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top-thema Z Y X W V U T S R Q P O N M L K J I H G F E D C B A Tipps & Trends Suchwortverzeichnis N 29/1 Neinsagen 2012 www.stil.de Ausgabe 3/2012 75 Nein sagen nach dem INGA-Prinzip: Wie Sie der Ja-sage-Falle ab sofort souverän entgehen DARUM GEHT ES: Kommt ein Ja auf eine Bitte meist leichter über Ihre Lippen als ein verbindliches Nein? Dann kennen Sie sicherlich auch die Situation, dass Ihnen die Verpflichtungen, die Sie auf sich genommen haben, über den Kopf wachsen. In diesem Beitrag lesen Sie, wie Sie Ihre Ja-sage-Motive erkennen und sich ab sofort mit einem ebenso höflichen wie souveränen Nein das Leben leichter machen. Die Themen: Nein sagen ist eine Kunst: So werden Sie Meister! � � � � � � � � � � � 2 Warum es uns so schwerfällt, Nein zu sagen � � � � � � � � � � � � � � � � 3 Warum Sie Ja sagen, obwohl Sie Nein denken � � � � � � � � � � � � � � � 6 So nehmen Sie die 4 typischen Hürden � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 12 Souverän ablehnen mit dem INGA-Prinzip � � � � � � � � � � � � � � � � � 18 Im Überblick: Worauf es beim Neinsagen ankommt � � � � � � � � 22 Ihre Expertin: Alexandra Sievers Alexandra Sievers, studierte Kommunikationswissenschaftlerin, Markt- und Werbepsychologin, sammelte Erfahrungen als Marketing-, PR- und Event- Managerin� Ihr Wissen gibt sie mittlerweile als Redakteurin und Reden- schreiberin weiter� Als Autorin des „Knigge-Tickers“ beschäftigt sie sich täglich mit traditionellen und aktuellen Knigge-Themen�

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Tipps & Trends

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Nein sagen nach dem INGA-Prinzip: Wie Sie der Ja-sage-Falle ab sofort souverän entgehen

DARUM GEHT ES: Kommt ein Ja auf eine Bitte meist leichter über Ihre Lippen als ein verbindliches Nein? Dann kennen Sie sicherlich auch die

Situation, dass Ihnen die Verpflichtungen, die Sie auf sich genommen haben, über den Kopf wachsen. In diesem Beitrag lesen Sie, wie Sie Ihre Ja-sage-Motive erkennen und sich ab sofort mit einem ebenso höflichen wie souveränen Nein das Leben leichter machen.

Die Themen:�� Nein sagen ist eine Kunst: So werden Sie Meister! � � � � � � � � � � � 2

�� Warum es uns so schwerfällt, Nein zu sagen � � � � � � � � � � � � � � � � 3

�� Warum Sie Ja sagen, obwohl Sie Nein denken � � � � � � � � � � � � � � � 6

�� So nehmen Sie die 4 typischen Hürden � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 12

�� Souverän ablehnen mit dem INGA-Prinzip � � � � � � � � � � � � � � � � � 18

�� Im Überblick: Worauf es beim Neinsagen ankommt � � � � � � � � 22

Ihre Expertin: Alexandra SieversAlexandra Sievers, studierte Kommunikationswissenschaftlerin, Markt- und Werbepsychologin, sammelte Erfahrungen als Marketing-, PR- und Event-Managerin� Ihr Wissen gibt sie mittlerweile als Redakteurin und Reden-schreiberin weiter� Als Autorin des „Knigge-Tickers“ beschäftigt sie sich täglich mit traditionellen und aktuellen Knigge-Themen�

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Nein sagen ist eine Kunst: So werden Sie Meister!

„Wetten, dass …?“ – Nein und nochmals Nein!Erinnern Sie sich an den 3. Dezember 2011? Samstagabend, 20:15 Uhr? Vielleicht waren Sie ja vor dem Bildschirm live mit dabei. An diesem Abend begrüßte Thomas Gottschalk zum letzten Mal als Moderator der Unterhaltungsshow „Wetten, dass …?“ seine Zuschauer. Und mit dem Ende der 151. Sen-dung gab er nach über 24 Jahren das Zepter ab. Doch an wen?

Bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe stellt sich diese Frage noch immer. Denn selten zuvor hatte es so viele Neins ge-hagelt wie auf das Angebot, Gottschalks Nachfolge anzutre-ten. Ob Hape Kerkeling, Johannes B. Kerner, Barbara Schö-neberger, Anke Engelke, Jörg Pilawa oder Günther Jauch: Sie alle wollten es nicht wagen, in Gottschalks Fußstapfen zu treten und mit ihrem eigenen Stil an ihm gemessen zu werden. Also sagten sie Nein. Markus Lanz gilt als heißer Nachfolge-Kandidat. Ob auch er das Neinsagen beherrscht?

Können nur Prominente Nein sagen?Ein so überzeugtes Nein, wie es bei der Gottschalk-Nach-folge von der Prominenz zu hören war, bringen allerdings nur die wenigsten Menschen zustande – schon gar nicht im alltäglichen Leben. Das Nein scheint den Politikern, Wirtschafts- und Gewerkschaftsbossen sowie allgemein Menschen mit großer Medienpräsenz vorbehalten zu sein, während außerhalb des Rampenlichts das Ja sagen gras-siert. Wohin das führen kann, beschreibt die folgende Si-tuation, die Ihnen sicherlich bekannt vorkommt.

