TOP-4-Bezahlbares-Wohnen1

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27916 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 Ralph Brinkhaus (A) (C) (D) (B) auszublenden, die Welt als einen großen Ponyhof darzu- stellen, das wird nicht funktionieren. Das, was wir hier vorlegen, beinhaltet eine verant- wortungsvolle Regulierung des Hochfrequenzhandels. Man kann sicherlich an der einen oder anderen Stelle mehr machen, muss dies dann aber international organi- sieren. Das haben wir immer vor Augen gehabt, und des- wegen handelt es sich hier um ein gutes Gesetz. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich möchte die Gelegenheit aber auch nutzen wir als Finanzmarktregulierer haben ja nicht ganz so oft die Ge- legenheit, zu dieser Stunde zu sprechen , um noch das eine oder andere Wort an die Branche zu richten. Die Branche hat nämlich auch ein Problem. Die Branche hat das Problem, dass sie bei allen Regulierungsvorhaben, die wir machen, immer wieder sagt: Wenn ihr das jetzt macht, dann wird alles zusammenbrechen. Wir haben das erlebt, als wir gesagt haben: Wir wollen die Hochfre- quenzhändler dem Kreditwesengesetz unterstellen. Wir wollen eine harte Aufsicht der Hochfrequenzhändler. Sie müssen sich eines vorstellen: 25, 30, 40 Prozent des Börsenumsatzes in Deutschland werden von Markt- teilnehmern gemacht, die wir nicht kennen, von denen wir nicht wissen, welche Interessenlagen die haben, und von denen wir auch nicht wissen, mit welchen Werkzeu- gen die arbeiten. Dementsprechend sind wir an diese Pro- blematik herangegangen und haben die Sache angepackt, und zwar gegen den Widerstand der Branche. Dies zu Ihren Zwischenbemerkungen, Herr Poß. Schaut man sich die Branche einmal insgesamt an, stellt man fest, dass dort die Erkenntnis eingetreten ist, dass sich nach dem Jahr 2008 etwas ändern musste. Diese Erkenntnis ist aber nur sehr langsam eingetreten. Bemerkenswerte Äußerungen gab es dazu vorgestern von dem Privatkundenvorstand der Deutschen Bank, der als erster Vorstand einer großen deutschen Bank gesagt hat ich gebe das, was in der Börsen-Zeitung gesagt worden ist, nur sinngemäß wieder : Wenn die Banken, wenn die Finanzindustrie bei allen Regulierungsvorha- ben immer nur schreien, das gehe nicht und das mache alles kaputt, dann müssen sie sich nicht wundern, dass sie das Vertrauen der Politik komplett verspielen. Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Ich würde mir wünschen, dass wir viel mehr aktive Mitarbeiter in der Branche und in der Regulierung haben, dass die Branche nicht ebenso wie die Opposition immer sagt, das gehe nicht, das sei alles schlecht, das werde alles ka- puttmachen, sondern dass sie mithilft, eine konstruktive Regulierung hinzubekommen. Das, was wir im Rahmen der 60 bis 70 Debatten hier diskutiert haben, ist eine konstruktive Regulierung. Des- wegen bitte ich Sie, diesem Gesetzentwurf zuzustim- men, damit wir am Ende des Tages einmal mehr besse- ren und stabileren Finanzmärkten nähergekommen sein werden. Diese christlich-liberale Koalition steht dafür. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich schließe die Aussprache. Wir kommen nun zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Ver- meidung von Gefahren und Missbräuchen im Hochfre- quenzhandel. Der Finanzausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf der Drucksache 17/12536, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf den Drucksa- chen 17/11631 und 17/11874 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzent- wurf in dieser Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. Wer stimmt dagegen? Wer enthält sich? Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung ange- nommen. Wir kommen zur dritten Beratung und Schlussabstimmung. Ich darf diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, bitten, sich von ihren Plätzen zu erheben. Wer stimmt dagegen? Wer ent- hält sich? Niemand. Damit ist der Gesetzentwurf mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Op- position angenommen. Wir kommen nun zur Abstimmung über den Ent- schließungsantrag der SPD-Fraktion auf der Drucksache 17/12551. Wer stimmt für diesen Entschließungsan- trag? Wer stimmt dagegen? Wer enthält sich? Der Entschließungsantrag ist mehrheitlich abgelehnt. Wir sind damit mit diesem Tagesordnungspunkt durch. Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 4 a bis 4 e auf: a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Michael Groß, Sören Bartol, Uwe Beckmeyer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Bezahlbares Wohnen in der sozialen Stadt Drucksache 17/12485 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f) Innenausschuss Rechtsausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Haushaltsausschuss b) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD Bezahlbare Mieten in Deutschland Drucksache 17/12486 Überweisungsvorschlag: Rechtsausschuss (f) Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Heidrun Bluhm, Halina Wawzyniak, Dr. Kirsten Tackmann,

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27916 Deutscher Bundestag � 17. Wahlperiode � 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013

Ralph Brinkhaus

(A) (C)

(D)(B)

auszublenden, die Welt als einen großen Ponyhof darzu-stellen, das wird nicht funktionieren.

Das, was wir hier vorlegen, beinhaltet eine verant-wortungsvolle Regulierung des Hochfrequenzhandels.Man kann sicherlich an der einen oder anderen Stellemehr machen, muss dies dann aber international organi-sieren. Das haben wir immer vor Augen gehabt, und des-wegen handelt es sich hier um ein gutes Gesetz.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich möchte die Gelegenheit aber auch nutzen � wir alsFinanzmarktregulierer haben ja nicht ganz so oft die Ge-legenheit, zu dieser Stunde zu sprechen �, um noch daseine oder andere Wort an die Branche zu richten. DieBranche hat nämlich auch ein Problem. Die Branche hatdas Problem, dass sie bei allen Regulierungsvorhaben,die wir machen, immer wieder sagt: Wenn ihr das jetztmacht, dann wird alles zusammenbrechen. � Wir habendas erlebt, als wir gesagt haben: Wir wollen die Hochfre-quenzhändler dem Kreditwesengesetz unterstellen. Wirwollen eine harte Aufsicht der Hochfrequenzhändler.

Sie müssen sich eines vorstellen: 25, 30, 40 Prozentdes Börsenumsatzes in Deutschland werden von Markt-teilnehmern gemacht, die wir nicht kennen, von denenwir nicht wissen, welche Interessenlagen die haben, undvon denen wir auch nicht wissen, mit welchen Werkzeu-gen die arbeiten. Dementsprechend sind wir an diese Pro-blematik herangegangen und haben die Sache angepackt,und zwar gegen den Widerstand der Branche. � Dies zuIhren Zwischenbemerkungen, Herr Poß.

Schaut man sich die Branche einmal insgesamt an,stellt man fest, dass dort die Erkenntnis eingetreten ist,dass sich nach dem Jahr 2008 etwas ändern musste.Diese Erkenntnis ist aber nur sehr langsam eingetreten.Bemerkenswerte Äußerungen gab es dazu vorgesternvon dem Privatkundenvorstand der Deutschen Bank, derals erster Vorstand einer großen deutschen Bank gesagthat � ich gebe das, was in der Börsen-Zeitung gesagtworden ist, nur sinngemäß wieder �: Wenn die Banken,wenn die Finanzindustrie bei allen Regulierungsvorha-ben immer nur schreien, das gehe nicht und das machealles kaputt, dann müssen sie sich nicht wundern, dasssie das Vertrauen der Politik komplett verspielen.

Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Ich würdemir wünschen, dass wir viel mehr aktive Mitarbeiter inder Branche und in der Regulierung haben, dass dieBranche nicht ebenso wie die Opposition immer sagt,das gehe nicht, das sei alles schlecht, das werde alles ka-puttmachen, sondern dass sie mithilft, eine konstruktiveRegulierung hinzubekommen.

Das, was wir im Rahmen der 60 bis 70 Debatten hierdiskutiert haben, ist eine konstruktive Regulierung. Des-wegen bitte ich Sie, diesem Gesetzentwurf zuzustim-men, damit wir am Ende des Tages einmal mehr besse-ren und stabileren Finanzmärkten nähergekommen seinwerden. Diese christlich-liberale Koalition steht dafür.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den von derBundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Ver-meidung von Gefahren und Missbräuchen im Hochfre-quenzhandel. Der Finanzausschuss empfiehlt in seinerBeschlussempfehlung auf der Drucksache 17/12536, denGesetzentwurf der Bundesregierung auf den Drucksa-chen 17/11631 und 17/11874 in der Ausschussfassunganzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzent-wurf in dieser Ausschussfassung zustimmen wollen, umdas Handzeichen. � Wer stimmt dagegen? � Wer enthältsich? � Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung ange-nommen.

Wir kommen zur

dritten Beratung

und Schlussabstimmung. Ich darf diejenigen, die demGesetzentwurf zustimmen wollen, bitten, sich von ihrenPlätzen zu erheben. � Wer stimmt dagegen? � Wer ent-hält sich? � Niemand. Damit ist der Gesetzentwurf mitden Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Op-position angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Ent-schließungsantrag der SPD-Fraktion auf der Drucksache17/12551. Wer stimmt für diesen Entschließungsan-trag? � Wer stimmt dagegen? � Wer enthält sich? � DerEntschließungsantrag ist mehrheitlich abgelehnt.

Wir sind damit mit diesem Tagesordnungspunktdurch.

Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 4 a bis 4 e auf:

a) Beratung des Antrags der Abgeordneten MichaelGroß, Sören Bartol, Uwe Beckmeyer, weitererAbgeordneter und der Fraktion der SPD

Bezahlbares Wohnen in der sozialen Stadt

� Drucksache 17/12485 �

Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f)InnenausschussRechtsausschussAusschuss für Wirtschaft und TechnologieAusschuss für Arbeit und SozialesAusschuss für Umwelt, Naturschutz und ReaktorsicherheitAusschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzungHaushaltsausschuss

b) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD

Bezahlbare Mieten in Deutschland

� Drucksache 17/12486 �

Überweisungsvorschlag:Rechtsausschuss (f)Ausschuss für Wirtschaft und TechnologieAusschuss für Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutzAusschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung

c) Beratung des Antrags der Abgeordneten HeidrunBluhm, Halina Wawzyniak, Dr. Kirsten Tackmann,

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Deutscher Bundestag � 17. Wahlperiode � 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 27917

Präsident Dr. Norbert Lammert

(A) (C)

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weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIELINKE

Wohnungsnot bekämpfen � Sozialen Woh-nungsbau neu starten und zum Kern einer ge-meinnützigen Wohnungswirtschaft entwickeln

� Drucksache 17/12481 �

Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f)RechtsausschussHaushaltsausschuss

d) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-gierung

Bericht über die Wohnungs- und Immobilien-wirtschaft in Deutschland

� Drucksache 17/11200 �

Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f)Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

e) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadt-entwicklung (15. Ausschuss) zu dem Antrag derAbgeordneten Daniela Wagner, Ingrid Hönlinger,Bettina Herlitzius, weiterer Abgeordneter und derFraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Wohnraum in Deutschland zukunftsfähig ma-chen � Für ein sozial gerechtes und klima-freundliches Mietrecht

� Drucksachen 17/7983, 17/12472 �

Berichterstattung:Abgeordneter Sebastian Körber

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind fürdie Aussprache ebenfalls 90 Minuten vorgesehen. �Dazu besteht Einvernehmen.

Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort erhält zunächst der Kollege Frank-WalterSteinmeier für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)

Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Wenn ich in die Runde schaue, stelle ich fest: Ich binnicht der Einzige, der heute Morgen direkt von Münchenaus hierher gekommen ist.

Ich bin auch nicht der Einzige, der das politische Ca-baret

(Volker Kauder [CDU/CSU]: �Kabarett� heißt das, Herr Steinmeier!)

eigentlich erst gestern Abend auf dem Nockherberg er-wartet hat, lieber Volker Kauder. Als ich mich zu diesemTagesordnungspunkt �Wohnen und Mieten� gemeldethabe, konnte ich nicht ahnen, dass das wahre politischeKuriositätenkabinett schon am Wochenende vor demNockherberg getagt hat.

Man stelle sich das einmal vor: Beim Mindestlohn sa-gen Christdemokraten und Liberale seit fast vier Jahren:�Gott sei bei uns!� � seit drei Tagen soll das alles ganzanders sein. Bei der Homo-Ehe schien noch vor einerWoche der Untergang des Abendlandes zu drohen � seitdem Wochenende alles ganz anders.

(Sebastian Körber [FDP]: Was hat das mit demThema zu tun?)

Türkei-Beitritt: Jahrelang hat die Union getönt, dass dieTürken aus der Europäischen Union draußen bleiben sol-len � am Wochenende sagte die Kanzlerin: Die Verhand-lungen gehen gar nicht schnell genug.

(Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Das istdoch keine Generaldebatte hier!)

Im Hinblick auf ein NPD-Verbot wurden die Ermittlun-gen der Innenminister der Länder wochenlang links lie-gen gelassen, und es wurde Skepsis gestreut � urplötz-lich, ohne dass sich irgendetwas Neues ereignet hätte,soll das Kabinett jetzt doch einen Verbotsantrag be-schließen.

(Peter Götz [CDU/CSU]: Kennen Sie den Ta-gesordnungspunkt? � Sebastian Körber [FDP]:Haben Sie die falsche Rede erwischt?)

� Meine Damen und Herren, bevor Sie unruhig werden,sage ich Ihnen: Glückwunsch zu so vielen neuen Ein-sichten!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordnetendes BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich kann mich allerdings des Eindrucks nicht ganz er-wehren, dass die eine oder andere dieser neuen Einsich-ten durch den Wahltermin befördert wurde. Eines rateich nur: Überholen ohne einzuholen, das funktioniertnicht, das haben schon andere versucht, meine Damenund Herren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordnetendes BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Beim Wettbewerb um politisches Umfallen darf dieFDP natürlich nicht abseitsstehen. Bei der doppeltenStaatsangehörigkeit, einem absoluten No-Go für die Ko-alition � das war ein Evergreen �, überrascht uns FrauLeutheusser-Schnarrenberger am Wochenende mit demSatz: Alles ist möglich.

(Sebastian Körber [FDP]: Sagen Sie noch et-was zur Sache?)

� Jetzt müssen Sie nicht mehr länger neugierig sein. Beiden Stichworten �Umfallen� und �Kehrtwende� � da ha-ben Sie recht; insofern verstehe ich, dass Ihnen da etwasgefehlt hat � darf einer nicht fehlen, nämlich der Baumi-nister.

(Zurufe von der SPD: Ja!)

Das dreisteste Stück, das in den letzten Tagen zurAufführung gekommen ist, stellt den Nockherberg vongestern Abend mühelos in den Schatten. Man stelle sichdas einmal vor: Ausgerechnet derjenige, der den Kahl-schlag im Wohnungsbau verursacht hat, ausgerechnet

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27918 Deutscher Bundestag � 17. Wahlperiode � 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013

Dr. Frank-Walter Steinmeier

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derjenige, der zu den Ersten gehörte, als es darum ging,die Eigenheimzulage zu streichen, ausgerechnet HerrRamsauer dreht sich auf den Hacken um und tut seit demWochenende so, als sei er die Spitze der Bewegung, alssei er Vorreiter beim Thema �Wohnen und Mieten�. Soeinfach geht das nicht!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordnetendes BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dreistigkeit mag sich lohnen, auch in der Politik, aberdas werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Dasmacht ja Ihr Kanzlerkandidat schon!)

Sie sind verantwortlich dafür, dass das Bund-Länder-Programm �Die soziale Stadt� �geschlachtet� wurde. Siesind verantwortlich dafür, dass der Heizkostenzuschussabgeschafft wurde.

(Bettina Hagedorn [SPD]: So ist es!)

Sie haben das neue mieterfeindliche Mietrecht aufden Weg gebracht.

(Sören Bartol [SPD]: So ist es!)

Sie haben die Engpässe auf dem Wohnungsmarktignoriert und gleichzeitig eine rechtzeitige Gegenwehrverpennt. Das haben wir nicht vergessen, und wir wer-den dafür sorgen, dass die Menschen in Deutschland dasauch nicht vergessen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordnetendes BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich kann ja verstehen, dass Sie nach diesen etwasatemlosen Kehrtwenden vom vergangenen Wochenendenicht mehr richtig wissen, wo Ihnen der Kopf steht. InIhren eigenen Reihen herrscht im Augenblick ein biss-chen Chaos. Dazu will ich mich aber gar nicht äußern;das ist Ihre Sache. Meine einzige Bitte ist: Richten Siebitte das Chaos, das Sie in der Energiepolitik angerichtethaben, nicht auch noch in der Wohnungspolitik an.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordnetendes BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Wohnungspolitik braucht nämlich keine Kehrt-wenden, sondern Verlässlichkeit. Wenn Sie wollen, dassWohnungsbaugesellschaften Wohnungen bauen, dannmachen Sie keine Kehrtwenden, sondern sorgen Sie fürPlanbarkeit und Investitionssicherheit. Familien, die vorder Entscheidung stehen, wo sie leben möchten und obsie mieten oder bauen wollen, brauchen ebenfalls Pla-nungssicherheit. Solche Pläne kann man eben nicht ein-fach mal verändern, wenn es einem in den Kram passt.Wir brauchen keinen Aktionismus und keine Chaotisie-rung, sondern Ernsthaftigkeit und lange Linien. Ohnedas wird es nichts mit bezahlbarem Wohnraum � auchnicht bei uns.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. DanielaWagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Unser Vorwurf ist, dass es gerade an dieser Ernsthaf-tigkeit, von der ich rede, fehlt. In den letzten fünf Jahrenhat sich die Zahl der Haushalte, die 40 Prozent und mehr

von ihrem Einkommen für Miete ausgeben, verdoppelt.Studenten � das wissen Sie auch � finden in den Unistäd-ten kaum noch Wohnungen. Der Bestand an Sozialwoh-nungen geht Jahr für Jahr zurück. Die wenigsten Woh-nungen sind altersgerecht.

