Tierleben der Tiefsee - forgottenbooks.com · 4 Tierleben der Tiefsee. dem, was algerische oder...
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AUG ig02
Alle Rechte, besonders das der Übersetzun g, sin d vorbehalten.
Die deutsche Tiefsee-Expedition
,die mit reichen Ergebnissen vor
1 Jahren heimkehrte,hat die Aufmerksamkeit weitester Kreise
den Tiefen des Ozeans zugewendet . Wenn in einer Zeit w affen
starrender Krieg3bereit3chaft, in der die M ittel fürWerke des Friedens
nur spärlich fließen,mehrere hunderttausend Mark vom Reiche für
e i n e wissenschaftliche Reise verausgabt werden,so müssen es Auf
gaben von großer Wichtigkeit sein,die es gilt zu lösen oder der
Lösung näher z u bringen. Von einer planmäßigen Durchforschung
der Tiefsee haben eine ganze Reihe n a turw issen schafclicherDiszipl inen
w esentliche Förderung zu erw arten ; das w eitgehendste Interesse aber
hat der Zoologe,denn in den abyssalen Regionen begegnet er
neben bekannten Gattungen vielfach gan z eigena rtigen Tierformen ,die den oberen Meeresschichten fremd sind.
Von al ters her war das Meer und seine Tierwelt nur bis zu
den Tiefen bekannt,b is zu denen der Gewerbebetrieb reichte .
Seit drei Jahrtausenden fö rdern die Perlfischer die Muscheln des
indischen Ozeans aus 1 2— 1 5 m Tiefe empor,heben im Mittelmeer
die Schw ammfischer den Badeschwamm und andere mit ihm ver
gesellschaftet lebende Tiere aus 2 5—30 m . Die An ster gilt seit
dem frühen Altertum als ein begehrenswerter Leckerbissen ; man
durchsuchte Tiefen bis zu 35 m ,um sie zu erhalten. In w eit
tieferen Regionen arbeiten die Kora llen fischer. Mit sehr e infachen
Werkzeugen,die vielle icht seit der Zeit der Phönizier kaum
merklich sich verändert haben, durchfischen sie die Küstengebiete
des Mittelmeeres bis zu 2 00 m Tiefe . Mit ihren Netz en lösen sie
nicht nur Bruchstucke von den Kora llenstöcken ab,sondern fange n
auch zahlreiche andere Tiere,die a uf den Korallen leben, und so
mancher Zoologe verdankt die Entdeckung seltener und eigen
tümlicher Formen , die unmittelbar an der Meeresoberfläche fehlen,
4Tierleben der Tiefsee .
dem,was a lgerische oder sizilianische Kora llen fischer mit ihren
Netzen gehoben haben .
Über diese n ur ganz maßigen ,durch den Gewerbebetrieb er
schlossen en Meerestiefen hinaus bl ieb die Tierwelt unbekannt.
Nur an wenigen Stellen fischte man seit langer Zeit tiefer. So
fangen die Portugiesen in der Ba i von Setuba.l mit Grundangeln
Cen trophorus-Haie in mehr als 900 m Tiefe aber ein zusammen
hängendes Bild von der Fauna der tieferen Regionen hatte man
nicht gewonn en, und es blieb der freien Pha n tasie überlassen, sie
mit Fabelw esen aller Art zu bevölkern . Die lebendige Schilderung,
die S ch i l l e r in seiner beka nnten Ballade giebt,ist sicher mehr
a ls bloß e ine ganz freie phan tastische Erfindung des Dichters selbst,sie spiegelt die Auffassung wieder
,die in weitesten naturwissen
schaftlich w en ig gebildeten Kreisen über die Tiefen des Meeres
herrschte . Auch über die verschiedenen Tierarten,die die Tiefe
bevölkern ,haben wir schon in frühen Jugendjahren uns Vorstel
lungen gebildet,die völlig unter dem Ein flusse der dichterischen
Darstellung der Verse sta nden
Das Auge mit Scha udern hin un ter sah,W ie’s von Sal aman dern un d Molchen un d Dra chenSich regt
’
i n dem furchtbaren Höhen rachen .
Freil ich sollte uns schon im elementa ren Na tmgeschichtsun ter
richt eingeschärft werden,daß Salamander und Molche im Meere
n icht vorkommen und daß es Drachen überhaupt nicht giebt .
Schwerlich aber wird sich der Gesamteindruck des Gedichtes ver
wischen lassen,daß in den Meerestiefen eine ganz seltsam ge
sta ltete,gefräßig lauernde Tierwelt herrscht.
Die wissenschaftliche Betrachtungsw eise unseres Jahrhunderts
nahm der Tiefsee die grotesken Fabeltiere,beließ ihr aber ein e
reiche Fauna,die in so manchen Merkmalen von der in höheren
Schichten lebenden Tierw elt sich unterscheidet. Eine planmäßige
Durchforschung der großen Meerestiefen hat zwar erst vor wenigen
Jahrzehnten begonnen, die ersten zuverlässigen Tiefen fän ge reichen
aber vor die Mitte des 1 8. Jahrhun derts zurück und später hob
im Jahre 1 818 J o h n R o ss aus 1 500— 1 830 m Tiefe des Polar
meeres e ine Anzahl Würmer und Stachelhäuter.
Tierleben der Tiefsee. 5
Leider gerieten diese Tha tsachen nur zu ba ld in Vergessenheit,und die anschein end mit großer Umsicht ausgeführten Unter
suchungen des englischen Zoologen Edw a r d F o rb es über die
vertikale Verbreitung der Tierw elt im Meere führten zu ga nz an
deren Ergebnissen. 1 843 berichtete F o rb e s der britischen Natur
forscherversammln n g zu Cork über seine Studien . So wie Hum
b o l d t an den Gebirgen überein a n derliegen de Hohen zon en,die
durch eine besondere Tier und Pflanzenwelt gekennzeichnet sind,unterschieden hatte
,so fand F o rb e s
,daß beim Hinabsteigen in die
Meerestiefe verschiedene faunistische Regionen sich feststellen lassen.
Er unterschied deren acht ; die letzte sollte zwischen 1 05 und 300
Faden l iegen, a lso bis in eine Tiefe von 5 50 m hinabreichen und
durch eine rasche Abnahme der lebenden Organismen ausgezeichnet
sein. Unterhalb dieser Grenze schiene alles Leben erloschen , ein
sti ller toter Raum reiche bis zum Boden der Meere Wenn wir
bedenken,daß das Weltmeer in seiner größten
“
Ausdehnung Tiefen
von mehreren tausend Metern bedeckt,daß stellenw eise Abgründe
sich finden,in die die höchsten Berge des Himalaya versenkt wer
den könnten,ohn e sie auszufüllen
,denn über ihren höchsten
Spitzen w ürde noch immer ein e Wasserschicht von 800 m lagern :
so°
ergiebt sich uns als eine Folge der F o rb es’schen Lehre daß
n ur ein verhältnismäßig kleiner oberflächlicher Teil der Meere von
Organismen bewohnt ist,weitaus der größte aber kein Leben birgt.
Diese riesigen un teren Wasserma ssen,die in etw a 5 50 m beginnen,
stellen die eigentliche Tiefsee dar.
Daß auch in diesen Regionen tierisches Leben vorkommt ,wiesen schon F o rb e s ’ Zeitgenossen
,die skan dinavischen Forscher
M i c h a e l S ar s und L o ven nach . An den steil in s Meer ab
fallenden Küsten Norw egens fa n den sie die Tiefen auch unterha lb
5 50 m bis zum Meeresgrund bewohnt. Allerdings nahm die Zahl
der Tiere in der Tiefe bedeutend ab .
So recht in Fluß kam aber doch erst die Erforschung der große n
Meerest iefen,als ma n damit began n
,Europa durch Kabel mit
an deren Weltte ilen zu verbinden . W ir finden hier den seltenen
Fall,von gewissen Zw eigen der Physik und Chemie abgesehen,
daß rein wissenschaftl iche Fragen durch bestimmte Bedürfnisse des
6 Tierleben der Tiefsee .
praktischen Lebens w esentl iche Forderung erfahren . Wo sonst
naturw issenschaftliche Theorie und Praxis des Lebens zu einander
i n Beziehung stehen,ist es in der Regel umgekehrt
,und w ir sehen
heute die Ergebnisse früherer wissenschaftlicher Forschungen in
unzähl igen Formen prakt isch ver wertet.
Schon bei den vorbereitenden Lotun gen für die Legmg des
ersten transatlantischen Kabels im Jahre 185 7 ergab sich , daß
die großen Tiefen des Ozeans von zahlreichen Organismen be
v ö lkert w erden,und auch im Mittelmeer machte man die gleichen
E rfahrungen . Als 186 1 das stellenw eise in über 2 500 m Tiefe
ruhende Kabel,das Sardinien und Algerien
,Cagliari und Bona
verband,gehoben w erden mußte
,w eil es an e iner Stelle gerissen
w ar,fand man es, obwohl es erst zwei Jahre am Meeresgrund ge
ruht hatte,mit höchst eigenartigen Würmern
,Schnecken
,Muscheln
u n d Korallen 6)besetzt.
Damit war F o rbe s ’Lehre,daß die großen Meerestiefen unbe
w ohnt seien,endgültig widerlegt
,und angeregt durch die eigen
t ümlichen Formen, die a us der Tiefe gehoben worden w aren, w an dte
sich das allgemeine zoologische Interesse der Tiefseefau n a zu .
Die Erforschung der großen Meerestiefen erfordert aber einen
reichen Aufw and a n Instrumenten und Apparaten aller Art. Der
Zoologe,der sich darauf beschränkt
,die nahe der Oberfläche frei
schw ebenden Organismen u n d die nur im seichten Küstenw asser
festsitzenden Formen zu untersuchen , kann mit verhältnismäßig
leichtem Gepäck an die See ziehen,auch w enn er ganz auf sich
allein angewiesen ist und keine zoologische Sta tion ihn gastfreund
lich aufnimmt. Ein oder z wei klein ere, schmetterlin gsn etzähn liche
Schw eben etze aus Seidengaze zur Erbeutung des schw immenden
Plan ktons , e ine Dredsche oder Scharrn etz für den Fang der am
Meeresboden wohnenden Formen re ichen als Fanggeräte im all
gemeinen aus. Je tiefer man aber fischen will,desto komplizierter
,
größer und schw erer müssen die Apparate sein , namentlich die
Dredschen und Gmn dn etze , die am tiefen Meeresboden arbeiten
sollen. Die mittelgroßen Grundnetze,die auf der deu tschen Tief
see-Expedition mit Vorliebe angew endet w urden besaßen e ine
Länge von etw a 1 0 m , der starke Eisenrahmen, an dem der Netz
Tierleben der Tiefsee.
beutel hing,w a r m weit und wurde ü berdies mit 50 kg be
schwert,um ein rascheres Sinken herbeizuführen . Bedenkt ma n ,
daß diese Netz e oft viele Zentner schw ere Lasten vom Meeres
grunde zu heben haben , so erklärt es sich ,daß statt der dicken
,
nur schwer zu lenkenden Hanfseile gegenwärtig fast allgemein
Drahtseile bei der w issen schaftlichen Tiefseefischerei geführt w er
den ’LUm genau feststellen zu konnen
,in welcher Tiefe die Tiere
schw*ebend sich aufhal ten,wendet man s innreich eingerichtete
Schließn etze an,die geschlossen ins Meer hinabgesenkt werden
,
in bestimmter Tiefe sich öffnen und beim Emporheben nach Durch
fischun g einer bestimmten Zone sich wieder schließen. Kurz,der
für die Tiefsee erforderliche Apparat wird so umfangreich und
schwerfällig,daß die Mittel des einzelnen Forschers nicht mehr
ausreichen,um ihn beschaffen zu können. Dazu kommt
,daß die
Tiefseefischerei nicht a uf jedem beliebigen Boote ausgeführt,son
d ern nur auf ein em a n sehnlichen Dampfer betrieben werden ka nn .
Die schweren,mehrere tausend Meter langen Stahlkabel
, a n denen die
großen Netze hän gen , können nur von besonderen, durch Dampf
getriebenen Win den gehoben werden und im tiefen Meeresgrund
kann das Schleppnetz nur von einem größeren Schiffe aus mit
S icherheit geführt und,w en n es mit Zentnerlasten beladen ist
,
richtig wieder emporgezogen werden .
Nicht immer ist stren g darauf geachtet worden,daß eine be
stimmte Schiffsgroße das Fischen nur bis zu einer bestimmten Tiefe
gestattet. Auch ein kleines Schiff kann a n und für sich vollkommen
seetüchtig sein ,selbst zu den w eitesten Ozeanfahrten ; sobald ma n
a ber in großen Tiefen mit schweren Netzen fischt,droht beim
Herann ahen ein es Unwetters leicht Gefahr,wenn das Netz nicht
rechtzeitig gehoben ist. Das ist freilich nicht immer möglich,denn
aus größeren Tiefen läßt sich das Netz erst in einigen Stunden
emporwinden und der Sturm kann bere its n ach einer halben
Stunde ein setz en . Dann bleibt n ur übrig,das Seil rasch zu
d urchhauen,um das Fahrzeug frei zu machen un d regieren zu
können ; Netz un d Seil gehen dabei freilich verloren. Viele Un
glücksfäfle der Fischerfahrz euge entstehen dadurch ,daß die Netze
8 Tierleben der Tiefsee.
nicht frü h genug gehoben oder aus Sorge uber ihren Verlust n icht
abgeschnitten wu rden . Und auch der Untergang des schweizer
Zoologen P o l,der am 13. März 1892 mit sein em eigen en kleinen
Dampfer Havre verließ,um nach Durchfischun g des Biska ischen
Meerbusens in s Mittelmeer zu segeln,und seither verschollen ist,
w ird wohl durch einen ähnlichen Umsta nd herbeigeführt worden
sein .
So erw eist sich also die wissenschaftliche Untersuchung der
großen Meerestiefen a ls ein so schw ieriges Beginnen , daß staatliche
Unterstützung eingreifen mußte,um sie zu fördern. Nachdem fast
alle Kulturländer der Welt mehr oder minder reiche Summen a us
sta atlichen Fonds für wissenschaftliche Meeresun tersuchun gen aus
gew orfen hatten,mußte es uns mit besonderer Gen ugthuu n g
erfüllen,a ls vor drei Jahren die deutsche Reichsregierung die Mittel
für ein so großartiges und erfolgreiches wissenschaftliches Unter
nehmen,w ie es die deutsche
,von Ch u n geleitete Tiefsee—Expedition
w ar, zu beschaffen wußte. Dem Zoologen sind nicht nur die zahl
reichen neuen Tiera rten von Wichtigkeit,die in allen von der Ex
pedition bis zu fast 6000 m Tiefe durchforschtenWasserschichten sich
fanden .. und aufs neue schlagend die Allbew ohn barkeit des Welt
meeres erw iesen ,sondern auch eine Reihe Schlußfolgerungen a ll
gemeineren Inhalts,zu denen die neugew onnenen Tha tsachen zu
führen scheinen.
Wenn man '
frü her im Widerspr uch zu diesen Tha tsa chen eine
beschränkte Verbreitung der Organismen im Meere annahm,so war
es nicht bloß zufäll ig,sondern schien durch eine Re ihe wichtiger
Gründe bedingt,daß die unbelebten Regionen etw a in 5 50 rn Tiefe
beginnen müßten. Denn während in den oberen,vom Sonnenlicht
durchleuchteten Schichten eine bunt wechseln de Mannigfaltigkeit
der Leben sbedin gn n gen herrscht, liegen die abyssa len Regionen in
ewig starrer Gleichförmigkeit da.
Die T emp e ra t u r w ird kälter,je weiter wir hinabsteigen
,um
bei 4000 m,oft noch früher
,sich fast überall dem Nullpunkt nahe
zu halten Während w ir an der Meeresoberfläche in den ver
schiedenen Zonen gewaltigen Temperaturunterschieden begegnen,
in den Tropen 32° C. im Polarmeere 3
° C. Kälte,
Tierleben der Tiefsee. 9
verschw inden in den großen Meerestiefen diese Gegensatz e,und
überall herrscht eisige Kälte .
So verhält es sich im großen offenen Weltmeer ; im Mittelmeer
aber ist die Temperaturabnahme nach der Tiefe zu eine ganz
andere. Von etw a 1000 m an findet sich hier übera ll bis z u den
beträchtlichen Tiefen von 4000 m ,in denen im Ozean unter der
gleichen geographischen Breite der Nullpunkt nahez u erreicht ist,
die gleichmäßige Temperatur von etwas über 13 C. Diese
entspricht der mittleren niedersten Wintertemperatur des mittel
län dischen Oberflächen w a35 er5 . Der Grund dieser Vemchieden heit
von Ozean und Mittelmeer liegt da rin, daß bei Gibraltar ei n unter
seeischer Höhenrücken sich stellenweise bis ka um 90 m unter den
Meeresspiegel erhebt. Das kalte,vom Pole herströmen de Unter
wasser des Ozeans findet daher in das abgeschlossen e Mittelmeer
becken keinen Eingang
Die geringe Wärme des Tiefseew assers kann an und für sich
natü rlich den Tieren den Aufenthalt nicht unmöglich machen, denn
wir wissen,daß in den Polarmeeren bei einer Temperatur von
einigen Graden unter Null stellenweise eine sehr reiche Faun a sich
entw ickelt hat. Sicher aber ist es,daß niemals typische Warm
wasserformen,sondern immer nur solche Organismen in der Tiefe
heimisch sein kön nen,die an das kalte Wasser angepaßt sind ; in
ausgesprochen ster Weise sind das die hochn ordisohen und im ant»arkt ischen Meere lebenden Tiere
Zu diesen wenig günstigen Tempera turverha ltn issen treten noch
eine An z ahl anderer physikalischer Existenzbedingungen die,wie
man meinte,die großen Tiefen für alle Organismen unbewohnbar
gestalten sollten .
