfinanzierung auch in Thüringen von diesen Mittelnder Bundesregierung stark Gebrauch gemacht werdensoll, jedenfalls weit mehr, als es der prozentuale Anteilunseres Landes vorsieht. Wir wollen durch alternativeFinanzierung sowohl die neuen Gebäude der Fachhoch-schule in Schmalkalden als auch die beiden Universi-tätsbibliotheken in Gera, nein, in Jena

(Zwischenruf Abg. Frau Diezel, CDU: Gerawäre nicht schlecht.)

- in Gera wäre nicht schlecht, Frau Diezel, das war aberein Versprecher, leider -,

(Beifall Abg. Frau Diezel, CDU)

also in Jena und in Erfurt bauen. Wir nehmen da sehrwohl beachtliche Mittel in Anspruch, und das ist gut so,und das ist richtig so.

(Beifall bei der CDU)

Natürlich hätte es die PDS ganz gerne, Frau Dr. Klaubert,das will ich Ihnen zugestehen, wenn sich die Koalition überstrittige Themen in die Haare geriete und gegenseitigeSchuldzuweisungen zwischen den Koalitionären einmalso richtig hochkochen würden. Zündstoff gäbe es unbe-stritten genug, z.B. die BAföG-Strukturreform ist einerder Mosaiksteine der Steuerreform, die ja bekanntlich imBundesrat keine Zustimmung gefunden hat. Und trefflichließe sich auch über Studiengebühren, ja oder nein, streiten.Ich schlage aber vor, der PDS diese Freude nicht zu ma-chen, sondern sachlich und konstruktiv miteinander umzu-

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gehen. Es gibt wahrlich für diese Koalition in diesemunserem Freistaat noch genug zu tun. Die Frage, ob Stu-diengebühren, ja oder nein, sollte die SPD zunächst inden eigenen Reihen ausdiskutieren, finde ich. Damit hatsie nach meinem Dafürhalten erst einmal genug zu tun.Aber etwas möchte ich doch noch sagen zur Richtigstel-lung dessen, was Frau Nitzpon hier über die Neuregelungder BAföG-Strukturnovelle gesagt hat. Ich muß nicht denProfessor Glotz verteidigen, aber Professor Glotz hat natür-lich nie einen Zweifel daran gelassen, daß es bei allenNeuregelungen immer darum geht, daß jedem, der dasStudium aufnehmen will, auch die Möglichkeit gegebenwerden muß, ein Studium in diesem Freistaat Thüringenaufzunehmen.

(Beifall bei der CDU)

Und auch für die BAföG-Novelle, so unbefriedigend siesich für manchen wohl darstellt, muß ich sagen, daß im-merhin durch diese getroffenen einvernehmlichen Rege-lungen zwischen den Ländern und dem Bund - durch diese19. Novelle - für den Finanzierungszeitraum bis 2001 derBund 558 Mio. DM Mehraufwand zu realisieren hat, undauch auf die Länder kommen 301 Mio. DM Mehrauf-wand zu. Wer davon redet, daß da nichts passiert, dersollte sich an den Tatsachen orientieren.

Präsident Dr. Pietzsch:

Herr Dr. Häfner, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Abgeordneter Dr. Häfner, CDU:

Von Herrn Enkelmann - ja.

Präsident Dr. Pietzsch:

Bitte.

Abgeordneter Enkelmann, SPD:

Dr. Häfner, sollte es Ihnen etwa entgangen sein, daß imHerbst des vergangenen Jahres die Diskussion zu denStudiengebühren für die SPD dergestalt abgeschlossenworden ist, daß ein Bundesparteitag sich einstimmig fürdas Verbot von Studiengebühren ausgesprochen hat?

Abgeordneter Dr. Häfner, CDU:

Herr Enkelmann, darauf komme ich jetzt zu sprechen.Denn das verwundert mich schon einigermaßen, das im-mer wieder betonte kategorische Nein zu Studiengebüh-ren. Herr Minister Dr. Schuchardt, es verwundert michdoch schon manchmal, wenn ich das so höre, dennschließlich bindet auch Sie die Verfassung unseres Frei-staats Thüringen. Artikel 28 Absatz 2 lautet, wenn ich daszitieren kann, Herr Präsident: "Hochschulen in freier Trä-gerschaft sind zulässig". Gleich bin ich fertig.

Präsident Dr. Pietzsch:

Gestatten Sie eine weitere Frage?

Abgeordneter Dr. Häfner, CDU:

Ich habe gerade signalisiert, gleich.

Also, ich zitiere noch einmal aus der Verfassung: "Hoch-schulen in freier Trägerschaft sind zulässig." Einer Hoch-schule in freier Trägerschaft darf man meines Erachtensnicht die Einnahme von Studiengebühren verwehren,wenn das so in der Verfassung steht und wenn man esmit der Pluralität ernst meint. Auch das, was mein Kol-lege Dr. Zeh vorhin gesagt hat über Überlegungen fürLangzeitstudierende, auch diese Argumentation muß manaufnehmen, muß man ernst nehmen. Und ich bin derMeinung: Wenn es dieser Koalitionsregierung im Frei-staat Thüringen ernst ist mit der Pluralität im Bildungs-und im Hochschulwesen, und das, denke ich, hat dergerade gefaßte Startschuß zu Berufsakademien bewie-sen, dann sollten wir auch in der Lage sein, daß wir zueinvernehmlichen Regelungen gelangen.

Meine Damen und Herren, in dieser Hoffnung darf ichmich für die Aufmerksamkeit zu später Stunde bedan-ken. Frau Dr. Klaubert hat noch eine Frage.

Vizepräsident Friedrich:

Über mich, Herr Kollege, ich habe ganz schnell nochPlatz genommen, um das Recht wahrzunehmen. Bitte,Frau Abgeordnete.

Abgeordnete Frau Dr. Klaubert, PDS:

Ja, Herr Präsident, wenn die Präsidenten so intensiv mit-einander beschäftigt sind, müssen die Abgeordneten mit-einander kommunizieren. Herr Dr. Häfner, ich frage Sieganz persönlich, sind Sie der Meinung, daß mit der Erhe-bung von Studiengebühren die wohl dringendsten Pro-bleme an den Hochschulen und Universitäten, nämlichdie Unterfinanzierung auf der einen Seite und die Über-füllung auf der anderen Seite, gelöst werden können?

Abgeordneter Dr. Häfner, CDU:

Also, Frau Dr. Klaubert, das ist auch eine irrige Vorstel-lung, daß wir diese Diskrepanz des fehlenden Finanzbe-darfs etwa durch Studiengebühren lösen. Kein auch imMittelstand befindliches Elternpaar könnte solche Studien-gebühren finanzieren. Aber es hilft dazu, daß Studenten an-gehalten werden, ihre Studienzeit effektiv zu nutzen. Ichweiß, daß mein Kollege Schwäblein nachher noch etwas zuStudiengebühren sagen will, weil es sein persönliches Stek-kenpferd ist und weil die guten Erfahrungen in anderenLändern uns durchaus ermutigen, uns mit diesem Themaernsthaft zu beschäftigen. Aber die Vorstellung, die Sie daschon wieder als Horrorgemälde malen wollen, daß wir

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durch Studiengebühren alle Defizite ausgleichen würden,die will ich gleich zurückweisen, das wird so nicht funktio-nieren. Ich habe Ihnen vorhin ganz andere Zahlen genannt,die im 27. Hochschulrahmenplan angedacht sind. Undwenn wir diese Zahlen zur Kenntnis nehmen, dann wissenSie auch, wie groß die Anstrengungen dieser Bundesregie-rung sind, auf diesem Gebiet glaubwürdig und schnell zupositiven Veränderungen zu kommen.

