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KUL 27-2016-1.docx Grundkonzept für die Evaluation Seite 1 von 13 Stand: 03.02.2016 TOP/Seite TOP/Seite

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KUL 27-2016-1.docx Grundkonzept für die Evaluation Seite 1 von 13

Stand: 03.02.2016

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Johannes Bilstein: Grundkonzept für die Evaluation der Jugendkunstschule Alte Post Neuss

1. Historischer Hintergrund: Expansion der Kulturellen Bildung in Deutschland

1 Johanna Wanka: Querschnittsaufgabe Kulturelle Bildung am Beispiel Niedersachsen. In: Hildegard Bockhorst, Vanessa-Isabelle Reinwand, Wolfgang Zacharias (Hrsg.): Handbuch Kulturelle Bildung. München 2012 S. 388-390, hier S. 388) 2 Vgl.: Deutscher Kulturrat (Hrsg.): Kulturelle Bildung: Aufgaben im Wandel. Berlin 2009.3 Rita Süssmuth: Menschenbildungsziele. In: Johannes Bilstein, Bettina Dornberg, Winfried Kneip (Hrsg.): Curriculum des Unwägbaren. Bd. I. Oberhausen 2007. S. 11-18.

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Im Bereich der ästhetischen Bildung ist in den vergangenen 25 Jahren viel geschehen: die Zahl der Projekte, Einrichtungen und Initiativen hat sich vervielfacht, die politischen und administrati-ven Strukturen sind unvergleichlich differenzierter und wirkungskräftiger geworden. Aus vielen der einstmals eher tastend begonnenen Projekte sind inzwischen ausgewachsene und erfah-rungsgesättigte Institutionen geworden. Kulturelle Bildung ist zu einer „Querschnittsaufgabe der Kultur und Bildungspolitik“1 geworden.

Diese Entwicklung beruhte auf einer Reihe von Faktoren. Zum einen war es möglich, unter dem Kompromiss-Begriff „kulturelle Bildung“ einstmals kon-kurrierende und sich teilweise leidenschaftlich bekämpfende Konzepte und Interessengruppen zusammenzubringen. Wo seit dem Ende des Krieges das eher in der idealistisch-utopischen Tra-dition stehende Konzept der „ästhetischen Erziehung“ und das eher kulturkritisch motivierte, humanistisch ambitionierte Konzept der „musischen Bildung“ einander gegenübergestanden und oft heftige Ressourcen-Konkurrenzen ausgetragen hatten, waren nun unter der neuen Über-schrift „kulturelle Bildung“ neue und vielfältige Koalitionen und Kooperationen möglich. 2Zugleich wuchs mit der immer mehr zunehmenden technisch-utilitaristischen Ausrichtung des Bildungssystems auch das Bewusstsein, dass „Menschenbildung“ im umfassenden und empa-thischen Sinne nur in Verbindung mit den vielen durchaus unterschiedlichen Wahrnehmungen, Ausdrucksformen und Sprachenformen des Menschen verstanden werden kann. 3 Die Potentiale und Grundbedürfnisse des Menschen können in einem modernen Bildungssystem und in einer sich modernisierenden Gesellschaft nur dann umfassend berücksichtigt und entwickelt werden, wenn auch die im weitesten Sinne ästhetischen Kompetenzen und Potentiale gefördert werden.

Die quantitative Expansion und die qualitative Intensivierung „kultureller Bildung“ in Deutsch-land seit den 1980er Jahren lässt sich an einer Vielzahl von Indikatoren ablesen.

