Thümmel. Zur Beurtheilung des Donatismus. 1893.

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    THUIi'.IEL

    Donatisroiis

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    )rs^- , tom. *l, (141.2) Contra Crcscoiiium donatistam. L. II, a. 1. Tin. 9, 4()S.3) Optat. I, 17, pag'. 17.

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    54'J'liat hervorzutreten luul eine vorhandene Thatsaehe zu schaffen,von der aus man weiter gehen konnte. Ein Bischof war nichtvor Augen; er kam hchst wahrscheinlich berhaupt nichtwieder. Sein verhasster Helfershelfer Ccilian war noch Diakon;er durfte auf keinen Fall Bischof werden. Daher sandten dieNumidier eigenmchtig und gewaltthtig den Bischof Donatusvon Cas-Nigr in Numidien nach Karthago, damit er der Ver-weser des Bistums eines Abwesenden sei.

    Mensurius konnte wider Erwarten vom kaiserlichen Palastefrei ausgehen. Aber er kam doch nicht wieder nach Karthagozurck: er ist unterwegs gestorben.')

    Als die Nachricht kam, Mensurius sei gerechtfertigt vondem Kaiser gegangen, mochte der Interventor und seine Parteizunchst bestrzt sein; dieser unerwartete Ausgang Hess sieunschlssig werden und unthtig bleiben. Als dann die andere,die Todesnachricht ankam, und sicherlich zunchst dem ver-ordneten Archidiakonus Ccilian zukam, da kam dieser denGegnern zuvor und schaffte durch eiligste Wahl nun seinerseitsein fait accompli.

    Daraufhin kamen Sekundus von Tigisis und die 70 andernNumidier nach Karthago und erwhlten den Majorin als Gegen-bischof.

    Wenn wir dem Interventor diesen Ort anweisen, erscheintkeine der oben erwhnten Stellen, welche sich mit dieser Figurbefassen, grblich verletzt.

    Aus dieser Stellung des Interventors geht alsdann zweierleiunabweislich hervor: dass schon vor des MensuriusTod eine starke und bis zum Aeuss ersten ent-schlossene Opposition -Partei vorhanden war,und dass diese Partei einen leitenden Inter-ventor und damit auch ihre Intentionen aus N u -midien e r h i e 1 1.

    Wenn wir uns ferner erinnern, dass das Verfahren desCcilian adhuc diaconi" und adhuc Mensurio episcopo"nicht nur gegen die Lucilla, sondern vor allem gegen die frei-

    1) Optat. I, IT, pag. 17: jnssus est reverti; ad Carthaginem pervenirenon potiiit".

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    55willigen Mrtyrer und deren Verehrer und Freunde in Kar-tiiago gTo.^se Erbitterung- erregt hatte,') und dass er diesesVerfahren nicht anders, als unter Billigung des Mensurius hattebefolgen knnen, so kann die von Augustin und Optatus sohoch gerhmte Einigkeit der karthagischen Gemeinde unterMensurius' Episkopat doch nicht ganz ungetrbt gewesen sein.Wie berall in der kaum geschenkten Ruhezeit nach der Dio-kletianischen Verfolgung die Christen-Gemeinden ber der Fraged(;r Behandlung der Lapsi in Zwiespalt gerieten, so war auchin Karthago schon unter des Mensurius Episkopat eine Parteivorhanden gewesen, welche die Confessoren mit tibergrossenEhrenbezeugungen umgab und das Gedchtniss der Mrtyrerdemonstrativ pflegte. Hierher gehrt die Lucilla mit ihrerkirchlich noch nicht anerkannten Mrtyrer-Reliquie.

    Diese in Opposition gegen Ccilian und auch gegen Men-surius befindliche Partei war lngst latent" vorhanden; esfragt sich nur, ob sie allein von einer kirchlichen Miss-stimmung"' beseelt war, oder ob Anzeichen vorhanden sind,nach welchen auch nationale Velleitten mit der kirchlichenMissstimmung in ideale Konkurrenz" getreten waren, wennich das Verhltniss dieser beiden Stimmungen zu einander miteinem aus dem Strafrecht entnommenen, hier zutrefi'endstenAusdruck wiedergeben darf.

    Es wre Thorheit, leugnen zu wollen, dass eine kirch-liche Missstimmung vorhanden, und dass sie die erste undstrkste Triebkraft der missvergngten Partei gewesen ist.Nicht eine bewusste Verschiedenheit religiser Principientrennte die beiden Parteien der karthagischen Gemeinde vordem Tod(i des Mensurius, sondern nur eine Verschiedenheitder kirchlichen Praxis. Erst durch das Concil von Arles,dessen der bisherigen afrikanischen Praxis und Anschauungwidersprechenden Beschlssen ber die Gltigkeit der Ketzer-taufe die Katholiker sich unterwarfen, die Donatisten aberniciit, war der Kampf um religise Principien zuerst princi})iell(irfasst und substantiirt worden. Dieser Materie gesellten sichbald die andern hinzu, durch welche d(M- donatistische Streit

    1) 15ci Dil IMii. Moiiuui. p.-i^-. 150. Acta inartyriini Satiiriiiiii I. ((.Namcutlich No. XVll pag-. l(i.

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    56einen Kampf um die wiehtig-sten religisen und kirehlielienPrineipien einleiten sollte.

    Doch ich kehre zu der Frage zurck, oh die schon unter]\[ensurius vorhandene Oppositions-Partei irgend welche natio-nalen Kennzeichen an sich trgtV

    Wiederum kann ich auf diese entscheidende Frage dieAntwort nur von der Gegenfrage herleiten: warum hedurfteder in Karthago vorhandene schismatisch e Znd-stoff eines numidischen Funkens, um zu explo-diren? Hatte ich vorhin die numidischen Bischfe als dieTrger der gegen Ccilians Wahl afrikanisches Herkommenhochhaltenden Bewegung schildern mssen, so sehen wir jetztden das Schisma weckenden numidischen Eifer sich noch weitervordatiren.

    Donatus von Cas -Nigra erscheint als derjenige, der vorSekundus von Tigisis und leidenschaftlicher als dieser, der inseinem Briefwechsel mit Mensurius als ein vorsichtiger Mannzu erkennen ist, ) die Sache der Oppositions - Partei gefhrthat. Wir lesen nicht, dass ihn der Ruhm besonderer Heilig-keit umgeben habe, sondern nur, dass er aus Numidien" ge-kommen und der Urheber dieser Ketzerei gewesen sei. 2)

    Nachher, als die weitere Entwickelung des Schismas immerfestere Formen angenommen hat, ist und bleibt Numidien dasKernland der Donatisten. Wir werden nachher sehen, dassder heftigste Widerstand gegen die mit staatlicher Gewaltuntersttzten Bekehrungsknste der Katholiken und die blutig-sten Scenen in Bagai in Numidien stattfinden. Wir habenschon vorher gehrt ( 2), dass die passio des donatistischenPriesters Markulus darber klagt, dass die Verfolgung in Nu-midien mit der grssten Grausamkeit gewthet habe," ebenweil dort der nachhaltigste Widerstand geleistet wurde.

    Augustin erzhlt, dass seine Vaterstadt Thagaste in Numi-dien frher ganz donatistisch gewesen sei, und dass er erstdurch den glcklichen Umstand, dass diese Stadt, die durch

    1) Bei Du Pin. Monum. pag. 174.2) Aug. de haeresibus. Cap. 69, tom. 8, 43: Huius haeresis prin-

    cipem accipimus fuisse Donatum, qui de Numidia veniens . . . 1. q. s".

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    57verbum oder ratio von der katholischen Wahrheit nicht zuitherzeugen gewesen, sondern zur unitas Christi hatte gezwungenwerden mssen, von der Ntzlichkeit der in christlichen Dingendennoch anzuwendenden weltlichen Gewalt tiberzeugt wordenseiJ) Aber trotz dieser staatlichen Unterdrckung, muss der-selbe Augustin zugeben, sei noch immer das konsularische,d. h. das binnenlndische Numidien tiberwiegend in den Hndender Donatisten. -)Auf dem Keligions - Gesprche selbst kann denn auch derdonatistische Bischofvon Constantine, Petilianus, unwidersprochensagen, dass sie in Numidien noch immer bei weitem die Majo-ritt seien/^)

    Nicht nur um sich herum musste Augustin die verhassteSecte sehen, sondern sogar in seiner Familie waren Donatisten.Der 52. Brief ist an einen donatistischen Verwandten Serverinnsgerichtet, um denselben hertiberzuziehen. Nach einigen dog-matischen Errterungen bricht der Briefschreiber endlich indie Klage aus: nescio quae carnalis consuetudo ibi vos tenet."'')Der bezeichnende Ausdruck: carnalis consuetudo ibi vos tenetbelehrt uns, dass in Numidien der Donatismus die die irdischenVerhltnisse durchdringende religise Macht, d. h. die herr-schende Kirche gewesen ist.

    Wiederum ist zu fragen: woher kam es, dass geradeNumidien die Domne des Donatismus war und bliebVund zwar das binnenlndische, das konsularische, noch mehrals das ktistenlndische, das prokbnsularische V Numidien warder Wohnsitz der autochthonen afrikanischen Bevlkerung.Die berwiegende Identitt dieser und der Donatisten kannnicht blos eine zufllige sein, sondern das Christentum, demsich dieses Volk eben mit frischester Begeisterung zugewandthatte, musste um so krftigere Wurzeln in dem Volksleben

    1) ep. 9:^, 17, tum. 2, 821): sententia mca noii erat, nisi ncraiiUMn adunitatcm Christi esse cogendiim; verbo esse ageiKhiin, ratioue viiiceiidiim.Sed liace opinio superabatur. Nain civitas mea, quaecum tota esset in parteDonati, ad unitatem catliolicani timore legiim imperialium conversa est".

    2) ep. 129, (), tom. 2, 19;{: Donatistac excepta Nuniidia c-onsulari incaeteris provinciis Africaiiis nostroruni numero facillinio siiperaiitiir'".

    :\) Bei Du Pin. Monument, pag. 277.l) ep. 52, 4, tom. 2, 195.

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    58schlagen, wenn es eben diesem Volke in einer besonderenForm geboten wurde, die von der allgemeinen (katholischen)Form des Alles invellirenden Rmerthimis verschieden war.Ich gestehe immer wieder, dass diese Erwgung nur eine Mg-lichkeit, hchstens eine Wahrscheinlichkeit bietet. Aber solange kein anderer Grund vorhanden ist, ist dieser zur Er-klrung der berwiegenden Identitt der Numidier und Dona-tisten anzuziehen. Es ist dieser Numidische Lokal -Patriotis-mus in christlichem Gewnde, den Augustin verspottet, wenner in der ennaratio in psalmum 21, 2Gi) fragt, ob etwa dieStdte Bagai und Tamugade in Numidien, die Hochburgendes Donatismus, eine Darstellung der grossen Gemeinde", inder das Lob Gottes wohne, sein sollten? Ob die Donatistendann verstummten oder nicht, so mchten sie weiter sagen,dass allein durch Numidien die Kirche gross sei."

    Ich versuche an dieser Stelle, von einigen der hervor-ragendsten Donatisten die Personalien festzustellen, ob ausdenselben ihre Zugehrigkeit zu dem Nord -Afrikanischen Ur-volke hervorgeht.

    Dass Donatus, der Bischof von Cas- Nigra, ein Numidierwar, hatten w4r gesehen-). Die hufige Benennung diesesDonatus als Numidier macht es gewiss-^), dass er seiner Ab-stammung nach ein Numidier gewesen ist, nicht ein in derProvinz Numidien geborener Rmer. Augustin war auch inNumidien, in Thagaste, geboren und w^ar Bischof einer Stadtder Provinz Numidia prokonsularis, aber wir lesen ihn nirgendsunter der Bezeichnung Numida oder de Numidia. Dass fernerdieser Donatus von Casa- Nigra wie der erste donatistischeSchismatiker, so auch auf der ersten vom Kaiser angeordneten

    1) Tom. 4, 177. Ausgabe von 1801. Der Schluss der Stelle: Siuon clicit aliquid unde obmutoscant, adhuc dicant quia magna est ecclesiasola Numidia", zu der unten Varianten geboten werden, die aber auchkeine Klarheit bieten, drfte zu lesen sein: si non aliquid e. q. s''.

    2) August, sermo 46, 39, tom. 5, 293 : Auetor totius hujus mali Nu-mida haereticus fuit''.

    3) August. Contra Crescouium donatistam 1. III, c. 2, tom. 9, tom. 9,469: qui primus extra ecclesiam sacrifieavit" brigens eine Stelle,welche die Meinung, dass Donatus als Interventor schon unter des Men-surius Episkopat fungirt habe, besttigt.