Vizepräsident Friedrich:

Ich danke Herrn Abgeordneten Dr. Häfner. Als nächstenRedner bitte ich Herrn Abgeordneten Kachel, Fraktionder PDS, nach vorn.

(Unruhe im Hause)

Ich bitte doch etwas um Einstellung der Gespräche.Bitte, Herr Abgeordneter Kachel.

Abgeordneter Kachel, PDS:

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren!Herr Dr. Häfner, ob die Landesregierung sich bewegtoder nicht bewegt oder bewegt hat oder nicht bewegthat oder noch bewegen wird, das kann doch eigentlichkein Argument sein, um in diesem Hause einen vorlie-genden Antrag abzulehnen oder anzunehmen,

(Beifall bei der PDS)

und zwar völlig unabhängig davon, in welche Richtungsich die Landesregierung bewegt hat, bewegt oder be-wegen wird.

Vizepräsident Friedrich:

Herr Kachel, gestatten Sie eine Anfrage des Herrn Ab-geordneten Häfner?

Abgeordneter Kachel, PDS:

Bitte.

Vizepräsident Friedrich:

Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Dr. Häfner, CDU:

Wenn Sie das so behaupten, würden Sie mir dann we-nigstens auch zustimmen können, wenn sich die PDS-Fraktion auf einen fahrenden Zug als Trittbrettfahreraufschwingt, daß ich dann sage, das brauchen wir nicht.Und das war ja die eigentliche Aussage meiner Ausfüh-rungen, weshalb ich sage, wir brauchen Ihrem Antragnicht zuzustimmen.

Abgeordneter Kachel, PDS:

Wenn Sie auf dem Zug schon drauf sind, Herr Dr. Häfner,sollte es Ihnen doch eigentlich um so leichter fallen, die-sem Antrag zuzustimmen.

(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren, noch einige Worte zur sozialenSituation der Studierenden in Thüringen, denn die materiel-le Lage der Studentinnen und Studenten läßt schon heutefür nicht wenige ein unbeschwertes Studium in vielenFällen bereits nicht mehr zu. Nur einige Beispiele: DasStudentenwerk Jena hat errechnet, daß der monatlicheBedarf eines Studierenden in Thüringen derzeit zwischen1.200 und 1.300 DM liegt, sowohl um seine persönlichenBedürfnisse des alltäglichen Lebens zu decken als auchum die Kosten des Studiums, Literaturerwerb usw. zudecken. Das ist der eigentliche Bedarf, meine Damenund Herren. Demgegenüber verfügen die Studierendenin Thüringen aber gerade einmal durchschnittlich über891 DM.

(Unruhe bei der CDU, SPD)

Es tut mir leid, Herr Präsident.

Vizepräsident Friedrich:

Ich bitte, doch etwas die Reden einzustellen. Das ist sehrschwierig für den Redner. Hier vorn ist es ein sehr deutli-ches Gemurmel mit steigender Tendenz. Bitte schön, HerrAbgeordneter Kachel.

Abgeordneter Kachel, PDS:

Das macht also zunächst einen monatlichen Fehlbetrag vonmindestens 300 DM im Monat aus, der sich natürlich zumeinen elementar auf die Lebensqualität niederschlägt. Ichnenne hier fehlende Mittel für Kultur, für Freizeitaktivitä-ten, aber auch für zusätzliche Literatur. Und der sich zumanderen natürlich auch auf die Studiensituation selbst nie-derschlägt, wie auf die benötigte Zeit, zumal, wenn Biblio-theken so schlecht ausgestattet sind, wie im Bereich des Ju-rastudiums in Jena und es in anderen Bereichen schon heuteder Fall ist. Und das ist natürlich auch einer der Gründe fürlängere Studienzeiten. Und ich finde, Herr Dr. Zeh, es nurfair, diese Gründe dann auch zu nennen. Abgesehen vonüberfüllten Seminaren, so daß es nicht möglich ist, den be-stimmten Schein in einem Semester zu machen und daßimmer wieder Studierende dann auf das nächste Seme-ster verschoben werden. Auch das sind natürlich allesFaktoren, die erst in Ordnung gebracht werden müssen,bevor man über Zwangsmaßnahmen für Langstudierendenachdenkt. Mit diesen 891 DM liegen die Thüringer Stu-denten übrigens noch 63 DM unter dem Durchschnitt derneuen Bundesländer und sogar 452 DM unter dem SchnittWest. Und in diesen durchschnittlichen 891 DM, meine Da-men und Herren, die überhaupt nicht zureichend sind, sind

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 72. Sitzung, 29. Januar 1998 6391

bereits alle Zuwendungen der Eltern, eigener Verdienst ausNebentätigkeiten, denn bereits fast 50 Prozent der Studie-renden müssen nebenbei jobben gehen, Renten- undBAföG-Leistungen enthalten.

Meine Damen und Herren, die BAföG-Leistungen, sie ge-hen in diese Rechnungen natürlich auch nur in dem Maßeein, in dem sie überhaupt noch gewährt werden. Die Anzahlder Geförderten in Thüringen ist trotz der sich kontinuier-lich verschärfenden Situation auf dem Arbeitsmarkt und dersteigenden Anzahl von Sozialhilfeempfängern auch unterJugendlichen von etwa 50 Prozent 1994 auf knapp 25 Pro-zent und damit 7.000 Geförderte 1997 gesunken. Das heißt,trotz schwierig werdender Bedingungen wird das BAföGzunehmend zu einer Randgröße bei der Studienfinanzie-rung. Ist das nicht eine schlimme Entwicklung? Müßtenicht gerade in dieser Zeit jetzt das BAföG stärker als bisherwirksam werden, um andere Zwänge aufzufangen? Ein ein-deutiger Hinweis darauf, daß zunehmend junge Leuteaus besserverdienenden Elternhäusern an den Universitätenund Hochschulen dominieren, während Kinder aus gering-verdienenden oder gar arbeitslosen Elternhäusern, dienämlich Anspruch auf das BAföG mitbringen würden,immer weniger vertreten sind, sich aufgrund der Risikengar nicht erst zu einem Studium entschließen. Eine Ent-wicklung, die man als schleichenden sozialen Numerusclausus bezeichnen muß.

(Beifall bei der PDS; Abg. Wetzel, CDU)

Meine Damen und Herren, das Studentenwerk Jena hatebenfalls errechnet, daß bereits mehr als 35 Prozent,z.T. bis 45 Prozent der Studierenden BAföG erhaltenkönnten. Monatlich zwischen 1.200 und 1.300 DM, sagteich, ist der reale Bedarf. Dieses soll endlich auch für dieHöhe des BAföG als Bezugsgröße verbindlich gemachtwerden. Die BAföG-Geförderten erhalten in Thüringenaber gerade mal 645 DM im Durchschnitt. Der Höchst-satz liegt knapp unter 1.000 DM, wird aber nur von ganzwenigen Studenten erreicht. Doch statt an diesen Verhält-nissen etwas zu ändern, wurde in den letzten Monaten umSchritte gerungen; letztlich kamen nur Feigenblätter her-aus, etwa die Erhöhung des BAföG um 2 Prozent, wasbeim bisherigen Osthöchstsatz nicht einmal 20 DM aus-macht. Das ist vor dem Hintergrund der wahren Defizitenicht einmal ein Tropfen auf den heißen Stein und kannwohl nur als ungeschickter Versuch gewertet werden,den Studentenprotesten im Wahljahr möglichst kosten-günstig die Spitze zu nehmen.

