Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der...

162
Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl – Nichtlineares Tragverhalten, Stabilität, Nachweisverfahren Von der Fakultät für Bauingenieurwesen der Ruhr-Universität Bochum genehmigte Dissertation zur Erlangung des Grades Doktor-Ingenieur (Dr.-Ing.) von Christian Wolf Bochum, Mai 2006

Transcript of Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der...

Page 1: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl – Nichtlineares Tragverhalten, Stabilität,

Nachweisverfahren

Von der Fakultät für Bauingenieurwesen der Ruhr-Universität Bochum genehmigte

Dissertation

zur Erlangung des Grades Doktor-Ingenieur (Dr.-Ing.)

von

Christian Wolf

Bochum, Mai 2006

Page 2: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

Doktorarbeit eingereicht am: 26. Januar 2006 Tag der mündlichen Prüfung: 18. Mai 2006 Berichter:

Prof. Dr.-Ing. R. Kindmann, Ruhr-Universität Bochum

Prof. Dr.-Ing. W. Willems, Ruhr-Universität Bochum

Page 3: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

Vorwort

Die vorliegende Arbeit entstand in den Jahren 2000 – 2006 während meiner Tätigkeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Konstruktiven Ingenieurbau der Ruhr-Universität Bochum. Sie wurde von der Fakultät für Bauingenieurwesen als Dissertation angenommen. Mein besonderer Dank gilt Herrn Professor Dr.-Ing. R. Kindmann für die Betreuung und Unterstützung während der Entstehung dieser Arbeit sowie die Übernahme des Referates. Herrn Professor Dr.-Ing. W. Willems danke ich recht herzlich für die Übernahme des Koreferates. Weiterhin gilt mein Dank allen meinen Kollegen, die durch ihre Diskussionsbereitschaft zum Entstehen dieser Arbeit beigetragen haben. Schließlich danke ich meiner Frau und meiner Familie für die außerordentliche Unterstützung während der Erstellung dieser Arbeit. Mai 2006 Christian Wolf

Page 4: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)
Page 5: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

Inhaltsverzeichnis

1 Einführung 1

1.1 Problemstellung und Zielsetzung 1 1.2 Stand der Forschung 5 1.3 Bezeichnungen 8 1.4 Annahmen, Voraussetzungen und grundlegende Beziehungen 11

2 Experimentelle und theoretische Untersuchungen zum Tragverhalten 15

2.1 Einleitung 15 2.2 Stäbe mit überwiegender Drucknormalkraft 21 2.2.1 Reine Drucknormalkraft 21 2.2.2 Drucknormalkraft und zweiachsige Biegung 31 2.3 I-Träger mit überwiegender Biegung 39 2.3.1 Biegung um die starke Achse 39 2.3.2 Zweiachsige Biegung und Torsion 45 2.4 U-Träger mit Biegung und Torsion 54 2.4.1 Querschnittstragfähigkeit für Biegung um die starke Achse 54 2.4.2 Bauteiltragfähigkeit bei Biegung und Torsion 57

3 Nachweisverfahren 59

3.1 Einleitung 59 3.2 κ-Verfahren 61 3.2.1 Vorbemerkungen 61 3.2.2 Biegeknicken 62 3.2.3 Biegedrillknicken 66 3.3 Ersatzimperfektionsverfahren 68 3.3.1 Grundsätzliche Aspekte 68 3.3.2 Form und Größe geometrischer Ersatzimperfektionen 69 3.3.3 Begrenzung von αpl 71 3.3.4 Nachweis der plastischen Querschnittstragfähigkeit 72

4 Fließzonentheorie 73

4.1 Vorbemerkungen 73 4.2 Physikalische Nichtlinearität 73 4.3 Geometrische Nichtlinearität 79 4.4 Verfahren zur Gleichgewichtsermittlung 86 4.5 Material- und Imperfektionsannahmen 88 4.5.1 Materialgesetz 88 4.5.2 Eigenspannungen 90 4.5.3 Fließgrenzenstreuung 94 4.5.4 Vorverformungen 95

Page 6: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

Inhaltsverzeichnis VI

4.6 Hinweise zu FE-Programmen 97 4.6.1 Verwendete Programmsysteme 97 4.6.2 Einfachsymmetrische Querschnitte 98 4.6.3 Berücksichtigung von Schubspannungen 99 4.6.4 Verzweigungsprobleme 100

5 Abminderungsfaktoren κ für Biegeknicken 101

5.1 Vorbemerkungen 101 5.2 Berechnungsparameter und -annahmen 101 5.2.1 Parameter 101 5.2.2 Annahmen 102 5.3 Die Basis – Eulerfall 2 104 5.3.1 Profilabhängigkeit 104 5.3.2 Einfluss von Eigenspannungen und Vergleich mit den Europäischen

Knickspannungslinien 108 5.3.3 Überprüfung und Absicherung der Berechnungsergebnisse 113 5.4 Andere statische Systeme 114 5.4.1 Eulerfälle 3 und 4 114 5.4.2 Eulerfall 1 115 5.5 Einfluss der Stahlgüte 118 5.5.1 Grenzlasten für S 355 118 5.5.2 Tragfähigkeitsunterschiede für höhere Stahlgüten 120 5.6 κ-Werte und Zuordnung von Knickspannungslinien 122

6 Geometrische Ersatzimperfektionen für Biegeknicken 124

6.1 Vorbemerkungen 124 6.2 Analytische Lösung für Eulerfall 2 124 6.2.1 Herleitung der Bestimmungsgleichungen 124 6.2.2 Auswertung 127 6.3 Numerische Auswertung für die anderen Eulerfälle 134 6.3.1 Eulerfälle 3 und 4 134 6.3.2 Eulerfall 1 136 6.4 Stahlgüte S 355 138 6.5 Festlegung der geometrischen Ersatzimperfektionen 140

7 Zusammenfassung 142

Literatur 146

Page 7: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

Kurzfassung

Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Ermittlung der Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl unter Berücksichtigung des nichtlinearen Tragverhaltens und von Stabi-litätseinflüssen. Das Tragverhalten wird anhand theoretischer und experimenteller Untersuchungen eingehend analysiert. Es wird gezeigt, dass das Eigenwertversagen des teilplastizierten Systems in vielen Fällen die maßgebliche Versagensursache darstellt.

Darüber hinaus werden Nachweisverfahren und -methoden hinsichtlich ihrer Eignung zur Erfassung des Tragverhaltens und der sicheren Ermittlung der Tragfähigkeit untersucht. Für das Biegeknicken gewalzter I-Profile unter planmäßiger Druckbean-spruchung werden genaue Grenztragfähigkeiten für unterschiedliche Stahlgüten ermittelt und davon ausgehend geometrische Ersatzimperfektionen abgeleitet sowie Abminderungsfaktoren κ festgelegt. Dadurch wird für einen Großteil der Anwen-dungsfälle eine wirtschaftlichere Bemessung als bisher ermöglicht.

Page 8: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)
Page 9: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

1 Einführung

1.1 Problemstellung und Zielsetzung

Die Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl, deren Querschnitte vollständig oder teilweise durch Druckspannungen beansprucht sind, wird wesentlich durch ihr nichtlineares Tragverhalten beeinflusst. Dabei ist sowohl die geometrische als auch die physikalische Nichtlinearität von Bedeutung. Im Bauteil vorhandene Druck-spannungen führen in Verbindung mit Systemverformungen oder Vorverformungen zu einem nichtlinearen Last-Verformungs-Verhalten, welches in Bild 1.1 exem-plarisch für einen Druckstab dargestellt ist.

1706,4

0

200

400

600

800

1000

1200

1400

1600

1800

0 10 20

w [cm]

N [kN]1706,4

0

200

400

600

800

1000

1200

1400

1600

1800

0 10000 20000 30000

My [kNcm]

Bild 1.1 Nichtlineares Tragverhalten eines Druckstabes unter Berücksichtigung von

geometrischen und strukturellen Imperfektionen

Korrespondierend zu der nichtlinearen Zunahme der Verformungen wachsen auch die Beanspruchungen überproportional an, in diesem Fall die Biegemomente My, s. Bild 1.1 rechts. Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung) ist für die Ermittlung der Tragfähigkeit des Stabes zu berücksichtigen. Hierzu muss das Gleichgewicht

Page 10: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

1 Einführung 2

zwischen äußeren (= Belastungen) und inneren Kräften (= Schnittgrößen) mit Hilfe einer geometrisch nichtlinearen Berechnung für die verformte Lage des Stabes bestimmt werden. Man spricht von einer Berechnung nach Theorie II. Ordnung, wenn kleine Verformungen im Vergleich zu den Systemabmessungen vorausgesetzt werden. Die in Bild 1.1 dargestellte Berechnung wurde mit ABAQUS [24] nach der Theorie großer Verformungen durchgeführt, weil diese im Programm implementiert ist. Für das untersuchte Beispiel sind aber auch noch die Anwendungs-grenzen der Theorie II. Ordnung erfüllt. Neben der geometrischen Nichtlinearität wurde in der Berechnung auch die physikalische Nichtlinearität berücksichtigt, die sich aus dem Werkstoffverhalten von Stahl ergibt, s. Bild 1.2

Bild 1.2 Spannungs-Dehnungs-Beziehung für Baustähle

Bei der Berechnung mit ABAQUS handelt sich demnach um eine Berechnung nach der Fließzonentheorie. Durch Einbeziehung des Werkstoffverhaltens in die Ermittlung der Schnittgrößen und Verformungen ergibt sich aus der Berechnung auch die maximale Tragfähigkeit des untersuchten Druckstabes, wie die Last-Verformungs-Kurven in Bild 1.1 zeigen. Die Grenzlast von Nu = 1706,4 kN, die sich unter Berücksichtigung von Eigenspannungen ergibt, bedeutet gegenüber der vollplastischen Tragfähigkeit des geraden Stabes eine Abminderung um etwa 49 % (κ = Nu/Npl = 0,514). Das Versagen des Stabes ist eine Folge der Ausbreitung von Fließzonen, durch die die Steifigkeit des Systems zunehmend reduziert wird. Dies führt zu einem instabilen Versagen des teilplastizierten Systems, was aber nicht direkt aus der Berechnung hervorgeht, sondern anhand ergänzender Untersuchungen festgestellt werden kann.

Bei einer baupraktischen Bemessung ist das geschilderte, nichtlineare Tragverhalten und vor allem die daraus resultierende, verminderte Tragfähigkeit des Stabes zu berücksichtigen. Die Fließzonentheorie stellt dazu ein mögliches und sehr genaues Verfahren dar, was aber für die baupraktische Anwendung nicht geeignet ist. Üblich ist die Verwendung von vereinfachten Verfahren, die auch in den gültigen Regelwerken [14] und [16] zur Bemessung stabilitätsgefährdeter Stäbe angegeben

Page 11: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

1.1 Problemstellung und Zielsetzung 3

sind. Dabei dürfen die Stabilitätsfälle Biegeknicken und Biegedrillknicken getrennt nachgewiesen werden. Man unterscheidet die beiden Fälle in Abhängigkeit von den auftretenden Verformungen. Treten lediglich Verformungen v und/oder w auf, so spricht man von Biegeknicken. Kommt es auch zu einer Verdrehung ϑ, so wird das Stabilitätsproblem als Biegedrillknicken bezeichnet, wobei das Drillknicken, mit ausschließlicher Verdrehung ϑ, als Sonderfall enthalten ist. In beiden Fällen kann der Tragsicherheitsnachweis mit einem der folgenden Verfahren geführt werden:

• κ-Verfahren Schnittgrößenberechnung nach Elastizitätstheorie I. Ordnung und Nachweis der Tragfähigkeit mit Abminderungsfaktoren κ

• Ersatzimperfektionsverfahren Schnittgrößenberechnung nach Elastizitätstheorie II. Ordnung mit Ansatz geo-metrischer Ersatzimperfektionen und Nachweis der Querschnittstragfähigkeit

Bei beiden Verfahren handelt es sich um vereinfachte Verfahren oder Näherungsverfahren da vereinfachende Annahmen getroffen werden, die mehr oder weniger von der Wirklichkeit abweichen.

Die κ-Verfahren bieten für den Anwender den Vorteil, dass sie eine Schnittgrößenermittlung nach Theorie I. Ordnung vorsehen und die real auftretenden Effekte indirekt durch Abminderungsfaktoren κ berücksichtigen. Das setzt allerdings voraus, dass diese Faktoren anhand genauerer Berechnungen oder anhand von Versuchen festgelegt werden. Für das Biegeknicken stehen beispielsweise κ-Werte in Form der Europäischen Knickspannungslinien zur Verfügung, die in Bild 1.3 dargestellt sind.

0,0

0,2

0,4

0,6

0,8

1,0

0 0,4 0,8 1,2 1,6 2 2,4 2,8 3,2

u plN Nκ =

plK

Ki

NN

λ =

Bild 1.3 Europäische Knickspannungslinien für Biegeknicken

Page 12: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

1 Einführung 4

Der Vorteil der einfachen Schnittgrößenermittlung nach Theorie I. Ordnung bedeutet bei den κ-Verfahren gleichzeitig auch den Nachteil, das dem Anwender das wirkliche, nichtlineare Tragverhalten des untersuchten Systems in keiner Weise deutlich wird. Beim Ersatzimperfektionsverfahren wird dieser Mangel zumindest teilweise behoben, weil das geometrisch nichtlineare Tragverhalten durch eine Berechnung nach Elastizitätstheorie II. Ordnung direkt erfasst wird. Aufgrund der Vernachlässigung der physikalischen Nichtlinearität bei der Systemberechnung ist es aber erforderlich, geometrische Ersatzimperfektionen anzusetzen, um dadurch die traglastmindernden Einflüsse aus der Ausbreitung von Fließzonen und strukturellen Imperfektionen, wie z. B. Eigenspannungen, abzudecken. Zur Festlegung der geometrischen Ersatzimperfektionen muss also, wie bei den κ-Verfahren, die wirkliche Tragfähigkeit bekannt sein, damit die Größe der Vorverformungen entsprechend angepasst werden kann.

Für alle Nachweisverfahren gilt die grundlegende Voraussetzung, dass sie eine sichere Ermittlung der Tragfähigkeit gewährleisten müssen. Wünschenswert ist zudem, dass die Tragfähigkeit möglichst wenig von der wirklichen Traglast abweicht, damit eine wirtschaftliche Bemessung sichergestellt ist. Für den in Bild 1.1 gezeigten Druckstab sind in Tabelle 1.1 die Grenzlasten nach den oben erläuterten Verfahren angegeben.

Tabelle 1.1 Grenzlasten für den Druckstab in Bild 1.1

Verfahren Grenzlast Nu [kN] %

Fließzonentheorie großer Verformungen mit w0 = L/1000 und Ansatz von Eigenspannungen 1706,4 100

κ-Verfahren mit Knickspannungslinie b 1586,4 93,0

Ersatzimperfektionsverfahren mit w0 = L/250 und Nachweis der Querschnittstragfähigkeit nach der Plastizitätstheorie 1505,9 88,3

Die Zusammenstellung zeigt, dass die vereinfachten Verfahren die Grenzlasten in Bezug zur Berechnung nach der Fließzonentheorie auf der sicheren Seite liegend ermitteln und im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit noch deutliche Reserven vorhanden sind. Vor dem Hintergrund der exemplarisch dargestellten Abweichungen stellt sich generell die Frage, wie sicher und genau die Tragfähigkeiten von druckbeanspruchten Stäben durch die baupraktisch relevanten Näherungsverfahren ermittelt werden können. Das gilt in besonderem Maße für Profile aus S 355, da hierfür keine gesonderten Regelungen vorhanden sind. Zur Klärung dieser Fragestellung ist die Bereitstellung von genauen Grenzlasten erforderlich. Aus der skizzierten Problemstellung zur sicheren und genauen Ermittlung der Tragfähigkeit von Stäben unter Berücksichtigung des nichtlinearen Tragverhaltens leitet sich die Zielsetzung der vorliegenden Arbeit ab. Neben der Untersuchung des

Page 13: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

1.2 Stand der Forschung 5

nichtlinearen Tragverhaltens von Stäben steht dabei die Ermittlung von genauen Grenztragfähigkeiten für das Biegeknicken gewalzter I-Profile aus S 235 und S 355 bei planmäßiger Druckbeanspruchung im Vordergrund. Dabei soll der Einfluss unterschiedlicher Parameter, wie z. B. Eigenspannungen oder unterschiedliche statische Systeme, geklärt werden. Anhand der genauen Werte sollen die vereinfachten Nachweisverfahren überprüft und entsprechend angepasst werden, um in Zukunft eine wirtschaftlichere Bemessung zu ermöglichen. Daraus ergeben sich im Detail die folgenden Ziele:

• Untersuchung des nichtlinearen Tragverhaltens von Stäben mit Identifikation der auftretenden Versagenszustände und -ursachen

• Bereitstellung von neuen κ-Werten für den Nachweis des Biegeknickens von gewalzten I-Profilen unter planmäßiger Druckbeanspruchung um dadurch eine wirtschaftlichere Bemessung zu ermöglichen, insbesondere für S 355

• Verbesserung der vereinfachten Nachweisverfahren für Biegeknicken durch eine neue Zuordnung von Knickspannungslinien sowie neue geometrische Ersatzimperfektionen ohne Begrenzung von αpl

1.2 Stand der Forschung

Die Problemstellung, die Tragfähigkeit von Stäben unter Berücksichtigung von Stabilitätseinflüssen und des nichtlinearen Tragverhaltens zu ermitteln, ist im Stahlbau aufgrund der Ausführung schlanker Konstruktionen seit jeher von großer Bedeutung und daher Gegenstand zahlreicher Forschungsarbeiten. Im Folgenden wird deshalb nur ein kurzer Überblick über die veröffentlichten Erkenntnisse gegeben, die im Rahmen dieser Arbeit von besonderem Interesse sind. Die genaue Ermittlung der Traglast unter Einbeziehung der geometrischen und physikalischen Nichtlinearität stellt hohe Anforderungen an ein Berechnungs-verfahren und ist nur durch die Anwendung numerischer Methoden sinnvoll lösbar. Dies gilt umso mehr, wenn das Tragverhalten bei räumlicher Verformungs-möglichkeit untersucht werden soll, was z. B. beim Biegedrillknicken erforderlich ist. Kindmann leitet in [58] ein entsprechendes Verfahren für ebene Stabwerke mit dünnwandigen Querschnitten und räumlicher Beanspruchung her. Für zweiachsige Biegung mit Normalkraft und Wölbkrafttorsion ermöglicht es eine geometrisch und physikalisch nichtlineare Berechnung nach der Fließzonentheorie II. Ordnung. Zur Lösung des Problems wird das allgemeine Weggrößenverfahren in einer inkrementellen Formulierung verwendet. Lindner [79], [80], [77] verwendet die Energiemethode, um die Traglasten gabelgelagerter Einfeldträger unter räumlicher Beanspruchung zu ermitteln. Durch numerische Integration der Krümmungen erhält er iterativ die Zustandsgrößen nach Theorie II. Ordnung, wobei das nichtlineare Materialverhalten über die Bestimmung elastischer Restquerschnitte in die Berechnung eingeht. Die Traglasten von Durchlaufträgern werden von Heil [33] und

Page 14: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

1 Einführung 6

Meister [88] ermittelt. Heil entwickelt hierzu ein Übertragungsmatrizenverfahren mit beliebigem Bezugssystem, während Meister zur Lösung der Differentialgleichungen ein Reduktionsverfahren anwendet. Die heutzutage zur Verfügung stehenden kommerziellen Programmsysteme wie ABAQUS [24] oder ANSYS [25] verwenden die Methode der Finiten Elemente (FEM), die auf dem allgemeinen Weggrößen-verfahren basiert. Das Stabilitätsproblem des Biegeknickens wurde erstmalig von Euler [22] untersucht. Für den gelenkig gelagerten Druckstab mit ideal gerader Stabachse und ideal elastischem Materialverhalten erkannte er das Problem der Gleichgewichts-verzweigung und gab die heute noch verwendete Lösung

2

Ki 2E IN

Lπ ⋅ ⋅

= (1.1)

zur Ermittlung der idealen Biegeknicklast an. Diese Last stellt unter den oben genannten idealen Bedingungen die Grenzlast des Druckstabes dar. Engesser ergänzte die Verzweigungstheorie von Euler dahingehend, dass er ein bilineares Materialverhalten mit einem abgerundeten Übergang ab der Proportionalitätsgrenze σP zugrunde legte (s. Bild 4.16). Zur Lösung des Problems führte Engesser statt des E-Moduls einen veränderlichen Tangentenmodul ein und erhielt dadurch im Übergangsbereich die (unelastische) Verzweigungslast des Stabes als Grenzlast. Im unteren Schlankheitsbereich war diese durch die maximale Tragfähigkeit des Querschnitts gegeben (Nu = A⋅σP).

Von Karman [44] behandelte als erster das Stabilitätsproblem des Biegeknickens nicht mehr als Verzweigungs- sondern als Traglastproblem. Dazu betrachtete er den Druckstab mit „kleinen, unvermeidbaren“ Exzentrizitäten des Kraftangriffs und ermittelte dafür die Traglast. Grundlegende Untersuchungen von Chwalla [11], [12] und Jezek [39], [38] führten zur Ermittlung der Traglast in Abhängigkeit von der Querschnittsform, wobei Jezek von ideal elasto-plastischem Materialverhalten ausgeht. Die Arbeiten von Jezek bilden die Grundlage der Regelungen in DIN 4114 [15] zur Ermittlung der Traglastspannung eines planmäßig mittig gedrückten Stabes mit baupraktisch unvermeidbaren Außermittigkeiten. Den dabei verwendeten Knickzahlen (ω-Werte) liegen Traglastberechnungen mit einem Doppelwinkel als Querschnitt zugrunde, weil sich damit die kleinsten Traglasten bei sonst gleichen Bedingungen ergaben. Für andere Querschnittsformen liegen die ermittelbaren Grenzlasten somit auf der sicheren Seite. Umfangreiche Forschungsarbeiten in den 60er und 70er Jahren führten schließlich zur Berücksichtigung des Einflusses der Querschnittsform durch die Festlegung von 5 unterschiedlichen Europäischen Knickspannungskurven [2], [3], [21]. Zu deren Herleitung wurde die Tragfähigkeit von Stahlstützen aus Walzprofilen oder geschweißten Profilen zum einen in über 1000 Versuchen bestimmt und zum anderen wurden numerische Untersuchungen von Schulz [117] durchgeführt. Dabei stellte Schulz einen erheblichen Einfluss von Eigenspannungen auf die Tragfähigkeit fest und ermittelte für verschiedene Querschnittstypen und Herstellungsprozesse charakteristische Eigenspannungs-verteilungen.