Allen Menschen recht getan …Ihre Nachbarn möchten in den Urlaub fahren und bitten Sie, während ihrer Abwesenheit hin und wieder den Brief-kasten zu leeren sowie nach dem Garten zu sehen. Und was antworten Sie? „Ja.“

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Im Nachhinein ärgern Sie sich jedoch über Ihre Entschei-dung. Und das liegt nicht daran, dass das bisschen House-keeping zu viel Arbeit für Sie wäre. Sie haben aber auch Ihrem Kollegen zugesagt, die Präsentation nächste Woche für ihn zu übernehmen. Und Ihren Eltern haben Sie ver-sprochen, sie am Wochenende zu besuchen. Außerdem rechnen gute Freunde damit, dass Sie ihnen an diesem Wochenende beim Umzug helfen.

… ist eine Kunst, die niemand kannSie wissen nicht mehr, wo Ihnen der Kopf steht, weil es Ihnen wieder einmal nicht gelungen ist, dem einen oder anderen Menschen eine Bitte abzuschlagen. Dabei ist Nein sagen gar nicht so schwer.

Risiko: Wer nie Nein sagt, ist Burn-out-gefährdetHeute bestimmen mehr denn je andere unser Leben, wenn wir es zulassen. Wer da nicht aufpasst und nie Nein sagt, lebt nicht, sondern wird gelebt. Weil er sich immer wieder in Verpflichtungen und Zusagen ver-strickt. „Wer es allen recht machen will, bleibt ein Narr in allen Sachen“, warnt eine sprichwörtliche Weisheit. Daher ist ein Nein so wichtig!

Wie Sie ab sofort höflich und bestimmt Nein sagen und sich Ihr eigenes Leben dadurch erleichtern, lesen Sie in diesem Beitrag. Hier erfahren Sie, wie Sie keine Bitten und Anliegen mehr erfüllen, wenn Ihnen die Lust, die Zeit oder auch die innere Überzeugung dafür fehlt.

Warum es uns so schwerfällt, Nein zu sagenAuf dem Weg vom gefälligen Ja zum konsequenten, höf-lichen Nein ist es ganz entscheidend, dass Sie erkennen,

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was Sie immer wieder zum Jasagen bewegt. Wenn die Ja-sage-Falle regelmäßig zuschnappt, passiert Ihnen das nicht ohne Grund. Meist stecken Ängste dahinter, die Sie zu einem Ja bewegen, obwohl Sie im Grunde Nein meinen.

Die Angst vor dem NeinIn der folgenden Tabelle sind die häufigsten Ängste auf-geführt, die das Neinsagen so schwer machen. Überlegen Sie, welche dieser Ängste auf Sie zutreffen. Das ist ein wichtiger Schritt! Sobald Sie Ihre persönlichen Motive er-kennen, haben Sie bereits den Grundstein gelegt, um ab sofort leichter Nein zu sagen.

Die häufigsten Ängste, die uns in die Ja-sage-Falle locken

Die Angst, nicht gemocht zu werdenGehören Sie zu den Menschen, die überall beliebt sein möchten? Dann könnte Ihr Motiv die Angst sein, auf-grund eines Neins nicht mehr gemocht zu werden. Vor allem innerhalb des Familien- und Freundeskreises tritt dieses Motiv sehr oft auf. Um es allen recht zu machen, sagen Sie auf jede einzelne Bitte Ja.

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Die Angst vor KonfliktenIst Ihr Harmoniebedarf sehr groß? Dann könnte Ihr Nein an der Angst scheitern, dass es dadurch zu einem Konflikt kommt. Bevor das geschieht, sagen Sie lieber Ja, um zu verhindern, dass ein Streit ausgelöst wird.

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Die Angst vor Veränderungen und KonsequenzenSie möchten, dass alles so bleibt, wie es ist? Dass sich an Ihrer Beziehung zu Ihrer Familie, Ihren Freunden, Ihren Vorgesetzten oder Mitarbeitern nichts ändert? Dann ist möglicherweise die Angst vor Veränderungen das Motiv, das Sie unterbewusst zum Jasagen drängt. Aus Furcht vor den Konsequenzen eines Neins sagen Sie lieber Ja und vermeiden so, dass alles durcheinanderge-wirbelt wird.

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Motive erkennen

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Die häufigsten Ängste, die uns in die Ja-sage-Falle locken

Die Angst vor VerbindlichkeitSie legen sich nicht gerne fest? Dann könnte das der Ka-talysator für Ihr häufiges Jasagen sein. Schließlich set-zen Sie mit einem klaren Nein leicht Maßstäbe, die Sie in nächster Zukunft nicht mehr ändern können.

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Die Angst, das Ansehen zu verlierenSie legen großen Wert auf ein höfliches, respektvolles Auftreten? Dann könnte das die Wurzel Ihres Jasagens sein: die Angst, durch ein Nein als „ungehobelter Klotz“ oder als selbstsüchtig dazustehen. Um diesem Anschein zu entgehen, liegt Ihnen ein selbstloses Ja näher als ein wohlüberlegtes, verbindliches Nein.

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Die Angst vor dem schlechten GewissenSie wissen aus Erfahrung, dass Ihnen jedes Nein tage-lang auf den Magen schlägt: weil Sie befürchten, den anderen enttäuscht, gekränkt oder in eine nachteilige Si-tuation gebracht zu haben? Dann ist das Jasagen vermut-lich Ihre Vermeidungsstrategie, um einem schlechten Gewissen zu entgehen. Sie sagen lieber Ja zu zusätzli-chen Verpflichtungen, bevor Sie sich mit unangenehmen Gedanken quälen müssen.