Die PDS-Fraktion erwartet deshalb von der Landesregie-rung, sich im Bundesrat entschieden für eine Verbesserungder Situation der Thüringer Studentinnen und Studenteneinzusetzen. Als Eckwerte für eine BAföG-Reform schla-gen wir folgendes vor: Das BAföG muß auf monatlich1.250 DM für die Durchschnittsstudienzeit erhöht werden.Diese Summe steht zunächst allen, unabhängig vom Eltern-einkommen, zur Verfügung. Sie soll sich aus zwei Beträgenzusammensetzen: einem Sockelbetrag von 500 DM, der

nicht rückzahlungspflichtig ist und an alle gezahlt wird.Dieser wird durch den Wegfall von Kindergeld bzw. Kin-derfreibetrag und Ausbildungsfreibetrag finanziert. Dazukommt ein staatlicher Zuschuß von 750 DM, der ebenfallsallen zusteht. Kinder aus Elternhäusern mit überdurch-schnittlichem Einkommen sollen vor die Wahl gestellt wer-den, ob dieser Betrag von ihren Eltern beigesteuert wirdoder rückzahlungspflichtig aus der Steuerkasse kommt, wo-bei eine sozialverträgliche und zinsfreie Rückzahlungsrege-lung selbstverständlich sein muß, damit jeder Studierendeauch tatsächlich frei wählen kann.

(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren, die bisherige BAföG-Rege-lung ist dringend reformbedürftig. Mit der sonst immerso beliebten Pflasterei ist es hier wie bei vielen anderenThemen im sozialen Bereich nicht getan. Eine tatsächli-che Reform muß her, eine Reform im Dienste der Stu-dierenden, eine Reform, die soziale Ausgrenzungspro-zesse stoppt und umkehrt.

Herr Enkelmann, noch ein Wort zu Ihnen: Wenn das IhreIntention ist, dann stimmen Sie doch unserem Antrag zu.Dann ist die Umsetzung dieser Inhalte ein Stück sicherer.Oder sagen Sie ehrlich wie Ihr Kollege Seidel, sorry, wirhaben uns bei den Koalitionsverhandlungen diesen Satzaufschwatzen lassen, daß für unser Abstimmverhalten indiesem Landtag nicht Inhalte, sondern das Abstimmver-halten der CDU den Ausschlag gibt. Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

(Unruhe bei der SPD)

Vizepräsident Friedrich:

Ich danke Herrn Abgeordneten Kachel. Als nächstenRedner bitte ich Herrn Abgeordneten Schwäblein, Frak-tion der CDU, nach vorn.

Abgeordneter Schwäblein, CDU:

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren,bei den Studentenprotesten des letzten Jahres waren viele andie 68er Zeiten erinnert. Manche der Kommentatorenglaubten, da schon wieder eine neue gesellschaftliche Be-wegung zu sehen, in der Hoffnung, auch ideologisch et-was umzusetzen. Diese Proteste, die jüngsten Protesteder Studenten haben aber eine ganz andere Qualität. Hierstreiten junge Menschen für ihre Bildungschancen - Chan-cen, sich am besten zu verwirklichen, auch fachlich auf denBeruf vorzubereiten. Deshalb ist es auch nicht verwunder-lich, daß sie eigentlich von allen Seiten Zustimmung be-kommen haben. Protest ist am Ende nicht allzuviel wert,wenn er nicht irgendwo auf Widerstand stößt. Es ist teil-weise frustrierend, wenn von allen Seiten den Studentenauf die Schulter geklopft wird: Also, Ihr lieben jungenMenschen, eigentlich habt Ihr Recht, aber wie wir es lö-

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sen wollen, wissen wir so recht auch nicht, zumindestbei denen, die im Moment seriös darüber nachdenken.

Ja, was ist geschehen? Über Jahre schon ist der Hoch-schulbereich unterfinanziert. Da hat der Bund einen ent-scheidenden Anteil. Das hat aber schon lange vor derÄra Helmut Kohl angefangen. Da brauchen wir uns ge-genseitig hier nicht Schuld zuzuweisen. Auch die Län-der haben nicht ständig ihre Hausaufgaben gemacht. InThüringen hat man es versucht in der ersten Periode,auch in der zweiten. Trotzdem ist das Defizit an denHochschulen nach wie vor vorhanden. Jetzt muß manwieder, wenn man ehrlich miteinander umgehen will,die allgemeinen Staatsfinanzen, aber auch die des Lan-des sehen, so wie wir im kulturellen Bereich ganz nüch-tern bekennen müssen, dort ist der Beitrag eigentlichehrlicherweise nicht mehr steigerbar. So wäre es fair, auchfür den Bereich der Hochschulen zu sagen, wir strengen unszwar an, aber wesentlich steigern läßt sich das, was im Mo-ment zur Verfügung gestellt werden kann, nicht, so daß alleForderungen, die jetzt von seiten der PDS kommen, auf ei-ne dramatisch höhere Verschuldung hinarbeiten, denn ichsehe keinen anderen Bereich, von dem man es in dieserGrößenordnung wohl wegnehmen könnte. Nun gibt es nurwenige Alternativen: Entweder ich zwinge die Hochschu-len, weiterhin mit dem Wenigen auszukommen, das wirdwohl nicht allzuviel bringen. Oder ich sage ihnen: Ihr müßtjetzt sparen, da bemühen sie sich schon. Oder ich gebe einpaar Mark dazu, ob für Bibliotheken oder anderes - da gibtes ja verschiedene Modelle. Aber solange dort nicht wirkli-che Reformen greifen, wird dieses Geld, was da möglicher-weise mit vielen Schmerzen locker gemacht wird, nur wievon einem trockenen Schwamm aufgesaugt werden, ohnean den Schwierigkeiten, die die Hochschulen im ganzenhaben - weniger die in Thüringen, um das auch mal fest-zustellen, da sind die Proteste ja nur punktuell aufge-treten -, wird dieses Geld dann in die allgemeinen Pro-bleme einfließen und sie kaum lösen helfen. Wir wer-den, und der Weg ist schon vorbedacht, den Hochschu-len weitaus mehr Eigenverantwortung geben, damit mandort entscheidet, was man denn am effizientesten mitdem zur Verfügung stehenden Geld macht.

Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen voraus, daswird den Hochschulen noch einige Kopf- und Bauch-schmerzen bereiten, weil die Verteilungskonflikte im-mer bei der öffentlichen Hand gegeben sind, das Geldreicht nie. In keinem System, das mit öffentlichen Mit-teln arbeitet, hat das Geld für die öffentliche Hand ge-reicht, wird auch zukünftig nicht reichen. Man wird alsodann die Konflikte, die man jetzt sehr leicht nach außenverlagern und sagen kann, die in Erfurt oder die in Bonnmachen diese und jene Fehler, wird man dann selber auszu-balancieren haben, wird die Entscheidung zu treffen haben,nehmen wir das Geld, um eine große Koryphäe an unsereHochschule zu bringen und damit Imagegewinn zu haben,oder nehmen wir dieses Geld, um unsere Labore möglichstschnell oder die Bibliothek möglichst gut auszustatten. Daswird originäre Aufgabe der Hochschulen werden, so denn

die Thüringer Gesetzgebung die Intention der Hochschul-rahmengesetzgebung aufgreift. Ich halte das für sehr gutund richtig. Aber das alleine wird am Ende auch noch nichtreichen. Es muß darüber hinaus an den Hochschulen überweitere Einnahmen nachgedacht werden, und das in allerOffenheit, so unter anderem durch eine engere Zusammen-arbeit mit der Industrie. Da kann man über Sponsoring undsonst etwas nachdenken, es ist nichts Ehrenrühriges, denen,die später einen Vorteil von dieser hochgradigen Ausbil-dung haben, bereits in einem frühen Stadium eine Mitfinan-zierung anzudienen. Dazu gehört aber auch, daß die Indu-strie das Gefühl bekommt, daß die Hochschulen nicht vor-rangig für den öffentlichen Dienst ausbilden. Umfragen un-ter den Studierenden bringen bedenkliche Ergebnisse zuta-ge. 70/80 Prozent stellen sich als ihre Zukunftsperspektiveeine Anstellung im öffentlichen Dienst vor. Das ist ange-sichts der Beschäftigtenzahlen in diesem Bereich ein-fach nicht zu realisieren, sondern die freie Wirtschaftmuß das Betätigungsfeld sein. Dazu ist es notwendig,daß die Hochschulen auch schon in ihren Grundstudien-gängen auf Existenzgründung hinweisen. Das geschiehtim Moment noch rudimentär oder überhaupt nicht. Dazuist es notwendig, daß das, was z.B. in Schmalkalden be-gonnen wurde, nämlich eine neue Richtung Wirtschafts-recht einzuführen, fortgesetzt wird. Es wird ja noch kaumbeachtet. Der Justizminister nickt bedenklich mit dem Kopf.In Sachsen-Anhalt wird das Nachmachen dieses Modellsin Magdeburg gerade heftig gefeiert, da wird so getan,als hätten sie es glatt erfunden.

(Zwischenruf Kretschmer, Minister für Justizund Europaangelegenheiten)

Okay, da muß man gelegentlich vielleicht doch einmal et-was sagen. Die Zukunftschancen stellen Sie in Frage, ichglaube aber wohl, daß die Industrie speziell ausgebildeteLeute sehr gut einsetzen kann. Sie müssen natürlich alsVolljurist für Ihren Stamm sprechen, gestatten Sie mir, daßich da mehr praxisorientiert argumentiere und mir vorstel-len kann, daß die Industrie sehr wohl im Wirtschaftsrechtvorgebildete Juristen sehr gut einsetzen kann.

Des weiteren muß einfach eine stärkere Verflechtungzwischen den Hochschullehrern und der Wirtschaft inDeutschland um sich greifen. Aber da ist das Beamten-recht dagegen. Wenn einmal die Möglichkeit besteht, daßein Professor einem Prototyp in der Industrie mit auf denWeg helfen kann, und er müßte für ein halbes Jahr beur-laubt werden, so würde spätestens nach drei Wochen dieVerwaltung fragen, ja, wie sollen wir jetzt wohl die Ren-te für den Kollegen berechnen oder den Pensionsanteil?Hier verschenken wir Potential, das wir uns nicht mehrlänger leisten können, daß es verschenkt wird.

Schauen wir einmal in andere Länder, was geschieht da?Wenn da Hochschullehrer mit ihren Studenten Ideen aufden Weg bringen, werden die erst einmal ganz schnell zuPatenten gemacht, was an den Hochschulen in Deutsch-land leider nicht mehr geschieht oder viel zu wenig. Sie

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 72. Sitzung, 29. Januar 1998 6393

werden auch kommerziell vermarktet, diese Patente. Dahat Baden-Württemberg ein interessantes Modell aufden Weg gebracht. Ich bitte auch, in der Regierung dieseinmal zu prüfen. Die Professoren sind durchaus bereit,eine zeitlang die Hochschule zu verlassen und eine Exi-stenz aufzubauen. Wenn es dann in das Alltägliche über-geht und langweilig wird, gehen sie zurück an die Hoch-schule und forschen weiter. Dies ist ein Erfolgsmodell, undlassen Sie uns dieses Erfolgsmodell auch auf Thüringenund die anderen Länder in Deutschland übertragen.

Um noch einmal auf die viel zitierten Studiengebühren zukommen, Herr Kachel - ich sehe ihn jetzt nicht - hat ja ebensehr wohl die Möglichkeit in den Raum gestellt, daß Stu-denten, die für eine Zeit ihres Daseins einen Zuschuß be-kommen, später, wenn sie dazu in der Lage sind, diesen Zu-schuß auch zurückzahlen können. Ich frage Sie, die Sie jadie Gerechtigkeit bei jedem zweiten Wort im Munde füh-ren: Ist es denn eigentlich gerecht, daß eine hochqualifizier-te Gruppe der Gesellschaft, die dann vermutlich auch nochzu den oftmals geschmähten Besserverdienenden gehörenkann, wenn sie denn erfolgreich sind, daß deren Ausbildungallgemein aus dem Steuersäckel finanziert wird und daß an-dere, die aus einer beruflichen Tätigkeit heraus eine qualifi-zierte Fortbildung auf sich nehmen, sich zum Meister fort-bilden, ihre Ausbildung selber tragen? Ich frage Sie allenErnstes: Ist das wirklich dauerhaft gerecht?

(Zwischenruf Abg. Dr. Dr. Dietz, CDU:Meister-BAföG.)

Da hat man, Kollege Dr. Dr. Dietz hat recht, mit demMeister-BAföG schon ein Stückel ausgeholfen, denn dieUngerechtigkeit war einfach zu groß. Aber wir solltendurchaus über das australische Modell nachdenken, obdenn nicht Leute, die später erfolgreich sind als Anwäl-te, auch als Volljuristen, Herr Justizminister,

(Zuruf Kretschmer, Minister für Justiz undEuropaangelegenheiten: Ja.)

Ärzte, hervorragende Ingenieure, ob die mit einem Ver-dienst weit über 5.000 oder 8.000 DM dann nicht ir-gendwann einen Teil ihres Studiums refinanzieren kön-nen. Ich bin sehr wohl dafür. Nur klar muß sein, daß al-len Begabten der Weg zu den Hochschulen offensteht.

Da sind wir bei einem weiteren Problem. Ich nenne jetzt di-rekt einmal die Bildungslücke, die wir in Deutschland ha-ben. Das vom Grundgesetz verbriefte Recht auf Bildungwird heute in zunehmenden Maße als Recht auf ein Hoch-schuldiplom ausgelegt. So war es aber von den Vätern desGrundgesetzes nicht gedacht, sondern jeder soll die Chancehaben, bei entsprechender Befähigung auch die höherwerti-gen Abschlüsse zu machen. Wir sind heute sehr gut in derLage, Leistungsschwächeren in dieser Gesellschaft ent-sprechende Hilfe zuteil werden zu lassen. Wir habenaber ein Defizit bei den Leistungsstarken. Die Begab-tenförderung ist schon im Schulbereich nicht unendlich

gut, und auch im Hochschulbereich sind dort durchausnoch Verbesserungen möglich.

Meine Damen und Herren, schämen wir uns bitte nicht,auch wieder von Leistungseliten zu sprechen, denn wirbrauchen sie ganz dringend. Wir werden unsere wirt-schaftlichen Probleme erst dann richtig in den Griff be-kommen, wenn wir so viele Nobelpreisträger haben, wiewir im Moment Olympiasieger vorzuweisen haben. Ichdanke Ihnen.