Schon der ungeheure Wass e rd r uck,der in der Tiefe herrscht,
mußte,so glaubte man
,jedes lebende Wesen vernichten. Mehr
fach war beobachtet worden,daß die Instrumente
,die in beträcht
licheren Tiefen an gewendet worden waren,durch den Druck ge
l itten hatten . Die Korkscheiben am Eingang der Schleppn etzbeutel
wurden auf den dritten Teil ihres Volumens zusammengepreßt
und zeigten holz ahn lich verdichtetes Gewebe . Hölzerne Gegen
stän de verdichteten sich auf ungefähr die Hälfte . Es sind daher
IO Tierleben der Tiefsee .
gan z besondere Einrichtungen notw endig ,um die Tiefseethermo
meter und andere feinere Instrumente gegen den enormen Druck
z u schützen und in der Tiefe gebmuchsfähig zu erha lten .
Der Druck , der in jeder beliebigen Tiefe herrscht , laßt sich
ganz leicht berechnen , da unsere Gewichtseinheit , das Gramm ,
1 ccm Wasser bei 4° C. entspricht. Wir gelangen zu einem für
u nsere Zwecke ausreichend genauen Ergebnis,auch wen n w ir die
Temperaturunterschiede und die nach der Tiefe zu allerdings nur
sehr wenig merklich zunehmende Verdichtung des Wassers außer
a cht lassen und das etw as größere spezifische Gewicht des See—wa sser3 nicht weiter in Rechnung ziehen . Dann beträgt der Boden
d ruck einer W assersa ule a uf 1 qom in 10 m Tiefe 1 kg,in 4000 m
Tiefe 400 kg. Auf e iner Bodenfläche von 1 qm lasten in der
g leichen Tiefe 4000 000 kg. Nimmt man die Oberfläche eines
Menschen mit 2 qm an,so beträgt der gesamte Wasserdruck
,der
i n 4000 m Tiefe a uf ihn ausgeübt w ird,8oco 000 kg. Um von
d ieser gewaltigen Masse eine Vorstellung zu gewinnen,wollen w ir
z ur Vergleichung das Gewicht ein es Eisenbahnz uges heran ziehen,
der Lasten befördert. Beträgt das Gewicht eines Wagens 8000,
seine Belastun g 1 5 000 kg , und wiegt eine Lokomotive mit ihrem
Tender 64 000 kg, so w ürden 1 0 Lastzüge,deren jeder aus 32 Wagen
besteht,das Gewicht besitz en
,das dem Wa sserdruck entspricht
,der
i n 4000 m Tiefe a uf einem Menschen ausgeübt wird. In VVirklich
keit haben aber derartige Berechnungen nicht viel praktische Be
deutung,denn es handelt sich nicht um einen einseitig auf die
O rgan ismen der Tiefsee a usgeubten Druck,der sie vern ichten
könnte,sondern die Tiere leben allseitig umgeben und erfüllt von
demselben durch den Druck der darüberliegenden Wasserschichten
ein wenig verdichteten Medium . Da alle inneren Höhlungen des
Tierkörpers u n d alle Gewebe Wasser von der gleichen Dichtigkeit
führen,sind Druck und Gegendruck überall gleich u n d es ka nn
v on der Möglichkeit,daß die Organismen zerpreßt w ürden , keine
Rede sein . Es ist also nicht zutreffend , wenn man sich so aus
d rückt,daß die Tiefseeorganismen diese oder jene Wasserlast
» tragen « oder »schleppem müssen,denn beim »Tragen « ist ein
einseitig wirkender Druck vorhanden . Den Organismen,die an
Tierleben der Tiefsee . 1
jene Regionen angepaßt sind ,wird sich der hohe Wasserdruck in
keiner Weise störend bemerkl ich machen,und es können daher
kleine Krebse am Boden des Weltmeeres mit ihren feinen zierlichen
Beinen sonder Mühe ihre gra ziösen Sprünge ausfuhren
Der enorme \Nasserdruck, der in der Tiefe herrscht, außert sich
aber in auffälliger Weise,wen n die Tiefseetiere a n die Oberfläche
gelangen ; besonders da macht er sich bemerkbar , wo im Inneren
des Körpers a llse itig abgeschlossene, mit Luft oder anderen Gasen
erfüllte Räume sich finden . In der Tiefe sind diese auf ein geringes
Volumen zusammengepreßt. Steigt da s Tier in oberflächliche
Schichten empor,so verringert sich der Druck
,un d die Gase dehnen
sich so rasch aus,daß sie die umgebenden Gewebe zerreißen
können . Eine solche Gefahr besteht für man che Fische in der
Schwimmblase,wie die Beobachtungen lehren
,die ma n schon
l ängst an den die Tiefen der Alpenseen bewohnenden Süßwasser
fischen gemacht
Die aus den abyssischen Regionen des Meeres gehobenen Tiere
leiden natürlich umsomehr,als die Druckverschieden heiten bedeu
tend größer sind . Zarte Tiefseeorganismen,die Gasblasen enthielten
,
können buchstäblich zerfetzt an die Oberfläche gela n gen ; aber auch
da,wo keine luftführen den Räume sich finden
,kommen umfang
re iche Zerreißungen vor,wenn die Gewebe den raschen Druck
verschiedenheiten nicht schnell gen ug z u folgen vermögen . So
erbeutet man Tiefseefische häufig mit hervorgetrcten en Augen, mit
a usgestülptem Schlund und Enddarm
Es erinnert der Einwand,den man aus dem gewa ltigen Wasser
druck gegen die Bewohnbarkeit der Meerestiefen hergeleitet hat,lebhaft an die Erorterun gen , die sich an die Entdecku n g des Luft
d ruckes auf unserer Erdoberfläche knüpften . So wie jeder Körper
a uf der Erde ist auch der menschliche dem Drucke der Atmosphäre
unterw orfen. Bei einer Oberfläche von 2 qm lastet a uf einem Men
schen,der nahe der Meereshöhe unter einem Barometerstand von
760 mm lebt , ein Druck von 2 0 000 kg. Das scheint freilich auf
den ersten Anblick recht unglaublich u n d dü nkte früher selbst
Männern der Wissenschaft,wie vielen Laien auch jetzt noch
,so
absurd,daß sie die ganze Lehre vom Luftdruck verwarfen.
1 2 Tierleben der Tiefsee.
So wenig w ie w ir den Luftdruck als ein Hindernis bei unseren
Bewegungen spüren , da w ir eben allseitig umgeben und zum Teil
auch erfüllt sind von einer Luft,die unter dem gleichen Drucke
steht,so w enig behindert die Tiefseetiere der Wasserdruck. Da
gegen macht es sich auch un s zumeist recht empfindlich bemerk
bar,wenn wir uns sehr starken Veränderun gen des Luftdruckes
,
'
an den w ir in un serer Organisation angepaßt sind,aussetzen und
bei der Besteigung hoher Berge sehr verdün n te Luft aufsuchen.
Verschiedene Individuen verhalten sich dabei sehr verschieden,und
gar mancher empfindet in der gleichen Höhenregion nicht die ge
rin gsten Beschw erden , in der ein anderer unter druckenden An
zeichen der sogenannten Bergkrankheit le idet.
So wie die niedrige Temperatur u n d der hohe Druck die großen
Meerestiefen den tierischen Organismen nicht unzugänglich machen,
hindert auch n icht die c h em i sch e B es c h affe n h e i t des Tiefen
wassers,obw ohl sie mancherlei Besonderheiten aufweist , die Ent
w icklung organischen Lebens. Die Luft,die den zur Ahn ung
notwendigen Sa u e rs t o ff führt,fehlt keineswegs
,w ie man früher
annahm,in der Tiefe. Sie findet sich vielmehr auch dort
,wenn
gle ich in etw as anderer chemischer Zusammensetzung und in ge
rin gerer Menge a ls an der Oberfläche Daß die oberflächliche n
Wasserschichten sauerstoffre icher sind a ls die tieferen,erklärt sich
zur Genüge daraus,daß nur in den oberen
,vom Sonnenlicht durch
leuchteten Regionen die grünen , Sauerstoff produz ierenden Pflanzen
vorkommen und hier auch die stete Möglichkeit besteht,daß das Ober
flächen w asser aus der atmosphärischen Luft den Sauerstoff aufnimmt.
Gera de umgekehrt wie der Gehalt an Sauerstoff verhält sich
der Überschuß an absorbierter Koh l e n säu r e in zunehmender
Tiefe. An der Oberfläche enthalt der Liter Seewasser ungefähr
5 cg ganz gebundene Kohlensäure ; ganz allmählich steigt der Cc
halt,um freilich erst in nahezu 3000 m Tiefe 6 og zu erreichen.
So ansehn lich auch diese Menge ist, so dürfte sie allein wohl ka um
ausreichend sein,
um vielen Arten das Vordri ngen in die Tiefe
unmöglich zu machen ; an dererseits aber bedingt sie doch , wen ig
stens zum Teil,gew isse Eigentümlichkeiten in der Organisation
mancher Tiefseetiere .
1 4 Tierleben der Tiefsee .
Tiefe sie unsichtbar w urden . In neuerer Zeit verw endet man sehr
stark lichtempfindliche photographische Platten . Das erfordert ganz
besonders sinnreiche un d gut arbeiten de Appa rate ; denn selbst
verständlich müssen die Platten in dichtverschlossen en Kästen
ruhen, die keinem Lichtstrahl den Eintritt gestatten, bis sie sich in
bestimmten Tiefen öffn en und die Exposition der Platte ermöglichen. Nachher muß der Apparat sich wieder schließen
,damit
in den oberen Schichten kein Strahl mehr wirksam sein könne.
Derartige Versuche wurden mehrfach angestellt,und
,w ie zu
erwarten w ar , zeigt e sich das Ergebnis sehr verschieden , je nach
der Reinheit und Durchsichtigkeit des Wassers un d je na chdem,
ob a n sonnenhellen oder trüben Tagen,ob des frühen Morgen s
,
Abends oder M ittags exporüert wurde. Besonders auffallend aber
w aren w eitgehende Unterschiede an verschiedenen Orten. An ein em
son nenhellen Frühlingstag konnte ma n im Mittelmeer be i Niz za
bis gegen 400 m Tiefe die chemische Einwirkung der Sonn enstrahlen
nachweisen,und in 380 m fand ma n die Belichtun g stärker als im
Genfer See bei gleichem Sonnenstand in der ha lben Tiefe. Bei
einer la n geren Expositionszeit von einer ha lben Stunde Fo l
un d Sa r as in hatten nur 10 Minuten lang die Platte ausgesetzt
erw iesen sich die Platten noch in 500—5 50 m Tiefe empfindlich,
aber über 600 m dürfte wohl n iemals ein Sonnenstrahl ein
dringen.
Man konn te meinen,daß bei diesen Versuchen
,die Grenze des
Vordringens des Sonnenlichtes im Meere a uf photographischem
Wege zu bestimmen,eine Fehlerquelle nicht auszuschließen sei.
Die Platten könn en nämlich nicht in absoluter Finsternis hergestellt
w erden,sondern es geschieht dies bei einem rubinroten Licht
schimmer,der
,so außerordentlich schwach er auch ist , doch hin
reicht um dem betreffenden Arbeiter das Sehen zu ermöglichen.
Herrschte in der Tiefe die gleiche rote Beleuchtung,so wäre dort
die Möglichkeit zu sehen vorhanden,aber die versenkten Platten
könnten natürlich nicht erregt werden. S c h i l l e r spricht allerdings
in seinem vorhin schon an gezogenen Gedicht von der »purpurnen
Finsternis «,die in den Meerestiefen sich ausbreiten soll. Wäre das
wirklich der Fall,so w ürde wohl mancher darin eine prophetische
Tierleben der Tiefsee . 1 5
Ahnung des dichterischen Genius erblicken. Auch A1. Aga ssi z
und H a e ck e l behaupteten,daß unterhalb 50 Faden bez iehun gs
w eise 1 50'
e ine rotgelbe Dämmerung herrsche. In Wirklichkeit ver
hält es sich aber anders.
Ganz dünne Schichten Wasser erscheinen im auffallenden un d
durchfallend en Licht farblos Aber schon be i 1 80 cm
dicken Schichten läßt sich feststellen,daß nicht a lle verschieden
farbigen Strahlen mit gleicher Stärke das Wasser durchdringen.
Das violette Licht geht fast ungeschwächt,mit 95 , 1 das rote
dagegen nur mit ha lber Stärke , der Lichtquelle, hindurch .
Die roten Strahlen werden also vom Wasser viel stärker absorbiert
als die kurzwelligen des entgegengesetzten Spektrumen des, u n d
dickere Wassermassen zeigen daher im durchfallenden Lichte bla ue
oder blaugrüne Fa rbe . Läßt man im blauen Tropen meer große
weiße Scheiben in die Tiefe sin ken,so erscheinen sie zuerst grün
lich, dann hellblau, dann immer dunkler, bis sie endlich im reflek
tierten Blau des Meeres unsichtbar verschwimmen . Taucht man im
Meere bis etw a 30 m hinab,so erscheint ein em alles in blauem
Licht, nach dem Auftauchen aber sieht das an das Blau gewöhnte
Auge infolge der Kontrastw irkun g zunächst die Gegenstän de in der
Luft in rotem
Aus der Tha tsache daß das Wasser für die blauen Strahlen
starker durchdrin gbar ist als für die roten , erklärt sich auch die
eigentümliche Beleuchtung,die der blauen Grotte auf Capri Welt
ruf verliehen hat. Die Grotte hat bekanntlich n ur einen sehr kleinen
Eingang über Wasser,nach unten aber verbreitert er sich und setzt
sich w eit in die Tiefe fort . Un ter gewissen Bedingungen, die aller
dings nicht alltäglich einzutreten pflegen,geschieht die Erleuchtung
'
der Grotte hauptsächlich durch die Strahlen,die
,von außen kom
mend,durch das blaue Meereswasser hi n durchtreten . In diesen
Strahlen fehlt,wie die spektroskopischen Untersuchun g en er
wiesen haben,Rot gänzlich
,Gelb ist erheblich verbla ßt , un d der
Raum erscheint daher w ie durch blaues Licht erhellt .
Verschieden von dieser w ahren Farbe des Wassers im durch
fallenden Licht ist das Aussehen des Meeres im reflektierten Licht,wen n;wir vom Gestade oder vom Bord eines Schiffes aus auf
1 6 Tierleben der Tiefsee.
se ine Oberflache schauen . Wie wechselnd es uns dann erscheint,a bhän gig von Wolken, Wind und Sonnenlicht, ist niemandem,
der
n ahe der Meeresküste wohnt , unbekannt. Es w ürde nicht schwer
sein,aus den Gemälden unserer Künstler eine vollstän dige Farben
skala des Meeres zusammenz ustellen,mit Rotgelb beginnend , mit
tiefem Violett abschließend. Sicher ist,daß unsere Ostsee vorherr
schen d das Mittelmeer an sonn enhellen Tagen blau er
scheinen So war es wohl stets,und es ist vielleicht nur Zufall,
w en n Hom e r,der reiche Farbenbezeichn un gen des Mittelmeeres
führt,gerade Bla u am seltensten nennt.
So müssen wir also an nehmen,daß von etw a 30 m Tiefe an
im Meere nur noch ein bläuliches Licht schimmert, das an Stärke
immer mehr abnimmt,je mehr die Tiefe wächst. Zw ischen 5 50
un d 600 m hört jede Belichtung durch die Sonnenstrahlen auf. In
d iese Tiefe wurde die Grenz e zwischen der oberen bew ohnten und
der toten abyssa len Meeresregion verlegt , weil man n ur in den
v on der Sonne durchleuchteten Wasserschichten die Bedingun gen
für die Entw icklung organischen Lebens vorhan den glaubte. Das
hat sich freilich a ls ein Irrtum erwiesen,und der immerw ähren de
L ichtmangel schließt die Bewohnbarkeit der abyssa len Regi onen
n icht aus Keine andere Existenzbedingung der Tiefsee hat
a ber die gesamte Organisation und Leben sweise der Tierw elt so
sta rk beeinflußt,wie das Fehlen von Sonnenlicht und Sonnen
wärme .
Sehr auffallend macht sich dieser Einfluß in der Fa rb un g der
T iefseetiere bemerkbar. Im blauen Licht erscheinen rote Gegen
stände dunkel und schwerer w ahmehmbar. Rot ist also in den
T iefen des Meeres,die nur durch blaues Dämmerlicht erhellt wer
den,ebenso eine Schutzfarbe w ie Schwarz . Daher ist in diesen
R egionen die Färbung der Tiere vorherrschend rot oder schw arz,
sehr selten blau oder bunt. Und das Gleiche gilt auch für die
a byssa len Tiefen, die von der Sonne überhaupt nicht mehr getroffen
w erden ; denn wenn dort unten besondere Lichtquellen sich en t
flammen, so verbreiten auch sie einen bläulichen Schein .