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Sind Ihre Ängste wirklich berechtigt?Natürlich lässt sich nicht grundsätzlich sagen, dass all die-se Ängste unberechtigt sind. Doch wie so oft kommt es auf das richtige Maß und die jeweilige Situation an:

� Wer aus Prinzip jedes Anliegen einer anderen Person mit einem harten Nein ablehnt, wird auf der Beliebt-heitsskala seiner Mitmenschen sicherlich nicht auf den vorderen Plätzen rangieren.

� Wenn Sie einen Wunsch jedoch aus nachvollziehbaren Gründen klar, verbindlich und höflich ablehnen, wird das weder Ihrem Ansehen noch der Beziehung zu dem Bittsteller schaden.

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Was wäre, wenn …?

Führen Sie sich nur einmal die letzte Situation vor Augen, in der Sie selbst in die Ja-sage-Falle getappt sind, und über-legen Sie: Was wäre passiert, wenn Sie sich stattdessen zu ei-nem Nein entschlossen hätten? War Ihre Angst vor der wei-teren Entwicklung der Situation tatsächlich berechtigt? In den meisten Fällen lautet die Antwort auf diese Frage Nein. Nutzen Sie diese Erkenntnis für Ihr weiteres Auftreten.

Treffen Sie jetzt die Entscheidung

� Sagen Sie Nein zu Ihren persönlichen Ängsten und Mo-tiven.

� Und zeigen Sie stattdessen den Mut, durch ein klares und stilvolles Nein auch Ihren eigenen Bedürfnissen gerecht zu werden.

Ein gequältes Ja birgt enormes KonfliktpotenzialWenn Sie immer wieder Ja sagen, obwohl Ihnen ein Nein in Ihrer persönlichen Situation viel angenehmer wäre, tun Sie sich und anderen nichts Gutes. Sie belasten sich, wer-den unzufrieden und übertragen diese Unzufriedenheit oft auch auf andere. Eine weitere Folge: Sie lassen sich durch Ihre Unzufriedenheit und Überlastung in Ihrer Ar-beit blockieren. So kommt es erst recht zu den Konflikten, die Sie durch Ihr gequältes Ja vermeiden wollten.

Warum Sie Ja sagen, obwohl Sie Nein denkenEs gibt zahlreiche Gründe, warum Menschen Ja sagen, obwohl sie Nein meinen. Durchleuchten Sie deshalb Ihre bisherigen Ja-sage-Situationen, und fragen Sie sich auch, welche Fehler Sie vielleicht gemacht haben.

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Werden Sie aus Ihren Fehlern klug

� Möglicherweise haben Sie sich ja selbst in die missliche Situation gebracht, dass alle Ihre Hilfe und Unterstüt-zung erwarten?

� Oder Sie haben so schlechte Erfahrungen mit dem Neinsagen gemacht, dass Sie jetzt vorsorglich beim Ja bleiben?

� Unter Umständen hatten Sie ja schon einige Male zu einem Nein angesetzt und Ihre Gesprächspartner ha-ben es nicht akzeptiert: weil Ihre Begründungen zu schwach und fadenscheinig waren oder nach Ausflüch-ten klangen?

3 Überlegungen auf dem Weg zum höflichen NeinDrei wichtige Überlegungen, die Sie dabei unterstützen, aus Ihren bisherigen Ja-sage-Situationen zu lernen, sind:

1. Warum werden ausgerechnet immer Sie gefragt?

2. Wie können Sie sich vor Überredungsversuchen schützen?

3. Wie können Sie die Situation ab sofort entspannen?

1. Warum werden ausgerechnet immer Sie gefragt?

Sie haben das Gefühl, dass sich jeder mit seinen Bitten und Anliegen an Sie wendet? Ob in der Familie, Ihrem Freundes- und Bekanntenkreis oder auch in Ihrer Firma? Andere bleiben verschont, während Sie stets der Retter in der Not sind?

Das könnte daran liegen, dass Sie sich zu oft und zu be-reitwillig zur Verfügung gestellt haben. Und wahrschein-lich sind Sie mittlerweile dafür bekannt, dass Sie anderen keine Bitte abschlagen können und äußerst gutmütig sind.

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Möglicherweise vermitteln Sie sogar den Eindruck, dass Sie zu wenig selbstbewusst sind, um sich zu wehren?

Wenn Sie bei dieser Überlegung nicken, ist es höchste Zeit, Ihre Situation zu ändern. Sie laufen sonst Gefahr, sich von Ihrem Umfeld bis zur Erschöpfung ausnutzen zu lassen.

tipp: Wenn Gutmütigkeit zur Belastung wird

Gutmütigkeit ist nicht der schlechteste Charakterzug. Er wird allerdings zur Belastung, sobald Sie sich aus-nutzen lassen. „Sich ausnutzen lassen“ bedeutet, die eigenen Bedürfnisse nicht wahrzunehmen und nicht zu pflegen.

2. Wie können Sie sich vor Überredungs-versuchen schützen?

Vermutlich wird es Ihre Mitmenschen zunächst erstaunen, aus Ihrem Mund plötzlich ein klares und verbindliches Nein zu hören. Und Sie sollten damit rechnen, dass Ihr Nein anfangs nicht widerspruchslos hingenommen wird. Stellen Sie sich vielmehr auf Überredungsversuche ein. Durch eine nachvollziehbare Argumentation sorgen Sie dafür, dass diese Versuche im Sande verlaufen.