Page 15: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

1.2 Stand der Forschung 7

Mit Hilfe der Knickspannungskurven kann die Traglast von gelenkig gelagerten Druckstäben ermittelt werden. Durch Verwendung der Systemknicklänge sK anstelle der wirklichen Stablänge L in Gl. (1.1) lässt sich dieses Verfahren für andere statische Systeme nutzen und wird deshalb auch als Ersatzstabverfahren bezeichnet. Von Roik/Kindmann wurde das Verfahren für Stäbe mit Normalkraft und einachsiger Biegung entwickelt [103], [104] und von Roik/Kuhlmann [105] für zweiachsige Biegung erweitert. Eine alternative Lösung für diesen Fall geben Lindner/Gietzelt in [72] und [30] enthält die Regelungen, die im Rahmen der Überarbeitung des Eurocode 3 [16] entstanden sind. Das Ersatzimperfektionsverfahren – Schnittgrößenermittlung nach Theorie II. Ordnung mit Ansatz geometrischer Ersatzimperfektionen und Nachweis der Querschnittstragfähigkeit – wurde in der Vergangenheit hauptsächlich zur Bemessung von seitlich verschieblichen Rahmensystemen verwendet. Bei Ansatz geometrischer Ersatzimperfektionen in der Ebene werden durch die erläuterte Vorgehensweise die Nachweise für Biegeknicken erbracht. Bei Anwendung der Fließgelenktheorie II. Ordnung (Nachweisverfahren Plastisch-Plastisch (P-P)) ist eine besonders wirtschaftliche Bemessung möglich, wobei aufgrund von Verformungs-beschränkungen in der Regel nur bis zur Entstehung des 1. Fließgelenkes gerechnet wird. Das entspricht dann einer Bemessung nach dem Verfahren Elastisch-Plastisch (E-P). Schwerpunkte der Forschung lagen in dem geschilderten Zusammenhang bei der Grenzlastberechnung nach der Fließgelenktheorie II. Ordnung (s. [58] und darin angegebene Literaturstellen) und bei der Entwicklung von Verfahren zum Nachweis der Querschnittstragfähigkeit nach der Plastizitätstheorie (z. B. [111], [112]). Dabei ist insbesondere das Teilschnittgrößenverfahren (TSV) von Kindmann/Frickel [46], [47], [48] zu nennen ist, weil es als einziges Verfahren für beliebige 3-Blechquerschnitte die Berücksichtigung aller Schnittgrößen ermöglicht. Die Berücksichtigung der Torsionsschnittgrößen Mω, Mxp und Mxs, die bei der Stabtheorie offener Querschnitte auftreten, ist zum einen für Systeme mit planmäßiger Torsionsbeanspruchung von Bedeutung und zum anderen für den Nachweis des Biegedrillknickens nach dem Ersatzimperfektionsverfahren, weil durch den Ansatz von Vorverformungen aus der Ebene heraus auch dabei Torsionsschnittgrößen entstehen. Erläuterungen zur Anwendung des Ersatzimperfektionsverfahrens bei planmäßiger Torsion oder beim Biegedrillknicken finden sich u. a. in [18], [26] und [56]. Friemann befasst sich in [27] mit geometrischen Ersatzimperfektionen für Fließzonenberechnungen, durch die der Einfluss von Eigenspannungen abgedeckt werden soll.

Page 16: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

1 Einführung 8

1.3 Bezeichnungen

Nachfolgend werden die wichtigsten in dieser Arbeit verwendeten Formelzeichen und Definitionen angegeben. Weitere Variablen werden bei ihrer erstmaligen Verwendung erläutert. Koordinaten, Ordinaten und Bezugspunkte

x Stablängsrichtung y, z Hauptachsen in der Querschnittsebene ω normierte Wölbordinate s Profilordinate S Schwerpunkt M Schubmittelpunkt Verschiebungsgrößen

u, v, w Verschiebungen in x-, y-, z-Richtung ϑ, w′ , v′ Verdrehungen um die x-, y-, z-Achse ϑ′ Verdrillung

Bild 1.4 Verschiebungsgrößen und Bezugspunkte S und M [46]

Querschnittskennwerte und -abmessungen

A Fläche Iy, Iz Hauptträgheitsmomente Iω Wölbwiderstand IT St. Venantsches Torsionsträgheitsmoment Wy, Wz Widerstandsmomente Sy, Sz statische Momente

Page 17: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

1.3 Bezeichnungen 9

iM, ry, rz, rω Größen für Theorie II. Ordnung und Stabilität b Gurtbreite tg Gurtdicke hs Steghöhe ts Stegdicke ag Abstand der Gurtmittelpunkte Last- und Schnittgrößen

qx, qy, qz Streckenlasten Fx, Fy, Fz Einzellasten mx Streckentorsionsmoment MxL Lasttorsionsmoment MyL, MzL Lastbiegemomente MωL Lastwölbbimoment N Längskraft, Normalkraft Vy, Vz Querkräfte My, Mz Biegemomente Mx Torsionsmoment Mxp, Mxs primäres und sekundäres Torsionsmoment Mω Wölbbimoment

Bild 1.5 Last- und Schnittgrößen am Stababschnitt dx (Th. I. O.) [46]

Page 18: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

1 Einführung 10

Werkstoffkennwerte

E Elastizitätsmodul G Schubmodul ν Querkontraktion, Poissonsche Zahl fy Streckgrenze fu Zugfestigkeit εu Bruchdehnung Spannungen, Dehnungen

σ Normalspannung in x-Richtung τ Schubspannungen in y-z-Ebene σv Vergleichsspannung nach von Mises ε Dehnung in Stablängsrichtung Weitere Bezeichnungen

L Systemlänge εT Stabkennzahl für Torsion K Steifigkeitsmatrix Theorie I. Ordnung G geometrische Steifigkeitsmatrix Theorie II. Ordnung KT tangentiale Gesamtsteifigkeitsmatrix v Verformungsgrößenvektor p Lastgrößenvektor s Schnittgrößenvektor ηKi 1. positiver Eigenwert bei Annahme idealisierender Bedingungen

(ideal elastisches Werkstoffverhalten und ideal gerade Stabachse), Verzweigungslastfaktor

ηK 1. positiver Eigenwert, wenn Plastizierungen und/oder die Verformung der Stabachse berücksichtigt werden

Indices

el elastisch pl plastisch u Grenzlast (ultimate) Ki ideelle kritische Last, Verzweigungslast (s. a. ηKi), z. B. PKi = ηKi⋅P K kritische Last (s. a. ηK), z. B. PK = ηK⋅P

Page 19: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

1.4 Annahmen, Voraussetzungen und grundlegende Beziehungen 11

1.4 Annahmen, Voraussetzungen und grundlegende Beziehungen

Für die Untersuchungen und Herleitungen in der vorliegenden Arbeit gelten die folgenden Annahmen und Voraussetzungen:

• Die Querschnittsabmessungen sind gegenüber der Tragwerkslänge klein, so dass die Grundgleichungen der Biegetorsionstheorie für Stäbe gültig sind.

• Die Querschnittsform bleibt auch bei Verformung des Stabes erhalten.

• Es werden dünnwandige Querschnitte untersucht, deren Verwölbung infolge Torsion näherungsweise durch die linearisierte Verwölbung der Profilmittellinie idealisiert wird (Wagner- bzw. erweiterte Bernoulli-Hypothese).

• Das Werkstoffverhalten wird als ideal-elastoplastisch ohne Verfestigung ideali-siert, was einer bilinearen Spannungs-Dehnungs-Beziehung entspricht.

• Lokale Stabilitätseinflüsse (Beulen) treten nicht auf. Die Querschnitte müssen also entsprechend dem gewählten Nachweisverfahren die grenz (b/t)-Werte nach DIN 18800 [14] erfüllen oder im Sinne von DIN EN 1993-1-1 [16] den Anforderungen an die entsprechende Querschnittsklasse genügen.

Sofern von diesen Annahmen und Voraussetzungen abgewichen wird, finden sich an den entsprechenden Stellen diesbezügliche Hinweise.

Kinematik

Durch die kinematischen Beziehungen am differentiellen Stabelement werden die äußeren Weggrößen (Verschiebungen) mit den inneren Weggrößen (Verzerrungen) verknüpft. Die Verzerrungen können näherungsweise aus den Ableitungen der Verschiebungsfunktionen u, v und w berechnet werden. Nach [7] lauten die Beziehungen zwischen den Verzerrungen und Verschiebungen für die lineare Stabtheorie

xx yy zzu v w, ,x y z

∂ ∂ ∂ε = ε = ε =

∂ ∂ ∂ (1.2)

xy yx1 v u2 x y

∂ ∂ε = ε = ⋅ + ∂ ∂

(1.3)

xz zx1 w u2 x z

∂ ∂ ε = ε = ⋅ + ∂ ∂ (1.4)

yz zy1 w v2 y z

∂ ∂ε = ε = ⋅ + ∂ ∂

(1.5)

Page 20: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

1 Einführung 12

Werkstoffgesetz

Durch Werkstoffgesetze werden die inneren Kraftgrößen (Spannungen) mit den inneren Weggrößen (Verzerrungen) verknüpft. Für isotrope, linearelastische Werkstoffe gilt das Hookesche Gesetz. Bei Stäben sind die Normalspannungen σy und σz in der Regel vernachlässigbar klein, so dass gilt

x xEσ = ⋅ε (1.6)

Schnittgrößen

Durch Integration über den gesamten Querschnitt können Spannungen zu Schnittgrößen zusammengefasst werden, so dass sich die Schnittgrößendefinitionen gemäß Tabelle 1.2 ergeben. Tabelle 1.2 Schnittgrößen als „Resultierende der Spannungen“

Bedingung Schnittgröße Definition

∑ = :0Fx Normalkraft ∫ ⋅σ=A

x dAN

∑ = :0Vy Querkraft ∫ ⋅τ=A

xyy dAV

∑ = :0Vz Querkraft ∫ ⋅τ=A

xzz dAV

∑ = :0Mx Torsionsmoment ( ) ( )[ ]

xsxpx

AMxyMxzx

MMM

dAzzyyM

+=

⋅−⋅τ−−⋅τ= ∫

∑ = :0My Biegemoment ∫ ⋅⋅σ=A

xy dAzM

∑ = :0Mz Biegemoment ∫ ⋅⋅σ−=A

xz dAyM

Wölbbimoment ∫ ⋅ω⋅σ=ωA

x dAM

Verknüpfung von Schnittgrößen und Verschiebungen

Bei Vernachlässigung der Schubverzerrungen (Bernoulli-Hypothese und Wagner-Hypothese) und Linearisierung der Verschiebungsbeziehungen für kleine Drehwinkel erhält man unter Verwendung des beliebigen Bezugssystems für die Verschiebungen in Stablängsrichtung die Formulierung

B D Du u y v z w′ ′ ′= − ⋅ − ⋅ − ω⋅ϑ (1.7)

Unter Verwendung von Gl. (1.7) und unter Berücksichtigung des Hookeschen Gesetzes nach Gl. (1.6) ergibt sich die Normalspannung zu

( )x x B D DE E u E u y v z w′ ′ ′′ ′′ ′′σ = ⋅ε = ⋅ = ⋅ − ⋅ − ⋅ − ω⋅ϑ (1.8)

Page 21: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

1.4 Annahmen, Voraussetzungen und grundlegende Beziehungen 13

Durch Einsetzen dieser Formulierung in die Schnittgrößendefinitionen nach Tabelle 1.2 ergeben sich die folgenden vier Gleichungen:

( )x B y D z DA

N dA E A u A v A w Aω′ ′′ ′′ ′′= σ ⋅ = ⋅ ⋅ − ⋅ − ⋅ − ⋅ϑ∫ (1.9)

( )z x y B yy D yz D yA

M y dA E A u A v A w A ω′ ′′ ′′ ′′= − σ ⋅ ⋅ = ⋅ − ⋅ + ⋅ + ⋅ + ⋅ϑ∫ (1.10)

( )y x z B zy D zz D zA

M z dA E A u A v A w A ω′ ′′ ′′ ′′= σ ⋅ ⋅ = ⋅ ⋅ − ⋅ − ⋅ − ⋅ϑ∫ (1.11)

( )x B y D z DA

M dA E A u A v A w Aω ω ω ω ωω′ ′′ ′′ ′′= σ ⋅ω⋅ = ⋅ ⋅ − ⋅ − ⋅ − ⋅ϑ∫ (1.12)

Dabei wurden Abkürzungen für die Flächenintegrale eingeführt, wie z. B.

yzA

A y z dA= ⋅ ⋅∫ oder yA

A y dA= ⋅∫ (1.13)

Zur Verbesserung der Übersichtlichkeit kann für die Gln. (1.9) bis (1.12) auch die Matrizenschreibweise verwendet werden:

−−

=

ϑ ′′′′′′′

−−−

−−−

ωωωωωω

ω

ω

ω

MMMN

wvu

AAAAAAAAAAAAAAAA

Ey

z

D

D

B

zy

zzzyzz

yzyyyy

zy

(1.14)

Durch Lösen dieses Gleichungssystems können die 4 Unbekannten ϑ′′′′′′′ undw,v,u DDB bestimmt und somit auch die Normalspannung in jedem

beliebigen Punkt des Querschnittes berechnet werden. Diese Vorgehensweise wird unter anderem in den Programmen QST-FZ [129] und KSTAB-FZ [128] angewendet. Für die Handrechnung werden in der Regel die Bezugspunkte B=S und D=M gewählt sowie das normierte Hauptachsensystem y-z als Bezugssystem verwendet. Dadurch ergeben sich die folgenden Flächenintegrale zu Null

0AAAAAA zyyzzy ====== ωωω (1.15)

und man erhält 4 entkoppelte Gleichungen, die die bekannten Differentialgleichungen am Querschnitt sind. In Gl. (1.16) sind diese in Matrizenschreibweise dargestellt.

−=

ϑ′′′′

′′′

ωω M

MMN

wvu

I000

0I0000I0000A

Ey

z

M

M

S

y

z (1.16)

Page 22: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

1 Einführung 14

Virtuelle Arbeit

Ein Tragwerk befindet sich im Gleichgewicht, wenn die Summe der virtuellen Arbeiten gleich Null ist. Die Bedingung

0WWW intext =δ+δ=δ (1.17)

ist daher die allgemeine Forderung, dass Gleichgewicht vorhanden ist. Eine Formulierung der virtuellen Arbeit für gerade Stäbe ist in Tabelle 1.3 angegeben.

Tabelle 1.3 Virtuelle Arbeit intext WWW δ+δ=δ für gerade Stäbe [51]

Lineare Stabtheorie (Theorie I. Ordnung):

( ) ( )

S x M y M z x

S x M y M z M zL M yL xL L

M x F M x F x F y F M z F M

( u q v q w q m ) dx

u F v F w F v M w M M M

v F y w F z F F z z F y yω

δ ⋅ + δ ⋅ + δ ⋅ + δϑ ⋅ ⋅

′ ′ ′+ δ ⋅ + δ ⋅ + δ ⋅ + δ ⋅ − δ ⋅ + δϑ ⋅ − δϑ ⋅

′ ′ ′− δ ⋅ ⋅ − δ ⋅ ⋅ − δϑ ⋅ ⋅ ω − δϑ ⋅ ⋅ − + δϑ ⋅ ⋅ −

( )

( )

( ) ( ) ( )

( )

S S M z M M y M T

M v M M w M M M M v cv M

2v cv M M v cv M M S M

S M M

u EA u v EI v w EI w EI GI dx

v c v w c w c v S v v c z z

c z z v c z z v S z z

S z z v

ω

ϑ

′ ′ ′′ ′′ ′′ ′′ ′′ ′′ ′ ′− δ ⋅ ⋅ + δ ⋅ ⋅ + δ ⋅ ⋅ + δϑ ⋅ ⋅ ϑ + δϑ ⋅ ⋅ ϑ ⋅

′ ′− δ ⋅ ⋅ + δ ⋅ ⋅ + δϑ ⋅ ⋅ ϑ + δ ⋅ ⋅ − δ ⋅ ⋅ − ⋅ ϑ

′ ′− δϑ ⋅ ⋅ − ⋅ + δϑ ⋅ ⋅ − ⋅ ϑ − δ ⋅ ⋅ − ⋅ ϑ

′ ′ ′− δϑ ⋅ ⋅ − ⋅ + δϑ ⋅

( )

( ) ( )( )

2S M

S u S M v M M v M M w M M w M

M v cv M v cv M M2

v cv M

S z z dx

u C u v C v v C v w C w w C w

C C v C z z C z z v

C z z

′ ′

ϑ ω

′⋅ − ⋅ ϑ ⋅′ ′ ′ ′+ δ ⋅ ⋅ + δ ⋅ ⋅ + δ ⋅ ⋅ + δ ⋅ ⋅ ⋅ δ ⋅ ⋅

′ ′+ δϑ ⋅ ⋅ ϑ + δϑ ⋅ ⋅ ϑ − δ ⋅ ⋅ − ⋅ ϑ − δϑ ⋅ ⋅ − ⋅

+ δϑ ⋅ ⋅ − ⋅ ϑ

Zusätzliche Arbeitsanteile für die Theorie II. Ordnung und Stabilität:

( ) dxwyywvzzvwwvvN MMMMMMMMMMMM ⋅′⋅⋅ϑ′δ−ϑ′⋅⋅′δ−′⋅⋅ϑ′δ+ϑ′⋅⋅′δ+′⋅′δ+′⋅′δ⋅− ∫

M y y M M z z M rr( v M M v w M M w M ) dx′′ ′′ ′′ ′′ ′ ′− δ ⋅ ⋅ ϑ + δϑ ⋅ ⋅ + δ ⋅ ⋅ ϑ + δϑ ⋅ ⋅ + δϑ ⋅ ⋅ ϑ ⋅∫

) ( ) ( )y q M z q M y F M z F M( q (y y ) q (z z ) dx F y y F z z− δϑ ⋅ ⋅ − ⋅ ϑ + δϑ ⋅ ⋅ − ⋅ ϑ ⋅ − δϑ ⋅ ⋅ − ⋅ ϑ − δϑ ⋅ ⋅ − ⋅ ϑ∫ M x F x F M M x F x F Mv F z F z v w F y F y w′ ′ ′ ′+δ ⋅ ⋅ ⋅ ϑ + δϑ⋅ ⋅ ⋅ − δ ⋅ ⋅ ⋅ ϑ − δϑ⋅ ⋅ ⋅ mit: ( )∫ ωω ⋅+⋅+⋅−⋅=⋅−+−⋅σ=

Azyyz

2M

2M

2Mxrr rMrMrMiNdA)yy()zz(M

2M

2M

2p

2M zyii ++=

Ai zy2p

II += ∫ ⋅+⋅ω⋅=

ωω

A

22 dA)zy(1r I

∫ ⋅−⋅+⋅⋅=A

M22

zy y2dA)zy(y1r I ∫ ⋅−⋅+⋅⋅=

AM

22

yz z2dA)zy(z1r I

Page 23: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

2 Experimentelle und theoretische Untersuchungen zum Tragverhalten

2.1 Einleitung

Im Mittelpunkt dieses Kapitels stehen experimentelle und theoretische Untersuchun-gen zum Tragverhalten. Dabei werden vor allem die etwa 70 Versuche zugrunde gelegt, die im Rahmen eines gemeinsamen Forschungsvorhabens an den Stahlbau-lehrstühlen in Aachen (AC), Berlin (BE) und Bochum (BO) durchgeführt worden sind. Der Forschungsbericht [52] der FOSTA enthält detaillierte Angaben zu den Versuchsaufbauten und der Versuchdurchführung sowie den vorhergehenden und begleitenden Messungen. Erste Erkenntnisse zum Tragverhalten finden sich [55].

Zur Entwicklung und Absicherung von Bemessungsverfahren ist es nach wie vor erforderlich, experimentelle Untersuchungen durchzuführen. Durch entsprechende Versuche soll dabei die Traglast von einzelnen Stäben oder Systemen ermittelt werden. Als Traglast wird die Last bezeichnet, die sich im Versuch als maximal gemessene Kraft der Belastungszylinder ergibt. Weil die Versuche im Allgemeinen weggeregelt gefahren werden, kommt es bei Erreichen dieser Last (= Versagens-zustand) nicht zu einem abrupten Zusammenbruch des Systems, sondern lediglich zu einem Abfall der Last bei weiterer Zunahme der Verformungen. Die Traglast muss daher als Extremwert (= horizontale Tangente) der Last-Verformungs-Kurven identifiziert werden. In Bild 2.1 wird als Beispiel die Last-Verformungs-Kurve des Versuchs BO-HEB 200-III/4 [52] gezeigt. Dabei ist die Kraft N des Zylinders über dem Kolbenweg s aufgetragen. Das Maximum der Kurve liegt bei 749,4 kN, was somit die Traglast des untersuchten Systems darstellt.

749,40

0

100

200

300

400

500

600

700

800

0 2 4 6

s [cm]

N [kN]

Kolbenweg

Bild 2.1 System und Last-Verformungskurve des Versuchs BO-HEB 200-III/4 [52]

Page 24: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

2 Experimentelle und theoretische Untersuchungen zum Tragverhalten 16

749,4

0

100

200

300

400

500

600

700

800

0 2 4 6 8

w [cm]

N [kN]

Versuch

0

100

200

300

400

500

600

700

800

0 2000 4000 6000 8000

My [kNcm]

734,4

0100200300400500600700800

-30-20-100

v [cm]

N [kN]

ABAQUS

0100200300400500600700800

0 5000 10000 15000

Mz [kNcm]

732,1

0

100

200

300

400

500

600

700

800

-0,15-0,1-0,050

ϑ [rad]

N [kN]

KSTAB-FZ

0

100

200

300

400

500

600

700

800

-5000 0 5000 10000 15000

Mω [kNcm2]

Bild 2.2 Verformungen und Schnittgrößen in Feldmitte für den Versuch

BO-HEB 200-III/4

Page 25: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

2.1 Einleitung 17

Neben der Ermittlung der Traglast dienen Versuche auch dazu, mittels geeigneter Messungen Erkenntnisse zum Last-Verformungs-Verhalten des untersuchten Systems zu gewinnen. Trotzdem sind zusätzliche theoretische Untersuchungen unumgänglich, wenn das Tragverhalten und die Versagensursache des Systems vollständig geklärt werden sollen. Dabei ist vor allem die Nachrechnung der Versuche nach der Fließ-zonentheorie zu nennen. Werden Eingangsgrößen, wie z. B. die Streckgrenze, vorher genau ermittelt, so können Versuche mit einer hohen Genauigkeit nachgerechnet und nachvollzogen werden. Bild 2.2 zeigt die gemessenen und die berechneten Verformungen, die sich für den Versuch BO-HEB 200-III/4 in Feldmitte ergeben. Die Nachrechnungen mit ABAQUS [24] und KSTAB-FZ [128] führen beide zu sehr guten Übereinstimmungen mit dem Versuch. Die Abweichungen liegen für die Traglast unter 2,5 %, wenn der Querschnitt, wie in Bild 2.3 dargestellt, als 3-Blechquerschnitt mit Überlappung des Steges bis zu den Gurtmittellinien (Idealisierung A) abgebildet wird. Werden die Ausrundungsradien gemäß Idealisie-rung B durch entsprechende Ersatzflächen berücksichtigt, sinken die Abweichungen unter 1 %. Weil die Unterschiede sehr gering sind und das grundsätzliche Verhalten identisch ist, bestehen keine Bedenken, für die weiteren Berechnungen und Auswertungen in der Regel Idealisierung A zu verwenden. Die Torsionssteifigkeit G⋅IT kann bei Bedarf durch einen erhöhten Schubmodul an die Werte des Walzprofils angeglichen werden.

