TIPPS & TECHNIK - Abzieher für Industrie und Handwerk · Segment-Innenauszieher besser als...

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94 OLDTIMER MARKT 9/2016 TIPPS & TECHNIK ABZIEHER-ABC UNTER ZUGZWANG Um Bauteile zu trennen, bedarf es zuweilen hoher Kräfte, wie sie nur Abzieher aufbringen. Doch die segensreichen Helfer werden bei falscher Anwendung schnell zum Fluch für Mensch und Material, befördern teure Bauteile in die ewigen Jagdgründe oder verursachen gar Verletzungen. Hier erfahren Sie, welche Abzieher es gibt und für welche Einsätze sie geeignet sind… S acklochlagerauszieher, Zweispin- deltrennmesser, geteilter Radna- benflanschhülsenabzieher und Konustrenner – schon die Namen der Werkzeuge erzählen eine Ge- schichte der Spezialisierung. In der Tat sind Abzieher alles andere als universell, die Fra- ge eines unbedarften Schrauberkollegen „Haste mal nen Abzieher?“ zeugt von gefähr- licher Ahnungslosigkeit. Gefährlich, weil ein falsches „Demontagemittel“ nicht nur das Bauteil gefährden kann oder selbst den Hel- dentod stirbt, sondern die Brocken dem Schlosser auch mächtig um die Ohren flie- gen können. Klar gibt es Universal-Abzieher, wobei das Universelle spätestens an einer festsitzenden Konusverbindung, einem versteckt sitzen- den Lager oder einem flach aufsitzenden Flansch endet. Genau hier beginnt die Welt der Spezialwerkzeuge, ein Universum geni- aler Ideen, die ein beschädigungsloses De- montieren erst ermöglichen. Früher begannen viele Mechanikeraus- bildungen mit dem Herstellen solcher Spe- zialwerkzeuge. Uns „Stiften“ bleute der Meister damit den Sinn von Feingewinden, die enorme Festigkeit von Konusverbindun- gen und die Wichtigkeit von Druckstücken ein, nebenbei übten wir dabei Drehen, Frä- sen und Gewindeschneiden. Im Schrank des Werkstattpatriarchen sammelten sich über die Jahre so eine Unmenge spezieller Vor- richtungen, die oft jahrzehntelang verstaub- ten, um irgendwann einmal im raren Einsatz- fall Material, Zeit und Geld zu retten. Damit wir Lehrlinge auf Zuruf das Richtige brach- ten, gab der Meister den wichtigsten Abzie- hern altdeutsche Namen wie „Dicker Otto“, „Langer Hans“ und „Dünner Karl“. Und wenn einmal der geringste Zweifel an der Funkti- onssicherheit aufflammte, hatten wir schleu- nigst eine neue Abzieh-Vorrichtung zu kon- struieren… HANDWERKLICHER ANSPRUCH Höher, als es scheint – wo hohe Kräfte falsch walten, drohen teure Schäden FINANZIELLER AUFWAND Hochwertige Abzieher kosten oft 100 Euro und mehr, sparen aber am Ende bares Geld BENÖTIGTE AUSRÜSTUNG Abhängig von Fahrzeug und schrauberischem Anspruch. Ein, zwei Universalabzieher schaden nie

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  • 94 OLDTIMER MARKT 9/2016

    TIPPS & TECHNIK ABZIEHER-ABC

    UNTER ZUGZWANGUm Bauteile zu trennen, bedarf es zuweilen hoher Kräfte, wie sie nur Abzieher aufbringen. Doch die segensreichen Helfer werden bei falscher Anwendung schnell zum Fluch für Mensch und Material, befördern teure Bauteile in die ewigen Jagdgründe oder verursachen gar Verletzungen. Hier erfahren Sie, welche Abzieher es gibt und für welche Einsätze sie geeignet sind…

    Sacklochlagerauszieher, Zweispin-deltrennmesser, geteilter Radna-benflanschhülsenabzieher und Konustrenner – schon die Namen der Werkzeuge erzählen eine Ge-schichte der Spezialisierung. In der Tat sind Abzieher alles andere als universell, die Fra-ge eines unbedarften Schrauberkollegen „Haste mal nen Abzieher?“ zeugt von gefähr-licher Ahnungslosigkeit. Gefährlich, weil ein falsches „Demontagemittel“ nicht nur das Bauteil gefährden kann oder selbst den Hel-dentod stirbt, sondern die Brocken dem Schlosser auch mächtig um die Ohren flie-gen können.