Das alles ist nicht neu. Das haben Sie in Ihrem eige-nen �Bericht über die Wohnungs- und Immobilienwirt-schaft in Deutschland� vom letzten Oktober sogar veröf-fentlicht. Sie haben es zwar veröffentlicht, aber passiertist nichts. Das ist das, was vorzuwerfen ist.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordnetendes BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wenn das so weitergeht, dann werden wir den Prozessnicht aufhalten, dass ganz normale Familien aus ihrenVierteln, in denen sie wohnen, verdrängt werden. Dannkönnen es sich nur noch ganz wenige leisten, tatsächlichim Zentrum der Städte zu wohnen, dann erkennen wirunsere Städte bald nicht mehr wieder, und dann kriegenwir Verhältnisse wie anderswo auf der Welt, die wirnicht wollen.

Ich finde es gut, dass wir uns in diesem Hause, als dieBilder aus Frankreich, von den französischen Banlieuesdurch die Medien gingen, einig waren, dass wir solcheBilder in deutschen Städten nie sehen wollen. Darübergab es Konsens. Das Problem ist nur: Dieser Konsens istwohnungspolitisch folgenlos geblieben.

(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Ja!)

Er ist folgenlos geblieben und musste folgenlos blei-ben, weil Sie gleichzeitig zum Beispiel die Mittel für dasBund-Länder-Programm �Die soziale Stadt� endlos zu-sammengekürzt haben. Hier stimmt einfach vieles nicht.

Sie haben damals gesagt, das sei deshalb notwendig,um die Betonpolitik der SPD endlich zu einem Endekommen zu lassen. Das hat mir viel über das verraten,was Sie nie verstanden haben. Ich gebe Ihnen ja recht:Die Bereitstellung von Mitteln für den Bau � dann, wennman in Beton und Steine investiert � kann man vielleichtmal ein oder zwei Jahre schieben, wenn der Haushaltknapp ist. Das ist wahr. Beim Bund-Länder-Programm�Die soziale Stadt� geht und ging es aber nie um Beton.Das sind soziale Netzwerke, die über zwei Jahrzehntegewachsen und in den Quartieren mühsam aufgebautworden sind.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordnetendes BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Hier kann man nicht einfach das Geld wegnehmenund darauf vertrauen, dass die sozialen Netzwerke erhal-ten bleiben. Nein, das produziert Enttäuschungen.

Wenn Sie dann, wie jetzt, nach zwei Jahren wiederGeld dafür zur Verfügung stellen wollen, dann merkenSie, dass es diese Netzwerke, auf die Sie zurückgreifenwollen, nicht mehr gibt. Deshalb war das so verhängnis-voll. Das muss hier einmal zur Sprache kommen.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. BettinaHerlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

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Deutscher Bundestag � 17. Wahlperiode � 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 27919

Dr. Frank-Walter Steinmeier

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Notwendig ist etwas anderes, ist ein ganzes Bündelvon Maßnahmen, und das haben wir in unserem Antragvorgeschlagen. Das sind aus unserer Sicht zuallererstÄnderungen im Mietrecht, um zum Beispiel Mietsteige-rungen zu begrenzen � nicht nur in bestehenden Verträ-gen, sondern auch bei Wiedervermietung.

(Zuruf des Abg. Sebastian Körber [FDP])

� Ja, Sie können das ja gleich hier vom Pult aus gern sa-gen. � Sie haben nämlich gerade das Gegenteil gemacht.Sie haben die Position der Mieterinnen und Mieter ein-seitig geschwächt. Das ist genau der falsche Weg, meineDamen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordnetendes BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN � SebastianKörber [FDP]: Das ist doch Quatsch! Sie müs-sen es lesen!)

Unser Antrag ist ein Vorschlag. Schauen Sie sich denan! Ein paar andere Dinge können wir ganz schnell undeinfach miteinander regeln. Ich meine da zum Beispieldie Übernahme der Maklerkosten durch den Vermieter,wenn er ihn denn bestellt hat. Der Grundsatz �Wer be-stellt, der bezahlt auch� ist in der Marktwirtschaft janichts Neues.

(Zurufe von der SPD: Genau!)

Das gilt überall sonst, außer bei Mieten und Wohnen.Aber warum nicht auch hier? Deshalb sage ich ganz ein-fach: Wer bestellt, der bezahlt. Wir haben eine entspre-chende Initiative auf den Weg gebracht. Ich lade Sie ein,diese Initiative zu unterstützen, meine Damen und Her-ren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordnetendes BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es geht jedoch nicht nur um Mietrecht, auch nicht nurum Maklerkosten. Wir brauchen in diesem Land wiederWohnungsneubau, und zwar nicht nur Luxusapartmentsin einigen Innenstadtlagen, sondern gute und bezahlbareWohnungen für ganz normale Leute.

Damit das klappt, brauchen wir nicht irgendeine För-derung, wir brauchen eine sehr zielgerichtete Förderungund gerade keine Förderung nach dem Gießkannenprin-zip. Denn wahr ist doch genauso � das erfahren Sie inIhren Wahlkreisen doch auch �: Im ländlichen Raum ha-ben wir kein Unterangebot, keinen Mangel an Wohn-raum, sondern da haben wir Wohnungsleerstand. Dort istdas Problem eher, dass viele Leute viel Geld � teilweiseihr ganzes Vermögen � in ihr Haus gesteckt haben undsie es möglicherweise dann, wenn sie älter werden, nichteinmal mehr verkaufen können. Deshalb: Förderungnach dem Gießkannenprinzip kann nicht funktionieren.Wir brauchen eine zielgerichtete Förderung. Das genaumüsste das Anliegen des Bundesbauministers seit drei-einhalb Jahren sein. Aber da war nichts, und da istnichts. Das ist heute zu beklagen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN � Volker Beck [Köln] [BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN]: Da kommt auchnichts mehr!)

Wir brauchen � das ist meine feste Überzeugung � einganz breites Bündnis für bezahlbaren Wohnraum. Damuss der Bund vorangehen, da müssen die Länder dazu,da müssen die Kommunen dazu, die Bauwirtschaft, Ge-werkschaften, Sozialverbände. Wir brauchen da einenbreiten Pakt.

Wir haben mit unserem Antrag konkrete Vorschlägeunterbreitet, was jetzt in dieser Situation zu tun ist. DieMenschen, finde ich, haben ein Recht darauf, dass wirvon der Politik Wohnen in diesem Land wieder bezahl-bar machen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordnetendes BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das, Herr Ramsauer, an Ihre Adresse: Ihre Verant-wortung für den BER haben Sie abgewälzt auf Berlinund auf Brandenburg. Ihre Verantwortung für Stutt-gart 21 � wir beobachten das sehr genau � wälzen Sie imAugenblick auf die Deutsche Bahn ab. Hier, bei Wohnenund Mieten, steht niemand zur Verfügung, der die Ver-antwortung übernimmt. Hier, Herr Ramsauer, sind Sie inder Verantwortung, und bei dieser Verantwortung wer-den wir Sie packen.

Herzlichen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der SPD � Beifallbei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIEGRÜNEN)

Präsident Dr. Norbert Lammert:Das Wort hat nun der Bundesminister Peter

Ramsauer.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr,Bau und Stadtentwicklung:

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte, liebe Kol-leginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen undHerren! Lieber Herr Kollege Steinmeier, wir hatten jaheute Morgen schon einmal das Vergnügen. Aber, wis-sen Sie, das ist eine Generaldebatte, die Sie jetzt begon-nen haben. Da Sie schon von meiner Verantwortung fürden Berliner Flughafen im Rahmen einer Generaldebattesprechen: Natürlich tragen auch der Bund und ich Ver-antwortung für dieses Projekt am Berliner Flughafen indem Ausmaß, in dem es dem Bund als Gesellschafteraufgegeben ist. Wenn Sie aber schon die Formulierunggebrauchen, ich hätte Verantwortung auf Berlin undBrandenburg abgewälzt, dann muss ich hinzufügen: Lei-der streiten die beiden seit einigen Tagen dermaßen, dasses mir als Vertreter des Bundes fürchterlich unangenehmist; das muss man auch sagen. Das stimmt auch wieder,Herr Steinmeier.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Aber ich mache das still und leise im Hintergrund. Wirbringen das schon wieder in Ordnung,

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:Oh!)

und zwar aus Gründen der Gesamtverantwortung.

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27920 Deutscher Bundestag � 17. Wahlperiode � 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013

Bundesminister Dr. Peter Ramsauer

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Was Erinnerungen betrifft: Sie haben gesagt, HerrSteinmeier, ich sei 2006/2007 auch dabei gewesen. Ichwar damals Vorsitzender der CSU-Landesgruppe imDeutschen Bundestag als Vorvorgänger der KolleginGerda Hasselfeldt. In der Tat hat die Große Koalition da-mals zwei sehr wichtige Instrumente der Wohnungsbau-politik abgeschafft, nämlich die Eigenheimzulage unddie degressive AfA. Beide Instrumente standen auf dersogenannten Koch/Steinbrück-Liste.

(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

Gut, dass wenigstens Herr Steinbrück heute hier ist. Derandere, der neben dem Finanzminister Verantwortungtrug � �

(Zuruf des Abg. Florian Pronold [SPD])

� Nicht einmal Sie bringen mich dazu, irgendetwas Ne-gatives über meinen hochverehrten Amtsvorgänger zusagen.

Da Sie aber damit angefangen haben, HerrSteinmeier, muss ich sagen: Der andere war ein SPD-Bauminister, der zusammen mit einem SPD-Finanz-minister diese beiden wertvollen Instrumente abge-schafft hat, und zwar in federführender Position, nämlichals Minister.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wenn Sie nicht angefangen hätten, hätte ich es auchnicht getan; denn ich mag es nicht, hinterher an be-stimmte Sachverhalte immer wieder zu erinnern.

Wir müssen eine nach vorne gerichtete Baupolitikund Wohnungspolitik betreiben; denn hier geht es umein Grundbedürfnis eines jeden Menschen.

(Sören Bartol [SPD]: Das sagen wir Ihnen seitdrei Jahren! Seit drei Jahren!)

Deswegen ist es mein Wunsch, dass wir alle hier an ei-nem Strang ziehen und nicht eine Bevölkerungsgruppegegen die andere aufhetzen. Das hat keinen Sinn.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Inzwischen gibt es Gott sei Dank eine Trendwende.Dramatisierungen und Pauschalisierungen nutzen nicht.Die Entwicklung auf den Wohnungsmärkten ist ausge-sprochen differenziert und ist regional sehr unterschied-lich, auch was die Ursachen angeht. Deshalb habe ich zuBeginn dieser Woche das Programm zur Bekämpfungregionaler Wohnungsknappheit in Deutschland vorge-stellt, das vieles neu aufgreift, was besser nicht hätte ab-geschafft werden sollen.

Ich darf aber zunächst einmal feststellen: Deutsch-lands Wohnungsmarkt ist gekennzeichnet durch einenhohen Versorgungsgrad und hohe qualitative Standards.Von einem eklatanten, flächendeckenden Wohnungs-mangel kann keine Rede sein.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-neten der FDP)

Wir alle können froh darüber sein, dass eine Trend-wende eingetreten ist. Ich verwende hier gerne das Bild

eines schweren Tankers, der seinen Kurs nur allmählichund langsam verändert. Aber diese Trendwende, dieseKursänderung ist intensiv und nachhaltig in Gang.

Ich möchte nur einige Zahlen in Bezug auf Baugeneh-migungen und Baufertigstellungen nennen. Im Jahr 2009gab es 177 000 Baugenehmigungen. Diese Zahl ist kon-tinuierlich auf 245 000 im vergangenen Jahr angewach-sen. Den Baugenehmigungen folgten natürlich mit einerVerzögerung von ein bis zwei Jahren die Baufertigstel-lungen. Analog ziehen auch die Baufertigstellungen an.Im Jahr 2009 gab es 159 000. Bereits im letzten Jahr hat-ten wir rund 200 000 Baufertigstellungen zu verzeich-nen. Analog zu den Baugenehmigungen wird die Zahlder Baufertigstellungen in den kommenden Jahren wei-ter ansteigen.

Unser Ziel ist es, auf jährlich etwa 250 000 neueWohnungen zu kommen, sodass wir innerhalb der nächs-ten fünf Jahre das Defizit abbauen. Wir haben gute Aus-sichten, das auch zu schaffen, wenn wir es richtig anpa-cken.

Wir tun bereits eine ganze Menge dafür. Man kannnicht oft genug daran erinnern, dass Bund, Länder undGemeinden für das Wohnen, für die Kosten der Unter-kunft und für das Wohngeld eine Summe von etwa17 Milliarden Euro bereitstellen und dass wir infolge derFöderalismusreform seit 2007 den Ländern jährlich518 Millionen Euro für die soziale Wohnraumförderungin die Hand geben. Ich trete sehr dafür ein, dass wirdiese Summe über das Jahr 2014 hinaus verstetigen. Da-bei stimmen wir mit Ihnen überein; Sie verlangen dasauch.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich füge hinzu, dasswir wollen � das wollen auch Sie, wie ich gelesen habe,Herr Steinmeier �, dass die Länder mit diesen 518 Millio-nen Euro � meinetwegen auf Dauer nicht nur nominal �nicht nur irgendetwas im Bereich von Investitionen ma-chen können, sondern dass damit auch wirklich derWohnungsneubau gefördert wird.

Einige Länder machen das in vorbildlicher Weise.Dazu gehört der Freistaat Bayern. Dazu gehört Nord-rhein-Westfalen. Dazu gehört Hamburg. Es gibt aller-dings auch einige Länder � ich nenne jetzt keine �, diekeinen einzigen Euro in den Neubau von sozial geförder-tem Wohnraum stecken.

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Herr Minister, gestatten Sie zwei Zwischenfragen,einmal von den Grünen, einmal von der SPD?

(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Erst wir!)

Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr,Bau und Stadtentwicklung:

Ja. Bitte sehr.

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Bitte schön.

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Deutscher Bundestag � 17. Wahlperiode � 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 27921

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Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Herr Minister, Sie haben recht. Wir wollen keine

Schlammschlacht, sondern wir wollen an einem Strangziehen. Insofern nehme ich das gerne auf, wenn Sie dieHand reichen.

Nun zu meiner Frage. Wir werden demnächst im Ple-num die Änderung des Baugesetzbuchs beraten. DasSatzungsrecht könnten wir durch Bundesgesetzgebungstärken, indem wir den Kommunen die Möglichkeit ge-ben, in bestimmten Gebieten die Mieten zu deckeln; dasist die Milieuschutzsatzung. Das könnten wir um diesenPassus erweitern.

Wie sehen Sie das? Werden Sie den Kommunen andieser Stelle helfen? An dieser Stelle haben Sie die Mög-lichkeit dazu.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS-SES 90/DIE GRÜNEN)

Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr,Bau und Stadtentwicklung:

Wir sind in der Tat gerade dabei, das Baurecht zu no-vellieren. Ich bin sehr dafür, dass wir den Ländern undGemeinden die Möglichkeit eröffnen, selbst tätig zuwerden. Wie ich eingangs bereits gesagt habe, haben wires mit regional sehr unterschiedlichen Entwicklungen zutun. Es gibt auch Gegenden in Deutschland, in denen inden letzten Jahren die Mieten gesunken sind, in denenwir leer stehenden Wohnraum haben, lieber VolkmarVogel, aber nicht nur in den neuen Bundesländern, son-dern auch hier und dort in den alten Bundesländern.

Es ist natürlich schwierig, von Bundesseite aus mit ei-nem politischen Breitbandantibiotikum regional undpassgenau zu reagieren und zu steuern. Deswegen ist esrichtig, den Ländern und den Kommunen Möglichkeitenzu eröffnen, passgenau, bezogen auf ihre Verhältnisseund Probleme, zu reagieren.

Eines dieser Instrumente haben wir mit der vor weni-gen Monaten beschlossenen Novellierung des Miet-rechts geschaffen. Damit haben wir den Ländern dieMöglichkeit eröffnet, die Kappungsgrenze von 20 Pro-zent auf 15 Prozent innerhalb von drei Jahren zu reduzie-ren. � Frau Kollegin, bleiben Sie bitte stehen; ich binnoch nicht fertig mit der Beantwortung.

(Caren Marks [SPD]: Wie wäre es denn miteiner Antwort?)

Ich lade die Länder ein, von dieser Möglichkeit Ge-brauch zu machen.

Den Ländern steht ein weiteres Instrument zur Verfü-gung. Das betrifft vor allen Dingen die Eigentumsbil-dung, aber auch Grundstückskäufe für den Mietwoh-nungsbau.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:Das war nicht die Frage der Kollegin!)

Man kann die Höhe der Grunderwerbsteuer auf 3,5 Pro-zent festsetzen, wie es beispielsweise der Freistaat Bayerngetan hat. Man kann die Höhe der Grunderwerbsteueraber auch auf 5,5 Prozent festsetzen, wie es beispiels-

weise das Saarland getan hat. Das sind 2 ProzentpunkteUnterschied. Auch hier haben es die Länder in der Hand,zu reagieren und das Ganze zu steuern; schließlich stehtihnen das Geld zu.

Also ein klares Ja, liebe Frau Kollegin, zur Möglich-keit für Städte, Gemeinden und Länder, passgenau zu re-agieren.

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Kollege Bartol wollte auch noch eine Frage stellen. �

Bitte.