Durch rotlich und selbst blutrot gefärbte Arten sind fast alle
größeren Tierklassen in der Tiefe vertreten . Am meisten fallen die
Tierleben der Tiefsee . 1 7
Scharen roter Cruster und Echinodermen auf,die bis in die tiefsten
durchforschten Meeresregionen sich ausbreiten . Auch verschieden
artige rotglän zen de Polypen leben festgeheftet am tiefen Meeres
grund. Viele dieser roten Tiefseetiere haben in den seichteren
Meeresschichten nahe Verwandte , die völlig anders gefärbt er
scheinen. Im Gegensatz zu den wirbellosen Tieren zeichnen sich
die Tiefseefische in der Regel durch einen tiefdun klen,fast sammet
schwarzen Ton aus
Während in allen diesen Fällen die Anpassung der Fa rbu n g an
die eigenartigen Verhältnisse der Tiefe auf reiche Pigmen tbildun gen
z urü ckzuführen ist,
finden sich im genauen Gegensatz e daz u auch
Beispiele dafür,daß die Dunkelheit in der Tiefsee eine Pigment
armut hervorruft , wie wir sie bei Höhlen und Grotten bew ohn ern
kennen . Außer einigen Fischen sind es vornehmlich Krebse,
Würmer un d Cepha lopoden ,die bleiche , farblose , oft auch fast
durchsichtige Tiefseearten
Zur Erklärung dieser eintönigen Färbungen der Tiefen formen
w erden die Schutzbedürfn i35e allein kaum ausreichend se in . Als ein
zw e ites Moment möchte vielleicht für die in fast nächtlicher Finster
n is lebenden Tiere das hinzutreten,daß die geschlechtliche Zucht
w ahl in den Tiefen des Ozeans nach anderen Merkmalen ihre Aus
lese trifft als in den sonnenhellen Regionen des Meeres,der Luft
und des Landes. Hier ist sie ein wirksames Mittel für die Erha l
tung glänzender Farben . In der Tiefe wo die Tiere gar nicht
oder n ur unvollkommen sehen,wo sicher der Farbensinn nur wenig
entwickelt sein kann,werden bei der geschlechtlichen Zuchtw ahl
die farbigen Zeichnungen der Tiere nur eine untergeordnete Bedeu
tung
Noch in einer anderen Richtung bestimmt die Dunkelheit die
Organisation der Tiefseebewohner. Die Orientierun g im Raum er
folgt bei den freibew eglichen Tieren hauptsächlich durch die Seh
organe. Fehlen diese oder wird ihr Gebrauch infolge der herr
schen den Finsternis unmöglich oder erheblich eingeschrän kt,so
müssen andere Orga n isa tion seigen tümlichkeiten auftreten , die den
Verlust der Augen in irgendeiner Weise auszugleichen vermögen .
Das ist in der That auch der Fall .S e e l i ge r Ti erlebe n der Tiefsee.
1 8 Tierleben der Tiefsee.
So wie wir im Dun klen,wenn das Auge versagt, durch Tasten
mit den Händen den Weg zu finden wissen,übernehmen bei den
Tiefseetieren b is zu einem gewissen Grade die Tastorgane die
Leistungen des Sehapparates. Da aber die Tastorgane,die den gut
sehenden Tieren in den oberen Wasserschichten zukommen,den
erhöhten Ansprüchen in der dunklen Tiefe nicht genügen,sehen
wir sie hier viel vollkommener sich entw ickeln. Häufig treten bei
den Tieren der Tiefsee gan z neue,zum Tasten dienende Or
gane auf.
Die Fische tragen haufig im Umkreise des Mundes lange fü hler
artige Barteln,die zum Tasten dienen un d vielleicht auch Geruchs
orga ne bergen. Auch an anderen Körperstellen gelangen derart ige
Fortsätze gelegentlich zur Entw icklung
Eine ganz besonders mächtige Ausbildung erlan gen die Tast
werkzeuge bei den Krebsen und W ürmen der Tiefsee. In der
Regel sind es die Fühler,die eine bedeutende
,d ie gesamte Körper
länge oft erheblich übertreffende Streckung erfahren . Eines der
auffallendsten Beispiele hierfür bietet uns der rotgefärbte Nema toca r
cimzs gra cz'
l ipes aus der Familie der Garn eelen,der noch in sehr
beträchtlichen Tiefen,wie es scheint
,immer dicht über dem Meeres
boden lebt. Die außerordentlich za rten,faden formigen Antennen
sind 3—4mal so lang wie der Le ib . Im Mittelmeer fischte Chun
mit dem Schließn etze zwischen 800 und 1 2 00 m den Sergestesmag m'
ficus, dessen Antennen, bei einer Körperlänge von 38 mm,1 1 5 mm
messen und mit Borsten und Wimpern besetzt sind,um die Ern
pfin dlichkeit des Organs zu steigern. Merk würdig ist auch ein
anderer zehn füßiger Krebs, der Ga la tkodes Arztom'
z'
,der bis in die
Tiefe von 42 00 m hin absteigt ; merkw ürdig, weil bei ihm die
Streckung der Fühler mit einer Rückbildung der Augen verbunden ist,während der P ly c/zoga ster f armosus aus etwa 950 m Tiefe nur kurze
Anten nen,aber w ohlen tw ickelte Augen
In den Tiefen des Mittelmeers,zwischen 500 und 1300 m,
finden
sich einige zur Gattung Tomopterz'
s gehörende , fre ischwimmend und
räuberisch lebende Ringelwürmer. Gelegentlich steigen sie bis z ur
Oberfläche empor und besitzen daher Augen,die in der großen
Tiefe ihnen freilich wohl nur geringen Vorteil bieten dürften . Gleich
Tierleben der Tiefsee . 19
zeitig aber tragen sie am Kopfe mächtige,den langgestreckten Leib
noch an Größe überragende Fühler, die im Dunkel der Tiefe von
großem Nutz en sein müssen .
Be i vielen Tiefseecrustern sind nicht nur die Fü hler zu Tast
organen ausgebildet,son dern Spürhaare und Tastborsten sitzen auch
an anderen Körperstellen,an den Extremitäten und Mundwerk
zeugen so kommt hier dem ganzen Körper ein
erhöhtes Tastvermögen zu , und auch im Tiefen du n kel ist es den
Tieren möglich,gew andte Bewegungen auszuführen
Auch die Umb ildung mancher Extremitäten zu mächtigen Raub
füßen oder zu langen,Pha la n giden bein en ähn lichen Gebilden wird
man auf die Anpassung an das dunkle Tiefen leben zurückführen
müssen . Die eben gen a n n ten Crustaceen arten bieten u n s auch dafür
Belege. Bei Nema toscelz'
s ist das zweite,be i Szf;doclzez
'
ron das dritte
Beinpaar außerordentlich stark verlängert und zu einer gefährlichen
Waffe umgeformt. Einzelne Beine des Nema toca rcz'
n us übertreffen
die Körperlänge und sind an den Enden mit Büscheln von Borsten
besetz t.
Der P z_
‘
yclzoga sü r , den wir bei gut ausgebildeten Augen nur
mit kleinen Antennen versehen fanden,hat ein riesig entwickeltes
erstes Beinpaar, mit dem er auch im Dunklen seine Beute zu finden
und aus Löchern und Ritzen hervorzuz iehen
Strenggenommen ist es aber doch nicht ganz zutreffend,da ß
die großen Meerestiefen,wenn auch kein Sonnenstrahl mehr in sie
eindringt,immerwährend un d ohne Ausnahme in völliger Finsternis
dal iegen . Denn sonst wäre es unverständlich,wie sich in der Tief
see neben blinden Formen sehende finden die häufig
durch die ganz bedeutende Größe der Augen sofort auffallen . Diese
Tha tsa che läßt sich nur dann verstehen, wenn die abyssischen Tiefen
trotz des Fehlens leuchtender Sonnenstrahlen durch andere Licht
quellen erhellt werden.
Als eine solche Lichtquelle hat ma n schon vor längerer Zeit das
Leuchtvermogen der Tiefseetiere betrachtet. Wer sich zur Sommers
zeit län ger an -der Nordseeküste oder auf Helgoland aufgehalten
hat,wird vielleicht zu wiederholten Malen Meerleuchten beobachtet
haben . Es wird da durch einen etwa 1 mm großen kugligen
2 *
2 0 Tierleben der Tiefsee .
einzelligen Organismus,die Noctz
'
luca verursacht,die zu
Milliarden an der Meeresoberfläche schwimmt . Das Leuchten be
ruht auf einem chemisch-physiologischen Vorgang im lebenden
Protoplasma der Zelle und wird wohl bedingt durch die Sauerstoff
aufnahme. Nicht immer ist es die Noctz'
luca,die das Meerleuchten
hervorruft. Aus al len Klassen des Tierreichs kennen wir Formen,
denen dieses Vermögen zukommt,un d die höheren
,verw ickelter
gebauten Tiere besitzen besondere Organe,die das Licht ausstrahlen .
Sehr farbenprächtig gestaltet sich das Meerleuchten in den warmen
tropischen und subtropischen Meeren so hell leuchtend,daß im
Scheine der glänzenden Meeresoberfläche an Bord des Schiffes der
kleinste Druck deutlich lesbar wird.
Auch in der Tiefe,fehlt es nicht a n leuchtenden Tieren aller
Art. Viele Formen,die das Leuchten an der Meeresoberfläche
hervorrufen,haben ihren ständigen Wohnort in Tiefen zw ischen
2 00 und 400 m und steigen nur gelegentlich bis zumMeeresspiegel
empor. Fischt man des Nachts in diesen Tiefen,so hebt ma n das
Netz erfüllt von tausenden glühender Fünkchen . In den abyssa len
Regionen wächst die Zahl der leuchtenden Formen. Hier finden
sich zeitlebens festgeheftet am Meeresgrund lebhaft phosphores
cieren de Rin den kora llen , stark bläulich leuchtende Seefedem. Hier
leben zahlreiche leuchtendeWürmer und Protozoen,prächtig glühende
Seesterne und Cepha lopoden .
Von besonderer Wichtigkeit sin d aber die eigen artigen Leucht
organe,die sich bei vielen Fischen und Krebsen der Tiefsee her
ausgebildet haben und die den nächstverw andten Oberflächen formen
noch fehlen. In beiden Gruppen können diese Organe entw eder
an den verschiedensten Stellen des Rumpfes oder Hinterleibes,oft
in sehr großer Anzahl über den ganzen Körper verteilt vorkommen,oder sie sitzen am Kopf. Beide Formen der Leuchtorgane finden
sich oft gleichzeitig nebeneinander vor. Sie sind von ganz be
son derem Interesse, denn die vergleichend anatomische Betrachtung
gewisser Gruppen der Crusta ceen lehrt uns in einer überzeugenden
Weise,wie diese Gebilde allmählich entstanden sind in Anpassung
an das Leben in der Tiefsee und im Zusammenhänge mit bestimmten
Veränderungen der Sehorgane Auch bei den Fischen
2 2 Tierleben der Tiefsee .
beherbergt? Wir finden,daß die Sehorgane der von der Ober
fläche in die Tiefe hinabsteigenden Arten eine Weiterentw icklung
nach zwei verschiedenen Richtungen hin einschlagen. Ent weder
erlangen sie eine besondere Größe oder sie gehen verloren,und
es bilden sich blinde Formen aus. Gegenüber der in den oberen
Schichten herrschenden Lichtmenge der Son nenstrahlen ist die Er
hellu n g durch die Leuchtorgane nur eine verschwindend geringe.
Die normalen Augen der Oberfla chen tiere reichen nicht aus,um
bei dieser düsteren Beleuchtung genügend scharf sehen zu kön nen.
Sind sie nicht imstande,sich zu besser sehenden großen Dunkel
augen zu entwickeln,wie es besonders bei rasch und gewandt sich
bewegenden Tieren der Fall sein muß,so werden sie in der Tiefe
wertlos und kön nen leicht der Rückbildung
Was bedeuten aber w ohlen t wickelte Leuchtorgane für blinde
Tiere? Es mag vielleicht sein,daß das ausstrahlende Licht auf
manche kleinere Tiere so wirkt wie Schreckfärbun g ,sodaß diese
von den bl inden Leuchttieren ergriffen werden können , w ährend
sie sonst en tfliehen w ürden ; auch ist es sicher , daß viele Orga
n ismen durch das Licht herbeigelockt werden . Im allgemeinen
dürfen wir aber wohl annehmen,daß augenlosen Formen n ur dann
das Leuchtvermögen von Nutzen se in kann,wenn
,wie wir be
reits erfahren haben,andere Organe sich ent wickeln
,die bis zu
einem gewissen Grade das Sehorgan zu ersetzen vermögen. Jeden
falls haben die eigentümlichen Lichtverhältnisse,die in der Tiefe
herrschen,durchaus nicht a uf alle Tiere in dem gleichen Sinne ver
ändernd eingewirkt. Nicht nur im System weit vone inander ent
fern te Arten passen sich in verschiedener Weise an,sondern auch
ga nz nahverw andte verändern sich unter dem Einfluß der Dunkel
heit erheblich abweichend . Andererseits läßt sich aber auch fest
stellen,daß die fin stere Tiefsee be i gewissen Arten
,gleichgültig ob
sie im natürlichen System einander nah oder fern stehen,die glei
chen Veränderungen der Organisation hervorruft und festhält.
Schon die wenigen eben mitgeteilten Beispiele haben uns ge
zeigt,wie die Tiefsee durch Einwanderung von den oberen Schichten
her bevölkert wird . Überall,in allen geographischen Bre iten
,er
folgte die Einwanderung,und auch aus dem warmen tropischen und
Tierleben der Tiefsee . 2 3
subtropischen Oberfla chen w asser sind Arten in die kalte Tiefe ge
gangen. Leichter konnten sich a llerdings die in den ka lten a rkti
schen und antarkt ischen Meeren lebenden Fla chw asserformen an die
Leben sbedingungen der aby ssa len Regionen anpassen . Wir haben
auch erfahren,daß die Einwanderung von Oberflächen tieren in die
Tiefe so wie jetzt auch zu verschiedenen früheren geologischen Zeit
altern stattgefunden hat , un d daraus folgt,daß die Tiefen fau n a
ebensowenig einen durchaus einheitlichen Charakter zeigen kann
wie die der oberflächlichen Schichten .
Als die ersten Tiefseefun de aus verschiedenen Stellen des Ozeans
untersucht waren und ein ungefährer Überblick über die Beschaffen
heit und Zusammensetzung der abyssa len Fauna bereits gewonnen
zu sein schien,da glaubte man freilich
,daß die Tierwelt der Tiefsee
vorw iegend einen ganz altertümlichen Cha rakter zeige und » a n die
längst verklungenen Perioden unserer Erdgeschichte erinnere « . In
den Tiefen des Ozeans sollten sich Vertreter nicht nur des meso
zoischen Zeitalters,der Kreide
,des Juras und der Trias
,sondern
auch der uralten pa läozoischen Perioden unverändert erhalten haben .
Diese Formen sollten a us den oberen Meeresschichten sich zurück
gezogen haben,um dem härteren Kampf ums Dasein
,der in den
son n en durchleuchteten Regionen herrscht, auszuweichen un d,durch
die Dunkelheit geschützt,bei einförmigen
,kaum wechselnden
äußeren Lebensbedingungen die ura lte Organisation bewahren zu
können,während ihre Nachkommen
,die im seichten Wasser blieben
,
ausstarben oder vielle icht zu ganz neuen Arten allmählich sich um
wandelten. So finden wir vielfach auch jetzt noch die Meinung
vertreten,daß im großen Ganzen unsere Tiefseefa u n a der Tierwelt
der Kreide und Juraz eit näher stehe als den gegenwärtig in den
oberen Meeresschichten lebenden Formen. Die Tiefen fu n de aus
den zwei Tierstämmen der Schwämme und Stachelhäuter waren
es vornehmlich,die eine derartige Auffassung zu rechtfertigen
schienen 3
Es läßt sich nicht bestreiten,daß zahlreiche Tiefseeformen a lten
paläontologischen Arten nahe stehen oder auch gleichen. Aber es
gilt das durchaus nicht für die Mehrzahl,sondern nur für eine ver
hältn ismäßig geringe Anzahl , und es ist daher nicht gerechtfertigt,
2 4 Tierleben der Tiefsee .
zu behaupten,daß die gesamte Fauna der abyssalen Regi onen eine
altertümliche sei und der mesozoischen Periode näher stünde als
den rezenten Formen in den weniger tiefen Meeresschichten . Wir
brauchen nur Umschau zu halten,um überall sehr alte Tiertypen
nachw eisen zu können .