    Klar gibt es Universal-Abzieher, wobei das Universelle spätestens an einer festsitzenden Konusverbindung, einem versteckt sitzen-den Lager oder einem flach aufsitzenden Flansch endet. Genau hier beginnt die Welt der Spezialwerkzeuge, ein Universum geni-aler Ideen, die ein beschädigungsloses De-montieren erst ermöglichen.

    Früher begannen viele Mechanikeraus-bildungen mit dem Herstellen solcher Spe-zialwerkzeuge. Uns „Stiften“ bleute der Meister damit den Sinn von Feingewinden, die enorme Festigkeit von Konusverbindun-gen und die Wichtigkeit von Druckstücken

    ein, nebenbei übten wir dabei Drehen, Frä-sen und Gewindeschneiden. Im Schrank des Werkstattpatriarchen sammelten sich über die Jahre so eine Unmenge spezieller Vor-richtungen, die oft jahrzehntelang verstaub-ten, um irgendwann einmal im raren Einsatz-fall Material, Zeit und Geld zu retten. Damit wir Lehrlinge auf Zuruf das Richtige brach-ten, gab der Meister den wichtigsten Abzie-hern altdeutsche Namen wie „Dicker Otto“, „Langer Hans“ und „Dünner Karl“. Und wenn einmal der geringste Zweifel an der Funkti-onssicherheit aufflammte, hatten wir schleu-nigst eine neue Abzieh-Vorrichtung zu kon-struieren…

    HANDWERKLICHER ANSPRUCH Höher, als es scheint – wo hohe Kräfte falsch walten, drohen teure Schäden

    FINANZIELLER AUFWAND Hochwertige Abzieher kosten oft 100 Euro und mehr, sparen aber am Ende bares Geld

    BENÖTIGTE AUSRÜSTUNG Abhängig von Fahrzeug und schrauberischem Anspruch. Ein, zwei Universalabzieher schaden nie

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    UNTER ZUGZWANG

    siert aber gar nicht mal selten. Nur zwei Bei-spiele: Beim Boxer älterer BMW-Motorräder sitzt der Lichtmaschinenanker auf dem vor-deren Kurbelwellenkonus. Um den Anker ab-zuziehen, kommt ein Druckstift in die Welle, abgedrückt wird mit der Anker-Befesti-gungsschraube. Einem Billig-Anker lag ein Druckstift bei, worüber sich der Schrauber freute. Doch der Stift war aus miesem Stahl, deformierte sich unter Druck und verkeilte sich im Gewinde – wo er gnadenlos stecken-blieb. Der Ausbau der Kurbelwelle und das Ausbohren auf der Drehbank eines Spezia-listen verschlang am Ende eine vierstellige Summe – wegen eines Druckstifts, den BMW einst für rund fünf Mark verkaufte.

    Beispiel Ford A: Dessen Radnaben sitzen brutal fest auf Konen an den Antriebswellen. Wer sich hier mit einem Universal-Abzieher versucht, sprengt mit etwas Pech das Wel-lenende und zieht mit ziemlicher Sicherheit den Nabenflansch krumm. Henry Fords Spe-zialwerkzeug dafür gibt es bis heute um die 60 Euro, eine einmalige Anschaffung, mit der man selbst bombenfest sitzende Naben zerstörungsfrei abgezogen bekommt.

    Deshalb immer den richtigen Abzieher be-nutzen, Sparen ist hier fehl am Platz. Hier ei-ne Auswahl gängiger Abzieher und Beispie-le, wo ihr Einsatz angebracht ist.