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    59Untersuchung zu Rom der energischste Vertreter der Anti-Cciliciner gewesen ist,') hatte ich ebenfalls schon erwhnt.Weiteres wissen wir ber sein Schicksal nicht; das Bildseines Charakters knnen wir aus den huHgen und heftigenAusfllen des Optatus und des Augustin gegen seinen Stolzund seine Heftigkeit nicht herausstellen.

    Der mchtigste Gegner dieses Donatus, der zu seinem Un-glck zu seinemRichter bestellt war, der Bischof Melchiadesvon Rom, fhrt in dem Liberianischen Papst - Cataloge -) dasNationale: natione Afer". Ob daraus und aus der Thatsache,dass Renegaten stets den wildesten Hass ihrer einstigen Ge-nossen erfahren mssen, zu erklren ist, dass die Donatisten,welche ja Afri sein wollten, nach dem Ausgang der RmischenUntersuchung, bei der Melchiades den Vorsitz gefhrt hatte,auch auf den Letzteren den Vorwurf der einst begangenenTradition huften V^) Ein Vorwurf, der sonst nirgends gegendiesen Rmischen Bischof erhoben worden ist.Ueber Majorin, den ersten donatistischen Bischof Karthgos,wissen wir wenig; er war ein Mitglied des KarthagischenKlerus, ein Hausfreund der Lucilla; dass er zu dem autoch-thonen Volke Nord-Afrikas seiner Abstammung nach gehrte,ist nirgends angedeutet. Ueber die Herkunft der Lucilla istuns nur bekannt, dass sie eine Spanierin war. Man nimmt an,dass sie diejenige Frau sei, in deren Haus man spter einendonatistischen Hauscaplan" nach Spanien gesandt habe. 4)

    1) Vergl. den Nachweis, dass noch Donatiis von Cas- Nigra, abernocli nicht Donatus von Karthago, der Grosse, der in Rom auftretende,verurtheilte und meist gehasstc Donatus ist, bei Voelter a. a. 0. S. 135 unten.

    2) Lipsius, Chronologie der rmischen Bischfe. Kiel is>()9. S. 278.n) August. Brevic. Collat cum Donat d. III, c. XVIIl n. :i. 4. tom. 9, ()45.4) August. Contra lit. Petiliaui 1. II, c. VIII, n. 247, tom. 9, 84(): Afri

    episcopum in Ilis))aniam domui unius nudieris ex Africa mittentes''. DieAbfassung (Ut Schritt gegen die Briefe Petilians wird in das Jahr 400gesetzt; Lucilla selbst muss, um vor dem Jahre 313 schon ein Hausgenuicht 7ai haben, damals doch schon ungefhr 25 Jahre alt gewesensein. Dann wre sie damals Augustin spricht von der Gegenwart ber 110 Jahre alt gewesen. Es wird also nur ilir Haushalt uiul ihreNacjjkonnnenschaft gewesen sein, welche die donatistischen 'rraditioiienauch in Spanien })llegte. Dies wird denn uucli an einer aiuleren Stelle

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    60Demnach wre ilir der Karthagische Boden doch allmlig- zuheiss geworden, und sie wre von dort nach Spanien zurck-gegangen. Ihre Liegenschaften in Spanien schliessen es nichtdirect aus, dass sie ihrer Abstammung nach eine Nord-Afrika-nerin gewesen wre; aber ich finde kein positives Zeugnissdafr. Die von ihr zur Schau getragene Reliquien-Abgttereiist kein speciell Numidischer Zug, aber es ist mglich, dasssie nach Adepten -Art mit dieser Aeusserlichkeit dem armenchristlichen Volke, welches berall die Reliquien-Verehrungam meisten sich angelegen sein Hess, scluneicheln wollte, demarmen Volke, unter dem sie, durch ihren Reichthum untersttzt,als ehrgeizige Frau eine Rolle spielen wollte.

    Das deutlichste Zeichen dafr, dass man Seitens der Ka-tholiker mit einer auf diesem Gebiete spter oft erprobtenrmischen Grndlichkeit bemht gewesen ist, das Andenkenund die Spuren der Donatisten zu vertilgen, ist der Umstand,dass wir ber die Herkunft selbst des grssten Donatisten,nach dem die Partei genannt wurde, den seine Anhnger mitdem Beinamen Magnus" schmckten, nichts wissen.

    Dass seine Persnlichkeit eine bedeutende gewesen seinmuss, darber kann kein Zweifel obwalten. Wenn Optatus ')sich ber seinen Hochmuth entrstet mit dem er Fremdefrage: wie steht es bei Euch mit meiner Partei?" so istdas als eine polemische Ausbeutung irgend eines Klatsches zubetrachten, wenn man die Aeusserung nicht als eine harmloseund in Harmlosigkeit berechtigte Frage eines bedeutendenPartei-Fhrers hinstellen will. Von seiner" Partei kann dannallerdings nur ein Mann reden, der sich von einer breitenvolksthmlichen Begeisterung getragen weiss ; dieser Mann musshervorgegangen sein aus demselben Volke, dessen Instinkte ermitfhlt, dessen allgemeine Gefhle er in seiner Brust zu-sammengedrngt weiss. An derselben Stelle (pag. 58 u. 59) er-hebt Optatus darber Klage, dass Donatus propter scientiammundanarum literarum in amore seculi gewesen sei; auchbesttigt: August contra Donatistas epistola cap. III u. 6, tom. 9, 394:,sancta ecclesia sola in .... et in domo vel patrimonio unius Hispanaemulieris".

    1) III, 3, pag. 58.

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    GlAugustin 1) gestellt zu, dass Donatus ein lapis pretiosus eeclesiaegewesen sei, durch sein Wissen, seine Beredsamkeit und seinSchrift -Verstndniss", selbstverstndlich nur so lange, alser den Zusammenhang mit der Kirche" noch nicht verlorenhatte. Wenn ich im nchsten Paragraphen die Schriften desDonatus-) besprechen werde, werden wir einsehen, dass diesemundanae literae, deren Kenntniss Optatus y.um Vorwurf macht,kaum berberische, auch wohl keine punischen Schriften waren,dass also die umfassende Bildung, deren Donatus der Grossesich rhmen konnte, keine besondere, nationale, sondern dieim Abendlande berwiegende rmische Bildung war. Auf demliterarischen Gebiete ist nach Lage der Sache wenig zu finden,um die einzelnen Personen als national gestempelt zu erkennen.

    Es ist bekannt, dass Donatus endlich verbannt wurde undim Exil gestorben ist. Man konnte diesen Gegner dann kraftloswerden lassen, wenn man ihn von seinem heimischen Bodenund aus dem Volke, dem er angehrte, fortnahm.Dagegen ersteht bei einer weiteren Stichprobe der Hypo-these, dass die Fhrer der Donatisten dem Boden Nord-Afrikasentstammt seien, ein schlagender Gegenbeweis in der Persn-lichkeit Parmenians. Einer der schrfsten Parteignger, denner verweist, wie wir aus Augustins drei Bchern contra epi-stolam Parmeniani erfahren, dem Tichonius seine christlicheWeite und Versnlichkeit, und zugleich, nach dem Aufgebotder ihm zu Theil gewordenen literarischen Abwehr zu schliessen,einer der erfolgreichsten donatistischen Wortfhrer, muss ersich von seinem eifrigsten Gegner Oi)tatus'^) immer wiederdaran erinnern lassen, dass er kein Afrikaner sei.

    1) Sermo 37, cap 3, ii. 3, tom. , 223.2) August, de haercs, cap. (JO, tom. 8, 43.3) 1, 5, pag. G (juia pcrcgrinus es", 11, 7, j)ag. 37. In Aiileliuung an

    Mattlius 23, 15 fragt Optatus seinen Gegner: nunKpiid nos ali(pieni ad-duximus llispanuni et (ialluniV aut nos ordinavinius ignorantibus pere-grinmn?" III, 3, pag. 5.) wiederum ,,(iui peragrinus es". Die Meinung desAlbasplnus (bei Du Pin pag. (i, Amn. 49), dass peregrinus nur einen nielitin derselben civitas gebrtigen bedeute, der desshalb auch nicht zumliiscliof dieser Stadt gewldt werden knnte, ist nicht ym belegen. Viel-mehr ist mit Du Pin, Praetatio II peregrinus dahin zu verstehen, dassParmenian berhaupt kein Afrikaner gewesen sei.

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    63(habeo contrariiim), feststellen, wo d. h. in welchen Stdtenund in welcher Gegend die kompaktere Masse dieser oder deranderen Confession wohne. Aber abgesehen davon, dass sichdie erstere Angabe nur bei einem geringen Bruchtheil der Ver-treter findet, so wissen wir nicht, wo die genannten Stdtelagen.

    Das in den allgemeinsten Umrissen sich darstellendeResultat wrde keines Falls die aus den literarischen Zeug-nissen erhobene Erkenntniss widerlegen oder ber dieselbehinausgehen krmnen, dass die Entstehung des Kartha-gischen Schismas im Jahre 313 von Numidien aus unddurch Numidier geleitet wurde, dass Numidien dasKernland der Partei ge])lieben ist, und dass namhafteFhrer der Partei, vor allen hchst wahrscheinlichDonatus der Grosse, dem Nord-Afrikanischen Volkeentstammt sind.

    5. Die Spruche.Gehrte der Kern der Douatisten eiuem niclit-latelnischen , d. li. dem ber-berischeu oder piinisclien Spracligehiete an? Gab es eine piinisclie Bibel-

    Uebersctziiug? oder eine piinisclie donatistische Litteratur?In drei Schichten so hatten wir gesehen war die

    evlk(u-ung Nord-Afrikas aufgetragen worden: Die l>erbern,die ])unischen Colonisatoren , die rmischen Eroberer. DieErsteren waren meist in dem Hinterlande geblieben; die beidenletzteren hatten sich in den Ksten- und Hauptstdten mehrdurchdrungen und vermischt.Wie haben sich bei diesem Zusammenwohnen der Vlkerdie verschiedenen Sprachen mit einander vertragen?An die Beantwortung dieser Frage muss sich sodann dieweitere anknpfen: Gehrten die Donatisten oder einKern derselben einem nicht lateinischen, d. h. demb e r b e r i s c h e n o d e r panischen S ]) r a c li g e b i e t e a V Wrdediese letztere Frage zu bejahen sein, so wre dieser Umstandein weiteres Kennzeichen eines nationalen Elementes imDonatismus.

    Die Herbern -Sprache erhielt sich auf dem Lande, das ander Grenze des nimischen Machtbereiches lag, wo die Be-wohner eine strkere Fhlung mit den jenseits dieser Grenze

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    64wohueiuleii, noch UDbezwuug-eiieii StJiinieii imterliielteii. Aberdie Berbern-Spraclie streckte ihre Auslnfcu- tief in das rmischeniul ])unische Sprachg'ebiet hinein. Selbst die fruchtbare frhin Cultur i^enonimene Insel der Trijxdis Girba (Djerba), derSitz der Karthagischen Purpur - Fabrikation," sprach und..spricht heute noch libysch." i)

    Diese Sprache ist auch Schriftsprache gewesen. Das ausdem phnicischen abgeleitete Alpliabeth, das auf der berhmtenliby-phnicischen Inschrift von Thugga-) angewandt ist, wirdvon Tissot '^) auf zwei korresi)ondirenden Seiten mit den Schrift-zeichen der heutigen Berbern zur anschaulichen Vergleichunggebracht. Eine in Algerien gefundene Inschrift in berberischerund lateinischer Sprache und Schrift^) nennt einen verab-schiedeten rmischen Veteranen, der in seiner Vaterstadt flamenperpetuus geworden sei. Der Gebrauch der berberischen Spracheund Schrift geht also bis tief in die Kaiserzeit hinein.

    Aber wir haben kein literarisches Denkmal dieser Spracheberkommen. Man kann nicht entscheiden, ob deshalb, weilsie alle verloren gegangen sind, oder weil sie nie existirthaben. Denn wenn sich auch das Volk der Berbern nur aneinem Punkte seiner Geschichte, nmlich unter dem Regimentdes Massinissa, einer politischen Entwickelung hatte nhernknnen 5), so hat uns doch Augustin ') aus ltester Zeit diesesVolkes eine Kunde von seinen Philosophen bermittelt. Werdiese Atlantici Libyci philosophi gewesen sind, welche an derSpitze der Aegyptischen, Indischen, Persischen, Chaldischen,Scythischen, Gallischen und Spanischen" Philosophen genanntwerden, w^elche auch neben Plato und Pythagoras die Weltzur Erkenntniss Gottes wohl vorbereitet htten, ist nicht fest-zustellen. Aber wir haben von den Berbern der Kaiserzeitkein Zeugniss, das auf ein literarisches Dasein ihrer Sprachein jener Zeit schliessen lsst.