In den oberen Meeresschichten leben man che Mollusken und
mollusken ähn liche Gattungen,die seit uralter Zeit
,viele Millionen
Jahre bevor die in den Steinkohlen erhaltenen vor weltlichen Pflan zen
grünten,bis zur Gegenwart fast unverändert geblieben sind und die
unter allen lebenden Tieren am meisten den Namen > lebende
Fossile<
Auch im Süßwasser fehlt es nicht an Fischen mit altertum
lichen Kennzeichen,und a uf dem festen Lande begegnen w ir
zahlre ichen Gattungen,die alten paläontologischen Formen aufs
nächste verwandt oder gar mit ihnen identisch sind . Manche treten,in nur unwesentlichen Zügen verändert
,bereits in der Ste inkohlen
formation auf. Welch ein gewaltiger Wechsel vollzog sich in diesen
Jahrmillionen in dcr Pflanzenwelt,während gew isse kleine Insekten
,
Spinnen und Schnecken sich fast gleich geblieben sind und a uf unse
ren niederen Gräsern umherkriechen wie auf den gigan tischen Farnon
des Stein kohlen z eita lters. Wir erinnern uns hier auch jener Säuge
tiere,die
,wie Gürteltier un d Faultier
,zu nunmehr ausgestorbenen
Arten in in n igster verw andtschaftlicher Beziehung stehen und den
Eindruck gewissermaßen fossiler Wesen machen . Und auch die
Elepha n ten nehmen sich inmitten unserer Säugetier welt fast fremd
aus ; sie bilden die einzige überlebende Gattung der in der Tertiär
zeit,vielle icht noch vor 1 50 000 Jahren w eit verbreiteten
,jetz t fast
ausgestorbenen Gruppe der Rüsseltiere .
So sehen w ir also übera ll,in seichten un d mitteltiefen Meeres
schichten,im Süßw asser und auf dem festen Lande
,ursprüngl iche
altertümliche Gattungen erhalten,u n d es wäre geradezu seltsam
,
wenn sie nur in der Tiefe fehlten . Erwägt ma n dies,so wird man
sich fragen müssen,w ie denn überhaupt der Tiefen fa u n a ein aus
gesprochener altertümlicher Charakter a ls da s bestimmende Merk
mal zuerkannt werden konnte . Schon die ersten Schleppn etz züge
förderten aus den großen Tiefen nicht nur fremd und absonderlich
Tierleben der Tiefsee . 2 5
gestaltete Tierarten,sondern zahlreicher noch solche zu Tage, die
sich in bereits bekannte Gattungen leicht einordnen ließen oder
gar mit bekannten Arten identisch w aren . Aber es ist leicht be
greiflich ,daß gerade die aberra n ten Formen und namentlich die
jen igen , welche a uf fossile hinw iesen,gleich in den ersten Berichten
hervorgehoben und auch we iterhin als Funde v“on ganz besonderer
Wichtigkeit in den Vordergrund des Interesses gestellt wurden.
Daher entstand von allem Anfang a n ein falsches Bild von der
wirklichen Zusammensetz ung der Tiefseefau n a .
So hätten wir denn in letzter Linie die gesamte Tier welt der
Tiefsee a uf ursprünglich oberflächlich lebende Organismen zurü ck
geführt,die von alters her und auch jetzt noch immer wieder in
die Tiefe hinabsteigen. Bei den mehr gleichartigen und selbst im
Laufe langer Zeiträume nur wenig sich verändernden Lebens
bedingungen vollz ieht sich am tiefen Meeresgrund die weitere Um
wan dlung solcher Arten,die einma l a n die eigentümlichen Verhält
nisse der Tiefe angepaßt sind,sicher viel langsamer a ls an der
Oberfläche oder im seichten Wasser . Wir werden daher unter den
Tiefseetieren der Gegenw art viele Gattungen und auch Arten an
treffen müssen,die se it sehr langen Zeiten Bewohner der tiefen
Regionen und seither unverändert geblieben sind,aber wir werden
nicht erw arten dürfen,dort den ältesten und ursprünglichsten tieri
schen Formen z u begegnen .
Auch die Entstehung des Lebens,die Bildung der ersten Orga
n ismen aus anorganischen Substanzen werden wir nicht am Grunde
der tiefen Meere zu suchen haben,wo tiefe Dunkelheit sich aus
breitet,wo kein belebender Sonnenstrahl spielt und wo gleich
mäßig eine dem Nullpunkt nahe Temperatur herrscht. Schwerlich
wird sich die Urzeugung anders als unter dem Einfluß des leuch
tenden wärmenden Sonnenlichtes vollz ogen haben.
Wenn man den freilich auch jetzt noch so dunklen Vorgang
des Werdens des Lebens in die abyssa len Tiefen verlegte, so stand
man, vielleicht u n bew ußt , unter dem Einfluß der Auffassung,daß
in jenen Regionen geheimnisvolle und von den bekannten Erschei
nungen verschiedene Prozesse sich abspielen müßten . Nur eine
kurze Reihe Jahre ist es her,daß man in den phantastischen , a uf
2 6 Tierleben der Tiefsee .
keine ein zige Tha tsa che sich grü ndenden Spekulationen Ok e n s
über den Urschleim des Meeres die prophetische Ahnung einer
großen Wahrheit erblicken konnte .
Ein Wesen höchst seltsamer Art,der B a thybz
'
us , war es,der
,
aus den Tiefen des Ozeans stammend,jene Urschleimhypothese
bew ahrheiten sollte . Dieser B a tkybius wurde 1 85 7 bei den Vor
arbeiten für die Legung des transatlantischen Kabels vom Grunde
des Ozeans gehoben und später von dem englischen Zoologen
H ux l ey zuerst beschrieben . Bald fand man ihn in ungeheurer
Menge im Ozean und M ittelmeer in allen Tiefen als e inen schleim
artigen Überzug des Meeresbodens und oft auch der auf ihm
lebenden Organisme n . Der einzelne B a t/zy bz'
us stellt ein kle ines,
oft mit dem bloßen Auge überhaupt nicht sichtbares,meist netz
förmiges Körperchen dar und besteht aus einer schleimigen Sub
stanz,die man als kernloses Protoplasma auffaßte . Besonders
H a e ck e l versuchte da mu thu n ,daß die schleimigen Korper > sich
an Ort und Stelle unter dem E in flusse der eigentümlichen hier
waltenden Existenzbedingungen aus anorganischer Substanz bilden ;mit anderen Worten
,daß sie durch Urzeugung en tstehem .
O kens theoretischer Urschleim schien also tha tsächlich gefu n
den,die Urzeugung erw iesen zu sein . Leider aber war die Exi
stenz des B a t/zybz'
us nur von ku rzer Dauer,denn schon auf der
Challenger-Expedition gelang dem Chemiker Bu ch an an der Nach
weis,daß der vermeintliche Ba t/:ybz
'
us ein weißer fein flockiger, nur
in seiner Form a n lebendige Substanz erinnern der Niederschlag
von schwefelsaurem Kalk (Gips) ist , der dadurch entsteht , daß
Seewasser mit Alkohol vermischt wird. Die verschiedenen Ein
schlüsse,die als Coccolithen
,Discolithen
,Cya tholithen , Coccosphären
bezeichn et und als Stoffwechselprodukte des lebenden B a thybz'
us
aufgefaßt wurden,sind Fremdkörper
,zum Teil Kalka lgen. Es fällt
nicht schwer,in wenigen Minuten »B a t/zyäiuu zu bereiten und den
Nachweis zu führen , daß dieser lediglich ein Kunstprodukt ist.
Die Durchforschung des Meeres mit Dredsche, Schw ebn etz und
Schließn etz hat uns die Tha tsa che erwiesen,daß zwar in den
großen Tiefen die Tierw elt immer ärmer und spärlicher wird, daß
Tierleben der Tiefsee. 2 7
aber doch nirgends von der Oberflache bis zum Meeresgrund eine
ganz unbewohnte leblose Wasserschicht vorkommt,und wir haben
uns schließl ich noch zu fragen,in welcher Weise die Ernährung
der Tiefseetiere erfolgt. In letzter Linie ist das gesamte Tierreich
a uf die Ernährung durch Pflan zen angewiesen. Denn diese allein
vermögen aus binären anorganischen Substanz en die hoheren orga
nischen Verbindun gen aufzubauen,während das Tier außer Wasser
und gewissen Salzen stets einer organischen Nahrung bedarf.
Im Meere nun findet sich die lebendige pflanzliche Urn ahrun gausschließlich in den oberen Schichten ; unterhalb 2 00 m wird sie
sehr spärlich,und bei 400 m dürfte wohl die tiefste Grenze des
Vordringens der lebenden assimilierenden Pflanzen l iegen .
Aus dieser beschränkten Verbreitung der Pflanzen im Meere
ergiebt sich ohne weiteres,daß die Tiere nur in den oberen
Regionen stets zu einer reichen vegetabilischen Kost Gelegenheit
haben,in der Tiefe aber vorw iegend a uf animale Speise angewiesen
sind . Bei dem Fehlen der organische Substanz produzierenden
Pflanzen wurde in der Tiefe bald Nahrungsmangel e intreten,wenn
nicht die oberen Meeresschichten eine nie versiegende Nährquelle
da rbö ten . Wären die Tiefseetiere nur aufeinander angewiesen, so
müßten die abyssa len Regionen längst unbewohnt und leer sein.
Die meisten freischwimmend in großen Meerestiefen lebenden
Tiere bleiben w ohl niemals unausgesetzt dauernd in diesen Regio
nen,sondern fast alle steigen gelegentlich 500
—600 m,zuweilen
auch 2 00 m unter den Wasserspiegel empor. Sie gelangen so bis
in die von Pflanzen bewohnten Regionen oder doch w enigstens in
deren Nähe,wo e ine reichere pelagische Tierwelt zwischen den in
die Tiefe gesunkenen,noch w enig veränderten pflanzlichen Orga
n ismen schwebt. Hier finden sie zu allen Zeiten beliebige Nahrun g
u n d gesätt igt kehren sie in die Tiefe zurück.
Die am Meeresboden festgehefteten oder kriechenden Tiere
konnen natürlich derartige Wanderungen nicht unternehmen,und
auch viele der nahe dem Meeresgrund sich tummelnden Formen
werden nicht so w eit emporsteigen, um in die lichten pfla n z en reichen
Regionen zu gelangen. Sie alle bleiben auf die Nahrung angewiesen,
die in der Tiefsee selbst sich findet,und namentlich die von der
2 8 Tierleben der Tiefsee.
Oberflache zurü ckkehrenden Tiere werden den großeren und star
keren eine willkommene Beute sein und so dazu beitragen, daß die
reiche Nahrung der höheren Wasserschichten in veränderter Form
in die Tiefe gelangt.
Wie ma n aber schon lange we iß,fließt noch a uf einem anderen
direkteren Wege, indem die abgestorbenen Orga nismen der oberen
Schichten allmählich hinabsinken,unausgesetzt eine reiche Nahrungs
menge in die Tiefe . Be i dem raschen Vergehen der kleinen
Planktonorganismen,bei der raschen Fortpflanzung und steten Er
neuerung der Individuen mussen ihre Leichen wie Tropfen eines
immerwährenden Regens a uf den Boden des Meeres n iederrieseln .
Freilich ist der Weg,den sie zu durchmessen haben
,weit
,und bei
der Langsamkeit,mit der der Fa ll in die Tiefe erfolgt , die Zeit
lang. Um etw a 4000 m zu fallen, werden wohl selbst die meisten
größeren Pla n kton tiere mehrere Tage benötigen,und Wochen
dürften vergehen,bevor die kle inen
,mit besonderen Schw ebeappa
raten versehenen Organismen “ ) am Grunde anlangen . Natürlich
werden sie dabei nicht immer den Weg senkrecht nach unten ein
halten können,sondern
,von den Strömungen erfaßt und getragen
,
werden sie we ite unregelmäßige Bahnen beschreiben und in ent
fern tere Orte geführt werden müssen, bis sie endlich zu Boden S inken .
Während der langen weiten Reise zum Meeresgrun d verändern
sich,trotz der geringen
,den Verwesungsprozess a ufhaltenden
Wassertemperatur,die meisten der abgestorbenen Organismen
recht erheblich,und vielfach gelangen nur die festen Schalen
,Ge
häuse und Skelette zu Boden,während die protoplasma tischen un d
fleischigen Teile schon früher aufgelöst oder von anderen Tieren
verzehrt
In den nördlichen und sü dlichen polaren Meeren bilden zu be
stimmten Jahreszeiten niedere einzellige Pflan zen,die D ia tomeen
,die
Hauptmasse aller schwebenden Tiere an der Oberfläche . Ihre
Kieselpa n z er lagern sich zum Teil vollkommen erhalten und unver
ändert am Meeresboden ab und bilden den Diatomeenschlamm .
Im Laufe langer Zeiträume haben sich die Kieselschalen in den
bis zu 4000 m reichenden Tiefen zu enormen Mengen angesammelt,
um mächtige Gestei n sbän ke einer kieseligen Ma sse darzustellen .
An merku n gen .
1)Gelegentlich scheint der Cen tro)lzome aus noch betra chtl icherer Tiefe von1 2 00 un d sogar 1 500 m gehoben worden z u sein. Auch dürfte es den Fischenaus ihrer Berufsthätigkei t bekan nt gew esen sein, dass manche Maoruriden , Al a crum.r
un d Lapz'
dolepm , in Tiefen zwischen 1 000 u n d mehr als 2 000 rn leben . Zuweilenwurden auch mit den Grundangeln a n dere Tiere emporgezogen ; so z . B . Hexa l:
ti n elliden -Schwämme : die H a lten ia , die als Nest einer unbekannten Tierart betrachtet wurde , u n d Stücke der prächtigen Kieselskelette eines anderen Glasschwammes
,der Hy a lon cma .
2)Diese ältesten Tiefen fän ge im 18. Jahrhundert erstrecken sich a uf etwa 430 m.
Mit der Lotleine brachte Ad r i a a n z nahe der grönländischen Küste zwei prächtige .mehr als meterlan ge Korallenstöcke empor , die Später L am a r ck als Umbellu lczgroen la n di ca anführte , un d an den Westindischen Inseln fing man w ohl schon zu
Anfang des 18. Jahrhunderts in großeren Tiefen gesti elte Crin oiden (Pen ta r i n us
a rim'
as deren nächste Verw andte n ur als Fossile bekannt waren .
Unter den von R o s s gefischten Echinodermen erschien besonders das sog.Medusenhaupt , eine durch verzweigte Arme ausgezeichn ete Oph i u r i d e ,
Astro
phy ton L i n e/i i i bemerkenswert , weil man sie bisher n ur aus wärmeren Meerenkannte . Damit war eigentlich bereits das tiefe Hinabsteigen der Tierwelt bis indie abyssa len Regionen erwiesen un d dargetha n ,
d aß der Boden der tiefen Ozeanen icht , wie manche französischen Natu rforscher meinten ,
mit ewigem Eis bedeckt sei .
3)Es scheint mir immerhin bemerkenswert zu sein , daßH umb o l d t im erstenBande seines »Kosmose , der allerdings sehr bald n ach F o rb e s' erster Mitteilun gz ur Au sgabe gelangte , aber bereits ein ige Jahre früher verfaßt w a r , eine ganzandere Auffassun g über das Tierleben in der Tiefsee vertritt : >In Tiefen , welchedie Höhen unserer mächtigsten Gebirgsketten übersteigen . ist j ede der auf einandergelagerten Wasserschichten mit polyga strischen Seegew ürmen , Cyclidien u n d Ophry
d in en belebt . Hier schwärmen , j ede Welle in einen Lichtsaum verwandelnd un d
du rch eigene Witterungsverhältnisse an die Oberfläche gelockt , die z ahllose Schaarkleiner
, funkelnd -blitzender Leuchtthiere : Mamma rien a us der Ordnung der Acalephen ,
Crusta ceen ,Peridin ium u n d kreisende Nereidi n en .
«
4)Von den Meerestiefen hatte man früher recht ubertrieben e Vorstellungen .
Die unvol lkommenen Lotappara te ,die man anwandte
,ergaben , wenn sie in die
Anmerkungen .
31
großen Tiefen hinabgelassen wurden, oft sehr unsichere Ergebn isse . Da das Aufschlagen des Gewichtes auf den Meeresboden unbemerkt blieb wurde viel mehrSeil ausgegeben, als die Tiefe betrug.
° So glaubte ma n im südatlantischen OzeanTiefen von 14 100 m (Kapitän D e n h a m im Jahre 185 2) u n d sogar 1 5 180 m
(Leu tnan t P a rk e r)gefunden z u haben,Tiefen
,die durch die späteren Lotu n gen
des Chal lenger u n d der Gaz elle a uf 4400—5300 m rich tig gestellt wurden.
Die größten, bisher sicher bestimmten Tiefen fin den sich nicht mitten in denOzeanen , sondern unfern dem Festland oder vu lkmischcn Inseln . Lange galt dievon dem amerikan ischen Expedi ton sschiff Tuscarora (1873— 1875)ostlich von Japa ngemessene Tiefe von 85 13m a ls die bedeu tendste . In den letz ten Jahren wurdenim Stillen Oz ean in der Nähe der Tonga oder Freundschaftsinseln un d weitersüdl ich bei den Kerma n deki n sel n 9184 un d 942 7 m gelotet un d zu letzt nördlichvon den vielumstri tten en Karolinen bei der Ladron en i n sel Guam die größte bisherbekannte Tiefe mit 9644 m bestimmt .