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsident Friedrich:

Ich danke Herrn Schwäblein. Als nächsten Redner bitteich Herrn Minister Dr. Schuchardt nach vorn.

Dr. Schuchardt, Minister für Wissenschaft,Forschung und Kultur:

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren,zunächst vorab, wenn ich heute nicht mit der gewohntenkräftigen Stimme zu Ihnen spreche,

(Zwischenrufe aus der CDU- und SPD-Fraktion: Oh, oh.)

dann ist das nicht etwa, daß mir die Thematik die Spra-che verschlagen hätte, es ist ganz schlicht eine Erkäl-tung. Der vorliegende Antrag der PDS-Fraktion ist ausmeiner Sicht überflüssig.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Es sind einige Dinge enthalten, die sind aus meiner Sichtrichtig, es sind einige Dinge enthalten, die sind aus meinerSicht weniger richtig, einige sind sehr mißverständlich.

Meine Damen und Herren, nehmen Sie bitte zur Kenntnis,daß das Hochschulrahmengesetz den Ländern viele Freiräu-me eröffnet, auch das jetzige schon. Viele Regulierungs-möglichkeiten der Länder werden in Thüringen durchausauch genutzt im positivsten Sinne. Manche Ihrer Forderun-gen in diesem Antrag sind in Thüringen durchaus aktuellerStand, die sind in Thüringen längst gewährleistet. Ich nenneeinmal nur den problemorientierten Studienaufbau, ich nen-ne einmal die Frage der verfaßten Studentenschaften. Ande-re Dinge sind in der Novellierung des Thüringer Hoch-schulgesetzes vorgesehen, werden bald kommen. Ich mußSie ganz einfach etwas um Geduld bitten. Die Debatte zudiesen Punkten gehört dann zur Debatte der ThüringerHochschulgesetzgebung. Aber wie ich die Abgeordneten al-ler Fraktionen kenne, sind Sie natürlich längst in Kenntnisdieser Entwürfe, denn allein zwischen erstem und zweitenKabinettsdurchlauf sind diese Entwürfe zur Stellungnahmeja längst bei Betroffenen gewesen. Das heißt, dort sind Be-wertungen abgegeben worden, und der Erkenntnisstand istsehr breit darüber. Also sollten Sie z.B. auch wissen, daß

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6394 Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 72. Sitzung, 29. Januar 1998

die eingeforderte leistungsorientierte Mittelvergabe, ichglaube, Herr Dr. Zeh, Sie hatten das gefordert oder HerrDr. Häfner, durchaus vorgesehen ist und in Thüringensehr bald Realität werden soll. Überhaupt bedanke ichmich insbesondere bei Herrn Dr. Zeh, Herrn Dr. Häfnerund Herrn Enkelmann, daß Sie mir vieles vorwegge-nommen haben, so daß ich das nicht weiter ausführenmuß, wenngleich ich auch nicht mit allem einverstandenbin, was die drei Genannten hier gesagt haben, nichteinmal in jedem Punkt mit Herrn Enkelmann, daraufkomme ich gleich noch zu sprechen.

(Zwischenruf Abg. Dr. Häfner, CDU: Sehrverhalten, sehr verhalten.)

Ein weiterer Punkt, und damit möchte ich die Aufzählungdieser Beispiele beenden, ist die Frage des Teilzeitstudiums.Hier im Antrag der PDS wird so getan, als bedürfe es einersolchen Initiative, die hier verlangt wird. Hier wird unterPunkt 3 dieses Teilzeitstudium, wie gesagt, über das HRGeingefordert. Ich möchte Ihnen wirklich nur einmal ein Bei-spiel kundtun, was in der Thüringer Hochschulgesetznovel-lierung hierzu vorgesehen ist. Das betrifft den § 18: In dafürgeeigneten Studiengängen sehen Studienordnung und Stu-dienplan Regelungen vor, die insbesondere Berufstätigenoder Studierenden mit besonderen familiären Verpflich-tungen das Studium eines Studiengangs oder Teilen ei-nes Studiengangs ermöglichen. All dies wird hier nochzu beraten, zu diskutieren sein. Ich sage das nur als Bei-spiel, damit Sie erkennen, wir lassen uns in Thüringennicht bei der Reformierung unserer Hochschulgesetzge-bung aufhalten, wenngleich ich auch hoffe, daß die HRG-Novellierung zügig umgesetzt wird und uns in den nächstenWochen eine Rechtsgrundlage schafft, noch mehr zu refor-mieren, als wir ohnehin in den nächsten Monaten hier indiesem Hohen Hause vorhaben.

Meine Damen und Herren, es war etwas lustig, der Abge-ordnete Dr. Häfner sagte, er möchte sich hier überhauptnicht über Studiengebühren groß auseinandersetzen, um an-schließend in voller Breite einzusteigen und hier sofort dieFackel "Peter Glotz" zu werfen. Herr Dr. Häfner, nehmenSie doch das ganz einfach zur Kenntnis, daß die ThüringerSPD hier eine klare Aussage getroffen hat, die an Deut-lichkeit nichts zu wünschen übrigläßt. Und ich kann undich will auch überhaupt nicht verhindern, daß sich jed-weder Thüringer Rektor, aber auch andere Persönlich-keiten des öffentlichen Lebens äußern können zu Fra-gen, Studiengebühren ja oder nein. Aber nehmen Siebitte zur Kenntnis, und Sie wissen das doch, daß für dieSPD Thüringen ihre berufenen Gremien sprechen.

(Beifall bei der SPD)

Vizepräsident Friedrich:

Herr Minister, das ist Herrn Dr. Häfner eine Nachfragewert. Gestatten Sie?

Dr. Schuchardt, Minister für Wissenschaft,Forschung und Kultur:

Es ist mir immer ein Vergnügen, Herrn Dr. Häfner zuantworten.

Vizepräsident Friedrich:

Ah ja, bitte, Herr Dr. Häfner.

Abgeordneter Dr. Häfner, CDU:

Herr Minister, ich hatte nur auf den Widerspruch hinge-wiesen, der sich ergibt aus Ihrem Standpunkt, grund-sätzlich Nein zu Studiengebühren, wenn die Verfassungsagt, Hochschulen in freier Trägerschaft sind zulässig.

Dr. Schuchardt, Minister für Wissenschaft,Forschung und Kultur:

Darauf komme ich doch noch.

Abgeordneter Dr. Häfner, CDU:

Gut. Das war mein Ansatzpunkt.

Vizepräsident Friedrich:

Herr Dr. Häfner, jetzt habe ich größte Mühe, eine Fragein Ihren Ausführungen zu erkennen.

Dr. Schuchardt, Minister für Wissenschaft,Forschung und Kultur:

Ich habe schon verstanden, was er will.

Vizepräsident Friedrich:

Ja, ich nicht.

(Heiterkeit im Hause)

(Beifall bei der CDU, SPD)

Da in dem konkreten Fall das Verständnis auch des HerrnMinisters nicht eine Rolle spielt, bitte ich trotzdem, HerrDr. Häfner, zukünftig nicht Erklärungen abzugeben, wieSie es gemeint haben, sondern Fragen zu stellen. Danke.Bitte, Herr Minister.