    1) Momiusen a.a.O. S. G41.'2) Vergl. ber Liby-pliuicische Scliriftzeichen : Geseniiis, De ia-

    scriptione Punica-Libyca. Uiversitts- Programm. Halle 1S36.3) Tissot. a. a. 0., tom. 1, p. 518 et 519.4) Corp. Inscript. Lat. tom. YIII, 5209.5) Mommsen a. a. 0. S. 622.6) De civit. Dei, lib. VII, cap. 9, tom. 7, 233.

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    65Trotzdem wre es folsch, von diesem Satze ans die Stelhin*

    der Libyschen llrs})raclie in jener Zeit schtzen zu wollen nnddieselbe etwa als kaum der Erwhnung werth hinzustellen.Von unserem Platt -Deutsch wird man in spteren Zeiten nurwenig-e literarische Zeug'nisse vorfinden; aber es wre falsch,von diesem Umstnde aus die heutige Ausdehnung des Platt-Deutsch bestimmen zu wollen. Wenn auch die Sprachgrenzennicht so sehr durcheinander laufen, als die Mund -Arten untereinander wohnen, so hatten wir doch vorhin an einigen Beispielengesehen, dass die Auslufer des berberischen Sprachgebietessich tief unter den Gebieten der beiden anderen Sprachen hinerstreckten.

    Aber wir wissen nichts davon, dass irgendwie die christ-lichen Gedanken die Berbern -Sprache erreicht htten.

    Wir werden nachher sehen, dass die punische Sprache auseigener Initiative und mit richtigem Verstndniss christlicheGedanken neu geprgt hat; aber wir hren von keiner Berh-rung der libyschen Sprache mit dem Christenthum.

    Hierfr scheint mir folgende Erklrung die nchstliegendezu sein: Das Sprachgebiet des erberischen, wo es berhauptzusammen lag, war eben das uncivilisirteste Hinterland, warzum Theil die Wste selbst; und die Angehrigen dieses Sprach-gebietes blieben Heiden. Diejenigen Generationen, welche dasberberische Hinterland in frheren Jahrzehnten an die Ksten-und Haupt -Stdte abgegeben hatte, w^aren in sprachlicherBeziehung von der zunchst auf der untersten lagernden Volks-schicht und von deren Si)rache aufgenonnnen worden, von derpunischen. Die Urbewohner, welche sich aus den rohesten,kulturlosesten Zustnden herausgebildet hatten, hatten dieCulturwelt durch die Pforte des Punischen betreten.

    Demnach umschloss das Punische theilweise die beideneinst einander* l)efehlenden Vlker, Karthager und Berbern. Dieerste Vermischung beider Vlker hatte die Misch -Race derLil)y-Phnicier entstehen lassen. Dieselben hatten auch i)unischgesi)r()chen, d. h. die hhere Sprache liatte die tiefer stellendevca-drngt.

    Nun hatte grade das lateinische Nord-Afrika mit gn'yssterEnergie die in griechischer Si)rache ilim zugekomnuMU' christ-liche Verkndigung in lateinische Worte gefasst. Mehr noch:

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    66whrend nocli die ersten in Tloni selbst entstandenen elirist-lielieu Schriften nur in der griechischen 8i)rache den Wortschatzvorzufinden glaubten, der dem zu behandehiden Gegenstandegerecht werden knnte, hatte der Nord-Afrikanische Eifer so-fort fr das Christenthuni nicht nur die weiten Thore der la-teinischen Sprache aufgethan. sondern sogar die Nebenthr desPunischen geifuet.

    Dazu, das berberische Hinterpfrtchen zu ffnen, konnteaber auch dieser Eifer kaum schon Gelegenheit gehabt haben ;i)auch mochte denn diese Sprache war eine literaturlose der Schlssel zu dem Pfrtchen fehlen. Es war verstndiger,den geffneten Zugang zu demjenigen Theile der UrbewohnerNord -Afrikas zu beschreiten, der der allgemeinen Bildungnher und nach Bildung verlangend war, als damals schon soweit reichende Mission treiben zu wollen. Daher nahm dasChristenthum zuerst den Theil des Afrikanischen Urvolkes inAngriff, der die nchst der lateinischen hchste Sprache, diepunische, sprach.

    Wie stand es nun mit der punischen Sprache, welche zu-erst die libysche Ursprache verdrngt hatte? Die Rmer fandensie als die Cultursprache Nord -Afrikas vor, und man duldetesie als private Sprache. Das Phnicische war keine dritteReichs-, aber eine ihrem Bereich anerkannte Cultursprache."-)

    Zahlreiche Inschriften geben von ihr Kunde; und die imPoenulus des Plautus enthaltenen punischen Verse sind oft be-sprochen worden.

    Augustin =^) kennt nicht nur Punische Bcher", sonderner schtzt sie auch, da in ihnen vieles klug und weise derErinnerung aufbewahrt worden sei^'. Hatte das Punische zuseiner Zeit sogar noch eine literarische Existenz, so werdenwir den mndlichen Gebrauch dieser Sprache um so weiter

    1) Angnstin sagt, dass zu seinen Zeiten erst seit wenigen Jahreneinige der unzhligen barbarischen Vlker begonnen htten, Christen zusein. Bei den meisten derselben sei das Evangelium noch nicht gepredigtworden. Diese Vlker sind nicht die spter erwhnten interiores, qui subnulla potestate Romana sunt, sondern es sind die pacati, super quos prae-tccti a Romano imperio constituti (epist. 199, cap. 12, n. 4ti, tom. 2, 922).

    2) Mommsen a. a. 0. S. 042.ep. 1 7, 2, tom. 2, 84.

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    67ansg'edeluit seht/.en. und ebenso werden wir diese Sprachenicht ausschliesslich den untersten Volksschichten zus])rechendrfen. Die lateinische Sprache war g;ewiss nicht ])los dieamtliche, sondern sie war auch deshalb die herrschende Si)rachein den oberen Schichten, weil die allg-emeine griechische Welt-kultur in dieser Sprache Nord- Afrika erg-riffen hatte Zu er-rtern, inwieweit das Griechische dort berhaupt noch Geltunghatte, entfllt dem Bereich der mir vorliegenden Frage, 'j

    Die lateinische Sprache war in jeder Beziehung die herr-schende, aber das Punische war darum noch nicht blos ver-achtetes Patois. Ich habe oben angefhrt, dass die Schwesterdes Kaisers Septimius Severus aus Gross -Leptis nur schlechtlateinisch sprach und das Punische bevorzugte; und derJurist Ulpian nimmt an, dass eine verborum obligatio auchin punischer Sprache gltig sei.-) Das ])unische Sprach-gebiet wird zusammenhngend nur auf dem Lande und in denkleineren Stdten zu finden gewesen sein, aber es war dochauch in achtbaren Kreisen der Haupt-Stdte in Gebrauch, eineStellung, die fr das Berberische durch keine Andeutung wahr-scheinlich zu machen ist. Als Augustin ^) in einer Predigt inHippo-Kegius, einer der grsseren Stdte, ein punisches Sprch-wort anwendet, bersetzt er dasselbe, quia non omnes nostisPunice". Also waren doch Einige auch in der christlichen,katholischen Gemeinde von Hippo - Regius , die Punisch ver-standen.

    Aber die zusammenhngenden Hauptmassen des punischenSprachgebietes sind doch auf dem Lande und in den kleinenStdten zu suchen. Augustin') beklagt, dass der rechtenAustheilung des Evangelii in nostris regionibus" der Umstandhindernd im Wege stnde, dass das Lateinische wenig ver-standen wrde; und um in Fussala llipponensi territorio con-fine castellum einen geeigneten Bischof zu haben, erklrt

    1) Vergl. darber: Monimseii a.a.O. S. (i43 zu Caesars Zeiten wardas Grieclsche verbreiteter in Nordafrika als das Lateinisehe. Aber der-selbe Wille, der die hellenisehen Anfnge in (Jallien nicht aufkonnnenHess, wies Afrika dem lateiniselien Oceident zu"'.

    2) Mar(inar

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    GSAug'ustin') fr notliwendii;-, dass dersell)e ,.])uiiiea liug'iia essetinstruetus.''

    Aber nicht nur g'eograpbiseh ist der Autlieil des Christeu-tliums an dem punisehen Spraelig-ebiete zu bestimmen, sondernAug-ustin-) ist uns Gewhrsmann dafr, dass die punischeSprache auch in die Tiefe der christlichen Gedanken eingehenwollte und sich eigene Formen fr den ihr neu zukommendenchristlichen Inhalt zu schaifen bestrebt war. Er lobt es un-gemein, dass die Punier die Taufe nur mit dem Worte dasHeil", das Abendmahl nur mit dem Worte das Leben" be-zeichneten.^) Bei der geringen Kenntiss, die w-ir von demPunisehen berhaupt und von seiner Berhrung mit demChristenthum insbesondere haben, ist diese Stelle ein klarerBeweis dafr, dass die sprachbildende Kraft des Christen-thums dort schon einige Blthen getrieben hatte.

    Der christliche Antheil an dem punisehen Sprachgebietist also durchaus nicht gering anzuschlagen. Sehen wir nunirgendwo, dass die Grenzen des punisehen und des lateinischenSprachgebietes das Berberische kommt aus den oben an-gefhrten Grnden nicht in Betracht; die in Betracht kom-menden Hernbern sprechen punisch mit den Grenzen derConfessiouen zusammenfallen? Mit anderen Worten : sprachendie Katholiker tiberwiegend lateinisch, whrend sichdie Donatisten berwiegend des Punisehen bedienten?

    Nur wenige Zeugen kann ich tiber diese Fragen abhren:In der vorhin angezogenen Stelle ''), nach welcher Augustin

    nur einen des Punisehen kundigen Cleriker als Bischof nachFussala schicken will, klagt er zugleich, dass dieser Bischofdort der erste katholische Bischof sein wrde, denn bis jetztseien die plebes illic in magna multitudine hominum constitutaedem verderblichen Irrthum der Donatisten zugethan gewesen;

    1) epist. 209, 2 u. 3, tom. 2, 953.2) De peccatorum meritis et remissione. L. I, cap. 24, n. 34, tom. 10,

    128. Ausgabe von 1801.3) Munter will in seinem Buche : Primordia ecclesiae Afrikanae, Haf-

    uiae, 1S29, S. 99, die Spuren dieser Ausdriicksweisen in einer punisehenInschrift wieder erkennen.

    4) epist. 209, 2 u. 3, tom. 2, 953.

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    69dort in Fussala seien die zur Sannidung- einer katlioliseluuiGemeinde gesandten Cleriker l)eraul)t, geschlagen, geblendetund gettet*' worden. Dort also fiel donatistisebes Land undpunisehes Sprachgebiet zusammen.

    Im CG. Briefe ') beschwrt Augustin den donatistischenBischof Crispinus von Calama, der eine lndliche Besitzunggekauft und alsdann 80 bisher katholische Gutsarbeiter zurWiedertaufe bewogen hatte, von seinem terroristischen Ver-fahren abzustehen. Augustin schlgt vor, dass seine Gegenredeaufgeschrieben und den Arbeitern punisch vorgelesen und er-klrt wrde ; dann mchten sie nach eigener Wahl und, ohneeingeschchtert zu werden, sich entscheiden. Fr Augustinsteht es natrlich von vornherein fest, dass nur ein starkerusserer Zwang Katholiker in Donatisten verwandeln konnte.Ich entnehme dieser Stelle, dass die einst durch kaiserlicheGesetze gewaltsam katholisirteu Einwohner berall da leichteran den Donatismus zurckfielen, wo dieselben durch die Vor-herrschaft oder gar Alleinherrschaft der punischen Sprache mitder kirchlichen Partei des afrikanischen Sonder -Bewusstseinsnher verbunden waren.

    Die Circumcellionen sprachen meistens nur punisch-); derihnen sonst zugeschriebene Schlachtruf deo laudes oder dieBenennung, mit der sie sich selbst agonistici nannten, mgenlateinische Schlagworte gewesen sein, deren Gebrauch sie sichangewhnt hatten. Aber wir werden nachher sehen, dass dieCircumcellionen nicht ohne Weiteres dem Donatismus zuzu-weisen sind. Wohl in bedingter Weise, und insofern bedeutendie mit den Dontisten verbndeten Circumcellionen auch einenzugleich von konfessionellen Grenzen umschriebenen Theil despunischen Sprachgebietes.