Bild 2.3 Querschnittsidealisierung von gewalzten I-Profilen

Durch die rechnerische Simulation können zusätzliche Informationen über den Versuch gewonnen werden, wie z. B. die Entwicklung der Schnittgrößen im Verlauf der Laststeigerung, die in Bild 2.2 rechts dargestellt ist. Erst mit diesen Zusatzinformationen ist es möglich, das Tragverhalten des untersuchten Systems weiter zu klären. Dabei stellt sich insbesondere die Frage nach der Versagensursache, also warum die Last im Versuch nicht weiter gesteigert werden konnte. Die sicherlich naheliegendste Versagensursache ist die, dass ein System oder ein Teilsystem kinematisch wird, weil an entsprechend vielen Stellen die plastische Querschnittstragfähigkeit zu 100 % ausgenutzt ist. Im Rahmen der Fließgelenktheorie spricht man in diesem Fall davon, dass sich eine Fließgelenkkette ausbildet. Bei statisch bestimmten Systemen ist dieser Zustand bereits erreicht, wenn es an mindestens einer Stelle des Systems zum Querschnittsversagen kommt. Es soll an dieser Stelle betont werden, dass das Querschnittsversagen die rechnerisch einzig mögliche Versagensursache ist, wenn bei der Ermittlung der Zustandsgrößen unbeschränkt elastisches Materialverhalten zu Grunde gelegt wird. Nur wenn das

Page 26: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

2 Experimentelle und theoretische Untersuchungen zum Tragverhalten 18

nichtlineare Materialverhalten von Stahl bereits bei der Systemberechnung berücksichtigt wird, kann festgestellt werden, ob es vor Erreichen des Querschnittsversagens zum Eigenwertversagen des Systems kommt. Diese Art des Versagens ist von der Bemessung statisch unbestimmter Rahmentragwerke nach der Fließgelenktheorie II. Ordnung bekannt. Bild 2.4 zeigt hierzu ein Beispiel aus [58]. Durch sukzessive Einführung der Fließgelenke an den Stellen 1 bis 3 des dargestellten Rahmensystems nimmt der Eigenwert des Systems und damit die kritische Last PKi stufenweise ab. Im Fall a) liegt die kritische Last bis zur Einführung des dritten und letzten Gelenkes über der aufgebrachten Last. Im Fall b) fällt der Eigenwert des Systems nach Einführung des zweiten Gelenkes unter 1, so dass die aufgebrachte Last über der kritischen Last liegt und kein stabiles Gleichgewicht mehr vorhanden ist. Dieses Versagen des Systems vor Erreichen der plastischen Grenzlast soll als Eigenwertversagen bezeichnet werden.

a) b)

Bild 2.4 System und Last-Verformungs-Kurven eines Rahmentragwerks [58]

Dass der Eigenwert im betrachteten Beispiel stufenweise abnimmt, hängt mit der vereinfachenden Annahme der Fließgelenktheorie zusammen, die auftretenden Plastizierungen konzentriert in Fließgelenken anzunehmen und das restliche System weiter als elastisch zu betrachten. In Wirklichkeit entstehen aber Fließzonen im System, so dass sich der Eigenwert kontinuierlich verändert und nicht sprunghaft. Würde man für das System in Bild 2.4 und Fall b) eine Grenzlastberechnung nach der Fließzonentheorie II. Ordnung durchführen, so ergäbe sich eine kontinuierliche Last-Verformungs-Kurve mit einem Maximalwert, der zwischen den Werten des ersten und zweiten Fließgelenkes liegen würde. Durch die Ausbreitung der Fließzonen wäre der kleinste positive Eigenwert des teilplastizierten Systems bereits vor Erreichen der Last, die zum 2. Fließgelenk gehört, auf 1 gesunken.

Page 27: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

2.1 Einleitung 19

Das Eigenwertversagen des teilplastizierten Systems ist ein Versagenszustand, der nicht nur bei statisch unbestimmten Systemen maßgebend werden kann, wie die folgende Untersuchung verdeutlichen soll. Für den Versuch BO-HEB 200-III/4 (s. Bild 2.1) wird überprüft, ob im Traglastzustand an mindestens einer Stelle des Systems die plastische Querschnittstragfähigkeit zu 100 % ausgenutzt ist, wobei es in diesem Fall genügt, die höchst beanspruchte Stelle in Feldmitte zu betrachten. Mit den Schnittgrößen, die sich aus der Fließzonenberechnung mit ABAQUS ergeben (Bild 2.2 rechts), wird die Querschnittsausnutzung im Verlauf der Laststeigerung bestimmt, wozu sowohl das Teilschnittgrößenverfahren (TSV) [46], [48], [47] als auch das Programm QST-FZ [129] verwendet werden (s. a. Abschnitt 3.3.4). Die Ergebnisse sind in Bild 2.5 dargestellt. Weil die Ergebnisse beider Verfahren quasi identisch sind (Unterschied < 1 ‰), ist nur eine Kurve zu erkennen.

734,4

80,8

%

100,

0%

471,4

0

100

200

300

400

500

600

700

800

0 20 40 60 80 100 120

Sd / Rd [%]

N [kN]

TSV undQST-FZ

Bild 2.5 Plastische Ausnutzung des Querschnitts in Feldmitte, ermittelt mit den

Schnittgrößen aus ABAQUS (s. Bild 2.2 rechts)

Eine wichtige Erkenntnis der Auswertung ist, dass die Querschnittstragfähigkeit bei Erreichen der Maximallast von 734,4 kN lediglich zu 80,8 % ausgenutzt ist. Erst wenn die Last wieder auf 471,4 kN abgefallen ist (= 64 % der Maximallast), wird eine 100 %-ige Ausnutzung der Querschnittstragfähigkeit infolge der auftretenden Schnittgrößen erreicht. Damit ist klar, dass das Querschnittsversagen nicht die maßgebende Versagensursache sein kann, sondern stattdessen das Eigenwert-versagen des teilplastizierten Systems eine weitere Laststeigerung verhindert.

In den folgenden Abschnitten dieses Kapitels soll das nichtlineare Tragverhalten stabilitätsgefährdeter Stäbe anhand von experimentellen und theoretischen Untersu-chungen eingehend analysiert werden. Einen Schwerpunkt bildet dabei die weitere Klärung und Erläuterung der Versagensursachen sowie der Methoden, die zur Feststellung der jeweiligen Ursache verwendet werden können. Tabelle 2.1 gibt einen Überblick über die untersuchten Systeme, Querschnitte und Belastungen.

Page 28: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

2 Experimentelle und theoretische Untersuchungen zum Tragverhalten 20

Tabelle 2.1 Zusammenstellung der untersuchten Systeme (Versuche aus [52])

Abschnitt Thema und System Versuchsreihen

2.2 Stäbe mit überwiegender Drucknormalkraft 2.2.1 und 2.2.2

Reine Normalkraft

Normalkraft und zweiachsige Biegung

BO-HEB 200-III

2.3 I-Träger mit überwiegender Biegung 2.3.1 Biegung um die starke Achse

BE-IPE 200 u. BE-HEB 200

2.3.2 Zweiachsige Biegung und Torsion

BE-IPE 200 u. BE-HEB 200

2.4 U-Träger mit Biegung und Torsion 2.4.1 Querschnittstragfähigkeit für Biegung um die starke Achse

AC-UPE 200

2.4.2 Bauteiltragfähigkeit bei Biegung und Torsion

BE-UPE 200

Page 29: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

2.2 Stäbe mit überwiegender Drucknormalkraft 21

2.2 Stäbe mit überwiegender Drucknormalkraft

2.2.1 Reine Drucknormalkraft

Bei Stäben, die planmäßig durch Drucknormalkräfte beansprucht sind, ist das Stabilitätsproblem des Biegeknickens hinlänglich bekannt und bereits häufig untersucht worden. Trotzdem mangelt es an einer klaren und präzisen Darstellung der Effekte und Phänomene, die das Tragverhalten druckbeanspruchter Stäbe kennzeichnen und ausmachen. Aus diesem Grund wird hier das Tragverhalten des Eulerstabes untersucht, der in Bild 2.6 dargestellt ist.

Querschnitt

~ HEA 200 fy=24 kN/cm2

A = 51,70 cm2 Iy = 3555,9 cm4 Iz = 1333,3 cm4 Npl = 1240,8 kN Mpl,y = 9904 kNcm Mpl,z = 4800 kNcm

Bild 2.6 Eulerstab

Grundlegende Voraussetzung zur Ermittlung einer wirklichkeitsnahen Grenzlast für dieses System ist die Annahme eines imperfekten, vorverformten Stabes, weil infolgedessen Biegemomente entstehen, die das Tragverhalten entscheidend beeinflussen. Bei Ansatz einer Sinushalbwelle als Vorkrümmung des Stabes gilt für das Biegmoment in Feldmitte ein nichtlinearer Zusammenhang mit der Normalkraft, der in Gl. (2.1) angegeben ist.

II I0

Ki

1M N f MN1N

= ⋅ ⋅ = ⋅α−

(2.1)

Daraus erkennt man, dass das Biegemoment nach Theorie II. Ordnung unbegrenzt anwächst, wenn N → NKi geht. Eine Bemessung nach dem Verfahren Elastisch-Plastisch (E-P) wird daher immer zu einer Grenzlast führen, die unterhalb der idealen Verzweigungslast liegt, insofern eine entsprechende Vorkrümmung berücksichtigt wird. Das soll durch die folgende Untersuchung verdeutlicht werden. Für den in Bild 2.6 dargestellten Eulerstab wird das Biegeknicken um die schwache Achse untersucht. Unter Berücksichtigung unterschiedlich großer Vorkrümmungen v0 werden die Grenzlasten nach dem Verfahren E-P ermittelt. Die Berechnungs-ergebnisse sind in Tabelle 2.2 zusammengestellt. Selbst eine minimale Vorkrümmung von L/100000 führt aufgrund des erläuterten Zusammenhangs bei N/NKi = 0,999 zu einer 100 %-igen Ausnutzung des Querschnitts in Feldmitte.

Page 30: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

2 Experimentelle und theoretische Untersuchungen zum Tragverhalten 22

Tabelle 2.2 Grenzlasten nach dem Verfahren E-P für unterschiedliche v0-Werte

Nu NNpl

MzII M

Mpl

N-M-Interaktion

NNKi,z

L / cm kN - kNcm - - -100000 0,0067 619,8 0,500 4201 0,875 1,0000 0,9990

1000 0,6674 566,8 0,457 4374 0,911 1,0000 0,9135250 2,6696 457,2 0,368 4638 0,966 1,0000 0,7369

v0

In Bild 2.7 ist die rechnerische Last-Verformungs-Kurve sowie die Entwicklung des Biegemomentes in Feldmitte für v0 = L/250 dargestellt. Zusätzlich sind auch die Kurven entsprechender Fließzonenberechnungen mit KSTAB-FZ und ABAQUS eingezeichnet. Dabei wird mit der gleichen Vorkrümmung gerechnet, um den traglastmindernden Einfluss der entstehenden Fließzonen zeigen zu können. Für eine Bemessung wären v0 = L/1000 und Eigenspannungen anzusetzen (s. Abschnitt 4.5). Gut zu erkennen ist bei allen Kurven der nichtlineare Zusammenhang zwischen der aufgebrachten Normalkraft und den resultierenden Verformungen und Biegemomenten. Die Nichtlinearität nimmt bei den Fließzonenberechnungen noch zu, sobald die elastische Grenzlast überschritten wird (Nel = 357 kN). Durch die Ausbreitung der entstehenden Fließzonen wird das System zunehmend weicher und die Verformungen und Biegemomente nehmen stärker zu.

388,1

387,8

457,2

0

50

100

150

200250

300

350

400

450

500

0 5 10

v [cm]

N [kN]

357,0

0

50

100150

200

250

300

350400

450

500

-6000-4000-20000

Mz [kNcm]

1. Fließen FZT(ABAQUS)

FZT (KSTAB-FZ)

E- P

Bild 2.7 Zum Einfluss der Fließzonen auf das Tragverhalten und die Tragfähigkeit

(alle Berechnungen mit v0 = L/250 !)

Das stärkere Anwachsen der Biegemomente ist aber nicht der Grund dafür, dass die Grenzlast nach der Fließzonentheorie über 15 % geringer ist als die nach dem Verfahren E-P. Im Grenzzustand ist Mz sogar noch deutlich geringer als beim Verfahren E-P, s. Bild 2.7 rechts. Setzt man die Schnittgrößen N und Mz in die Nachweisbedingungen des Teilschnittgrößenverfahrens ein und ermittelt iterativ den

Page 31: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

2.2 Stäbe mit überwiegender Drucknormalkraft 23

möglichen Steigerungsfaktor, so ergibt sich als Kehrwert die Querschnittsausnutzung. Sie liegt im Grenzzustand lediglich bei 72 %, s. Bild 2.8 rechts.

388,1

72%

0

50

100

150

200

250

300

350

400

450

0 20 40 60 80 100

Sd / Rd [%]

QST-FZund TSV

0,313 0,673

0

50

100

150

200

250

300

350

400

450

0 0,2 0,4 0,6 0,8 1

mi

N [kN]

s i = Si / Spl,i

n mz

Bild 2.8 Bezogene Schnittgrößen und resultierende Querschnittsausnutzung im

Verlauf der Berechnung (KSTAB-FZ)

Wie bereits in Abschnitt 2.1 angedeutet, kann durch diese Auswertung festgestellt werden, dass das Querschnittsversagen nicht die maßgebende Versagensursache ist. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass dann das Eigenwertversagen des teilplastizierten Systems zum Versagen geführt haben muss. Mit einer weiteren Untersuchung soll die Richtigkeit dieses Umkehrschlusses belegt werden. Bild 2.9 zeigt den mit KSTAB-FZ ermittelten Plastizierungszustand im Querschnitt in Feldmitte sowie die Ausbreitung der Fließzonen über die Stablänge für den Grenzzustand der Tragfähigkeit.

- 24,00

19,13

- 8,55

- 8,55

- 24,00

19,13

Obergurt

Steg

Untergurt

L / 4 L / 4 L / 4 L / 4

Bild 2.9 Plastizierungen im Querschnitt Feldmitte und Ausbreitung der Fließzonen im System bei Erreichen der Grenzlast (KSTAB-FZ) für v0 = L/250

Page 32: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

2 Experimentelle und theoretische Untersuchungen zum Tragverhalten 24

Um den Einfluss der Fließzonen auf die kritische Last des Systems zu ermitteln, wird das Programm KSTAB-FZ so modifiziert, dass nach jedem Lastinkrement der kleinste positive Eigenwert des folgenden Gleichungssystems bestimmt werden kann.

(K + ηK ⋅ G) ⋅ v = 0 (2.2) Dabei gehen in die elastische Steifigkeitsmatrix K nur noch die „wirksamen“ Steifigkeiten ein (s. Abschnitt 4.2) und in die geometrische Steifigkeitsmatrix G die aufsummierten Schnittgrößen nach Theorie II. Ordnung. Die auf diese Weise ermittelte kritische Last NK = ηK⋅N ist in Bild 2.10 über der Belastung N aufgetragen. Bis zum Erreichen der elastischen Grenzlast entspricht die kritische Last der ideellen Verzweigungslast des Systems. Danach sinkt die kritische Last infolge der abnehmenden Steifigkeiten immer weiter ab und begrenzt letzten Endes die Laststeigerung, weil die äußere Last gleich der kritischen Last des Systems ist (Nu = NK). Dadurch ist das Erreichen eines stabilen Gleichgewichtszustandes bei einer größeren Last nicht mehr möglich und die Berechnung wird abgebrochen.

200

300

400

500

600

700

200 250 300 350 400 450 500 N

NK

Beginn des Fließens

Nu = NK = 388 kN

NK = NKi = 620 kN

Bild 2.10 Zur Begrenzung der Laststeigerung durch die kritische Last des

teilplastizierten Systems

Aus den beschriebenen Untersuchungen lassen sich 2 Schlüsse zum Tragverhalten druckbeanspruchter Stäbe ziehen:

1. Durch eine imperfekte, vorverformte Stabachse entstehen neben der planmäßigen Normalkraft zusätzliche Biegemomente im System, die die Tragfähigkeit gegenüber der vollplastischen Grenznormalkraft Npl des Querschnitts deutlich reduzieren, s. Tabelle 2.2.

2. Bei der Fließzonenberechnung ist die Versagensursache nicht die volle Aus-nutzung der plastischen Querschnittstragfähigkeit durch die Schnittgrößen N und M, sondern das Erreichen der kritischen Last des teilplastizierten Systems, s. Bild 2.8 und Bild 2.10. Dies führt zu einer wesentlichen Reduktion der Grenzlast gegenüber dem Verfahren E-P. Für eine Bemessung sind daher bei letzterem geometrische Ersatzimperfektionen anzusetzen (s. Abschnitt 3.3).

Page 33: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

2.2 Stäbe mit überwiegender Drucknormalkraft 25

Nachdem das grundsätzliche Tragverhalten analysiert und die wichtigsten Tragphänomene ermittelt werden konnten, sollen die Untersuchungen durch Berechnungen mit Variation der folgenden Parameter ergänzt werden:

- Biegeknicken starke und schwache Achse - mittlere und große Schlankheiten - Ansatz verschiedener Eigenspannungsverteilungen

Dazu wird weiter das System in Bild 2.6 betrachtet, wobei die Länge entsprechend der jeweiligen Schlankheit und der Knickachse angepasst wird. Als Vorverformung werden parabelförmige Vorkrümmungen mit einem Stich von L/1000 angesetzt. Daraus resultierende Unterschiede im Vergleich zu Berechnungen mit einer Sinushalbwelle sind vernachlässigbar. Die Eigenspannungsverteilungen und -ordinaten richten sich nach Tabelle 4.3, wobei sowohl die linearen als auch die parabolischen Verteilungen untersucht werden. In Tabelle 2.3 sind die Ergebnisse der Grenzlastberechnungen zusammengestellt. Tabelle 2.3 Grenzlasten nach FZ-Theorie für unterschiedliche Schlankheiten, Ausweich-

richtungen und Eigenspannungsverteilungen, ermittelt jeweils mit f0 = L/1000

Nu,y[kN]

% Nu

Npl

Sd / Rd

TSV [%]Nu,z[kN]

% Nu

Npl

Sd / Rd

TSV [%]Nu,z

Nu,y

keine 1007,2 100 0,81 97,3 960,8 100 0,77 87,2 0,954

parabol. 933,0 92,6 0,75 97,8 806,9 84,0 0,65 78,2 0,865

linear 890,5 88,4 0,72 96,0 755,5 78,6 0,61 72,3 0,848

keine 546,1 100 0,44 91,6 517,3 100 0,42 65,3 0,947

parabol. 513,4 94,0 0,41 84,6 455,1 88,0 0,37 51,4 0,886linear 501,2 91,8 0,40 81,8 440,7 85,2 0,36 48,3 0,879

schwache Achsestarke AchseEigen-spann.

K pl Kigroße Schlankheit ( 1,414 N N 2)λ = ⇔ =

K pl Kimittlere Schlankheit ( 0,866 N N 0,75)λ = ⇔ =

Aus dem Verhältnis der Grenzlasten für die starke und schwache Achse erkennt man, dass sich für die schwache Achse zum Teil deutlich geringere Grenzlasten bei gleicher bezogener Schlankheit ergeben (s. letzte Spalte in Tabelle 2.3). Ohne Ansatz von Eigenspannungen resultiert der Unterschied vornehmlich aus der größeren Querschnittstragfähigkeit der starken Achse (Wy/Wz = 2,9, Mpl,y/Mpl,z = 2,1), weil im elastischen Bereich die Biegemomente nach Theorie II. Ordnung für die starke und schwache Achse gleich groß sind (s. MII nach Gl. (2.1) mit NKi,y = NKi,z). Durch den Ansatz von Eigenspannungen vergrößert sich der Unterschied zwischen Nu,y und Nu,z

Page 34: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

2 Experimentelle und theoretische Untersuchungen zum Tragverhalten 26

noch einmal erheblich. Betrachtet man zur Erläuterung die Ausbreitung der Fließzonen, die sich mit und ohne Eigenspannungen für die beiden Achsen ergeben (s. Bild 2.11 und Bild 2.12), so wird dieser Unterschied verständlich. Für die schwache Achse entstehen mit und ohne Eigenspannungen sehr ähnliche Ausbreitungen der Fließzonen im System, was bedeutet, dass sich die Eigenspannungen besonders ungünstig auswirken, weil die Lastspannungen aus N und Mz durch die Eigenspannungen wesentlich vergrößert werden.

a) ohne Eigenspannungen - 24,00

- 9,00- 19,10

- 19,10

- 24,00- 9,00

Obergurt

Steg

Untergurt

L / 4L / 4 L / 4 L / 4

b) mit parabolisch verteilten Eigenspannungen - 24,00

- 11,63

- 11,00

- 11,00

- 24,00

- 11,63

-24,00

Obergurt

Steg

Untergurt

L / 4L / 4 L / 4 L / 4

Bild 2.11 Spannungszustand in Feldmitte und Ausbreitung der Fließzonen im System bei Erreichen der Grenzlast für Biegeknicken schwache Achse und λ =K 0,866

Page 35: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

2.2 Stäbe mit überwiegender Drucknormalkraft 27

Für die starke Achse ergeben sich dagegen mit und ohne Eigenspannungen völlig unterschiedliche Fließzonenausbreitungen. Ohne Eigenspannungen entsteht nur in Feldmitte ein sehr begrenzter Bereich, in dem es zu Plastizierungen kommt. Weil der Obergurt aber auf der gesamten Breite plastiziert, ist diese Schwächung ausreichend, um zum Eigenwertversagen des Systems zu führen. Im Gegensatz dazu beginnt der Obergurt bei Ansatz von Eigenspannungen von den Außenkanten her zu plastizieren. Im Grenzzustand sind im Steg und im Obergurt auf der gesamten Länge Fließzonen entstanden, aber die Mitte des Obergurtes ist weiter elastisch. Hier ist also die Aus-breitung der Fließzonen über einen längeren Bereich entscheidend für das Versagen. Mit Kenntnis dieser Zusammenhänge wird klar, warum sich die Eigenspannungen bei der schwachen Achse ungünstiger auswirken als bei der starken Achse.

a) ohne Eigenspannungen - 24,00- 24,00

- 24,00

- 15,06

- 15,06- 15,06

Obergurt

Steg

Untergurt

L / 4 L / 4 L / 4 L / 4

b) mit parabolisch verteilten Eigenspannungen - 24,00- 24,00

- 22,69

- 5,19

- 22,86- 22,86

Obergurt

Steg

Untergurt

L / 4 L / 4 L / 4 L / 4

Bild 2.12 Spannungszustand in Feldmitte und Ausbreitung der Fließzonen im System bei Erreichen der Grenzlast für Biegeknicken starke Achse und λ =K 0,866

Page 36: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

2 Experimentelle und theoretische Untersuchungen zum Tragverhalten 28

Zur Verteilung der Eigenspannungen ist zu bemerken, dass die linear verteilten Spannungen nach Zeile 2 der Tabelle 4.3 durchweg zu geringeren Grenzlasten führen als die parabolisch verteilten nach Zeile 1. Zur Klärung der Ursache sind in Bild 2.13 beide Verläufe für einen Gurt übereinander dargestellt. Für die Ordinate an der Außenkante wird 0,5 fy gewählt (h/b ≤ 1,2). Berechnet man die resultierende Normal-kraft res x GurtN dA= σ ⋅∫ , so ergibt sich für die parabolische Verteilung eine Zugkraft im Gurt während sich die Zug- und Druckspannungen der linearen Verteilung im Gurt ausgleichen. Noch wichtiger ist aber, dass der Spannungsnulldurchgang bei der parabolischen Verteilung weiter außen liegt und die negativen Spannungen nach innen hin stärker abnehmen als bei der linearen Verteilung. Dadurch können höhere Lastspannungen aufgenommen werden, bis der gleiche Plastizierungszustand im Gurt erreicht ist. Das ist der wesentliche Grund dafür, dass die parabolisch verteilten Eigenspannungen zu höheren Grenzlasten führen.

