Titelthema Modernisierungsstau

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WOHIN SOLL ICH GEHEN? TITELTHEMA 10 Zwischen Wunsch und Wirklichkeit Heizungsmodernisierung Der Gebäudesektor erfüllt die energetischen Vorgaben der Politik noch lange nicht. Die hochgesteckten Ziele – den Wärmebedarf um 20 Prozent, CO 2 -Emissionen um 40 Prozent zu senken – scheinen nach wie vor in weiter Ferne. Ein möglicher Ansatzpunkt ist der Heizungskeller. Doch hier stockt die Modernisierung. Politik, Energiewirtschaft und Handwerk suchen nach Ursachen und Lösungsansätzen. ihre Fahrzeuge zu verschrotten und einen Neuwagen zu kaufen. Der Ansatz von Altmaier, mit einem Bonussystem neue Impul- se gegen den Modernisierungsstau zu geben, fand durchaus Zuspruch unter Branchenverbänden und Fachleuten. Allerdings war sich ein Großteil der Experten einig, dass eine Abwrackprä- mie mittels einer Umlage zu Lasten der Händler und damit zu Lasten der Öl- und Gaskunden nicht finanziert werden dürfe. Außerdem, so der Branchentenor, könne eine Abwrackprämie nur ein Schritt sein, der aber vor allem durch eine Ausweitung des Marktanreizprogrammes, zinsgünstiger Kredite und ein Ge- setz zur steuerlichen Absetzbarkeit von Modernisierungskosten nachhaltig untersetzt werden müsse. Gerade diese steuerliche Absetzbarkeit wurde bisher nicht beschlossen, die Gesetzes- vorlage hängt seit Herbst 2011 im Vermittlungsverfahren zwi- schen Bundestag und Bundesrat fest. Der Ausgang ist derzeit weiterhin offen. Geplant ist unter anderem, dass Eigentümer zehn Prozent der Sanierungskosten – dazu zählen auch die Kosten für eine Heizungsmodernisierung – über einen Zeitraum von zehn Jahren steuerlich absetzen können. Wie wichtig Fördermechanismen als Impulsgeber für die Mo- dernisierung sind, hat das VdZ – Forum für Energieeffizienz in der Gebäudetechnik in einer Umfrage ermitteln lassen. Demnach Text Dieter Hermann, freier Journalist D ie nackten Zahlen sind ernüchternd: Nur 12 Prozent der deutschen Heizungsanlagen sind auf dem aktuellen Stand der Technik, 20 Prozent sind dagegen älter als 20 Jahre. Das zumindest geht aus einer Erhebung des Bundesindustriever- bandes Deutschland Haus-, Energie- und Umwelttechnik (BDH) hervor. Weil die alten Kessel zu viel Energie verbrauchen – ge- schätzt werden zwischen 30 und 50 Prozent Mehrverbrauch gegenüber modernen Anlagen – will die Bundesregierung sie aus den deutschen Heizungskellern verbannen. Und das mög- lichst schnell. Die politische Vision: Rund zehn Prozent des deutschen Energieverbrauches könnten in den nächsten Jahren durch neue Anlagen eingespart werden. Da verwundert es nicht, dass Bundesumweltminister Peter Altmaier im Spätsommer dieses Jahres mit der Idee einer Ab- wrackprämie für alte Öl- und Gaskessel aufhorchen ließ. Die Pläne wären zwar noch unkonkret und nur eine Option unter vielen. Allerdings hoffte man im Bundesumweltministerium wohl, dass der Einmalzuschuss die Kesseltauschraten erhöhen könnte. Immerhin: Das populäre Vorbild aus dem Jahr 2009 hatte erfolgreich viele Besitzer von Altautos dazu bewogen,

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woHin soll ich gEHEn?

titeltheMA

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zwischen wunsch und wirklichkeit