Sören Bartol (SPD):Lieber Herr Bundesminister Ramsauer, bevor Sie mit

dem fortfahren, womit Sie begonnen hatten, nämlich mitder Märchenstunde zur Frage �Wie geht es weiter mitden 518 Millionen Euro für den sozialen Wohnungsbau,den sogenannten Entflechtungsmitteln?� und mit ihrenAusführungen zur Zweckbindung, möchte ich Sie nocheinmal darauf hinweisen � vielleicht ist Ihnen das in derKabinettssitzung einfach entgangen �, dass Sie selber insKabinett einen Gesetzentwurf � er liegt uns als Drucksa-che 17/12296 vor � eingebracht haben, der entgegendem, was Sie auf der Pressekonferenz und auch hier an-gekündigt haben, nämlich dass Sie die Mittel für densozialen Wohnungsbau über das Jahr 2013/2014 hinausgeben wollen, eine Verlängerung um nur ein Jahr be-inhaltet.

Sie haben gerade eben zur Frage der Zweckbindungausgeführt. Genau das Gegenteil steht in diesem Gesetz-entwurf der Bundesregierung vom 6. Februar 2013.

(Dr. Sascha Raabe [SPD]: Hört! Hört!)

Dort steht nichts von Zweckbindung. Im Gegenteil: DieZweckbindung für diesen Aufgabenbereich entfällt. Esbleibt nur die investive Zweckbindung.

Jetzt möchte ich Sie fragen: Haben Sie in der Kabi-nettssitzung geschlafen? Ist Ihnen das entgangen? Oderwollen Sie das jetzt verändern? Wenn Sie das verändernwollen, dann sagen Sie uns bitte, wann Sie diesen Ge-setzentwurf � Ihren eigenen Gesetzentwurf � verändern!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordnetendes BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr,Bau und Stadtentwicklung:

Lieber Herr Kollege, wenn wir solche Gesetze ma-chen, dann machen wir sie nicht gegen die Länder, son-dern mit den Ländern. Das ist mein Verständnis vonBundespolitik: nicht gegen, sondern mit den Ländern.

Nun haben wir bei den Ländern eine gewisse Ent-wicklung der Mehrheitsverhältnisse.

(Zurufe von der SPD: Oh! � Lothar Binding[Heidelberg] [SPD]: Bei bestimmten Län-dern!)

Wenn die konstruktive Haltung Oberhand behalten hätte,hätten wir hinsichtlich der seit etwa einem Jahr laufendenVerhandlungen über die Fortführung dieser Entflech-

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tungsmittel � sie werden auch �Kompensationsmittel� ge-nannt � schon längst eine weiterführende Einigung; diehätte ich mir gewünscht. Diese Mittel betreffen nämlichnicht nur den Bereich des sozialen Wohnungsbaus� hierbei geht um Mittel in Höhe von 518 MillionenEuro, wie Sie wissen �, sondern sie dienen auch derHilfe für Länder beim Nahverkehr, beim Regionalver-kehr. Darauf entfallen etwa 1,35 Milliarden Euro.

Was wir jetzt getan haben, damit wir keine Zeit ver-lieren, ist, dass wir in einer Art Nothilfe für die Länderwenigstens für das Jahr 2014 Klarheit schaffen. Mitebensolcher Klarheit sage ich: Wir wollen, dass dieseMittel nicht nur für allgemein investive Zwecke, sondernfür den Wohnungsbau eingesetzt werden. Aber um so ei-nem Nothilfegesetz, so nenne ich es jetzt einmal, alleAngriffsflächen zu nehmen � ich sage das insbesonderemit Blick auf die Seite der SPD-Länder �, haben wir die-sen Gesetzentwurf so formuliert, damit wir Sicherheitund Gewissheit im Interesse aller 16 Bundesländer ha-ben.

(Sören Bartol [SPD]: Das ist doch plumpdahingesagt!)

Wenigstens für das Jahr 2014 soll Klarheit geschaffenwerden, und diese Klarheit brauchen wir auch im Hin-blick auf den Haushalt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-neten der FDP � Lothar Binding [Heidelberg][SPD]: Ausrede, aber keine Erklärung!)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage desKollegen Seifert von der Fraktion Die Linke?

Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr,Bau und Stadtentwicklung:

Ja.

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Bitte schön.

(Zuruf von der SPD, an die LINKE gewandt:Verlängert doch nicht die Redezeit! � Gegen-ruf des Abg. Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Ihrhabt es doch auch gemacht!)

Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr,Bau und Stadtentwicklung:

Ich nehme solche Zwischenfragen deswegen sehrgerne entgegen.

(Sören Bartol [SPD]: Genau! Damit Ihre Märchen-stunde noch ein bisschen länger geht!)

Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE):Wollen wir erst einmal warten, ob Ihnen meine Frage

gefällt, Herr Minister. Aber das ist ja nicht der entschei-dende Punkt.

Der entscheidende Punkt ist: Sie haben jetzt schoneine ganze Weile geredet. Wenn wir über Wohnungsbau

reden, dann reden wir über Bauten, die mindestens50 Jahre funktionieren sollen. Insofern meine Frage:Warum wollen Sie nicht verbindlich vorschreiben, dassBarrierefreiheit herzustellen ist, wenn neu gebaut wird?

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord-neten der SPD)

Wir sollten verhindern, dass neue Barrieren errichtetwerden, die dann mühselig und sehr, sehr teuer ausge-merzt werden müssen.

Jedes Mal, wenn Sie reden, vergessen Sie diesen Be-griff. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dassSie das insgesamt nicht für wichtig erachten. Ich finde,das gehört mitten hinein in unsere Gesellschaft, nicht nurwegen der UN-Behindertenrechtskonvention. Das istauch im Interesse der Menschen, die älter werden, im In-teresse der Menschen, die nicht so gut zu Fuß sind, undauch im Interesse von Kindern, die zum Beispiel durcheinen Aufzug viel leichter nach oben kommen als überlange, steile Treppen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord-neten der SPD)

Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr,Bau und Stadtentwicklung:

Lieber Herr Kollege Seifert, Sie haben mir noch nichtzu Ende zugehört. Sie können es gar nicht erwarten.Danke, dass Sie mir die Gelegenheit geben, Ausführun-gen zum Thema �barrierefreies Bauen� zu machen. Esgab noch nie eine Zeit in unserem Land, in der das Bun-desbaurecht, die Länderbauordnungen und die kommu-nalen Bausatzungen so intensiv behindertenfreundlichausgestaltet waren wie heute. Das ist eine großartige Er-rungenschaft bei Bund, Ländern und Gemeinden; dennBarrierefreiheit im privaten und vor allen Dingen im öf-fentlichen Bau ist ein wesentlicher Bestandteil einer dis-kriminierungsfreien Gesellschaft.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordnetender FDP)

Ich nenne ganz bewusst den öffentlichen Bau. Das be-deutet beispielsweise bei der Bahn auch den sukzessivenUmbau zu barrierefreien Bahnhöfen. Das alles gehörtdazu. Vielleicht haben noch weitere Redner die Mög-lichkeit, diesen Aspekt aufzugreifen.

Herr Präsident, ich fahre in meiner Rede fort. � Washaben wir uns vorgenommen? Vieles von dem, was wirbereits tun, ist angesprochen worden, zum Beispiel dieVerlängerung der Bereitstellung von Kompensationsmit-teln für die Länder � das ist eine Hilfe für die Länder �auch über das Jahr 2014 hinaus, über das hinaus, was wirjetzt für 2014 zunächst einmal gesetzlich regeln. Wirwerden des Weiteren nicht nur im Bereich des energe-tisch günstigen Bauens, sondern auch im Bereich deskostengünstigen Bauens neue Instrumente bei der Kre-ditanstalt für Wiederaufbau schaffen. Hierzu laufen dieVerhandlungen.

Ich greife jetzt noch einmal die Themen auf, die be-reits eingangs meiner Rede zur Sprache kamen: Eigen-heimzulage und degressive AfA. Wenn solche Instru-

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mente abgeschafft werden, dann sieht man die Folgennicht im ersten oder zweiten Jahr nach der Abschaffung,sondern das hinterlässt erst im Laufe der Jahre gravie-rende Spuren.

(Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Das Problem ist nicht die Eigenheim-zulage!)

Wir haben seit sechs, sieben Jahren Erfahrungen ge-sammelt. Ich bin froh darüber, dass alle immobilienwirt-schaftlichen und wohnungswirtschaftlichen Verbändemeinen Vorschlag, den Vorschlag der Bundesregierungunterstützen, die Möglichkeiten, die sich im Bereich derdegressiven Abschreibung und im Bereich der Eigen-heimzulage bieten, neu zu bewerten. Das sind Instru-mente, die in die nächste Legislaturperiode hineinrei-chen. Es braucht seine Zeit, bis solche Entwicklungenwieder korrigiert werden.

Lassen Sie mich noch einmal etwas zur Eigenheimzu-lage sagen. Diese ist genauso wertvoll wie der Wohn-Riester und dient auch der Eigentumsbildung. Die Ei-gentumsbildung im Immobilienbereich ist für mich eineder wertvollsten Arten der Altersvorsorge.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordnetender FDP)

Die Möglichkeit der degressiven Abschreibung wirdauch den Mietwohnungsbau beleben. Die entsprechen-den Investoren warten nur darauf.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, kurzfristigwirksam sind die Maßnahmen im Bereich des Wohn-geldes. Wir schlagen vor, sowohl im Hinblick auf dieLeistungshöhe als auch auf die Miethöchstbeträge dieEntwicklungen bei den Kosten und Bestandsmietennachzuvollziehen. Der Freistaat Bayern wird in dennächsten Tagen im Bundesrat mit einem entsprechendenAntrag aktiv werden.

Zusammengefasst: Wenn wir diese Instrumente wirk-sam einsetzen, dann sind wir gewiss, dass wir damitWohnraum in einer mittleren Frist von vier bis fünf Jah-ren ausreichend verfügbar machen, dass wir Wohnraumauch bezahlbar machen. Wohnraum muss erwerbbarsein. Die Baugrundstücke müssen bezahlbar sein. DasBauen als solches muss bezahlbar sein. Bezahlbar müs-sen auch die Mieten sein. Ich lade alle dazu ein, meinenVorschlägen für besseres und ausreichendes Wohnen inDeutschland zu folgen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Das Wort hat nun Heidrun Bluhm für die Fraktion Die

Linke.

(Beifall bei der LINKEN)

Heidrun Bluhm (DIE LINKE):Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kolle-

gen! Nachdem ich zunächst dachte, dass ich hier heuteMorgen den falschen Veranstaltungstermin erwischt habe,

sehe ich jetzt aber doch, dass der Wahlkampf seineSchatten vorauswirft

(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Jetztwird�s sachlich! � Peter Götz [CDU/CSU]:Jetzt wird es richtig sachlich, ja!)

und an dieser Stelle deutlich wird, dass wir von der Op-position tatsächlich fit und reif sind, in den Wahlkampfeinzusteigen. Denn es sind vier Anträge zu verhandeln,aber von der Regierung ist da nichts. Offensichtlich willsie nichts falsch machen; deswegen tut sie nichts.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren von der Regierungskoali-tion, auch mit dem von Ihnen vorgelegten zweiten Be-richt über die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft inDeutschland zeigen Sie, dass Sie ohne eigene Initiativenbleiben. Dieser Bericht liegt seit Oktober vor, und Siehaben es bis heute nicht geschafft, in irgendeiner Weiseetwas aus diesem Bericht herauszuziehen, um etwas imBereich Wohnungspolitik zu machen, obwohl der Be-richt den Zustand des Marktes weit schlechter einschätztals der Bericht davor. Das zeugt also nicht gerade vonübergroßem Eifer oder gar von politischer Kreativität.Es wird also Zeit, dass endlich neu gewählt wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Minister, oder war etwa das, was Sie zum Bei-spiel auf Ihrer vorgestrigen Pressekonferenz dargestellthaben, das Konzept der Regierung? Eben haben Sienoch einmal versucht, das Sammelsurium der Dinge, dieSie wieder aufwärmen wollen, hier vorzutragen, aberhaben bei der Wohnungspolitik die Frage der Zukunfts-fähigkeit überhaupt nicht im Auge.

Worauf soll aber dieser Bericht, den Sie vorgelegt ha-ben, eine Antwort sein? Auf die drängenden Fragen vonMillionen Mieterinnen und Mietern nach bezahlbaremWohnraum ganz bestimmt nicht! Schon der erste Berichtenthielt eine Reihe von kritischen Analysen und Emp-fehlungen dazu, wie die Politik auf die sich abzeichnen-den Anforderungen durch den demografischen Wandel,die Klimaveränderungen und die regionalstrukturellenVeränderungen in Deutschland reagieren sollte. Aber esstand leider ganz am Anfang des Berichtes auch derSatz: �Die Wohnungsversorgung in Deutschland ist gut.�Das war anscheinend der einzige Satz, den einige Fach-politiker der CDU/CSU und der FDP zur Kenntnis ge-nommen und vor allem auch auswendig gelernt hatten.

(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIELINKE])

Nun aber steht dieser Satz im neuen Bericht von 2012nicht mehr, und das hat einen Grund: Die Wohnungsver-sorgung in Deutschland ist nicht gut. Sie war es auchschon zum Zeitpunkt der Erstellung des ersten Berichtesnicht. Die Tendenzen der Verknappung und Verteuerungvon Wohnraum in Ballungsgebieten, der Mangel an al-tersgerechten, barrierefreien und barrierearmen Wohnun-gen sowie an energetisch saniertem Wohnraum warenauch schon damals deutlich spürbar und als drängendeAufgabenstellung und als große Herausforderung für

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alle Akteure in der Politik und der Wohnungswirtschaftnicht mehr vom Tisch zu wischen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Bundesregierung hat das bestenfalls achselzuckendzur Kenntnis genommen. Offenbar wird auch der jetztvorliegende Bericht zur Immobilienwirtschaft das gleicheSchicksal erleiden und folgenlos in den Regierungs-schubladen verschwinden. Es ist jedenfalls nicht erkenn-bar, dass die Regierung irgendwelche logischen Schluss-folgerungen aus ihren eigenen Berichten gezogen oderMaßnahmen ergriffen hätte, die den negativen Entwick-lungen auf dem Wohnungsmarkt entgegenwirken. Dennseit Oktober 2012 ist nichts, aber auch gar nichts pas-siert. Herr Steinmeier, ich kann an Ihr Zitat anschließen.Sie sagten: �Aber da war nichts, und da ist nichts.� Ichsage: Da kommt auch nichts.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordnetender SPD)

Was die Bundesregierung in dieser Legislaturperiodeauf dem Gebiet der Wohnungspolitik zuwege gebrachthat, ist das unsägliche Mietrechtsänderungsgesetz, dasnach fast vierjährigen Geburtswehen doch noch rechtzei-tig vor dem Verfallsdatum dieser Regierung pflichtschul-dig an die Besteller ausgeliefert wurde.

(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Und im Bun-desrat durchgewinkt wurde!)

Dieses Gesetz � da stimme ich mit dem Antrag der SPD�Bezahlbare Mieten in Deutschland� überein � musswieder vom Tisch.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordnetender SPD)

Das kann man nicht kosmetisch aufhübschen oder mitKorrekturen entschärfen: Das ganze Gesetz ist ebensounnötig wie schlecht gemacht, und es muss wieder ver-schwinden. Aber, meine Damen und Herren von derSPD, Sie hätten vielleicht ein bisschen mehr Courage zei-gen und diese Gesetzesinitiative im Bundesrat wenigs-tens an den Vermittlungsausschuss überweisen sollen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Miet- und Wohnkosten laufen der Einkommens-entwicklung davon, und trotzdem wollen Sie von derSPD, dass die Bestandsmieten 3,75 Prozent im Jahr oderbei Wiedervermietung sogar um 10 Prozent steigen kön-nen. Das ist � anders als angekündigt � keine Mietpreis-bremse, liebe SPD; das treibt die Schere zwischen Ein-kommen und Mieten weiter auseinander.

Die möglichen Mietsteigerungen, wie Sie sie vor-schlagen, liegen deutlich über der Inflationsrate und erstrecht weit über der Entwicklung der Realeinkommen.Ihre Vorschläge entlasten also die Mieterhaushalte nicht,sondern sie legitimieren die Mieterhöhung ohne jede Ge-genleistung. Die Wohnungen sind in vier Jahren nichtum 15 Prozent größer geworden, und sie werden alleindurch Neuvermietung auch nicht um 10 Prozent besser.Wodurch sollten also diese Mieterhöhungen gerechtfer-tigt sein?

(Beifall bei der LINKEN)

Die Menschen in Deutschland, jedenfalls die, die Mo-nat für Monat sehen müssen, wie sie finanziell über dieRunden kommen � das betrifft nun einmal die allermeis-ten �, treibt die Sorge um, ob sie sich demnächst ihreWohnung noch leisten können. Wohnen in Deutschlandwird seit einigen Jahren immer teurer, und diese Tendenzhält weiter an.

Die Ursachen sind vielfältig und regional differen-ziert. Steigende Bau- und Grundstückspreise spielen da-bei ebenso eine Rolle wie Grund- und Grunderwerbsteu-ern; aber auch die unabwendbaren Erfordernisse derBarrierefreiheit oder des Klimaschutzes in Wohngebäu-den führen zwangsläufig zu Kostensteigerungen.

Im Kern aber liegt die Haupttriebkraft für den Anstiegder Wohnungsmieten im Auseinanderdriften von Ange-bot und Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt; einerseitsquantitativ, weil in Deutschland insgesamt in den letztenJahren viel zu wenige Wohnungen gebaut worden sind,und andererseits auch qualitativ, weil das, was gebautwurde, weder der finanziellen Leistungskraft der Haus-halte noch den grundlegend veränderten Wohnbedürfnis-sen der Mieterinnen und Mieter entsprach.

Herr Ramsauer, diese 250 000 Wohnungen, die Siemeinen, enthalten nicht den Begriff �sozial�, den nennenSie jedenfalls nicht. Ich fürchte, dass auch das wiederLuxuswohnungen werden sollen.