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4 Kirsten Witt: Bundesweite Wettbewerbe und Preise Kultureller Bildung. In: Bockhorst/Reinwand/Zacharias (wie Anm. 1), S. 420-424.5 Vgl. Georg Fischer und Brigitte Schorn (Hrsg.): Modell-Land Kulturelle Bildung. Sachstand und Perspektiven. Remscheid 2010; vgl. Länderporträts in: Mechthild Eickhoff: Jugendkunstschule. Das Handbuch. Unna 2003. S. 16-141.6 Peter Kamp und Julia Nierstheimer: Alle Künste unter einem Dach – Jugendkunstschule als konzeptioneller Rahmen. In: Bockhorst/Reinwand/Zacharias (wie Anm. 1), S. 674-679.; vgl. Mechthild Eickhoff: Jugendkunstschule. Das Handbuch. Unna 2003.7 Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (Hrsg.): Empfehlungen der Kultusministerkonferenz zur kulturellen Kinder- und Jugendbildung in Deutschland. 10.10.2013.8 Autorengruppe Bildungsberichterstattung: Bildung in Deutschland 2012. Bielefeld 2012, darin bes. S. 157-198: Kulturelle/musisch-ästhetische Bildung im Lebenslauf. 9 Bundesministerium des Innern (Hrsg.): Gemeinsames Ministerialblatt. 63. Jg. Nr. 9. 29.3.2012. S. 141-154, bes. II, 2, S. 145: Kulturelle Bildung

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Da sind die zunehmend rezipierten und inten-siv wahrgenommenen Bundes- und Landes-wettbewerbe, 4 da sind die vielen Landes-ini-tiativen – z.B. der 2006 formulierte Anspruch Nordrhein-Westfalens als „Modell-Land Kultu-relle Bildung“5 da sind vor allem aber die sich immer mehr entwickelnden und etablierenden Jugend-Kunst-Schulen. 6 Und auch auf der nationalen politischen Ebene lässt sich insbesondere vor dem Hintergrund des Ausbaus von Ganztagsschul-Angeboten seit 2004 eine gesteigerte Aufmerksamkeit an kul-tureller Bildung erkennen. Dieses zunehmende Interesse mündet 2007 in den Empfehlungen der KMK zur kulturellen Kinder- und Jugendbil-dung, die dann 2013 noch einmal überarbeitet vorgelegt wurden, 7 es dokumentiert sich auch

in dem besonderen Akzent, den der Bildungsbericht 2012 auf Kulturelle Bildung legt. 8 Und nicht zuletzt erscheint „Kulturelle Bildung“ auch als gesondert ausgewiesener Förderbereich des vom Bundes-Familienministerium durchgeführten Kinder- und Jugendplanes des Bundes. 9

Im Bereich der kulturellen Bildung ist also in den vergangenen 25 Jahren viel geschehen. Beispiel-haft kann man diese – sowohl inhaltliche als auch institutionelle Entwicklung – an der Geschich-te der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (bkj) ablesen. Die BKJ ist aner-kannter Fachpartner des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und wird durch den Kinder- und Jugendplan des Bundes gefördert. Sie ist der Dachverband der Kulturellen Kinder- und Jugendbildung in Deutschland, in dem alle Sparten und alle wichtigen Bundes-Verbände organisiert sind.

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HipHop

10 Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ) (Hrsg.): Kreatives wachsen lassen. 50 Jahre für Jugend Bildung Kultur. Remscheid 2013.11 Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff: Schule – Kunst – Politik in Deutschland. In: Eckart Liebau und Jörg Zirfas (Hrsg.): Die Kunst der Schule. Bielefeld 2009l. S. 13-26. 12 Kulturausschuss des Deutschen Städtetages (Hrsg.): Jugendkunstschulen/Kulturpädagogische Einrichtungen als Elemente der kulturellen Jugendbildung in den Städten. Schwetzingen 2003, bes. S. 31-34.13 Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung. Richtlinie zur Förderung von außerschulischen Maßnahmen. In: Bundesanzeiger 2012. Nr. 78. S. 1832-1835); http://www.bmbf.de/foerderungen/22590.php

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Gegründet wurde diese Vereinigung im Jahre 1963 als „Bundesvereinigung Musische Jugend-bildung“ (BMJ), da lag der Akzent also eindeutig bei der musischen Bildung. 1971 kam es dann – nicht zuletzt unter dem Eindruck veränderter politischer Diskurse und veränderter institutio-neller Zielsetzungen am Ende der 1960er Jahre – zu einer Satzungsänderung und Umbenennung in bkj: Der Vorwurf, unter dem Signum „musische Bildung“ flüchte sich die Jugendbildung in eine unpolitische heile Welt, sollte konterkariert werden. An den Jahresberichten der BKJ lässt sich dann sehr schön ablesen wie der gesamte Bereich der Kulturellen Bildung expandiert, sich mehr und mehr professionalisiert und institutionalisiert. 10