    Demnach mchte es scheinen, dass die entscheidende Frage,ob die Donatisten ihrem Kerne nach zugleich Eingesessene despunischen Sprachgebietes gewesen sind, im Allgemeinen zubejahen wre.

    Ganz allgemein gehalten, entspricht diese Bejahung derWirklichkeit. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Numidier

    1) tum. 2, T.\-).'2) cpist. los, cap. ."), II. 1-1, toiii. 2, lll.

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    70den Kern der Dnatisten-Partei bildeten ; und es ist sehr walir-seheinlich, dass diese Niimidischen Donatisten meistens punisclisprachen; und es ist endlich nach den zuletzt bespro-chenen Stellen auch wahrscheinlich, dass da, wo dieChristen berwiegend punisch sprachen, sie auch do-natis tisch waren. Die Umkehrung dieses Satzes wre je-doch nicht richtig, dass berall, wo man donatistisch war, nunauch punisch gesprochen worden wre. Diese Umkehruug wreso wenig richtig, wie die Umkehrung des ersten der vorheraufgestellten Stze, dass berall, wo man donatistisch war,man auch Numidischer Abstammung gewesen wre. Nur derAusgangspunkt und die Kraft der Bewegung lag in Numidien,und die donatistischen Gedanken wurden auch in anderer, abervielleicht am heftigsten in punischer, Sprache erwogen. Aberwenn diese Gedanken auf das hohe Meer einer allgemeinenffentlichen Bedeutung hinaus fahren wollten, konnte es nurunter der Flagge des Welt-umfassenden imperium Romanumund mit den Worten der lateinischen Sprache geschehen.

    Aber wenn das punische Sprachgebiet die besondere Do-mne des Donatismus war, so musste sich diese konfes-sionelle und sprachliche Identitt doch auch irgendwie kirchlich oder theologisch darstellen. Haben wirnun irgend welche Anhaltspunkte dafr, dass der Donatismusund die punische Sprache vereint eine kirchliche oder theolo-gische Leistung hervorgebracht htte?

    Wie wir vorhin von Augustin bezeugt hrten, gab es christ-liche, wir hatten als wahrscheinlich angenommen, meist dona-tistische Gemeinden, in denen die Cleriker das punische be-herrschen mussten, um amtiren zu knnen. Demnach mssendie Gottesdienste dieser Gemeinden in punischer Sprache ge-feiert worden sein. Nun bestand aber der Gottesdienst ) zu-nchst aus der epistolischen Schrift -Verlesung, der Absingungeines Psalmes und einer evangelischen Schrift-Verlesung. Uebereinen oder ber alle drei Schrift- Abschnitte wurde alsdanngepredigt. Indem ich von der Feier der Eucharistie und allenandern kultischen Momenten absehe, so ist zunchst festzu-stellen, dass die Predigt, sollte sie ihren Zweck nicht gnzlich

    1) Vergl. z.B. August, sermo 176, l.tom 5, 950.

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    verfehlen, in diesen punischen Gemeinden auch puniseh gelulltenwerden nuisste.

    Aber wie wurde es mit den Schrift -Verlesung-en gehalten?Haben wir irgend eine Spur einer punischen Bibel -Ueber-setzungV

    Nein! wir haben auch keinen Anhaltspunkt dafr, dassetwa punische Evangeliarien oder E])istolarien existirt htten.Wenn Augustin ') z. B. in seinen Briefen an Hieronymus berdie Verderbtheit der vorhandenen Schrift-Uebersetzungen klagt,oder wenn er an einer anderen Stelle-) viele andere Ueber-setzungen aufzhlt, so wre hier der Ort, um eine vorhandenepunische Uebersetzung, oder Theile einer solchen, zu erwhnen.

    Andererseits wre es unvernnftig gewesen, der Gemeindedie Schrift-Verlesung in ihr unverstndlichem Latein zu bietenund nachher eine punische Predigt ber einen unverstandenenText zu halten.

    Daher vermuthet Munter, 3) dass in der Art, wie die Sy-nagogen verfuhren, bevor die Targumim entstanden, der punischePrediger zuerst den Schrifttext lateinisch vorgelesen, dann den-selben autoschediastisch in's Punische bersetzt und alsdannpuniseh ber denselben gepredigt habe.^) Dieses Verfahrenhtte bei ruhiger Entwickelung der Dinge im Laufe der Zeitunfehlbar zur Entstehung einer punischen Bibel - Uebersetzungfhren mssen. Die ruhige Entwickelung der Dinge fehlte,und mit der Unterdrckung des Donatismus nach dem Jahre411 war die Uhr fr diejenigen Kreise abgelaufen, die daslebhafteste Interesse an einer punischen Bibel haben mussten.Die Vandalischen Wirren kamen bald danach ber Nord-Afrika.

    Aber es htte auch trotz der grossen Unruhe im Jahr-hundert des Donatismus zu einer punischen Bibel-Uebersetzungkommen knnen, wenn der Donatismus solche Mnner punischerZunge gehabt htte, die einerseits von der Ueberzeugung durch-

    1) epist. 71, cap. 4, tora. 2, 243.2) De civit Del. Lib. XVIII, cap. 4H, tom. 7, 603.3) a. a. 0. S. 88.4) Hiermit vcrtriifj^t sich sehr wohl der Vorwurf des Optatiis (IV, 5,

    paj^. 74), dass die Doiiatisteu Schelti)r(Hii;4-teii mit der SchriftverU'siin^ ver-bunden htten. Die Scliriftverlesun^ war hiteiniseli, wurde puniseh ber-setzt und daran sclih)ss sich die donatistisch-punisclie Seheltpredij;-t.

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    72(lruiii;oii i;'eweseii waren, dass der Hestand des Ohristeutliumsin einem Volke eben auf der in seiner Sprache zu ihm redendenheilig-en Schrift beruht, und die andererseits di(^. i;-eistige Kraftbesessen htten, eine kraftvolle, das Christenthum mit demGeiste ihres Volkes vermhlende Bibelsprache hervorzubringen.

    Die Mnner fehlten, die das hohe Ziel einer in der Volks-sprache redenden Bibel erkannt und die Kraft zur Erreichungdieses Zieles besessen htten.

    Augustin sah klarer, als er immer wieder auf die Her-stellung einer allgemein anerkannten, unvernderlichen latei-nischen Uebersetzung drang; sie war nach seiner Anschauungvon Katholicitt ein festes Einigungsband fr das lateinischeAbendland.

    Wir haben nicht einmal einen Anhaltspunkt dafr, ob esder Donatismus punischer Zunge zu einer theologischen Dar-stellung gebracht hat. Walch i) hat eine klare und umfassendeUebersicht derjenigen Donatisten aufgestellt, w^elche durchihre Arbeiten und Schriften sich Verdienste um ihre Parteierworben htten.'' Unter den 17 Fhrern des Donatismus sind10 schriftstellerisch aufgetreten. Wir besitzen diese Schriften mit der einzigen Ausnahme einer des Tichonius^) nichtmehr; wir knnen den Inhalt einzelner, meistens nach denWiderlegungen bei Augustin, annhernd rekonstruiren, anderefinden sich auch nur angefhrt; aber die Texte selbst sindverloren gegangen.

    Aber alle diese Schriften waren lateinisch geschrieben.Wren sie punisch verfasst gewesen, so htten Augustin, Op-tatus, Hieronymus oder Gennadius, die von ihnen berichten,dies bemerken mssen. Von diesen 10 donatistischen Schrift-stellern sind zwei, Cresconius und Tichouius, grammatici, alsodurch ihren Beruf gewhnt, lateinisch zu reden und zu schrei-ben, Parmenian war kein Afrikaner, Makrobius und Petilianwaren frher Katholiker, der erstere sogar Cleriker, der letztereseinem Berufe nach Advokat gewesen, also auch diese drei

    1) a.a.O., 86, S. 240.2) Liber de Septem regiilis ad investigandam intelligeiitiam Scriptu-

    rarum" bei Migne. Tom. 18. Aus dieser Schrift ist jedoch fr die vor-liegende Frage nichts zu entnehmen.

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    73nmssteii sich des LatcMiiisclu'n Ix'diencn. Dciunaeli bloibcn nurfnf nl)rig", welche panisch htten schreiben kiinnen. DieSchrift des Centuriiis, von deren Existenz wir etwas wissen,war an Augustin g'erichtet, sie musste also lateinisch i^-eschriebensein, des Gaudentius Briefe an den kaiserlichen Tribun undNotar Dulcitius und au Aug-ustin waren in derselben Lage.

    Aber auch Fulgentius, Vitellius und vor allem Donatusder Grosse haben lateinisch geschrieben! Und die im dona-tistischem Interesse verfassten oder berarbeiteten Akten, dieauf die Entstehung des Donatismus Hezug haben, sind auchlateinisch auf uns gekommen.

    Selbst, wenn die Mglichkeit otfen gelassen wird, dassDonatus auch punisch geschrieben habe, und wenn die ebenfr das Latein der donatistischen Schriftsteller angefhrtenEntschuldigungen Annahme finden sollten, die Thatsache,dass wir von keiner punischen donatistischen Schrift wissen,und dass wir von einer ausgedehnten donatistischen LiteraturSpuren, sogar einen Ueberrest vorfinden, die aber nur lateinischwar, stellt fest, dass der Donatismus das Kennzeichenund Bindemittel fr ein nationales Bewusstsein, wiees in der Sprache geboten ist, nicht in seinem Aertheerkannt und nicht ergriffen hat. Donatistische Gedankenund punisches Sprachgebiet das grssere Gebiet des Dona-tismus, in dem die lateinische Sprache die herrschende war,kommt hier nicht in Betracht fielen thatschlich derHauptmasse des Letzteren auch zusammen; aber diese That-sache ist den donatistischen und punisch redenden Kreisennicht soweit zum Bewusstsein gekommen, dass sie mitklarer Erkenntniss fr ihre Sonderform des Christenthums diepunische Sondersprache als geeignetste Hlle und Waffe zu-gleich in Ans])ruch genommen htten.Und selbst wenn die theologischen Schriftsteller es erkannthtten, so bezweifele ich, dass sie alh'in und zuerst eine do-natistische })unisch(^ Literatur htten scliaffen knnen, bevornicht eine punische Bibel-Uebersetzung vorhanden war. Sicher-lich htte jene latc^ratur ohne diese Unterlage nur kurzenBestand gc^habt. Auch Luthers i)olemische Scliriften wrenoline sein(; Bibel -l'bersetzung nicht von der nachhaltigen Wir-kung gewesen, di(^ sie hatten.

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    74Das war von ilireni Staiulpiinkte aus betrachtet

    der grsste Fehler der Donatisten, dass sie blos indem Latein der oberen Schichten ihre Sache verfoch-ten, statt dass sie den punisch redenden Gegenden,aus denen ihnen immer wieder frischer, volksthm-licher ZuAvachs kam, die christliche Wahrheit inpuni scher Zunge und in donatistischer Auffassungft-eboten htten.

    , \ \ 0. Oliiulbe und Sitte.^ I Partikularisiims der Reli^-ion und Kaulibeit der Sitten bei Berbern und Kar- '^bifigeru. Ob der Ausdruck dotes bei Parmenian aus der Erinnerung an die

    J* *>ii-Eeier der conimunia sacra in Tyrus entstanden? Der iiordafrikanisclie Reli-D :i / gions - Partikularismus : sola in Africa ecclesia.

    Wenn ich im Folgenden die Untersuchung ber das Vor-kommen und ber das Maass eines nationalen Elementes imDonatismus sich durch die besondere Frage fortsetzen lasse,ob der in Nordafrika vom Christenthume vorgefundene heid-nische Glaube, und ob die durch die dortige heidnische Keli-gion gepflegten Sitten der Art waren, dass sie die dem Dona-tismus eigenthmliche Auffassung einzelner christlicher Wahr-heiten htten hervorrufen knnen, so ist hier wiederum undzuerst zu betonen, dass davon keine Rede sein darf, dass etwader Donatismus seinem geistigen Bestnde nach aus den Ge-danken eines heidnischen Glaubens und einer antochthonenSitte entstanden sei.

    Der Donatismus ist seinem Gedankengehalte nach aufchristlichem Boden gewachsen. Die beiden Hauptfragen imdonatistischen Streite: ob die Traditorenweihe und die Ketzer-taufe gltig seien oder nicht, und ob die Kirche, als dieheilige, grobe Snder bis nach erzeugter Busse auszustossenhabe, oder ob die seit Constantin sich herausbildende Staats-kirche den gnzlich vernderten Verhltnissen Rechnung zutragen habe, indem sie die Bussdisciplin nur in geringeremMaasse verwendete, sind natrliche Glieder der Entwickelungeines durchaus christlichen Problems.