5)Die F o rb essche Ein teilun g in acht Zonen wurde bald fallen gelassen, un d
es bedeu tet immerhin einen gewissen Fortschritt , wen n A u s t e n , F o r b e s’ Mit
arbeiter, die Zahl auf vier beschränkte . Er un terschied eine Strand oder Gezeitenzone a ls die oberste ; die folgende Zone der Lami n a rien reicht bis etwa 30 mhinab , die der Kora l lin en bis 100 m
,u n d die letz te , die der Tiefseekora ll en, ist
bereits durch sehr einförmige Lebensbedingungen ausgezeichnet un d fast lichtlos .
Alle älteren Versuche , bestimmte überein a n derliegen de Zonen im Meere nachzuw eisen
,gehen von der unrichtigen Voraussetzu n g aus, daß in der ba thymetrischen
Verteilun g aller Tierstämme eine gewisse Übereinstimmung herrsche . Das ist aberdurchau s nicht der Fall
, un d selbst für einen einzigen Typu s werden sich kaumso lche Zonen auffin den lassen , die für alle Familien, geschweige denn alle GattungenBedeu tung hätten . Auch die drei bekannten Tiefen zon m , mit denen Geologenu n d Geographen zu rechnen pflegen , die litora le , kontinenta le un d abyssische ,müssen in ihren Grenzen ganz erhebliche Veränderungen erfahren, sobald sie auf
verschieden e Gruppen des Tierreichs angewendet werden . Für die Seeigel hatein so ausgezeichneter Kenner wie A l . Ag a s s i z die unteren Gren zen der l itora len ,
kontinenta len un d abyssa len Regionen in die Tiefen von 2 75 , etwa 900 un d 5300 mverlegt . Aber es haben doch die neueren Funde überzeugend dargetha n , wiewen ig die meisten Familien der Seeigel
,ja selbst die Gattungen an diese oder
jene Zone gebunden sind . Für alle pelagischen , freischwimmend lebenden Tierewird die Scheidung in die drei Zonen ohnedies hinfällig . Wie schon auf derdeutschen Plan kton-Expedition u n d jetzt wieder auf der Tiefsee -Expedition sicherw iesen hat lassen sich im wesentlichen n ur zwei Regionen un terscheiden , dievorw iegend durch verschiedene physikalische Verhältn isse bestimmt werden : eineobere durchlichtete, von assimilierenden Pflanzen bewohn te u n d die dunkle Tiefe,in der lebende Pflanzen fehlen . Beide Regionen gehen ganz allmählich ohnescharfe Grenze inein ander über , w eil eben die Lebensbedingungen unmerklichlangsam sich verändern un d nich t sprungweise wechseln . Aus Gründen, die oben(p. 1 6)ausgeführt sind, beginnt die Tiefenzone in un gefähr 550 m. Freilich tretena n vielen Orten un d auch zu gewissen Zeiten die die Tiefsee bestimmenden Erschei n un gen bereits in oberen Schichten auf , allein es ist sicher nicht zutreffend,
32Tierleben der Tiefsee .
wenn P a ge n st ech e r (Über die Tiere der Tiefsee , 1879)die Grenze der beidenZon en schon in die 1 00 Faden-Tiefe (ca. 190 m)verlegt.
6)Als eine der merkwürdigsten Formen , die an dem Kabel saßen , beschriebA . M i l n e-E dw a rd s die Ca ry op/zy ll ia a rrua ta
, eine Koralle , die bis dahin n ur fossi la us dem oberen Tertiär Piemonts u n d Siziliens bekannt war.
7)Noch auf der Challen ger-Expedition (1872—1876) bediente man sich de rHanfseile . Drahtseile wurden zuerst durch A l. A g a s s i z eingeführt , der sich innoch vielen anderen Bez iehungen um die Förderung der Tiefseeforschung wesentli che Verdienste erwarb .
Diese Drahtseile repräsentieren selbst ei n sehr bedeutendes Gewicht. Nachden von H e n sc n (Methodik der Untersuchungen , 1 895)gegebenen Tabellen fürdi e auf der deu tschen Plankton -Expeditio n verwendeten Seile wiegen 1000 mDrahtseil von 19 mm Umfang 1 77 kg , von 2 2 mm 2 50 kg , von mm 310 kg.Im Wasser erleichtert sich das Gewicht a uf 135 , 2 2 0 un d 2 59 kg. Das Seil desö sterreichischen Expedition sschiffes Pola hatte 10 mm Durchmesser u n d wog 344 kgper 1000 m ; das gleiche Gewicht wi rd wohl auch das gleichstarke Stahlka b el besessen haben das a uf der deu tschen Tiefsee-Expedition angewendet wu rde . Das6000 m lange Seil wog dann das statt liche Gewicht von 2 064 kg , das sich imWasser auf etwa 1800 kg reduziert haben mag.
Welche gewaltige Last das schwer beladene Tiefen n etz darstellen kann,ent
n immt man a us C h u n 's Schilderung (Aus den Tiefen des Weltmeeres). Im anta rktischen Ozean förderte das Netz aus 4636 rn neben kleinerem Gestein ein en5 Centner schweren Block . Während das Trawl eine Stunde lang über demG runde gezogen wu rde betrug zuweilen der Zug mehr als 5 Tonnen (5000 kg).Das erfordert eine sehr bedeu tende Festigkeit des Seiles. Die auf der TiefseeExpedition verwendeten Stahlkabel für die Grundnetze hatten eine Länge von10 000 m un d bestanden a us zwei fest verbundenen Teilen. 6000 m Kabel maßen10 mm im Durchmesser un d hatten eine Bruchfestigkeit von 5039 kg ; d ie oberen4000 m waren 1 2 mm dick un d besaße n eine garantierte Festigkeit von 81 65 kg.
Die Auftriebn etz e die nicht über dem Boden schleifen un d n ur die freischw immenden Organismen fangen üben n iemals einen so sta rken Zug aus. Immerhinbesaßen auch ihre Drahtseile einen Umfang von 2 0—2 5 mm un d eine Bruchfesfigkeit von 1975
—3039 kg.
8)Selbst bei der Anwendung der neuesten, verhältn ismäßig rasch arbeitendenInstrumente dauert ein Dredschzug in großer Tiefe viele S tunden , da das Netzn ur mit ein er Durchschnittsgeschwindigkeit von nicht ganz ll
/3 m in der Sekun desi ch ordnungsgemäß in die Tiefe bringen un d nicht viel schneller wieder hebenläßt. Überdies muß ein Drittel mehr Seil ausgegeben werden als die wirkli cheTiefe beträgt , um das Netz mit Sicherheit horiz ontal auf dem Grunde nachschleppenz u können. Au f der deu tschen Tiefsee-Expedition nahm ein Dredschzug in 5 108 m
Stunden in Anspruch. Es wu rden in 5 Stunden 6700 m Seil ausgegeben ,1 Stunde lang wurde gefischt u n d St unden dauerte es , bis das Netz emporgewunden war. Erheblich rascher gehen die Lotun gen vor sich, da der Apparatmit der Durchschn ittsgeschwin digkeit von 111 in der Sekun de zur Tiefe gebracht,mit 111 Geschwindigkeit gehoben werden kann . Eine Lotun g in 5 100 m beansprucht also etwa Stunden Zeit .
Anmerkun gen .
33
9) Es wird vielleicht n icht u n erw un scht sein , hier einige Anga ben über dieT iefen tempera turen der Meere z ur Han d zu haben . Am Rande des Ostgrönlandstroms ergaben sich a uf N o rd ehsk i ö l d s Reise am 14 . Juni 1883 (62 ° 35’ n . Br.
,
40°
4' w. L.)folgende Verhältn isse
Temperatur :Tiefe o m 2 5 m 50m l oo m z oo m 450 m
E twa s verschiedene Temperaturen fand die deu tsche Tiefsee -Exped ition ander Packeisgreu z e des anta rktischen Ozeans zw ischen dem 63
9u n d 64
9 s. Br.,
5 5° ö . L . , Mitte Dezember 1898.
TemperaturTiefe : o m 75 m 1oo m 1 2 5m 1som z oo m
Temperatu r :Tiefe 300 m 350 m 400 m 600 m 800 m 1000 m
Temperatur : 0°
Tiefe 1 500 m 2 000 m 2 400 m 2 7 50 m 4700 m
Das Auffallende , beide n Reihen Gemeinsame liegt darin, daß in den circump olaren Meeren unter dem kalten Oberflächen w asser ein e wärmere un d sa lz reichere
Wasserschicht ruht , sodaß die niedrige Oberflächen tempera tur gar nicht oder erstin sehr bedeutenden Tiefe n wieder erreicht wird.Über die Abn ahme der Temperatur in den Tiefen der tropischen u n d subtro
pischen Regionen des atlantischen Ozeans haben die Messungen der deu tschenPlankton-Expedition (Krü mm e l , Geophysikalische Beobachtungen , 1893) interessa n te Ergebnisse gebra cht .
5 . Sept. 3° 40’ n . Br. , 1 8°
58' w . L .
Temperatur :Tiefe om l oo m zoo m 400 111 6som goom
2 2 . August (Sargassosee). 2 6 ° 2 7' n . Br.
, 32°
33’w . L .
Temperatur :Tiefe : Om 195 m 390m 2 060 m
Damach erwies sich die Sargassosee als das am tiefsten hi n durchw ärmte
Meer . Letzthin hat allerdings die deu tsche Tiefsee-Expedition im indischen Ozeanbei den Kokosinseln in 2 00 m Tiefe noch eine Temperatur von C . gefunden
,
die freilich ziemlich rasch sinkt u n d in 3oo m Tiefe in soo m C .
beträgt .In den gemäßigt en Zonen wird die direkte Beeinflussung der Wassertemperatur
durch die Sonnenwärme kaum tiefer hinabreichen als 1 80—2 00 m,un d im Mittel
meer vielleicht n ur 100 m (B o gu sl a w sk i). Unterhalb dieser Tiefe verschwindetj eder Einfluß der Jahreszeiten auf die Wasserw ärme. Im Sa rgassomeer scheinensich allerdings die Jahreszeiten bis zu 400 m fühlbar zu machen . Wen igstensfand die deutsche Plankton -Expedition in dieser Tiefe n och gewisse Unterschieded er Temperatur im August u n d Oktober. Doch waren die Differenzen n ur so geri n g , daß sie au ch in den Bereich der Instrumental oder Beobachtungsfeh lerfallen könnten (K rümmeß
S e e l i g e r ,T ierleben der Tiefsee .
34 Tierleben der Tiefsee .
10)Die großen Temperatu runterschiede , die in den Tropen zw ischen demOberflächen un d Tiefen w asser herrschen ,
w erden von vielen mit dem Grundnetzegehobenen Tieren so schlecht vertragen , daß sie im warmen Wasser der oberenSchichten sofort absterben un d bereits i n aufgelöstem Zustande z u Tage kommen.
1 1)Über die Temperaturabnahme in den Tiefen des Mittelmeers geben dieMessungen des »W ashin gton c vom 2 7 . August 1 881 un ter 39° 2 0’ n . Br.
,13
°10
'ö .L .
eine deutli che Vorstellung :
Temperat ur : 2 6°
14°
Tiefe om 30 m so m 8om l oom 1 50 m 2 00 111
Temperatur : 14°
Tiefe : 300 500 800 1000 2 500 3550
Ch u n (Die pelagische Tierwelt in größeren Meerestiefen u n d ihre Beziehun genzu der Oberflächen faun a
,1887)berechnet folgende Mittelwerte :
Temperatur : 14°
Tiefe : 5o m 1oo m 1 50 m z oo m 300 111 500 1000
1 2 )Das Mittelmeer ist n icht das einzige großere Meeresbecken, das ein e derartige Erwärmung der großen Tiefen zeigt . Nordöstlich von Borneo herrscht inder Suln oder Mi n dorosee von 730 m Tiefe an bis zu 4660 m eine konstanteTemperatu r von C . , während die Oberflächen tempera tur 2 8
° C . beträgt .Das kan n n ur so erklärt werden
,da ß un terseeische Rifl'e diesen Meeresteil a l lseitig
umgeben u n d einen Zufluß des kalten Grundwassers unmöglich machen. ! hnlichenErschein ungen begegnet ma n auch in der Mela n esiasee zwischen der Torresstraßeu n d den Neuhebri den (vgl . B ogu s l a w sk i , Die Tiefsee u n d ihre Boden u n d
Temperaturverhältnisse,
Westlich von Sumatra ist im Men taw eibecken von
goo m ab die Temperatur stets gleich C ., w ährend sie in den ben achba rten .
freien Teilen des in dischen Ozeans kontinu ierlich abnimmt u n d in l 3oom Tiefein 1 7oom 3
° beträgt. Es muß daher das Men taw eibecken durch 900 m unter dem.
Meeresspiegel liegende Barren vom freien Meer geschieden sein (C h u n).
13)Da erhebliche Tempera turverschieden hei ten ein Haupthindernis fur dieAusbreitung einer Art bilden ,
werden die oben erörterten Verhältnisse schon a us
reichen, um u n s zu erklären,warum die Oberflächen tiere, die a uf das warme Wasser
angewiesen sind , im allgemeinen n icht sehr tief hinabsteigen . Wo das Verbreitun gsgebiet einer Art in vertika ler Richtung sehr weit sich ausdehnt , haben wir esstets mit Formen zu thun
,die gegen Tempera turun lerschiede ziemlich u n empfin d
lich si n d . So lche Tiere sind daher i n der Regel auch nicht au f eine engere geographische Zone beschränkt , sondern besitz en ein sehr we ites horizontales Verbreitun gsgehiet. Viele in der Tiefe lebende Formen sind Kosmopoliten .
Die niedere Temperatur bedingt eine gewisse Übereinstimmun g der Leben sbedingungen i n der Tiefe au ch der tropischen Meere u n d in den oberen Schichtender circumpola ren Ozean e, un d es ist daher die Möglichkeit gegeben , daß die andas kalte W asser angepaßten arktischen un d antarktische n Formen sich nach dengemäßigten u n d warmen Zonen hin ausbreiten ,
insofern sie es vermögen , in dieTiefe hinabzusteigen . Hier sin d zw ar d ie Temperat urverhältnisse die gleichen w ie
Anmerkungen .
35
in hohen Breiten an der Oberfläche , im ubrigen aber bestehen doch rech t verschiedene Lebensbedingungen , den en sicher n ur ein Teil der circumpola ren Flachwassertiere sich w ird anpassen können. Diejenigen , die das vermögen , müssen inihrer geographischen Verbreitung d adurch ausgez eichnet sein , daß die ba thymetrischen Centra ihres Vorkommens i n verschiedenen Breiten verschieden tief liegendie nordischen Arten werden im Süden ti efer leben. Eine ganz analoge Erscheinung läßt sich bei den das feste Land bewohnenden Organismen , bei Tieren un d
Pflanzen , beobachten. Die im Hochn orden in der Tiefebene lebenden Formensteigen in den w ärmeren Zonen in immer höhere Gebirgsregionen empor.
Für skandinavische Meerestiere hat diese Verbreitun gsart schon vor lan gerZeit L o v en erkann t, denn er fand , daß die bei Finnland an der Oberfläche oderin 36 m Tiefe vorkommenden Formen bei Gothenburg in 2 0 beziehungsweise1som Tiefe leben. So müßte man denn auch erw arten , in den abyssa len Regionender tropischen Meere man che nächsten Verwandten der ci rcumpolar oberflächlichlebenden Tiere w iederzufin den . Wenn das auch der Fall ist , so fehlt es doch auchnicht an Beispielen für ein entgegengesetz tes , freilich n ur schwer verständlichesVerhalten , daß nämlich Gattungen , die in tropischen Meeren auch im flachenWasser leben , in der Tiefe der arktischen Meere wiederkehren . Es ist bereits oben(p . 30) erwähnt worden , daß der Artrop/zßon von R o s s im Hochn orden in beträchtlicher Tiefe a ufgefunden wurde während man ihn bis dahin n ur aus dem
warmen Wasser des indischen Ozean s kannte. Un ter den Seeigeln gelten dieE ch i n o th u r i d e n als typische Tiefseeformen. In höheren Breiten sind sie n ur
i n grö ßeren Tiefen bisher gefischt worden , währen d sie im tropischen Teil desindischen Oz ean s auch gan z nahe der Oberfläche vorkommen. Ausdrücklicherwähnen P. un d F . S a r a s i n (Ergebnisse naturwissenschaftlicher Forschun gen auf
Ceylon , 3. Heft, daß ihr Astkmosoma a rm: im Hafen von Trincomali innerhalb der 6 Faden-Tiefe a n zu trefl'
en sei . Auch unter den Hexactin ell ideu finden sichin den tropischen u n d sub tropischen Regi onen Vertreter , die in ziemlich geri n genTiefen leben .
Daß hochn ordische u n d antarktische Tiere in gemäßigten u n d heißen Zonenin der Tiefsee vorkommen müßten, nahm bereits J am e s C l a rk R o s s a n . Sein e1 84 1 ausgeführten Untersuchun gen erstrecken sich auf den an tarkti schen Ozean beiSüd -Victori a la n d , etwa unter dem 73
9 s. Br. , reichen aber all erdings kaum tiefera ls 550 111. Hier fand sich ein überraschend reiches Tierleben von Bryozoen ,Coelen tera ten , Würmern , Schnecken u n d Krebsen . Besonders auffallend aber erschien es, daß hier solche Formen sich wiederfanden , die man bis dahin n ur imHochn orden angetroffen hatt e. Das getrennte Vorkommen in zwei räuml ich soweit ausein anderliegenden \Vohn gebieten glaubte R o s s n ur dadurch erklären zu
können , daß im kalten Tiefen w asser der zwischenliegenden Meere e in steter Austausch zwischen den beiden polaren Pa n n en erfolge .