Zusätzlich werden die Verwerfungen auf dem Woh-nungsmarkt in den letzten Jahren zunehmend durch dasmassive Auftreten nationaler und internationaler Finanz-spekulanten verschärft, die Wohnungen lediglich als ren-diteträchtige Anlageobjekte erwerben und verwertenwollen. Dazu sollten Sie alle einmal den vorgelegten Be-richt der Enquete-Kommission aus NRW studieren. HerrSteinmeier, Sie haben in Ihrer Rede gesagt, es sei keineKehrtwende notwendig. Hier wird beschrieben, dass estatsächlich jetzt endlich eine Kehrtwende geben muss.Vielleicht sollten Sie diesen Bericht, der erst zwei Tagealt ist, für sich erschließen.

Der massenhafte Aufkauf von großen, ehemals öf-fentlichen oder betrieblichen Wohnungsbeständen durchFinanzinvestoren wächst sich zu einer Bedrohung für diegesamte Wohnungswirtschaft und natürlich zuerst fürdie betroffenen Mieterinnen und Mieter aus � und dasnicht nur in NRW, sondern vor allem insgesamt inDeutschland.

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage desKollegen Mücke von der FDP?

Heidrun Bluhm (DIE LINKE):

Gern, ja.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN]: Aber jetzt keinen Elefanten da-raus machen!)

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Jan Mücke (FDP):

Frau Kollegin Bluhm, Sie haben gerade die große Pri-vatisierungswelle von öffentlichen Wohnungsunterneh-men angesprochen. Stimmen Sie mir zu, dass Ihre Parteiganz wesentlich mit dazu beigetragen hat? Beispiels-weise ist in Berlin in Ihrer Regierungszeit, als Sie ge-meinsam mit der SPD diese Stadt regiert haben, dieGSW veräußert worden, die größte kommunale Woh-nungsbaugesellschaft, die diese Stadt hatte.

Stimmen Sie mir zu, dass die Linkspartei in meinerHeimatstadt Dresden zumindest zur Hälfte bei der Priva-tisierung der WOBA zugestimmt hat? Sind Sie mit mireiner Meinung, dass niemand mehr Wohnungen inDeutschland privatisiert hat als Linke, SPD und Grünezusammen?

Ich will Sie daran erinnern, dass Herr Steinmeier, derhier vorhin

(Thomas Oppermann [SPD]: Eine überzeugendeRede gehalten hat!)

versucht hat, eine große Rede zu halten, als Chef desKanzleramts mit dafür verantwortlich gewesen ist, dassin Deutschland 200 000 Eisenbahnerwohnungen � Woh-nungen des Bundes � privatisiert worden sind. StimmenSie mit mir überein, dass Herr Kollege Steinbrück als Fi-nanzminister mit dafür verantwortlich gewesen ist, dass86 000 Wohnungen der BfA privatisiert worden sind?Stimmen Sie mit mir überein, dass die grün-rote Landes-regierung in Baden-Württemberg gerade eben 22 000Wohnungen der Landesbank Baden-Württemberg priva-tisiert hat?

Es ist doch doppelbödig, wenn Sie hier sagen, die Pri-vatisierungen von öffentlichem Wohnraum hätten zuMietpreissteigerungen geführt. Niemand hat mehr Woh-nungen in Deutschland privatisiert als Sie alle drei zu-sammen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten derCDU/CSU)

Heidrun Bluhm (DIE LINKE):

Herr Mücke, auf Ihre lange Frage eine ganz kurzeAntwort: Ja, die Analyse, die Sie vorgetragen haben, istrichtig. Aber die Linke hat aus diesen Fehlern gelernt.Vielleicht sollten Sie unsere Fehler nicht auch nochübernehmen.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg.Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN])

Allein, dass die Bundesregierung, obwohl der ein-gangs zitierte Immobilienbericht davor warnt, dieserEntwicklung tatenlos zusieht, ist sträflich und mehr alsvorsätzlich. Dass sie sich aber selbst an derlei Geschäf-ten beteiligt und dabei kreative Geschäftsmodelle zurVermeidung von Steuereinnahmen anwendet, ist einSkandal erster Güte. Wenn es stimmt, worüber Monitorin der vergangenen Woche berichtet hat, dann hat dasBundesfinanzministerium durch einen Share Deal beimVerkauf der TLG Wohnen GmbH zugunsten des Erwer-

bers auf Steuereinnahmen in Höhe von 50 MillionenEuro verzichtet.

(Zuruf von der LINKEN: Hört! Hört!)

Obendrein geht das zulasten der ostdeutschen Bundes-länder, denen die Grunderwerbsteuer zugestanden hätte.

Wie man sieht, hat die Bundesregierung nicht nurkein Konzept zur Eindämmung der Explosion der Miet-preise, sie befördert diese Entwicklung selbst: entwederdurch Nichtstun oder durch falsches Tun. Deshalb bringtdie Linke heute einen Antrag ein, mit dem wir einerseitsauf die aktuelle Entwicklung auf dem deutschen Woh-nungsmarkt reagieren, andererseits Vorschläge zur alter-nativen Entwicklung in der Wohnungswirtschaft vorle-gen wollen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir wollen den akuten Auswüchsen bei der Entwick-lung der Miet- und Wohnkosten durch ordnungspoliti-sche Maßnahmen schnell und wirksam begegnen. Wirwollen eine Perspektive entwickeln, mit der die Woh-nungswirtschaft auf ihre eigentliche Funktion und ge-sellschaftliche Aufgabe zurückgeführt wird, nämlich diebedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit be-zahlbaren, barrierearmen bzw. barrierefreien und klima-gerecht sanierten Wohnungen. Selbst das Verbändebünd-nis Wohnungsbau, das heute tagt, fordert, diese Aufgabein Angriff zu nehmen.

Zunächst geht es uns darum, dass auch bei der Ver-mietung von Wohnraum, wie sonst überall in der Wirt-schaft, das Prinzip von Leistung und Gegenleistung gel-ten muss. Allein der Besitz einer Wohnung ist keineLeistung, die eine regelmäßige Erhöhung von Bestands-mieten rechtfertigt.

(Beifall bei der LINKEN)

Auch die Neu- oder Weitervermietung stellt keine Stei-gerung des Gebrauchswertes der Wohnung dar.

(Sebastian Körber [FDP]: Das sind jaVorstellungen!)

Warum sollte also allein der Akt einer Neu- oder Weiter-vermietung eine Mietsteigerung von 10 oder 20 Prozentoder gar mehr erwirtschaften?

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Richtig!)

Wir wollen, dass nicht der Mangel an Wohnungen denPreis bestimmt, sondern der Gebrauchswert der Woh-nung. Was die Linke fordert, ist also kein sozialistischesTeufelszeug, sondern konsequent marktwirtschaftlich.

(Beifall bei der LINKEN � Dr. Martin Lindner[Berlin] [FDP]: Es gibt keinen Bereich, wo esweniger Marktwirtschaft gibt als im Woh-nungsbereich!)

Wir schlagen deshalb entsprechende Veränderungen imBGB vor.

Ebenso verhält es sich mit dem Kompromissvor-schlag zur Begrenzung der Modernisierungsumlage. Ichhabe bisher weder von der Regierungskoalition noch vonSPD und Grünen eine betriebswirtschaftliche Begrün-

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Heidrun Bluhm

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dung für die Forderung nach einer 9- bzw. 11-prozenti-gen Modernisierungsumlage gehört. Bei 11 Prozent ha-ben die Mieterinnen und Mieter dem Vermieter nachneun Jahren die Investitionskosten bezahlt, bei 9 Prozentnach elf Jahren. Der Vermieter denkt aber nicht imTraum daran, die Mietsteigerung wieder zurückzuneh-men, wenn die Modernisierungskosten vollständig zu-rückgeflossen sind.

(Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Bei ei-nem Drittel gibt es gar keine Mietsteigerun-gen!)

Konsequenterweise müssten wir in Zukunft dafür sor-gen, dass nur dann die Umlage der Modernisierungskos-ten erfolgen darf, wenn die Modernisierung der Woh-nung mit einer entsprechenden Gebrauchswertsteigerungfür die Mieterinnen und Mieter verbunden ist, mindes-tens mit einer nennenswerten Einsparung bei den Neben-kosten. Das ist im Übrigen auch die Position des Deut-schen Mieterbundes; das will ich nebenbei erwähnen.

Der Markt kann also nicht alles alleine leisten. Selbstder Chef des GdW sagt: Gerade dieser ist momentaneklatant überfordert.

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen.

Heidrun Bluhm (DIE LINKE):

Okay.

Noch eine letzte Bemerkung zum sozialen Woh-nungsbau. Es wird so getan, als ob die Regierung in Be-zug auf die bis zu 250 000 fehlenden Wohnungen densozialen Wohnungsbau im Blick hat. Das ist nicht so.Hier geht es um normale bzw. Luxuswohnungen. Wirbrauchen mindestens 150 000 Wohnungen im Jahr, dieexplizit den Stempel des sozialen Wohnungsbaus tragen.Aber selbst das wird nicht ausreichen, um die Ziele, dieSie sich selbst gesteckt haben, zu erreichen.

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen.

Heidrun Bluhm (DIE LINKE):

Der letzte Satz. Mit der Flickschusterei, die eigentlichschon Politikverweigerung ist, wird weder der Woh-nungsmangel in Ballungsräumen überwunden, nochwerden die Mieten gebremst.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN � Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Den hätten Sie auchnoch weglassen können!)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Das Wort hat Patrick Döring für die FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Patrick Döring (FDP):Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Es ist immer spannend, wenn die geschätzteKollegin Bluhm das Wort ergreift; denn niemand kenntsich so gut mit der sozialistischen Wohnraumpolitik wieauch mit der marktwirtschaftlichen Wohnraumpolitikaus.

(Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Das hat so einen Bart!)

Sie selbst, liebe Kollegin, haben von den anwesendenKollegen wahrscheinlich den größten Immobilienbe-stand in Ihrer Heimatstadt. Ich gehe davon aus, dass Siesich genau so verhalten, wie Sie hier vorgetragen haben,und Ihren Mietern in den nächsten Jahren keine Miet-erhöhung zumuten. Wenn Sie auf diese Weise Ihr Ge-schäft führen, wünsche ich Ihnen viel Vergnügen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordnetender CDU/CSU)

In diesen Tagen spielt das Thema Klartext eine großeRolle. Deswegen hätte ich mir schon gewünscht, dassder Kollege Steinmeier auf die Verwirrungen eingeht,die entstanden sind. Da er das nicht getan hat, will ichdas zumindest für die schwarz-gelbe Koalition machen.Wir wollen und wir werden keine Mehrwertsteuer aufMieten erheben. Bei uns denkt über so etwas niemandnach, anders als bei Ihnen, meine sehr verehrten Damenund Herren.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU � Sören Bartol [SPD]: Das ist so billig!)

Wenn man die Reden von Frau Bluhm und HerrnSteinmeier hört, dann stellt man fest, dass sie übersehen,dass der Markt, über den wir sprechen, vor allen Dingendann funktioniert, wenn er möglichst wenig verunsichertwird.

(Zuruf von der FDP: Sehr richtig!)

Sie tragen in den letzten Tagen und Wochen dazu bei,genau das zu tun. Eine Debatte über die Mehrwertsteuer-pflicht bei Mieten ist das jüngste Beispiel. Davor habenSie begonnen, die Wohnungseigentümerinnen und Woh-nungseigentümer mit dem Thema �Vermögensteuer,Vermögensabgabe� zu verwirren.

Denn eines ist auch klar: Wenn Sie auf das Immobi-lienvermögen der Deutschen 1,5 Prozent Vermögensteuerunabhängig vom Ertrag erheben, dann werden diese1,5 Prozent nicht die Hauseigentümer bezahlen, sonderndie Mieterinnen und Mieter. Es ist das größte Mieterhö-hungsprogramm, das dieses Haus je gesehen hat, meineDamen und Herren.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Ich bin auch irritiert, wie leichtfüßig Sie hier über dieangeblichen Versäumnisse dieser Koalition sprechen.Wir haben das Mietrecht modernisiert.

(Lachen des Abg. Florian Pronold [SPD])

Wir haben in diesem Haus mit großer Mehrheit fest-gehalten, dass die energetische Sanierung von Wohn-raum sowohl den Mieterinnen und Mietern als auch

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Patrick Döring

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unseren Klimaschutzzielen als auch der Qualität desWohnungsbestandes in Deutschland dienlich ist.

(Sören Bartol [SPD]: Sie haben die sozialeBalance zerstört, nichts anderes!)

Dass das alle so sehen wie wir, erkennen wir daran,dass alle sozialdemokratisch regierten Bundesländer, lie-ber Kollege Bartol, im Bundesrat unserem Gesetz zuge-stimmt haben. Bauen Sie hier doch nicht einen solchenPopanz auf!

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Dann kommen Sie mit dem wunderbaren ThemaMietpreisdeckelung. Meine sehr verehrten Damen undHerren, die Wohnungsmärkte in Deutschland sind diffe-renziert. Es gibt Städte, in denen die Mieten steigen, esgibt sehr viele Gegenden in Deutschland, in denen dieMieten stagnieren. Wenn wir aber wollen, dass hochwer-tiger Wohnraum in den Ballungsräumen, in denen Woh-nungsnot herrscht, erhalten bleibt und entsteht, werdenwir das ganz sicher nicht erreichen, indem wir den In-vestoren sagen: Geld verdienen dürft ihr mit diesenWohnungen aber nicht mehr. � Sie erreichen eine Ver-schärfung der Wohnungsnot mit Ihren steuerpolitischenProgrammen statt eine Erleichterung, meine sehr verehr-ten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU � Zurufe von der SPD)

In keinem Bundesland ist die Grunderwerbsteuer sohoch wie in denen, die von Sozialdemokraten regiertwerden.

(Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Hessen 5 Prozent!)

Auch diese zahlen am Ende nicht die Vermieter, sondernimmer die Mieterinnen und Mieter. Sie verteuern Woh-nungseigentum und Wohnungsentwicklung in diesemLand, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU � Zuruf von der FDP: Genau so ist das!)

14,5 Millionen vermietete Wohnungen gehören Ver-mietern, die weniger als drei Wohnungen in ihrem Be-stand haben. Sie gehören den Mittelständlern und Hand-werksmeistern, die ihre Altersversorgung ein Stück weitüber die Vermietung von einer, zwei oder drei Wohnun-gen organisieren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sieden Eindruck haben, nur noch die ganz Großen in dieserRepublik könnten die Wohnungsnot bekämpfen, nurnoch die großen kommunalen Wohnungsbauunterneh-men oder gar der Bund, dann liegen Sie falsch.

Die Abschaffung der degressiven AfA in Zeiten derGroßen Koalition hat das Investitionsvolumen verringertund hat die Bereitschaft von vermögenden Privatperso-nen, in diesem Bereich zu investieren, leider vermindert.

(Sören Bartol [SPD]: So ein Quatsch! Das istdie Gießkanne!)

Deshalb haben wir Schwierigkeiten, den Bedarf zu de-cken, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU �Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: AproposHotelmehrwertsteuersatz! Denken Sie malüber die Funktion von degressiver AfA nach!)

Ganz interessant ist, dass Sie in Ihrem Konzept auchdie Zweckbindung der Bundesmittel für die sozialeWohnraumförderung einfordern.

(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Ja!)

Da haben Sie vorhin versucht, dem BundesministerRamsauer den Vorwurf zu machen, er habe in den vomBundeskabinett verabschiedeten Gesetzentwurf dieseZweckbindung nicht hineingeschrieben. Nun erlaube ichmir den Hinweis: Wenn man unser Grundgesetz ein biss-chen kennt, weiß man, dass das alles schon in Art. 143 cdes Grundgesetzes steht. Die sozialdemokratisch regier-ten Länder verstoßen gegen diese Regelung jeden Tag inDeutschland, gegen unser Grundgesetz. Das ist dieWahrheit.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU �Sören Bartol [SPD]: Ihr habt einen schlechtenGesetzentwurf gemacht!)

Soziale Wohnraumförderung ist nicht �Unser Dorfsoll schöner werden�, soziale Wohnraumförderung istnicht die Tilgung von Altschulden, wie sie hier in Berlinerfolgt, und soziale Wohnraumförderung ist übrigensauch nicht die Übernahme von Personalkosten, die vor-her woanders gestanden haben, wie das überall in denvon Ihnen regierten Bundesländern passiert. Ihre Minis-terpräsidenten verstoßen gegen Art. 143 c GG. Deshalbbrauchen wir kein neues Gesetz, meine sehr verehrtenDamen und Herren. Das ist leider die Wahrheit.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Nun werden immer wieder wortreich die Stadtent-wicklungsprogramme angesprochen. Da wird der Ein-druck erweckt, als ob durch die Stadtentwicklungs-programmpolitik dieser Koalition die Wohnungsnot inDeutschland verschärft worden wäre. Auch diesbezüg-lich rate ich zum Abrüsten. Das Wohnungsbauprogramm�Die soziale Stadt� und viele andere haben ihre Berech-tigung und werden von uns ja auch weiter finanziert.

(Sören Bartol [SPD]: Ha! Du bist doch derTotengräber der sozialen Stadt!)

Aber anders als Sie, die Sie seit dem Ende der 90er-Jahreimmer nur die gleichen Programme fortführen wollen,haben wir eine Fortentwicklung unserer Stadtentwick-lungsprogramme vorgenommen. Für uns spielt die ener-getische Sanierung, die Sie im Bundesrat leider blockierthaben, nämlich eine große Rolle. Deshalb haben wir siezum Schwerpunkt unserer Stadtentwicklungsprogramm-politik gemacht, ganz zu Recht.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordnetender CDU/CSU)

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Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage desKollegen Bartol?

Patrick Döring (FDP):

Er erhält gleich ja noch das Wort. Deshalb werde ichdie letzten 30 Sekunden meiner Redezeit quasi zum Ab-binden verwenden. Ich weiß ja auch, was kommt. LieberKollege Bartol � das gilt auch für alle anderen Kollegen �,Sie können mir nicht vorwerfen, wir hätten einen Kahl-schlag bei unseren Stadtentwicklungsprogrammen vor-genommen.