    Zwar stand grade in der Zeit der Entstehung des Dona-tismus das Christenthum nicht mehr in der schroffsten Ab-

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    75leliiuuig' alles dessen, was mit dem Ileidenthume in Beziehungstand, wie in den ersten zwei Jahrhunderten seines Bestehens.Etwa die letzten vierzig- Jahre des o. Jahrhunderts hatten derchristlichen Kirche eine fast ununterbrochene Ruhe vor usserenVerfolgungen geschenkt.

    Als Diokletian im Jahre 303 aufs Neue und eine der hr-testen Verfolgungen des Christenthums erffnete, berraschtedieselbe Verhltnisse, welche eher einen friedlichen Uebergangdes Heidenthums zum Christenthum hatten erhoffen lassen.Unter diesen Verhltnissen wre es denkbar gewesen, dassheidnische Anschauungen, Gebruche und Einrichtungen einchristliches Gewand bergeworfen und dann den Gang derinner -christlichen Entwickelung modificirt htten, wie es spterunter Constantin und noch mehr unter seinen Nachfolgern

    .

    Julian natrlich ausgenommen thatschlich geschehen ist,indem mit den nunmehr in die Kirche hereinfluthenden Heidenauch ihr vterliches Heidenthum sich in etlichen Winkeln derKirche neu etablirte.

    Aber in Afrika, wo grade die Donatisten sich aus denKreisen herleiteten, die von der vorausgegangenen Verfolgungam hrtesten getroffen waren, sah man noch immer in demHeidenthum den Feind schlechthin. Grade die Donatistenwiderstrebten der Kirchenleitung, die die von der letzten Ver-folgung noch blutige Hand des Staates ergreifen wollte. Wiesollten da die Donatisten geduldet haben, dass grade in denKreis ihrer Anschauungen und Handlungen heidnische Elementesich eingeschlichen htten?Man knnte eher annehmen, dass heidnische Elemente nurgegenstzlich auf den Donatismus htten wirken knnen. DerWiderpart des Donatismus, die Kirche der Katholiker, msstevielmehr verdchtig erscheinen, auf theilweise heidnischemUntergrunde ihre Hallen erbaut zu haben. Tn allgemeinsterWeise und weil die Kirche der Katholiker sich rhmen konnte,mit der Reichskirche in Gemeinschaft zu stehen, hatte erstereallerdings Antheil an dem eben erwhnten Uebel der letzteren,dass mit den hen^influthenden Heiden auch heidnische Elementeder Anschauung sich geltend machen wollten. Das ist auch inNordafrika der Fall gew(;sen, wenn man aucli im Jahre 39Smit viek'ni Geschrei und ii-rosser Feierlichkeit die letzten Zeichen

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    76des lu'idniscben Kultus in Kartlini-o zerstrte.') Dies nherdarzutliun ist hier nielit meine Aufg*al)e. Es gengt hier, da-rauf hinzuweisen, dass sieh die Donatistisehe Kirche sicherlichgegen alle die Eintinsse gestrubt haben muss, die von demeinst mit dem riunischen Staat verbundenen Heidenthum ihrzuzukommen drohten.

    Aber eine andere Frage ist, ob sich der Donatismus der-jenigen Einwirkungen hat erwehren knnen, die aus den heid-nischen Keligionen, welche nicht mit dem rmischen Staatesolidarisch gewesen waren, ihn bedrohten? Die autochthonen,von den Rmern verdrngten, heidnischen Religionen sahen imStaate Rom ihren Feind; der Donatismus musste in der mitdiesem Staate nun immer mehr sich verbndenden Kirche derKatholiker seinen Bedrnger erblicken.

    Diese Lage der Verhltnisse htte jedoch nur ein zeit-weiliges Zusammengehen von Fall zu Fall zwischen Donatismusund mehr oder weniger autochthonem nordafrikanischem Heiden-thum bewirken, aber nicht das geistige Wesen des ersterenmodificiren knnen.

    Die Frage muss indessen anders gestellt werden: wenn derDonatismus seine Kraft aus dem Urvolke Nordafrika, aus denNumidiern empfing, zu welchem Stamme der Donatisten die zwarmit den Rmern vermischten, aber doch stets widerstrebendenUeberreste der Karthager hinzukamen, so ist zu untersuchen,ob nicht die ehemals mit dem Leben dieser Vlker aufs engsteverbundene heidnische Art ihres Glaubens und ihrer Sitten nun,da der Donatismus hauptschlich aus ihren Reihen bestndigenZuwachs erhielt, den geistigen Bestand des Donatismus inficirthat? Und umgekehrt, wenn sich in donatistischen An-schauungen und Gewohnheiten solche Zge vorfinden,die auf berberischen oder punischen Glauben undautochthone Sitten als ihre Ursprnge zurckweisen,dann sind diese Einzelzge wiederum Merkmale einesnationalen Elementes im Donatismus. Also nur um ein-zelne Zge, die einen begleitenden Umstand des aus demWiderstreit ursprnglich christlicher Gedanken entstandenen

    1) Vergl. die Scliilderimg dieses Vorganges bei Morcelli, Africachristiana. Brixen 1817. Vol. II, a. 398, pag. 338.

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    77Donatismns bezeugen sollen, kann es sieh handeln, nieht darum,den ganzen Donatismus nur aus nationaler Emprung hervor-gegangen und seine von den katholischen abweichenden Ge-danken auf nordafrikaniseher Volks - Religion basirt sein zulassen.

    In derselben Weise wie die berberische und, krftiger,die |)unisehe Sprache unter der lateinischen ihre Sonder -Exi-stenz noch lange Zeit behauptet haben, fhrten auch die Reli-gionen dieser beiden Vlker unter den von Italien importirtenGttern ihr Leben weiter. Die rmische Staats - Raison hatteauch hier die vorgefundenen heidnischen Culte fortbestehenlassen, so lange sie nicht sich in Schlupfwinkel politischerEmprung umzuwandeln Neigung zeigten.

    Entsprechend dem geringen Maasse dessen, was wir vonden Berbern berhaupt wissen, ist es nur mglich, die Religionderselben in ihren allgemeinsten Umrissen zu schildern. NachHerodot') opferten sie den Gottheiten der Sonne und desMondes; diese dem Herodot bekannt gewordenen Stmmewohnten gegen Osten. Die afrikanische Epigraphik-) lehrtuns an einigen in Mauretanien und Numidien gefundenen In-schriften, dass dort besondere Orts- und Stammes - Gottheitenverehrt wurden. Seltsamer und zugleich bezeichnender Weisegeben diese Inschriften die berberischen Namen in lateinischerSchrift wieder.Wenn der thatschliche Bestand religiser Vorstellungennicht wesentlich ber den Kreis dieser noch vorhandenen Zeug-nisse hinausging, so begngten sich die Berber mit den erstenund einfachsten Bestandtheilen einer naiven Volksreligion. Alankchmte sie als ein in religiser Beziehung fast unbeschriebenesBlatt ansehen.

    Ein besonderer Zug findet sich spter auf diesen Seiteneingetragen: wie ich oben bemerkte, hat das Volk der Berberneinmal wenigstens die Hoffnung auf ein nationales Dasein ge-habt, nmli(di unter Massinissa. Dankl)arst verehrten sptere

    1) IV, 172, 180, 1S5, 18!). Eine allgcnieiiie Aiig'abe bei Tlssot ;i. ;i. 0.,t(iiie I, pag. 470.

    2) Bei Tissot a. a. ()., tome 1, pag. iMi 490, dort iindeii sich dieeinzelnen Nuunnern des Corpus Insepritionuni Latinaruni t. \'1I angegeben,weleiie die Unterlage der Tissot'sehen Angaben bilden.

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    78Gesollleeliter ihn ud seine Naelikonnnen als Gtter. ^) AuchHerodof-) i^'iebt zu erkennen, dass schon in frheren Zeitender Toten -Cult eine Stelle in ihren religisen Vorstellungeneinnahm. Ich widerstehe jedoch der Versuchung, hiermit etwadie Keliiiuien-Abgtterei der Lucilla in Verbindung zu bringen.Toten-Cultus ist ein so allgemeines Element heidnischer Volks-Religionen, und die Reliquien -Abgtterei ist nach den Verfol-gungen ebenso in Italien und Gallien entstanden, dass man dieReliquiensucht der Lucilla nicht als besonderes nordafrikanischesHeidenthum ans})rechen kann.Es ist ferner ein Kennzeichen aller partikularistischenVolksreligionen, dass sie das Maass dessen, was man demNchsten schuldig ist, nur fr den Kreis der Volksgenossengelten lassen. Diodorus Sikulus erzhlt, dass die Berberngegen die Fremden nicht Treue, noch Gesetz hielten.Nimmt man hinzu, dass dieser Volks-Partikularismus sichnoch in den der Einzel-Stmme zersplitterte, die nach demZeugniss der Alten ^^) keinen geordneten Zusammenhang kann-ten, noch haben WTdlten; dass ferner dieses Volk, langlebigund abgehrtet, in Rauhheit der Sitten 4) den Kampf mit denBeschwerden der Wste und seine fortwhrenden Grenzkriegefhrte, so erhlt man aus diesen wenigen Zgen doch ein insich zusammenhngendes Bild der berberischen Volks-Sitte:Ein Volk erfllt mit trotzigem, isolirendem Unabhngigkeits-Geftihl, in dem man sich begngte, wenn man auch den Zu-sammenhang mit der brigen Welt und die Theilnahme anihrer fortschreitenden Cultur entbehren musste.

    Dazu hatte, wie eben bemerkt ist, jeder Stamm seine be-sondere Gottheit; und die Glieder nur dieses Stammes, abernicht die Fremden, standen unter dieser Gottheit besonderemSchutz.

    1) Vergl. die literarischen und epigraphisclien Zeugnisse hierfr beiMommsen a. a. 0. S. 632. Dazu die Stelle aus Polybius 33, 3.2) Vergl. die eben angefhrten Stellen.3) So z. B. Pomponius Mela. I, 8 : Quamquam in familias passim et

    sine lege dispersi, nihil in commune Consultant''. Dazu Tissot a. a. 0.tome I pag. 418: toute idee de nationalite en est exclue; le patriotismedu Berbere ne depasse guere la ferka".

    4) Vergl. die Schilderung derselben bei Tissot a. a. 0. 1. 1, pag. 478und 47 y.

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    79Diese nll^'emeinen 7a\^c sind mm nllerdiiig's geeignet, dass

    durch sie eliarakterisirte Volk als g-linstigsten Bodenfr einen unabhngigen Separatismus, der sich vonGott mit einer besonderen Mission betraut glaubt, er-scheinen zu lassen. Diese Zge eignen zwar jeder Keligion,die eine partikularistische Volks-Religion sein will. Wir er-kennen das ])artikularistische Judenthum im Volke Israel alsden Typus hierfr. Insofern wren also die geschildertenZge nicht etwas dem Berbern-Volke allein Zugehriges, son-dern sie bewiesen nur, dass der berberische Glaube unddie berberische Sitte die Merkmale einer partikula-ristischen Volksreligion aufwiesen.

    Mehr knnen diese allgemeinen Zge fr eine Prdis-position der Berbern fr den Donatismus nicht besagen.

    Ueber dieser autochthonen Religion Nord-Afrikas erhobensich die Tempel und Gtterbilder der Punier. Wir hatten imvorigen Paragraphen gesehen, dass die Sprache der Punierauch die Sprache derjenigen Berbern geworden war, welcheberhaui)t mit der Cultur in Verbindung traten, i) Und mitder Cultur des mchtigern Volkes zogen auch seine Gtterin die Anschauungen des berwundenen und in der Culturtiefer stehenden Volkes ein. Leichteste Arbeit mochte dasbei einem so naiven Volke, wie den Berbern, sein, dessenreligise Vorstellungen kaum aus den ersten Anfngen herausgekommen waren.

    Ich bin jedoch nicht in der Lage, thatschliche Anhalts-])unkte fr eine zwischen berberischer und punischer Religionvollzogene Miscliung nachzuweisen. Angesichts des Umstandes,dass wir von der berberischen Religion nur sehr geringe,von der Art, dem Ort und der Zeit, in denen diese sichmit der i)unischen Religion berhrt haben knnte, gar keineKenntniss haben, knnen wir nur in der allgemeinsten Weiseschliessen, dass, wie die punische S})rache in den mit ber-berischen Abknnnlingen erfllten Provinzen, Numidien undMauretanien, trotz d(;r ber sie gekommenen lateinischen

    1) Meltzer weist in seiner (iescliichte der Karthager" nach, dass derlibysclie Stamm der Klymer in kurzer Zeit von den riiniern vollstiiiidigassimilirt wordcMi sei, so dass die (iriechen ihn fr einen orientaliscluMihielten. (Bd. 1, S. :n).