    TEXT Dirk KösterFOTOS Dirk Köster/Archiv [email protected]

    Außenabzieher

    Die einfachste und universelle Form einer Abziehvorrichtung ist der Zweiarm-Klau-enabzieher. Sein Herzstück bildet meist eine solide Brücke, die die Abzughaken mit den Klauen hält. In der Mitte der Abziehbrücke sitzt die Druckspindel, deren Feingewinde eine hohe Druckkraft ermöglicht. Die Klauen greifen unter das abzuziehende Bauteil, so-lange das nicht zu fest sitzt, wird es prob-lemlos „kommen“. Sitzt es fest, gibt es bei höherer Kraft ein Problem: Der Abzieher kann sich verkanten und seitlich abrutschen,

    Beispiel Riemenscheibe: Bei solch üppigen Platzverhältnissen sollte stets ein Dreiarm-Abzieher verwendet werden, der die Kraft auf das abzuziehende Bauteil gleichmäßiger verteilt

    Wer so geprägt wurde, denkt noch heute lieber dreimal nach, als mit einem falschen oder schlechten Abzieher Material und Ge-sundheit zu riskieren. Denn die Kräfte, die nötig sind, um Lager von Wellen zu ziehen, sind bisweilen extrem. So mancher Abzieher vom Fernost-Höker stirbt unter dem Druck der Spindel den Heldentod – seine Bruchstü-

    cke fliegen wie Projektile durch die Werk-statt. Schlecht passende Gewinde finden sich bei Billigware genauso wie mickrige Spindeln und brechende Klauen. Deshalb gilt: Qualität ist oberstes Gebot, Markenwa-re unabdingbar. Wäre ziemlich blöd, eine 3000-Euro-Kurbelwelle mit einem Fuffzehn- Euro-Abzieher zu zerstören. Genau das pas-

    Der klassische Zweiarm-Außenabzieher gehört zur Grundausstattung. Dreht man die „Abzughaken“ genannten Arme, sodass die Klauen nach außen zeigen, lässt er sich als Innenauszieher verwenden

    Eine Zentrierspitze lässt die Druckspindel wirk-lich mittig auf der Welle sitzen. Der Spreizkonus verhindert das Abgleiten der Abzughaken

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    triert und kann sich kaum seitlich wegdrü-cken, außerdem werden die Kräfte besser auf das Werkstück verteilt. Dreiarmabzieher funktionieren daher wesentlich sicherer und materialschonender. Wichtig ist der sichere Sitz auf der Welle, eine Zentrierspitze am Druckstück leistet gute Dienste, sofern die Welle eine Zentrierbohrung aufweist.

    Bei hoher Belastung kann es nötig sein, ein genau auf die Welle passendes Druck-stück zu verwenden. Hat das Wellenende ein Gewinde, kann man beispielsweise die sonst dort sitzende Befestigungsmutter auf-schrauben, im Fall einer Kronenmutter, na-türlich falsch herum.

    Theoretisch lassen sich mit einem Klauen-abzieher mit Wendearmen auch innen lie-gende Lagerringe und Bauteile „ziehen“, doch oft sind die Lagerinnendurchmesser für die klobigen Klauen zu klein.

    Beim Abziehen mit einem Klauenabzieher ist der sichere Sitz des Abziehers das A und O. Einige Abzieher haben Spannbügel oder Klemmvorrichtungen, im Notfall kann man die Arme eines zweiarmigen Abziehers auch mit einer gut sitzenden Schraubzwinge vor-spannen.