Bei aller Expansion und Intensivierung der Aufmerk-samkeit jedoch sind alle Programme und Projekte kul-tureller Bildung immer weiter geprägt vom durchaus komplexen Zusammenspiel zwischen den formellen und informellen Bildungsbereichen einerseits 11 und zwischen den beteiligten politischen Ebenen: dem Bund, den Ländern und den Gemeinden, andererseits. Während die Länder und Gemeinden hier bereits tra-ditionell durchaus aktiv und initiativ waren, blieb die Bundes-Ebene – vor allem wegen der Kulturhoheit der Länder – grundsätzlich eher zurückhaltend. Die Bundes-Förderung der „Alten Post“ in Neuss in den 1980er Jahren bietet da ein eher seltenes Exem-pel. Zwar gehört diese Förderung zu einer ganzen Rei-he bundeszentraler Förderprogramme vor allem des Bundesjugendministeriums und des Bundesbildungs-ministeriums sowie der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK) in

nahezu allen Bundesländern. 12 Dennoch bleibt die Bundes-Förderung durch die rechtlichen Rah-menbedingungen eng begrenzt. Erst in den letzten Jahren lässt sich ein gesteigertes Interesse an kultureller Bildung auch auf Bundesebene erkennen – ablesbar z.B. an dem Programm „Kultur macht stark“ bzw. an der Förder-Richtlinie zur Weiterbildung künstlerischen Personals in Projek-ten der kulturellen Bildung. 13

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Kinderkunstwoche

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2. Jugendkunstschule im Kulturzentrum Alte Post, Neuss

Es ist dieser historische Hintergrund von Ex-pansion und Diversi-fizierung, in dem sich seit den 1960er Jahren auch das Spektrum der Jugend-Kunst-Schulen immer mehr verbrei-tert, und in diesem Spektrum nahm die Alte Post in Neuss von ihrem Beginn an einen besonderen Rang ein.

Gegründet 1989 in der Absicht, eine ausbildungsbezogene Orientierung, also eine Art Vorbe-reitung für das Studium der Künste in den Hochschulen für junge Menschen zu ermöglichen, wirkte sie von Beginn an weit über das regionale Umfeld hinaus. Sie war als „Modellversuch“ gemeint und sollte Einiges ausprobieren, das zum damaligen Zeitpunkt durchaus avantgardis-tisch erschien: Kunstsparten sollten – durchaus in Analogie zum Bauhaus-Modell – miteinander verbunden werden, die Künste sollten im Austausch mit dem städtischen Umfeld als wichtige Agenturen jugendlicher Identitätsgewinnung ernst genommen und herausgefordert werden. Die Integration der Jugendkunstschule in ein Kulturzentrum, das zugleich eine Galerie und ein Theater beherbergt, sollte die Verbindung der Sparten noch einmal besonders fördern.

4Kinderprojekt „Unter Wasser“Graffiti für Jugendliche

Urban Champs

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In der Konsequenz des Selbstverständnisses als vom Bundesministerium für Bildung und Wis-senschaft geförderten „Modellversuch“ waren organisierte Reflexion bzw. Evaluation und wis-senschaftliche Begleitung von Beginn an als Bestandteile des Experiments mitgedacht. Auch diese Begleitung wurde vom damaligen Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft ge-fördert. Die Dokumentation dieser wissenschaftlichen Begleitung wurde in der Folge zu einem bundesweit rezipierten und diskutierten Dokument, das in den Diskursen über die weitere Kon-figurierung und den Ausbau der Jugendkunstschulen eine wichtige Rolle spielte. 14

Und selbstverständlich ist auch in der Alten Post in den vergangenen 25 Jahren viel geschehen. Auf den ersten Blick lassen sich vor allem zwischen 1994 und 2005 strukturelle Änderungen und Erweiterungen erkennen.