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    80Sprache vorlierrsehte, mit ihr auch die pnnische Religion injene Gegenden vorgedrungen ist, wiv sich denn auch vondieser die meisten Zeugnisse dort vorfinden.

    Ein Uebergang zur punischen Keligion seitens derjenigenBerbern, die, aus dem Kreise ihres Stammes einmal entnommen,in den Bereich der berlegenen punischen Cultur gekommenwaren, konnte sich um so leichter vollziehen, als der strksteZug in dem Bilde der berberischen Religion, der Partikularis-mus, bei den Puniern in noch verstrkterem Maasse zu findenwar. Partikularistische Religionen schliessen ihre Bekennerstreng von einander ab, wenn dieselben in Haufen zusammensind, aber der Einzelne versteht und nimmt leichter das Wesender anderen Religion an. Sie bietet ihm wesentlich dasselbe,wie die vterliche Religion, in welcher Farbe, kann ihn dannweniger kmmern. Ein solcher wrde nur Neues zu lernenhaben, wenn er einer universalistischen Religion gegenber trte.

    lieber die punische Religion wissen wir nheres. Dieselbewar ein Ableger der phnicischen Religion, und sie wollte auchnichts weiter sein, lieber die letztere glaubte man einst zu-verlssige Kunde, aus den von Eusebius aufbewahrten Stckenaus Sanchuniathon ') gewinnen zu knnen. Heute nimmt manjedoch an, dass Philo von Byblus eine Euemeristische Umbiegungder alten phnicischen Volks-Religion beabsichtigt habe;'^) einallein nach diesen Fragmenten entworfenes Bild wrde alsoein schiefes sein.

    Der dnische Theologe Munter hat der Darstellung derReligion der Karthager =') eine besondere Schrift gewidmet,welche auch heute noch trotz der theilweisen aber durchdas ganze Buch zerstreuten Weiterfhrungen Meltzers^) imWesentlichen nicht berholt ist.

    Nach dieser Darstellung haben die ersten phnicischenAnsiedler ihre Gtter von Tyrus mitgebracht. Der dort herr-

    1

    1) Sanclioniatliiiis fragmenta, de cosmogouia et tlieologia PhoeicumOrelli. Lipsiae 1826. Bei Eusebius in der Praeparatio evangel. 1. I.

    2) Vergl. hierber: Baudissiu, Studien zur Semitischen Religions-Geschichte. Leipzig ISTO. I. Ueber den religionsgeschichtlichen Werthder phnicischen Geschichte Sanchuniathons.

    3) Religion der Karthager." Kopenhagen 1821.4) Geschichte der Karthager. Bd. 1.

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    81seilende Stern- und Feuerdienst sehloss sich an den Namenund die Bilder Baals oder Molochs an. Daher findet sich auchin Karthago als hchst anerkannter Tempel, in dem die Be-richte der Feldherren und Entdecker niedergelegt wurden (S.12 u. 13), der Baals - Tempel vor. Neben Baal wurde demebenfalls von Tyrus mitgebrachten Melkarth grosse Verehrungerwiesen. Er war der eigentliche punische National-Gott, der8tadtk()nig von Tyrus (S. 40). Schon die lteste Zeit indenti-ficirte den Melkarth der Punier mit dem Herkules der Griechen.Wenn dieses Gottes Fest in Tyrus begangen wurde,mussten die ph()nicischen Colonien ihre Gaben als Zeichen desandauernden Zusammenhanges mit der Mutterstadt senden;unter den Huldigungszgen war der von Karthago der reichste.(S. 52 ff.) Die communia sacra, welche die Colonien mit derMutterstadt, begingen, waren eine bestndige Erinnerung daran,dass die Coloniim ihre Gtter und damit alles, was sie in derFremde mit geistigen Banden zusammenhielt, von Tyrus mit-genommen hatten. Die Colonien brachten ihre heilige Lampeaus der Mutterstadt mit ; erlosch diese zuflliger Weise, so durftesie nur dort wieder angezndet werden." (S. 55.) Die Mutter-stadt hatte die Tochterstdte mit einer Mitgift an geistigenGaben ausgestattet ; dessen sollten die Colonien nie vergessenan dieser Erinnerung sollten sie sich stets prfen, ob sie nochnach der alten phnicisehen Weise wandelten.

    Ich stehe nicht an, aus dieser alt punischen Sitte undaus der dieser Sitte als Unterlage dienenden Anschauung her-aus einen im donatistischen Streite hinber und herber ge-worfenen bildlichen Ausdruck zu verstehen, dessen Gebrauchin diesem Sinne nach der bereinstimmenden Aussage derOptatus-Erklrer an keiner anderen Stelle der vorhergehendenkirchliehen Litteratur sich tindet, dessen Entstehung an dieserStelle daher einer P^rklrung bedarf.

    Das 2. Buch des Optatus bemht sich in seinen ersten Ka-piteln einen von Parmenian zuerst gebrauchten Ausdruck odervielmehr das durch den letzteren Bezeichnete den Donatistenab- und dem Katliolikc^ni zuzusprechen. Parmenian hatte inseiner jetzt verloren gegangenen und daher nur aus derGegensclirift des Optatus inbaltlicli zu rek(mstruirenden Schrift aufgestellt, dass die wahre Kirelie ('hristi an dotes,

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    82Gaben der der Braut Christi mitg-eg-ebenen Mitg-ift zu erkennensei. Die Bestimmung- dieser (3 dotes des Parmeniau, von denenOi)tatus nur 5 gelten lassen will, ist eine alte erux interpretumdes Optatus. Die 6 dotes des Parmenian sind:

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    .

    cathedra, eine Gabe, die in der Erwiderung des Optatussofort zur cathedra Petri wird, whrend Parmenian nur dieim Bischof berhaupt sich darstellende Lehr - Autoritt undLehr -Einheit gemeint haben wird.

    2. angelus (die Lesart annulus ist aufzugeben), d. h. nichtder Bischof, sondern der in den 7 apokalyptischen Sendschreibenerwhnte, das Taufwasser in Bewegung setzende, dem Epis-ko])at zur Seite stehende Engel. Es scheint, dass Parmeniandurch diese Beziehung auf die 7 apokalyptischen Gemeindensich gegen die Erklrung geschtzt haben wollte, dass nur dieGemeinschaft mit der Kirche Roms die Zugehrigkeit zurrechten Kirche verbrge; brigens eine nutzlose Ausflucht, da,wie Optatus und Augustin das hufig hervorheben, die Kirchen desOrients sich fr Rom und gegen die Donatisten entschieden hatten.

    3. Spiritus, der heilige Geist.4. fons, die Taufe.5. sigillum, das Taufsymbol.6. umbilicus, worunter Parmenian, den Ausdruck aus Cantic.

    Cantic. 7, 2 schpfend, den Altar verstand, whrend Optatusden richtigen Einwand erhebt, dass der umbilicus, der einTheil des Krpers sei, nicht auch ein ornamentum, ein Theilder Mitgift, sein knne.Wo diese dotes seien, da sei die rechte Kirche Christizn finden, hatte Parmenian aufgestellt, und Optatus mhtsich ab, diese Kennzeichen fr seine Kirche allein in Anspruchzu nehmen.

    Wie ist Parmenian dazu gekommen, als der Erste inder kirchlichen Literatur den Bestand an geistlichen Krften,Gaben, Verheissungen, Segnungen, der der Kirche Christi eigen,unter diesem Bilde der Mitgift einer Braut zusammenzufassen VMan wird antworten: das Hohelied habe dem Parmenian diesenAusdruck gegeben.') Ich knnte weiter fragen, woher denn Par-

    1) Eplies. 4, 8 und 5, 25 squ. sind hier nicht anzuziehen, da in dererstereu Stelle von solchen Gaben die Rede ist, die den einzelnen Menschen

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    83menian als der Erste auf diese Einle^'inig- in das Hohelied ge-kommen seiV Denn ol)wolil die Ausdeutung des Hohenliedesauf das Verhltniss Christi zur Kirche lngst im Schwangewar, so ist doch im ganzen Hohenliede von einer Mitgift undvon einzelnen Gaben dieser Mitgift nirgends die Rede. Ausser-dem fhrt nur eine der dotes des Parmenian, der umbilicus,direct auf das Hohelied zurck, die anderen sind mit keinemAusdrucke dieses Buches zu decken.

    Nun ist zwar in den eben erwhnten, von Munter i) ge-gebenen Kachweisen ber die geistliche Ausstattung, welchedie Mutterstadt Tyrus ihren Colonien mitgab, und ber diezur Erinnerung an die einstige Ausstattung gefeierten Festeund entrichteten Tribute das Wort dotes, JiQoi, jcQotxec. nichtenthalten. Aber ich bekenne mich zu der Vermuthung, dassdie punische Anschauung, nach welcher man den Bestand seinerReligion als eine Gabe und Mitgift der Mutterstadt ansah,wieder aufleben und sich der alten Ausdrcke bedienen konnteAngesichts der christlichen Wahrheit, dass Gott seiner Kircheals der Braut Christi, eine Mitgift an Krften und Segnungenverliehen habe, durch welche sie sich stets als die rechte Kirchelegitimiren sollte. Man kannte in punischen Kreisen das Wort,und man war an eine geistliche Bedeutung desselben frherg(nvohut gewesen, Parmenian erfllte das altgewohnte Wortmit christlichem Inhalt.

    Ich kehre nach diesem Exkurs dazu zurck, die Darstellungder Karthagischen Religion nach Munter wiederzugeben. ZurVerehrung sowohl des Baal, als auch des Melkarth finden wirdie schon von den Zeitgenossen verabscheute Sitte der Menschen-opfer auch in Karthago eingefhrt. Nicht nur Kriegsgefangeneoder Sklaven schlachtete man dem Gotte zu Ehren, sondern inZeiten ffentlicher Noth und Bedrngniss brachte man dieeigenen Kinder zum Opfer dar. (S. 19, 25, 26, 51).

    Bis in das 3. Jahrhundert htte sich die scheussliche Sitte,trotz aller Verbote, sogar in Karthago selbst, erhalten (S. 20, 31).verheilen sind, niclit aber der (Jemeinde als der Braut Christi. Die letztereStelle hat zwar das liild: (Jenieinde-Braut Christi, aber dort ist nicht voneiner Mitjj^ift die Rede. Und nni diese handelt es sieh hier.1) Ifelij^ion d'r Karthaj^er, S. 52 d.

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    84Nehmen wir hinzu, dass man in demselben Volke die

    Kabiren, Inkarnationen von Naturkrften, verehrte, und dassman von den Bthylien , d. h. Orakeln sieh abhno-ig fhlte,so verstehen wir, weshalb das dstere Bild der KarthagischenReligion zn allen Zeiten den umwohnenden Vlkern Graueneinflsste. (S. 153).

    Wir verstehen dann aber auch, dass die Nachkommen der-jenigen, die einst von der Sprache und von dem finsteren Aber-glauben der Punier mit umschlossen waren, die Circumcellionen,in denen noch im 4. Jahrhundert, fern von den grossen Stdtenund ihrer snftigenden Cultur, die Kauhheit ihrer Lebenslageeinen punischen Atavismus hervorbrechen Hess, sich vom Felsenherabstrzten, sich marterten und auf grausame Weise sich undandere vom Leben zum Tode brachten, dabei aber meinten,Gott einem Dienst zu thun. Ich werde im nchsten Para-graphen darthun, dass die schwrmerische Selbst -Vernichtungder Circumcellionen nicht irgend einer Art mnchischer Askeseentsprang, sondern es war ein punischer Atavismus.

    Der gleiche Zug endlich, der die alte Berbern - Religionzu einer partikularistischen gemacht hatte, findet sich verstrktim alten Punier-Glauben vor: nur fr Karthago sollte AfrikasSonne scheinen, und dazu verehrte man die punischen Gtter,dass sie die Punier in der Herrschaft Afrikas erhielten. Einberall wiederkehrender heidnischer Zug, der sich aber in demdsteren, eigensinnigen Wesen Karthagos doppelt fest einnistenmusste.

    Dieses alt- berkommene Bewusstsein von der besonderenGnade Gottes ber Afrika war der breite Untergrund, auf demdie Donatisten ihre festeste Position hatten. Wenn Augustin )ihnen immer und immer wieder vorhlt, dass ihre Behauptung,allein in Afrika sei die wahre Kirche, und : in meridic. i. e. inAfrika sei Christus, der Brutigam der Kirche in dem Hohen-liede, zur Ruhe gegangen, haltlos und unchristlich sei, w^enn

    1) Nicht nur im 9. Bande, der die eigentlich autidonatistischen Schriftenumschliesst, sind viele Seiten diesem Gedanken gewidmet, sondern wosich eine Gelegenheit dazu bietet, glaubt Angustin den Donatisten dasWiderchristliche ihres religisen Partikularismus vorhalten zu mssen. Soz.B. in den Predigten: serm. 46, 38, tom. 5, 293, serm. 47, 18, tom. , 306u. a. a. 0.