Heizungsmodernisierung der gebäudesektor erfüllt die energetischen vorgaben der politik noch lange nicht. die hochgesteckten ziele – den wärmebedarf um 20 prozent, co2-Emissionen um 40 prozent zu senken – scheinen nach wie vor in weiter ferne. Ein möglicher ansatzpunkt ist der Heizungskeller. doch hier stockt die modernisierung.politik, Energiewirtschaft und Handwerk suchen nach ursachen und lösungsansätzen.

ihre Fahrzeuge zu verschrotten und einen neuwagen zu kaufen.der Ansatz von Altmaier, mit einem Bonussystem neue impul-

se gegen den Modernisierungsstau zu geben, fand durchaus Zuspruch unter Branchenverbänden und Fachleuten. Allerdings war sich ein Großteil der experten einig, dass eine Abwrackprä-mie mittels einer Umlage zu lasten der händler und damit zu lasten der Öl- und Gaskunden nicht finanziert werden dürfe. Außerdem, so der Branchentenor, könne eine Abwrackprämie nur ein schritt sein, der aber vor allem durch eine Ausweitung des Marktanreizprogrammes, zinsgünstiger Kredite und ein Ge-setz zur steuerlichen Absetzbarkeit von Modernisierungskosten nachhaltig untersetzt werden müsse. Gerade diese steuerliche Absetzbarkeit wurde bisher nicht beschlossen, die Gesetzes-vorlage hängt seit herbst 2011 im Vermittlungsverfahren zwi-schen Bundestag und Bundesrat fest. der Ausgang ist derzeit weiterhin offen. Geplant ist unter anderem, dass eigentümer zehn Prozent der sanierungskosten – dazu zählen auch die Kosten für eine heizungsmodernisierung – über einen Zeitraum von zehn Jahren steuerlich absetzen können.

Wie wichtig Fördermechanismen als impulsgeber für die Mo-dernisierung sind, hat das VdZ – Forum für energieeffizienz in der Gebäudetechnik in einer Umfrage ermitteln lassen. demnach

text dieter hermann, freier Journalist

d ie nackten Zahlen sind ernüchternd: nur 12 Prozent der deutschen heizungsanlagen sind auf dem aktuellen stand

der technik, 20 Prozent sind dagegen älter als 20 Jahre. das zumindest geht aus einer erhebung des Bundesindustriever-bandes deutschland haus-, energie- und Umwelttechnik (Bdh) hervor. Weil die alten Kessel zu viel energie verbrauchen – ge-schätzt werden zwischen 30 und 50 Prozent Mehrverbrauch gegenüber modernen Anlagen – will die Bundesregierung sie aus den deutschen heizungskellern verbannen. Und das mög-lichst schnell. die politische Vision: rund zehn Prozent des deutschen energieverbrauches könnten in den nächsten Jahren durch neue Anlagen eingespart werden.

da verwundert es nicht, dass Bundesumweltminister Peter Altmaier im spätsommer dieses Jahres mit der idee einer Ab-wrackprämie für alte Öl- und Gaskessel aufhorchen ließ. die Pläne wären zwar noch unkonkret und nur eine option unter vielen. Allerdings hoffte man im Bundesumweltministerium wohl, dass der einmalzuschuss die Kesseltauschraten erhöhen könnte. immerhin: das populäre Vorbild aus dem Jahr 2009 hatte erfolgreich viele Besitzer von Altautos dazu bewogen,

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NA AM BesteN zuM facHmann!