-0,5

0

0,5

0,00 0,25 0,50 0,75 1,00

x/b

σE / fy

Nres = 0

0,5

0,3Nres = + 0,0333×AGurt×fy

Bild 2.13 Parabolisch und linear verteilte Eigenspannungen im Gurt für h/b ≤ 1,2

mit Angabe der resultierenden Normalkraft

Page 37: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

2.2 Stäbe mit überwiegender Drucknormalkraft 29

Zum Abschluss der Untersuchungen zum Biegeknicken bei reiner Drucknormalkraft soll noch die Versagensursache angesprochen werden. Wie nach den bisherigen Erkenntnissen zu erwarten war, wird bei allen Berechnungen, die in Tabelle 2.3 zusammengetragen sind, das Eigenwertversagen maßgebend. Dies zeigt die Auswertung der Querschnittsausnutzung für den Grenzzustand der Tragfähigkeit. Sie ist in allen Fällen kleiner als 100 %. Exemplarisch sind in Bild 2.14 für einen Fall die Last-Verformungs-Kurven und Last-Schnittgrößen-Kurven dargestellt. Als typisches Kennzeichen des Eigenwertversagens ist in den Last-Verformungs-Kurven nach Überschreiten der Maximallast ein deutlicher Abfall der Last bei zunehmender Verformung zu erkennen.

517,29

440,73455,13

0

100

200

300

400

500

600

0 10 20 30

v [cm]

N [kN]

0

100

200

300

400

500

600

-6000-4000-20000

Mz [kNcm]

keine ES

ES par.ES lin.

Bild 2.14 Durchbiegung und Biegemoment in Feldmitte für Biegeknicken schwache

Achse und λ =K 1,414

Für die Berechnung mit linear verteilten Eigenspannungen zeigt die Auswertung in Bild 2.15, dass die plastische Querschnittstragfähigkeit im Grenzzustand lediglich zu 48,3 % ausgenutzt ist. Die Schnittgrößen N und Mz, die im Bild links bezogen auf die vollplastischen Grenzwerte dargestellt sind, könnten in diesem Zustand also noch mit dem Faktor 1/0,483 = 2,07 gesteigert werden, damit sich die Schnittgrößeninteraktion zu 1 ergibt. Durch die weitere Verformungszunahme nach Überschreiten der Maximallast wachsen auch die Biegemomente weiter an, so dass sich trotz abnehmender Belastung noch eine Querschnittsausnutzung von 100 % ergibt. In dem gezeigten Fall kann die bogenlängengesteuerte Berechnung sogar noch fortgesetzt werden, weil Mz = Mpl,z konstant bleibt und die Normalkraft vom Steg aufgenommen wird. Von Bedeutung ist die Tatsache, dass sich bei allen Berechnungen in Tabelle 2.3 am Ende eine Querschnittsausnutzung von exakt 100 % (± 0,1 %) ergibt. Das zeigt, dass bei der Berechnung mit ABAQUS dieselbe Querschnittstragfähigkeit erreicht wird, wie mit dem Teilschnittgrößenverfahren oder der dehnungsorientierten Methode des Programms QST-FZ. Somit können die beiden Verfahren zur Ermittlung des Versagenszustandes der Fließzonenberechnung mit ABAQUS herangezogen werden.

Page 38: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

2 Experimentelle und theoretische Untersuchungen zum Tragverhalten 30

48,3

%

100,

0%

440,73

248,78

0

100

200

300

400

500

0 20 40 60 80 100 120

Sd / Rd [%]

TSV undQST-FZ

0,201

n

0,3550,296

1,000

0

100

200

300

400

500

0 0,2 0,4 0,6 0,8 1

N [kN]

si = Si / Spl,i

mz

Bild 2.15 Bezogene Schnittgrößen und Querschnittsausnutzung im Verlauf der

Berechnung mit linear verteilten Eigenspannungen für Biegeknicken schwache Achse und λ =K 1,414

Page 39: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

2.2 Stäbe mit überwiegender Drucknormalkraft 31

2.2.2 Drucknormalkraft und zweiachsige Biegung

Nachdem im vorhergehenden Abschnitt das Tragverhalten druckbeanspruchter Stäbe theoretisch untersucht worden ist und die grundsätzlichen Tragphänomene aufgezeigt werden konnten, sollen in diesem Abschnitt aktuelle Versuche betrachtet und hinsichtlich des Tragverhaltens analysiert werden. Bild 2.16 zeigt das statische System der Versuchsreihe BO-HEB 200-III, welche im Rahmen des Forschungsvor-habens [52] durchgeführt worden ist. Die Reihe umfasste 8 Versuche an HEB 200-Stützen mit Drucknormalkraft und zweiachsiger Biegung, wobei die Stablängen sowie die Lastausmitten yN und zN variiert wurden, s. Tabelle 2.4.

Bild 2.16 Statisches System der Versuchsreihe BO-HEB 200-III

Tabelle 2.4 Versuche der Reihe BO-HEB 200-III

Versuch Länge

Nr. L yN zN ReH N[cm] [cm] [cm] [kN/cm2] [kN]

III-1 283 2,600 -3,400 40,7 1453,2III-2 283 1,400 -2,900 40,7 1706,2III-1a 283 1,200 -2,600 40,7 1832,6III-2a 283 0,500 -4,000 37,8 1799,8III-3 483 1,500 -8,000 41,4 966,0III-4 483 4,000 -8,000 41,4 749,4III-5 783 0,500 -4,000 38,5 613,6III-6 783 0,500 -8,000 38,5 669,0

Lastangriff(bzgl. S)

Streck-grenze

Traglast im Versuch

Page 40: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

2 Experimentelle und theoretische Untersuchungen zum Tragverhalten 32

Durch die Versuche sollte geklärt werden, welche Torsionseffekte bei Stäben mit Normalkraft und zweiachsiger Biegung auftreten können und welchen Einfluss sie auf die Tragfähigkeit haben. Neben der planmäßigen Einleitung von Lastwölbbimomenten MωL = -N ⋅ yN ⋅ zN an den Stabenden ist dabei die Torsion aus geometrischer Nichtlinearität zu nennen und im plastischen Bereich die Torsion infolge der physikalischen Nichtlinearität.

Als erstes wird der Versuch BO-HEB 200-III/2 näher betrachtet und analysiert. In Bild 2.17 sind die in Feldmitte gemessenen Verformungen für den weggeregelt gefahrenen Versuch wiedergegeben. Neben v und w entsteht auch eine leichte Verdrehung ϑ als Folge der bereits erwähnten Torsionseffekte.

1706,2

0200400600800

100012001400160018002000

0 1 2 3

w [cm]

N [kN]

1706,2

0200400600800100012001400160018002000

-0,1-0,050

ϑ [rad]

1316,2

Entlastung

1706,2

-7,5-5-2,50

v [cm]

Bild 2.17 In Feldmitte gemessene Verformungen für den Versuch BO-HEB 200-III/2

Um die hohen Drucknormalkräfte einleiten zu können, wurden die Stützen für die Versuche mit 30 mm dicken Kopfplatten versehen, die gleichzeitig eine Wölbbehin-derung des Querschnitts an den Stabenden darstellt. Die entsprechenden rechnerischen Federsteifigkeiten können, wie in Bild 2.18 gezeigt, bestimmt werden.

ω = ⋅T gC GI a

mit ⋅ ⋅= = =

3 34

Tb t 20 3I 180cm

3 3

( )ω = ⋅ ⋅ −

= 3

C 8100 180 20 1,5

26973000kNcm

Bild 2.18 Bestimmung der Wölbfedersteifgkeit infolge von Stirnplatten, nach [69]

Page 41: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

2.2 Stäbe mit überwiegender Drucknormalkraft 33

Für die Nachrechnung werden verschiedene Varianten untersucht, um festzustellen, welche Berechnungsannahmen am zutreffendsten sind. Leider ist der Ansatz von Wölbfedern in ABAQUS genauso wenig möglich wie die Berücksichtigung von Lastwölbbimomenten MωL, so dass sich zwangsläufig Unterschiede zu den Berechnungen mit KSTAB-FZ ergeben, da dort beides berücksichtigt wird. In Tabelle 2.5 sind die ermittelten Grenzlasten der verschiedenen Berechnungsvarianten angegeben. Tabelle 2.5 Grenzlasten für den Versuch BO-HEB 200-III/2

Versuch

Nu [kN] Nu [kN] % Nu [kN] % Nu [kN] %

ohne ES 1692,2 99,2 1706,6 100,0 1886,8 110,6mit ES 1612,3 94,5 1626,0 95,3 - -

KSTAB-FZ El-Plmit MωL und Cω

1706,0

ABAQUSohne MωL und Cω mit MωL und Cω

KSTAB-FZ

Bei den Varianten mit Eigenspannungen wurden die linearen Verteilungen nach Tabelle 4.3 angesetzt und als Bezugswert fy = 24 kN/cm2 verwendet, weil die Größe von Walzeigenspannungen von der Streckgrenze des Stahls weitgehend unabhängig ist, s. a. Abschnitt 4.5.2. Für die Berechnung mit Wölbfedern und Lastwölbbi-momenten aber ohne Eigenspannungen ergibt sich eine 100 %-ige Übereinstimmung der Grenzlast mit der Versuchstraglast. Die anderen Varianten führen zwar auch zu guten Übereinstimmungen für die Grenzlast, jedoch zeigen die Last-Verformungs-Kurven von KSTAB-FZ in Bild 2.19 und dabei insbesondere die für ϑ, dass der Ansatz von Wölbfedern und Lastwölbbimomenten am zutreffendsten ist. Der Ansatz von Eigenspannungen scheint für diesen Versuch nicht zutreffend zu sein, weil die Last-Verformungs-Kurven viel zu früh von den Versuchs-Kurven abweichen und die Grenzlast deutlich unter der Versuchstraglast liegt. Da sich für alle Versuche des For-schungsvorhabens [52] hinsichtlich der Eigenspannungen die gleichen Tendenzen ergaben, wurde im Rahmen dieses Vorhabens beschlossen, für die Nachrechnung der Versuche nur die Hälfte der in Tabelle 4.3 angegebenen Werte zu verwenden. An dieser Stelle wird auf die Angabe der entsprechenden Berechnungen verzichtet, weil sich an den grundsätzlichen Phänomenen und der Versagensursache nichts ändert.

Page 42: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

2 Experimentelle und theoretische Untersuchungen zum Tragverhalten 34

1706,21692,2

1706,6

1626,0

0

200400

600

800

10001200

1400

16001800

2000

0 1 2 3

w [cm]

N [kN]

0

200400

600

800

10001200

1400

16001800

2000

-8-6-4-20

v [cm]

Versuch

ABAQUS

KSTAB-FZ

KSTAB-FZmit ES

0

200400

600

800

10001200

1400

16001800

2000

-0,1-0,050

ϑ [rad]

N [kN]

E-P 1886,8

0

200

400

600

800

1000

1200

1400

1600

1800

2000

-10000 0 10000 20000 30000

Mω [kNcm2]

Bild 2.19 Rechnerische und gemessene Last-Verformungs-Kurven für den Versuch BO-HEB 200-III/2

Neben der Verdrehung ϑ ist in Bild 2.19 die Entwicklung des Wölbbimomentes Mω in Feldmitte dargestellt. Durch die geometrische Nichtlinearität entsteht zu Beginn des Versuchs ein negatives Wölbbimoment, welches noch verstärkt wird durch die eingeleiteten Lastwölbbimomente an den Stützenenden. Interessant ist, dass sich die Entwicklung ab einer gewissen Last umkehrt und ein wesentlich größeres, positives Wölbbimoment entsteht. Dies ist eine Folge der Plastizierungen in System und Querschnitt und stellt sich deshalb nur bei den Fließzonenberechnungen ein, wie die zum Vergleich eingezeichnete Berechnung nach dem Verfahren E-P in Bild 2.19 unten zeigt.

Page 43: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

2.2 Stäbe mit überwiegender Drucknormalkraft 35

Auf die reine Querschnittstragfähigkeit wirkt sich das positive Wölbbimoment günstig aus, weil dadurch eine stärkere Ausnutzung der Gurte möglich wird. Mit Bild 2.20 wird der Zusammenhang erläutert.

Bild 2.20 Volle Querschnittsplastizierung infolge N, My, Mz und Mω

Durch N (neg.) und My kommt es zur unterschiedlich starken Plastizierung der Gurte, die auch durch Mz nicht aufgehoben werden kann, weil es sich, bedingt durch die Symmetrie, zu gleichen Teilen auf die beiden Gurte aufteilt. Nur mit einem zusätz-lichen, positiven Mω kann diese ungleiche Verteilung ausgeglichen werden und der Querschnitt vollständig plastizieren. Der erläuterte Zusammenhang wurde bereits von Kindmann/Frickel in [48] vorgestellt und in [46] und [26] weiter untersucht.

Trotz der positiven Entwicklung von Mω wird im Versuch und in der Nachrechnung nach Fließzonentheorie aber eine geringere Grenzlast erreicht als bei der Ermittlung nach dem Verfahren Elastisch-Plastisch, bei der sich kein positives Wölbbimoment einstellen kann. Dieser scheinbare Widerspruch klärt sich auf, wenn man den Verlauf der Querschnittsausnutzung betrachtet, der in Bild 2.21 wiedergegeben ist. Dabei stellt man fest, dass die volle Querschnittsausnutzung gar nicht erreicht werden kann, sondern lediglich 92,9 % der Querschnittstragfähigkeit bei Erreichen der Grenzlast ausgenutzt sind. Maßgebende Versagensursache ist also auch in diesem Fall das Eigenwertversagen des teilplastizierten Systems, welches bereits in den vorhergehenden Abschnitten erläutert wurde. Da beim Nachweisverfahren Elastisch-Plastisch das Querschnittsversagen das einzig mögliche Versagenskriterium ist, muss durch zusätzliche Annahmen, wie z. B. geometrische Ersatzimperfektionen, sichergestellt werden, dass die errechneten Grenzlasten nicht auf der unsicheren Seite liegen. Auf dieses Thema wird in Abschnitt 3.3 und Kapitel 6 näher eingegangen.

An dieser Stelle ist noch der weitere Verlauf des Versuches nach Überschreiten der Maximallast von Interesse. Mit der in ABAQUS implementierten modifizierten RIKS-Methode (s. Abschnitt 4.4) können die Verformungen und Schnittgrößen auch für diesen Teil ermittelt werden und zeigen sehr gute Übereinstimmungen mit dem weggesteuerten Versuch, wie Bild 2.19 deutlich macht. Die Abweichungen für ϑ sind in der Vernachlässigung der Wölbfedern und der Lastwölbbimomente begründet. Ermittelt man mit dem Teilschnittgrößenverfahren oder der dehnungsorientierten Berechnung in QST-FZ die Ausnutzung der Querschnittstragfähigkeit für die

Page 44: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

2 Experimentelle und theoretische Untersuchungen zum Tragverhalten 36

Schnittgrößen in Feldmitte, so zeigt sich, dass die volle Ausnutzung bei einer Last von N = 1320,0 kN erreicht wird, s. Bild 2.21, und dass diese Last gleichzeitig den Endpunkt der ABAQUS-Berechnung darstellt.

92,9

%

100,

0%

1692,2

1320,0

0200400600800100012001400160018002000

0 20 40 60 80 100 120

Sd / Rd [%]

QST-FZund TSV

0,089

0,531

0,237 0,509

0200400600800

100012001400160018002000

0 0,2 0,4 0,6 0,8 1

N [kN]

si = Si / Spl,i

mω my mz

n

Bild 2.21 Bezogene Schnittgrößen und Querschnittsausnutzung im Verlaufe der

Berechnung mit ABAQUS für den Versuch BO-HEB 200-III/2

Der Versuch wurde weggesteuert bis zu einer Last von N = 1316,2 kN gefahren. Bei genauer Betrachtung der Last-Verformungskurven von w und v in Bild 2.17 kann man erkennen, dass die Kurven zu diesem Zeitpunkt bereits abgeknickt sind und nahezu vertikale Tangenten aufweisen, was dafür spricht, dass der Querschnitt in Feldmitte durchplastiziert und das System dadurch kinematisch geworden ist. Dies soll anhand der im Versuch gemessenen Dehnungen überprüft werden. In Bild 2.22 sind links die Positionen der jeweils 4 Dehnungsmessstreifen (DMS) angegeben, die bei den Versuchen mit 3 m Länge in Feldmitte appliziert waren.

30

50

3030

y

z

DMS 1DMS 2

DMS 3

DMS 4

40,70

- 40,70

- 40,70

- 27,45

40,70

- 40,70

40,70

- 40,70

- 40,70

40,70

DMS 4

DMS 3

DMS 2

DMS 1

Bild 2.22 Positionen der DMS und Spannungsverteilung für N = 1320 kN (ABAQUS)

Page 45: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

2.2 Stäbe mit überwiegender Drucknormalkraft 37

Für das Belastungsende in ABAQUS ist daneben die rechnerisch ermittelte Spannungsverteilung dargestellt. Zusätzlich sind die im Versuch bei einer Last von N = 1320 kN gemessenen Werte an den Stellen der DMS eingetragen. Der Quer-schnitt ist bis auf kleinste Bereiche im Obergut und Steg durchplastiziert, was durch die Messwerte bestätigt wird und den starken Lastabfall im Versuch erklärt. In Bild 2.23 ist der Plastizierungszustand im Querschnitt und im System für die mit KSTAB-FZ ermittelte Grenzlast wiedergegeben. Für diese Last weichen die gemessenen Spannungen in Steg und Obergurt zwar etwas von den errechneten Werten ab, aber die grundsätzliche Spannungsverteilung und der Plastizierungszustand werden bestätigt und damit auch die Versagensursache Eigenwertversagen des teilplastizierten Systems.

- 40,70

14,18

- 11,05

- 40,70

- 40,70

26,59

15,10

- 40,01

- 27,45

- 11,34

DMS 1

DMS 2

DMS 3

DMS 4

L / 4 L / 4 L / 4 L / 4

Obergurt

Steg

Untergurt

Bild 2.23 Plastizierungszustand im Querschnitt Feldmitte und im System für die Grenzlast von N = 1706 kN (KSTAB-FZ)

Für alle Versuche der Reihe BO-HEB 200-III sind in Tabelle 2.6 die mit KSTAB-FZ ermittelten Grenzlasten sowie die sich dabei ergebenden Querschnittsausnutzungen in Feldmitte zusammengestellt. Das generelle Tragverhalten mit den erwähnten Tor-sionseffekten ist bei allen Versuchen gleich, wie auch die ausführlichen Auswertungen in [52] zeigen, wobei die Entstehung des positiven Wölbbimomentes infolge der Plastizierungen unterschiedlich stark ausgeprägt ist.

Page 46: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

2 Experimentelle und theoretische Untersuchungen zum Tragverhalten 38

Tabelle 2.6 Grenzlasten und Querschnittsausnutzungen für die VR BO-HEB 200-III

Versuch Länge

Nr. L [cm] N [kN] Nu [kN] % Sd / Rd [%] Nel [kN] NKi [kN]

III-1 283 1453,2 1423,5 98,0 92,7 1050,8 4352,3III-2 283 1706,2 1706,6 100,0 92,9 1393,5 4526,4III-1a 283 1832,6 1720,7 93,9 93,2 1418,0 4456,5III-2a 283 1799,8 1676,2 93,1 94,2 1519,0 4308,6III-3 483 966,0 907,8 94,0 77,3 835,8 1469,0III-4 483 749,4 740,0 98,8 85,1 607,4 1453,1III-5 783 613,6 579,7 94,5 63,3 572,1 646,1III-6 783 669,0 578,8 86,5 61,4 578,0 621,1

Traglast im Versuch

KSTAB-FZmit MωL und Cω, ohne ES

Mit zunehmender Länge gewinnt das Eigenwertversagen jedoch an Bedeutung und die mögliche Ausnutzung der reinen Querschnittstragfähigkeit nimmt deutlich ab. Bei den Versuchen mit 8 m Länge liegen die erreichbaren Grenzlasten nur noch knapp oberhalb der elastischen Grenzlasten. Weil die idealen Verzweigungslasten schon sehr dicht an den elastischen Grenzlasten liegen, genügen kleinste Plastizierungen, um zum Eigenwertversagen zu führen, wie Bild 2.24 für den Versuch III-6 zeigt.

Im Versuch selber konnte eine Traglast erreicht werden, die deutlich über der rechnerischen Grenzlast liegt. Sie ist sogar größer als die ideale Verzweigungslast des Systems, was aus bereits erläuterten Gründen nicht möglich ist. Anhand der Last-Verformungs-Kurven für v ist aber zu erkennen, dass im Versuch offensichtlich eine kleinere als die geplante Ausmitte von yN = -0,5 cm vorgelegen hat und deshalb die höhere Traglast zustande kam, s. Bild 2.24 rechts. Die Zunahme von v in Abhängigkeit von der Last ist im Versuch wesentlich geringer als in der Nachrechnung, was für eine kleinere Ausmitte im Versuch spricht.

L / 4

Obergurt

Steg

Untergurt

L / 4 L / 4 L / 4

669,00

578,77

0

100

200

300

400

500

600

700

800

-10-50

v [cm]

N [kN]

Versuch

KSTAB-FZ

Bild 2.24 Plastizierungszustand im System für die rechnerische Grenzlast des Versuchs BO-HEB 200-III/6 (KSTAB-FZ) und Last-Verformungs-Kurven für v

Page 47: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

2.3 I-Träger mit überwiegender Biegung 39

2.3 I-Träger mit überwiegender Biegung

2.3.1 Biegung um die starke Achse

In diesem Abschnitt wird das Tragverhalten von I-Trägern untersucht, die überwie-gend durch Biegung um die starke Achse beansprucht werden. Bekanntermaßen spielt dabei das Biegedrillknicken eine wichtige Rolle. Bei einer entsprechenden Vorverformung oder Exzentrizität aus der Belastungsebene heraus kommt es zum seitlichen Ausweichen des Druckgurtes und für den Träger zu unplanmäßigen Verformungen v und ϑ, neben der planmäßigen Durchbiegung w. Bild 2.25 zeigt die typische Verformungsfigur eines Trägers im Fall des Biegedrillknickens.

Bild 2.25 Verformungsfigur eines Trägers bei Biegedrillknicken

Infolge der zusätzlichen Verformungen entstehen natürlich auch zusätzliche Bean-spruchungen, durch die die Tragfähigkeit des Systems gegenüber dem ideal geraden Stab stark herabgesetzt wird. In diesem Abschnitt soll anhand von 4 Versuchen das Traglastproblem des Biegedrillknickens untersucht und hinsichtlich der Versagensursache analysiert werden. Bild 2.26 zeigt das statische System und Tabelle 2.7 die Parameter der Versuche, die während des Forschungsprojektes [52] an der TU Berlin durchgeführt wurden.

