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152 | c’t Hacks 1/2013 Upcycling Szene-Report Nützliches aus Abfall Einfach entsorgen, was man nicht mehr braucht? Da gibt es bessere Ansätze: In Repair Cafés machen Freiwillige defekte Geräte wieder fit – und aus vermeintlichem Müll entstehen neue Gebrauchsgegenstände. Tom Hansing Upcycling: © Copyright by Heise Zeitschriften Verlag

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Nützliches aus AbfallEinfach entsorgen, was man nicht mehr braucht? Da gibt es bessere Ansätze:

In Repair Cafés machen Freiwillige defekte Geräte wieder fit – und aus vermeintlichemMüll entstehen neue Gebrauchsgegenstände.

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Bei einem Repair Cafébringen Freiwillige defekteGeräte wieder zum Laufen.

In der Dingfabrik in Köln liegt die Reparaturquote bei über 50 Prozent.

Knapp eine halbe Tonne Abfall sammeltdie Müllabfuhr pro Kopf und Jahr in

Deutschland. Etwas über die Hälfte davonbesteht aus getrennt gesammelten und ver-wertbaren Bio- und Wertstoffen, die andereHälfte aus Haus- und Sperrmüll. Rund 37 Mil-lionen Tonnen Abfälle waren es im Jahr 2011.

Neben Verpackungs- und anderem Rest-müll landen auch Haushaltsgeräte, Unterhal-tungselektronik und andere Konsumgüter aufder Halde – und dies scheinbar immer schnel-ler: Kaum gekauft, schon wieder veraltet, ver-braucht oder irreparabel defekt, diese Erfah-rung teilen viele Verbraucher. Langlebigkeitist ein Qualitätskriterium, das schon fast ana-chronistisch erscheint, so sehr haben wir unsdaran gewöhnt, nach Ablauf der Garantiezeitein neues Gerät zu benötigen.

„Geplante Obsoleszenz“ lautet der Vorwurfan die Herstellerindustrie, d. h. planmäßige Lebenszeitverkürzung von Gebrauchsgüterndurch künstliche Schwachstellen oder die Ver-arbeitung minderwertiger Rohstoffe und Bau-teile. Gemeint sind Verschleiß- und Veralte-rungsstrategien, damit Produkte schnellerschad- oder fehlerhaft werden. Die Reparaturist unrentabel oder noch nicht einmal vorge-sehen, der Verbraucher hat keine andere Wahl,als sich ein Neugerät anzuschaffen und das„alte“ zu entsorgen.

Der Dokumentarfilm „Kaufen für die Müll-halde“ von Cosima Dannoritzer schildert diedaraus resultierenden verheerenden globa-len Auswirkungen der linearen Herstellungs-prozesse der Konsum- und Wegwerfgesell-schaft. Immer mehr Konsumenten wollensich nicht mehr mit diesem Ex-und-Hopp-System abfinden und versuchen sich darumselbst an der Reparatur des Toasters, der Stereoanlage oder der Bohrmaschine.

„Repair Café“ heißt die aus den Niederlandenstammende Idee, die in vielen offenen Werk-stätten und Hackerspaces derzeit erprobtwird. Studenten und Rentner, Laien und Profistreffen sich, trinken gemütlich Kaffee, essenKuchen und machen sich parallel gemeinsamdaran, defekte Gebrauchsgüter wieder fit zubekommen. Die Besucher bringen ihren de-fekten Hausrat mit und gemeinsam wird auf-geschraubt, reingeschaut, Fehleranalyse be-trieben und repariert. Nicht als Dienstleistungvon Experten für Kunden, sondern als ge-meinschaftliche Hilfe zur Selbsthilfe.

Alexander Speckmann, Vorstand des Ver-eins Dingfabrik e.ˇV. in Köln berichtet, dassweit über die Hälfte der Defekte identifiziertund repariert werden konnten. Beim letztenEvent Ende Januar kamen um die 90 Besu-cher und trafen in den mit verschiedenen

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Ein neues Stuhlgeflecht: Statt tradi tionellem Rattan kommenhier aus gediente Fahrradschläuche zum Einsatz.

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Basteltischen ausgestatteten Räumenauf gut 20 Helfer.

Bestens aufgehoben sind bei diesenVeranstaltungen immer Amateure undProfis, die etwas von Elektrotechnikverstehen und anderen behilflich seinwollen. Hacker, Schrauber und Bastlererheben sich wider dem Wegwerf-wahn: In München, Dresden, Köln, Düs-seldorf, Aachen, Berlin, Potsdam undanderen Städten finden Repair-Café-Veranstaltungen statt. Wer selber eineveranstalten möchte, kann überwww.repaircafe.de ein kostenfreiesInfo-Manual mit vielen hilfreichenTipps und Anregungen bekommen.

Letztlich steckt in dem Motto „repa-rieren statt wegwerfen“ auch eine poli-tische Dimension. Denn es ist eineForm des friedlichen Protests, gegendie unterschiedlichen Obsoleszenz-Strategien der Industrie „anzureparie-ren“. Reparieren fördert das Verständ-nis für Technik und bringt Leute zusam-men. Reparieren ist besser als recyceln,selbermachen günstiger als Ersatz zukaufen, kurz: Reparieren ist nachhaltig.

