Torsten Schäfer - "Journalismus zwischen Engagement, Werten und Neutralität"

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Journalismus zwischen Engagement, Werten und Neutralität 1 Ethisch-praktischer Grenzgang mit Prof. Dr. Torsten Schäfer

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Journalismus zwischen Engagement, Werten und

Neutralität

1Ethisch-praktischer Grenzgang mit Prof. Dr. Torsten Schäfer

# Perspektiven: Berufsethik, Rollenselbstbilder, Redaktionspraxis

# Journalistik = Sozialwissenschaft Bezug auf andere Disziplinen

# Umweltjournalist, der gesellschaftliche Wirkung erzielen will

# Konstruktivismus als Theorie, Normativität (Ethik) als Ansatz # Sozialwissenschaftliches Denken für die Praxis erfordert zuerst eine sozial bzw. gesellschaftsethische Klärung der Praxisziele # Interesse: Erkenntnisgewinns für die Journalismusforschung und berufliche Fachdebatte; Rollenselbstbildforschung + Medienethik

Analyserahmen

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1- Analyserahmen

2 - Das Friedrichs-Dogma und seine Dekonstruktion

3 - Verkürzungen in der journalistischen Rollendebatte

4 - Journalismus als normatives Geschäft

5 - Handlungsrahmen und Bedeutungsindikatoren

6 - Normativitätsängste und Wertebenen

7 - Nachhaltigkeit als universeller Wert

8 - Engagement und Objektivität: Praktisches Verhalten

9 - Darmstädter Ansätze, Schlussthesen + Zitat

Struktur der Grenzerkundung

„Die Sendung hat eine grüne Botschaft: Wenn der Mensch sich weiter so bemüht, dann kriegt er das auch noch kaputt. Zum Beispiel der letzte Film, der über Biber. Das war kein reiner

Tierfilm.“ Von wem ist dieses Zitat? 

- Bernhard Grzimek

- Heinz Sielmann

- Horst Stern

- Hanns Joachim Friedrichs

- Andreas Kieling

Ein Zitat und seine Wirkung...

 # Rolle 1: Umweltjournalist Rollenmanagement  # Rolle 2: Meinungsbürger: SPD-Engagement? „Weil ich meine aktive Fernsehzeit hinter mir hatte. Weil ich nicht mehr in Sendungen arbeiten muß, die Glaubwürdigkeit verlangen.“ # Rolle 3: Nachrichtenjournalist: „Das hab'' ich in meinen fünf Jahren bei der BBC in London gelernt: Distanz halten, sich nicht gemein machen mit einer Sache, auch nicht mit einer guten...  # Kontextdifferenzierung: ...nicht in öffentliche Betroffenheit versinken, im Umgang mit Katastrophen cool bleiben, ohne kalt zu sein.“ situative Betroffenheit vs. wertgebundene Haltung # Interkulturalität der Thematik: Lernen von anderen Ländern?

Zitat + Wirkung: Friedrichs, Spiegel 1995

# Friedrichs: keine prinzipielle Intention Differenzierung der Debatte  # Ein Journalist kann gleichzeitig mehrere Rollen haben # Rolle abhängig von Stilform bzw. Format # Zeitkontext beachten: Aktuelles vs. Hintergründe # Subjektivitätsdifferenzen: Spontane Betroffenheit vs. Haltung # Rollenselbstverständnis divergiert mitunter kulturell

# Parteipräferenzen + Einstellungen vs. Sendungsdrang (Schäfer 2011)  

Verzerrte Rollendebatte in der Praxis

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Journalismus als normatives Geschäft mit Verhandlungssystemen

# Jedes menschliche kommunikative Handeln ist in seine politischen,

kulturellen und individuellen Kontexte, Normen + Werte eingebunden

# Journalistisches Handeln unterliegt

Entscheidungsprogrammen (Redaktionsforschung),

individuellen und kulturellen Mustern + Werten

# Journalismus =wertgebundenes, normatives Geschäft, das

durch Handwerk und Standards Normen der Unparteilichkeit

entwickelt hat

# Austauschsystem: Wertbestände vs. Informationsfluss

Einflusssphären des Journalismus

Esser, Frank: Die Kräfte hinter den Schlagzeilen. Englischer und deutscher Journalismus im Vergleich. Freiburg 1998, S. 27.