Dr. Schuchardt, Minister für Wissenschaft,Forschung und Kultur:

Herr Dr. Häfner hat hier die Verfassung zitiert bis zu ei-nem gewissen Punkt und dargetan, daß in einem Artikelsteht, private Hochschulen sind zulässig. Ich kann esjetzt nicht wortgenau wiedergeben. Und dann hat HerrDr. Häfner gesagt, das bedeutet für mich, und dann ging esso weiter, als wäre das auch noch ein Zitat aus der Verfas-

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sung gewesen; aber das war die Schlußfolgerung von HerrnDr. Häfner und nicht die Thüringer Verfassung, daß demzu-folge Studiengebühren doch eigentlich eingeführt werdenmüßten und zulässig sein müßten. Das eben steht nicht inder Thüringer Verfassung, Herr Dr. Häfner.

(Beifall bei der SPD)

Ich versichere Ihnen, ich werde mich in meiner Treuezur Verfassung von niemandem übertreffen lassen.

(Heiterkeit bei der CDU, SPD)

Das heißt also, meine Aussage, Studiengebühren werden inThüringen nicht erhoben, ist kein Bruch einer Verfassungs-aussage, sondern im Gegenteil geltendes Thüringer Recht.Im Thüringer Hochschulgesetz steht, Studiengebühren wer-den nicht erhoben, und dabei soll es auch bleiben.

(Beifall bei der SPD)

Vizepräsident Friedrich:

Herr Minister, gestatten Sie eine Frage des HerrnDr. Häfner?

Dr. Schuchardt, Minister für Wissenschaft,Forschung und Kultur:

Ich hatte mich vorhin schon zu dieser Problematik ge-äußert, immer gern.

Abgeordneter Dr. Häfner, CDU:

Herr Minister, geben Sie mir recht, daß Ihre Schlußfolge-rung praktisch bedeutet, daß es in Thüringen keine Hoch-schule in freier Trägerschaft geben kann, denn diese Hoch-schule in freier Trägerschaft braucht ja Studiengebühren?

Dr. Schuchardt, Minister für Wissenschaft,Forschung und Kultur:

Da gebe ich Ihnen so generell nicht recht. Ich kann Ih-nen nur sagen, alle Konzepte freier oder potentieller, an-gehender freier Träger, die bisher in meinem Hause vor-gelegen haben, erwiesen sich als wenig hilfreich und alswenig sinnvoll für den Freistaat Thüringen, und wirbrauchen hier nicht über ein Phantom zu diskutieren.

(Beifall bei der SPD)

Nun habe ich, glaube ich, Ihre Fragen erschöpfend beant-wortet und möchte jetzt nur noch auf den Langzeitstu-denten eingehen, wegen dem nun angeblich Studienge-bühren eingeführt werden müßten. Ich glaube, das ange-führte Beispiel eines Gewerbeehepaars, das aus steuerlichenGründen oder aus welchen Gründen auch immer, dort überlange Zeit als Student immatrikuliert bleibt, ist wohl einganz schlechtes Beispiel. Studiengebühren verhindern doch

nicht die Langzeitstudenten, zumindest nicht die wohlha-benden Langzeitstudenten. Wer aus wohlhabenden Kreisenkommt, der zahlt, wenn er das will, auch mit links die Stu-diengebühr, die dafür erhoben wird. Studiengebührentreffen insbesondere die, die wenig vermögend sind,d.h., es wäre eine einseitige Wirkung.

(Beifall bei der SPD)

Um Langzeitstudenten zu verhindern, müssen wir ganzandere Wege gehen. Aber das ist nicht das Thema derheutigen Debatte. Wir werden uns mit Sicherheit in die-ser Problematik auch hier an dieser Stelle in diesem Ho-hen Hause wieder begegnen, wenn es um das ThüringerHochschulgesetz geht.

Meine Damen und Herren der PDS-Fraktion, hier ist eininteressanter Zungenschlag in Ihrem Antrag in Punkt 2.Da steht, die Erweiterung der Hochschulautonomie dürfenicht zu einer Dezentralisierung von Sparentscheidungenführen. Ich habe das zwei-, dreimal lesen müssen, um mirdes Tenors dieser Aussage so ganz sicher zu sein. SchauenSie, wir können doch Hochschulautonomie, Budgetierung,Flexibilisierung, Übertragbarkeit von Mitteln, all diese Din-ge können wir doch nicht in einem Jahr mal einführen oderin einigen Jahren, in fetten Jahren, und in mageren Haus-haltsjahren mal schnell wieder abschaffen und konventio-nelle Hochschulfinanzierung betreiben. Die Hochschulenfordern seit langem, seit Jahrzehnten, diese Gestaltungs-spielräume - übrigens auch mit zwei Begründungen: WennMittel zusätzlich kommen, wissen wir doch am besten, wiediese effizient eingesetzt werden müssen oder umgekehrt,wenn gespart werden muß. Wir an den Hochschulen wis-sen das doch viel besser, wo dabei dann der geringsteSchaden entsteht, als zum Beispiel Ministerialbeamte.Das heißt, wenn wir diesen Weg gehen und den Hochschu-len hier mehr Autonomie, mehr Eigenverantwortung zuwei-sen, dann bedeutet das in guten Jahren zu entscheiden, woman noch mehr tut, wo man noch mehr investiert, wo mannoch mehr gestalten kann. Es bedeutet aber andersherum inschlechten Jahren, daß man überlegen muß, wie die gesam-te Gesellschaft hier etwas haushalten muß, etwas sparenmuß. Die Hochschulen sind dann, das ist ganz klar, das räu-me ich hier ein, in der gleichen Situation, in der wir z.B. imThüringer Landtag sind, wenn wir den gesamten Landes-haushalt verantwortungsbewußt gestalten müssen. Aberdas wollten die Hochschulen, und nun sollen sie es auchbekommen mit allen Vorteilen, die das hat, aber auchmit allen Pflichten, die damit verbunden sind.

(Beifall bei der SPD)

Und wir führen das schrittweise ein; wir brechen dieseDinge nicht übers Knie; wir haben hier Experimental-phasen vorgeschoben; wir haben Erprobungsphasen anzwei ausgewählten Thüringer Hochschulen. Ich denke,wir sind hier auf einem guten Wege; und ich denke, Siewollen diese Entwicklung nicht zurückdrehen.

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Zu den Aussagen des Herrn Abgeordneten Enkelmann inRichtung Finanzminister: Ich streite mich ja nun wahrhaft

(Zwischenruf Abg. Frau Vopel, CDU: Gern!)

gern und oft mit dem Thüringer Finanzminister. Unddas muß auch so sein. Aber ich muß ihn auch in Schutznehmen, wenn er ungerechtfertigt angegriffen wird.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Richtig ist, daß wir in Fragen der Studiengebühren einenStrauß ausgefochten haben, den auch weiter ausfechtenwerden; aber daß der Thüringer Finanzminister in Fragendes Hochschulbaus nicht kooperativ sei und nicht vielSinn für die Entwicklung des Hochschulbaus in Thürin-gen hat, also davor muß ich ihn nun wirklich in Schutznehmen. Ohne die

(Beifall bei der CDU, SPD)

Mitwirkung des Thüringer Finanzministers z.B. bei der Fra-ge einer alternativen, einer vernünftigen Finanzierung fürein großes Universitätsklinikum, das wir hier in Thüringengestalten wollen, wäre ein solches Projekt auf absehbareZeit nicht durchführbar.

(Beifall bei der CDU)

Und es ist nicht das einzige Projekt, das wir hier alter-nativ, also sehr kreativ finanzieren werden.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: AußerSchmalkalden.)