· Deutliche Expansion der Kurse und der Besucherzahlen · Erweiterung des Angebotes auch für Kinder ab 4 Jahren · Vermehrung des Angebotes für Erwachsene über 27 Jahren · Ausbau eines kunsthandwerklichen Kursbereiches · Etablierung von Ferienangeboten für Kinder · Institutionalisierung von Vormittags-Angeboten · Aufmerksamkeit auf die besondere Situation von Migranten · Auseinandersetzungs-Möglichkeiten mit zeitgenössischen Ausdrucksformen: z.B. hip-hop, z.B. Graffiti

14 Schule für Kunst und Theater der Stadt Neuss (Hrsg.): Berichte zu einem Modellversuch. Band 1-5. Neuss 1992-1993.

Szenenfoto „King Kongs Töcter“

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Tanztheater „Chaos“

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Diese Entwicklung, die mit Anpassungs-prozessen an äußere Veränderungen – des Bedarfs, der rechtlichen und fi-nanziellen Rahmenbedingungen, der personellen Ausstattung etc. verbunden ist, verläuft dabei durchaus differenziert, auch nicht ohne Widersprüche und hat durchaus symptomatischen Charakter. Sie führt im weiteren Verlauf zum ge-genwärtigen Angebotsspektrum:

20 Kurse im Bereich Schauspiel 33 Kurse im Bereich Bildende Kunst/Gestaltung für Jugendliche und Erwachsene ab 15 Jahren 9 Kurse im Bereich Bildende Kunst/Neue Medien für Jugendliche und Erwachsene ab 15 Jahren 5 Kurse im Bereich Bildende Kunst/Design für Jugendliche und Erwachsene ab 15 Jahren 35 Kurse im Bereich Kinder und Jugendliche

Deutlich erkennbar ist, dass die Arbeit der Jugendkunstschule im Kulturzentrum Alte Post eng mit den beiden anderen Säulen des Zentrums: dem Theater und der Galerie – verbunden ist und dass gerade diese Verbindung außergewöhnlich fruchtbare Projektarbeit ermöglicht.

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Musicalproduktion „Fame“

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Insgesamt kann man diese Verschiebungen als Ent-wicklung von einer Jugendkunstschule mit dem Schwerpunkt Studien-Vorbereitung hin zu einer Kunstschule für alle Generationen beschreiben. Die „Schule für Kunst und Theater“ in der Alten Post Neuss hat weiterhin ihren Schwerpunkt im Bereich der aus-bildungsbezogenen Orientierung für Jugendliche von 15 - 27 Jahren, bietet darüber hinaus aber auch Ange-bote für Kinder ab 7 Jahren und Erwachsene über 27 Jahren, entwickelt sich also an verschiedenen Stellen in Richtung eines Mehr-Generationen-Raumes.Die anfänglich ganz im Vordergrund stehende Berufs-bezogenheit (Vorbereitung eines im weitesten Sinne künstlerischen Hochschulstudiums) hat an Bedeutung verloren, aufgrund eines stetig wachsenden Bedarfs expandierten die Kurs- wie die Besucherzahlen, wech-selnde Budget-Rahmenbedingungen erforderten auch Haushalts-Anpassungen.

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Fassadengestaltung am Tossetti Haus durch denGraffiti Künstler „Etnik“

Theaterprojekt im Brennpunkt Weckhoven

Diese Veränderungen erscheinen dabei als durchaus typisch für die Entwicklun-gen der Kulturellen Bildung in der Bun-desrepublik seit 1989, insbesondere aber spiegeln sich in ihnen strukturelle Ver-schiebungen in Bezug auf Interessen, Bedarfe und inhaltliche Ausrichtungen der Kulturellen Bildung, die nicht alleine unter historischen Perspektiven von ho-hem Interesse sind. Vielmehr dürften sich aus den Entwicklungsprozessen, aus den Verschiebungen der Konfliktlinien und aus den erkennbar werdenden Verände-rungen der Anforderungen Hinweise auf künftige Entwicklungen ableiten lassen.

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3. Erneuter Evaluationsbedarf

Deshalb lohnt es sich gerade die Entwicklung der Alten Post in Neuss einer genaueren, evaluie-renden Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Hinter den dabei sichtbar werdenden program-matischen Verschiebungen liegen personelle, motivationale und strukturelle Veränderungen, die – gerade wegen der überregionalen Bedeutung des Modells „Alte Post“ – einen paradigma-tischen Einblick in den Stand und die – auch künftige – Entwicklung der kulturellen Bildung er-warten lassen.