Neu erdings hat C h u n (Die Beziehungen zwischen dem arktischen u n d a n t
arkti schen Plankton, 1 897)den gleichen Standpunkt vertreten , um das Vorkommenderselben p e l ag i s c h e n Formen in be iden Polarmeeren verstehen zu können.
Wenn auch eine gewisse Überein stimmung der pelagischen arktischen u n d der nochso überau s dürftig bekannten antarktischen besteht , so kennen w ir doch eigen t
lich uur drei beiden Gebieten gemeinsame Arten : die Sagi fta hama ta Möbius ,D ip/zw .: a rctica un d F r i tz
'
lla rz'
a bort ah'
s Lohmann. Die letztere kommt aber deshalb
3*
36 Tierleben der Tiefsee .
hier nicht weiter in Betracht, weil sie zweifellos nicht eine rein bipolare , sonderneine kosmopolitische Form ist. Auf der deu tschen Tiefsee—Expedition sind zah lreiche Tiefen züge mi t dem Schließn etz ausgeführt worden , um die Frage zur Entscheidung zu bringen , ob in der That ei n derartiger Austausch zw ischen den beidencircumpolaren Faunen in der Tiefe besteht . Aber erst dann ,
wenn das gesam
melte Materi al verarbeitet sein w i rd wird darauf eine klare Antwort gegebenwerden könn en .
Daß übrigens die Tiefsee n icht der einz ige Weg ist, auf dem ein e Verbindungzw ischen den circumpola ren Regionen sich erz ielen läßt , hat man schon la n gebemerkt. Seitdem H umb o l d t ein e starke kalte Meeresströmung a n der WestküsteSüdamerikas nachgewiesen hat , ist bereits mehrfach darauf hingedeutet worden,daß in diesem S trom ein wichtiges Verbreitungsmi ttel der antarkti schen Faunagegen den ! quator z u gegeben ist u n d daß sich auf diese Weise der faunistischeCharakter der Küste Chilis u n d weiter n ordlich bis zu den Galapagosinseln erklärt .
Das Vordringen der an tarktischen Mollusken auf diesemWege hat schon O r b i gn yerkannt , un d M i l n e-E d w a rd s führte die Verbreitun g der Pin guine a n der Westküste Amerikas auf j enen Ka ltstrom zurück . Auch O r tm a n n (Über >Bipola
rität c in der Verbreitu n g marin er Tiere . Zoolog. Jahrbücher, Abt . f. Systematik,1896) bezeichnet
_
diesen un d den an der Westküste Nordameri kas nach Südenfließen den kalten Strom als einen Verbindungsweg zwischen den circumpola ren
Meeren.
Will man nicht , wie es allerdings i n einer überzeugenden Weise kaum geschoben könn te , die ! hnlichkeit zwischen beiden polaren Faunen lediglich dadurcherklären , daß nach dem Prin zip der konvergenten Züchtu n g a n beiden Ortengleiche un d ähnliche Tierarten sich selbständig durch Anpa ssun g an die äußerensehr ähnlichen , fast gle ichen Lebensbedin gungen hervorgebildet haben , sondernnimmt ma n an , daß die Übereinstimmung tha tsächl ich auf Blu tsverwandtschaft beruht , so bleibt noch eine andere Erklärungsmöglichkeit bestehen .
Mu r r ay un d besonders P f e f fe r (Versuch über die erdgeschiehtliche Entwicklung der j etzigen Verbrei tun gsverhältn isse unserer Tierw elt
,1891) erklären die
Übereinstimmung a us einem faunistischen Zusammenhang der jetz igen polarenRegionen in früheren Erdperioden . >Bis zu a lttertiären Zeiten gab es auf Erdenkeine zonenartigen Faunen , sondern n ur e ine einzige , über die ganz e Erde verbreitete allgemeine Fauna< . Erst später entstand eine klimatische Sonderung , u n d
gleichz eitig zogen sich die früher über die gan ze Erde verbreiteten Warmwassertiere in die äquatorialen Zonen zu rück während n ur gewisse Arte n den verändertenExistenzbedin gungen der kälteren Regi onen sich an zupassen vermochten. Die Vorfahren der heu tigen polaren Litora lfaun en waren einst über das Litora l der ganzenErde verbreitet. »Kein Tier , mit Ausnahme einiger starken gegen klimati scheVerhältnisse u n empfin dlichen Schwimmer un d der in d ie Tiefsee steigenden Artenkann von dem einen Gebiete in das andere hi n über ; im allgemeinen setzt diezwischen beiden liegende Tropenzone ebenso wie die Tiefsee jeder Annäherung,j eder Vermischun g un d jedem Austausch zw ischen beiden Faunen die völlige Unmöglichkeit gegenuber.«
Gegen die An nahme einer a llgemein en Faun a c der mesozoischen ,ja selbst
der pa läozoischen Zeit haben sich aber , wie es scheint aus gewichtigen Gründen ,schon N euma y r (Die klimati schen Zon en während der Jura u n d Kreidezeit
,Wien
38 Tierleben der Tiefsee .
daher ein tieferes Sinken . Somit läßt sich die Tiefe ga r nicht absehen, in welchedas Tier geraten müßte, wenn es lediglich von der Schw immblase abhängig w äreun d durch die aktiven Schwimmbew egungen dem Zuge nach unten nicht entgegenzu wirken vermöchte . In je beträchtlichere Tiefe das Tier gesunken ist
,desto
großer wird die Anstrengung der Lokomotion sorga n e sein müssen , um den Widerstand des zunehmenden spezifischen Gew ichtes zu bewältigen . Nicht u n w ahrscheinl ich ist es daher, daß die Schwimmblase gewissen Fischen ein Hinabsteigen untereine bestimmte Tiefe überhaupt nicht gesta ttet
,wenn die Möglichkeit des Wieder
aufsteigens gew ahrt bleiben soll .Umgekehrt w ird beim Emporsteigen eines an eine bestimmte Tiefe an gepaßten
Fisches die Schwimmblase sich rasch ausdehnen un d eine Herabsetzung des Spe
z ifischen Gewichtes des ganzen Tieres bewirken. Aus dieser würde sich wennvorher das spezifische Gewich t des Fisches dem des Wassers gleich gewesen w äre ,ein weiteres Emporsteigen von selbst ergeben . Der Ausdehnung der Schw immblase info lge abnehmenden Wasserdrucks wirkt die Elastizität der Wandung u n d
die sich kontrahierende Muskelbekleidu n g entgegen , u n d es läßt sich verstehen ,daß Fische . die an tiefere Wasserschichten angepaßt sind , beim Aufsteigen in z u
hohe Schichten eine derartige Au sdehnung der Schwimmblase erfahren können ,
daß sie über dieses Organ die Gewalt verlieren u n d bis an die Oberfläche getriebenwerden
,ohne die Fähigkeit z u bewahren, in die Tiefe zu rückz ukehren . Derartige
Erfahrungen hat man schon längst an den die Tiefen der Alpenseen bewohnendenSüßw asserfischen gemacht .Der Kilch (Corcgon u : hiema lis)findet sich im Boden u n d Ammersee in Tiefen
von 70 m u n ter einem Überdruck von mehr a ls sieben Atmosphären . Wird er mitein em Netz z ug rasch an d ie Oberfläche gebracht , wo n ur noch der Druck deratmosphärischen Luft wirkt
,so platz t oft die mächtig aufgetrieben e Schwimmblase
mit lau tem Kn all oder die Tiere kommen als » trommelsüchtig< ans Tageslicht mitmächtig aufgetriebenen ba l lon fö rmigcn Bäuchen u n d erweiterter Schw immblase,zuwe ilen auch , wie es an Burschen gelegentlich beobachtet wurde , mit ausgestülptemSchlund. Diese Tiere schwimmen mit nach unten gekehrt em Rücke n a n derWa sseroberfläche u n d ma chen vergebliche Versuche , in die Tiefe zurückz ugela n geuSie sterben ba ld ab . wenn sie nicht in geeigneter Weise operirt werden , w a s dieFischer >stupfen c nennen . Das geschieht so
,daß durch ein in die Leibeshohle
eingeführtes zugespitztes Holzstäbchen die Schwimmblase angestochen wird. Dannentweicht die überschüssige Luft , die Schwimmblase u n d der aufgeblähte Körperfallen a uf das n ormale Maß zusammen , u n d die Fische gesunden rasch.
1 6)Es wird berichtet , daß die in der Bei von Setubal a us 1 2 00 m u n d nochgroßerer Tiefe gehobenen Cen trophorus-Haie vollkommen regun gslos u n d betäubtan der Oberfläche erscheinen (W r i g h t , z iti ert nach S c h l e i d e n , Das Meer).S t e r n op ty chi d e n , leuchtende Fische der Tiefsee , kommen oft zerbrochenempor (P a ge n st e ch e r), un d d as Gleiche gilt für viele O p h i u re n un d A s t er i d e n . Von Br isi n ga elega n s dürfte wohl überhaupt kein völlig unverletz tes Tierbeka nnt geworden sein.
Andererseits fehlt es au ch nicht an Tieren die im Meere Strecken vonmehreren Tausend Metern in vertikaler Richtung in sehr kurz er Zeit durchmessen,ohne Schaden z u nehmen. Viele Haie ha lten sich gern am Grunde tiefer
Anmerkungen. 39
Meeresstellen a uf, um gelegen tlich in kurz em Zeitraume Beute suchen d bis an dieOberfläche vormdrin gen . Der Walfisch pflegt , wenn er mit der Harpune ver
wundet w orden ist , rasch in so bedeu tende Tiefen zu tauchen daß oft die Holzteile des Wurfgeschosses zu sammengepreßt werden un d dann auf dem Wasser nichtmehr schwimmen .
Geeign eter vielleicht noch als die Fische erweisen sich die gu t fliegendenVogel zur Durchwanderung großer vertikaler Strecken in moglichst kurz er Zeit.Vielleicht kein anderer Vogel vermag sich so hoch im Luftmeer z u erheben
,wie
d er Kondor , der Riese unter den Geiervögel n , dessen Flügel mehr a ls 4 m spannen.
In der Hochebene von ! u ito leb t er gewöhnlich in den Luftschichten zwischen32 50 u n d 5850 m . Dort sah ihn H um b o l d t (Ansichten der Natur) über demAntisana in Höhen von 7 1som stundenlang kreisen . Aus diesen gewa ltigen Höhenkann sich der Vogel i n ku rz er Zeit am westlichen Abhang des Vu lkans Pichinchabis zum Meeresufer hinabsenken u n d so alle Klimate rasch durchmessen.
1 7)Die atmosphärische Luft besteh t durchschnittlich aus 23 Sauerstoff un d
7 7 Stickstoff; die Luft im oberflächlichen Meerwasser dagegen ist sa uerstofi'
reicher,
denn der Prozentgehalt an Sau erstoff beträgt 33—35 . Das erklärt sich daraus ,daß das Seewasser für Sau erstoff ein größeres Absorptionsvermögen besitz t als fürStickstoff Nach den Beobachtungen der Chal lenger-Expedition nimmt der Sauerstoffgeha lt der Lu ft nach der Tiefe z u allmählich ab . Nur zwischen 2 00 un d
400 Faden (365—730 m) erfolgt die Abn ahme rapid sprungweise , um hier ei n
Minimum zu erreichen un d n ach der Tiefe allmählich wieder zu steigen , ohnea ber das Oberflächen maximum auch n ur entfernt z u erreichen. Die deu tsche Tiefsee-Expedition ha t ganz übereinstimmende Ergebn isse erhalten. Bis zu 50 m Tiefee rgab sich ein Sauerstofl'geha lt von ungefähr 8 ccm im Liter Seewasser. Zwischen50 un d 300 m sin kt der Gehalt bis auf wenig mehr als 4 ccm,
um endlich unterganz allmählicher Zunahme bei 4000 m sich a uf ungefähr ccm zu erheben .
Es ist merkwürdig, w ie häufig ma n gerade unter gebildeten Laien die Ansich tfindet , daß die Tiere , die mit Kiemen im Wasser a tmen , den Sauerstoff so gew inn en
,daß sie dasWasser i n seine Bestandteile , in Sauerstofl
'
un d Wasserstoff, inähnlicher Weise zerlegen, w ie dies der elektrische Strom tha t. Davon kann n a tür
lich keine Rede sein ‚ sondern der zur Atmung no twendige Stoff wird der Luft entn ommen , die dem Wasser beigemischt ist. Wird di ese, etwa du rch Kochen, aus
getrieben , so ersticken i n diesem Wasser die Tiere tro tz ihrer Kiemen.
18)Ebensowenig kann aus dem Verha lten des S a l z g e h a l t e s ein Grundgegen d ie Bewohnbarkeit der großen Tiefen hergeleitet werden
,denn der Salz
gehalt, in Prozenten a usgedrückt,zeigt zumeist kein e konstante Veränderung nach
der Tiefe zu . Er kann dem der oberflächlicheren Schichten ganz gleich sein, ihnübertreffen oder geri nger erscheinen. Jedenfalls sind seine Veränderungen in derVertika le nach der Tiefe zu nicht viel beträchtlicher als in den gl eichen En tfernungen in einer Horizontalebene , z. B. un mittelbar an der Oberfläche des Meeres.
19)Sehr interessante Versuche über das Ein dringen der Lichtstrahlen in d ieMeerestiefe haben F 0 ] un d S ara s i n (Sur la p é né tration de la lumié re dans laprofondeur de la mer. Compt. rend. 1886 un d früher schon 1885)angestellt, nachdem vorher bereits F o r e l (La faune profonde des lacs su isses 1884)un d auch F o l
40 Tierleben der Tiefsee.
(Compt. rend .
, Bd. 99, 1884)die schweiz er Seen daraufhin untersuch t hatten. Mit
verbesserten Appa raten haben dann C h u n u n d P e t e r s e n (Die pelagische Tierwelt i n größeren Meerestiefen 1888, p . 58)im Golf von Neapel experimentiert.
2 0)Ma n vergleiche über die Farbe des Meeres die ausgezeichnete Da rstellungK rumme l s (Ge0physika lische Beobachtungen . Ergebnisse der Plankton-Expeditio n .
1893L
2 1)Uber solche Wahrnehmungen bei seinen Versuchen an der Rivi era berichtetF o l (Compt. rend. , Paris , Bd. 1 10 , In der Tiefe erschienen ihm roteGegenstän de schwarz , grüne Algen sah er dagegen noch in den ursprünglichenlebhaften Färbu n gen .
2 2) Diese spektroskopisohen Untersuchungen rühren von H. W. Vo g e l her(Poggen dorlfs Annalen , der die Grotte an einem Junitag des Jahres 1875untersuchte .
23 Auch im durchfallenden Lich t erschein t nach den Untersuchungen von
O l tm a n n s (Prin gsheims Jahrb. f. w issen sch. Bo tanik,Bd. 23, 1892 } d as Ostsee
wa sser grün, denn es absorbiert beide Enden des Spektrums. Beim Hindurchgehendurch eine 1 7 m dicke Wasserschicht waren das Ro t vollständig un d das Gelb zum
Teil geschw unden, ebenso aber auch Violett, Indigo u n d Blau bis z u einer W ellenlänge von 450 pp .
2 4)Die Farbe , in der un s das Meer erscheint , hängt davon ab , wo die Reflexion der ins Wasser fallende n Lichtstrahlen erfolgt . Abgesehen von den beiglatterMeeresoberflächea n dieser schon in erheblichemMaße eintretendenReflexion en ,müssen im abso lu t reinen un d ungetrübten Tiefen w asser die Strahlen immer weiterin die Tiefe vordringen , bis sie füglich vollkommen resorbiert werden , da sien irgends auf Körper treffen von denen sie wi eder nach oben zu rückgeworfenwerden könn ten. Absolut re ines, tiefes Gewässer müßte daher schwarz ersche inen.