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    85er sieb nielit die Miilie verdriesseii lsst, an einigen Stellenselbst die Hegriindung- doniitistiseber rrrog-ative auf Simonvon Cyrene, der ein Afer gewesen sei, ad absurdum zu fttbren,so begreift man niebt, wie die Donatisten diesen klarsten Vor-baltungen gegenber ilire partikularistischen x\nsprebe aufrecbterbalten konnten.

    Die Donatisten vertraten andere Wabrbeiten, die einleueb-tender waren und wabrbaft ebristliehe Interessen in siebseblossen. Aber die anti-donatistisebe Polemik Augustins musssieb gegen keinen Satz so bufig wenden, als gegen den vonder alleinigen Cbristliehkeit Afrikas.

    Wollen wir niebt annebmen, dass Augustin schwerer wiegendeGegengrUnde unbeaebtet gelassen babe, um an den sebweherenbillige Triumpbe zu ernten ein Gedanke, der einem Augustingegenber fern bleiben muss, so baben sieb die Donatisten niebtgesebeut, ibr Afrikanisebes Sonderbewusstsein aueb in den An-gelegenheiten der ebristlieben Kirebe immer wieder bervorzu-kebren. Man kann tbriebte Grnde dann vorbringen, wennman weiss, dass die zu vertretende Sache auch ohne Begrn-dung feststeht.

    Die Donatisten wussten ihre Sache in dem AfrikanischenSonder -Bewusstsein breit und fest beruhend.Wenn sie an dieses Bewusstsein anklopften, geschah esauch mit den thriehtsten Stzen, so geschah es doch nie ver-gebens. Und ihr Bestreben, diese Stze in ein ebristliehes Ge-wand zu bullen, begegnete den alten P]rinnerungen der Berbernund Punier, dass Afrika von Alters her unter seiner Gtterbesonderm Schutze stand.

    Dieser Untergrund des heidnischen Partikularis-nius der alten Volks- Religionen verschaffte dem Do-natismus seine breiteste Grundlage.

    7. Die Circumcellionen.Diosclbcii sind nicht schwriuerischc Mnclio, siud iiiclit mit den Donutistcuorganisch verbunden, sondern in ilinen tritt ein sociales Element mit und

    unter den nationalen Elementen des Donatismus auf.In zwei Naebriebten hatte ich die Circumeidlionen bereits

    erwhnen mssen: dass sie i)unisch S])raehen und, dass durcheinen i)uniscben Dolmetscher mit ihnen verbandelt wurde;

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    87cellioneii agunistiei ji,'eiiaiHit zu hren wnschten, weil in derSchrift (2. Tinioth. 4, 7) von einem guten Kampfe*' die Redesei, so rede diese vorliegende Psalmstelle (132, V. 1 nach derZhlung' der heutigen Vulgata!): eeee quam bonuni et ({uamiucundum habitare fratres in unum. finvoc, enim unus dicitur"e. q. s. und daher, weil die ^lnche in Eintracht beisammenwren, hiessen die Mnche mit Recht monachi, so gut, wie dieCircumcellionen agonistici genannt wrden. Der Zusammen-hang dieser Stelle bietet also durchaus keinen Anhalt dafr,in der Nebeneinanderstellung' der Namen agonistici und mo-nachi eine Vergleiehung des Wesens dieser beiden Menschen-klassen zu erblicken.

    Aber die Erklrung bei Du Gange: Circumcelliones dicun-tur, qui sub habitu monachorum uscjue quac^ue vagantur unddie daran verknpfte Vergleiehung mit den durch verschiedeneabendlndische Synodal - Beschlsse verbotenen xvxIvqiol undil)tvei)LfJ7JTcu, den clerici vagantes der ltesten Zeit, wird sichwohl noch einige Zeit in der theologischen Literatur erhalten.Dagegen muss ich bekennen, kein Zeichen einer mnchsartigenLebensweise der Circumcellionen irgendwo gefunden zu haben.Aus dem 35. Briefe Augustins^) n. 2 ist doch nicht zu ent-nehmen, dass der seines Wandels wegen erst von den Katho-likern und dann auch von den Donatisten aufgegebene DiakonusPrimus bei den Circumcellionen wandernde Nonnen - Orden''gegrndet habe, sondern die beiden sanctimoniales sind ihmgefolgt, um an dem zuchtlosen Leben der Circumcellionentheilnehmen zu knnen.

    Melir noch: die Circumcellionen waren nicht nur keineMnche, sie waren sogar anfnglich keine Christen. Oder mitanderen Worten: die Menschen-Haufen, die mit diesem Namender Circumcellionen bezeichnet wurden, haben sich schon zu-sammengerottet in einer Zeit, als die nordafrikanischen Pro-vinzen statt des donatistischen Streites noch ein ungehinderteslleidentlium sahen. Qui autem sciunt et ante ipsas leges(d. h. vor den zur Herstellung der Einigkeit der Kirche erlas-

    1) Duac saiictlnionialcs nunc cum grcjribus circuinccllionuni iiitcrvagabundas j^rcj>cs feiniuaruni , quae proptcrca maritos habere noluoritnt,nc liabeant discii)Unam" c. q. s.

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    seiu'ii kai>

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    89wird dem hominuni geiius der Circumcellionen diese Gewohn-heit als eine zur Zeit des noch erlaubten Gtzendienstes hufig*g-ebte zugesehrieben; demnach ist anfnglich ihr Charakterein heidnischer gewesen.

    Hiergegen ist auch die verschmte donatistische Berufungauf das Beispiel des Razias) (2. Makk. 19,41), wodureli dergesuchte Mrtyrer -Tod seine Yertheidigung finde, nicht anzu-ziehen: denn ebenso sicher, wie das anfngliche Heidenthumder Circumcellionen, ist auch, dass die Donatisten, nachdemeinmal diese jene zur Hlfe gerufen hatten, 2) den wildenStreiterschaaren ein christliches Gewand umzulegen bemhtwaren. Die Berufung auf Razias ist sicherlich nicht eigenebiblische Lesefrucht der Circumcellionen gewesen, sondernGandentius hatte sie damit zu entschuldigen versucht. Oderwenn man die Bezeichnung^) ihrer Keulen als Keulen Israels"als ein Zeichen ihrer Christlichkeit citirt findet, "*) so hebtdort Augustin ausdrcklich hervor, dass, da die Zeiten derMakarianischen Verfolgung lngst vorbei seien, das Unrechtdieser Benennung der Circumcellionen heute tglich vor Augenliege. Ausserdem ist dieses biblische Wort fr eine Keuleein zwar handgreifliches, aber doch sehr usserliches Zeichenfr die Christlichkeit ihrer Trger. Es steht zu vermuten,dass es den Keulen und ihren Trgern gleichgltig war, obsie Keulen Baals oder Keulen Israels genannt wurden. Aberdenen, welche die Keulentrger in ihrem Interesse lenkenwollten, musste daran liegen, sie mit letzterem Namen genanntzu sehen.

    1) Vcrgl. Augustiii Contra Gaudontium lib. I, cap. -U, u. 'M') sq.tum.

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    90Ebenso ist die Grusstbnnel tleo laudes, welche der Circuiii-

    celliouen Sehlaoht- Geschrei gewesen ist, nicht anders aufzu-fassen, als ein usserlich ihnen vorgesagtes Partei -Wort, umsie damit kurz, aber nicht gut, zu Christen gemacht zu haben.Die Cireumcellionen sprachen punisch, und wenn Augustin') inseiner Gegenberstellung dieser mit der katholischen Formeldeo gratias sagt, dass das deo laudes der Cireumcellionen ge-frchteter sei, als Lwengebrll , so meine ich darin einenSpott ber den aus rauher punischer Kehle kommenden latei-nischen Gruss zu vernehmen.

    Wenn es richtig ist, was Schwarze 2) uns auch mit epi-graphischen Nachweisen darlegt, dass die^^e beiden Formelnein Schibbolet der kirchlichen Parteien waren, so war es sogarnthig, dass die Cireumcellionen in den lateinisch redendenGegenden diese Worte konnten und kannten. Aber wiederummochte es den Cireumcellionen gleichgltig sein, ob der Gott,dem diese laudes galten, Baal oder der Christengott war.

    Dadurch soll nicht ausgeschlossen sein, dass im Laufeder Jahre dennoch das durch die gemeinsame Notli staat-licher Bedrngung entstandene Btindniss zwischen Donatistenund Cireumcellionen einige der Letzteren, vielleicht sogar Viele,mit donatistischer Gesinnung und damit auch mit christlichenGedanken erfllte.

    Wenn eine politische Partei sich mit einer kirchlichenPartei zusammenfindet, ist eine Rckwirkung dieser auf einzelneMitglieder jener unausbleiblich, aber dieses ussere Bndnissschafft noch keine religise Umwandelung Aller.

    Die Cireumcellionen als solche waren nicht eine Abartder kirchlichen Donatisten-Partei, sie waren berhaupt keinedurch religise Motive zusammengefhrte Partei.

    Ihr Verhltniss zu den Donatisten war denn auch nur einloses, nicht ein organisirtes und noch weniger ein aus innererGleichartigkeit der Bestrebungen hervorgegangenes. Selbstwenn Augustin ^) die Cireumcellionen -Greuel den Donatisten

    1) Enarratio in psalmum 132, 11.6, tom. 4, 1732.2) a.. a. 0. S. 70.3) Epist. 133, 1. u. 2. tom. 2, 509 und 5Jl und an vielen anderen

    Stellen,

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    91zuzuschieben bemht ist, fhrt er, beide auseinanderhaltend,sie immer mit den Worten ein: Circumcelliones et eleriei do-natistarum. Dass nachher die Kogatianer sich feierlich undffentlich von den Circumcellionen lossagten, ist bekannt; dasseinzelne donatistische Bischfe es nicht daran fehlen Hessen,mit aculeis verborum auf die Circumcellionen einzudringen,muss Augustin ') selbst zugestehen. Augustin-) erzhlt endlich,dass ein kaiserliches Gesetz wider die Donatisten wohl auchdie Circumcellionen erwhne, aber dieselben gesondert anfhreund besondere Massregeln gegen diese anordne, und als aufdem Karthagischen Religions- Gesprch im Jahre 411 Seitensder Katholiker aufgestellt wird,-^) dass die Circumcellionenihre Leiden nou pro communione Donati sed pro sceleribussuis erlitten htten, wird dem von den Donatisten nicht wider-sprochen.

    Selbstverstndlich sind zahlreiche Stellen dafr anzufhren,dass die Circumcellionen sub ducibus clericis et episcopis do-natistarum ihre Schandthaten ausgefhrt haben ^), und dass diedonatistischen Bischfe sich ihrer, als einer Leibwache be-dienten''). Wre das nicht einmal der Fall, so htte die Ge-schichtschreibung die beiden Namen berhaupt nicht mit ein-ander in Verbindung bringen knnen. Aber aus dem zuvorAngefhrten geht soviel hervor, dass diese Verbindung keineorganisirte war und sich auch nirgends als auf einer innerenGleichartigkeit den Bestrebungen beruhend zeigt.

    Die Bestrebungen der Donatisten waren kirchlicher, sptertheilweise sogar religiser Art; welcher Art waren die eigent-lichen Bestrebungen der Circumcellionen? Welche Motivehatten sie sich zusammen schliessen lassen? Wie ich schonin dem 3. Paragra])hen anmeldete, so sind die Rotten derCircumcellionen als eine auf dem Lande entstandeneund verlaufende sociale Bewegung aufzufassen.

    1) epist. 108, nach 14, tom. 2, 414.2) Contra cpist. Parmcn. lib. I, 1'.). toni.

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    92Ang'ustin nennt sie ein genus lioiuinum ag-reste '), maxime

    in agris territans, ab ag-ris vaeans et vietus sui causa cellaseireumieus rnstieanas, imde et Circumcellionum nonien aceepit-),und wenn er an dieser letzteren Stelle hinzufgt, diesesgenus hominuni agreste sei jetzt ab utilibus operibus otiosum,so wrde dieser Ausdruck heute mit dem Worte ausstndig"zu bersetzen sein.