EEG-Bonus

Marktanreizprogramme

steuerlich absetzen

Kredite

erdgas + solar

KWK-BoNus

Abwrackprämie

stAAtlicheförDeruNG

BhKW

unternehMens-

Brennwertgerät

Zuschüsse

Energieeffizienz

Mini-contracting

energieberatung

der Weg zur neuen heizung führt am Fachmann nicht vorbei. der shK-handwerker ist bei 80 Prozent der deutschen der Ansprechpartner nr. 1. | Quelle: ieU

medium gas 2 | 2012

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ist die hälfte der eigenheimbesitzer der Meinung, dass geringe oder unbeständige Fördermittel die Ursachen dafür sind, dass sie sich noch nicht für einen heizanlagentausch entschieden hätten.

antrieb durch informationso notwendig staatliche Anreize auch sein mögen, um die sanie-rungsquote anzuheben, sie sind kein Allheilmittel – und schon recht nicht der einzige Grund für den medial viel beschworenen„stau im heizungskeller“. die „initiative erdgas pro Umwelt“ (ieU) etwa vermutet vor allem mangelnde information als Ur-sache für die investitionszurückhaltung. Viele hauseigentümer beschäftigen sich laut einer ieU-studie nur dann mit dem Aus-tausch einer alten heizungsanlage, wenn sie auszufallen droht oder bereits defekt ist. Um sie zu erreichen, bräuchte es eine breit angelegte Kampagne, die Verbraucher und hauseigentümer über die Vorteile einer heizungsmodernisierung aufklärt, so die initiatoren der studie. im August hatten ieU und die erdgas Pro-dukt- und systemkampagne eine solche Kampagne unter dem Motto „ich mach’ das jetzt“ gestartet. ihre Ziele: ein Bewusstsein dafür herstellen, dass die Modernisierung mit erdgas viele Vor-teile vor allem beim einsparen der energiekosten bringt, dass sie bezahlbar ist und dass es diverse Fördermöglichkeiten gibt.

falsche Hoffnungen gewecktnicht ganz unschuldig an der Modernisierungsmisere sind auch Geräteindustrie und energiebranche. das zumindest zeigen er-gebnisse einer bereits vor drei Jahren durchgeführten experten-befragung des BdeW zur Zukunft von erdgas im Wärmemarkt. die starke Verunsicherung der Verbraucher stamme nicht nur aus falschen Weichenstellungen in der energiepolitik, sondern sei auch der hinhaltetaktik und einer verfrühten Kommunikati-on von neuen erdgastechnologien geschuldet. seit Jahren, so die Kritik, wurden alternative technologieansätze, darunter Mini-BhKW oder Brennstoffzellen, getestet und angekündigt. Verbraucher hätten ihre investitionen daraufhin zurückgehalten in der hoffnung, dass in absehbarer Zukunft neue techniklö-sungen auf den Markt kämen.

Mittlerweile können zwar viele marktreife technolgien erwor-ben werden, im Vergleich zu herkömmlichen Wärmeerzeugern sind die Kosten aber noch erheblich und die Wirtschaftlichkeit ist oft nicht darstellbar. ob stärkere politische Förderanreize eine lösung sind, darf bezweifelt werden. immerhin liegt die spannweite kostenseitig zwischen einer herkömmlichen und bereits sehr effizienten Brennwerttherme und einem Mini-BhKW noch sehr weit auseinander. einzig das Mini-contracting könnte

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obwohl sich fast jeder zweite deutsche damit beschäftigt, wie er energie sparen kann, sehen 87 Prozent keinen Grund, ihre heizungsanlage zu modernisieren. Vielen ist nicht bewusst, welche Vorteile eine moderne heiztechnik bringt. Gleichzeitig wissen die wenigsten, dass es Förder-töpfe gibt bzw. kritisieren, dass diese nicht ausreichen oder zu komplex wären. Unternehmen der immobilien- und Woh-nungswirtschaft stellen ihre investitionen ebenfalls häufig zurück, weil investiti-onsanreize fehlen und die regelungen in den verschiedenen rechtsfeldern (u. a. Mietrecht, Baurecht, denkmalschutz) zu komplex sind.