Bild 2.26 Statisches System der Versuche zum Biegedrillknicken

Page 48: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

2 Experimentelle und theoretische Untersuchungen zum Tragverhalten 40

Tabelle 2.7 Berliner Traglastversuche zum Biegedrillknicken

Versuch L fy λM zF yF L / yF

[cm] [kN/cm2] [cm] [cm]

BE-IPE 200-1 280 38,0 1,42 -21,5 2,5 112BE-IPE 200-4 400 38,0 1,68 -21,5 2,5 160BE-HEB 200-1 400 41,4 0,92 -21,5 5 80BE-HEB 200-4 560 39,3 1,04 -21,5 5 112

Es handelt sich um 3-Punkt-Biegeversuche mit planmäßig geringer Lastexzentrizität, so dass von Beginn an ein Torsionsmoment aufgebracht wird und das elastische Ver-zweigungsproblem dadurch ausgeschlossen ist. Die Nachrechnung der Versuche mit verschiedenen Programmen ergibt Grenzlasten, die für die IPE-Träger zu Abweichungen bis 2 % und für die HEB-Träger bis 10 % führen, siehe Tabelle 2.8. Für die Rechnungen wurden die linearen Eigenspannungen mit den halben Werten nach Tabelle 4.3 angesetzt.

Tabelle 2.8 Traglasten und rechnerische Grenzlasten

L [cm] Fu [kN] Fu [kN] % Fu [kN] % Fu [kN] %

BE-IPE 200-1 280 38,0 38,7 101,9 38,0 100,0 38,4 101,0BE-IPE 200-4 400 21,9 22,3 101,7 22,0 100,2 21,8 99,6BE-HEB 200-1 400 173,5 161,2 92,9 163,9 94,5 157,0 90,5BE-HEB 200-4 560 110,0 103,8 94,3 105,2 95,6 98,4 89,5

ABAQUSVersuch ANSYS Berlin KSTAB-FZ

Bild 2.27 zeigt den Verlauf der Verformungen und der entstehenden Schnittgrößen in Feldmitte während des Versuchs BE-IPE 200-1. Die Traglast ist deutlich als Extremwert der Last-Verformungs-Kurven zu erkennen, besonders für w. Dass die Last nach dem Maximalwert direkt wieder relativ stark abfällt, ist ein typisches Merkmal für das Eigenwertversagen.

Neben der planmäßigen Biegung um die starke Achse tritt infolge der exzentrischen Lasteinleitung auch Torsion auf, aus der direkt das Wölbbimoment Mω resultiert und indirekt, als Folge der Verdrehung ϑ, das Biegemoment Mz um die schwache Achse des Trägers. Bild 2.28 erläutert die wichtige Transformation der Biegemomente auf die verformte Lage des Querschnitts. Mit der Kopplung an die Verdrehung erklärt sich auch der stark nichtlineare Verlauf von Mz in Bild 2.27. Die Entwicklung von Mz folgt der ϑ-Kurve.

Page 49: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

2.3 I-Träger mit überwiegender Biegung 41

38,04

05

1015202530354045

0 2 4 6

w [cm]

Fz [kN]

Versuch 38,72

051015202530354045

0 1000 2000 3000

My [kNcm]

ABAQUS

38,04

05

1015202530354045

0 2 4 6 8

v [cm]

Fz [kN]

38,72

051015202530354045

-1200-800-4000

Mz [kNcm]

38,04

05

1015202530354045

0 0,2 0,4 0,6 0,8

ϑ [rad]

Fz [kN]

38,72

051015202530354045

0 5000 10000

Mω [kNcm2]

Bild 2.27 Verformungen und Schnittgrößen in Feldmitte für den Versuch BE-IPE 200-1

Page 50: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

2 Experimentelle und theoretische Untersuchungen zum Tragverhalten 42

Bild 2.28 Biegemomente für die unverformte und die verformte Lage

Die Zusatzbeanspruchungen Mz und Mω führen dazu, dass im Grenzzustand der Tragfähigkeit lediglich 32,4 % des vollplastischen Biegemomentes Mpl,y ausgenutzt werden können (s. Bild 2.29 links). Mit dem κM-Verfahren ergibt sich ein Wert von 47,7 %. Die deutliche Differenz ist auf die hier vorliegende größere Lastausmitte von L/112 statt der üblicherweise anzusetzenden L/1000 zurückzuführen. Wichtiger und entscheidender Einfluss von Mz (negativ) und Mω ist aber nicht nur die reine Erhöhung der Querschnittsausnutzung, sondern vielmehr die dadurch hervorgerufene Plastizierung des Obergurtes, durch die das System frühzeitig instabil wird. Zum einen lässt sich das anhand der Querschnittsausnutzung feststellen, die bei der Grenzlast deutlich unter 100 % liegt, s. Bild 2.29 rechts, zum anderen soll es mit Hilfe der folgenden Untersuchung gezeigt werden.

38,72

89,1

%

100,

0%

30,13

0

5

10

15

20

25

30

35

40

45

0 20 40 60 80 100 120

Sd / Rd [%]

QST-FZund TSV

0,565

0,324

0,326

0

5

10

15

20

25

30

35

40

45

0 0,2 0,4 0,6 0,8 1

Fz [kN]

si = Si / Spl,i

mω- mz (neg.)

my

Bild 2.29 Bezogene Schnittgrößen und Querschnittsausnutzung im Verlaufe der

Berechnung mit ABAQUS für den Versuch BE-IPE 200-1

Page 51: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

2.3 I-Träger mit überwiegender Biegung 43

Unter Berücksichtigung der plastischen Zonen im Querschnitt und im System (s. Bild 2.30) soll ermittelt werden, wie sich der kleinste positive Eigenwert des Systems während der Berechnung mit ABAQUS verändert und so festgestellt werden, ob ein Eigenwertversagen vorliegt.

- 38,00

38,00

- 20,98

18,51

25,15

- 1,84

= Druckfließen = Zugfließen

Obergurt

L / 4 L / 4 L / 4 L / 4

Bild 2.30 Spannungszustand im Querschnitt Feldmitte und Ausbreitung der Fließzonen im System für die Grenzlast von Fz = 38,72 kN (ABAQUS)

Da es mit ABAQUS nicht möglich ist, den Eigenwert für das teilplastizierte System zu berechnen, wird hierzu das Programm KSTAB-FZ modifiziert. Zuerst werden die mit ABAQUS ermittelten Schnittgrößen eingelesen und damit für jedes Element der Dehnungszustand und die wirksamen Querschnittswerte im Bezugssystem mit Hilfe einer Dehnungsiteration berechnet, s. a. Abschnitt 4.4. Unter Verwendung dieser Werte werden anschließend die Steifigkeitsmatrix K sowie die geometrische Steifig-keitsmatrix G mit den eingelesenen Schnittgrößen aufgebaut. Durch iteratives Lösen des homogenen Gleichungssystems

(K + ηK ⋅ G) ⋅ v = 0 (2.3)

wird anschließend der kleinste positive Eigenwert des Systems bestimmt. Nähere Angaben zum Verfahren der Eigenwertberechnung in KSTAB-FZ finden sich in [70]. Voraussetzung für das aufgezeigte Vorgehen ist natürlich, dass identische statische Systeme in ABAQUS und KSTAB-FZ eingegeben werden, was aber, bis auf geringe Unterschiede, ohne weiteres möglich ist. Die Unterschiede betreffen die exzentrische Einleitung der Last, die in ABAQUS über einen zusätzlichen Stab und in KSTAB-FZ über entsprechende Anteile im Lastvektor und in der geometrischen Steifigkeitsmatrix (nichtlineare Lastanteile) realisiert wird.

In Tabelle 2.9 sind links die ermittelten Eigenwerte und die Länge der Fließzonen (Lpl) für einzelne Inkremente wiedergegeben, rechts ist der Verlauf des Eigenwertes über der Last grafisch dargestellt. Es ist gut zu erkennen, dass ηK für das teilplastizierte System nach dem 26. Inkrement kleiner als 1 ist. Dementsprechend wird in der Message-Datei von ABAQUS zu Beginn des 27. Inkrementes die Meldung ausgegeben, dass die Systemmatrix nicht mehr positiv definit ist, weil der 1.

Page 52: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

2 Experimentelle und theoretische Untersuchungen zum Tragverhalten 44

Eigenwert kleiner als 1 ist. Die anschließende Gleichgewichtsiteration mit dem Bogenlängenverfahren führt deswegen zu einem negativen Lastinkrement und einer Verringerung der Gesamtlast. Mit der durchgeführten Untersuchung kann das Versagen des Systems aufgrund des Absinkens des Eigenwertes unter 1 klar belegt werden.

Tabelle 2.9 Entwicklung des kleinsten positiven Eigenwertes im Verlauf der Berechnung für den Versuch BE-IPE 200-1

Inkre-ment

Fz ηK Fz,KLpl[cm]

1 4,389 13,399 58,802 0,010 30,734 1,916 58,876 0,011 32,221 1,814 58,439 14,020 38,042 1,218 46,354 81,224 38,672 1,046 40,465 92,425 38,716 1,000 38,724 95,226 38,720 0,954 36,957 95,227 38,689 0,912 35,282 98,030 38,421 0,794 30,503 100,840 36,656 0,577 21,149 103,6

100 30,228 0,699 21,121 92,4

0,0

1,0

2,0

3,0

4,0

5,0

0,0 10,0 20,0 30,0 40,0Fz

ηK

Für die 3 anderen Versuche wird auf diese Untersuchung verzichtet und die wesentlich schnellere Methode der Überprüfung der Querschnittsausnutzung ver-wendet, um die maßgebende Versagensursache zu identifizieren. Dabei zeigt sich, dass bei den HEB-Trägern das Eigenwertversagen erst kurz vor Erreichen der vollen Querschnittsausnutzung eintritt (s. Tabelle 2.10), was an den geringeren Schlank-heiten Mλ liegt. Die Träger haben gewissermaßen eine größere Reserve, weil die Sta-bilitätsgefahr bereits im elastischen Bereich kleiner ist. Tabelle 2.10 Auswertung der Querschnittsausnutzung bei Erreichen der Grenzlast für alle

Versuche

L [cm] F [kN] Fu [kN] my mz mω Sd / Rd [%]

BE-IPE 200-1 280 38,0 38,7 0,324 0,326 0,565 89,1BE-IPE 200-4 400 21,9 22,3 0,260 0,410 0,473 88,3BE-HEB 200-1 400 173,5 161,2 0,572 0,333 0,492 97,5BE-HEB 200-4 560 110,0 103,8 0,440 0,793 0,142 99,7

ABAQUSVersuch

Zum Versuch BE-HEB 200-4 sei noch bemerkt, dass es kurz vor Erreichen der Grenzlast zu einer Umlagerung von Mω kommt und deshalb mω mit 0,142 relativ gering ist. Dieser Effekt wird im folgenden Abschnitt ausführlich untersucht und er-läutert.

Page 53: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

2.3 I-Träger mit überwiegender Biegung 45

2.3.2 Zweiachsige Biegung und Torsion

Von den insgesamt 12 Versuchen, die in [52] mit zweiachsiger Biegung und planmä-ßiger Torsion durchgeführt wurden, werden hier 2 herausgegriffen und hinsichtlich des Tragverhaltens untersucht, weil an ihnen die typischen Effekte und Merkmale ge-zeigt werden können. Alle anderen Versuche lassen sich dann anhand ihrer Parameter einem charakteristischen Tragverhalten zuordnen. Als erstes wird der Versuch BE-IPE 200-21 betrachtet, dessen System in Bild 2.31 gezeigt wird. Der Einfeldträger wird durch Einzellasten Fz und Fy in Feldmitte belastet, wobei die Lasten oberhalb des Schubmittelpunktes angreifen, zF = -21,5 cm. Aus dieser Exzentrizität entsteht mit Fy gleichzeitig ein Einzeltorsionsmoment MxL für den Träger, und in Kombination mit Fz erhöht sich die Gefahr des Biegedrillknickens durch die negative Exzentrizität. Im Versuch konnte eine Traglast von F = 25,80 kN erreicht werden, in den Finite-Elemente-Berechnungen liegen die Grenzlasten zwischen 22,15 kN (KSTAB-FZ) und 26,49 kN (ABAQUS). Bild 2.32 zeigt die im Versuch gemessenen Last-Verformungs-Kurven für v und ϑ.

Bild 2.31 System des Versuchs BE-IPE 200-21

25,80 26,49

24,8722,15

0

5

10

15

20

25

30

0 5 10

v [cm]

F [kN]

0

5

10

15

20

25

30

0 0,2 0,4 0,6 0,8

ϑ [rad]

KSTAB-FZ

Versuch ABAQUS

ANSYS

Bild 2.32 Last-Verformungs-Kurven für den Versuch BE-IPE 200-21

Zum Vergleich sind auch die rechnerisch ermittelten Werte eingezeichnet. Auffällig ist der nahezu lineare Verlauf bis zu einer Last von etwa F = 22 kN und die an-schließend überproportionale Zunahme der Verformungen, sowohl im Versuch als

Page 54: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

2 Experimentelle und theoretische Untersuchungen zum Tragverhalten 46

auch bei den Berechnungen. Um diesen Verlauf erklären zu können, wird zum einen die Entwicklung der Schnittgrößen My, Mz und Mω in Feldmitte betrachtet, siehe Bild 2.33, und zum anderen der Plastizierungszustand des Systems bei einer Last von F = 22,19 kN, der in Bild 2.34 dargestellt ist.

100,

0%

26,49

0

5

10

15

20

25

30

0 20 40 60 80 100 120

Sd / Rd [%]

QST-FZund TSV

0,9990,102

0,0

0

5

10

15

20

25

30

0 0,2 0,4 0,6 0,8 1

mi

F [kN]

si = Si / Spl,i

my

mz

Bild 2.33 Schnittgrößen und Querschnittsausnutzung in Feldmitte im Verlauf der

Berechnung (ABAQUS) für den Versuch BE-IPE 200-21

M

y

z

S

- 38,00

38,00- 12,34

11,144,994,66

L / 4

Obergurt

L / 4 L / 4 L / 4

0,00

0,25

0,50

0,75

1,00

Iω,pl / Iω,el

Iz,pl / Iz,elIy,pl / Iy,el

Apl / Ael

Bild 2.34 Spannungszustand im Querschnitt in Feldmitte und Ausbreitung der Fließ-zonen im Obergurt mit Angabe der wirksamen Querschnittswerte bezogen auf die elastischen Werte bei einer Last von F = 22,19 kN (ABAQUS)

Es zeigt sich, dass der Obergurt des Trägers in Feldmitte nahezu durchplastiziert ist, während Steg und Untergurt noch vollkommen elastisch sind. Im Bereich der Plasti-zierungen reduzieren sich die wirksamen Querschnittswerte sehr stark, insbesondere Iω, weshalb die Verformungen bei der weiteren Laststeigerung so stark anwachsen, s. a. Bild 2.34 rechts unten. Der andere Effekt der veränderten Steifigkeitsverhältnisse ist, dass das Wölbbimoment Mω in Feldmitte abgebaut wird und deshalb Mz, und so-

Page 55: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

2.3 I-Träger mit überwiegender Biegung 47

mit die Last, weiter gesteigert werden können. Infolge der großen Verdrehungszu-nahme wächst auch Mz sehr stark an, während My in der verformten Lage sogar wieder kleiner wird (zum Zusammenhang s. a. Bild 2.28). Bei Erreichen der Grenzlast von F = 26,5 kN ist Mω fast gleich Null, Mz erreicht nahezu Mpl,z und My kann vom Steg des Querschnitts aufgenommen werden.

Möglich wird der Abbau von Mω, weil das System für die Torsion statisch unbe-stimmt ist und die Torsionsbelastung über St. Venantsche Torsion abgetragen werden kann. Mit Hilfe der Gleichungen (2.4) und (2.5) kann die Torsionsschnittgröße Mx in primäres und sekundäres Torsionsmoment aufgeteilt werden.

Mxp = G⋅IT ⋅ ′ϑ (2.4)Mx = Mxp + Mxs (2.5)

Bild 2.35 zeigt die entsprechenden Verläufe für die Laststufen F = 22,19 kN (max Mω) und F = 26,49 kN (Grenzlast). Die Wandlung von gemischter Torsion zu rein St. Venantscher Torsion ist gut zu erkennen.

[%]TSVSd/Rd

Mx

Mx

-313,3

313,3

-300,5

300,5

MxpMxs

-120,4

120,4

-101,8

101,8

128,1

186,90,00 0,25 0,50 0,75 1,00 x/L

F=22,19 kN

F=26,49 kN

F=26,49 kNmit allen

Schnittgrößen

Bild 2.35 Umlagerung von Wölbkrafttorsion in St. Venantsche Torsion und

Querschnittsausnutzung bei F=26,49 kN

Weil Schubspannungen in der Fließzonenberechnung mit dem Stabelement B31OS von ABAQUS nicht berücksichtigt werden, ist es erforderlich, die Querschnittstrag-fähigkeit noch einmal separat zu überprüfen, was hier mit dem Teilschnitt-größenverfahren erfolgt. Die Querschnittsausnutzung unter Berücksichtigung aller auftretenden Schnittgrößen ist in Bild 2.35 unten dargestellt. Durch das große primäre Torsionsmoment kommt es über den gesamten Träger zu hohen Überschreitungen der Querschnittstragfähigkeit. Aus diesem Grund wird in einer Berechnung mit Schalenelementen (Typ S4R) noch einmal überprüft, ob die Grenzlast von F = 26,49 kN auch erreicht werden kann, wenn Schubspannungen in die Vergleichsspannung σv eingehen und damit ihr Einfluss bei der Fließzonenberechnung direkt enthalten ist. Bild 2.36 zeigt den ermittelten Spannungszustand für F = 26,48 kN.

Page 56: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

2 Experimentelle und theoretische Untersuchungen zum Tragverhalten 48

σ

τ

σv

Bild 2.36 Spannungen für den Versuch BE-IPE 200-21 bei F = 26,48 kN (ABAQUS, Schalenelement S4R)

Page 57: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

2.3 I-Träger mit überwiegender Biegung 49

Trotz des hohen Plastizierungsgrades kann die Last ohne weiteres erreicht und darüber hinaus noch weiter gesteigert werden. Durch die großen Verdrehungen bilden sich andere Lastabtragungsmechanismen als bei der Stabtheorie aus, sodass keine definierte Grenzlast festzustellen ist. Die Berechnung wurde manuell bei F = 60 kN abgebrochen. Ähnliche Effekte bei torsionsbeanspruchten Trägern wurden bereits von Farwall/Galambos [23] beobachtet und von Frickel in [26] näher untersucht.

Nachdem das Tragverhalten eingehend analysiert und die charakteristischen Merk-male aufgezeigt werden konnten, soll zum Abschluss der Analyse der Punkt Versagensursache behandelt werden. Betrachtet man Bild 2.33, so scheint es offen-sichtlich, dass bei diesem Versuch kein Eigenwertversagen vorliegt, weil die Quer-schnittstragfähigkeit zu 100 % ausgenutzt werden kann. Im Hinblick auf die mögliche Umlagerung von Wölbkraft- in St. Venantsche Torsion und den damit verbundenen Abbau von Mω ist die reine Querschnittsausnutzung aber noch kein hinreichendes Kriterium, denn eine 100 %-ige Ausnutzung liegt bereits bei F = 22,5 kN vor. Wendet man das in Abschnitt 2.3.1 beschriebene Verfahren zur Ermittlung des Eigenwertes für das teilplastizierte System an, so ergibt sich die in Tabelle 2.11 gezeigte Entwicklung. Tabelle 2.11 Kritische Last im Verlauf der Berechnung für den Versuch BE-IPE 200-21

Inkr. F ηK FK

11 14,09 4,446 62,6228 22,44 1,037 23,2829 22,51 0,980 22,0630 22,53 0,974 21,9431 22,55 0,984 22,1732 22,56 0,977 22,0433 22,57 0,979 22,1034 22,59 0,989 22,3435 22,61 0,983 22,2236 22,62 0,985 22,2837 22,64 0,995 22,5338 22,66 0,997 22,5939 22,68 0,999 22,6540 22,70 0,992 22,5341 22,73 1,002 22,7842 22,75 1,004 22,84

0,0

10,0

20,0

30,0

40,0

50,0

60,0

70,0

80,0

10,0 15,0 20,0 25,0 30,0 F

FK

1. Fließen beiFel = 14,1 kN

Fu = 26,5 kN

F ≈ 22,5 kN

Bei näherer Betrachtung stellt man fest, dass der ermittelte Eigenwert im Bereich um F = 22,5 kN sogar leicht unterhalb von 1 liegt. Von ABAQUS wird aber noch keine Meldung ausgegeben, dass die Systemmatrix nicht mehr positiv definit ist. Der Eigenwert des Systems ist sehr stark abhängig von den nichtlinearen Lastanteilen in der geometrischen Steifigkeitsmatrix, die aus dem Term

– δϑ ⋅ Fy ⋅ (yF – yM) ⋅ ϑ – δϑ ⋅ Fz ⋅ (zF – zM) ⋅ ϑ (2.6)

in der virtuellen Arbeit resultieren (s. Tabelle 1.3). Bei Anwendung der Theorie großer Verformungen geht sin (ϑ) statt ϑ in den Term ein, wodurch der nichtlineare Lastanteil mit zunehmendem ϑ abnimmt. Wahrscheinlich wird deshalb bei ABAQUS

Page 58: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

2 Experimentelle und theoretische Untersuchungen zum Tragverhalten 50

weiterhin ein stabiler Gleichgewichtszustand in der Iteration erreicht und die Last kann in sehr kleinen Inkrementen und mit großer Verformungszunahme weiter gesteigert werden. Dies ist bei KSTAB-FZ (Theorie II. Ordnung) nicht möglich, weshalb hier die Last auf F = 22,15 kN begrenzt ist. Im weiteren Verlauf der ABAQUS-Berechnung steigt ηK wieder leicht an (s. Tabelle 2.11), weil My durch die Verdrehung reduziert wird, s. Bild 2.33. Das starke Anwachsen von ϑ mit nahezu horizontaler Tangente bei F = 22,5 kN ist also zwingend erforderlich, damit weiter ein stabiler Gleichgewichtszustand erreicht werden kann.

Im Versuch ist das Anwachsen der Verformungen weniger stark ausgeprägt. Als Ur-sache hierfür kann die im Versuch verwendete Lasteinleitungsmanschette identifiziert werden, s. Bild 2.37 links. Durch die Manschette wird der Träger an der entscheiden-den Stelle versteift und entlastet. Mit einer entsprechenden Modellierung in der FE-Simulation mit Schalenelementen, s. Bild 2.37 rechts, ergeben sich Last-Verformungs-Kurven, die sehr gut mit den im Versuch gemessenen übereinstimmen, wie Bild 2.38 zeigt.

Bild 2.37 Lasteinleitungsmanschette im Versuch und der Simulation

25,80

0

5

10

15

20

25

30

0 4 8

v [cm]

F [kN]

0

5

10

15

20

25

30

0 0,5 1

ϑ [rad]

Versuch

ABAQUS S4Rmit Manschette

Bild 2.38 Last-Verformungs-Kurven im Versuch und der FE-Simulation mit Manschette

Page 59: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

2.3 I-Träger mit überwiegender Biegung 51

Abschließend werden noch einmal die wichtigsten Erkenntnisse zum Versuch BE-IPE 200-21 zusammengefasst:

• Das Querschnittsversagen ist die maßgebende Versagensursache

• Durch die Beanspruchung „zweiachsige Biegung mit planmäßiger Torsion“ be-ginnt zuerst nur einer der Gurte in Feldmitte zu plastizieren. Die damit verbun-dene Reduktion der Wölbsteifigkeit führt zum Abbau des Wölbbimomentes Mω und Abtragung der Torsionsbelastung ausschließlich über St. Venantsche Tor-sion. Infolge der aus Mxp resultierenden Schubspannungen plastiziert der Träger nahezu vollständig durch, aber die Grenztragfähigkeit wird dadurch nicht beschränkt. Die weiter mögliche Laststeigerung ist aufgrund der großen Verformungen für die Baupraxis nicht sinnvoll nutzbar.