Liefern Sie stichhaltige Gründe

Je stichhaltiger Ihre Begründung, desto weniger Ansatz-punkte findet Ihr Gesprächspartner, um Sie doch noch zu überzeugen. Überlegen Sie zum Beispiel:

� In der Firma: Können Sie belegen, dass Sie die zu-sätzliche Aufgabe, die Sie übernehmen sollen, auch mit der besten Organisation nicht ohne anderweitige Ent-lastung ausführen können?

� In der Familie: Können Sie begründen, dass die Besor-gungsfahrt, um die Sie Ihr Partner bittet, Ihren Zeitplan sprengt und Sie mit Ihren anderen Aufgaben dann in Bedrängnis kommen?

Mit Widerspruch rechnen

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� Im Freundeskreis: Können Sie klar darlegen, dass Sie an besagtem Wochenende nicht als Umzugshelfer zur Verfügung stehen, weil Sie bereits etwas anderes ge-plant haben?

Sachlichkeit siegt

Lassen Sie nicht den Eindruck entstehen, dass Sie einfach nicht „wollen“. Überzeugen Sie bei Ihrer Argumentation vielmehr durch Sachlichkeit. Mit Tatsachen, die Sie do-kumentieren können, nehmen Sie Ihrem Gesprächspartner den Wind aus den Segeln. Ein gut begründetes Nein muss auch ein notorisch drängelnder Bittsteller wohl oder übel akzeptieren.

3. Wie können Sie die Situation entspannen?Da Sie Ihren Gesprächspartner mit Ihrem Nein ja nicht vor den Kopf stoßen wollen, ist es ein Beitrag zur beidersei-tigen Zufriedenheit, wenn Sie eine Alternative anbieten.

wichtig: Die Alternative sollte aber auch machbar sein und Sie nicht in eine ähnliche Bedrängnis führen wie ein vorschnell dahingesagtes Ja.

Lösungen, bei denen beide Seiten zufrieden sind

Überlegen Sie also, was dem anderen hilft und womit Sie „leben“ können. Zum Beispiel:

� In der Firma: Können Sie für die zusätzliche Aufgabe eine andere Arbeit vorübergehend zurückstellen? Kön-nen Sie die Aufgabe zu einem anderen, noch rechtzei-tigen Termin erledigen: beispielsweise gleich am Mon-tagmorgen statt noch am Freitagabend?

� In der Familie: Können Sie die Besorgung auf einen anderen Zeitpunkt verschieben? Kann ein anderes Fa-milienmitglied die Besorgung übernehmen? Können Sie diesem Familienmitglied dafür eine andere Ver-pflichtung abnehmen?

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� Im Freundeskreis: Können Sie statt beim Möbel-schleppen am Wochenende am Wochenanfang beim Kistenausräumen helfen? Können Sie beim Renovieren der alten Wohnung am darauffolgenden Wochenende mithelfen?

Übung macht den MeisterGerade wenn Sie zu den Menschen gehören, die bisher zu Verpflichtungen immer bereitwillig Ja gesagt haben, stellt Sie das Neinsagen vor eine völlig neue Situation. Nehmen Sie die Herausforderung aber trotzdem an. Sie brauchen das erste verbindliche Nein ja nicht gleich an Ihrem Chef auszuprobieren. Nutzen Sie lieber die klei-nen alltäglichen Situationen, in denen Sie keine gravie-renden Konsequenzen befürchten müssen, um das Nein-sagen zu trainieren.

Alltägliche Situationen als Übungsplatz

In den kleinen Alltagssituationen werden Sie erkennen, dass die Angst vor unangenehmen Folgen überflüssig ist, wenn Sie Ihr Nein verbindlich und stilvoll vorbringen. Und mit der Sicherheit, die Sie so im Neinsagen gewin-nen, werden Sie auch im Beruf und in Ihrem Privatleben die Ja-sage-Fallen souverän umgehen.

3 Trainingssituationen in der Praxis

1. Im Restaurant: Sie betreten ein Restaurant, der Ober führt Sie zu einem freien Tisch. „Ist Ihnen dieser Tisch, hier links an der Tür, recht?“, fragt er und lässt durch sei-ne Stimme erkennen, dass er die Frage rhetorisch meint. Der Platz sagt Ihnen aber nicht zu, da Sie durch die Nähe zur Tür in der Zugluft sitzen würden.

Ihre Antwort, um das Neinsagen zu trainieren: „Nein, dieser Platz hier gefällt mir nicht so sehr. Ist der Platz hinten am Fenster frei? Dort würde ich lieber sitzen.“

Klein anfangen

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2. An der Wursttheke: Sie stehen an der Wursttheke und haben bei der Verkäuferin 100 Gramm Serrano-Schinken bestellt. „Darf es auch etwas mehr sein?“, fragt diese beim Abwiegen.