    Das vierte Jahrhundert sah eine agrarisch - socialistischeBewegung durch das ganze rmische Reich hindurchgehen.Die strkste dieser Bewegungen war die der Bagauden inGallien % aber auch Nord -Afrika, noch immer hauptschlichdie Verpflegung Roms leistend, wurde von derselben nichtverschont. Gerade dort war die Latifundien -Wirthschaft insKraut geschossen 4) ; die Lage der coloni hatte dazu getrieben,dass sie sich zusammenrotteten, \\m sich mit Gewalt derdrckenden Pachtschulden zu entledigen. In dieSen Rahmenpassen die Einzel- Zge genau hinein, welche uns Optatus^)von dem Treiben der Circumcellionen unter ihren FhrernAxido und Fasi beilufig sei bemerkt, zwei Namen vonberberischem Klang aufbewahrt hat: nulli licuit securumesse in possessionibus suis; debitorum chirographa amiserantvires; nullus creditor illo tempore exigundi habuit libertatem.domini de vehiculis suis excussi ante mancipia sua dominorumlocis sedentia serviliter cucurrerunt.''

    Diese Zge zeigen den Charakter der Circumcellionen alseinen socialistischen ; eine religise Sekte htte vielleicht dieReichen zu Fusse gehen und die Armen fahren lassen, abersie htte nicht mit dieser genauen Sorgfalt sich der Vernich-tung gerade der chirographa debitorum angenommen. Aberdie lndlichen coloni, kleine Pchter, wurden gerade durch diePacht-Schulden gedrckt.

    1) De haeresibus. cap. 69. tum. 8, 4.3.2) Contro Gaudeutium. Hb. I. cap. 28. n. 32 tom. 0, 725.3) Hertzberg, Geschichte des rmischen Kaiserreichs. Bd. II, 1. der

    Oken'schen Sammlung. S. G67 ff.4) Vergl. hierber: Julius Jung, Zur Wrdigung der agrarischen Ver-

    hltnisse in der rmischen Kaiserzeit. Historische Zeitschrift v. Sybel.Bd. 42. (neue Folge Bd. 6) S. 43. bes. S. 53 ff.

    5) lib. 3, cap. 4. pag. 60.

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    93In den Vandalen- Zeiten erscheinen die Circumcellionen

    nicht mehr als wilde Schaaren, sondern geradezu als ein Stand.Bei einer Straf- Contrihution werden sie nacli den ,.illustres,spectabiles, senatores, prineipales, saeerdotales, decuriones, ne-gotiatores, plebei", endlich circumcelliones" als die letzteniedrigste Klasse genannt. ')So erscheint in den Schaaren der Circumcellionen die do-natistische Bewegung von einem socialen Momente durchsetzt.Aber, obwohl das Motiv dieser Zusammenrottung ein socialeswar, das Material, aus dem die Schaaren sich gebildethatten, war ein national bestimmtes: es waren autoch-thone Berbern, die, von der nchst hheren Culturschicht desPunischen aufgenommen, diese Sprache sprachen, und in ihrenothdUrftigsten religisen Vorstellungen vielfach punische Ele-mente bernommen hatten, aber im Uebrigen dieselben Acker-bauer geblieben waren, als die sie unter Massinissa das Landbesessen hatten. Nur waren sie jetzt zinspflichtige Schuldnergrosser rmischer Herren oder des Staates geworden, und daherstammte ihre Noth.

    Ausser der Sprache hatte ich als Zeichen autochthonerAbstammung der Circumcellionen ihre Mordlust und Grausam-keit hingestellt. Wir hatten sogar den Zusammenhang dieserMordgier mit den noch zu der heidnischen Zeit gefeiertenGtzen-Festen und Menschen-Opfern bezeugt gefunden.

    Wiederum muss ich auch hier die Verwahrung anfgen,dass man nicht etwa die Morde und Selbstmorde der Circum-cellionen als direkte Fortsetzung des Baals -Dienstes ansehensoll, sondern die durch die Menschen-Opfer zu einemCharakterzug des Nord-Afrikanischen, berberisch-l)unischen Volkes gewordene MOrdgier bethtigte sichund wachte wieder auf in den Greuelthaten der Cir-cumcellionen.

    Ich wiederhole das Urtheil: die Greuel der Circum-cellionen waren ein liby-punischer Atavismus.

    Zwar halxni sich die Donatisten von diesen Thaten undihien Urhebern h)Sgesagt; aber doch liess sie die gemeinsame

    1) \Mct(ir opisc. Vit. Iiist. [xTsccut. Africae roc. P(^ts(*lionl

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    94Lage, dass beide im Staate ilireii Bedrnger erblicken ninssteu,immer wieder in einz^ehien Fllen sich verbnden. Diesesndniss scliloss sich immer leicht zusammen, denn seiner na-tionalen Zugehrigkeit nach musste ein groKSser Theil vrDonatisten zu den Circumcellionen sprechen : Das ist doch Heinvon meinen Beinen, und Fleisch von meinem Fleisch!

    . 8. Ein zeitlicher Lngsschnitt.Der Diakon Felix. Die Stelluui>-iialime CoustantiDS. Die Opposition desDonatns. Die Naclifolger Coustantins. Gildo. Fimiiis. Das Relig-ious-

    Gesprcli zu Karthago.Um kein Moment ausser Acht zu lassen, vrelches den

    Donatismus als mit nationalen Merkmalen versehen erkennenliesse, hatte ich im 3, Paragraphen angekndigt, neben densachlichen Querschnitten einen zeitlichen Lngsschnitt ziehenzu wollen.

    Ich werde das Jahrhundert des Donatismus, von 811 bis411, der Zeitfolge nach in der Krze perlustriren und daraufmein Augenmerk richten, wo etwa solche Personen, die in derdonatistischen Bewegung sich hervorthun, durch konkreteHandlungen in das politische Leben hinbertreten, oder woumgekehrt hervorragende Persnlichkeiten des politischen Lebensbestimmend in die Schicksale des Donatismus eingreifen. Da-bei wird mein Bestreben sich darauf richten mssen, dass ich,um im Rahmen der gestellten Aufgabe zu bleiben, nur solcheBerhrungen und Wechselwirkungen zwischen dem politischenLeben und der kirchlichen Bewegung in Betracht ziehe, welchedurch nationale Bestrebungen innerhalb der letzteren her-vorgerufen und bestimmt sind.

    In dem Ghren und Treiben innerhalb der KarthagischenGemeinde, welches der Vorbote des donatistischen Streiteswar, sehen wir einen Cleriker durch eine Broschre auf daspolitische Gebiet hinbertreten. Der Diakon Felix hatte fa-mosam nescio quam de tyranno imperatore tunc factam epi-stolam verffentlicht. >)Man hat darber gestritten, wer unter dem imperatortyrannus zu verstehen sei? Ob der Usurpator Alexander, dereine Afrikanisch gefrbte Fahne der Emprung in Karthago

    I) Optat. lib. I, 17, pag. r

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    95erhoben hatte J) oder Maxentiiis, der, in Korn residireiid, nichtminder als Usurpator geii,enti])er dem rechtmssigen Csar 8e-verus zu betrachten warV Das berwiegende Votum derHistoriker hiutet jedoch dahin. Maxentius als den Adressatendes aufrhrerischen ,.Oitenen Briefes'- anzusehen. Die Grndedafr hat zuletzt Voelter-) zusammengestellt und nachgeprft.

    Indem ich darber hinaus zur Entscheidung dieser Fragenichts beitragen zu knnen bekenne, habe ich hier zu zeigen,wie vortrefflich dazu, dass Felix fr Alexander und gegenMaxentius geschrieben habe, die Annahme nationaler Nord-Afrikanikanischer Velleitten in den Kreisen der KarthagischenGemeinde passt, aus denen das donatistische Schisma hervor-gehen sollte.

    Maxentius hatte sich zwar den Christen geneigt gezeigt,um diese immer mchtiger werdende Partei fr sich zu ge-winnen. Aber Afrika hatte die Hand des Siegers schwer fhlenmssen; Cirta und Karthago hatten schwer gebsst.^) Dagegenhatte Felix in nationalem Unwillem die Feder ergriffen.

    Aber weshalb sollte Felix zu der nationalen Partei, diespterhin die Donatisten -Partei wurde, zu zhlen sein?

    Es ist undenkbar, dass ein Cleriker der KarthagischenGemeinde als solcher gegen Maxentius schrieb, wenn nichtandere Grnde ihn dazu trieben. Denn derselbe Maxentius,der die Stadt Karthago schwer gezchtigt hatte, berhuftedie christliche Gemeinde daselbst mit Wohlthaten. Noch aufdem Karthagischen Religionsgesprche zu Karthago im Jahre411 werden Aktensthe verlesen, nach welchen der rmischeBischof Melchiades misisse diaconos cum literis Maxentii im-l)eratoris et literis praefecti praetorio ad praefectum urbis,"dass den Christen alles durch die Verfolgung Genommenewiedergegeben wrde. ^) Gegen einem Wohlthter in diesem

    1) Alexander aus Phrygicn oder Paiiiionien nahm ;U1 den Purpur an,wurde aber durch den von Maxentius wider ihn abji;esaiulten Kufius Volu-sianus besiegt. Zosinii cinnitis et exadvocati fisci bist. nova. ed. L. Mendels-sohn. Lips. 1SS7. Lib. II, 12, sq.. S. (19 ir.

    2) a. a. 0. S. 109 ff.3) (iibbon a.a.O. Ikl. 2, S. KU.4) August. l*>revic. collat. cum donatistis, d. III, caj). IS, n. IM tom. 1).(il') und Ad 2.

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    96Umfaiiii,e wre ein Cleriker olnie anders woher stammende Be-^veg'g'riinde nicht in schroffe Opposition g'etreten.

    AVie kam denn der Bischof Mensurius dazu, diesen Auf-rhrer und BeU^idig'cr des Wohlthters seiner Gemeinde inSchutz zu nehmen V Mensurius war ein vorsichtiger Herr.Diesen Eindruck wird man gewonnen haben, wenn man seinVerhalten gegenber dem Treiben der Mrtyrer-Verehrer odergegenber der Lucilla betrachtet: er Hess den Ccilian dieKastanien aus dem Feuer holen. Wie kam er nun dazu, einempolitisch Angeschuldigten sein bischfliches Asyl zu ffnen?Alan kann entweder annehmen, dass das klerikale Solidaritts-gefhl den Bischof fr seinen Diakon eintreten Hess; aber ichbezweifele, dass Mensurius ein solcher war, der ein Princij) auchauf die Gefahr eines lebensgefhrlichen Confliktes hin vertretenhtte. Oder man nimmt eine schon lngst latent vorhandeneMisstimmung" an, und aus Furcht vor Vorwrfen aus diesenKreisen, dass er schon wieder aus Liebedienerei gegen dieStaatsgew^alt den kirchlichen Interessen etwas vergeben htte,"nahm Mensurius dieses Mal den bereifrigen, national gesinntenDiakon in Schutz. Als er dann nach Rom vorgefordert war,hatte er dort nur einen Entschuldigungsgrund: Um Schlimmereszu verhten, habe er so handeln mssen."

    Bekennt man sich zu diesser Auffassung, so lsst sich auchdie weitere Entwickelung der Ereignisse leicht erklren. InRom pflegte man Emprer und Beschtzer von Emprern nichtnicht allzu glimpflich zu behandeln. Wenn Mensurius gerecht-fertigt seines Weges ziehen durfte, musste er triftigsten Grundfr seine Handlungsweise angegeben haben. Wir knnenkeinen Grund angeben, ausser dem: wenn ich diesen nicht ge-schtzt htte, wre eine erregte Opposition-Partei zum offenenSchisma bergegangen. Dann wre des Maxentius Absicht,sich auf die Christen, als auf eine fest geschlossene Partei, zusttzen, sicherlich vereitelt worden. Diese Entschuldigungmusste der Kaiser auch in seinem Interesse gelten lassen.

    So zog denn Mensurius wieder heimwrts, froh in seinerMeinung, durch kluges Laviren und vielleicht durch persnlicheLiebenswrdigkeit nicht auszugleichende Gegenstze vershntzu haben; inzwischen war die nationale Oppositions-Partei inKarthago durch das glimpfliche Davonkommen des Felix dazu

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    97ermutliig't worden, niuimelir den Interveutor aus Numidienkommen zu lassen.Am nchsten Punkte der B(^rUlirung- des kirchlichenund politischen Lebens, wodurch eine nationale Bestinmitheitdes Donatisnius zu Tag-e tritt, tritt uns die Gestalt Constantinsdes Grossen entgegen. Sollte es diesem scharfsinnigen Politikerentgangen sein, wenn der Donatisnius nationale Elemente insich bargV Finden sich in seinen Briefen oder in seinen An-ordnungen Anhaltspunkte dafr, dass er diessen Charakter desDonatismus erkannt habe?

    Constantin war wa