    Bei diesem Abzieher können die Arme in unterschiedlichen Höhen eingehängt werden

    was eine Beschädigung des Wellenendes zur Folge haben kann. Dieses Problem lässt sich durch einen Dreiarmabzieher minimieren. Dank der drei Arme bleibt der Abzieher zen-

    Die Abzughaken lassen sich über Schrauben (oben) oder, wie bei Kukkos quick adjust, über Rändelmuttern auf der Brücke arretieren

    Innenauszieher

    BMW- und AWO-Schrauber kennen das: Tief im Motorgehäuse sitzt bei diesen Ein-zylindern ein Nockenwellenlager. Eigentlich ein problemloses Bauteil, wenn es nicht so schwer zu entfernen wäre – glauben viele. Dabei fehlt nur das richtige Werkzeug: ein Sacklochlager auszieher. Der besteht aus ei-ner Spannpa trone, die sich per Schraube und Druckstück im Lagerinnenring festkrallt. An-schließend kommt eine Abziehbrücke über das Lager, und die Hülse lässt sich samt La-ger herausziehen. Wer häufi g an demselben Motortyp schraubt, sollte sich solche Spezi-alabzieher zulegen. Universeller sind Abzie-her-Sortimente, die mit mehreren Hülsen ei-ne große Durchmesservielfalt abdecken. Dann verliert selbst das tief im Schwungrad sitzende Pilotlager seinen Schrecken (das sich freilich auch auspressen lässt, indem man zähe Dichtmasse in den Innenring stopft

    Für kleine Lagerdurchmesser sind (dreischalige) Segment-Innenauszieher besser als zweischalige

    und diese mit einem stumpfen, saugend pas-senden Dorn und Hammerschlägen hinter das Lager treibt, bis es rausfällt).

    Häufi g sitzen Lager eingelassen in Gehäu-sen und umfassen Wellen. Für den Fall gibt es Auszieher mit schlank geformten Klauen, die innen in die Lager greifen. Funktional gleichen sie Außenabziehern.

    Die eigentliche Zugkraft wird häufi g über Gegenstützen auf den Auszieher ausgeübt, die sich am umliegenden Gehäuse abstützen (großes Bild). Ist das Gehäuse zu fragil oder sind die Platzverhältnisse so knapp, dass die Stützen das zu ziehende Bauteil blockieren, kann man sich mit aufgelegten Brücken oder auf Maß gedrehten Stützringen behelfen.

    Ultima Ratio bei beengten Bedingungen ist das Ziehen mit einem Gleithammer. Das geht schnell, birgt aber auch die Gefahr des Verkantens.

    Manche Innenauszieher werden durch ein Druckstück (links) gespreizt. Ist das Lagergehäuse zu fragil, kann über eine aufgelegte Brücke (Mitte) gezogen werden. Rechts: der Gleithammer

    Vorsicht beim Arbeiten mit dem Innenauszie-her und einer Gegenstütze: Deren Arme dür-fen nicht das auszuziehende Teil blockieren!

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    Die Trennvorrichtung

    In der Konstruktion ist es oft sinnvoll, Lager möglichst dicht an anderen Bauteilen zu platzieren. Was Steifigkeit bringt, aber ver-hindert, dass die Klauen eines Abziehers un-ter das Lager passen. Die Lösung: das „Trennmesser“. Die scharfen Seiten der bei-den Trennhälften werden durch Schrauben zusammengezogen, schieben sich dabei un-ter das Lager und hebeln es von seinem Sitz (wobei es durch die hohen Kräfte meist be-schädigt wird und daher nicht weiterver-

    wendet werden kann). Dann drückt man es entweder durch Abdrückschrauben ab (so-fern der Untergrund „solide“ ist) oder be-nutzt eine Abziehbrücke, die durch Gewin-debolzen mit dem Trennmesser verbunden wird.

    Vorsicht ist geboten, wenn der Innen-durchmesser des Trennmessers kleiner ist als die Welle. Dafür wird der Wellenstumpf beim Verwenden von Abdrückschrauben prak-tisch nicht beansprucht.