Ihre Antwort, um das Neinsagen zu trainieren: „Nein, danke, lieber etwas weniger.“

3. In einem Bekleidungsgeschäft: Sie haben in einem Geschäft schon mehrere Kleidungsstücke anprobiert, doch nichts gefunden, das Ihnen zu 100 Prozent gefällt. Da die Verkäuferin Sie sehr freundlich und aufmerksam bedient, fühlen Sie sich ihr irgendwie verpflichtet. „Das steht Ih-nen ausgezeichnet“, meint sie nun und fügt hinzu: „Das würde ich an Ihrer Stelle wählen.“

Ihre Antwort, um das Neinsagen zu trainieren: „Nein, danke. Ich kann mich heute einfach nicht entscheiden. Ich möchte mir das noch mal in Ruhe überlegen. Vielen Dank für Ihre Hilfe.“

der lerneffekt: Mit solchen kleinen Erfolgserlebnissen im Alltag gewinnen Sie Sicherheit in der Gesprächsfüh-rung beim Neinsagen und steigern Ihr Selbstvertrauen, um auch in heikleren Situationen Ihren wahren Wünschen und Bedürfnissen gemäß zu antworten.

Unterscheiden Sie echte von falschen VerpflichtungenIst der Service in einem Geschäft besonders freundlich, kann leicht das Gefühl entstehen, Sie müssten sich er-kenntlich zeigen, indem Sie wenigstens eines der Pro-dukte kaufen. Das kann in einem Bekleidungsgeschäft ebenso der Fall sein wie in einem Feinkostladen oder in einer Weinhandlung etc.

Erfolgserlebnisse geben Sicherheit

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Gerade wenn Sie die Möglichkeit der Verkostung nutzen und Ihnen immer wieder weitere Spezialitäten angebo-ten werden, kann dieses Gefühl der Kaufverpflichtung ein enormes Ausmaß annehmen. Das Resultat: Sie kau-fen etwas, obwohl Sie nicht völlig davon überzeugt sind.

Doch diese Kaufverpflichtung besteht nicht real: Sie ge-hört zu den „falschen“ Verpflichtungen, die Sie nicht auf sich zu nehmen brauchen. Das Wissen um die Mög-lichkeit, Kunden durch guten Service „in die Pflicht zu nehmen“, machen sich gute Verkäufer gezielt zunutze. Es ist eine Verkaufstaktik, die den Umsatz steigern soll.

Die einzige „echte“ Verpflichtung, die Sie als Kunde bei besonders gutem Service haben, ist dem Verkaufs- oder Servicepersonal ebenfalls höflich zu begegnen und die Leistung durch ein Dankeschön oder vielleicht sogar ein Lob und/oder Trinkgeld zu honorieren. Auf diese Weise kommt die Anerkennung auch wirklich dort an, wo sie angebracht ist: bei der Person, die sich um Sie bemüht.

So nehmen Sie die 4 typischen HürdenNeben der eben beschriebenen „angenommenen Ver-pflichtung“ gibt es noch einige weitere typische Hinder-nisse, die Ihnen auf dem Weg zum höflichen, verbindli-chen Nein immer wieder begegnen werden:

1. die Gewohnheit

2. die Abhängigkeit

3. das Pflichtempfinden

4. die falsche Rücksicht

Doch auch diese Hindernisse können Sie mit ein bisschen Übung bravourös überwinden. Machen Sie sich dazu am besten erst einmal bewusst, wo und in welchen Situationen diese Hürden in Ihrem Leben auftauchen.

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Je klarer für Sie ist, welche Hürden Ihrem Nein im Weg stehen, desto leichter überwinden Sie sie�

1. Belassen Sie es nicht beim Gewohnheitsrecht

„Wir wollen am Wochenende wegfahren. Du kannst doch wieder unseren Hund nehmen?“ Solche Fragen bauen auf einer Art „Gewohnheitsrecht“ auf, das der Fra-gesteller ganz selbstverständlich für sich nutzen möchte.

Ähnliche Fragen kommen auch im Berufsleben vor, wie zum Beispiel: „Sie können doch heute Abend wieder et-was länger bleiben? Wir müssen unbedingt noch etwas besprechen.“

Es geht auch anders

Auch wenn Sie in der Vergangenheit immer mit Ja ge-antwortet haben, brauchen Sie diesem Gewohnheitsrecht nicht weiterhin Gültigkeit zu geben. Wenn derartige An-sinnen zu häufig an Sie herangetragen werden, können Sie mit folgenden Antworten die „Hürde der Gewohnheit“ überspringen:

Gewohnheitsrechte ändern

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„Nein, tut mir leid. Wir können euren Hund diesmal nicht nehmen. Wir haben das Wochenende schon anders ver-plant.“

„Nein, heute Abend geht das leider nicht. Ich habe nach Feierabend gleich einen dringenden Termin, den ich nicht verlegen kann. Wollen wir uns morgen Früh gleich zu-sammensetzen?“

2. Abhängigkeit: Lassen Sie sich nicht überlasten

„Können Sie die Aufstellung nach Feierabend bitte noch fertigmachen?“, „Können Sie das bitte in Ihrer Mittags-pause erledigen?“, „Können Sie die Unterlagen bitte übers Wochenende mit nach Hause nehmen und dort be-arbeiten?“ – Wenn Ihr Chef sich mit solchen Bitten an Sie wendet, ist Ihnen sicherlich des Öfteren nach einem Nein zumute und dennoch sagen Sie Ja. Was sollten Sie auch sonst erwidern?

Eine heikle Situation

Gerade im Berufsleben ist das Hindernis der Abhängig-keit weitverbreitet. Ein Nein könnte schließlich bedeuten, das Wohlwollen des Chefs zu verlieren. Und das wieder-um kann Sie Ihre Karriere oder Ihren Job kosten. In der heutigen Zeit sind solche Ängste nicht unbegründet. Ein Nein zum Vorgesetzten ist daher besonders heikel und schwierig.