(Thomas Oppermann [SPD]: Doch! � Sören Bartol [SPD]: Nimm die Zwischenfrage an!)

Wir haben moderat umgesteuert und eines deutlich ge-macht: Klimaschutz ist ein extrem wichtiges Thema. Siewaren nicht bereit, im Bundesrat die steuerliche Absetz-barkeit von Klimaschutzinvestitionen zu ermöglichen.

(Sören Bartol [SPD]: Lass die Zwischenfragezu!)

Sie sind die Blockierer in diesem Bereich, nicht wir.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Das Wort hat nun Daniela Wagner für die FraktionBündnis 90/Die Grünen.

Daniela Wagner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!Guten Morgen, Herr Minister! Es ist ausgesprochen er-freulich, dass die Debatte über die Bezahlbarkeit desWohnens in Deutschland immer mehr an Fahrt gewinnt,und zwar so sehr, dass durch die zügige Fahrt sogar un-ser Wohnungsminister aufgewacht ist.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS-SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wir warnen seit mindestens drei Jahren vor den dro-henden Problemen auf unseren Wohnungsmärkten. Ihreeigenen Berichte bestätigen nun schriftlich das, was je-der sieht, der mit offenen Augen durch unsere Städtegeht. Ihr Wohnungs- und Immobilienwirtschaftsberichtsagt: Seit 2006 nimmt sogar die Zahl der Landkreise mitsteigenden Mieten zu, also keineswegs nur die Zahl derStädte.

Aktuell zeichnen sich in einer zunehmenden Zahlvon Städten und Regionen lange Zeit nicht mehrbekannte Wohnungsmarktengpässe ab.

So steht es in Ihrem Bericht. Die höchsten Mietpreissteige-rungen im Jahr 2011 waren zu verzeichnen in Berlin � plus7,5 Prozent �, in Bremen � plus 8,8 Prozent �, in Ham-burg � plus 7,5 Prozent �, in Freiburg � plus 8,4 Prozent �und in Greifswald, wo die Mietpreissteigerung sogar10,4 Prozent betrug. Also auch kleinere Städte weiseneine deutliche Mietpreissteigerung auf. Das gilt nicht nurfür die klassischen Boomregionen.

Aber nicht nur die Mieten steigen, liebe Kolleginnenund Kollegen und Herr Minister, auch die Kosten fürHeizung und Warmwasser nehmen zu. Herr Minister, Sielieben es ja, immer nur über den Strom zu reden. Das ha-ben Sie mit vielen Medien gemeinsam. Aber hören Siesich diese Zahlen einmal an: Ungefähr 12 MillionenHaushalte in Deutschland heizen mit Heizöl. In den letz-ten zehn Jahren stiegen die Preise für Heizöl um153 Prozent. Nach einer Studie, die wir in Auftrag gege-ben haben, werden sich die Kosten bei einer durch-schnittlich gedämmten Wohnung von 945 Euro im Jahr2012 auf 1 932 Euro am Ende des kommenden Jahr-zehnts erhöhen. Das entspricht pro Monat einer Steige-rung von 79 Euro auf 161 Euro. Das stellt die Steigerungbei den Strompreisen, von denen alle immer reden, beiweitem in den Schatten.

Herr Minister, wir warnen seit Jahren vor den drohen-den Konflikten. Wir haben Ihnen schon vor zwei Jahrenein gutes Konzept vorgelegt, ein Gesamtkonzept zur Si-cherung der Bezahlbarkeit von energetisch und qualita-tiv hochwertigem Wohnraum.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und wo geistern Sie herum? Sie kürzen den Heizkosten-zuschuss beim Wohngeld, kürzen die Mittel für dasKfW-Programm für die energetische Gebäudesanierung,um sie dann wieder leicht anzuheben, stellen die Finan-zierung auf wackelige Beine � das war atemberaubend �und verkaufen das dann auch noch als Erfolg. Sie kürzenbei den Städtebauförderprogrammen und zerstören sieinhaltlich mutwillig. Ich sage nur: �Kopftuchmädchen�und Bibliotheken � das brauchen wir alles nicht. Dassind Ihre Worte, Herr Döring von der FDP. Sie habendieses Programm materiell zerstört. Sie legen in dieserEngpasssituation, in der Mieter sowieso die schwächerePartei sind, dreist eine Mietrechtsnovelle vor, mit der un-ter dem Vorwand der Energiewende Mieterrechte unge-rechtfertigt und völlig unnötig eingeschränkt werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENsowie bei Abgeordneten der SPD)

Jetzt, im Vorfeld der bayerischen Landtagswahl undder Bundestagswahl, kommt Herr Ramsauer � er hatjetzt nach drei Jahren im Kabinett ausgeschlafen � undwill das Wohngeld an die Mietpreise anpassen.

Sogar die Eigenheimzulage will er wieder einführen.Dabei vergisst er vollkommen, dass sie in der Form, inder sie damals abgeschafft wurde, überhaupt nicht mehrzeitgemäß ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENund bei der SPD sowie bei Abgeordneten derLINKEN � Sören Bartol [SPD]: Gießkanne!)

Wir brauchen keine Einfamilienhäuser auf der grünenWiese. Wir brauchen eine Innenentwicklung in denStädten. So muss Wohnraum geschaffen werden. Das,was Sie machen wollen, entspricht im Grunde genom-men dem Gießkannenprinzip, das Sie jetzt, ganz wenigeMonate vor den Wahlen, plötzlich wieder gut finden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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Daniela Wagner

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Die soziale Wohnraumförderung soll weiter durchden Bund finanziert werden. Dabei vergessen Sie � dasist hier heute schon vorgetragen worden �, dass dieZweckbindung selbstverständlich bestehen bleibenmuss, dass deren Einhaltung auch kontrolliert und dassdie Fördermittel gegebenenfalls zurückgezahlt werdenmüssen.

Herr Minister, weswegen haben Sie eigentlich Ihregesamte Amtszeit verschlafen? Was können denn Ihrepotenziellen Wählerinnen und Wähler von Ihnen erwar-ten?

(Thomas Oppermann [SPD]: Nichts!)

Die haben in den letzten drei Jahren doch gelernt, dassnichts, aber auch rein gar nichts von all dem Angekün-digten durchgesetzt und umgesetzt wird und dass das,was gemacht wird, auch noch in die völlig falsche Rich-tung läuft. Sie, Herr Minister, haben leider Gottes IhrenJob komplett verpennt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENsowie bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, Sie können weder uns, dieOpposition, noch die Wählerinnen und Wähler für völligblöde verkaufen. So einfach lassen wir Ihnen das nichtdurchgehen, auch nicht Ihr ewiges Gerede von der steu-erlichen Entlastung. Die wäre selbstverständlich richtiggewesen. Hätten Sie doch den Ländern ein passablesAngebot gemacht! Dann hätten wir heute die steuerlicheEntlastung bei der energetischen Gebäudesanierung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENund bei der SPD � Zuruf von der CDU/CSU:Scheinheilig!)

Wir haben schon vor zwei Jahren ein umfassendesKonzept vorgelegt. Wir waren also frühzeitig dran. Wirsind froh, dass die SPD heute hier mit einem Antragerscheint, dessen Inhalt mit unseren Vorstellungen weit-gehend übereinstimmt.

Am meisten freut mich persönlich, dass Sie, liebeKolleginnen und Kollegen in der SPD, sogar das Bestel-lerprinzip bei den Maklerkosten von uns übernommenhaben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das haben Sie noch vor zwei Jahren zu meinem großenUnverständnis abgelehnt. Diese Initiative � das möchteich an dieser Stelle schon sagen; ein bisschen Redlich-keit muss auch so kurz vor den Wahlen sein � wurde vonuns auf den Weg gebracht und von sonst gar niemandem.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ansonsten fordern Sie eine generelle Begrenzung vonMieterhöhungen bei der Wiedervermietung auf 10 Pro-zent über der ortsüblichen Vergleichsmiete, was auch derMieterbund fordert. Wir halten das für einen interessan-ten Vorschlag.

(Sebastian Körber [FDP]: Ein Investitions-verhinderungsvorschlag!)

Wir haben allerdings � das habe ich schon im Ausschussgesagt � noch ein bisschen mit der Verfassungsmäßigkeitzu kämpfen; wir sind uns nicht sicher, ob das wirklichgeht. Wenn das tatsächlich geht, ohne dass es verfas-sungsrechtlich problematisch ist, dann sind wir für einegenerelle Begrenzung offen. Wir hatten stattdessenvorgeschlagen, die Länder zu ermächtigen, Mietpreis-begrenzungen dort auf zehn Jahre befristet einzuführen,wo tatsächlich ein extremer Wohnraummangel herrscht.Aber darüber lässt sich sicherlich in späteren Koalitions-gesprächen reden.

Das Gleiche gilt für die Modernisierungsumlage. Diewollen Sie � wie wir � von 11 auf 9 Prozent absenken,und Sie wollen prüfen, ob man sie beschränken kann. Ichfinde den Beschränkungsvorschlag gar nicht schlecht,warne allerdings vor einer Illusion: Bei einem Markt mithoher Mieterfluktuation, also häufigen Mieterwechseln,haben nicht diejenigen Mieter, denen Sie diesen Vorteileinräumen, am Ende den Benefit von dieser neuen Rege-lung, sondern ganz andere Mietparteien. Unter Umstän-den muss man auch hier in Sachen Realitätstauglichkeitnoch einmal gegen den Strich bürsten, meine Damenund Herren. Denn wir reden immerhin von Refinanzie-rungszeiträumen von rund zehn Jahren. Das muss aufverfassungsfeste Füße gestellt werden.

Wir wollen, dass die Mieterinnen und Mieter grund-sätzlich nur das dulden und bezahlen müssen, wovon sieeinen tatsächlichen Nutzen haben. Wir wollen energeti-sche Sanierungen sowie altersgerechten und barriere-freien Umbau. Darauf wollen wir die Modernisierungs-umlage beschränken. Sie soll nicht mehr irgendwelchenKäse und Schnickschnack umfassen, den irgendwer viel-leicht gerade gut findet. Wir wollen die Modernisie-rungsumlage auf die Dinge beschränken, die für quali-tätsvolles, sozial ausgewogenes Wohnen, aber auch fürökologische Angemessenheit � Stichwort �energetischguter Zustand� � notwendig sind.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENsowie des Abg. Dr. Frank-Walter Steinmeier[SPD])

Wir haben mit unseren Vorschlägen gezeigt, dassKlima- und Mieterschutz zusammen gedacht werdenkönnen und müssen. Deswegen ist unser Konzept füreine sozial gerechte Umsetzung der Energiewende � las-sen Sie mich das zum Schluss noch sagen � ganz ent-scheidend für ihren Erfolg. Denn hier werden 40 Prozentder Endenergie verbraucht.

Wir wollen zielgruppengerechte Förderinstrumentefür Eigentümer und Vermieter sowie mietrechtliche undbaurechtliche Änderungen, damit die energetischen Sa-nierungen nicht zu Verdrängungen führen. Ich denkehier an Milieuschutzsatzungen. Kollegin Herlitzius hattevorhin nachgefragt und wiederum keine Antwort be-kommen; so ist es meistens bei Ihrem Minister.

(Patrick Döring [FDP]: Noch mehr Bevormun-dung! Damit bevormunden Sie die Leute nurweiter!)

Wir wollen, dass es möglich ist, die Mieten in bestimm-ten Quartieren, in denen die Mieten davongaloppieren,

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wieder zu begrenzen, damit energetische Gebäudesanie-rung nicht zu Gentrifizierung führt und eine soziale undgute Mischung in den Wohnquartieren erhalten bleibt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir wollen die Klimakomponenten beim Wohngeldsowie bei den Kosten der Unterkunft wieder einführen.Das alles dient einem Zweck: einem vernünftigen Woh-nungsmarkt, der die Rechte und Pflichten fair verteiltund der auch in finanzieller Hinsicht fair mit Mieternund Vermietern umgeht. Das ist unser Ziel. Ich denke,nach dem 22. September werden wir die Chance haben,unsere wohnungspolitischen Vorstellungen hier gemein-sam umzusetzen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENsowie bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Das Wort hat nun Peter Götz für die CDU/CSU-Frak-

tion.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Peter Götz (CDU/CSU):Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist gut, dasswir heute über die Lage am Wohnungsmarkt debattieren.Das Thema ist zu Recht auf der politischen Agenda. InDeutschland lebt und wohnt man eigentlich gerne, undWohnen � der Minister hat es vorhin gesagt � gehört zuden Grundbedürfnissen der Menschen. Dieses Thema istfür Polemik nicht geeignet. Es muss mit Sorgfalt behan-delt werden.

(Sören Bartol [SPD]: Sagt das mal der CSU!)

Der Wohnungsmarkt entwickelt sich differenziert. Esgibt sowohl Wohnungsknappheit � das ist richtig � alsauch nach wie vor große Leerstände in Deutschland.Daraus leitet sich in bestimmten Ballungsräumen sachli-cher Handlungsbedarf ab. Aber es gibt keinen Anlass fürNotstandsmaßnahmen. Eine Atmosphäre des Angstma-chens wäre nach Lage der Dinge daher unverantwort-lich.

Wenn wir über Wohnungsknappheit in Ballungsräu-men reden, Herr Kollege Steinmeier, so muss ich sagen,dass man diese nicht mit Strafen, nicht mit Mietendecke-lung bekämpfen sollte, sondern mit Wohnungsneubau.Wenn Sie die Menschen dafür bestrafen, dass sie neubauen, dann werden sie es einfach nicht tun. Der Berichtüber die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft, über denwir unter anderem debattieren, unterstreicht die großevolkswirtschaftliche Bedeutung der Wohnungs- undImmobilienwirtschaft in unserem Land und in der Euro-päischen Union sowie ihren Anteil an der Wertschöp-fung hier in Deutschland.

Wir haben nach wie vor einen attraktiven Wohnungs-und Immobilienmarkt. Im Gegensatz zu der Situation invielen anderen Ländern um uns herum gehen von derWohnungs- und Immobilienwirtschaft gerade in Zeitender internationalen Finanzmarktkrise stabilisierende Ein-flüsse aus. Der Grund liegt in der soliden Finanzierung

von Immobilieninvestitionen in Deutschland. Die immerwieder befürchtete Immobilienblase ist weit und breitnicht in Sicht. Allerdings stellen wir fest, dass die Scherezwischen Angebot von und Nachfrage nach Wohnraumregional sehr unterschiedlich betrachtet werden muss.Dies gilt es genau zu untersuchen.

Ich danke dem Bundesminister Dr. Peter Ramsauerund seinen Mitarbeitern im Bundesministerium für Ver-kehr, Bau und Stadtentwicklung sowie im Bundesinstitutfür Bau-, Stadt- und Raumforschung für den vorgelegtenumfangreichen Bericht. Auch aus den immobilienwirt-schaftlichen Verbänden erreicht uns keine Kritik, son-dern Lob für die Qualität dieses Berichts.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP �Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Der Bericht ist richtig gut! Die Politiknicht, aber der Bericht ist gut!)

Er ist eine gute regierungsamtliche Grundlage für einesachgerechte Debatte über die Weiterentwicklung derWohnungspolitik. Wir wollen im Ausschuss sachlichdarüber diskutieren und dazu auch die Expertise derwohnungs- und immobilienwirtschaftlichen Verbändeeinholen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Staat kann aufallen Ebenen � Bund, Länder und Gemeinden � positivEinfluss auf die Entwicklungen am Wohnungsmarktnehmen, ohne marktwirtschaftliche Prinzipien infrage zustellen. CDU und CSU sind in ihrer Regierungszeit aufBundesebene dieser Verantwortung stets gerecht gewor-den. Es gibt erfolgreiche Instrumente, die in der Vergan-genheit bereits ihre Wirksamkeit unter Beweis gestellthaben. Für Menschen mit niedrigem Einkommen ist dasWohngeld ein zielgenaues und treffsicheres Instrument,um angemessen wohnen zu können. Wir sollten es, wieBundesminister Dr. Ramsauer vorgeschlagen hat, an diePreisentwicklung anpassen. Ich bin gespannt, wie sichdie Länder zu der geplanten Wohngelderhöhung positio-nieren werden,

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

ob wir das gleiche Desaster erleben, wie wir es bei derenergetischen Gebäudesanierung erlebt haben; dort gabes über eineinhalb Jahre eine Blockade.

Wir brauchen in Zukunft wieder eine steuerliche För-derung des Wohnungsbaus; dazu gehört selbstverständ-lich gerade die degressive Abschreibung, von der vorhingesprochen wurde. Diese Maßnahmen waren in der Ver-gangenheit sehr erfolgreich, und wir sollten sie wiederaufnehmen.

Herr Kollege Steinmeier, Sie sagten, in der Woh-nungspolitik sei nichts passiert. Ich denke, Sie solltensich zunächst die Fakten anschauen. Mit der Föderalis-musreform, die wir gemeinsam beschlossen haben,haben die Länder die Verantwortung für den sozialenWohnungsbau übernommen. Die Länder wollten es so.Wir haben sie ihnen nicht aufs Auge gedrückt; sie woll-ten es so, und das ist in der Sache auch richtig. Der Bundbelohnt dies mit jährlich 518 Millionen Euro. Das heißt

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Peter Götz

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konkret: Die Wohnungsbauförderung ist seit der Födera-lismusreform im Jahr 2007 Aufgabe der Länder.

Etwas ernüchternd sind jedoch die Ergebnisse.

(Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Da haben Sie recht! Aber wie soll mansie dazu zwingen?)