    Liegt ein Lager oder Bauteil plan auf, sodass die Haken des Außenabziehers nicht darunter greifen können, kommt die Trennvorrichtung zum Einsatz, auch Trennmesser genannt

    Profi-Lösung: Trennvorrichtung mit Aufnahmen für einen Abzieher

    Für die Abziehha-ken ist kein Platz unter dem Lager. Anders das Trenn-messer, dessen scharfe Schneiden sich beim Zusam-menziehen unter das Lager schie-ben. Ist der Unter-grund plan und aus Stahl, wie im vorliegenden Fall, kann über die inte-grierten Schrauben abgedrückt werden, was den Wellenstumpf schont

    Hülsenabzieher

    Sie sind die Kraftmeier unter den Abzie-hern. Wann immer es darum geht, sehr fest sitzende Konusverbindungen zu lösen, kommen Hülsenabzieher zum Einsatz. Rich-tig montierte Konen sitzen meist bomben-fest, schon zum Lösen eines MZ-Kupplungs-korbs braucht es enormen Druck, noch fes-ter sitzen etwa die Radnaben eines Ford A. Klarer Fall: Derlei Abzieher sind stets fahr-zeug- oder modellspezifische Werkzeuge.

    Zur Befestigung des Hülsenabziehers ha-ben manche Bauteile wie die MZ-Kupplung oder auch Polräder der Lichtmaschinen von Motorrädern und Mopeds eigens ein Abzieh-gewinde, andere, wie die Ford-Nabe, weisen eine Befestigungsnut zum Ansetzen der Hül-se auf. In beiden Fällen wird der Wellen-

    stumpf mit einem speziellen Druckstück ge-schützt, das die Last von teils mehreren Ton-nen aufnimmt. Denn die kommen zustande, wenn mit dem großen Ringschlüssel oder der ganz schweren Ratsche geschraubt wird. Rührt sich dennoch nichts, hilft der berühm-te Prellschlag: Mit einem 800-Gramm-Ham-mer verpasst man der Spindel einen geziel-ten Schlag. Meist löst sich der Konus dann mit einem satten „Knock“.

    Hülsenabzieher wie jener der MZ dienen mit zurückgeschraubter Spindel und ohne Druckstück auch der Montage: Die Kupplung wird auf den Wellenstumpf gesetzt, der Ab-zieher aufgeschraubt und der Konus mit ei-nem kräftigen Schlag auf die Spindel „ge-setzt“.

    Hülsenabzieher sind fahrzeugspezifische Teile, oben jener zum Lösen einer MZ-Kupplung

    Links: Außengewinde zum Aufschrauben der Hülse. Mitte: Reicht der Druck nicht, hilft ein Prellschlag. Rechts: Ford-A-Nabe mit Abzieher

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    Spurstangen-Abdrücker

    Mutter lösen und mit zwei Hämmern gleichzeitig seitlich gegen die Konusauf-nahme schlagen: Die Barbaren-Methode grassiert bis heute in Autowerkstätten, wenn es gilt, „mal eben“ den Kugelkopf einer Spurstange zu lösen. Geht der Schlag dane-ben, ist das Gewinde hin, tre en sich die Hämmer unglücklich, können Stahlteile wie Schrapnelle durch die Gegend fl iegen, und die Sache endet beim Augenarzt. Völlig un-nötig, denn professionelle Abdrückwerkzeu-ge sind preiswert und erleichtern die Arbeit. Es gibt sie in starrer Bauweise. Dabei wird eine angeschrägte Aufnahme zwischen Ku-gelgelenk und Spurstange eingesetzt und mittels Spindel auf dem Gewinde des Kugel-kopfes abgedrückt. Etwas universeller ist die Gelenkausführung. Sie setzt ebenfalls im Spalt zwischen Kugel und Spurstange an, abgedrückt wird aber per Hebelüberset-zung, die ihre Kraft über das Gewinde einer Spindelschraube bezieht.

    Das Wichtigste ist die Passform: Je saube-rer sich der Abdrücker in den Spalt einfügt, desto sicherer der Trennvorgang.

    Lagerauszieher

    Könnte man nur jetzt das Lager einzeln raus ziehen…“ Ein oft geträumter Schrau-bertraum, wenn ein von außen zugängliches Wälzlager defekt ist. Dabei kann der Traum wahr werden – mit dem passenden Lager-auszieher. Auf den ersten Blick eine Mi-schung zwischen Zaubertrick und Murksre-paratur, oft aber die einzige Chance, sich vor einer Totaldemontage zu drücken. Richtig angewandt, ist die Methode technisch ziem-lich unbedenklich und spart viel Zeit.