die ursachen

der Wärmemarkt bietet erhebliches Poten-zial zur steigerung der energieeffizienz.Allein auf den Gebäudebestand entfallenrund 40 Prozent des energieverbrauches.die Bundesregierung hat daraufhin ihrepolitischen Vorgaben formuliert: 20 Pro-zent des Wärmebedarfes bis 2020 senken,bis 2050 sogar um 80 Prozent. noch klaffthier eine große lücke zwischen Wunschund Wirklichkeit. die Quote von energeti-schen Modernisierungen liegt bei einemProzent pro Jahr. Bei der heizungsmoder-nisierung sind die Quoten mit drei Prozentnur unwesentlich besser. 20 Prozent der heizungsanlagen sind älter als 20 Jahre und entsprechen nicht dem aktuellen tech-nischen standard, die große Bereitschaft zum Kesseltausch ist nicht vorhanden. sollte das Modernisierungstempo nicht erhöht werden, so die Prognosen, würde der Anteil alter heiztechnik weiter steigen.

das dileMMa

die VnG AG unterstützt regio-nale Produktkampagnen zur einführung von erdgasbasierten heiztechniken.

www.verbundnetz-plus.de

titeltheMA

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dieses Preisgefüge entschärfen. dabei errichtet und betreibt der energiedienst-leister die heizungstechnik und erhält dafür über einen längeren Zeitraum ei-nen vertraglich festgelegten Betrag. der Kunde profitiert im Gegenzug von einer neuen, effizienten heizung. die „lea-singvariante“ funktioniert heute schon im Gewerbe- und immobilienbereich und könnte gegebenenfalls auch hauseigen-tümer zur Modernisierung bewegen.

unser Beitrag zur heizungsmodernisierung

neue Heizung oder dämmung?die energetische Gebäudesanierung – und damit eigentlich auch die heizungs-modernisierung – ist das herzstück der Bundesregierung für die energieeinspa-rung. immerhin entfallen rund 40 Prozent des Gesamt-energieverbrauchs und etwa ein drittel der co2-emissionen auf den Ge-bäudebereich. dass hier gespart werden muss und kann, liegt auf der hand. leider gibt es, so der Vorwurf einiger Branchen-verbände und Gerätehersteller, nur ein Problem: die Bundesregierung unterstützt vor allem die Gebäudedämmung als sa-nierungsmaßnahme, obwohl der Wir-kungsgrad und die Wirtschaftlichkeit bei der Modernisierung der heizungsanlage größer wären. die ieU hat ermittelt, dass die Vermeidungskosten für ein Kilogramm co2 mit dem einbau einer erdgasbrenn-wertheizung bei 0,94 euro liegen. die gleiche co2-einsparung kostet bei einer dämmung dagegen im durchschnitt 9,11 euro. Auch die Amortisationszeiten unter-scheiden sich deutlich: Während sich die dämmung eines ungedämmten Gebäudes nach Angaben der ieU erst nach fast 48 Jahren rechnet, macht sich eine neue erd-gasbrennwertheizung bereits nach rund sieben Jahren bezahlt. damit ermöglicht die erdgastechnologie eine sozialverträg-liche energetische Modernisierung. ex-perten sehen übrigens in der diskrepanz zwischen politischen Förderprogrammen und dem eigentlichen Kosten-nutzen-Verhältnis der energiesparmaßnahmen auch einen Grund, warum eigentümer von Wohnimmobilien nach wie vor sehr

zurückhaltend und unsicher in ihren in-vestitionsentscheidungen sind.

doch erzwungen?hauseigentümer sind der dreh- und Angelpunkt beim sanierungsstau im heizungskeller. doch was tun, wenn Finanzierungshilfen und Kommunikati-onskampagnen nicht helfen und die sa-nierungsraten nicht steigen? Kommt dann die Zwangssanierung? so abwegig ist die idee nicht. Zumindest wird sie seit Jahren immer wieder diskutiert. Zuletzt im Früh-jahr dieses Jahres mit den Vorschlägen zur eU-energieeffizienzrichtlinie. Vorge-sehen war unter anderem, dass hausei-gentümer den energieverbrauch in ihren bis 2010 errichteten immobilien um 80 Prozent senken müssen. Bundesbaumi-nister Peter ramsauer erteilte dem Vor-schlag eine Absage. er plädierte stattdes-