Anders gesagt: Wenn wir wissen wollen, wie sich Kulturelle Bildung in der Bundesrepublik ent-wickelt hat, wie – mit welchen Chancen und Problemen – sie heute betrieben wird und welche Veränderungen wir in der absehbaren Zukunft zu erwarten haben, dann kann man aus einer genaueren Untersuchung der Entwicklung, welche die Alten Post in Neuss genommen hat, si-cherlich eine Fülle an wegweisenden Aufschlüssen erwarten.

Eine solche genauere Untersuchung kann auf einer inzwischen breiten Evaluations-Erfahrung im Bereich der Kulturellen Bildung aufbauen. 15 In diesen bisher vorliegenden Evaluationen spielen freilich historische Rekonstruktionen eine eher untergeordnete Rolle, in der Regel geht es dort um Qualitätssicherung durch Leistungs- und Ergebnisvergleiche. Darüber hinaus jedoch kann eine Langzeit-Rekonstruktion der Entwicklung einer Institution ex-emplarisch aufzeigen, wie sich Projekte der Kulturellen Bildung politisch, personell, institutionell und administrativ verändern, welchen – sei es fördernden, sei es hemmenden – Einflüssen sie unterliegen und unter welchen Bedingungen dort erfolgreiches und sinnvolles und nachhaltiges Arbeiten möglich ist. Gerade die exemplarische historische Rekonstruktion eines Projektes, das sich als zugleich stabil und veränderbar erwiesen hat, kann generalisierbare Erkenntnisse über das Bedingungsgefüge Kultureller Bildung erarbeiten.

Deshalb erscheint es als ganz besonders lohnenswert, am Beispiel der Alten Post Neuss 25 Jahre Kulturelle Bildung in Deutschland beispielhaft nachzuzeichnen.

Anknüpfend an die vom Bund geförderte Evaluation zu Beginn der Arbeit wird eine erneute, so-wohl rekonstruktive als auch perspektivisch angelegte Evaluation wichtige Ergebnisse über die historischen Verläufe, die strukturellen und programmatischen Veränderungen und über wichti-ge Entwicklungs-Desiderate liefern.

815 Bockhorst/Reinwand/Zacharias (wie Anm. 1), bes. Kap. 6.3: Qualität und Evaluation. S. 947-964.

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Darüber hinaus wird eine solche Evaluation auch Perspektiven für die weitere Entwicklung der Arbeit eröffnen, insbesondere werden sich Ausblicke auf mögliche neue Konzepte für die dauer-hafte, nachhaltige und verbindliche Wirkung kultureller Bildung eröffnen.

4. Leitfragen

Als mögliche Leitfragen ergeben sich für eine solche Untersuchung:

1. Welche strukturellen Veränderungen lassen sich bei der Jugendkunstschule Alte Post über die letzten 25 Jahre hinweg erkennen und wie korrespondieren diese Veränderungen mit der allgemeinen Entwicklung Kultureller Bildung in der Bundesrepublik?

2. Welche programmatischen Veränderungen lassen sich bei der Jugendkunstschule Alte Post über die letzten 25 Jahre hinweg erkennen, wie korrespondieren diese Veränderungen mit den strukturellen Veränderungen und insgesamt mit der allgemeinen Entwicklung Kultureller Bildung in der Bundesrepublik?

3. Welche zukünftigen Entwicklungen lassen sich von der inhaltlichen Arbeit aus aber auch von den Erwartungen/Befürchtungen der Handelnden Protagonisten her erwarten bzw. vorhersagen?

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Kursergebnisse beim Tag der offenen Tür

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5. Offene Fragen / Desiderate

Die Leitfragen der Evaluation eröffnen zugleich den Horizont für weitere Modelle und Projekte.