Wägen Sie sorgfältig ab

Wenn Ihr Chef nur hin und wieder mit solchen Sonder-aufgaben an Sie herantritt, sollten Sie diese bereitwillig übernehmen. Sie zeigen damit Ihre Leistungsfähigkeit und Einsatzbereitschaft sowie Ihre Identifikation mit dem Wohl der Firma: Und das sind neben der Kompetenz wichtige Eigenschaften, an denen Mitarbeiter nun mal ge-messen werden.

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Werden diese Zusatzanforderungen jedoch zum Dauerzu-stand, sollten Sie sich auch Ihrem Chef gegenüber nicht vor einem Nein scheuen. Denn bedenken Sie:

Überlastet sind Sie nicht mehr belastbar

Auf Dauer sind Sie nur leistungsfähig, wenn Sie sich auch Erholungsphasen gönnen. Überlasten Sie sich hin-gegen fortwährend, erreichen Sie eines Tages Ihre Leis-tungsgrenzen und können Ihren Job nicht mehr in der erwarteten Qualität ausüben. Das Risiko, dass Ihr An-sehen, Ihre Karriere oder gar Ihr Job gefährdet sind, ist dann noch größer als bei einem wohlüberlegten Nein zur rechten Zeit.

Ein Nein zum Chef: Kein Ding der Unmöglichkeit

Wägen Sie also sorgfältig ab, wie viel Mehrarbeit Sie übernehmen können. Und wenn Sie zu dem Ergebnis kommen, dass Ihr Chef tatsächlich zu viel von Ihnen ver-langt, ist ein Nein kein Ding der Unmöglichkeit, sondern angebracht und erforderlich. Auch für Ihren Chef sind Sie als gesunde, nicht überarbeitete Arbeitskraft lang-fristig wertvoller denn als ausgepowerter, nicht weiter belastbarer Ja-Sager.

Als Ja-Sager verschaffen Sie sich keinen RespektJa-Sager sind nett, werden aber oft nicht ernst genom-men. Mit einem selbstbewussten Nein hingegen zeigen Sie, dass Sie Ihre Grenzen kennen, und verschaffen sich Respekt.

Bedenken Sie bitte auch: Haben sich Ihre Vorgesetz-ten und Kollegen erst einmal an Ihre Verfügbarkeit ge-wöhnt, gibt es nur schwer ein Zurück.

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3. Lassen Sie sich nicht ständig in die Pflicht nehmen

Viele Menschen, vor allem der älteren Generation, sind dazu erzogen, auf ein Nein zu verzichten, um nicht als egoistisch zu gelten. Sie richten ihr Verhalten stark an den Erwartungen ihres Umfelds aus und sind enorm vom Ur-teil anderer Personen abhängig. Ein Ja auf eine Bitte ist für diese Menschen nahezu eine Pflicht.

Vor allem Frauen sind aufgrund des jahrhundertealten Rollenklischees noch heute oft „Opfer“ ihres Pflichtge-fühls.

„Das wird von mir als Frau erwartet“ oder „Das bin ich meiner Familie schuldig“ – solche Gedanken sind die Re-likte einer Zeit, zu der eine Frau ihre eigenen Bedürfnisse hinter den Ansprüchen von Familie und Gesellschaft zu-rückzustellen hatte.

Gleichberechtigt heißt auch gleichverpflichtet

Doch diese Zeiten sind vorbei! Männer und Frauen be-finden sich gesellschaftlich und politisch auf Augenhöhe, und auch innerhalb der Familie sowie im Berufsleben soll-te es so sein. Das Stichwort ist dabei nicht nur „Gleich-berechtigung“, sondern es geht auch um ein äquivalentes Maß an Verpflichtungen.

Denken Sie auch an Ihre eigenen Bedürfnisse

Ganz unabhängig vom Geschlecht können Sie nicht un-begrenzt Verantwortung für Dritte übernehmen. Sie ha-ben das gute Recht, auch an Ihre eigenen Bedürfnisse zu denken. Um diesen gerecht zu werden, ist ein Nein zu den Wünschen und Bitten anderer oftmals unumgänglich.

Wer anderen wirklich helfen möchte, kann das am besten, wenn er seine eigenen Bedürfnisse kennt und seine Inter-essen mit denen seiner Umgebung in Einklang bringt.

Durchschauen Sie Rollenklischees

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4. Üben Sie keine falsche RücksichtnahmeÄhnlich wie bei der „Hürde des Pflichtempfindens“ ist es bei der „Hürde der falschen Rücksichtnahme“. Auch sie führt dazu, dass Sie Ihre eigenen Bedürfnisse zum Wohle anderer zurückstellen, etwa in einer Situation wie dieser:

Platz tauschen im Flugzeug

Sie haben im Flugzeug Ihren Platz eingenommen, da kommt ein junges Paar den Gang entlang und bleibt di-rekt neben Ihnen stehen. „Entschuldigen Sie“, meint die junge Frau höflich, „mein Platz ist neben Ihrem, und mein Freund müsste eine Reihe weiter vorne sitzen. Macht es Ihnen etwas aus, mit meinem Freund den Platz zu tau-schen? Wir würden so gern nebeneinandersitzen.“

Händchenhalten versus Beinfreiheit

Obwohl der Platz des jungen Mannes ein Mittelplatz ist und Sie viel lieber auf einem Platz am Gang sitzen, sa-gen Sie – aus falscher Rücksicht – „Ja“ und fügen mur-rend hinzu: „Höchst ungern. Aber wenn es unbedingt sein muss …“ Dann stehen Sie auf und erfüllen dem jungen Paar seinen Wunsch.