Meine Damen und Herren der PDS, Sie wollen mit einemsolchen Antrag, dessen Ablehnung ich hiermit empfehle,die Landesregierung auffordern, im Bundesrat in ganz be-stimmter Weise zu agieren. Das ist in dieser Form ohnehinnicht möglich, da die Landesregierung bei ihrem Agierenim Bundesrat frei ist. Aber Sie haben hier auch eine sach-lich falsche Empfehlung dabei. Sie geben hier eine Ver-handlungsstrategie vor: "Zumindest ist zu erreichen", daß ...Das heißt, wenn ein solcher Antrag angenommen würde,würde er den Gestaltungsspielraum einer Landesregierungauch einengen. Sie fordern z.B. unter "Zumindest ist zuerreichen", also mit höchster Priorität: "Die verfaßte Stu-dierendenschaft im HRG ist festzuschreiben." Ja, was solldas? Das sind Gestaltungsspielräume, die wir im Land ha-ben. Wir haben die verfaßte Studentenschaft im ThüringerHochschulgesetz, wir werden erweiterte Regelungen in derThüringer Hochschulgesetznovelle haben. Das kann dochnicht ernsthaft für die Thüringer Landesregierung eine Prio-rität bei der Verhandlung mit anderen Ländern, mit anderenPartnern, die man sich auch suchen muß von Fall zu Fall,im Bundesrat sein. Das wären doch Irrwege,

(Beifall bei der CDU, SPD)

wenn Sie uns hier solche Verhandlungstaktiken aufzwingenwollen. Dieser Antrag ist ganz einfach nicht nur wenighilfreich, er wäre schädlich.

Und zum Schluß noch, was das BAföG betrifft: Wir kom-men hier voran, wenn auch nicht schnell genug, ich räumedas ein, ich hätte mir mehr gewünscht. Trotzdem begrüßeich, daß am 18. Dezember zwischen der Ministerpräsiden-tenkonferenz und dem Bund eine Regelung erst einmal fürskommende Jahr getroffen wurde, also fürs laufende Jahr,die ermöglicht, daß wir die Freibeträge um 6 Prozent unddie Bedarfssätze um 2 Prozent anheben, daß keine negativeEntwicklung beim BAföG eintritt. Das bedeutet nicht, daßdie Länder und der Bund nicht gleichzeitig an einer grund-legenden Reformierung des BAföG-Systems zu arbeitenhätten. Auch dazu gibt es eine Beschlußlage. Eine grundle-gende Reform soll im Jahre 1999 Fuß fassen. Hier gibt esallerdings Auffassungsunterschiede, das räume ich ein. Sei-tens der Mehrzahl der Wissenschaftsminister wird klar dasDreikörbemodell präferiert. Ich möchte das jetzt nicht aus-führen. Wir haben in diesem Hohen Hause bereits mehr-fach über diese Dinge gesprochen. Seitens der Bundes-regierung wird nach allen Verlautbarungen ein Gesetz-entwurf eingebracht werden, der wohl das Bayernmo-dell zur Grundlage hat. Diese Dinge muß man abwarten.Fakt ist jedenfalls, seitens der Wissenschaftsministerwird hart darum gerungen, das aus unserer Sicht sozialgerechteste, ausgewogene und auch durchaus finanziellneutrale Dreikörbemodell auf den Weg zu bringen. Ichhoffe, daß es gelingt, auch im Bundestagswahlkampf,im Bundestagswahljahr 1998 dieses wichtige Reform-werk voranzutreiben.

Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen für IhreAufmerksamkeit, für Ihre Nachsicht mit meiner heise-ren Stimme

(Zwischenrufe aus dem Hause: Oh,oh.)

und empfehle die Ablehnung des vorliegenden Antrags.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Vizepräsident Friedrich:

Ich danke Herrn Minister. Weitere Redemeldungen lie-gen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache, und wirkommen zur Abstimmung.

Wir stimmen über die - Drucksache 2/2549 - direkt ab.Wer der - Drucksache 2/2549 -, Antrag der Fraktion derPDS, seine Zustimmung gibt, den bitte ich um seinHandzeichen. Danke. Gegenstimmen? Danke. Stimm-enthaltungen? Danke. Damit ist dieser Antrag abge-lehnt. Dieser Tagesordnungspunkt ist geschlossen.

Mir liegt ein weiterer Antrag der Fraktion der PDS, be-treffend die heutige Tagesordnung, vor. Und zwar bean-tragt die Fraktion gemäß § 120 unserer Geschäftsord-

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 72. Sitzung, 29. Januar 1998 6397

nung, mit der notwendigen Zweidrittelmehrheit von derGeschäftsordnung abzuweichen, darauf möchte ich hin-weisen, und zwar noch in Abänderung der Geschäfts-ordnung heute eine Fragestunde anzuschließen. Exakt,Frau Abgeordnete?

(Zuruf Abg. Frau Nitzpon, PDS: Ja, ganzexakt.)

Gut, dann stimmen wir darüber ab. Wie gesagt, ich wei-se auf die Zweidrittelmehrheit für diesen Antrag hin.Wer dafür ist, daß wir in Abweichung von der Geschäfts-ordnung am heutigen Tage die Tagesordnung ergänzenund eine weitere Fragestunde durchführen, bitte ich umsein Handzeichen. Danke. Gegenstimmen? Danke. Wei-ter brauche ich nicht. Damit hat sich ...

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Wirmüssen hier weitermachen.)

Ja, das ist nicht nötig. Herr Fiedler, Geschäftsordnungbrauche ich nicht. Danke. Damit ist die Tagesordnungfür heute erledigt. Auch morgen wird keine weitere Sit-zung stattfinden.

Ich darf noch einmal daran erinnern, daß der parlamen-tarische Abend heute 19.30 Uhr stattfindet. Ich wünscheIhnen allen einen angenehmen Abend.

E n d e d e r S i t z u n g: 18.55 Uhr

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6398 Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 72. Sitzung, 29. Januar 1998

Anlage 1

Namentliche Abstimmung in der 72. Sitzungam 29.01.1998 zum Tagesordnungspunkt 1

Thüringer Gesetz zur Förderung gemeinnützigerehrenamtlicher TätigkeitGesetzentwurf der Fraktion der PDS- Drucksache 2/1598 -

1. Althaus, Dieter (CDU) 2. Arenhövel, Johanna (CDU) nein 3. Bauch, Adalbert (CDU) nein 4. Bechthum, Rosemarie (SPD) nein 5. Beck, Almuth (PDS) ja 6. Becker, Dagmar (SPD) nein 7. Böck, Willibald (CDU) nein 8. Bonitz, Peter (CDU) nein 9. Borck, Klaus (SPD) nein10. Braasch, Detlev (CDU) nein11. Dietl, Peter (PDS) ja12. Dietz, Dr. Dr. Heinrich (CDU) nein13. Diezel, Birgit (CDU) nein14. Dittes, Steffen (PDS) ja15. Doht, Sabine (SPD) nein16. Döring, Hans-Jürgen (SPD) nein17. Ellenberger, Irene (SPD) nein18. Emde, Volker (CDU) nein19. Enkelmann, Andreas (SPD) nein20. Fiedler, Wolfgang (CDU) nein21. Fischer, Dr. Ursula (PDS) ja22. Friedrich, Peter (SPD)23. Gentzel, Heiko (SPD) nein24. Gerstenberger, Michael (PDS) ja25. Goedecke, Klaus (SPD) nein26. Griese, Werner (SPD) nein27. Grüner, Günter (CDU) nein28. Grünert, Werner (CDU) nein29. Häfner, Dr. Hans-Peter (CDU) nein30. Hahnemann, Dr. Roland (PDS) ja31. Harrer, Günter (PDS)32. Heymel, Edda (SPD) nein33. Höpcke, Klaus (PDS) ja34. Illing, Konrad (CDU) nein35. Jähnke, Carmen (SPD) nein36. Jaschke, Siegfried (CDU)37. Kachel, Steffen (PDS) ja38. Kallenbach, Jörg (CDU) nein39. Klaubert, Dr. Birgit (PDS) ja40. Klaus, Dr. Christine (SPD) nein41. Köckert, Christian (CDU) nein42. Köhler, Johanna (CDU) nein43. Kölbel, Eckehard (CDU) nein44. Krauße, Horst (CDU) nein45. Kretschmer, Thomas (CDU) nein46. Künast, Dagmar (SPD) nein47. Lemke, Benno (PDS) ja