    Zur Anwendung muss meistens Platz im Lager gescha en werden. Da es sowieso de-

    fekt ist, gern mit sanfter Gewalt. Sofern das Lager gekapselt ist, wird erst die Dichtung herausgehebelt. Ein gezielter Meißelschlag zerstört den Käfi g so weit, dass sich die Ku-geln zur Seite drücken lassen. Dann setzt man die Abzieharme, deren Enden eine Art Flachkugel bilden, zwischen die Kugeln und verdreht sie um 90 Grad. So sitzen sie in den Kugellaufrillen fest und bilden eine bomben-feste Verbindung zu einer speziellen Abzieh-brücke. Zwei solcher Arme sind das Mindes-te, gute Auszieher lassen die Verwendung von drei bis vier Armen zu. Die Materialqua-

    lität muss gut sein, immerhin werden die Flachkugeln mit enormer Zugkraft belastet. Nun wird ganz normal gegen die Welle ab-gedrückt, wobei gezieltes Erwärmen des Ge-häuses die nötige Kraft oft verringert.

    Eine Garantie für die Funktion dieser Me-thode gibt es nicht, je nach Passung sitzen Lager, zu deren Demontage normalerweise Trennmesser erforderlich sind, so fest auf der Welle, dass sie sich von außen nicht zie-hen lassen. Man muss ein Gefühl dafür ent-wickeln, wann der Versuch abzubrechen ist, bevor Welle und Werkzeug leiden.

    Mit seiner Schneide muss der Abdrücker sicher im Spalt zwischen Kugelgelenk und Spurstange sitzen. Rechts die einfache Form des Spurstangen-Abdrückers

    Ist der Lagerkäfi g mit einem Dorn zerstört (links), lassen sich die Kugeln zusammenschieben und so Platz scha en für die Abzugshaken. Eingeführt und um 90 Grad verdreht, sitzen sie sicher zwischen Außen- und Innenring. Erwärmen des umliegenden Gehäuses erleichtert die Arbeit

    Im Idealfall ermöglicht dieser Auszieher das Wechseln von Lagern ohne aufwendige Demontagearbeiten

    Durch die nach unten zeigende Spindel kolli-diert der Schrauber nicht mit anderen Fahrwerks-bauteilen

    Größer ist die Kraft, wenn man mit Hebel scha t: Abdrücker in Gelenkausführung

    AG_2016_09_098 98 24.08.2016 10:12:13

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    Richtig abziehen

    Beim richtigen Umgang mit Ab- und Aus-ziehwerkzeugen gibt es einiges zu be-achten. Ganz wichtig ist die Schonung der Welle durch ein passendes Druckstück. Ebenso wichtig ist ein guter Sitz des Werk-zeugs am abzuziehenden Bauteil. Will es sich dennoch partout nicht lösen, hilft der Prellschlag: Man spannt den Abzieher kräf-tig, aber gefühlvoll vor, dann folgt ein kräfti-ger Schlag senkrecht auf die Spindel. Richtig ausgeführt, ertönt jetzt das ersehnte

    Spezial-Abzieher

    So groß die Vielfalt an Abziehern und Trennwerkzeugen auch ist, bei manchen Anwendungen geraten handelsübliche Werkzeuge an ihre Grenzen. Für solche Fäl-le haben die Fahrzeughersteller Spezial-werkzeuge im Angebot. Sie füllen imposan-te Werkzeugwände, manche sind unnötig, andere unverzichtbar. So wie der Auszieher für die Lenkkopflager eines Motorrads. Eine Spannpatrone spreizt sich im Lager fest, die speziell geformte Außenhülse findet am dünnwandigen Lenkrohr sicheren Halt. Mit-tels Spindel wird abgezogen, das filigrane Rohr und das Lager bleiben unbeschädigt.