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die führenden Branchenverbände fordern ein klares Bekenntnis der Politik, ein ende der stop-and-Go-taktik bei der Förderung sowie eine Vereinfachung des Förder-dschungels. Vor allem investitionsanreize würden Modernisierungswilligen helfen. dazu zählen experten vor allem zinsverbil-ligte Kredite, Marktanreizprogramme sowie steuerabschreibungen auf investitionen. Auch strengere effizienzanforderungen an heizgeräte, eine Anschubförderung des Bundes und eine intensive information der hausbesitzer können dazu beitragen, den notwendigen Anstoß zur Modernisierung der heiztechnik im Bestand zu geben.

die lÖsung

Nur jeder Vierte modernisiert seine Heizung.

25 %ModernisierUnG

100 %PotenZiAl 58 %

interesseE n

t s c h E i d u ng

iMPUlS

Quelle: Befragung von 1.049 selbstnutzenden eigentümerhaushalten mit einem heizkessel älter als 12 Jahre. inWis Bochum, 2012

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sen für mehr Anreize, um energetische sanierungen zu ermöglichen. Ähnliches verlautbarten auch die Wohnungs- und immobilienverbände. sie sehen eine mögliche Zwangssanierung ebenfalls kritisch, vor allem unter sozialverträg-lichen Gesichtspunkten. sie fordern, dass die Mieten trotz energetischer sa-nierung bezahlbar bleiben müssen und die Kosten interessengerecht zwischen Vermietern und Mietern verteilt werden. Aus Kostengründen – eine weitere Ver-schärfung hätte technisch wie finanziell eine erhebliche Mehrbelastung für haus-eigentümer bedeutet – verständigte sich die eU schließlich darauf, eine verbindli-che sanierungsquote nur für öffentliche Gebäude vorzuschreiben.

trotz einer nach wie vor grundlegenden investitionszurückhaltung bei der hei-zungsmodernisierung scheint sich der-

zeit tendenziell eine Bewusstseinsände-rung bei der Frage der energieversorgung einzustellen. laut VdZ-Modernisierungs-barometer denkt seit den Beschlüssen zur energiewende jeder zweite deutsche hausbesitzer darüber nach, wie er aktiv seinen energieverbrauch senken könnte. die herausforderung für Politik, Geräte-industrie, Versorgungswirtschaft und handwerk besteht in den kommenden Jahren gleichermaßen darin, dieses Potenzial zu nutzen und die generelle Zurückhaltung bei der heizungsmoder-nisierung zu überwinden – sei es durch konstante Förderanreize, durch eine en-gere Verzahnung ordnungsrechtlicher Maßnahmen, durch information und Kommunikation oder durch intelligente Vertriebskonzepte.

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Emden

Bremen

Hannover

Düsseldorf

Wiesbaden

Erfurt

Leipzig

Magdeburg

Hamburg

Kiel

Schwerin

BerlinPotsdam

Dresden

Kassel

Mainz

Saarbrücken

Stuttgart

München

2007

31,0 %

25,9 %

2009

32,5 %

26,6 %

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text Axel Gedaschko

die im GdW und seinen regionalver-bänden organisierten Wohnungs-

und immobilienunternehmen modernisie-ren im Vergleich zum Bundesdurchschnitt bereits überproportional in umfassender Weise. Aktuell ist die sanierungsrate der GdW-Unternehmen für umfassende Mo-dernisierungen fünfmal so hoch wie der Bundesdurchschnitt, wie eine studie des Forschungsinstituts inWis im Jahr 2011 gezeigt hat. durch die großen Anstrengun-gen bei der Gebäudesanierung weisen die Wohnungen der GdW-Unternehmen be-reits einen hohen Modernisierungsstand auf: seit 1990 wurden rund 62 Prozent der Gebäude energetisch modernisiert, mehr als die hälfte davon komplett, d. h. inklusive Wärmedämmung.