Nun ist aber niemals das Meerwasser vollkommen rein , sondern von Trübungenal ler Art, von mikroskopisch kleinen Organismen oder anorgan ischen Partikelchenmehr oder minder dich t erfül lt , u n d diese reflektieren die ein getretenen Lichtstrahlen . Erfo lgt die Reflexion schon in ziemlich geringer Tiefe , weil ein e sehrreiche Trübung vorha n den ist , so wird das Licht fast gan z in der Beschaffenheitzu rückgewo rfen
,in der es ein getreten ist ; vi elleicht n ur ein Teil der roten Strahlen
ist durch Absorp tion im Wasser verloren gegangen , un d das Wasser erscheintweißlich trüb . Ist das Meer
'
n ur seicht,sodaß die Reflexion vom Meeresboden
aus erfolgt u n d dieser hi n durchschimmert so w ird dessen Beschafl'en hei t in ersterLinie die Farbe bestimmen . Erfolgt be1 geringerer Trübung des tiefen Meeresdie Reflexion in größerer Tiefe , so sind die roten u n d gelben Strahlen vomWa sserresorbiert u n d können n icht mehr zurückgeworfen werden : die )Ieercsfa rbe
erscheint grünlich oder blaugrün. Findet die Reflexion bei n ur sehr geringerTrübung des Mediums in noch größerer Tiefe statt , so si n d a uch d ie grünenStrahlen bereits resorbiert u n d fehle n daher im reflektierten Licht : da s Meer istblau . Blau also erscheint u n s da s Meer , wen n es von Fremdkörpern moglichstfrei ist, u n d es ist daher ganz zutreffend , wenn S ch ü t t sagt : >Blau ist die Wüstenfarbe des Meeres.«
Anmerkungen . 4 1
Natürlich sind die reflektierten Farben des Meeres auch von der Beschaffenheit der kleinsten im Wasser suspendierten Teile , die die Reflexion bedingen , ab
hängig. Thon ige Körperchen halten sich l eichter in oberen Schichten in derSchwebe als kieselige
,sie lösen sich überdies leichter u n d erzeugen eine i n ten
sivere Trü bung un d daher gelblichgrün esWasser (2 . B . das »gelbe Meer« durch dievom Hoa n go eingeführten Lehmmassen ). Fein e w e i ß e Ka lktei lchen rufen einebesonders inten sive blaue Meeresfarbe hervor , w ie j edem Besucher der Rivierabekan nt ist.
2 5) Die Verbreitung der Pflanzen ist vollig auf die durchlichteten oberenMeeresschichten beschränkt. Bei der Assimilation sind nicht alle Strahlen vongleicher Wirksamkeit. Gerade umgekehrt
,a ls ma n es vi elleicht a priori erwarten
möchte,sind die kurzwelligen am blauen Ende des Spektrums von gerin gstem
Einfluß , die roten un d gelben dagegen am wichtigsten. Das gilt aber n ur für diegrünen Pflanzen ; die braun en un d roten Meeresalgen, d ie in den Chroma t0phorenneben ihren besonderen Fa rbstoffen das Chlorophyll führen , werden dagegen beider Assimila tion am stärksten durch die ihn en komplementären Strahlen beein flußtalso durch die b lauen . So erklärt es sich, daß die grünen Pflanzen an die oberstenMeeresregion en gebunden sind , währen d die roten Algen beträchtlich tiefer hinabsteigen können
,sicher bis z u einer Tiefe von 360 m. Die untere Grenze des Vor
kommens lebender Pflanzen ist sehr schwer zu bestimmen,weil die to ten in die
Tiefe sin ken un d zu n ächst im kalten Tiefen w asser n ur sehr wenig sich verändern .
Es ist dann lediglich die Gruppieru n g der Chroma t0phoren , aus der sich daraufschließen läßt
,daß die Pflanz en nich t mehr leben , ein Merkmal , dessen Erkennu n g
völlige Vertrau theit des Beobachters mit dem Objekte voraussetz t.Auf der deu tschen Plan kton-Expedition glaubte B r a n d t (Über die biologischen
Untersuchungen der Plan kton—Expedition . Verha n dl . der Gesellsch. f. Erdkun de .Berlin 1889. Uber die Schließn etzfän ge der Planton—Expedition. Ges. deutsch.
Na turf. 11 . ! rzte . Lübeck 1895)das Vorkommen von lebenden Pflan zen besonders H a lorpha em
‘
2 1i n'
dr'
s in Tiefen von über 2 000 m durch Schließn etz fän gefestgestellt zu haben . Es konnten aber seine Angaben namentlich bei den Bo tan ikora kei n e allgemeine Anerkennung fin den, u n d ma n erklärte sich das Vorkommeni n der Tiefe so
,daß es sich umRuhezustän de vo n Pflanzen handle
,die a llmähli ch
in die Tiefe hin abgesu n ken seien (Ch u n , Ges. deu tsch. Na turf. 11. ! rzte , Bremen1890 . C o h n , Die Pflanze . Bd . 2
,Obwohl B r a n d t noch ganz n euer
dings (Über den Stoffw echsel im Meere , 1899)eine derartige Erkläru n g mit Nachdruck ablehn t un d hervorhebt , daß sicher gewöhnliche vegetative Zustän de vonHa lospha em vorgelegen hätten , bleibt es doch bemerkenswert , daß die deu tscheTiefsee-Expedition , die einen kenn tnisreichen Botan iker an Bord hatte , in größerenTiefen n ur to te Pflanzen auffand un d die leben den assimilierenden Pflan zen n ur bisetw a 400 m hinabsteigen sah (Ch u n ,
Aus den Tiefen des Weltmeeres,p .
Im Verbreitungsgebiet der schwebenden Meerespfla n zen lassen sich zwei überein a n derliegen de Regionen unterscheide n ; d ie ti efere , i n den
'
1‘
1 0pen besondersscharf hervorh eten da , führt eine >Scha tten flora c ,
der n och eine sehr schwacheBelichtung gen ügt un d deren Hauptvertreter die Hd orpi a era ist. Im an tarktischenMeere fehlt die Scha tten flora un d fehlt auch die H a lorp/mem.
ImGegensatze zu diesen a ssimilierenden Pflanzen reicht d a s Verbrei tun gsgebiet
4 2Tierleben der Tiefsee.
d er Bakterien sehr weit in die Tiefe hinab. Die deutsche Plankton-Expedition fandd ie Bakterien im Atlan ti schen Ozean s c hw e b e n d bis in Tiefen von 3450 m,
während sie auf dem Me e r e s g ru n d in größeren Tiefen zu fehlen schienen u n d
j edenfalls mit Sicherheit nicht n a chgewiesen werden konn ten. (F i s c h e r , DieBakterien des Meeres. Ergebn . d . Plan kton -Expediti o n , Auf der TiefseeExpedition wurde dagegen eine reiche Bakterien flora in den G r u n d p rob e n bisz u 1 7 50 m beoba chtet (Die deutsche Tiefsee-Exp edition 1898/1899. Amt] . Berichtdes Prof. C h u n , Zeitschr . d . Gesellsch. f. Erdk. Berlin , Bd . 34 , p . 6 des Separata bzugs
,
2 6)Unsere kolorierte Ta fel zeigt e inige der wich tigsten u n d au ffallendstenFärbungen der Tiefseeorgan ismen. R o t , in den verschiedensten Tönen , erscheinene ine Anzahl Cruster, Echinodermen u n d Coelen tera ten : In der Mitte des Vordergru n des eine blin de Eryon ide , der etwa 52 mm lange E ryom
'
cur ma n : Faxon aus
142 0—3380m Tiefe ; weiter hinten rechts der blutrote N a tostomu : Weslergn m
'
Fam n .
der 13 cm lang wird un d in 32 00 m Tiefe lebt . Im Vordergrunde rechts kriechteine ßrisi n ga en decamemos Asbjö rn son , die in Tiefen von 180— 2 000 m vorkommt,weiter hin ten in der Mitte ein P lu lon a ster bifmn sW . Thomson (106— 2 52 5 m Tiefe ,
cm groß)u n d Arcka rter n'
gr'
dur Perrier , der vom >Talisman « in 5000 m Tiefegedredscht wurde. Links sitzt der größte a l ler bekann ten Polypen , der fil on oca u l usimpera lor ,
der mit seinem schlanken S tiele eine Län ge von 2 m 2 4 cm erreichtu n d von der Challenger-Expedition in Tiefe n bis z u 5300 m gefunden w u rde.Einige Korallen polypen sieht ma n rechts ; im Vordergrund ein kleines 55 mmhohes Stöckchen von Sympodz
'
um a rma l um,das der Challenger in ca . 2 000 m
Tiefe fi schte , weiter hinten eine größere leuchtende Rin den kora lle, M oprea ,die
dem Werke F i l h o l s (La vie au fa n d des mers, 1 884)entnommen wu rde ; zwischenbeiden steckt eine Tiefseestein kora l le.
Rechts oben schwimmt eine rötlich a n gehauchte , ungefähr 1 6 cm große Tiefseemeduse, Pen
'
phy lla mira bi lz'
r Haeckel,die vom Challenger in 2 000 rn Tiefe ge
fischt wurde , links eine Tiefseesiphon 0phore ,die Rl n'zoplwsa i n emn
'
s Studer,die
fast farblos , n ur stellenweise rö tlichgelb gefleckt ersch eint , ein e Länge von mehrals 1 5 cm zeigt un d mit der Lotleine aus über 3600 m Tiefe emporgebracht
w urde .F a h l b räu n l i ch erscheinen links unter der Mitte des Bildes einige Glas
schwämme von vogeln estähn lichem Au ssehen : Pheron ema Pa rf a i fi Filhol . das eineLänge von ca. 1 2 cm erreicht un d zwischen 1 2 00 un d über 2 000 rn Tiefe lebt .O l i v e n grü n un d g r a sg r ü n sieht ma n die gestielten Crinoidea gefärbt. Rechtsd en 2 5 cm hohen P en ta cn
'
n u : Wy vi l le-H amram’ Jeffreys , der z iemlich häufig in
1 2 00—1 500 m Tiefe vorkommt , l inks den n ur 5—6 cm langen B a t/ry cn
'
n w gra ci lis
Wyv .-Thomson
,der bis zu 4450 m hinabsteigt . B l äu l i c h g r a u ist eine zwischen
2 435 un d 3440 zu Tiefe lebende Holo thu rie gezeichn et : Ben thodyte: i n certa Ludwig,dere n Län ge 2 2 cm beträgt .
In der Mitte des Bildes schwebt eine Gruppe tief dun kler, samm e t sehw a rz e r ,
leuchtender Tiefseefische, die auf der deutschen Tiefsee-Expedition erbeu tet wu rdenu n d von A. B r a u e r bea rbeitet werden . Zu oberst ein e ungefähr 2 0 cm lan geStomia tide
,Echiorloma sp. , die im indischen Ozean in 102 4 m gefischt wurde .
Darunter ein ca . 1 5 cm langer , in 1 500 rn Ti efe lebender Vertreter einer n eue n
An merkungen .
Gattung a us der Familie der Cera ti iden un d en dlich eine neue, n ur cm großeSpezies fil ela n ocetu : die sich in einem a us 4000 m gehoben en Vertika ln etz fand.
Auch eine Anzahl verschiedener pigmen tarmer Tiefseeorganismen zeigt dieAbbildung. Lin ks im Vordergrund , am Boden kriechend, findet sich ein blinderfarb loser Cruster
,der Pen !a clzeles spi n oms Milne-Edw ards
,der mit seinen Scheren
19 cm mißt un d vom Talisman in 2 2 00 m Tiefe aufgefunden wurde . Hoch obenim Wasser treiben zwe i bis auf die Augen fast ganz farblose Tiefseekrebse desMittelmeeres , die sich zwischen 600 un d 1300 m aufhalten ,
häufig aber auch inobere Schichten aufsteigen un d du rch mächtige Antennen u n d Ra ubfiiße au sgezeichnetsin d : der ca. 4 cm lange Sergeste: magn {ficur Chun u n d das n ur 1 cm messende ,mit Leuchtorganen ausgestattete S ty locheiron ma rtigopl wmm Chun. Darunter schweb teine glashell durchsichtige , räuberisch l ebende Annelide die Tomapieri : era /meta
Chun,die zwischen 500 un d 1300 m im Mittelmeer heimisch ist u n d 3 cm lang
wird. Ti ef unten schwimmt ein w eißer , farbloser , ungefähr 8 cm langer Fischder B a tlggfltemi : lon gi ca uda Günther , der vom Challenger aus über 4500 m Tiefegehoben w urde .
2 7)Ein farbloser durchsichtiger Korper entsteht nicht n ur in Anpassung andie dunkle Tiefe
,sondern ist bekanntlich auch den pelagischen Tieren der oberen
Meeresschichten eigentümlich . Aber es läßt sich doch zuweilen , wie namentlichbei manchenWürmern un d größeren Krebsen, ein Unterschied zwi schen den bleichenTiefseeformen un d den oberflächlich l ebenden Pla n kton orga n ismm feststellen .
Denn bei den ersteren fehlt oft n ur das dun kle Pigment, ohne daß gleichzeitig dieOrgane u n d Gewebe in besonderem Maße durchsichtig werden : die Tiere erschei
nen daher n ur im auffallenden Lichte weiß , im durchfa llen den aber recht dunkel .
2 8)Es bedarf keiner weiteren Begründung , daß dieser Gesichtspunk t n ur auf
eine beschränkte Anzahl Tiere Anwendung finden kann . Wo , wie bei den meistenEchinodermen , die männlichen Zeugu n gsstofl
'
e einfach in das Wasser abgestossenwerden , ohne daß eine durch den Gesichtssin n hervorgerufene sexu elle Erregungvoran gegangen wäre kann natürlich von einer Beeinflussung der Färbung un d
Zeichnung durch geschlechtliche Zuchtw ahl kein e Rede sein.
2 9)Die Barteln sind durchaus kein e Besonderhe i t der Tiefseeformen, sondernfinden sich auch bei im flacheren Wasser lebenden Fischen . Un ter den Süßwasserfischen ist der Wels durch seine Barteln leicht ken ntlich , u n d unter den marinenFormen a us geringeren Tiefen giebt es solche , die mi t zahlreichen monströs gesta l teten , z umTeil verästelten Fortsätz en an allen beliebigen Körperstellen besetztsind (z. B. Lop/ n
'
ur n a n n'
i der wohl kaum jemals un ter 300 m hinabsteigt).Andererseits fehlen wieder vi elen typischen Tiefseefischen Barteln oder andereäußere Tastfortsätz e , sodaß al so in dieser Beziehung kein durchgreifender Gegensatz herrscht.
30)Die Zah l der Beispiele ließe sich leicht beliebig vermehren . Unter denSchi2 0poden tragen die fast ausschließlich im unbelichteten Ti efen w asser lebendenArten S ty ler/wi re» martigopbomm u n d Ara cl momysi : Leucka rh
'
z' Chun sehr ver
län gerte Fühler , die bei der letz ten Art fast 4mal so lan g sind wie der Rumpf.Auf der deutschen Plankton-Expeä tion w urde zwischen 600 un d 800 m ein merkw ürdiger Isopod
,die Mu n n oprir Ion gr
'
corm'
s Hansen , gefan gen , dessen Geißeln über
44Tierleben der Tie fsee .
8mal so lan g sind als der Kö rper. Unter den Tiefseegarn eelen giebt es blutroteFormen
,deren mächtige Fühler den Körper sogar um das Zehn bis Zwölffache a n
Länge übertrefl'
en fArz'
sta rus, Arisla eopsis).
31)Auch für die Umbildung un d Streckung der Extremitäten ließen sich leichtn och zahlreiche andere Cruster als Beispiele anführen . Allerdings würde es ebensowenig schwer fallen , Fla chw a sserformen zu n ennen , bei denen die Extremitätenoder auch die Fühler in einer ähnlichen Weise umgesta ltet erscheinen wie bei a usgesprochenen Tiefseeformen. Auch in anderen Tiergr uppen u n d unter ganz verschiedenen Lebensweisen bilden si ch ähnliche Erschein un gen aus wie die hiererwähnten ; zuweilen treten sie n ur beim männlichen Geschlecht auf. Es se i 2 . B .
n ur darauf hin gewiesen , daß unter den Käfern männliche Bockkäfer (Aca n tlw cz'
mrs
a edi l is)Fühler tragen , die den Körper 5mal an Län ge übertreffen , daß schereu
tragende oder in anderer Weise geformte , an S ty loc/zez'
ron erinnernde Raubfüße inverschieden en Tiergruppen im flachen Meerw asser in süßen Gewässern u n d a uf
dem festen Lande wiederkehren . Es kann kein Zweifel darüber bestehen,daß
gl eiche oder sehr ähnliche Umformungen der Fühler un d Extremitäten durch Anpassung a n sehr verschieden e Lebensbedin gun gen hervorgerufen werden könn enu n d daß aus ihnen allein wohl kaum die Tiefseen a tur jener Formen sich erschließenließe .
32 )Zwa r leben auch in vollkommen dunklen Grotten Tiere mit w ohlausgehi ldoten Sehorgan en ; es sind das aber doch n ur solche Formen, die ihre Augen behalten haben , wei l sie erst vor verhältnismäßig kurz e n Zeiträumen die sonn endurchleuchteten Gewässer un d Landstriche verlassen u n d j ene dunklen Räumeaufgesucht haben . Die Arten
,deren Vorfahren schon seit langer Zeit als Höhlen
bewohner lehten , haben die Sehorgane bereits verloren , da diese Gebilde für sieim Kampfe ums Dasein ohne j ede Bedeu tung sind u n d bei der n a turliehen Au sleseder In dividuen nicht zählen . Viele von den Auge n tra g enden Tiefseeformen steigenn u n freilich gelegentlich auch in höhere lichte W a sserschich ten empor un d ha benso Gelegenheit, ihre Sehorgan e zu gebrauchen u n d zu üben, oder sie sin d erst seitverhältnismäßig kurzer Zeit in die Tiefe eingew andert u n d haben daher ihre Augennoch n icht rückgebildet . Vielleicht die Mehrzahl aber der sehenden Tiefseetieresind sehr alte , den eigenartigen Existen zhed i n gu n gen durchaus an gepaßte Formen ,die von ihren nächsten Verwandte n a n der Oberfläche sich erheblich verschiedenerw a sen .