Journalismus als normatives Geschäft mit Verhandlungssystemen

Handlungsrahmen: Subjektivitätfragen

# Mediale Fensterzeit, Rollenbilder verschwimmen

# Einsparungen führen gleichzeitig zur Vereinzelung von Journalisten (unsichtbar) + Gruppendynamiken (Krisenstolz und Fantasie der Leere)

# Aufkommen neuer Finanzierungsmodelle Stiftungen

# Ablösungen: PR + Journalismus z.B. Studiengänge

# Veränderung der medialen Formen + Sprache: Bericht Analyse

# Einfluss der digital-mobilen Interaktionsgesellschaft: „Ich-Kultur“; Zunahme von Emotionalisierung + Individualisierung in allen Bereichen

# Fluch und Futur als parallele gesellschaftliche Krisenreaktionen

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Mediale Bedeutungsindikatoren

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Mediale Bedeutungsindikatoren

Kampagnenjournalismus: Lorenz Meyer, DA

Beispiel 1: Mediendienst Integration

Beispiel 2: Inside Climate News

Beispiel 3: Klimaretter.info

Medien: Enorm, Oya, Utopia, WiWoGreen, Zeozwei, good-impact, ARTE

Seiten + Kampagnen: ZEIT, SZ, FR, Themenwochen: ARD, PRO7/Sat1

Normativitätsferne der Kommunikationswissenschaften

# Dominanz von pragmatischen, technikorientierten Fragen Zunahme durch Medienkrise + Nutzwertzwang = Utilitarismus-Dogma

# normative vs. deskriptive, positivistische vs. kritische Perspektiven

# Journalistische Funktion statt Aufgabe (Horst Pöttker) Stetes Abwiegeln der ethischen Frage und Verantwortung

# Ethik + Argumentationsverlust, Verlust der normativen Grundlagen, Antwortleere zu medienpolitischen Fragen (Alexander Filipovic)

# Unterbelichtung von systemrelevanten Sachwissen in der JA

# Demokratische Werte: Pluralität, freiheitl.-demokrat. Grundordnung, Meinungsfreiheit, Menschenrechte, Gleichberechtigung

# Soziale, ökonomische, kulturelle Werte: Sozialstaat, Marktwirtschaft, Wachstumslogik, Minderheitenschutz, Völkerverständigung, Multikulturalität, europäische Idee, Generationengerechtigkeit =

Nachhaltige Entwicklung als Leitbild + universeller Wert:

• Anthropozän, Wirtschaftsweise umfassende Relevanz

• 300 Jahre Tradition, Debatte in allen Systemen („Gesellschaftsgrün“)

• Teil der internat. Rechtskultur (Verträge, Verfassungen, Gesetze)

Wertebenen – ein Vorschlag

„Leitbilder sind Voraussetzung für eine Kommunikation zwischen verschiedenen Wissenskulturen und Lebensstilgruppen. (...)

Konkret ermöglicht der Nachhaltigkeitsbegriff z.B. eine Verständigung zwischen eher postmaterialistisch ausgerichteten

Umweltaktivistinnen und -aktivisten und wertkonservativ ausgerichteten Bürgerinnen, ohne sofort Konfrontation und

Blockaden zu provozieren.“

Seeger, Peter: Qualitätsjournalismus am Beispiel des Zukunftsthemas ´Nachhaltige Entwicklung und Lebensqualität´. Werkstattbericht, Darmstadt/Dieburg 2012, S.5.

# Schärfung im Diskurs: Bsp. Demokratie, Bsp. Marktwirtschaft

# Verbale Brückenfunktion durch Unschärfe

# Dabei: Semantische Normativität = „Aufforderungscharakter“

Nachhaltigkeit als Leitbild:

Engagement + Objektivität in der Praxis

# Objektivität als handwerklicher Auftrag und Nährungsgröße

# Objektivität in der Themenagenda: Neue vs. alte Themen

# Umfassenden Berichterstattung vs. vermachtete Öffentlichkeit

# Kennenlernen des Pro + Contra sowie der Gewichtungen

# Transparent machen von Pro + Contra nicht zwingend Zitate

# Gefahr: „balance as bias“ Neutralitätsreflexe

# Interessenstransparenz: Finanzierung, Herkunft, Verbindungen

„Darmstädter Denken“ für journalistisches Engagement

# Lorenz Lorenz-Meyer, Peter Seeger, Silke Heimes, Torsten Schäfer

# Betonung öffentlich-rechtlicher Finanzierung („public value“)

# Wertegebundener, demokratiefunktionaler Journalismus

# (System)kritisches Denken, z.B. im Wissenschaftsjournalismus

# Umwelt und Nachhaltigkeit als Lehrschwerpunkt

# Projekte: GJ (Schäfer/Seeger) + Public Value (LLM)

# Themengebundene Schwerpunkte: Europa + Wissenschaft/Daten

Thesen und Fazit

# Mediale Fensterzeit (Chancen!), die Rollenbilder verändert

# Wertewandel, auf den Medien bereits reagieren: z.B. Zeithoheit; Journalismus braucht Reflexion + Recherche Achtsamkeit

# eklatanter Bedarf nach medienethischer Ausbildung + Debatte

# Forschung 1:normativ, transdisziplinär, neue Methoden, alle Wahrnehmungsbereiche (Claus Eurich)

# Forschung 2: Verdinglichung überkommen + neue „Menschnatur“ (Anthropozän) anerkennen + Demut schärfen

# Kommunikation: Sicherheit durch Unsicherheit Bsp. Klimawandel

# Kritische Theorie?: Rosa, Ott, (Welzer), KOWI: Eurich, (Filipovic)

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!