Beim weiteren engagement müssen

Investitionsverpflichtungen behindern sanierungsvorhaben

wohnungswirtschaft die energetische sanierung im wärmemarkt ist eineHerkulesaufgabe, die hauptsächlich von der wohnungs- und immobilienwirtschaft getragen wird. obwohl die modernisierungsrate bei den unternehmen im gdw bundesverband deutscher wohnungs- und immobilienunternehmen e. v. fünfmal höher ist als im bundesdurchschnitt, gibt es noch defizite, wie gdw-präsident axel gedaschko erläutert.

neben der Gebäudemodernisierung aber auch andere Aktivitäten für den Klima-schutz genutzt werden: insbesondere die co2-arme Produktion von strom und Wärme muss stärker in den Fokus rücken. dennoch darf die entscheidende Frage nicht lauten: „dämmen oder nicht däm-men?“ – sondern: „Wieviel dämmung ist angemessen und wo können wir andere innovative energiekonzepte einsetzen?“ die umweltfreundliche energieprodukti-on ist eine Alternative zur weiteren Ver-ringerung der Wärmeverluste. dort, wo umweltfreundliche energie bereitsteht, wo vielleicht Abwärme verwendet werden kann, wird sicher im sinne eines optimalen Gesamtkonzeptes mit geringerer Wärme-dämmung gearbeitet werden. Außerdem kann die dezentrale stromversorgung zu-

künftig eine sichere und bezahlbare Ver-sorgung der Mieter unterstützen.

die energetische Modernisierung ist bei Wohnungsunternehmen bereits ein fester teil der Bestandsentwicklung. Bei der Bewirtschaftung ihrer Bestände ver-folgen sie generell eine strategie, die die Vermietbarkeit bei hoher Qualität und zu tragbaren Kosten entsprechend der kon-kreten Marktsituation sicherstellt. das aus Gründen des Klimaschutzes forcierte Verfolgen von Ansätzen im Bereich der energetischen Gebäudesanierung führt allerdings zu situationen, in denen sich die Prozesse nicht angemessen finanzie-ren lassen. Besondere Probleme treten bei einkommensschwächeren Mietern auf. Verschärft werden die Probleme in einer Gesamtkonstellation, in der die

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Emden

Bremen

Hannover

Düsseldorf

Wiesbaden

Erfurt

Leipzig

Magdeburg

Hamburg

Kiel

Schwerin

BerlinPotsdam

Dresden

Kassel

Mainz

Saarbrücken

Stuttgart

München

2005

26,2 %

24,2 %

2011

34,5 %

27,5 %

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Axel Gedaschko ist seit 2011 Präsident des GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und immobili-enunternehmen e. V. (Berlin). Zuvor war er als Wirtschaftssenator in ham-burg tätig. sein Verband vertritt etwa 3.000 Wohnungsunternehmen, die bundesweit sechs Millionen Wohnun-gen vermieten. das ist ein drittel des deutschen Mietwohnungsmarktes.

eine sanierungsrate in fest definierter höhe kann und darf dabei nicht Ziel der Politik sein, sondern sie ist letztlich nur das ergebnis des handelns der Beteiligten. energieeinsparung und energieeffizienz sind gesellschaftlich akzeptierte und auch von den Bürgern verinnerlichte Werte. die hauptprobleme liegen in mangelnder Wirt-schaftlichkeit und Finanzierbarkeit für die besonders hohen und besonders langfris-tigen investitionen in immobilien. Wenn die rahmenbedingungen bei Förderung und ordnungsrecht passen, wenn sie verläss-lich und planbar sind, wenn gute informatio-nen zu echten Kosten und nutzen vorliegen, wenn Forschung und entwicklung nachhal-tige und kostengünstigere Produkte und systeme bereitstellen, dann werden auch energetische Modernisierungen vereinfacht.