    Es gibt hunderte solcher Beispiele, leider „sitzen“ manche Hersteller auf ihren Werk-zeugen wie die Glucke auf den Eiern. So sol-

    einer Heißluftpistole oder vorsichtig mit ei-ner Lötlampe erwärmt. Auch hier können Si-cherungsmaßnahmen nicht schaden, die ein Umherfliegen der gelösten Teile verhindern.

    Abzieher können echte Problemlöser sein – wenn die Qualität stimmt. Namen wie Kuk-ko, Hazet oder Gedore versprechen hoch-wertige Verarbeitung und somit eine Inves-tition, von der man auch in 25 Jahren noch etwas hat. Ein wenig Pflege ist freilich nötig: Gelenke und Schiebeverbindungen sollten regelmäßig mit etwas Fett geschmiert wer-den, die hoch belastete Spindel freut sich über Zuwendungen mit Molybdän-haltigem Fett.

    Wer viel schraubt, bei dem kommen im Laufe des Lebens etliche Abzieher zusam-men. Dennoch tauchen immer wieder Situ-ationen auf, bei denen „der Richtige“ fehlt. Dann sollte man innehalten, nachdenken, messen und skizzieren. Wer selbst über kei-ne Drehbank verfügt, wendet sich an den örtlichen Werkzeugmacher, der mit präzisen Angaben und ein paar ordentlichen Stücken Stahls so einiges bauen kann – was sich nach getaner Arbeit einen Ehrenplatz im Werk-zeugschrank verdient hat.

    len in den Fünfzigern Borgward-Händler manche Spezial-Abzieher nur dann als Er-satz bekommen haben, wenn sie ein ver-schlissenes Werkzeug ins Werk schickten. Dadurch wollten die Bremer verhindern, dass Hobbybastler manche Reparaturen selbst durchführten. Andere Firmen hinge-gen geben den Kunden sogar Selbstbau-zeichnungen an die Hand, mit deren Hilfe je-der Dreher den entsprechenden Abzieher herstellen kann. Bei BMW sind die Abzieher über die Händler zu beziehen, für ältere Mo-delle gibt es Nachbauten.

    Auch wenn ein unverzichtbarer Spezialab-zieher ziemlich teuer sein kann, ist er immer billiger als ein vermurkstes Bauteil, deshalb auf Qualität achten.

    Da bleiben kaum Wünsche offen: Abziehersammlung, die sich im Laufe eines Schrauberlebens eingefunden hat

    Dieser Abzieher wird auf Radbolzen geschraubt und drückt Bremstrommeln verzugfrei ab

    So lässt sich ein Kolbenbolzen ausdrücken, ohne das Pleuellager zu malträtieren

    Manchmal hilft auch ein wenig Improvisation, wie hier beim Tausch eines BMW-Lenkkopflagers

    „Klock“, das ein Lager von sich gibt, wenn es seinen Sitz verlässt. Besonders heftig müs-sen Hülsenabzieher auf großen Konen vor-gespannt werden, nach einem entsprechend deftigen Prellschlag löst sich das Bauteil in den meisten Fällen.

    Tut es das nicht, wie etwa an der festsit-zenden Konusverbindung eines Vorkriegs-Lkw, kann ein Abzieher mit Hydraulikspindel der letzte Ausweg sein. Mit der Hydraulik sind noch einmal deutlich höhere Drücke zu erzielen. Sie sind so heftig, dass Warnhinwei-se wie dieser Pflicht sind: „Vor Aufbringung der Abziehkraft muss das Abziehwerkzeug und das abzuziehende Teil mit einer Unfall-schutzplane umhüllt werden.“ Andernfalls können sich Abzieher und Werkstück beim erlösenden „Klock“ in Richtung Werkstatt-decke auf und davon machen…

    Wann immer es darum geht, Lager aus Gehäusen zu ziehen, hilft Wärme. Ein paar Minuten Heißluft lässt das Aluminium rund ums Lager „wachsen“ und erleichtert das Ausziehen kolossal. Wenn bei einer Konus-verbindung nichts mehr hilft, wird mit dem Abzieher kräftig vorgespannt und dann mit

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