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Ein besonderes Merkmal der Alten Post Neuss sind von Beginn an die vielschichtigen Koope-rationsverhältnisse mit anderen Institutionen (Schulen etc.), aber auch innerhalb der Sparten. Wie lassen sich diese Kooperationsstrukturen auf der Basis einer detaillierten Evaluation wei-terentwickeln und strukturell ausbauen?In einem nächsten Modell-Schritt wäre zu erproben, welche darüber hinaus gehenden Koope-rations-Modelle sich für die generelle Zielsetzung Kultureller Bildung als auch für die spezifi-sche Zielsetzung der Alten Post als erfolgversprechend erweisen. Unter den neu und aktuell sich verändernden Bedingungen müssen neue Kooperationsmo-delle zwischen den unterschiedlichen Trägern – Bund, Öland, Kommune, private bzw. Stif-tungs-Initiativen etc. - erkundet und ausprobiert werden.

Im Bereich der Kulturellen Bildung hat sich in den vergangenen Jahren immer mehr die Ein-sicht durchgesetzt, dass familiäre Orientierungen für die Ausprägung kultureller Interessen und Aktivitäten von entscheidender Bedeutung sind. Hier entstand nicht zuletzt ein großes Forschungs- und Erprobungs-Desiderat.Wie hat sich das Verhältnis zu den familiären Hintergründen der Klientel bisher in der Jugend-kunstschule Alte Post Neuss niedergeschlagen?Wie kann man familiäre Konstellationen zukünftig in die Arbeit einer Jugendkunstschule strukturell und programmatisch berücksichtigen bzw. fruchtbar machen?Welche Kooperationsmodelle zwischen Familien und den Agenturen kultureller Bildung sind vorstellbar und sinnvoll? Hier wäre sollte sich auf der Grundlage der Evaluations-Ergebnisse ein neuer Modellversuch um die Erprobung und Überprüfung innovativer Kooperationsmodelle bemühen.

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5. Vorgehensweise

1. Eine detaillierte historische Rekonstruktion der Institutionsgeschichte der „Alten Post“. (Zeitleiste, schlaglichtartige Klein-Artikel über die ganze Zeit verstreut, Foto-Strecke).

2. Eine quantitative – also statistisch argumentierende – Übersicht über Dozentenzahlen, Besucherzahlen, Veränderungen im Angebot etc. etc.;

3. Die Wiedergabe ausgewählter historischer Dokumente (Gründungs-Urkunde? Etc.)

4. Eine Reihe von qualitativen Interviews anhand eines einheitlichen Leitfadens mit den handelnden Personen im Laufe der Geschichte der Schule. (politischen und administrative Protagonisten; Lehrende; Teilnehmer im biographischen Rückblick; außenstehende Beobachter).

5. Eine sorgsame, methodologisch reflektierte und grundsätzlich triangulierte Auswertung und Verdichtung dieser Interviews.

6. Eine sorgsame, wissenschaftlich orientierte Publikation der Ergebnisse.

7. Zusammenfassung der Ergebnisse und Schlussfolgerungen der Evaluation und Weiterfüh- rung zur Konzeption sich notwendig ergebender Erprobung neuer Modelle insbesondere in Bezug auf Kooperationsformen und familiäre Integration der Programme.

6. Dauer des Vorhabens

Vom Beginn der Untersuchung an bis zur Publikation des Evaluationsberichtes ist ein Zeitraum von 2 Jahren angemessen und hinreichend.

7. Kräfte

Die Evaluation sollte von einer mit den entsprechenden Kompetenzen verfügenden wissen-schaftlichen Mitarbeiterin oder Mitarbeiter durchgeführt werden, die dann auch die Publikation der Ergebnisse betreut.Die verantwortliche Betreuung der Arbeit liegt bei Prof. Dr. Johannes Bilstein, Kunstakademie Düsseldorf.

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8. Kosten

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E11, Stufe 1

Arbeitsplatz

49539,17 Euro

9000,- Euro

6500,- Euro Computer, Drucker, Material, Kopierkosten

Jahressumme für wissenschaftl. Begleitung mit Sonderaufwendungen, Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung.

Assistenz für Auswertung etc.

Publikation

Fachtagung

Gesamtsumme

7000,- Euro2000,- Euro3000,- Euro

25000,- Euro

102.039,17 Euro

DruckGestaltungHonorare für Foto- Videodokumentation

Honorare, Mieten, Materialien, Technik,Werbung etc.