Die GdW-Mitglieder modernisieren fleißig.

Anteil Wohnungen (GdW-Unternehmen), die 1990 bis 2005 | 2007 | 2009 | 2011 teilweise oder vollständig energiesparend modernisiert wurden.

teilweise energetisch modernisiert(ohne doppelzählung mehrfacherteilmodernisierungen)

vollständig energetisch modernisiert

nicht modernisiert

Gemeinden versuchen, angesichts ihrer eigenen schwierigen haushaltslage die Belastungen im Bereich der Übernahme der Wohnkosten zu reduzieren. Bei ener-giesparenden Maßnahmen müssen daher sowohl die wirtschaftliche Umsetzbarkeit für den Gebäudeeigentümer als auch das Vermieter-Mieter-Verhältnis berücksichtigt werden: die Maßnahmen sind nur dann für den Gebäudeeigentümer wirtschaftlich, wenn die Kosten über entsprechende Miet-einnahmen refinanziert werden können. sie sind nur dann für Mieter sozialverträg-lich, wenn sie die Mietzahlungsfähigkeit des haushaltes nicht überfordern. hohe politische und administrativ verursachte investitionsverpflichtungen bedrohen des-halb die leistungsfähigkeit der Wohnungs-unternehmen und ihrer Mieter.

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spätestens seit inkrafttreten des kwk-gesetzes 2009 sind mini-bHkw in mehrfamilienhäusern eine interes-sante Heizungsalternative. das gilt vor allem, wenn der mit der wärmeerzeugung gekoppelt produzierte strom selber verbraucht wird. drei Hauseigentümer erklären, warum sie auf erdgasbetriebene kwk-technik umgestiegen sind.

Wegbereiter KWK-technik

Akademische sportverbindung„Alte elizabeth“ in freiberg

Wohnungsbaugenossenschaft

erkrath

warum setzen sie auf die bHkw-technik in ihren wohnungen und Häusern?

was hat ihnen der Einsatz der bHkw bisher gebracht?

Wir wollten die ursprünglich einzelofen-

beheizten Wohnungen auf zentrale Behei-

zung umstellen. Berechnungen ergaben,

dass eine Zentralheizung mit BhKW die

höchsten energieeinsparungen und Um-

weltentlastungen bringen würde. das in-

vestitionsvolumen lag zudem in etwa auf

dem niveau für eine weitere Umrüstung

auf etagenheizungen. insofern fiel die

Wahl auf die BhKW-technik.

die energieeinsparungen können wir nicht

beurteilen, weil uns Vergleichswerte aus

der Vergangenheit fehlen. Bei den Mietern

konnten wir aber eine deutliche senkung

bei den Betriebskosten erreichen, etwa

für immissionsmessungen, schornstein-

reinigung und Wartung. Außerdem wurde

unsere Genossenschaft finanziell bei der

instandhaltung entlastet, da nicht mehr

benötigte Kamine bis zum speicherfuß-

boden abgerissen werden konnten.

in unserem Altbaubestand haben wir Ge-

bäude mit zentralen heizungen oder mit

Gas-etagenheizungen. Beide Konzepte

mussten wir aufgrund des Ablaufs der

nutzungsdauer und der hohen instand-

haltungsaufwändungen überdenken.