Wenn Sie von einem Kahlschlag im Wohnungsbaureden, Herr Kollege Steinmeier, sollten Sie zur Kenntnisnehmen, dass nur drei von 16 Ländern seit der Föderalis-musreform kontinuierlich Wohnraumförderung betrie-ben haben, wie Herr Axel Gedaschko, der Präsident desBundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobili-enunternehmen, heute Morgen um 8 Uhr � einige Kolle-ginnen und Kollegen waren dabei � deutlich zum Aus-druck gebracht hat.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Zu den Ländern, die aktive Wohnungspolitik betrie-ben haben, gehört zweifelsohne Bayern; auch das ist ge-sagt worden.

(Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: NRW!)

� Langsam; darauf komme ich noch, Frau Kollegin. �Andere Länder haben mit dem Geld des Bundes ledig-lich landeseigene Verpflichtungen aus früheren Maßnah-men abfinanziert, aber nicht in neue Sozialwohnungeninvestiert.

(Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Genau! Zum Beispiel das CDU-regierte Hessen!)

Dazu gehört zum Beispiel das Land Berlin, in dem wiruns befinden.

(Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Und Hessen!)

Nur einige wenige Zahlen zur Wohnungsbauförde-rung in Nordrhein-Westfalen: 2009 und 2010 wurde da-für 1 Milliarde Euro pro Jahr zur Verfügung gestellt.2012 waren es gerade noch 550 Millionen Euro,

(Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: 800!)

also etwas mehr als die Hälfte.

(Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Nein, 800! Das ist nicht richtig!)

Also, Herr Kollege Steinmeier: Wenn Sie irgendwo an-setzen wollen � hier haben Sie die Gelegenheit dazu.Tun Sie etwas in den Ländern, in denen Sie Regierungs-verantwortung tragen.

(Patrick Döring [FDP]: So ist es!)

Auch Sie sind für die Wohnraumförderung zuständig.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Lassen Sie mich noch etwas sagen: Wenn es um dieFortsetzung der Bundeszahlungen zur Förderung sozia-len Wohnraums geht � auch darüber wurde gesprochen;der Kollege Bartol hat die Diskussion über das Entflech-

tungsgesetz vorhin angesprochen �, dann muss auchüber eine Pflicht zur detaillierten Berichterstattung ge-sprochen werden. Mehr Transparenz muss die Basis derkünftigen Politik sein. Die Öffentlichkeit hat einen An-spruch darauf, den Ländern bei der Wahrnehmung ihrerVerantwortung für die Förderung sozialen Wohnraumskonkret auf die Finger zu klopfen.

Ein Weiteres kommt hinzu: Die Beseitigung vonWohnraummangel kann nur in enger Zusammenarbeitmit den Kommunen vor Ort gelingen.

(Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Das stimmt!)

Vor allem die Ballungsräume sind gefordert, geeignetesBauland auszuweisen; denn ohne Bauland gibt es auchkeinen Neubau. Ich meine damit nicht Bauland auf dergrünen Wiese. Es gibt nach wie vor große Brachflächenin den Städten, die einer Wiedernutzung zugeführt wer-den könnten.

(Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: So ist es!)

Im Rahmen der anstehenden Novellierung des Bau- undPlanungsrechts wollen wir diesem Anliegen durch eineweitere Stärkung der Innenentwicklung in den Städtenzusätzlich Rechnung tragen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ein weiterer Gedanke: Es lohnt sich auch, über denErwerb oder die Verlängerung auslaufender Belegungs-bindungen bei Sozialwohnungen nachzudenken, um derBevölkerungsgruppe mit niedrigem Einkommen preis-werten Wohnraum anbieten zu können.

Die Wohnungs- und Städtebaupolitik der Bundesre-gierung und der Koalition von CDU/CSU und FDP istgut aufgestellt. Mit dem Ausbau der Förderung der ener-getischen Gebäudesanierung, Verzicht auf Zwangssanie-rungen und der Garantie der Einhaltung des Wirtschaft-lichkeitsgebots wurden gute Rahmenbedingungen fürdie preisverträgliche Sanierung von Wohnungsbestandgeschaffen. Davon profitieren alle: Mieter und Eigen-heimbesitzer.

Wir verfolgen die Absicht, die Eigenheimrente zuvereinfachen, damit sich noch mehr Bürger den Traumvom eigenen Haus oder von der eigenen Wohnung ver-wirklichen können.

Wir haben mit dem in dieser Woche von Bundes-minister Ramsauer vorgestellten Vorschlagskatalog ei-nen klaren Kompass dafür, wie auf die aktuellen Ent-wicklungen auf dem Wohnungsmarkt reagiert werdensoll. Länder und Kommunen sind aufgefordert, ebenfallsihren Beitrag dazu zu leisten.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Das Wort hat nun Ingo Egloff für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)

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Ingo Egloff (SPD):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Ich glaube, es ist jetzt das sechste Mal in denletzten Monaten, dass wir hier im Bundestag über diesenThemenkomplex diskutieren. Das ist auch gut so; dennwir Sozialdemokraten werden dieses Thema hier solange behandeln, bis sich an der sozialen Schieflage aufdem Wohnungssektor in diesem Lande etwas geänderthat, und zwar zum Besseren.

(Beifall bei der SPD)

Ich finde es sehr positiv, dass der Minister heute we-nigstens bei dieser Debatte anwesend war. Ich hätte mirallerdings gewünscht, dass er hier konkret vorgetragenhätte, zu welchen Ergebnissen er nach drei Jahren Nach-denkens in seinem Ministerium gekommen ist.

(Beifall bei der SPD)

Mich beschleicht nach der Rede des Ministers das Ge-fühl, dass ihm die 80 Ortsumgehungen in Bayern immernoch wichtiger sind als die 21 Millionen Mieter in die-sem Land.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordnetendes BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Statt die Problemlage anzugehen, dass es Familien inDeutschland gibt, die 40 Prozent und mehr ihres Ein-kommens für Wohnung und für das Wohnen ausgebenmüssen, hat die Regierung die Lage mit dem Mietrechts-änderungsgesetz vom Dezember 2012 zulasten der Mie-ter noch verschlimmert.

Wir haben heute Morgen bei dem Frühstück der Woh-nungsbauverbände gehört, dass sich diese 40-Prozent-Grenze bis in die mittleren Einkommensschichten hineinverschiebt. Das ist eine soziale Schieflage, die wir in die-sem Land nicht tolerieren dürfen.

(Beifall bei der SPD)

Es ist die Chance vertan worden, beim Mietrechtsände-rungsgesetz über diese Frage zu diskutieren und diesesProblem in Angriff zu nehmen. Was haben Sie gemacht?Sie haben die Mietminderung für drei Monate bei derenergetischen Gebäudesanierung ausgeschlossen; damithaben Sie das Äquivalenzprinzip von Leistung und Ge-genleistung beim Mietrecht aufgehoben. Sie haben diefristlose Kündigung bei Zahlungsverzug bei der Miet-kaution und die Räumung im einstweiligen Verfügungs-verfahren eingeführt, um das vermeintliche Problem derMietnomaden zu lösen. Das alles sind Punkte, die zulas-ten des Mieters gehen, aber keine Lösung für das Pro-blem der Mieterhöhung in Ballungszentren und dasProblem, wie die Kosten der energetischen Gebäudesa-nierung gerecht zu verteilen sind, darstellen.

(Sebastian Körber [FDP]: Sie haben das wohlnicht gelesen!)

� Ich habe es gelesen und habe es verstanden. Aber Siehaben keine Ahnung, Herr Kollege; das ist das Problem.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. DanielaWagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Der Minister stellt sich hierhin und sagt: Wir habendoch bei der Kappungsgrenze etwas gemacht. � Aberdas ist eine Mogelpackung, weil das nur bei den Be-standsmieten Wirkung zeigt. In dieser Frage haben Ihnensämtliche Presseorgane dieses Landes mitgeteilt, dasssie nicht auf Sie hereinfallen. Sie lösen das Problemschlicht und ergreifend nicht, weil Sie die Frage derNeuvermietung nicht angehen. Dazu haben wir den Vor-schlag mit den maximal 10 Prozent Mieterhöhung beiWiedervermietung gemacht. Wir sind ja bereit, überdiese Zahl zu diskutieren. Wenn Sie sagen, Sie wolltendas Problem angehen, dann diskutieren Sie doch mit denLändern Berlin und Hamburg. Die haben im Bundesrateine Initiative eingebracht, bei der sie es über § 5 Wirt-schaftsstrafgesetz regeln wollen. Wir können uns auchüber 20 Prozent unterhalten. Aber Sie müssen endlichmal rangehen, diese Probleme zu lösen. Das tun Sienicht, das wollen Sie nicht.

(Beifall bei der SPD)

Kollegin Wagner hat auf die Mietsteigerungen in Bal-lungszentren im letzten Jahr hingewiesen. Wenn man da-bei die letzten fünf Jahre betrachtet, dann sind dies28 Prozent in Berlin, 23 Prozent in Hamburg, 16 Prozentin München, wo das Niveau eh schon hoch ist. Was sol-len eigentlich eine Krankenschwester oder ein Polizistvon der Äußerung eines Bundesbauministers halten, dersagt: �Eigentlich haben wir kein Wohnungsproblem inDeutschland�? Was nutzt es dieser Krankenschwester,dass in Cottbus eine Wohnung leer steht,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

wenn sie in München zu vertretbaren Konditionen keineWohnung mehr findet?

Ich denke, dass der Bundestag dieses Problem endlichangehen muss. Diese Regierung wird nicht in der Lagesein, das zu tun; deswegen ist es gut, wenn sie abgewähltwird und die 21 Millionen Mieter nach dem 22. Septem-ber mit einer sozialdemokratisch geführten Bundesregie-rung endlich eine anständige Mietenpolitik in diesemLand erleben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Das Wort hat nun Sebastian Körber für die FDP-Frak-tion.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und derCDU/CSU)

Sebastian Körber (FDP):Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Wir haben es heute bereits mehrfach gehört:Wohnungsbau ist das Gebot der Stunde. Ich brauche dieAnalyse nicht zu wiederholen: Wir brauchen in den Bal-lungsgebieten und Universitätsstädten dringend neueWohnungen.

Allerdings: Zusätzliche Belastungen der Investorenund der Wohnungsbaugesellschaften bewirken das Ge-

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Sebastian Körber

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genteil des Gewollten und verschärfen sogar noch denDruck auf die Mieter, die Sie unterstützen zu wollen vor-geben.

Herr Kollege Egloff, Herr Kollege Steinmeier, ichglaube, wir brauchen uns nur einmal anschauen, was da,wo die SPD die Verantwortung trägt, passiert. Schauenwir einmal nach Berlin � Sie regieren dort ja auch �:Hier sind die Mittel dafür, dass neue Wohnungen gebautwerden, nicht einmal richtig aufgewandt worden. Oderschauen wir einmal nach München: Dort gibt es einenOberbürgermeister, der hinter seinem eigenen Ziel, neueWohnungen zu schaffen, zurückbleibt.

Das Einzige, was Sie an Vorschlägen bringen, sindMietpreisdeckelungen, neue Verordnungen, Vorschriftenund Regulierungen. Wenn das der rot-grüne Vorschlagfür mehr bezahlbaren Wohnraum in Deutschland seinsoll, dann wird dadurch nur eines erreicht: dass baldüberhaupt niemand mehr Lust hat, in Deutschland zu in-vestieren und zu bauen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordnetender CDU/CSU)

Der Kanzlerkandidat der SPD hat den Plenarsaalgleich wieder verlassen; so wichtig scheint ihm diesesThema also nicht zu sein.

(Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Bei Ih-nen ist ja nicht mal der Fraktionsvorsitzendeda! � Weiterer Zuruf von der SPD: Der Kanz-lerin ist es auch nicht wichtig!)

Das Einzige, was Rot-Grün an konkreter Politik ge-macht hat: Sie haben die Abschreibungsmöglichkeitenbei der energetischen Sanierung im Bundesrat blockiert,verhindert; die Grünen ganz vorne mit dabei. Was habenSie dadurch erreicht? Weniger Klimaschutz, weniger In-vestitionen und auch weniger Sanierungen. Wenn diesesThema den Grünen so wichtig ist, dann verstehe ichnicht, warum Herr Kretschmann � er ist ja mittlerweileMinisterpräsident in Baden-Württemberg � sich da ent-halten hat.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordnetender CDU/CSU)

Schwarz-Gelb bekennt sich ausdrücklich zur energeti-schen Sanierung und hat sofort konkret reagiert: Wir ha-ben sofort 300 Millionen Euro mehr KfW-Mittel bereit-gestellt. Aus den Ländern ist dazu selbstverständlichüberhaupt nichts gekommen.

(Sören Bartol [SPD]: Was macht euer EKF?)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, noch einpaar Ausführungen zum Mietrecht. Wir hätten keine Ah-nung, haben Sie gerade behauptet, Herr Kollege Egloff.Vielleicht hätten Sie den Bericht vorher einmal lesen sol-len. Ich kann Ihnen gern zwei Punkte daraus benennen:Das Mietrecht ist in der Tat sozial ausgewogen, weilnämlich die mietrechtlichen Maßnahmen, die wir jetzteinsetzen, auch wirklich schneller und konkreter wirken.

Sie sehen Mietnomaden als kein Problem an. DerDurchschnittsvermieter in diesem Land hat nur ein,zwei, drei Wohnungen, und die sind für ihn vielleicht ein

wichtiger Beitrag zur Altersvorsorge. Mietnomaden kön-nen ihn wirtschaftlich ruinieren. Vielleicht sollten Siesich einmal damit auseinandersetzen, was da für Kostenauflaufen können, liebe Kolleginnen und Kollegen ge-rade von der SPD.

Wir berücksichtigen sehr wohl mehr Mieterschutz:Das unsägliche Münchener Modell wird jetzt nicht mehrso einfach möglich sein. Wir verhindern hier ganz kon-kret Luxussanierungen. Das ist doch ein Mieterschutz,über den sich sogar der Kollege Egloff � wenn er aufpas-sen würde � freuen könnte.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordnetender CDU/CSU)

Ich will Ihnen noch die eine oder andere weitere Maß-nahme darlegen, die wir jetzt andenken. Wir brauchenweitere Förderungen und Anreize. Dazu gehört eine de-gressive AfA gerade für die angespannten Teilmärkte.Sie haben daran mitgewirkt, dass sie wieder ausgesetztwird. Um Anreize zu setzen, müssen wir gerade dortganz gezielt wieder eine degressive AfA einführen; daswäre außerordentlich hilfreich. Das würde etwa auchden Studenten nützen.

Es ist bereits angesprochen worden, meine sehr ver-ehrten Damen und Herren: Wichtig ist natürlich auch,dass die Kommunen ausreichend Bauland zur Verfügungstellen. Schauen wir uns einmal die Städte an: München� dort regiert ja Christian Ude für die SPD � hängt deneigenen Zielen hinterher. In München wird dazu über-haupt nichts beigetragen: Die Baulücken werden nichtbesonders aktiviert, und auch bei den Konversionsflä-chen, die zur Verfügung gestellt werden könnten, wirdnichts gemacht. Auch zur Umnutzung von etwa 2,5 Mil-lionen Quadratmetern Gewerbeflächen, die in Münchenleer stehen, weisen Sie nicht schneller Bauland aus.

Überall dort, wo SPD und Grüne in der Verantwor-tung sind, ducken Sie sich bei all den Themen, über dieSie hier was erzählen, nämlich ganz schnell weg.

(Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Kommen Sie mal nach Darmstadt! �Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Oder nach NRW!)

Das sollten Sie den Kolleginnen und Kollegen in denLändern und insbesondere auch in den Städten undKommunen, die die Planungshoheit noch immer inneha-ben, auch einmal sagen. Wo kein Bauland ist, kann mannichts bauen. Dann machen Sie mal was!

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordnetender CDU/CSU � Daniela Wagner [BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN]: Machen wir!)

Aber der grüne Bevormundungsstaat lässt ja grüßen.Das, was wir in Berlin wieder zur Kenntnis nehmendurften, ist ja eine wahre Pracht. Ein Bezirksbürgermeis-ter in Friedrichshain-Kreuzberg möchte jetzt noch weiterbevormunden und ins Eigentum der Menschen eingrei-fen. Er will dort gegen Luxus vorgehen

(Zuruf von der SPD: Guter Mann!)

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und verbieten, dass es in den Wohnungen Einbauküchen,die dort in den 30er-Jahren eingeführt worden sind, einzweites WC � für eine Familie mit vier Kindern ist es javielleicht durchaus nett, wenn man das hat � und einenBalkon über 4 Quadratmeter gibt, auf dem man gemein-sam frühstücken kann. Nein, das alles will er nicht. Dasist Luxus; das verbieten wir.

Bevormunden, Verordnungen, Regelungen: Das istdas, was Sie ganz konkret vor Ort machen und umsetzen.Das ist grundfalsch.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordnetender CDU/CSU � Bettina Herlitzius [BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist Ihre Ant-wort? Was schlagen Sie denn vor?)

Ich komme jetzt zu einem Ihrer populistischen Vor-schläge, die Sie hier jetzt wieder machen: zur Deckelungbei der Neuvermietung. Bei Neuvermietungen soll dieMiete um nicht mehr als 10 Prozent über der ortsübli-chen Vergleichsmiete liegen dürfen. Sie müssen es auchwirklich so benennen, wie es ist. Herr Steinbrück hat dasso vorgeschlagen.

Das Einzige, was Sie damit erreichen, ist, dass dannüberhaupt niemand mehr etwas baut, weil man nicht ein-mal mehr eine Reinvestition erzielen kann. Eine Woh-nung wird nämlich nicht einfach so gebaut. Der Wert-verlust durch Abnutzung muss irgendwann wiederwettgemacht werden.

Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich noch einmaleine Lanze für die privaten Vermieter in diesem Landbrechen, die Sie ja alle pauschal als Miethaie hinstellen �die Makler sowieso. Das kann ich einfach überhauptnicht akzeptieren.

Zu den Themen �Wohnungseigentum�, �Wohnriester�,�ländlicher Raum� sagen Sie gar nichts, nichts! Das be-deutet Ihnen anscheinend überhaupt nichts mehr.