• Infolge der Plastizierungen sinkt der Eigenwert des Systems auf 1 ab. Die Stabilitätsgefahr wird vornehmlich durch My hervorgerufen, da keine Normalkräfte wirken. In der verformten Lage wird My durch das negative zM und die positive Verdrehung ϑ reduziert, s. a. Bild 2.28, weshalb eine starke Zunahme der Verdrehung zur Stabilisierung des Systems führt. So kann die Last weiter gesteigert werden, während ηK immer ungefähr gleich 1 ist.

Die Auswertungen aller Versuche mit identischen oder ähnlichen Parametern, die hier nicht wiedergegeben werden können, bestätigen die gewonnenen Erkenntnisse zu Trägern mit der kombinierten Beanspruchung aus überwiegender Biegung um die starke Achse, Biegung um die schwache Achse und planmäßiger Torsionsbelastung. Eine Übersicht mit den wichtigsten Ergebnissen zu allen Versuchen gibt Tabelle 2.12.

Tabelle 2.12 Übersicht zu Versuchen mit kombinierter Beanspruchung aus überwiegender Biegung um die starke Achse, Biegung um die schwache Achse und planmäßiger Torsionsbelastung

L [cm] yF F [kN] Fu [kN] % Sd/Rd [%] my mz mω

BE-IPE 200-21 280 0 25,8 26,5 102,7 100,0 0,102 0,999 0,000BE-IPE 200-22 280 -1 26,4 26,8 101,5 100,0 0,108 1,000 0,000BE-IPE 200-51 400 0 17,0 17,8 104,6 100,0 0,089 0,999 0,001BE-IPE 200-52 400 0 16,9 17,8 105,4 100,0 0,089 0,999 0,001BE-HEB 200-21 400 0 131,3 144,3 109,9 99,5 0,288 0,952 0,027BE-HEB 200-22 400 0 133,7 144,4 108,0 99,5 0,289 0,950 0,028BE-HEB 200-51 560 0 91,7 94,4 103,0 99,7 0,273 0,956 0,030BE-HEB 200-52 560 -5 103,8 99,9 96,2 99,0 0,373 0,862 0,096BE-HEB 200-6 560 -5 104,2 102,3 98,2 99,1 0,394 0,835 0,115

Versuch ABAQUS

Page 60: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

2 Experimentelle und theoretische Untersuchungen zum Tragverhalten 52

Als zweites Beispiel wird der Versuch BE-IPE 200-3 gewählt. Das System ist ähnlich wie beim Versuch BE-IPE 200-21, s. Bild 2.39, aber die Lastintensitäten von Fz und Fy sind nun umgekehrt, es überwiegt also die Biegung um die schwache Achse. Weil die Lastausmitte yF kleiner als zF ist, ist auch das erzeugte Torsionsmoment etwas geringer. Im Versuch wurde eine Traglast von F = 30,5 kN ermittelt. Bild 2.40 zeigt die Last-Verformungs-Kurven für v und ϑ.

Bild 2.39 System des Versuchs BE-IPE 200-3

30,48

26,97

0

5

10

15

20

25

30

35

-20-15-10-50

v [cm]

F [kN]

0

5

10

15

20

25

30

35

0 0,05 0,1 0,15 0,2

ϑ [rad]

VersuchABAQUS

Bild 2.40 Last-Verformungs-Kurven für den Versuch BE-IPE 200-3

Es scheint so, als wäre im Versuch noch eine gewisse Laststeigerung möglich gewesen. Die Berechnung mit ABAQUS (Stabelement) liegt mit der Grenzlast von 26,97 kN deutlich unter der Versuchstraglast, was auch bei diesem Versuch die Folge der Lasteinleitungsmanschette ist, wie eine Berechnung mit Schalenelementen bestätigt hat. Weil das grundsätzliche Tragverhalten aber identisch ist, wird für die weitere Auswertung die Berechnung mit Stabelementen verwendet. Der Verlauf der Schnittgrößen in Bild 2.41 zeigt, dass auch bei diesem Versuch ein vollständiger Abbau von Mω erfolgt, nachdem die Steifigkeiten durch Plastizierungen in ausreichendem Maße verändert worden sind, was bei einer Last von F = 18,7 kN der Fall ist. Ab dieser Laststufe wächst die Verdrehung wieder überproportional an, jedoch nicht in dem Maße, wie beim Versuch BE-IPE 200-21. Durch das umgekehrte Vorzeichen von Fy und damit zM wird bei diesem Versuch das Biegemoment um die schwache Achse reduziert und My vergrößert. Dies wirkt sich positiv auf die Trag-

Page 61: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

2.3 I-Träger mit überwiegender Biegung 53

fähigkeit aus, weil diese durch die Ausnutzung der Gurte infolge Mz beschränkt wird, während im Steg noch Reserven für My vorhanden sind.

26,97

100,

0%

0

5

10

15

20

25

30

0 20 40 60 80 100 120

Sd / Rd [%]

QST-FZund TSV

1,0000,113

0,0

0

5

10

15

20

25

30

0 0,2 0,4 0,6 0,8 1

F [kN]

si = Si / Spl,i

my

mz

Bild 2.41 Schnittgrößen und Querschnittsausnutzung in Feldmitte im Verlauf der

Berechnung (ABAQUS) für den Versuch BE-IPE 200-3

Die Stabilitätsgefahr ist bei diesem Versuch deutlich geringer als beim vorhergehen-den Beispiel, wie die Auswertung in Bild 2.42 zeigt. Im elastischen Bereich liegt das an der geringen Ausmitte yF, die den nichtlinearen Lastanteil beeinflusst (s. Gleichung (2.6)) und dem, im Verhältnis zur Last F, geringeren Biegemoment My. Im plastischen Bereich ist es von Bedeutung, dass zuerst der Untergurt plastiziert und nicht der gedrückte Obergurt. Bei Erreichen der Grenzlast fällt der Eigenwert zwar unter 1, aber dies ist kein Zeichen für ein Eigenwertversagen, sondern umgekehrt eine Folge des Durchplastizierens beider Gurte bei Ausnutzung der vollen Querschnitts-tragfähigkeit, wodurch das System kinematisch wird.

0,0

20,0

40,0

60,0

80,0

100,0

0,0 5,0 10,0 15,0 20,0 25,0 30,0 F

F, Fk

F

FK

1. Fließen bei Fel = 12,4 kN

Fu=26,97 kN

Bild 2.42 Kritische Last im Verlauf der Berechnung für den Versuch BE-IPE 200-3

Page 62: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

2 Experimentelle und theoretische Untersuchungen zum Tragverhalten 54

2.4 U-Träger mit Biegung und Torsion

2.4.1 Querschnittstragfähigkeit für Biegung um die starke Achse

U-Profile weisen die Besonderheit auf, dass der Schubmittelpunkt, bedingt durch die Querschnittsgeometrie, in y-Richtung versetzt zum Schwerpunkt und sogar außerhalb des Querschnitts liegt, s. a. Bild 2.43. Deshalb entsteht bei einer Belastung des Profils um die starke Achse in der Regel auch eine Torsionsbelastung für das Bauteil. Soll die Querschnittstragfähigkeit für planmäßig reine Biegung My durch Versuche analy-siert werden, so muss die Last mit Hilfe von Laschen oder Manschetten in der Schub-mittelpunktachse eingeleitet werden. Bereits bei einem Forschungsvorhaben an der Universität Eindhoven [67] zeigten sich besondere Effekte bei solchen Versuchen, die von Kindmann/Frickel in [46] theoretisch untersucht wurden. Die Besonderheit lag in unterschiedlich hohen Traglasten im Versuch, je nachdem, ob eine negative oder positive (unplanmäßige) Verdrehung ϑ auftrat. Theoretisch begründen lässt sich dieser Unterschied mit der Querschnittstragfähigkeit von U-Profilen. Zum vollen Durchplastizieren des Querschnitts für My ist gleichzeitig ein negatives Mω erforder-lich, wie in Bild 2.44 erläutert wird. Daher kann bei einer negativen Verdrehung, zu der ein negatives Wölbbimoment korrespondiert, eine höhere Tragfähigkeit erreicht werden als bei einer positiven Verdrehung. Um die Querschnittstragfähigkeit für My möglichst ohne Stabilitätseinflüsse experimentell überprüfen zu können, wurde in Aachen ein 90 cm kurzer Träger mit UPE 200-Profil und Belastung in der Schub-mittelpunktsachse untersucht.

Bild 2.43 System des Versuchs AC-UPE 200-1

Bild 2.44 Spannungsverteilungen für Mpl,y und max My

Page 63: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

2.4 U-Träger mit Biegung und Torsion 55

Bild 2.43 zeigt das statische System. Weil der Träger seitlich nicht gehalten war, traten neben der Durchbiegung w auch kleinere Verformungen v und ϑ auf. Die Last-Verformungs-Kurven zeigt Bild 2.45. Zunächst entsteht im Versuch eine Verdrehung in positiver Richtung. Ab einer Last von etwa 340 kN kehrt sich die Richtung jedoch um und bei Erreichen der Traglast von Fz = 407,9 kN liegt eine negative Verdrehung vor, so dass im Träger neben My auch negative Wölbbimomente Mω auftreten.

407,9393,2386,0

0

100

200

300

400

500

-4-3-2-101

v [cm]

Fz [kN]

0

100

200

300

400

500

-0,04-0,0200,02

ϑ [rad]

Versuch

ABAQUSv0 = - 3 mm

v0 = + 3 mm

Bild 2.45 Last-Verformungs-Kurven für den Versuch AC-UPE 200-1

Zur Klärung des Tragverhaltens werden mit ABAQUS 2 Berechnungen mit unterschiedlichen, parabelförmigen Vorverformungen durchgeführt, einmal mit v0 = +3 mm und einmal mit v0 = -3 mm. Die berechneten Verformungen sind in Bild 2.45 dargestellt, die Schnittgrößenverläufe für Mz und Mω in Bild 2.46.

386,0393,2

0

100

200

300

400

500

-200-1000100

Mz [kNcm]

Fz [kN]

0

100

200

300

400

500

-4000-3000-2000-100001000

Mω [kNcm2]

v0 = + 3 mm

v0 = - 3 mm

Bild 2.46 Schnittgrößen Mz und Mω in Feldmitte im Verlauf der Berechnung

Page 64: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

2 Experimentelle und theoretische Untersuchungen zum Tragverhalten 56

In Tabelle 2.13 sind die wichtigsten Ergebnisse zusammengestellt. So erkennt man, dass sich für v0 = -3 mm fast genau die Schnittgrößen My und Mω bei Erreichen der Grenzlast einstellen, die zum vollen Durchplastizieren des Querschnitts (s. Bild 2.44 rechts) korrespondieren. Die Grenzlast von F = 393,4 kN ist somit auch die maximal erreichbare Last. Dass im Versuch trotzdem eine geringfügig höhere Traglast erreicht wurde, kann an der Querschnittsidealisierung, der Lasteinleitungsmanschette oder Fließgrenzenstreuungen über den Querschnitt liegen.

Bei der Berechnung mit positiver Vorverformung wird erwartungsgemäß eine geringere Grenzlast erreicht. Interessant ist, dass trotz positiver Vorverformung und dadurch positiver Wölbbimomente zu Beginn der Berechnung, s. Bild 2.46, am Ende ein negatives Mω in Feldmitte infolge der Plastizierungen entstehen kann. Die Grenzlast wird nur reduziert, weil eine größere (positive) Verdrehung ϑ entsteht und dadurch ein Biegemoment Mz. Die Schnittgrößenkombinationen im Grenzlastzustand führen bei beiden Berechnungen zur vollen Ausnutzung der Querschnittstragfähigkeit, wie die letzte Zeile in Tabelle 2.13 zeigt

Tabelle 2.13 Zusammenstellung von Ergebnissen zum Versuch AC-UPE 200-1

Versuchv0 = -3 mm v0 = +3 mm

max Fz [kN] 407,9 393,2 (96,4 %) 386,0 (94,6 %)

ϑ [rad] -0,022 -0,001 0,016

My [kNcm] 8795 8627

Mz [kNcm] 5,8 -141,5

Mω [kNcm2] -2293 -3056

Sd/Rd (TSV) 100% 100%

ABAQUS

Page 65: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

2.4 U-Träger mit Biegung und Torsion 57

2.4.2 Bauteiltragfähigkeit bei Biegung und Torsion

Zur Feststellung der Bauteiltragfähigkeit von Trägern mit U-Profil wurden ähnliche Versuche wie die in Abschnitt 2.3.1 beschriebenen durchgeführt. Von den 8 Versuchen aus [52] wird der in Bild 2.47 dargestellte Versuch BE-UPE 200-21 hinsichtlich Tragverhalten und Versagensursache analysiert.

Bild 2.47 System des Versuchs BE-UPE 200-21

Der Lastangriff von Fz liegt in der Stegachse, wodurch ein negatives Torsionsmoment erzeugt wird. Die Richtung ist im Hinblick auf die Querschnittstragfähigkeit von Bedeutung, wie in Abschnitt 2.4.1 gezeigt werden konnte. Aus der Torsionsbelastung resultiert neben der Verdrehung ϑ auch eine seitliche Verformung v infolge der Kombination mit der Belastung um die starke Achse, s. Bild 2.48.

51,1454,50

0

10

20

30

40

50

60

-6-4-20

v [cm]

Fz [kN]

0

10

20

30

40

50

60

-0,8-0,6-0,4-0,20

ϑ [rad]

ABAQUSVersuch

Bild 2.48 Last-Verformungs-Kurven für den Versuch BE-UPE 200-21

Die negative Verschiebung des Trägers in horizontaler Richtung vergrößert während des Versuchsablaufs die Lastausmitte von Fz, so dass die Torsionsbelastung immer mehr zunimmt.

Page 66: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

2 Experimentelle und theoretische Untersuchungen zum Tragverhalten 58

Damit erklärt sich auch der stark nichtlineare Verlauf des Wölbbimomentes, der in Bild 2.49 neben My und Mz wiedergegeben ist. Der Verlauf von Mz folgt dem der Verdrehung ϑ, weil Mz lediglich aus der Schnittgrößentransformation auf die verformte Lage des Trägers entsteht, s. a. Bild 2.28. Bei einer Last von Fz = 53,54 kN wird in der Berechnung mit ABAQUS die Grenzlast erreicht. Maßgeblicher Versagensgrund ist das Eigenwertversagen infolge der Steifigkeitsreduktion in den plastizierten Bereichen des Trägers. Die Querschnittstragfähigkeit wird nur zu 88,6 % ausgenutzt, s. Bild 2.49 rechts. Durch das Eigenwertversagen wird auch verhindert, dass eine Umlagerung in St. Venantsche Torsion und ein Abbau von Mω stattfinden kann, wie es bei den I-Profilen teilweise der Fall war.

91,1

%

100,

4%

54,5048,12

0

10

20

30

40

50

60

0 20 40 60 80 100 120

Sd / Rd [%]

QST-FZ und TSV

0,4390,387 0,666

0

10

20

30

40

50

60

0 0,2 0,4 0,6 0,8 1

Fz [kN]

si = Si / Spl,i

mymz - mω (neg.)

Bild 2.49 Schnittgrößen und Querschnittsausnutzung in Feldmitte im Verlauf der

Berechnung (ABAQUS) für den Versuch BE-UPE 200-21

Page 67: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

3 Nachweisverfahren

3.1 Einleitung

Die Feststellung der ausreichenden Tragsicherheit ist das erklärte Ziel von Nachweisverfahren und -methoden. Die Untersuchungen im vorhergehenden Kapitel haben gezeigt, dass dazu bei stabilitätsgefährdeten Stäben die Berücksichtigung des nichtlinearen Tragverhaltens unbedingt erforderlich ist. Nur wenn sowohl die geometrische als auch die physikalische Nichtlinearität bei der rechnerischen Ermittlung von Schnittgrößen und Verformungen berücksichtigt wird, kann das wirkliche Tragverhalten nachvollzogen werden. Dies wird am Beispiel eines Druckstabes aus S 460 verdeutlicht, der in [32] experimentell untersucht worden ist. System und Last-Verformungs-Kurven sind in Bild 3.1 dargestellt. Die im Versuch gemessene Durchbiegung v in Feldmitte ergibt sich fast identisch in der mit ABAQUS [24] durchgeführten Berechnung nach der Fließzonentheorie, s. Bild 3.1 rechts.

Querschnitt HEB 400, S 460 (gemessene Abmessungen) fy = 49,17 kN/cm2

Npl = 9720 kN

λ =K,z 0,51

0

2000

4000

6000

8000

10000

0 0,5 1 1,5

v [cm]

Fx [kN]Versuch

FZT

E-P

E-E

κ

Bild 3.1 Statisches System sowie rechnerische und gemessene Last-Verformungs-Kurven des Versuchs W 15 [32]

Ebenfalls eingetragen sind die Ergebnisse, die sich bei Anwendung von unterschiedlichen vereinfachten Nachweisverfahren einstellen. Tabelle 3.1 gibt eine Übersicht zu diesen Verfahren sowie eine kurze Beschreibung zum Ablauf der jeweiligen Nachweisführung. Die Verfahren können alternativ verwendet werden, um die ausreichende Tragsicherheit stabilitätsgefährdeter Stäbe nachzuweisen.

Page 68: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

3 Nachweisverfahren 60

Tabelle 3.1 Nachweisverfahren für stabilitätsgefährdete Stäbe

κ-Verfahren

Schnittgrößenermittlung nach der Elastizitätstheorie I. Ordnung. An den maßgebenden Stellen Nachweis der Querschnittstragfähigkeit nach der Plastizitätstheorie unter Berücksichtigung von Abminderungsfaktoren κ.

Ersatzimperfektionsverfahren

Schnittgrößenermittlung nach der Elastizitätstheorie II. Ordnung mit Ansatz geometrischer Ersatzimperfektionen. An den maßgebenden Stellen Nachweis der Querschnittstragfähigkeit a) nach der Elastizitätstheorie (E-E) b) nach der Plastizitätstheorie (E-P)

Fließzonentheorie

Systemberechnung nach der Fließzonentheorie II. Ordnung oder großer Verformungen mit Ansatz geometrischer und struktureller Imperfektionen. Der Nachweis der Querschnittstragfähigkeit nach der Plastizitätstheorie ist enthalten.

Grundanforderung an alle Nachweisverfahren ist es, dass sie zu sicheren Grenztrag-fähigkeiten führen. Die mit einem Verfahren ermittelbare Grenzlast darf also nicht über der real erreichbaren Traglast eines Systems liegen. Neben dieser grundsätzlichen Anforderung gibt es eine Reihe weiterer Kriterien, die zur Beur-teilung der Nachweisverfahren von Bedeutung sind:

• Genauigkeit der Grenzlastermittlung

• Nachvollziehbarkeit des nichtlinearen Tragverhaltens

• Berechnungsaufwand, Handhabung

• Erforderlicher Kenntnisstand

Offensichtlich ist, dass keines der Verfahren alle genannten Kriterien in gleich hohem Maße erfüllen kann. So erfordern die κ-Verfahren auf der einen Seite ein geringes Maß an Vorkenntnissen und Berechnungsaufwand, auf der anderen Seite ermöglichen sie aber auch nicht die Abbildung des nichtlinearen Tragverhaltens (s. Bild 3.1). Bei der Fließzonentheorie verhält es sich umgekehrt. Die sehr genaue Erfassung des Tragverhaltens benötigt einen hohen Aufwand und fundierte Kenntnisse zur sicheren Anwendung. Das Ersatzimperfektionsverfahren nimmt mit der Systemberechnung nach Elastizitätstheorie II. Ordnung einen Platz dazwischen ein. Die grundsätzliche Anforderung einer sicheren Ermittlung der Grenztragfähigkeit wird für das untersuchte Beispiel von allen Verfahren erfüllt, wie die Grenzlasten in Tabelle 3.2 zeigen. Auch bei der Genauigkeit liegen die Verfahren mit einer Ausnahme auf dem gleichen Niveau.

Page 69: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

3.2 κ-Verfahren 61

Tabelle 3.2 Grenzlasten im Versuch und mit den Nachweisverfahren nach Tabelle 3.1

Verfahren Imperfektionen GrenzlastFx,u [kN]

%

Versuch 9120 100

κ-Verfahren keine, KSL a 8947 98,1

Ersatzimperfektionsverfahren E-E v0 = L/450 8145 89,3

Ersatzimperfektionsverfahren E-P v0 = L/300 8899 97,6

Fließzonentheorie (FZT)v0 = L/1000 und

Eigenspannungen8942 98,0

In den folgenden Abschnitten werden die vereinfachten Nachweisverfahren (κ-Verfahren und Ersatzimperfektionsverfahren) im Einzelnen vorgestellt und beurteilt. Neben den Angaben zur Nachweisführung werden auch Hintergründe und Phänomene erläutert, die für die Untersuchungen in den Kapiteln 5 und 6 von Bedeutung sind. Entsprechende Ausführungen zur Fließzonentheorie werden gesondert in Kapitel 4 gemacht, weil dieses Verfahren die umfassendsten Kenntnisse erfordert, um es sinnvoll und sicher anwenden zu können.

3.2 κ-Verfahren

3.2.1 Vorbemerkungen

Die Verwendung von vereinfachten Verfahren für die Bemessung stabi-litätsgefährdeter Stäbe hat im Stahlbau eine lange Tradition. So war bereits in DIN 4114 [15] von 1952 das ω-Verfahren für Druckstäbe enthalten, was im Prinzip dem heutigen κ-Verfahren für Biegeknicken entspricht. Im Folgenden soll der Begriff „κ-Verfahren“ allgemein für vereinfachte Verfahren mit Abminderungsfaktoren verwendet werden. Die Vereinfachung und damit der Vorteil dieser Verfahren liegt darin begründet, dass in der Regel eine Schnittgrößenberechnung nach der Elastizi-tätstheorie I. Ordnung angewendet werden kann. Die in Wirklichkeit auftretenden Beanspruchungen infolge von Systemverformungen (Theorie II. Ordnung) sowie andere traglastmindernde Effekte (geometrische und strukturelle Imperfektionen, Ausbreitung von Fließzonen) werden durch einen Abminderungsfaktor κ erfasst. Der Vorteil der einfachen Schnittgrößenberechnung nach Theorie I. Ordnung stellt gleich-zeitig den größten Nachteil der κ-Verfahren dar. Durch diese Vorgehensweise erhält der Anwender keinerlei Informationen über die wirklich auftretenden Schnittgrößen und Verformungen, und das nichtlineare Tragverhalten des untersuchten Systems kann nicht nachvollzogen werden.