33)Über die Leuchtorga n e der Cr usta ceen haben besonders die Untersuchun genvon Ch u n (Leuchtorgan u n d Facettenauge . B iolog. Cen tra lbla tt 1893. Atlantis .Biologische Studien über pelagische Organismen ,
1896)Aufschluß gebracht . Sie
beziehen sich auf die Sehiz opoden der Tiefsee , a uf Euphausien u n d Mysideen .
Die Ga ttun g Bon i/mrplza w ia ha t bei rudimen tären Augen keine Leuch torgane . DieL e u c h t o r g a n e d e s K o p fe s sitzen in der nächsten Nachbarschaft der Facettenaugen auf den Augen sti elen un d besitzen einen lamellös geschichteten Reflektor ,der das Licht des vor ihm gelegen en Leu ch tkörp ers wie ein Hoh lspiegel zurückwirft , sodaß es nach außen hin un d vor d en Mun d fäll t. Bei Euplmu ria sind d ieLeuchtorgane durch besondere Muskeln bew eglich bei N evza toscelis u n d 5 13
110
r/m'
ron sorgen die beweglichen Augenstiele auch für die Leuchtorgan e . Die
46 Ti erleben der Tiefsee.
hange mit dieser Lebensweise die Augen verloren haben , blind u n d dann auch in derRegel gan z fa rblos oder bleich sind. (Vgl. Faxon, The Stalk-Eyed Crusta cea
In a n deren Fällen ist die Wanderu n g einer ganz en größeren Tiergruppe ,etwa einer Familie , von der Oberfläche in die Meerestiefe bereits zu vollständigemAbschlusse gelangt , indem gl eichz eitig gewisse Verän derun gen in der Organisationauft raten . Der Vorgang vollzog sich immer n ur innerhalb sehr lan ger Zeiträume,im Laufe geologischer Erdperioden , u n d das Ergebnis ist demnach das, dass a ltepaläontologische Fla chw asserformen , die ma n längst ausgestorben wähn te , gegenw ärtig in der Tiefe vorkommen.
Einen überz eugenden Beweis hierfür bieten un s die E ry o n i d e n , eine denLangusten (P a l i n umr) nahestehende Krebsgruppe, die man früher n ur fossil ausder Kreide un d dem Jura kannte . Namentlich im lithographischen Schiefer vonBayern ist die Gattun g B ry an w eit verbreitet . un d augenscheinlich l ebte sie imJurameer in den oberen Schichten stiller Buchten. Die Tiefseeforschungen habenun s mit einer Anzahl leben der Eryon iden bekannt gemacht, die von den fossilendurch den Mangel der Augen sich unterscheiden
,u n d die lebende blinde Gattung
Poly ckeles hat man mit dem fossilen augen tragen den B ry a n wohl mit Rech t idea tifiz iert . P oiyc/ule: sowohl wie Ery on tcu .r un d Wi llzmoesia finden sich n ur in derTiefe. Einige wenige Arten (Poly clzele: l a n n en
'
, Eryon icu: spi n u lorm) leben in
550—700 m Tiefe, d ie meisten aber erst unterhalb 1000 m,
un d manche Formen(Wi llemoesr
'
c i n or n a ta)sind überhaup t nicht oberha lb 2 400 m beobachtet worden.
In der ba thymetri schen Verteilung der E ry o n i d e n erkennen wir somit dasEn de einer langen Entwicklungsreihe , die mit ähnlichen Verhäl tnissen , wie wirsie bei der Etlm.ra kennen gelernt haben , begonnen haben musste . Zuerst steigenn ur einzeln e In dividuen einer Art in die Tiefe, um sich den neuen Bedingun genanzupassen , dann folgen die anderen
,un d die ganz e Art verschw indet aus den
oberen Mea esregion en . So wie bei einz eln en Arten vollzieht sich der gl eicheVorgang auch bei Gattungen u n d selbst bei ganz en Familien.
In einer ähnlichen Weise ist auch die Verschiedenheit in der ba thymetrischenVerbreitung der g e s t i e l t e n C r in o i d e a in der Gegenwart un d im mesoz oischenZeitalter z u verstehen . Die jetzt lebenden Gattu n gen sind ausgesprochene Tiefseeformen , wenn immerhin auch zuweilen z ah lreichere Individuen einiger Arten sichoberhalb der Hu n dertfaden tiefe finden . Die pa läozoischen Crinoidea , deren Gattungen un d Arten a llerdin gs nicht bis i n die Triasperiode hinüberreichen, lebtendagegen zumeist im seichteren Wasser
,häufig in Gesellschaft der Ri ffkora l len , un d
das Gleiche gilt für die meisten Neocrin oiden während der Kreide Jura un d Triasz eit . In der Tertiärperiode scheinen sie sich zumeist bereits in der Tiefe gefundenzu haben , u n d da un s bisher die meisten terti ären Ablagerun gen n ur aus seichterenMeerestiefen bekannt geworden sind ,
möch te es sich erklären , da ss wir vonmanchen Crin oiden familien (Ap i o c r i n i d e n , P l i c a t o c ri n i d e n )der Jetztz eit zwarfossil e Reste aus dem mesozoischen Zeitalter, nicht aber aus dem Tert iär kenn en .
Manche Crin oidea schein en aber allerdin gs bereits im Jura in größeren Tiefen mitH ex a c t i n d l i d e n un d L i th i s t i d e n vergesellschaftet vorgekommen zu sein(P l i c a t o c r i n i d e n ), sodaß nicht alle Formen erst in jüngeren geo logischenPerioden die Einwan derung in die Tiefe au sgeführt haben dürften .
36)Zwe i Extreme dieser beiden verschiedenen Entw icklungsweisen der Sehorganein der Tiefsee finden w ir unter den Fischen bei ]pn ops A!u n uy i Günther u n d
Anmerkungen. 4 7
Al a cmm: holotra chyr Gunther. Während der erstere vollig blind ist (vgl . obenp . besitz t der letztere enorm große , fast die gan ze Breitseite des Schädels ei n
nehmende Augen. Der Al a cmms wurde in etwa 1 2 00 m Tiefe gefangen,aber
als gewandter Schwimmer wird er oft auch tiefer hinabtauchen un d höher emporsteigen, um dann in die vom Sonnenlicht n ur düster erhellten Wasserschichten zu
gelangen u n d seine Sehorgan e mit Erfolg verwenden zu könn en. Ein e ganz eigenartige Entwicklung erfahren aber die Augen mancher Tiefseefische, indem sie zu
sog. »Telesk0paugem werden, die namentl ich bei Jugendformen oft a uf ansehnlichla n gen , beweglichen Sti elen sitz en . Zu den bereits bekan nten Fischen mit Teleskopa ugen (Arg ropck cm,
0pi : l l wproctu r)hat die deutsche Tiefsee-Expedition eineReihe n euer Formen hin zugefügt, die ganz neuen Familien angehören dürften .
Auch achtarmige Cepha 10poden , die ähnlich gestielte Teleskopaugen besaßen, wurdenaus größeren Tiefen gehoben.
37) Unter den Schwämmen gelten die Hexa etin elliden als typische Tiefseeformen . Ihre vertikale Verbreitung begin n t mit vereinz elten Ausn ahmen e rst jenseits von 180 m Tiefe un d reicht bis über 5500m hinab. In Tiefen von übe r4000 m finden sich n och zahlreiche prächtige Formen . Wenn auch nicht durchdie gleichen Arten wie jetz t in der Tiefsee, so sind doch durch nahe Verwandtedie Hexa cti n elliden in der Kreide un d Ju raz eit reich vertreten . In der ganzenTertiärz ei t treten sie auffallend zu rück. Es erklären sich diese Erscheinungendaraus , daß das Tertiär un s fast a llenthalben n ur aus Seichtw asserablageru n gen
bekann t ist , in welchen schon dama ls, so wie auch jetzt noch , die Hexa cti n ellidengänzlich fehlten oder doch n ur sehr spärlich vorkamen , w ährend aus der Kreideun d Jurazeit reichliche Ablagerungen ,
wenn auch nicht aus abyssa len Regionen, sodoch aus Tiefen von mehreren l oom erhalten sind . Umgekehrt bevorzugen dieKa lkschw ämme gegenwärtig das seichte Wasser , u n d dementsprechend finden siesich fast ausnahmslos in den geologischen Schichten , die in seichten Meeresbecken zur Ablagerung gela n gten, das sind >mergelige , thon ige u n d san dige Ablagerun gen von entschieden l i tora lem Charaktere . Demnach verhalten sich dieSpon gien in bezug au f die ha thymetrische Vertei lung auch j etzt noch sehr ähnlichwie i n früheren geologischen Erdperioden . Daß diese Überein stimmu n g freilichnicht für a lle anderen Gruppen des ganzen Tierreichs gilt, lehrten u n s schon unterden Krebsen die E ry o n i d e n ,
die z ur Kreidezeit im Flachw asser , jetzt in derTiefe vorkommen !vgl . oben p .
Noch auffalle n der a ls die Schwämme schien en die Echinodermen der Tiefseeein en altertümlichen Charakter darzubieten . Die Familien der S a l e n i a d e n ,
E c h i n o thu ri d e n u n d A n a n chy t i d e n ,deren Hauptverbreitu n gsgebiet in die
Kreide fällt, glaubte man längst ausgestorben ,bis zu erst im Jahre 1869 von
P o u rt a l é s un d Wy v i l l e -Th o m s o n einzelne lebende Vertreter in der Tiefegedredscht wu rden . Auf solche u n d ähnliche Fälle gründete sich der Ausspru chP a ge n st c ch e rs : >Eine Sammlung von Tiefseeigelu gleicht mehr der Kreidezeitals der Fauna gerin ger Tiefen europäischer Meere nEs erklären sich aber d iese Erscheinungen daraus, daß die Echin othuriden
u n d zum Thei l auch die An a n chytiden des mesozoischen Zeitalters offen bar ebenfalls bereits Bew ohn er der tieferen Meeresregion en waren u n d daher wie dieEchin othuriden in den Seichtw asserablagerun gen der Tertiärzei t überhaup t noch
48 Tierleben der Tiefsee.
nich t nachgewiesen werden konnten. Anderseits sind jetzt Sa len ia u n d unter denEchi n othuriden Artbcuosomc durchaus n icht aussch ließlich Tiefseeformen , sondernsie sin d neuerdin gs auch in viel gerin geren Tiefen w iedergefimden worden (vgl .oben p . Bemerkenswert ist es auch, daß die Seeigelga ttun g Cida rz
'
s, die untera llen lebenden am weitesten zurückreicht un d bereits im Trias sich findet, v or
wiegend im seichteren Wasser verbreitet ist , gelegen tlich zwar auch in tiefereSchichten hinabsteigt , doch die großen abyssa len Abgründe n icht erreicht. Undebenso muss es auffallen, daß die P o u r t a l esi e n , die von A. A g a ssi z bc i
Florida in 349 Faden Tiefe (640 m) entdeckt u n d seither in mehreren Arten un d
Gattun gen größten teils in beträchtlichen Tiefen (bis zu 5300 m)gefunden wu rden ,
auf die Jetztzeit beschränkt zu sein scheinen . (Vgl. über die ba thymetrische Verteilung der fossil en Hexactin elliden u n d Echinodermen M . Ne um a y r , Die Stämmedes Tierreichs
38) Im seichten Wasser der l itora len Meereszon en lebt ein Brachiopod oderArmfüßer
,die L i n gu l a
,die seit der Silurz ei t, vielleicht schon seit der cambri
schen,bis zur Gegenwart fast unverän dert geblieben ist, u n d es gi ebt in der ge
samten organischen Welt außer dem N a u tilus v ielleicht keine zw eite Form , d ie
so lan ge Zeiträume hindu rch so zäh u n d starr ihre Organisation bew ahrt hätte .
Wen n auch n icht im seichten Küstenwasser , so doch i n mittleren Tiefen un d
gewiss n icht in den abyssa len Region en des indischen u n d stil len Ocean s findetsich der N a u ti lus. Die gekammerte, in ein er Ebene spiralig gew undene großeSchale des Tieres ist allgemei n bekan n t ; nach der Po litur si lberartig, perlmu tterglän zend wird sie häufig als Zimmerschmuck au fgestellt , un d man sieht sie oft
silber u n d goldverziert als Trinkgefäß in älteren Raritäten sammlun gen . Die leerenmit Luft gefüllten Schalen treiben häufig an der Meeresoberfläche , vi el selten era ber werden die Tiere selbst gefunden . Der Laie würde v ielleich t aus deräußeren Scha len form a uf eine Schn ecke schließen ,
in Wahrheit gehört aber dasTier zu der Klasse der Cepha lopoden oder Kopffüßer. Die ursprün glichsten un d
ältesten Cepha lopoden stellen die Vierkiemer dar. Sie beginnen in den cambrischen Schichten des pa läoz oischen Zeitalters u n d werden gegenwärtig n ur durchd ie Gattung N a u ti lus vertreten
,die berei ts im Silu r vorkommt .
Im seichten Wasser a n den schlammigen Küsten Nordamerikas u n d im indischen Ocean lebt auch der Molukken krebs
,die Gattung L imu lu s. Sie tritt schon
im Buntsandstein der unteren Trias auf u n d hat sich als einziger lebender Vertreter einer gan zen Crustaceeugruppe erhalten , die schon im pa läozoischen Zeita lter v on großer Bedeu tung w a r.
39)Unter den Fischen des Süßwassers sind es die Ga n oiden u n d die Lungenfische, Dipn oer, die in früheren Perioden eine weite Verbreit un g b esaßen un d
gegenwärtig in verhältnismäßig n ur wenigen ursprünglichen Arten sich erhaltenz eigen .
40) Auf dem festen Lande fin den w ir eine stattliche Zahl Gattungen,die
d urch sehr altertümliche Merkmale ausgezeichnet sind . Hierher gehören vor allemgewisse la n dbew ohn en de Lun genschn ecken , die unserer bekann ten Weinbergschnecke sehr n ahe stehen . Zahlreiche Gattungen haben sich du rch das ganzeT erti är, viele schon von der Kre ide her bis z ur Gegenwart unverändert erhalten ,
u n d manche (Pupa , Dmdropupa) treten, in n ur unwesentlichen Zügen verändert ,
Anmerkungen. 49
berei ts in der Stein kohlenformation auf. Auch unter den la n dbew ohn en den
Gliedertieren lassen sich derartige Beispiele n achweisen . Manche lebenden Skorpione u n d Geißelspi n n en stehen uralten fossilen aus der Carbon z eit sehr nahe ,un d unter den In sekten weisen die j etzt lebenden Apterygoten , deren Flügelma n ge1ma n als eine u rsprüngliche , von der In sekteustammform her ererb te Eigentümlichkeit auffaßt , a uf ganz ähnliche flügellose Formen der Steinkohlenformation hin .
Unter den höheren Wirbeltieren fehlt es ebenfalls n icht auf dem Lande anGattungen mit altertümlichem Gepräge . Eine au f Neuseela nd lebende Eidechsengattung Ha tteria oder Sphmoda n gehört in eine alte Reptilien gruppe
,die man
früher n ur fossil aus dem Jura kan nte . Unter den lebenden Säugetieren z eigenaußer den obengenannten auch die wenig zahlreichen Ha lbafl'
en , Prosimier , z um
Teil altertümlichen Hahi tus u n d weisen auf Formen hin , di e im älteren Tertiärvorkommen un d al s S tammformen der gesamten Affen ordn un g betrachtet werden .
4 1)Zu trefl'
en d bemerkt K . B r a n d t (Ch u n , Die pelag. Tierwelt in großerenMeerestiefen
,1887 , p. daß das Vorkommen leerer Schalen un d Skelette in be
stimmten Tiefen durchau s nicht beweise, daß die Tiere auch im l ebenden Zustandein den betreffenden Regionen sich aufgehalten haben
, d en n Skelette von Spon gespfin : ra un d a n deren Radiola rien bleiben selbst in einem Glase Wasser mehrereTage
,ja Wochen lan g in der Schwebe wegen des Reibungswiderstan des , den die
zahllosen feinen Kieselfäden dem Wasser en tgegen sfl zen r .
42)Auch die festen u n d widerstandsfähigeren Teile gelangen nich t alle unverändert a uf den Gmn d . Selbst die Kieselschalen mancher Dia tomeeu werden verhältn ismäßig rasch aufgelöst, denn die deu tsche Tiefsee-Expedi tion fand die an derOberfläche i n ungeheuren Mengen vegetieren den Cha rtacera : u n d Coretlzron in600 m Tiefe fa st ausn ahmslos vol lständig zerstört. Die Kieselpa n z er anderer Diatomeeu leisten besser Widerstand Fragi la n
'
a,Sy n edra)u n d finden
sich oft unverändert im Diatomeen schlamm der Tiefe. Im großen u n d ganzenwerden wir aber annehmen dürfen , daß die Veränderungen am so bedeu tender seinwerden , je weitere Strecken die leeren Gehäuse un d Skelette zu durchmessenhatten , um bis a uf den Meeresgrund zu gelangen. Der Erha l tuugszusta n d derorganischen Produkte in den sedimentären Ablagerun ge n giebt daher gewisse Anha ltspun kte zur Beu rteilung der Meeresti efen in früheren geologischen Erdp erioden .
R o st o c k ,Dezember 1900 .
Druck von Breitkopf Ha rtel i n Leipz ig