48. Lieberknecht, Christine (CDU) nein49. Lippmann, Frieder (SPD) nein50. Mäde, Dr. Dieter (SPD) nein51. Mehle, Klaus (SPD) nein52. Müller, Dr. Alfred (SPD) nein53. Neudert, Christiane (PDS) ja54. Neumann, Winfried (CDU) nein55. Nitzpon, Cornelia (PDS) ja56. Pelke, Birgit (SPD) nein57. Pidde, Dr. Werner (SPD) nein58. Pietzsch, Dr. Frank-Michael (CDU) nein59. Pohl, Günter (SPD) nein60. Preller, Andreas (SPD) nein61. Primas, Egon (CDU) nein62. Raber, Ingrid (SPD) nein63. Rieth, Helmut (SPD) nein64. Scheringer, Konrad (PDS) ja65. Schröter, Fritz (CDU)66. Schuchardt, Dr. Gerd (SPD) nein67. Schugens, Gottfried (CDU)68. Schuster, Franz (CDU)69. Schwäblein, Jörg (CDU) nein70. Seidel, Harald (SPD) nein71. Sklenar, Dr. Volker (CDU) nein72. Sonntag, Andreas (CDU) nein73. Stauch, Harald (CDU) nein74. Strödter, Dieter (SPD) nein75. Thierbach, Tamara (PDS) ja76. Trautvetter, Andreas (CDU) nein77. Ulbrich, Werner (CDU) nein78. Vogel, Dr. Bernhard (CDU) nein79. Vopel, Bärbel (CDU) nein80. Werner, Dietmar (CDU) nein81. Wetzel, Siegfried (CDU) nein82. Weyh, Kurt (SPD)83. Wildauer, Dr. Heide (PDS) ja84. Wolf, Bernd (CDU) nein85. Wunderlich, Gert (CDU) nein86. Zeh, Dr. Klaus (CDU) nein87. Zimmer, Gabriele (PDS) ja88. Zitzmann, Christine (CDU) nein

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 72. Sitzung, 29. Januar 1998 6399

Anlage 2

Namentliche Abstimmung in der 72. Sitzung am29.01.1998 zum Tagesordnungspunkt 1

Thüringer Gesetz zur Förderung gemeinnützigerehrenamtlicher TätigkeitGesetzentwurf der Fraktion der PDS- Drucksache 2/1598 -hier: Entschließungsantrag der Fraktion der PDS

1. Althaus, Dieter (CDU) 2. Arenhövel, Johanna (CDU) ja 3. Bauch, Adalbert (CDU) nein 4. Bechthum, Rosemarie (SPD) ja 5. Beck, Almuth (PDS) ja 6. Becker, Dagmar (SPD) ja 7. Böck, Willibald (CDU) Enthaltung 8. Bonitz, Peter (CDU) ja 9. Borck, Klaus (SPD) ja10. Braasch, Detlev (CDU) ja11. Dietl, Peter (PDS) ja12. Dietz, Dr. Dr. Heinrich (CDU) ja13. Diezel, Birgit (CDU) ja14. Dittes, Steffen (PDS) ja15. Doht, Sabine (SPD) ja16. Döring, Hans-Jürgen (SPD) ja17. Ellenberger, Irene (SPD) ja18. Emde, Volker (CDU) ja19. Enkelmann, Andreas (SPD) ja20. Fiedler, Wolfgang (CDU) ja21. Fischer, Dr. Ursula (PDS) ja22. Friedrich, Peter (SPD) ja23. Gentzel, Heiko (SPD) ja24. Gerstenberger, Michael (PDS) ja25. Goedecke, Klaus (SPD) ja26. Griese, Werner (SPD) ja27. Grüner, Günter (CDU) ja28. Grünert, Werner (CDU) ja29. Häfner, Dr. Hans-Peter (CDU) ja30. Hahnemann, Dr. Roland (PDS) ja31. Harrer, Günter (PDS)32. Heymel, Edda (SPD) ja33. Höpcke, Klaus (PDS) ja34. Illing, Konrad (CDU) ja35. Jähnke, Carmen (SPD) ja36. Jaschke, Siegfried (CDU)37. Kachel, Steffen (PDS) ja38. Kallenbach, Jörg (CDU) ja39. Klaubert, Dr. Birgit (PDS) ja40. Klaus, Dr. Christine (SPD) ja41. Köckert, Christian (CDU) ja42. Köhler, Johanna (CDU) ja43. Kölbel, Eckehard (CDU) ja44. Krauße, Horst (CDU) ja45. Kretschmer, Thomas (CDU) ja46. Künast, Dagmar (SPD) ja

47. Lemke, Benno (PDS) ja48. Lieberknecht, Christine (CDU) ja49. Lippmann, Frieder (SPD) ja50. Mäde, Dr. Dieter (SPD) ja51. Mehle, Klaus (SPD) ja52. Müller, Dr. Alfred (SPD) Enthaltung53. Neudert, Christiane (PDS) ja54. Neumann, Winfried (CDU) ja55. Nitzpon, Cornelia (PDS) ja56. Pelke, Birgit (SPD) ja57. Pidde, Dr. Werner (SPD) ja58. Pietzsch, Dr. Frank-Michael (CDU) ja59. Pohl, Günter (SPD) ja60. Preller, Andreas (SPD) ja61. Primas, Egon (CDU) ja62. Raber, Ingrid (SPD) ja63. Rieth, Helmut (SPD) ja64. Scheringer, Konrad (PDS) ja65. Schröter, Fritz (CDU)66. Schuchardt, Dr. Gerd (SPD) ja67. Schugens, Gottfried (CDU)68. Schuster, Franz (CDU)69. Schwäblein, Jörg (CDU) Enthaltung70. Seidel, Harald (SPD) ja71. Sklenar, Dr. Volker (CDU) ja72. Sonntag, Andreas (CDU) ja73. Stauch, Harald (CDU) ja74. Strödter, Dieter (SPD) ja75. Thierbach, Tamara (PDS) ja76. Trautvetter, Andreas (CDU) ja77. Ulbrich, Werner (CDU) nein78. Vogel, Dr. Bernhard (CDU) ja79. Vopel, Bärbel (CDU) ja80. Werner, Dietmar (CDU) ja81. Wetzel, Siegfried (CDU) ja82. Weyh, Kurt (SPD)83. Wildauer, Dr. Heide (PDS) ja84. Wolf, Bernd (CDU) ja85. Wunderlich, Gert (CDU) ja86. Zeh, Dr. Klaus (CDU) ja87. Zimmer, Gabriele (PDS) ja88. Zitzmann, Christine (CDU) ja