Um die Tragfähigkeit von stabilitätsgefährdeten Stäben mit Hilfe von vereinfachten κ-Verfahren nachweisen zu können, ist es erforderlich, dass entsprechende Abminderungsfaktoren in Kenntnis der wirklichen Traglast (aus Versuchen und/oder

Page 70: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

3 Nachweisverfahren 62

Fließzonenberechnungen) festgelegt werden. Zu diesem Zweck wurden in den 60er und 70er Jahren umfangreiche Forschungsarbeiten durchgeführt (z. B. [2], [3], [21]) und im Zuge dessen κ-Werte für das Biegeknicken und das Biegedrillknicken entwickelt. Die Formulierungen der Nachweisbedingungen und der Abminderungs-faktoren, die heute noch weitgehend unverändert gültig sind, werden in den beiden folgenden Abschnitten vorgestellt. Vorwegnehmend sei darauf hingewiesen, dass für die Ermittlung der Abminderungsfaktoren die kritische Last des untersuchten Systems benötigt wird. Bei komplizierten Systemen erfordert dies entweder die Kenntnis von speziellen Lösungen (z. B. [59]) oder den Einsatz von EDV-Programmen. Dies muss bei der Beurteilung der κ-Verfahren berücksichtigt werden.

3.2.2 Biegeknicken

Der vereinfachte Nachweis für Biegeknicken bei reiner Drucknormalkraft kann gemäß Gl. (3.1) formuliert werden.

pl

N 1N

≤κ ⋅

(3.1)

Der Abminderungsfaktor κ (in DIN EN 1993-1-1 mit χ bezeichnet) gibt das Verhältnis zwischen wirklicher Traglast Nu und plastischer Grenznormalkraft Npl für einen planmäßig nur mit Drucknormalkraft beanspruchten Stab an, s. Gl. (3.2).

u

pl

NN

κ = (3.2)

Wie bereits erwähnt, wurden in den 60er und 70er Jahren weltweit intensive theoretische und experimentelle Untersuchungen durchgeführt, um Traglastkurven für den beidseitig gelenkig gelagerten Druckstab bereitzustellen. Dabei zeigte sich, dass sich die Kurven sehr gut in Abhängigkeit von der bezogenen Schlankheit

plK

Ki

NN

λ = (3.3)

darstellen lassen. Die analytische Formulierung der zunächst nur in diskreten Werten vorliegenden Europäischen Knickspannungskurven wurde von Maquoi/Rondal [84] abgeleitet und ist in Gl. (3.4) angegeben.

2 2K

1 1,0k k

κ = ≤+ − λ

(3.4)

mit: ( ) 2K Kk 0,5 1 0,2 = + α λ − + λ

Diese Formulierung wurde in DIN 18800 und DIN EN 1993-1-1 gleichermaßen über-nommen, wenn auch mit unterschiedlichen Bezeichnungen. Die so genannten „neuen Europäischen Knickspannungskurven“ (seit 1976) umfassen 5 verschiedene Kurven

Page 71: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

3.2 κ-Verfahren 63

bzw. Linien, die durch unterschiedliche Werte für den Faktor α in Gleichung (3.4) erzeugt werden (vorher 3 Kurven, s. [2]). In Tabelle 3.3 sind die Werte für α angegeben und in Bild 3.2 die entsprechenden Kurven dargestellt.

Tabelle 3.3 Parameter α der einzelnen Knickspannungslinien

Knickspannungslinie a0 a b c d α, αLT 0,13 0,21 0,34 0,49 0,76

0,0

0,2

0,4

0,6

0,8

1,0

0 0,4 0,8 1,2 1,6 2 2,4 2,8 3,2λK

κ

Eulera0

ab

cd

Bild 3.2 Europäische Knickspannungslinien

Im höherschlanken Bereich nähern sich die Kurven asymptotisch der Euler-Hyperbel Ki

2plK

N1N

κ = =λ

(3.5)

an, die sich als obere Grenze infolge der elastischen Verzweigungslast ergibt (Nu = NKi). Welche Knickspannungskurve zu verwenden ist, ist abhängig von der Querschnittsform, den Querschnittsabmessungen und dem Herstellungsprozess (Walzen oder Schweißen). Der eigentliche Grund, der sich dahinter verbirgt, sind die Eigenspannungen im Bauteil, die von den vorgenannten Faktoren abhängig sind. Die Eigenspannungen haben wiederum großen Einfluss auf die Traglast, wie auch die Untersuchungen in den Kapiteln 2 und 5 zeigen.

Eine Zuordnung von Knickspannungslinien (KSL) zu Querschnitten, wie sie in DIN EN 1993-1-1 [16] enthalten ist, gibt Tabelle 3.4 wieder. Im Vergleich zu DIN 18800 wurden einigen Querschnitten andere KSL zugeordnet (L-Querschnitte b statt c, kalt-gefertigte Hohlprofile c statt b) und es wurde eine gesonderte Einstufung für Bauteile aus Stahl S 460 vorgenommen.

Page 72: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

3 Nachweisverfahren 64

Tabelle 3.4 Zuordnung von Knickspannungslinien zu Querschnitten nach DIN EN 1993-1-1 [16]

Page 73: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

3.2 κ-Verfahren 65

Auf den Einfluss der Stahlgüte wird in Abschnitt 5.5 näher eingegangen. Um eine Vorstellung davon zu bekommen, welche Tragfähigkeitsunterschiede sich in Abhängigkeit von den Knickspannungskurven ergeben, sind die einzelnen Kurven in Bild 3.3, jeweils im Verhältnis zur nächst schlechteren Kurve, aufgetragen. Besonders große Unterschiede ergeben sich im Schlankheitsbereich um K 1,0λ = . Hier liegen die Tragfähigkeitsunterschiede zwischen 9 % (a0/a) und 15,6 % (c/d). In Kapitel 5 wird untersucht, wie genau die Knickspannungslinien die Traglast von gewalzten I-Querschnitten bei planmäßiger Druckbeanspruchung erfassen.

1,00

1,05

1,10

1,15

1,20

0 0,4 0,8 1,2 1,6 2 2,4 2,8 3,2

Verhältnis KSL i / j

a / b

b / c

c / d

λK

a0 / a

Bild 3.3 Tragfähigkeitsunterschiede zwischen den einzelnen Knickspannungslinien

Page 74: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

3 Nachweisverfahren 66

3.2.3 Biegedrillknicken

Ebenso wie für das Biegeknicken wurde auch für das Biegedrillknicken ein verein-fachter Nachweis mit Abminderungsfaktoren entwickelt und in die gültigen Normen [14] und [16] aufgenommen. Der Aufbau der Nachweisbedingung ist quasi identisch mit dem beim Biegeknicken, s. Gl. (3.6).

y

M pl,y

M1

M≤

κ ⋅ (3.6)

Anstelle einer genaueren Berechnung wird auch hier die Beanspruchung nach Theorie I. Ordnung ermittelt (My) und die vollplastische Beanspruchbarkeit des Quer-schnitts (Mpl,y) durch einen Faktor so abgemindert, dass die erreichbare Grenztrag-fähigkeit die wirkliche Traglast nicht überschreitet. Für den Abminderungsfaktor werden 2 unterschiedliche Formulierungen vorgeschlagen. Die Formulierung

1 n

M2nM M

M

1 für 0,41

1 für 0,4

λ > κ = + λ

λ ≤

(3.7)

die in DIN 18800-2 angegeben wird, ermöglicht eine Anpassung des Kurvenverlaufs über den so genannten Trägerbeiwert n, der bei gleich bleibendem Querschnitt für ge-walzte Profile 2,5 beträgt und für geschweißte Profile gleich 2,0 zu setzen ist. In DIN EN 1993-1-1 wird eine andere Bestimmungsgleichung für den Abminderungsfaktor vorgegeben als in DIN 18800-2. Die Gleichung entspricht formal der für Biegeknicken, enthält jedoch zusätzliche und geänderte Faktoren, s. Gl. (3.8).

LT 2 2 2LT LT LT LT

1,01 1

χ = ≤

Φ + Φ − β⋅λ λ

(3.8)

mit: ( ) 2LT LT LT LT,0 LT0,5 1 Φ = + α λ − λ + β ⋅λ

Empfehlung: LT 0,4λ = ; 0,75β =

Der Faktor αLT kann Tabelle 3.3 entnommen werden, wobei zu beachten ist, dass die Zuordnung der Linien eine andere ist als für das Biegeknicken. Für gewalzte I-Profile oder gleichartige, geschweißte Profile ist die Zuordnung in Tabelle 3.5 angegeben.

Tabelle 3.5 Zuordnung von Biegedrillknicklinien nach DIN EN 1993-1-1 [16] für Gl. (3.8)

Querschnitt Grenzen Biegedrillknicklinie

gewalztes I-Profil h/b ≤ 2 h/b > 2

b c

geschweißtes I-Profil h/b ≤ 2 h/b > 2

c d

Page 75: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

3.2 κ-Verfahren 67

Der nach Gl. (3.8) ermittelte Faktor darf in Abhängigkeit von der Momentenlinie verbessert werden (χLT,mod nach Gl. (3.9)), wenn diese vom konstanten Verlauf abweicht, was in der Regel der Fall ist.

LTLT,mod 1

χ = ≤ (3.9)

Empfehlung: ( ) ( )2c LTf 1 0,5 1 k 1 2,0 0,8 1 = − − − λ − ≤

kc in Abhängigkeit von der Momentenlinie

Welche Unterschiede sich aus den Formulierungen in Gl. (3.7) und Gl. (3.9) ergeben, wird mit Bild 3.4 erläutert. Dort sind die Abminderungsfaktoren über der bezogenen Schlankheit

pl,yM

Ki,y

MM

λ = (3.10)

für gewalzte I-Profile aufgetragen. Es sind deutliche Unterschiede zwischen κM und χLT,mod zu erkennen, besonders für die Fälle mit h/b > 2 im Bereich um M 1,0λ = . Beispielsweise ergibt sich für die Gleichstreckenlast mit χLT,mod eine Tragfähigkeit, die bis zu 13,3 % unter der für κM liegt. Diese großen Unterschiede erfordern eine Überprüfung der Traglastfaktoren für Biegedrillknicken, zumal bereits in [52] Abweichungen auf der unsicheren Seite gegenüber Fließzonenberechnungen fest-gestellt worden sind. [4] enthält weitergehende Untersuchungen.

0,2

0,4

0,6

0,8

1,0

0,4 0,6 0,8 1 1,2 1,4 1,6 1,8 2

κMχLT,mod für Fz und h/b ≤ 2

χLT,mod für qz und h/b > 2

χLT,mod für Fz und h/b > 2

χLT,mod für qz und h/b ≤ 2

λM

κM und χLT,mod

Bild 3.4 Abminderungsfaktoren beim Biegedrillknicken für gewalzte I-Profile

Page 76: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

3 Nachweisverfahren 68

3.3 Ersatzimperfektionsverfahren

3.3.1 Grundsätzliche Aspekte

Wenn die Veränderung der Beanspruchungen (z. B. der Schnittgrößen) infolge von Tragwerksverformungen nicht vernachlässigt werden darf, ist es erforderlich, das Gleichgewicht zwischen den äußeren und inneren Kräften für die verformte Lage des Tragwerks zu bestimmen. In aller Regel kann dies bei baupraktischen Systemen nach der so genannten Theorie II. Ordnung erfolgen. Auf Unterschiede zur Theorie großer Verformungen und auf zu beachtende Grenzen wird in Abschnitt 4.3 näher eingegangen. Die direkte Anwendung der Theorie II. Ordnung beim Ersatzimper-fektionsverfahren bietet gegenüber den κ-Verfahren, die in Abschnitt 3.2 beschrieben werden, eine Reihe von Vorteilen:

• Direkte Berücksichtigung geometrischer Imperfektionen

• Keine Beschränkung auf bestimmte statische Systeme

• Erfassung von stabilisierenden Bauteilen/Konstruktionen möglich

• Das wirkliche Last-Verformungs-Verhalten wird anschaulich

• Verformungsbeschränkungen können überprüft werden Ein Nachteil ist, dass analytische Lösungen nur für einfache Systeme vorliegen und iterative Verfahren für die Handrechnung nicht geeignet sind. In der heutigen Zeit wiegt dieser Nachteil aber längst nicht mehr so schwer, weil entsprechende EDV-Pro-gramme nach der FE-Methode zur Verfügung stehen und Berechnungen nach der Elastizitätstheorie II. Ordnung ohne größere Probleme ermöglichen. Dass es sich um elastische Berechnungen handelt, die bei der Ermittlung von Schnittgrößen und Verformungen die unbeschränkte Gültigkeit des Hookeschen Gesetzes zugrunde legen, soll betont werden, weil es ein Grund dafür ist, dass geometrische Ersatzimperfektionen bei der Systemberechnung zu berücksichtigen sind. Durch sie sollen nicht nur die geometrischen Imperfektionen erfasst werden, sondern ersatzweise auch strukturelle Imperfektionen (Eigenspannungen etc.) und vor allem der Einfluss, der durch die Ausbreitung von Fließzonen entsteht. Aufgrund des nichtlinearen Materialverhaltens von Stahl wird die Steifigkeit in diesen Bereichen stark reduziert, wodurch zum einen die Verformungen und damit auch die Beanspruchungen vergrößert werden. Zum anderen kann es zum instabilen Versagen des teilplastizierten Systems kommen, was erheblichen Einfluss auf die Tragfähigkeit des Systems hat, wie die Untersuchungen in Kapitel 2 gezeigt haben.

Die Vernachlässigung der genannten Effekte durch eine Berechnung nach der Elastizitätstheorie führt zu einer Überschätzung der Tragfähigkeit und liegt somit auf der unsicheren Seite. Um die rechnerischen Grenzlasten auf das Niveau der wirklichen Traglasten zu reduzieren, ist der Ansatz geometrischer Ersatzimperfektionen oder entsprechender Ersatzbelastungen erforderlich. Alternative Möglichkeiten wie z. B. eine Reduktion des E-Moduls sind denkbar. Weil

Page 77: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

3.3 Ersatzimperfektionsverfahren 69

geometrische Imperfektionen aber sowieso zu berücksichtigen sind, bietet es sich an, diese zu vergrößern und dadurch die Grenztragfähigkeit zu verringern. In welcher Größe und Form geometrische Ersatzimperfektionen zu berücksichtigen sind, wird im folgenden Abschnitt erläutert.

3.3.2 Form und Größe geometrischer Ersatzimperfektionen

Geometrische Ersatzimperfektionen sollten möglichst affin zur 1. Eigenform des Systems (= Eigenform, die zum 1. positiven Eigenwert korrespondiert) angesetzt werden, weil sich damit die größten Schnittgrößenzuwächse bei einer geometrisch nichtlinearen Berechnung ergeben. Wenn die Belastung gegen die Verzweigungslast strebt, ist dadurch gewährleistet, dass auch die Beanspruchungen über alle Maßen anwachsen und die rechnerische Grenzlast unterhalb der elastischen Verzweigungslast liegt. Das betrifft vor allem die Systeme, bei denen die Verformungen aus der planmäßigen Belastung keine Zusatzbeanspruchungen infolge Theorie II. Ordnung hervorrufen. Das Biegeknicken bei reiner Drucknormalkraft oder das Biegedrillknicken bei reiner Biegebeanspruchung um die starke Achse sind solche Fälle. In der Literatur wird deshalb häufig zwischen Verzweigungs-/Stabi-litätsproblemen auf der einen und Spannungs-/Traglastproblemen auf der anderen Seite unterschieden. In der Realität gibt es diese Unterschiede nicht. Zur Ermittlung der Grenztragfähigkeit muss immer ein imperfektes System betrachtet werden, so dass sich die Beanspruchungen, die sich in Wirklichkeit einstellen können, auch rech-nerisch ergeben.

Wie zuvor erläutert, richtet sich die Form geometrischer Ersatzimperfektionen nach der 1. Eigenform des Systems, sie muss aber nicht identisch sein. Für den Nachweis einzelner Stäbe ist es in der Regel ausreichend genau, eine Vorkrümmung in Form einer Sinushalbwelle oder einer quadratischen Parabel anzusetzen, wie sie in Bild 3.5 dargestellt ist.

Bild 3.5 Vorkrümmung als geometrische Ersatzimperfektion

Die Sinushalbwelle ist für den Eulerstab die exakte Eigenform, und die Parabel hat den Vorteil, dass als Ersatzbelastung eine Gleichstreckenlast verwendet werden kann. Die Richtung, in der die Vorkrümmung angesetzt wird, ist davon abhängig, welches Stabilitätsproblem untersucht werden soll. Für Biegedrillknicken ist eine Vor-

Page 78: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

3 Nachweisverfahren 70

verformung in v-Richtung zu berücksichtigen. Die Annahme einer zusätzlichen Tor-sionsverdrehung ist in der Regel nicht erforderlich, weil v und ϑ gekoppelt sind und daher infolge einer Vorverformung in v-Richtung auch Torsionsbeanspruchungen im System entstehen. Sind die Verformungen aber entkoppelt, wie z. B. beim Drillknicken oder bei Systemen mit hoher Schubfeldsteifigkeit, so muss eine Torsionsvorverdrehung berücksichtigt werden. In Zweifelsfällen sollte vorab die 1. Eigenform des Systems ermittelt werden, um die Vorverformung sinnvoll ansetzen zu können. Einige Programme bieten auch die Möglichkeit, die Eigenform mit Faktoren zu skalieren und dann als Vorverformung zu berücksichtigen.

Durch die Größe der geometrischen Ersatzimperfektionen wird die erreichbare Grenztragfähigkeit gesteuert. Sie wird so festgelegt, dass eine Bemessung mit Ansatz der Ersatzimperfektion zu einer rechnerischen Grenzlast führt, die mit der wirklichen Traglast möglichst gut übereinstimmt. Weil die Festlegung der Größe immer für einen Parameterbereich getroffen wird, kann dieses Vorgehen für den Einzelfall natürlich nur zu einer Annäherung mit einer gewissen Güte führen. Genauere Untersuchungen hierzu sind Gegenstand von Kapitel 6. Hier soll jedoch schon darauf aufmerksam gemacht werden, dass die erforderliche Größe von geometrischen Er-satzimperfektionen nicht nur von der Eingangsgröße „Traglast für ein bestimmtes System“ abhängig ist, sondern auch von Faktoren beeinflusst wird, die im Verfahren begründet liegen:

• Genauigkeit der Traglast

• Genauigkeit der Schnittgrößenermittlung nach Elastizitätstheorie II. Ordnung

• Nachweis der Querschnittstragfähigkeit nach der Elastizitätstheorie (Verfahren E-E) oder der Plastizitätstheorie (Verfahren E-P)

• Genauigkeit des Verfahrens zum Nachweis der Querschnittstragfähigkeit

• Form der Vorkrümmung Der 3. Punkt der Aufzählung ist etwas anders geartet als die anderen, denn dabei geht es um die Wahl zwischen 2 unterschiedlichen Nachweisverfahren (Elastisch-Elastisch (E-E) oder Elastisch-Plastisch (E-P)) und nicht um die Frage einer Genauigkeit. Ob es sinnvoll und erforderlich ist, dass sich mit beiden Verfahren die gleiche Grenztragfähigkeit ergibt, wird vom Verfasser bezweifelt. Bei Systemen, die nach Theorie I. Ordnung berechnet werden können ist jedem klar, dass sich bei Anwendung des Verfahrens Elastisch-Elastisch im Allgemeinen eine geringere Grenztragfähigkeit ergibt, als bei Anwendung des Verfahrens Elastisch-Plastisch. Warum muss dass bei Stabilitätsproblemen anders sein? Außerdem wird dem Anwender suggeriert, dass es sich um eine elastische Grenztragfähigkeit handelt, obwohl in Wirklichkeit sehr wohl Plastizierungen im System auftreten. Es ist auch unklar, ob bei dieser Vorgehensweise nicht die b/t-Werte für das Verfahren Elastisch-Plastisch einzuhalten sind. In DIN 18800-2 [14] wird vorgegeben, dass die geometrischen Ersatzimperfektionen, die hier in Tabelle 3.6 wiedergegeben sind, für das Nachweisverfahren Elastisch-Elastisch mit dem Faktor 2/3 reduziert werden

Page 79: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

3.3 Ersatzimperfektionsverfahren 71

dürfen, damit sich in etwa die gleichen Grenztragfähigkeiten wie mit dem Verfahren Elastisch-Plastisch ergeben. DIN EN 1993-1-1 [16] enthält die gleichen Werte wie die in Tabelle 3.6, aber keine besondere Regel für den Fall, dass die Querschnittstrag-fähigkeit nach der Elastizitätstheorie nachgewiesen wird.

Tabelle 3.6 Größe der geometrischen Ersatzimperfektion nach DIN 18800-2 [14]

Knickspannungslinie Stich v0, w0 der Vorkrümmung

a L/300

b L/250

c L/200

d L/150

Die Größe der Vorkrümmung wird in Abhängigkeit von der Knickspannungslinie vorgegeben. Das liegt daran, dass die Werte für Biegeknicken mit reiner Druckbean-spruchung aus den Traglasten der Knickspannungskurven zurückgerechnet wurden (s. a. Punkt 1 der obigen Aufzählung). Für Belastungen mit Druck und Biegung wurden die Traglasten aus Fließzonenberechnungen ermittelt [76]. Durch die Begrenzung der plastischen Biegemomententragfähigkeit auf αpl = 1,25 konnte auch für diese Fälle eine Einteilung nach Tabelle 3.6 ermöglicht werden. Weitere Erläuterungen dazu enthält Abschnitt 3.3.3.

Für Biegedrillknicknachweise ist eine Vorkrümmung v0 in Abhängigkeit von der, zur schwachen Achse zugeordneten, Knickspannungslinie anzusetzen. Nach früheren Auswertungen wurde in [14] festgelegt, das dabei die halben Werte nach Tabelle 3.6 zu verwenden sind. Diese Regelung ist nach neueren Forschungsergebnissen [52] in Frage zu stellen und bedarf ebenso wie die Abminderungsfaktoren des κ-Verfahrens (s. Abschnitt 3.2.3) weiterer Untersuchungen, s. a. [4].

3.3.3 Begrenzung von αpl

Bei Anwendung der in Tabelle 3.6 angegebenen Ersatzimperfektionen ist zu beachten, dass die plastische Momententragfähigkeit auf das 1,25-fache des elastischen Grenzwertes zu beschränken ist (Mpl,red ≤ 1,25 Mel). Diese Begrenzung kann auch durch eine Erhöhung der Beanspruchung nach Gl. (3.11) berücksichtigt werden, was für den Nachweis einer Schnittgrößenkombination von Vorteil ist.

pl,ii iM M

1,25α

= ⋅ wenn αpl,i > 1,25 (3.11)

mit pl,ipl,i

el,i

MM

α =

Page 80: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

3 Nachweisverfahren 72

Die Begrenzung von αpl wurde in [14] mit aufgenommen, weil sonst für das Biege-knicken um die schwache Achse bei Druck und planmäßiger Biegung deutlich grö-ßere Werte erforderlich wären als die in Tabelle 3.6 angegebenen. Ob die Begrenzung auch für Biegedrillknicknachweise erforderlich ist und dann auch für Mω gilt, ist unklar. Erstaunlicherweise wird auf eine entsprechende Regelung zur Begrenzung von Mpl in [16] ganz verzichtet, obwohl die Werte für die Vorkrümmungen identisch sind. In Kapitel 6 werden für beide Fälle geometrische Ersatzimperfektionen hergeleitet, mit und ohne Begrenzung von αpl.