So stehen Sie freundlich zu Ihren Bedürfnissen

Dabei wäre es weder respektlos noch unhöflich gewesen, wenn Sie dem Pärchen eine freundliche Absage erteilt hät-ten. Beispielsweise so:

„Es tut mir leid für Sie, dass Sie keine nebeneinanderlie-genden Plätze gefunden haben. Meinen Platz möchte ich allerdings nicht tauschen. Ich buche bewusst immer einen Gangplatz, damit ich etwas mehr Beinfreiheit habe.“

Besonders souverän zeigen Sie sich, wenn Sie Ihrer Ab-sage noch einen Lösungsvorschlag hinzufügen, zum Bei-spiel: „Wie wäre es, wenn Sie die Stewardess fragen? Viel-leicht gibt es noch eine andere Sitzmöglichkeit für Sie.“

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Souverän ablehnen mit dem INGA-PrinzipEin Nein ist nicht einfach ein Nein. Damit Ihr Gesprächs-partner Ihr Nein akzeptiert, kommt es darauf an, dass er Ihre Absage versteht und sich weder gekränkt noch zu-rückgesetzt fühlt.

Besser ein freundliches Nein als eine Notlüge

Formulieren Sie Ihre Absage so, dass sich niemand benach-teiligt, verletzt oder im Stich gelassen fühlt. Sprechen Sie freundlich, aber bestimmt. Sagen Sie klar und offen, was Sie wollen, statt Ausreden oder Notlügen zu gebrauchen.

Höflich und verbindlich – das INGA-PrinzipEin „richtiges“ Nein gelingt Ihnen ganz einfach, wenn Sie nach dem INGA-Prinzip vorgehen:

Wie sagen Sie richtig Nein? Das INGA-Prinzip bringt Sie ans Ziel�

1. I: Interesse zeigen2. N: Nein sagen, und zwar klar und deutlich3. G: Einen Grund für Ihre Absagen nennen4. A: Eine Alternative aufzeigen

1. Interesse zeigen

2. Nein sagen, und zwar klar und deutlich

3. Einen Grund für Ihre Absagen nennen

4. Eine Alternative aufzeigen

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1. I – Zeigen Sie InteresseEine Absage ist noch keine Kränkung. Häufig ist sie je-doch mit der Befürchtung verbunden, als Person abgelehnt oder nicht wichtig genommen beziehungsweise nicht res-pektiert zu werden. Zeigen Sie deshalb Interesse am An-liegen Ihres Gesprächspartners. Hören Sie ihm aufmerk-sam zu, und fragen Sie gegebenenfalls nach: „Worum geht es denn genau?“

Vorteilhaft für beide Seiten

Durch Ihr Interesse erkennt Ihr Gesprächspartner, dass Sie im Fall eines Neins nur sein Anliegen ablehnen, nicht seine Person. Zudem können Sie durch das interessier-te Zuhören und Nachhaken etwas darüber erfahren, wie wichtig Ihrem Gesprächspartner sein Anliegen ist und warum. Ein weiterer Vorteil: Sie können auf diese Weise ermessen, wie viel Zeit das Erfüllen der Bitte in Anspruch nehmen würde und ob es möglich ist, eine zeitliche Ver-schiebung vorzuschlagen.

2. N – Sagen Sie klar und unmissverständlich Nein

Damit Ihr Nein nicht als Diskussionsgrundlage aufgefasst wird, sollten Sie es klar und unmissverständlich formulie-ren. Drücken Sie gleichzeitig Ihr Bedauern aus, nehmen Sie Ihrer Aussage geschickt die Härte. Sagen Sie zum Bei-spiel „Nein, tut mir leid, das geht nicht“, „Nein, leider kann ich Ihnen nicht helfen“ oder „Nein, es ist schade, ich hätte dich gern unterstützt“.

Weichen Sie nicht verbal aus

Vermeiden Sie aber, Ihrer Absage durch ausweichende Formulierungen die Eindeutigkeit zu nehmen, also zum Beispiel durch „Eigentlich …“, „Vielleicht …“, „Eventu-ell …“, „Vermutlich nicht …“, „Ich glaube, eher nicht …“. Solche Formulierungen sind für Ihren Gesprächspartner geradezu eine Einladung, das Ja doch noch aus Ihnen he-rauszukitzeln.

Eindeutig formulieren

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Sollten Sie allerdings doch in eine solche Überredungs-Situation geraten, erwidern Sie zum Beispiel: „Ich den-ke, dass weitere Diskussionen uns nicht weiterbringen. Ich stehe heute Abend nicht zur Verfügung.“ Und, falls möglich, schlagen Sie Ihrem Gesprächspartner noch eine Alternative vor.

Soforthilfe gegen die Überrumpelungs-TaktikOftmals rutscht uns ein unüberlegtes Ja auch heraus, weil wir mit einem Anliegen überrumpelt werden und uns die Zeit zum Nachdenken fehlt. Gegen diese Über-rumpelungs-Taktik gibt es ein effektives, leicht zu prak-tizierendes Gegenmittel:

Verschaffen Sie sich Zeit, um sich zu überlegen, was Sie wirklich wollen! Sie brauchen schließlich nicht jede Frage sofort zu beantworten. Sagen Sie zum Beispiel:

„Ich muss heute nach Feierabend noch einige wichtige Erledigungen machen. Bitte lassen Sie mich prüfen, ob es ausreicht, wenn ich diese auf morgen verschiebe. Ich gebe Ihnen gleich Bescheid.“

„Dafür müsste ich eine Verabredung/einen Termin ver-schieben. Ich muss erst sehen, ob das geht. Reicht es, wenn ich in zehn Minuten Bescheid gebe?“

Während der gewonnenen Zeit können Sie eine Ent-scheidung treffen und sich überlegen, wie Sie Ihre Ab-lehnung angemessen formulieren.