Unsere Ziel: eine Anlage mit hohem Wir-

kungsgrad, um bei bestehender Fassade

den energetischen Anforderungen gerecht

zu werden. durch BhKW erzielen wir diese

energieeffizienzsteigerungen.

durch neue Wärmeversorgungsanlagen

und eine optimierte Betriebsführung

konnten wir den Wärmeverbrauch um

ca. 15 % senken. das kommt direkt beim

Mieter an. durch das contracting hatten

wir keine hohen investitionskosten, zu-

dem sehen wir eine spürbare entlastung

des instandhaltungsbudgets. die hohen

Wirkungsgrade der Anlagen führen zur

besseren Ausgangssituation bei Baumaß-

nahmen ohne energetische sanierung.

in unserem objekt hatten wir bisher drei

Gasthermen im einsatz, wobei zwei be-

reits 20 Jahre alt waren und regelmäßig

störungen auftraten. somit war in abseh-

barer Zeit eine erneuerung der heizungs-

anlage erforderlich. die Aussicht auf eine

„preiswerte, eigene stromerzeugung“

war ein wichtiges Kriterium für unsere

entscheidung, ein BhKW anzuschaffen.

Wir hoffen, dass wir durch den einsatz des

BhKW unsere energiekosten wesentlich

senken können. in der heizperiode ist das

BhKW in der lage, den strombedarf des

objekts bis auf lastspitzen zur Mittags-

und Abendzeit weitgehend zu decken.

nachts wird mehr strom erzeugt, als im

objekt benötigt wird. da das BhKW erst

seit Mitte oktober in Betrieb ist, können

wir aber noch keine Aussagen zum tat-

sächlichen nutzen geben.

eisenbahner-Wohnungsbaugenossenschaft

Dresden eG (eWG)

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das Haus der akademischen sportver-bindung „alte Elisabeth“ in freiberg hat über 600 m² wohnfläche verteilt auf drei 8er-wohngemeinschaften.

unser gesprächspartnerfrank reisinger

www.asv-freiberg.de

wie soll die Energieversorgung ihrer immobilien in zukunft aussehen?

fakten

BhKW können auch zukünftig bei der Um-

stellung der Beheizung eine rolle spielen.

solare energienutzung scheidet wegen

der Ausrichtung der dachflächen oder un-

genügender tragfähigkeit der dachstühle

aus. ob Geothermie eine rolle spielen

kann, müsste zunächst umfangreich un-

tersucht werden. Wärmepumpen oder der

einsatz nachwachsender rohstoffe schei-

den wegen der räumlichen Verhältnisse in

unseren Wohnanlagen aus.

Zwei drittel unseres Bestandes sind Plat-

tenbauten mit Fernwärme in dresden

Gorbitz. im Altbaugebiet mit ca. 2.600

Wohneinheiten werden wir in den nächs-

ten 2–3 Jahren die Gas-etagenheizungen

ersetzen, ggf. mit nahwärmezentren und

KWK. regenerative energien, insbesonde-

re Photovoltaik, sind aus steuerlichen Ge-

sichtspunkten für uns als Genossenschaft

nicht möglich.

Weitere Modernisierungsmaßnahmen

sind derzeit nicht geplant, da wir Keller

und Kellerdecke in den vergangenen

Jahren saniert und gedämmt haben. das

dach müssen wir möglicherweise in den

nächsten zehn Jahren erneuern. hierzu

gibt es aber noch keine konkreten Pläne.

Möglicherweise könnte hier eine Photo-

voltaik-Anlage zum einsatz kommen, um

den strombedarf des hauses in den som-

mermonaten zu decken.

die wbg existiert seit 1953 und hat 1.353 mitglieder. zum bestand gehö-ren 141 Häuser mit 957 wohnungen, drei gewerbeobjekte, 215 garagen. wohnfläche: rund 62.000 m².

unser gesprächspartnerHans-Erich Hungenberg

www.wbg-erkrath.de

die Ewg geht auf eine 1954 gegründe-te genossenschaft zurück. die Ewg be-wirtschaftet knapp 9.000 wohnungen im westen von dresden, davon rund zwei drittel in gorbitz. wohnfläche: rund 474.000 m².

unser gesprächspartner steffen zweinert

www.ewg-dresden.de