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen.

Sebastian Körber (FDP):

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gilt, dieHerausforderungen �bezahlbarer Wohnraum�, �Klima-wandel� und �demografischer Wandel� vor Ort anzupa-cken. Dort müssen alle zusammenwirken.

Ich glaube, ich konnte aufzeigen, dass Sie das dort,wo Sie Verantwortung tragen, nicht tun. Der beste Mie-terschutz ist ausreichend bezahlbarer Wohnraum. LassenSie uns doch daran arbeiten, und wenden Sie sich besserdem zu, was wir Ihnen vorschlagen!

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Das Wort hat nun Jan-Marco Luczak für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-neten der FDP)

Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU):Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Liebe Kollegen! Bezahlbarer Wohnraum undauch ein ausgewogenes Mietrecht sind wichtige The-men, weil sie die Menschen existenziell betreffen. Ge-rade weil das so wichtige Themen sind, bedauere ich� das muss ich schon sagen �, wie die SPD hier an dieseThemen herangeht. Wenn man Ihren Antrag liest, dannkann man nämlich eigentlich nur zu einem Schluss kom-men: Sie machen hier mit diesem Antrag Wahlkampfund nichts sonst.

Gucken Sie sich nur einmal die Rhetorik und dieWorte an, die Sie dort wählen! Sie sprechen dort von ei-ner �Explosion der Mieten� und einem �Angriff auf das� Mietrecht�.

(Sören Bartol [SPD]: Richtig! � Iris Gleicke [SPD]: Genau das!)

Wer in einem solchen Antrag eine solche Rhetorikverwendet und solche Worte wählt, dem geht es ganz of-fensichtlich nicht mehr um eine sachliche Debatte, son-dern um Wahlkampf, und damit diskreditieren Sie sich,meine lieben Damen und Herren von der SPD.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Es geht ja noch weiter. Anstatt eine sachliche Debattezu führen, werden die Mieter in unserem Land ganz ge-zielt desinformiert. Sie versuchen, die Menschen zu ver-unsichern und Ängste zu schüren, um daraus politischesKapital zu schlagen.

(Ingo Egloff [SPD]: Das merkt man an Ihnen,Herr Kollege!)

Sie behaupten in Ihrem Antrag an einer Vielzahl vonStellen einfach Dinge, die schlichtweg falsch oder be-reits geltendes Recht sind. Ich finde, das, was Sie vonder SPD hier machen, ist unredlich.

(Beifall des Abg. Sebastian Körber [FDP])

Nehmen wir das Beispiel Kündigung. Sie sagen: EinVermieter soll nur dann kündigen dürfen, wenn einePflichtverletzung des Mieters vorliegt, wenn Eigenbe-darf angemeldet wird oder wenn ein Eigentümer seineWohnung wirtschaftlich verwerten will. � Ja, so soll essein. Genau das ist ja in § 573 Abs. 2 BGB geregelt. Ichsage nur: Ein Blick ins Gesetz fördert manchmal dieRechtsfindung.

Sie versuchen hier, den Eindruck zu erwecken, Ver-mieter könnten die Mieter einfach mir nichts, dir nichtsauf die Straße setzen, und das ist schlichtweg falsch.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Lassen Sie mich noch ein weiteres Beispiel nennen:In Bezug auf die Umlage der Modernisierungskosten� das ist ja schon in der Debatte zwei-, dreimal genanntworden � sagen Sie, dass die nicht rückzahlbaren Förde-rungen aus öffentlichen Mitteln nicht umlagefähig seinsollten. Ja, selbstverständlich. Kein Eigentümer soll För-

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dergelder erhalten, für Modernisierungen ausgeben undsich dann Kosten, die er selbst gar nicht getragen hat,von den Mietern zurückholen. Deswegen sagt ja auchder geltende § 559 a BGB: Drittmittel, die der Vermietererhalten hat, müssen aus den Kosten der Modernisierungherausgerechnet werden.

Hier versuchen Sie ganz offensichtlich, die Leute fürdumm zu verkaufen, indem Sie Dinge fordern, die längstgeltendes Recht sind. Entweder Sie machen das hier be-wusst, oder Ihnen fehlt es schlicht an Sachkenntnis. Beidesfinde ich ziemlich peinlich, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg.Sebastian Körber [FDP])

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Werter Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage ei-

nes Kollegen der CDU/CSU-Fraktion?

Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU):Sehr gern.

(Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Des KollegenJarzombek!)

Thomas Jarzombek (CDU/CSU):Danke, Herr Präsident.

(Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:Da ist ja Bildungsunterricht hier!)

Herr Kollege Luczak, ich habe noch eine Frage dazu.Nach dem, was der Kollege von der SPD hier vorher al-les an Kritik an der Mietrechtsnovelle geübt hat: Wiekommt es eigentlich, dass der rot-grün dominierte Bun-desrat dem dann so zugestimmt hat?

Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU):Das ist eine sehr gute Frage. Denn wenn uns hier im

Bundestag die Opposition vorwirft, dass wir mit demMietrechtsänderungsgesetz Mieterrechte schleifen wür-den, dann muss man einmal im Detail sagen, wo wir anvielen Stellen in diesem Gesetz Mieterrechte verbesserthaben. Das gilt zum Beispiel beim Kündigungsschutz,wenn Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umge-wandelt werden. Das Münchener Modell ist hier jaschon angesprochen worden. Das wird es in Zukunftnicht mehr geben.

Oder ich weise auf das Wärme-Contracting hin, diegewerbliche Wärmelieferung. Dort ist es bislang mög-lich, dass Verträge zulasten Dritter, nämlich zulasten derMieter, geschlossen werden, dass Vermieter auf die ge-werbliche Wärmelieferung umstellen und die Kosteneinfach auf die Mieter umlegen � mit erheblichen Kos-tensteigerungen. Das wird es zukünftig nicht mehr ge-ben. Es wird keine Gewinne auf Kosten der Mieter geben,weil das zukünftig kostenneutral sein muss.

Oder ein anderes Beispiel: die Kappungsgrenzen. Dahaben wir gesagt: Wir schauen uns die Situation in unse-rem Land an. Natürlich, es gibt einen erheblichen Mie-tenanstieg in einzelnen Teilen unseres Landes, in Bal-lungszentren, in großen Städten, in Universitätsstädten.

Deswegen haben wir gesagt: Wir wollen die Mieterschützen; wir wollen, dass die Mieten dort nicht mehr sostark steigen. Deswegen haben wir gesagt: Wir reduzie-ren die Kappungsgrenze, also die Möglichkeit, die Mieteum den entsprechenden Prozentwert der ortsüblichenVergleichsmiete zu erhöhen, von 20 auf 15 Prozent.Aber wir sagen eben auch: Das soll zielgenau erfolgenund nicht flächendeckend eingeführt werden, weil dieSituation der Wohnungsmärkte in unserem Land sehrunterschiedlich ist. Es gibt einzelne Gebiete, wo es sogarsinkende Mieten gibt. In den neuen Bundesländern, aufdem platten Land gibt es großen Wohnungsleerstand.Wenn man hier eine Einheitsregelung treffen würde, diealles über einen Kamm schert � das ist ja immer das, wasSPD und Grüne wollen: immer alles gleichbehandeln,immer alles gleichmachen �,

(Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:Das schadet dort nicht!)

würde man an dieser Stelle nur den Mietern schaden.Das führt uns nicht weiter.

Vielen Dank noch einmal für die Frage. Das hat mirGelegenheit gegeben, zwei, drei Punkte auszuführen.

Ich will aber noch einige Punkte nicht nur dazu sagen,was Sie fordern, obwohl es bereits geltendes Recht ist.Man muss sich nämlich auch einmal anschauen, wasIhre Forderungen wirtschaftlich bedeuten. Dann wirdman sehr schnell zu dem Ergebnis kommen, dass vielesvon dem, was Sie hier fordern, im Endeffekt sogar kon-traproduktiv ist, weil Sie nämlich die wirtschaftlichenRealitäten nicht anerkennen.

Ich nehme einmal als Beispiel � das ist mir sehr wich-tig �, dass wir bei den Ursachen ansetzen und nicht al-lein die Symptome bekämpfen wollen. Denn steigendeMieten sind ja letztlich nur ein Symptom dafür, dass wirin unserem Land zu wenig Wohnungsneubau haben. Damüssen wir natürlich die Frage stellen: Wie bekommenwir denn mehr Wohnungsbau? Da ist es wichtig, sich zuvergewissern: Wer baut denn in unserem Land Wohnun-gen? Das sind nämlich nicht die großen Gesellschaften,sondern das sind die privaten Eigentümer. 60 Prozent derWohnungen in unserem Land sind von privaten Eigentü-mern gebaut worden. Das ist der Handwerksmeister, derum die 60 Jahre alt ist, der zwei, drei Wohnungen als pri-vate Altersvorsorge hat. Da müssen wir immer daraufachten: Wir müssen einen entsprechenden rechtlichenund politischen Rahmen setzen, damit sich Investitionenin den Wohnungsbau auch zukünftig noch lohnen. Dennsonst baut nämlich keiner mehr Wohnungen.

Da ist es dann schon wichtig, sich einmal die durch-schnittliche Rendite beim Wohnungsbau anzuschauen.Sie tun ja immer so, als würden hier 10, 20 Prozent Ren-dite erzielt. Die durchschnittliche Rendite beim Woh-nungsbau liegt bei etwas über 2 Prozent. Jetzt kann mansich ja sehr schnell vorstellen, was passieren würde,wenn wir auch noch die Mieten bei Neuverträgen de-ckeln und bei der Kappungsgrenze flächendeckend he-runtergehen würden. Das würde dazu führen, dass wir inunserem Land überhaupt keinen Wohnungsbau mehr ha-ben. Weniger Wohnungen bedeutet weniger Angebot,

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Dr. Jan-Marco Luczak

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und weniger Angebot bedeutet steigende Preise. MeineDamen und Herren, das ist das Einmaleins der Volks-wirtschaft. Das sollte man schon kennen, wenn man sol-che Anträge schreibt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg.Sebastian Körber [FDP])

Ich komme zum letzten Punkt. Sie machen nicht nurVorschläge, die mittelfristig für die Mieter sogar kontra-produktiv sind und zu weniger Wohnungen führen, so-dass sich die Wohnungsknappheit verstärkt.

(Sören Bartol [SPD]: Wir wollen nicht wenigerWohnungen! Sie müssen beide Anträge lesen,Herr Kollege!)

Sie wollen auch die Eigentümer schlechterstellen, Stich-wort �Mietnomaden�.

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen.

Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU):Sie wollen den momentanen unhaltbaren Zustand,

dass Eigentümer bis zu zwei Jahre klagen müssen, bissie ihre Wohnung wiederhaben, offenbar fortschreiben;denn Sie wollen das effiziente Instrumentarium, das wirmit dem Mietrechtsänderungsgesetz endlich eingeführthaben, abschaffen. Sie sollten sich genau überlegen, obSie mit solchen Forderungen in den Wahlkampf ziehenwollen. Den vielen Eigentümern, die wir für eine Steige-rung des Wohnungsbaus brauchen, werden Sie damit si-cherlich keinen Gefallen tun.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordnetender FDP)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Das Wort hat nun Florian Pronold für die SPD-Frak-

tion.

(Beifall bei der SPD)

Florian Pronold (SPD):Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Sie haben gerade behauptet: Der Blick ins Ge-setzbuch erleichtert die Rechtsfindung. � Es würde auchbei den Vorwürfen, die Sie uns gegenüber erheben, hel-fen, wenn Sie vorher lesen würden. Erstens, zum ThemaNeubau, das Sie angesprochen haben. Die SPD fordertnicht, dass bei jeder Neuvermietung die Mieterhöhungauf maximal 10 Prozent der ortsüblichen Vergleichs-miete begrenzt wird. Das steht übrigens im wohnungs-politischen Programm der CSU, das gerade erst veröf-fentlicht wurde. Dahin müssen Sie sich also mit IhrerKritik wenden. Wir gehen von der Wiedervermietungaus. Das ist ein ganz entscheidender Unterschied. Selbst-verständlich wollen wir beim Neubau nicht bremsen.Aber es geht um die Wiedervermietung und darum, dasshier nicht Extraprofite auf Kosten derjenigen gemachtwerden, die dringend auf bezahlbaren Wohnraum ange-wiesen sind.

(Beifall bei der SPD)

Eine Lüge wird auch durch Wiederholung nicht wahr.Die rot-grün geführten Länder haben nicht im Bundesratzugestimmt. Fakt ist dagegen, dass wir bei der Miet-rechtsnovelle im Bundesrat noch keine Mehrheit für dieAnrufung des Vermittlungsausschusses hatten,

(Iris Gleicke [SPD]: So war es!)

weil die neue niedersächsische Landesregierung nochnicht im Amt war. Das ist die Wahrheit. Was Sie hierdarstellen, ist eine glatte Lüge.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten desBÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich finde es spannend, Herr Kollege Körber, fest-zustellen, dass jemand an unterschiedlichen Stellen un-terschiedlich redet. Hier haben Sie behauptet, die vor-gelegte Mietrechtsreform sei sozial ausgewogen. Icherinnere Sie an Ihre Aussage im zuständigen Verkehrs-ausschuss im Dezember letzten Jahres. Da haben Siesich gefreut und wortwörtlich gesagt: Endlich wiedereine eigentümer- und vermieterfreundliche Mietrechts-änderung! � Was ist es denn nun? Ist es sozial ausgewo-gen, oder ist es � wie richtig dargestellt worden ist � einAnschlag auf die Rechte der Mieterinnen und Mieter?Tatsächlich ist deren Rechtsposition verschlechtert wor-den. Nichts anderes ist hier Fakt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten desBÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Lesen Sie unsere Anträge! Wir müssen die Bundesre-gierung auffordern, wieder für soziale Ausgewogenheitzu sorgen, und zwar nicht deswegen, weil uns das ebenerst eingefallen ist, sondern weil wir die Bilanz der letz-ten dreieinhalb Jahre Tätigkeit bzw. Untätigkeit diesesBundesbauministers gezogen haben. Wer hat denn dieMittel für die Städtebauförderung um über 100 Millio-nen Euro gekürzt? Wer war denn das? Das waren dochSie. Ich finde es spannend, dass Sie sich hier hingestelltund gesagt haben: Es tut uns leid, dass wir die Mittel fürdie Städtebauförderung kürzen mussten, aber das Geldist einfach nicht da. Diese 100 Millionen Euro sind imBundeshaushalt nicht mehr zu finden. � Aber dann kün-digen Sie ein milliardenschweres Programm für dienächste Wahlperiode an, mit dem Sie den Wohnungsbauankurbeln wollen. Wer soll Ihnen das glauben, HerrRamsauer?

(Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Keiner!)

In dieser Wahlperiode haben Sie noch nicht einmal100 Millionen Euro für die Städtebauförderung, aber inder nächsten sollen dann die Milliarden vom Himmelfallen. Das, was hier stattfindet, ist doch Lug und Trugauf offener Bühne.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN � Martin Burkert [SPD]: Ty-pisch CSU!)

Nun zu den 518 Millionen Euro. Jawohl, die Födera-lismusreform sieht vor, dass die soziale Wohnraumför-derung in die Zuständigkeit der Länder fällt. In IhremKoalitionsvertrag ist zu lesen, dass Sie bis zur Mitte der

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Legislaturperiode über die Höhe und die Fortführung derEntflechtungsmittel entscheiden wollen. Bis zur Mittedieser Legislaturperiode war noch nichts entschieden. Erstkürzlich, im Dezember, ist entschieden worden, und zwar� anders als Sie hier gesagt haben, Herr Ramsauer � ebennicht bis zum Ende des Förderzeitraums, sondern nur fürdas nächste Jahr.

Es sind nicht die Zweckbindungen in Ihrem Gesetz-entwurf enthalten, die wir alle hier in diesem Haus wol-len. Das ist die Wahrheit und nichts anderes. TäuschenSie doch nicht vorsätzlich die Öffentlichkeit!

(Beifall bei der SPD)

Ich finde es spannend, was alles an neuen Vorschlä-gen, an neuen Ideen und Förderungen kommt. Gerade istangesprochen worden, dass man die knappen Mittel ziel-genau einsetzen muss. Was bedeutet denn die Reaktivie-rung der Eigenheimzulage? Das ist doch eine Förderungmit der Gießkanne.

Ich bin jemand, der selten Kolleginnen und Kollegender Regierungsfraktionen lobt. Ich muss aber den Kolle-gen Dirk Fischer, der nachher noch reden wird, aus-drücklich ausnehmen und explizit loben. Er hat eine Be-wertung des Programms abgegeben, das Herr Ramsauerentgegen allem, was er bisher gemacht hat, in dieser Wo-che vorgelegt hat. Herr Fischer schreibt: Was der Ver-kehrsminister vorgelegt hat, ist ein Feuerwerk für denWohnungsneubau.

(Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/CSU]: Wenn allemitmachen!)

Ich finde, das ist ein sehr treffender Vergleich für eineexplodierende Luftnummer, lieber Kollege; denn dahin-ter steckt überhaupt nichts.

(Beifall bei der SPD)

Wer nicht 110 Millionen Euro für die Städtebauförde-rung hat, aber Milliarden für die nächste Wahlperiodeankündigt, der ist wirklich arm dran. Ich muss Ihnen sa-gen: Die Mieterinnen und Mieter in diesem Land erwar-ten keinen Ankündigungsminister.

(Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:Pyrotechniker!)

Die Mieterinnen und Mieter erwarten auch keinen Feuer-werker. Sie erwarten eine Regierung, die endlich dafürsorgt, dass Wohnen bezahlbar bleibt. Wir werden abSeptember dieses Jahres dafür Sorge tragen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten desBÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Das Wort hat nun Gero Storjohann für die CDU/CSU-

Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Gero Storjohann (CDU/CSU):Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Man bewahre uns davor, dass eintritt, was Siesich wünschen, dass Sie nach der nächsten Bundestags-

wahl die Verantwortung haben. Es wird mir schlecht,wenn ich daran denke, wie sich die Situation auf dem ge-samten Wohnungsmarkt dann darstellen würde.

(Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Eine Supersache! � Bettina Herlitzius[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine �Kata-strophe�!)

Ja, es stimmt, die Nettokaltmieten sind gestiegen, inden letzten zehn Jahren im Schnitt um 1,1 Prozent. Ja, esstimmt, die Lebenshaltungskosten sind um 1,6 Prozentgestiegen. Ja, es stimmt, dass wir unterschiedliche Woh-nungsmärkte haben und dass wir in letzter Zeit hoheMietpreissteigerungen gerade in den Großstädten, in denMetropolkernen und in den Studentenstädten zu ver-zeichnen hatten.

Es ist aber etwas ganz Normales, dass es im Woh-nungsmarkt Zyklen gibt. In der Regel haben wir übersieben bis acht Jahre hinweg einen erhöhten Wohnungs-bedarf. Dann haben wir wieder einen Überschuss anWohnungen.

Auf diesem Markt muss investiert werden. Menschen,die investieren, möchten auch gern ein Reinvest haben.Sonst machen sie das nicht. Deswegen ist es wichtig,dass wir jetzt darüber reden, wie wir mit diesem Themaumgehen, damit Menschen investieren, damit es inDeutschland nie wieder zu einer Wohnungsnot kommt.Wohnungsnot hatten wir Anfang der 90er-Jahre. Das istuns allen noch sehr schmerzhaft in Erinnerung.

Wir haben das Problem, dass die Neubautätigkeit inletzter Zeit enorm zurückgegangen ist. Die SPD machtnun Vorschläge, wie man den Neubau ankurbeln könnte,aber nicht durch die Zurverfügungstellung von Bauland,durch viel Geld in den Ländern, sondern durch Vor-schriften. Das ist das, was Ihnen einfällt.

Was haben uns aber heute Morgen die Verbände insStammbuch geschrieben? Was haben sie dazu gesagt,dass wir zurzeit keinen Wohnungsbau im erforderlichenMaße haben? Sie haben gesagt: In der Vergangenheit ha-ben sich wichtige Investoren aus dem Markt für bezahl-baren Wohnraum zurückgezogen; sie sind kaum nochaktiv. Auch die Wohnungsbaugenossenschaften habendas getan.

Der technische und organisatorische Aufwand beimBauen ist immer weiter gestiegen. Das liegt auch daran,dass wir von politischer Seite aus Maßnahmen der ener-getischen Sanierung in den Vordergrund stellen und dasbarrierefreie Bauen fördern wollen. All diese Maßnah-men lassen Investoren � �

(Sören Bartol [SPD]: Was ihr aber alles wollt!Machen, machen, machen!)

� Die Investoren müssen das machen, lieber Kollege.

(Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:Aber wir setzen Rahmenbedingungen!)

Die Investoren können aber auch entscheiden, esnicht zu machen. Nun stellt sich die Frage, welche Si-gnale wir vonseiten der Politik aussenden, damit Inves-toren es zukünftig machen.

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Gero Storjohann

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Das Bauen wird zunehmend teurer, und es wird im-mer schwieriger, günstigen Wohnraum am Markt zurVerfügung zu stellen. Deswegen brauchen wir die Län-der, die über ihre Wohnungsbauprogramme sehr vielGeld in die Hand nehmen, um das Problem anzugehen.

Wohnungsknappheit wird nicht durch regulatorischeMaßnahmen behoben � das ist meine feste Überzeu-gung �, sondern nur durch Angebotserweiterung. Des-wegen ist es angesichts des sensiblen Marktes, in demwir uns befinden, wichtig, dass die SPD von ihren Vor-schlägen wieder abrückt. Das, was Sie vorschlagen, läuftgenau in die falsche Richtung.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir haben enorm steigende Nebenkosten. Für denVerbraucher, für den Mieter, ist natürlich die Gesamt-miete entscheidend. Sie ist in den letzten Jahren enormgestiegen; aber die Nettokaltmiete ist in den vergange-nen zehn Jahren ziemlich konstant geblieben. Das ge-hört, glaube ich, auch zur Wahrheit.

(Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Das stimmt doch überhaupt nicht!Völliger Unsinn! Das ist falsch! � BettinaHerlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:Die Kaltmieten sind gestiegen!)

Wenn die Situation am Wohnungsmarkt nicht besserwird, wenn wir den hohen Nebenkosten nicht entgegen-wirken, dann werden die Mieter und nicht die Investorendas spüren. Also: Ein ausreichendes Wohnungsangebotist Voraussetzung für erschwingliche Mieten. Wir wollendie Mieter vor überzogenen steigenden Mieten schützen.

Die SPD schlägt nun vor � Herr Pronold hat das nocheinmal betont �, bei Wiedervermietung eine Mieterhö-hung von maximal 10 Prozent über der ortsüblichen Ver-gleichsmiete vornehmen zu dürfen. Konkret: Jemand hateine Eigentumswohnung finanziert, erhebt eine Mietevon vielleicht 10 Euro pro Quadratmeter, während dieortsübliche Miete 8 Euro pro Quadratmeter beträgt.Nach einem Jahr zieht ihm aufgrund der Fluktuation derMieter aus. Er hat eigentlich langfristig kalkuliert, darfdann aber nur noch 8,80 Euro an Miete nehmen.

(Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Vielleicht bleibt der Mieter ja länger?)

Angesichts einer maximal erzielbaren Rendite von4 Prozent ist sein Geschäftsmodell in diesem Augen-blick natürlich nicht mehr viel wert. � Vor diesemHintergrund überlegen sich viele, ob sie da einsteigen.Deshalb: Nehmen Sie Ihren Vorschlag zurück! Er istkontraproduktiv für den deutschen Wohnungsmarkt. Erverunsichert die Leute.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Sie möchten den Berechnungszeitraum bei der orts-üblichen Vergleichsmiete von vier auf zehn Jahre aus-weiten. Sie möchten bei energetischen Sanierungensichergestellt sehen, dass nur effiziente Maßnahmendurchgeführt werden. Auch das bedeutet: Es muss kon-trolliert werden; es muss reguliert werden. Das sindDinge, die das Bauen nicht attraktiver machen. Außer-

dem möchten Sie die Umlage der Modernisierungs-kosten von 11 auf 9 Prozent reduzieren. Das alles sindMaßnahmen, die dem Markt nicht dienen.

Mein Eindruck ist: Die SPD will die Rendite beimWohnungsbau unter die Rendite der DB bei Stuttgart 21drücken. Was kritisiert die SPD da nicht alles! Aber dieRendite der Eigentümer soll bei 0,02 Prozent, wennnicht sogar im Minusbereich liegen.

(Florian Pronold [SPD]: Vergleichen Sie dochnicht Äpfel mit Birnen!)

Das, glaube ich, ist nicht Ihr Wille.

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen.

Gero Storjohann (CDU/CSU):

Meine Damen und Herren, wichtiges Thema heute:Die SPD muss ihre Anträge zurücknehmen; dann geht esdem Wohnungsmarkt viel besser.

(Lachen bei Abgeordneten der SPD)

Wir danken dem Minister für seinen hervorragendenBericht und werden ihn in seiner weiteren Politik gerneunterstützen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP �Florian Pronold [SPD]: Da müssen Sie ja sel-ber lachen!)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Letzter Redner in dieser Debatte ist Kollege DirkFischer für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dirk Fischer (Hamburg) (CDU/CSU):

Verehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen undKollegen! Ich hatte von dem hamburgischen KollegenEgloff eigentlich erwartet, dass er jetzt in der Logik sei-ner Ausführungen den Mietern der 140 000 städtischenWohnungen in Hamburg die erfreuliche Mitteilungmachen würde, dass der Bürgermeister Scholz das Ein-frieren ihrer Mieten angeordnet habe. Das hat mir einbisschen gefehlt.

(Beifall des Abg. Dr. Jan-Marco Luczak[CDU/CSU] � Sören Bartol [SPD]: Das istrichtig!)

Wir erleben heute eine Debatte, in der die politischenUnterschiede deutlich geworden sind: Auf der einenSeite hören wir, wie Sozialdemokraten, Grüne und Linkeauf der Grundlage eines sehr dramatisierten Szenariosauch Instrumente aus der sozialistischen Mottenkiste derÖffentlichkeit verkaufen wollen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Auf der anderen Seite sehen wir die sachorientierteArbeit der Bundesregierung und der sie tragenden Frak-tionen von Union und FDP.

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Deutscher Bundestag � 17. Wahlperiode � 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 27939

Dirk Fischer (Hamburg)

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(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: WelcheArbeit?)

Wir erkennen bestimmte Entwicklungen auf dem Woh-nungsmarkt und präsentieren marktgerechte Lösungen.Das ist für jede Bürgerin und jeden Bürger im Landeglasklar erkennbar.

Bundesminister Peter Ramsauer hat im Herbst letztenJahres in seinem Bericht über die Wohnungs- und Immo-bilienwirtschaft die Dinge sachlich dargelegt und analy-siert. Er hat dann die aus seiner und unserer Sicht erfor-derlichen und richtigen Konsequenzen gezogen und sienun der Öffentlichkeit vorgestellt. Eine dieser Konse-quenzen lautet: Wohnungsbau, Wohnungsbau, Woh-nungsbau. Denn der beste Schutz vor steigenden Mietenin Ballungsregionen ist mehr Wohnungsbau. Nichts an-deres hilft den betroffenen Menschen, jenen, die Woh-nungen suchen, und jenen, die bereits Mieter sind.

Die größte Bremse im Wohnungsbau wären Miet-rechtsregelungen mit sozialistischen Zwangssystemeneiner staatlichen Preisbildung. Das war seit langem derTraum der Linken; aber dass die SPD jetzt mitträumt,das ist ziemlich neu. Ich glaube, selbst der Ex-Chef derNeuen Heimat Albert Vietor, der SPD-Mitglied war,würde sich bei derartigen Vorstellungen im Grabe um-drehen. Ich kann nur aufrufen: Lassen Sie die Finger da-von! Packen Sie das Teufelszeug wieder dahin, wo eshingehört: in das Museum für gescheiterte Ideologien!

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Die Verwirklichung solcher Gedanken würde Woh-nungsneubau verhindern. Bestehende Baufinanzierun-gen würden zerstört werden.

(Lachen des Abg. Florian Pronold [SPD])

Gestern noch haben Sie, Herr Kollege Bartol, dieniedrige Rendite der DB AG bei Stuttgart 21 beklagt.Heute fordern Sie im Grunde genommen, bei der Woh-nungswirtschaft eine noch niedrigere Rendite herbeizu-führen.

(Sören Bartol [SPD]: Das ist ja völlig ver-gleichbar! Was ist das für ein Spannungs-bogen!)

Das heißt also: Gestern Bestürzung, aber heute sind Siein der Gegenrichtung unterwegs. Das passt doch nichtzusammen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Der vorliegende Bericht über die Wohnungs- undImmobilienwirtschaft zeigt, dass die Immobilienpreiseund Mieten in den vergangenen drei, vier Jahren man-cherorts wieder gestiegen sind, vor allem in denBallungsräumen. Aber Deutschland besteht nicht nur ausBallungszentren. Die Mietpreisentwicklung verlief seitBeginn der 90er-Jahre insgesamt eher moderat bisabnehmend. Jetzt haben wir zwar einen signifikantenAnstieg, aber wir liegen überall inflationsbereinigt nochunter dem Niveau von 1992. Das muss man sich bei demSzenario auch einmal verinnerlichen.

Wir wollen auf die Situation angemessen reagieren.Lange Zeit wurde viel zu wenig gebaut. Das hat sichzwar seit Ende 2009, seit Beginn der Koalition ausUnion und FDP, gebessert;

(Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Ah!)

aber das reicht noch nicht aus. Wir brauchen mehr Woh-nungen, die sich Normalverdiener leisten können. Dasgilt ganz besonders für Familien mit Kindern. Wir müs-sen einkommensschwache Mieter stärken und daherbeim Wohngeld Leistungshöhe und Miethöchstbeträgean die Entwicklung der Bestandsmieten anpassen.

Minister Peter Ramsauer hat dazu die entsprechendenVorschläge präsentiert. Sein Programm zur Bekämpfungder regionalen Wohnungsknappheit in Deutschlandkann, Herr Pronold, ein regelrechtes Feuerwerk für denWohnungsneubau werden,

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

wenn alle mitmachen. Ich frage Sie, Herr Pronold:Warum wären Sie über ein solches Feuerwerk traurig?Auch der berühmte Karl Schiller hat gesagt: 50 Prozenteiner erfolgreichen Wirtschaftspolitik ist Psychologie, istOptimismus. � Das heißt: Anpacken! Wenn alle mitma-chen, schaffen wir es, das Ziel von 250 000 neuen Woh-nungen pro Jahr, Mietwohnungen und Eigenheime, zuerreichen.

(Sören Bartol [SPD]: Herr Fischer, Ihre Vor-schläge sind doch unfinanzierbar! Das ist eineangekündigte Wahllüge!)

Jeder verwirklichte Wunsch nach eigenen vier Wändenist nicht nur eine gute Altersvorsorge, sondern entspanntauch die Lage auf dem Mietwohnungsmarkt. Wir lassendie Länder dabei nicht aus ihrer Verantwortung. Wer sichbei der Föderalismusreform nach der Zuständigkeit fürden sozialen Wohnungsbau drängte und sich diese vomBund jährlich mit 518 Millionen Euro bezahlen lässt,muss jetzt auch dazu stehen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Die Vorschläge unseres Bundesministers Ramsauergeben den Ländern dazu die allerbeste Gelegenheit.Packen wir es an! Dann werden wir das Ziel von250 000 Wohnungen erreichen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP �Sören Bartol [SPD]: Gut, dass Ihnen das amEnde der Legislaturperiode einfällt!)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagenauf den Drucksachen 17/12485, 17/12486, 17/12481 und17/11200 an die in der Tagesordnung aufgeführten Aus-schüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? �Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlos-sen.

Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Aus-schusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zu dem

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Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse

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Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit demTitel �Wohnraum in Deutschland zukunftsfähig ma-chen � Für ein sozial gerechtes und klimafreundlichesMietrecht�. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Be-schlussempfehlung auf Drucksache 17/12472, den An-trag der Fraktion der Grünen auf Drucksache 17/7983abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh-lung? � Wer stimmt dagegen? � Enthaltungen? � Die Be-schlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitions-fraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionenangenommen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 41 a bis 41 c unddie Zusatzpunkte 2 a bis 2 c auf:

41 a) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu demHandelsübereinkommen vom 26. Juni 2012zwischen der Europäischen Union und ihrenMitgliedstaaten einerseits sowie Kolumbienund Peru andererseits

� Drucksache 17/12354 �

Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f)Auswärtiger AusschussRechtsausschussAusschuss für Menschenrechte und Humanitäre HilfeAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklungAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

b) Erste Beratung des von der Bundesregierungeingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu demAbkommen vom 29. Juni 2012 zur Gründungeiner Assoziation zwischen der EuropäischenUnion und ihren Mitgliedstaaten einerseitsund Zentralamerika andererseits

� Drucksache 17/12355 �

Überweisungsvorschlag:Auswärtiger Ausschuss (f)Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre HilfeAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklungAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

c) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Intelli-gente Verkehrssysteme im Straßenverkehr undderen Schnittstellen zu anderen Verkehrsträgern(Intelligente Verkehrssysteme Gesetz � IVSG)

� Drucksache 17/12371 �

Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f)Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

ZP 2 a)Beratung des Antrags der Abgeordneten RenéRöspel, Dr. Ernst Dieter Rossmann, UweBeckmeyer, weiterer Abgeordneter und der Frak-tion der SPD

Meeresforschung stärken � Potentiale aus-schöpfen und Innovationen fördern

� Drucksache 17/9745 �

Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzung (f)

Ausschuss für Wirtschaft und TechnologieAusschuss für Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutzAusschuss für Umwelt, Naturschutz und ReaktorsicherheitAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen UnionHaushaltsausschuss

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten RenéRöspel, Lars Klingbeil, Dr. Ernst DieterRossmann, weiterer Abgeordneter und der Frak-tion der SPD

Freier Zugang zu öffentlich finanzierten For-schungsergebnissen

� Drucksache 17/12300 �

Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzung (f)RechtsausschussAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen UnionAusschuss für Kultur und Medien

c) Beratung des Antrags der Abgeordneten FranzThönnes, Dr. Rolf Mützenich, Christoph Strässer,weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPDsowie der Abgeordneten Viola von Cramon-Taubadel, Volker Beck (Köln), Ute Koczy, weite-rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN

Umfassende Modernisierung und Respektie-rung der Menschenrechte in Aserbaidschanunabdingbar machen

� Drucksache 17/12467 �

Überweisungsvorschlag:Auswärtiger Ausschuss (f)InnenausschussAusschuss für Menschenrechte und Humanitäre HilfeAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklungAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

Es handelt sich um Überweisungen im vereinfach-ten Verfahren ohne Debatte.

Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen andie in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zuüberweisen. � Ich sehe, Sie sind damit einverstanden.Dann ist das so beschlossen.

Wir kommen zu den Tagesordnungspunkten 42 a bis42 m sowie Zusatzpunkt 3. Es handelt sich um dieBeschlussfassung zu Vorlagen, zu denen keine Aus-sprache vorgesehen ist.

Tagesordnungspunkt 42 a:

Zweite und dritte Beratung des von der Bundes-regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzeszur Einführung von Kostenhilfe für Drittbetrof-fene in Verfahren vor dem Europäischen Ge-richtshof für Menschenrechte (EGMR-Kosten-hilfegesetz � EGMRKHG)

� Drucksache 17/11211 �

Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsaus-schusses (6. Ausschuss)

� Drucksache 17/12535 