3. G – Begründen Sie Ihre AbsageEin guter Grund hat mehr Wirkung als tausend erklärende Worte. Und je nachvollziehbarer Ihre Begründung ist, des-to leichter wird sich Ihr Gesprächspartner mit Ihrer Absa-ge abfinden. Führen Sie deshalb höchstens einen oder zwei wirklich entscheidende Gründe an.

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tipp: Erst das Nein, dann die BegründungFangen Sie bitte nicht mit der Begründung an, sondern sagen Sie erst Nein, und erläutern Sie dann kurz Ihren Grund. Die umgekehrte Reihenfolge erweckt den Ein-druck, als würden Sie sich herausreden wollen.

„Begründen“ heißt nicht „rechtfertigen“

Sie haben einfach kein Interesse? Sind müde? Haben et-was anderes vor, das Ihnen wichtiger ist? Oder Sie lehnen etwas aus Prinzip ab? – Das sind absolut legitime Gründe für ein Nein, und diese Aussagen reichen auch als Begrün-dung. „Begründen“ bedeutet schließlich nicht, dass Sie sich vor dem Bittsteller zu rechtfertigen haben.

4. A – Zeigen Sie Alternativen aufNatürlich wird Ihr Gesprächspartner nicht gerade erfreut sein, wenn Sie seine Bitte ablehnen. Und nicht selten wird er gezwungen sein, für sein Anliegen eine andere Lösung zu finden. Wenn möglich: Helfen Sie ihm dabei! Schlagen Sie ihm eine Alternative vor, oder überlegen Sie gemein-sam, welche anderen Möglichkeiten es gibt. Eine der fol-genden Alternativen passt fast immer:

Bieten Sie Ihre Hilfe zu einem anderen Zeitpunkt an„Nein, heute muss ich pünktlich gehen. Ich kann aber morgen gern etwas früher kommen und die Unterlagen für Sie fertigstellen.“

Schlagen Sie einen anderen Ansprechpartner vor„Nein, ich kann Ihren Auftrag zu diesen Konditionen nicht annehmen. Ich kann Ihnen jedoch eine Liste mit Branchenkollegen zusenden, die Sie fragen können.“

Bieten Sie Hilfe zur Selbsthilfe an„Nein, ich kann am Wochenende leider nicht auf deinen Hund aufpassen. Ich habe aber von einem Hundesitter-Service gehört, der solche Aufgaben übernimmt. Hast du da schon mal nachgefragt?“

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Schlagen Sie eine Lösung vor, die beiden gerecht wird„Nein, ich möchte am Wochenende nicht zu dir kommen. Wie wäre es, wenn du stattdessen zu mir kommst und wir uns bei mir einen entspannten Tag machen.“

Im Überblick: Worauf es beim Neinsagen ankommt1. Lassen Sie sich nicht überrumpeln. Verschieben Sie Ihre Antwort even-

tuell auf einen späteren Zeitpunkt, und verschaffen Sie sich so Zeit zum Nachdenken.

2. Reden Sie nicht um den heißen Brei herum. In den meisten Fällen ge-nügen wenige Sätze, um Ihr Nein zu formulieren und zu begründen. Nur in seltenen Fällen ist ein ausführlicheres Gespräch nötig.

3. Vermeiden Sie ausweichende Formulierungen. Schwammige Formu-lierungen wie „eigentlich“ oder „vielleicht“ bringen Sie beim Neinsagen nicht weiter. Denn Ihr Gesprächspartner wittert dadurch seine Chance, Sie doch noch zu überreden.

4. Verwenden Sie Ich-Botschaften. Mit Ich-Botschaften greifen Sie Ihren Gesprächspartner nicht an und bringen ihn nicht in eine Verteidigungsposi-tion. Zudem machen Sie klar, dass es auch um Ihre Bedürfnisse und Ihren Standpunkt geht.

5. Überzeugen Sie durch Sachlichkeit. Je sachlicher und fundierter Ihre Argu-mente sind, desto eher wird sie Ihr Gesprächspartner ohne Überredungsver-such akzeptieren.

6. Zeigen Sie sich in Ihrer Körpersprache und Stimmmodulation überzeu-gend. Bei einem überzeugenden, freundlichen Nein sind Ihre Stimme, Ihre Haltung und Ihr Blick fest, Ihre Mimik ist offen und wohlwollend, Ihre Gestik locker und entspannt.

7. Bleiben Sie höflich und freundlich. Auch wenn Sie den Eindruck haben, dass die Bitte Ihres Gesprächspartners an Unverschämtheit grenzt oder er sich im Ton vergriffen hat: Widerstehen Sie der Versuchung, verbal zurück-zuschlagen.

8. Lassen Sie sich nicht überreden, und bleiben Sie bei Ihrem Nein. Wenn Ihr Gesprächspartner die Erfahrung macht, dass sich aus Ihrem Nein doch noch ein Ja machen lässt, wird er es in allen zukünftigen Situationen wieder versuchen. Bleiben Sie deshalb standhaft bei Ihrem Nein.