Diese und andere Gründe sind im„Manifest der eigenhändigen Repara-tur“ der Plattform ifixit.com zusam-mengefasst: Auf der US-amerikani-schen Reparatur-Plattform zum Mitma-chen werden regelmäßig technischeGeräte hinsichtlich Re pa rierbarkeit und-freundlichkeit getestet und bewertetund Anleitungen veröffentlicht. Dazuwird schwer zu bekommendes Spezial-werkzeug angeboten, denn eine dereinfacheren aber sehr wirkungsvollenStrategien den Konsumenten davonabzuhalten ein Gerät zu reparieren, istihn einfach auszusperren.

Was sich wirklich nicht mehr reparie-ren lässt, gehört jedoch noch langenicht auf den Müll. In jedem einiger-

Aufwertung von Abfall:Upcycling

Die Teilnehmer einer„Schrottregatta” habenaus Abfällen schwimm -

fähige Boote gebaut.

Auf unzähligen Seiten im Internet wer-den immer neue, kreative Ideen für Up-cyclings veröffentlicht. Das Thema ist an-gesagt. Anleitungen für Lampenschirmeaus Teebeuteln und Westen aus Bana-nenschalen gibt es z.ˇB. im Handbuch„UPCYCLE.IT – A tool kit for creative re-cycling“. Diese praktischen Anleitungen

und Informationen zum Thema Recyclinghaben die Projektgruppen des KulturlaborTrial&Error in Berlin und Ye too Ponese in Asturias/Spanien in 23 Workshops zusammengetragen. Das Handbuch istkostenfrei im Internet abrufbar (siehe c’t-Link) oder gegen Spende als Heft vonden Projektmachern zu beziehen.

Ein Handbuch für kreatives Recycling

Beete aus Resten:Bei vielen Garten -projekten inStädten wirdverbaut, wasgerade da ist.

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Getränkekartons sind einvielseitiges Rohmaterial, auch für Vogelfutterhäuschen.

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maßen geekigen Arbeitszimmer stehtdie eine oder andere Kiste mit ge-brauchten Bauteilen, altem Zubehörund Plunder herum. „Das ist noch gut“und wird sicher irgendwann Verwen-dung finden.

„Upcycling“ heißt es, wenn aus derAbfallressource ein höherwertigesProdukt entsteht und nicht umge-kehrt, wie beim Downcycling, ein min-derwertiges Material aus hochwerti-gen Produkten. Up und Down sind diebeiden Seiten des Recycling-Prozesses,der Wiederverwertung von Abfällen.Beim Recycling dominieren die Down -cycling-Prozesse, echtes Upcycling fin-det kaum statt.

Der Kern der Idee Upcycling lautet„Abfall abschaffen“. Produzieren undKonsumieren nach dem Vorbild derNatur, dasˇheißt in Hülle und Fülle, je-doch ohne Müll zu produzieren. EinKreislauf, bei dem der „Abfall“ deseinen Organismus als Rohstoff für dennächsten dient. Michael Braungart undWilliam McDonough haben mit „Cradleto Cradle. Remaking the Way We MakeThings“ 2002 ein vielbeachtetes Kon-zept vorgestellt, das nach diesem Naturvorbild Fertigungsprozesse undGüterkreisläufe ermöglichen will.

In der Industrie gibt es daher ersteProdukte wie vollständig kompostier-bare T-Shirts oder einen Teppich, deram Ende seiner Einsatzzeit vom Her-steller zurückgenommen und verar-beitet wird. Der Weg zu unendlichweiterverwendbaren Materialien, wiees eben die Natur vormacht, ist abernoch weit.

Im eigenen Umfeld kann man aus-gedienten Sachen jedoch jetzt schondurch Up- und Recycling ein zweites,drittes oder viertes Leben schenken. Ingrößeren Städten sind es häufig Gar-tenprojekte und Offene Werk stätten,in denen aktiv und offen für jede undjeden in größeren Gruppen sichtbar„upgecycelt“ wird. Hochbeete undSitzgelegenheiten entstehen aus Palet-ten und Sperrmüll, ebenso wie Pavil-lons, Frühbeete, Kräuterspiralen, Kom-posttoiletten, Wasserpumpen, Lasten-räder, Lehmöfen, Wurmkisten odereinfache Kocher aus Blechdosen. (phs)

Aus den Verpackungsnetzen vonZwiebeln und Zitrusfrüchtenhäkeln Teilnehmerinnen inWorkshops Taschen und Schuhe.

Ein Upcycling-Projekt für Einsteiger zeig-te mir kürzlich ein 7-jähriger aus derNachbarschaft. Einen Geldbeutel ausTetra-Pak: Mit so einfachen Ideen öffnetman sich die Welt des Upcyclings.

Zutaten:– Tetra-Pak – Gummiband– Schere – Locher, Tacker

Geldbeutel aus Getränkekarton

Links und Forenwww.ct.de/ch1301152

Kopf und Boden des Tetra-Pak abschneiden und denRumpf gründlich waschen

Den Tetra-Pak-Ring faltenund nochmal falten

Dann den Deckelzurechtschneiden

Tackern Lochen Gummi einfädeln und fertig

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