3.3.4 Nachweis der plastischen Querschnittstragfähigkeit

Wie bereits im vorhergehenden Abschnitt erwähnt, ist die erforderliche Größe geometrischer Ersatzimperfektionen auch davon abhängig, wie genau die wirkliche Querschnittstragfähigkeit durch entsprechende Nachweisbedingungen erfasst wird. Wird die Tragfähigkeit durch die Nachweisbedingungen z. B. unterschätzt, sind geringere Ersatzimperfektionen erforderlich, um eine vorgegebene Grenzlast zu erreichen. Werden die gleichen Ersatzimperfektionen dann im Zusammenhang mit genaueren Nachweisbedingungen verwendet, liegen die erreichbaren Grenzlasten auf der unsicheren Seite. Daher gelten Ersatzimperfektionen streng genommen nur im Zusammenhang mit den Nachweisbedingungen, mit denen sie ermittelt wurden.

Im Rahmen dieser Arbeit wird zum Nachweis der plastischen Querschnittstragfähig-keit das Teilschnittgrößenverfahren (TSV) von Kindmann/Frickel verwendet (s. [46], [48], [47]). Es ermöglicht die Berücksichtigung aller 8 Schnittgrößen, die bei Biege-torsionsproblemen in der Stabtheorie auftreten können (N, My, Mz, Mω, Vz, Vy, Mxp, Mxs), weshalb es für die Untersuchung von Biegedrillknickproblemen besonders ge-eignet ist. Die Anwendbarkeit bei planmäßiger Torsionsbeanspruchung wurde in [52] noch einmal bestätigt. Die einzelnen Nachweisbedingungen des Verfahrens werden hier nicht aufgeführt, sie können [46] entnommen werden. Bei Bedarf sind Auszüge, wie z. B. in Kapitel 6, angegeben. Implementiert sind die Bedingungen u. a. in den Programmen [128] und [127], was die Anwendung erleichtert.

Ergänzend zum TSV wird für die Untersuchungen zum Tragverhalten in Kapitel 2 ein dehnungsorientiertes Verfahren angewandt. Das Verfahren basiert auf einer inkrementellen Aufbringung der Schnittgrößen in Kombination mit einer Gleichgewichtsiteration nach dem Newton-Raphson-Verfahren, s. a. Abschnitt 4.4. Das Programm QST-FZ [129] ermöglicht mit diesem Verfahren die Ermittlung des Dehnungszustandes infolge von σ-Schnittgrößen für elasto-plastisches Materialverhalten. Durch eine vorgeschaltete Abminderung der Streckgrenze infolge von τ-Schnittgrößenkombinationen kann für beliebige offene Querschnitte und beliebige Schnittgrößenkombinationen die plastische Querschnittstragfähigkeit nachgewiesen werden.

Page 81: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

4 Fließzonentheorie

4.1 Vorbemerkungen

Eine geometrisch und physikalisch nichtlineare Berechnung nach der Fließzonentheorie stellt zur Zeit das genaueste Verfahren zur Ermittlung der rechnerischen Grenztragfähigkeit eines Systems dar. Genauigkeit ist dabei im Sinne von Realitätsnähe zu verstehen. In den folgenden Abschnitten werden grundlegende Erläuterungen zur Fließzonentheorie und zur Anwendung des Verfahrens mit Hilfe von Finite-Elemente-Programmen gegeben.

4.2 Physikalische Nichtlinearität

An dieser Stelle werden zunächst die physikalische Nichtlinearität und ihre Auswirkungen näher betrachtet.

Bild 4.1 Spannungs-Dehnungs-Beziehung für Baustähle [46]

Bild 4.1 zeigt eine Arbeitslinie für übliche Baustähle, wie sie aus Zugversuchen ge-wonnen werden kann. Bis zum Erreichen der oberen Streckgrenze fy,o liegt nahezu linearelastisches Werkstoffverhalten vor, welches durch das Hookesche Gesetz nach Gl. (1.6) in sehr guter Näherung beschrieben wird. Nach Überschreiten der Streckgrenze folgt ein Fließbereich, der durch eine horizontale Tangente im Spannungs-Dehnungs-Diagramm gekennzeichnet ist. Der Werkstoff besitzt also in diesem Bereich keinerlei Festigkeit, was von entscheidender Bedeutung für das Tragverhalten stabilitätsgefährdeter Bauteile ist. Bei ca. 10 εy setzt eine Verfestigung des Werkstoffs ein, die bei den normalfesten Stählen S 235 und S 355 zu einer Zugfestigkeit führt, die etwa 50 % größer ist als die Streckgrenze. Bis es schließlich zum Bruch der Zugprobe kommt, treten sehr große plastische Dehnungen auf. Die

Page 82: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

4 Fließzonentheorie 74

ausgeprägte Duktilität des Werkstoffs ist eine wichtige Voraussetzung für die Anwendung der Plastizitätstheorie.

Die Zugrundelegung des exakten Werkstoffverhaltens ist mit den aktuellen FE-Programmen zwar möglich, in der Regel aber nicht erforderlich. Üblich ist die Ver-wendung einer linearelastischen-idealplastischen Spannungs-Dehnungs-Beziehung, wie sie in Bild 4.2 dargestellt ist (Wiederholung von Bild 1.2). Die Vernachlässigung der Verfestigung bedeutet gerade bei stabilitätsgefährdeten Systemen keinen Verlust an Genauigkeit, weil bei diesen die Dehnungen im Grenzzustand der Tragfähigkeit im Allgemeinen noch unterhalb der Verfestigungsdehnung liegen. Dies zeigen auch die im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten Untersuchungen (s. Abschnitt 5.3.2).

Bild 4.2 Linearelastische-idealplastische Spannungs-Dehnungs-Beziehung

Eine physikalisch nichtlineare Systemberechnung wird im Stahlbau auch als Fließzonentheorie (FZT) bezeichnet. Der Name macht deutlich, dass das Fließen des Stahls, welches bei Überschreiten der Fließdehnung εel entsteht, in der Systemberechnung berücksichtigt wird. Die Ausbreitung der Fließzonen im System führt zu veränderten Steifigkeiten, die bei der Fließzonentheorie durch eine inkrementell-iterative Berechnung direkt erfasst werden. Dem gegenüber steht die Fließgelenktheorie (FGT), bei der die teilplastizierten Bereiche vollkommen vernachlässigt und stattdessen ideale Gelenke eingeführt werden, wenn die plastische Querschnittstragfähigkeit an einer Stelle zu 100 % ausgenutzt ist. Wird nur bis zum 1. Fließgelenk gerechnet oder ist das System statisch bestimmt, so entspricht dieses Vorgehen dem Nachweisverfahren Elastisch-Plastisch. Dabei darf auf der einen Seite für die Systemberechnung die unbeschränkte Gültigkeit des Hookeschen Gesetzes (Gl. (1.6)) zu Grunde gelegt werden und auf der anderen Seite für den Nachweis der Querschnittstragfähigkeit das bilineare Werkstoffgesetz nach Bild 4.2. Durch die damit zugelassene Verletzung der kinematischen Beziehungen können die wirklich entstehenden Verformungen nicht mehr bestimmt werden. Je größer die plastischen Querschnittsreserven sind und je größer die Ausdehnung der Fließzonen im System ist, desto größer sind auch die Abweichungen zwischen den elastisch

Page 83: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

4.2 Physikalische Nichtlinearität 75

berechneten und den nach Fließzonentheorie ermittelten Verformungen. Teilweise entstehen infolge der Steifigkeitsänderungen sogar Verformungen, die bei elastischer Berechnung gar nicht auftreten. Dies wird mit dem in Bild 4.3 dargestellten Beispiel erläutert.

fy = 24 kN/cm2 Mittellinienmodell: α = 15,8° Iy = 1169,6 cm4 Mel,y = 2641,4 kNcm Mpl,y = 4462,8 kNcm αpl,y = 1,69

Bild 4.3 Träger mit geneigt eingebautem L-Profil

Ein Träger mit L-Profil wird durch eine Einzellast Fz im Schubmittelpunkt belastet, wodurch planmäßig Biegemomente My und dazu korrespondierende Verformungen w entstehen. Nach dem Mittellinien-Modell, also unter Vernachlässigung der Biegung um die Blechmittellinie, ergibt sich für das verwendete Profil ein plastisches Grenzbiegemoment, welches etwa 69 % größer ist als das elastische Grenzmoment, s. Bild 4.3 rechts. Der Querschnitt weist also erhebliche plastische Reserven auf. Auf besondere Effekte, die sich durch die Vernachlässigung der Biegung um die Blech-mittellinie bei Winkelprofilen ergeben können, wird in [131] hingewiesen. Es wurde hier ein Querschnitt gewählt, für den die Unterschiede bei Mpl,y unter 1 ‰ liegen. Für eine Belastung, die zu 99,9 % von Mpl,y führt, errechnet sich die Durchbiegung nach der Elastizitätstheorie zu

3 23pl,y pl,yz

y y y

0,999 M 4 L L M LF L 0,999w 1,361cm48 EI 48EI 12 EI

⋅ ⋅ ⋅ ⋅⋅= = = ⋅ = (4.1)

Wird die Durchbiegung nach FZT ermittelt und dabei die bilineare Spannungs-Dehnungs-Beziehung nach Bild 4.2 zugrunde gelegt, so ergibt sich eine um ca. 79 % größere Durchbiegung, s. Bild 4.4 und Tabelle 4.1.

Tabelle 4.1 Verformungen elastisch und nach Fließzonentheorie (FZT) ermittelt

Belastung

elastisch FZT Faktor elastisch FZT

Einzellast Fz 1,361 2,436 1,79 - 1,043

Gleichstreckenlast qz 1,702 4,430 2,60 - 2,659

konstantes Biegemoment My 2,042 20,423 10,0 - 17,333

w [cm] v [cm]

Verformungen in Feldmitte bei 0,999 Mpl,y

Page 84: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

4 Fließzonentheorie 76

4458,34458,3

2,4361,3610

500100015002000250030003500400045005000

0 1 2 3

w [cm]

My [kNcm]

2641,4elastisch FZT

1,0430500100015002000250030003500400045005000

0 0,5 1 1,5

v [cm]

Mel

0,999 Mpl

FZT

Bild 4.4 Last-Verformungs-Kurven ermittelt nach Elastizitätstheorie und nach

Fließzonentheorie (FZT) mit dem Programm KSTAB-FZ

Wie Bild 4.4 zeigt, beginnt die Verformung w nach Überschreiten der elastischen Grenzlast (Mel) stärker anzuwachsen, wobei der Zuwachs umso größer wird, je weiter man sich Mpl annähert. Zu Mpl würde eine unendlich große Durchbiegung gehören. Grund für die Zunahme der Verformungen ist die Veränderung der Steifigkeiten, die sich ergibt, weil der E-Modul nicht mehr konstant, sondern abhängig von der Deh-nung ist. Im Fall des ideal-elastoplastischen Werkstoffgesetzes (s. Bild 4.2) müssen nur 2 Möglichkeiten unterschieden werden:

ε < εel: Ei = E ε ≥ εel: Ei = 0

Das bedeutet, dass Bereiche, in denen die Dehnung über der Fließdehnung liegt, keinerlei Steifigkeit mehr besitzen und die anderen die volle, elastische Steifigkeit. Um dies berücksichtigen zu können, wird der Querschnitt im Allgemeinen in einzelne Fasern unterteilt, wie es in Bild 4.5 exemplarisch dargestellt ist.

a)

b)

Bild 4.5 Mögliche Einteilungen des Querschnitts in Fasern a) Blechmittellinienmodell b) mit Unterteilung in Blechdickenrichtung

Page 85: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

4.2 Physikalische Nichtlinearität 77

Ähnlich wie beim Gesamtquerschnittsverfahren, welches aus dem Verbundbau be-kannt ist, werden die einzelnen Fasern mit dem Faktor Ei/E gewichtet. Durch nume-rische Integration können dann die so genannten „wirksamen Querschnittswerte“ bestimmt und in den Steifigkeitsmatrizen verwendet werden, wie z. B.:

Faser

el pl

pl

npl2 2 2i

zz el pl i ii 1A A

0 für E 0

E EA z dA z dA z AE E=

= =

= ⋅ + ⋅ = ⋅ ⋅∑∫ ∫ (4.2)

In Bild 4.6 sind links die Bereiche im Träger dargestellt, in denen die Dehnungen über der Fließdehnung liegen. Sie werden auch als Fließzonen bezeichnet. Daneben ist angegeben, wie sich die wirksamen Querschnittswerte in Bezug auf die ursprünglichen, elastischen Werte in diesen Bereichen verändern. Hierzu wird nachträglich für jedes finite Element, in dem Plastizierungen aufgetreten sind, eine Querschnittsnormierung durchgeführt. Dieser Schritt ist in der Systemberechnung selbst nicht erforderlich, weil dabei mit einem beliebigen Bezugssystem gerechnet wird, s. [128] und [58].

= Druckfließen = Zugfließen

L / 4

Steg

Untergurt

L / 4 L / 4 L / 4

Wirksame Querschnittswerte bezogen auf die elastischen Werte: A i = A i,pl / A i,el

0,25 0,50 0,75 x/L

0,5

1,0

0

AIy

Iz

Bild 4.6 Ausbreitung der Fließzonen im System und wirksame Querschnittswerte im Bereich der Fließzonen für Fz = 0,999 Mpl,y ⋅ 4/L

Für das untersuchte System resultiert aus den veränderten Steifigkeiten aber nicht nur die erwartete Vergrößerung der Durchbiegung w, sondern auch eine seitliche Verfor-mung v, wie die Last-Verformungskurven in Bild 4.4 zeigen. Anschaulich erklärt werden kann dies mit der Rotation des Hauptachsensystems, die sich durch die fort-schreitende Plastizierung des Querschnitts vollzieht. Bild 4.7 zeigt für 3 unterschiedliche Momentenbelastungen die zugehörigen Spannungszustände sowie die Lage des Hauptachsensystems, wie es sich für den wirksamen Querschnitt ergibt.

Page 86: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

4 Fließzonentheorie 78

yz

S

- 24,00

15,6910,77

a)

y z

S

- 24,00

16,32 20,17

b)

y

z

S

- 24,00

24,00

17,07

24,00

c)

Bild 4.7 Spannungszustände und Lage des Hauptachsensystems für a) Mel = 2641,4 kNcm b) My = 3550,0 kNcm c) 0,999 Mpl = 4458,3 kNcm

Berechnungen nach der Fließzonentheorie berücksichtigen die physikalische Nichtlinearität, die bei Stahl in Form von elasto-plastischem Materialverhalten vorliegt. Auf entsprechende iterative Lösungsverfahren und ihre Steuerung wird in Abschnitt 4.4 näher eingegangen. Hier geht es darum, die direkten Auswirkungen der physikalischen Nichtlinearität – veränderte Steifigkeiten in den Fließzonen – und ihre Folgen aufzuzeigen. Anhand des Beispiels konnten gegenüber einer linearen (elastischen) Berechnung deutlich vergrößerte sowie zusätzlich entstehende Verformungen festgestellt werden. Die im Einzelnen auftretenden Effekte sind abhängig vom statischen System, der Belastung und den verwendeten Querschnitten, wobei die Auswirkungen tendenziell umso größer sind, je größer die Ausbreitung der Fließzonen ist. In Tabelle 4.1 sind für das bisher betrachtete Beispiel auch die Berechnungsergebnisse für 2 weitere Belastungsarten angegeben. Die sehr ungünstige, konstante Momentenbeanspruchung führt nach der Fließzonentheorie zu einer 10fach größeren Durchbiegung als nach der Elastizitätstheorie. Neben den gezeigten Effekten sind noch die folgenden zu nennen, die bei anderen Systemen und Belastungen aus den veränderten Steifigkeiten in den Fließzonen resultieren können:

1. Schnittgrößenumlagerungen bei statisch unbestimmten Systemen. 2. Durch die vergrößerten Verformungen infolge der Steifigkeitsreduktion können

sich Schnittgrößen verändern, besonders wenn Normalkräfte wirken. 3. Es kann zum Stabilitäts- bzw. Eigenwertversagen kommen, wenn gleichzeitig

die geometrische Nichtlinearität berücksichtigt wird. Welche Auswirkungen die angesprochenen Effekte auf das Tragverhalten und die Tragfähigkeit von Stäben haben, wird in Kapitel 2 näher untersucht.

Page 87: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

4.3 Geometrische Nichtlinearität 79

4.3 Geometrische Nichtlinearität

Um das Tragverhalten und die Tragfähigkeit von Stäben realitätsnah zu erfassen, ist die Durchführung einer geometrisch nichtlinearen Berechnung erforderlich, in der der Gleichgewichtszustand zwischen äußeren und inneren Kräften für die verformte Lage des Systems bestimmt wird. Dies ist nach der Theorie II. Ordnung möglich, wenn im Vergleich zu den Systemabmessungen kleine Verformungen vorausgesetzt werden. Die meisten Stabstatikprogramme, die zur Berechnung allgemeiner Biege-torsionsprobleme zur Verfügung stehen (z. B. KSTAB [51], KSTAB-FZ [128], BTII [8] oder DRILL [19]), legen die Theorie II. Ordnung zugrunde. Lediglich die großen FE-Programmsysteme wie ABAQUS [24] oder ANSYS [25] verwenden eine Theorie großer Verformungen. In diesem Abschnitt sollen zunächst die Annahme kleiner Verformungen und daraus resultierende Konsequenzen für die Theorie II. Ordnung näher betrachtet werden. Anschließend wird an 2 Beispielen verdeutlicht, welche Unterschiede sich bei Berechnungen nach der Theorie großer Verformungen ergeben können und wie relevant diese Unterschiede für baupraktische Fälle sind.

Aus der Voraussetzung kleiner Verformungen folgt, dass die trigonometrischen Funktionen durch den linearen Term ihrer Entwicklung in eine Potenzreihe ausgedrückt werden können, so wie es in den Gln. (4.3) und (4.4) ausgeführt ist.

2 4cos 1 .... 1

2! 4!ϕ ϕ

ϕ = − + − ≈ (4.3)

3 5

sin ....3! 5!ϕ ϕ

ϕ = ϕ − + − ≈ ϕ (4.4)

In Tabelle 4.2 sind die prozentualen Abweichungen angegeben, die sich mit diesen Näherungen im Vergleich zu den genauen Funktionen ergeben.

Tabelle 4.2 Abweichungen der Näherungen von den genauen trigonometrischen Funktionswerten

ϕ [rad] ϕ [°] cos ϕ sin ϕcos ϕ ≈ 1 sin ϕ ≈ ϕ

0,1 5,7 0,995 0,100 0,5 0,20,2 11,5 0,980 0,199 2,0 0,70,3 17,2 0,955 0,296 4,7 1,50,4 22,9 0,921 0,389 8,6 2,70,5 28,6 0,878 0,479 13,9 4,30,6 34,4 0,825 0,565 21,2 6,30,7 40,1 0,765 0,644 30,7 8,70,8 45,8 0,697 0,717 43,5 11,50,9 51,6 0,622 0,783 60,9 14,91 57,3 0,540 0,841 85,1 18,8

Fehler der Näherungen [%]

Page 88: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

4 Fließzonentheorie 80

Als Grenze, bis zu der die Abweichungen als vernachlässigbar klein angesehen werden, gilt üblicherweise ein Wert von maximal 0,3 rad. Die Einhaltung dieses Grenzwertes ist bei baupraktischen Anwendungsfällen für die Verdrehungen um die Querschnittshauptachsen (ϕy und ϕz) in aller Regel gegeben. Für die Verdrehung um die Stablängsachse ergeben sich bei Stäben mit planmäßiger Torsionsbeanspruchung oder bei Biegedrillknickproblemen im hohen Schlankheitsbereich zum Teil größere Werte für ϑ, sodass die Anwendungsgrenze für eine Berechnung nach der Theorie II. Ordnung überschritten ist. Wie sich eine Anwendung über die Grenze hinaus auswirkt, kann nicht allgemeingültig beantwortet werden. Bei Systemen mit planmäßig überwiegender Biegung um die starke Achse führt sie im Allgemeinen zu einer Unterschätzung der Tragfähigkeit, was in der Transformation der Biegemomente auf die verformte Lage begründet liegt. Bild 4.8 zeigt noch einmal das Prinzip, das bereits in Abschnitt 2.3 angesprochen und in Bild 2.28 dargestellt worden ist.

Bild 4.8 Biegemomente für die unverformte und die verformte Lage

Mit Hilfe der angegebenen Transformationsbeziehungen können die relevanten Nachweisschnittgrößen aus den Gleichgewichtsschnittgrößen ermittelt werden. Wenn dabei statt der trigonometrischen Funktionen die Näherungswerte der Gln. (4.3) und (4.4) eingehen, werden die Biegemomente aufgrund der Abweichungen für cos ϕ (s. Tabelle 4.2) zu groß ermittelt und deshalb die Systemtragfähigkeit in der Regel unterschätzt.

Im Zusammenhang mit der Definition der Nachweis- und Gleichgewichtsschnitt-größen soll ein wichtiger Unterschied erläutert werden, der zwischen der Theorie II. Ordnung und der Theorie großer Verformungen besteht. In Gl. (4.5) ist die Gesamt-steifigkeitsbeziehung angegeben, die bei der FE-Methode zur Ermittlung der unbekannten Verformungen in Abhängigkeit von den Lastgrößen verwendet wird.

K v p⋅ = (4.5)

Page 89: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

4.3 Geometrische Nichtlinearität 81

Besteht zwischen den Verformungen und den Lastgrößen ein nichtlinearer Zusam-menhang, so muss die Steifigkeitsbeziehung in linearisierter Form aufgestellt werden und kann nur noch inkrementell-iterativ gelöst werden. In der dabei auftretenden tangentialen Gesamtsteifigkeitsmatrix KT (v) wird bei der Theorie II. Ordnung neben der elastischen Steifigkeitsmatrix K nur die lineare Anfangsspannungsmatrix KσL (v) berücksichtigt [64]. Sie kann in Abhängigkeit von den Schnittgrößen s umformuliert werden und wird dann als geometrische Steifigkeitsmatrix G (s) bezeichnet. Damit gilt für die tangentiale Gesamtsteifigkeitsmatrix

( )TK K G s≈ + (4.6) und für die Gesamtsteifigkeitsbeziehung

( )( )K + G s v p⋅ = (4.7)

Wegen der Annahme kleiner Verformungen können in die geometrische Steifigkeits-matrix näherungsweise die Schnittgrößen nach Theorie I. Ordnung eingesetzt werden, so dass die Verformungen nach Theorie II. Ordnung im Sinne eines Gesamtschritt-verfahrens durch Lösen von Gl. (4.7) ermittelt werden können. Durch Multiplikation mit den Elementsteifigkeitsmatrizen (elastische + geometrische) ergeben sich daraus die Gleichgewichtsschnittgrößen nach Theorie II. Ordnung. Erst im Nachlauf werden diese auf die verformte Stabachse transformiert, sodass sich die Nachweisschnitt-größen ergeben (s. Bild 4.8). Teilweise ist es erforderlich, die Gesamtsteifig-keitsbeziehung (4.7) mehrfach aufzubauen und zu lösen und dabei jeweils die Gleichgewichtsschnittgrößen nach Theorie II. Ordnung aus dem vorhergehenden Schritt in G (s) zu verwenden, um einen konvergierten Gleichgewichtszustand zu ermitteln. Am genauesten wäre es, dabei die Nachweisschnittgrößen zu verwenden, aber dann führt das beschriebene Vorgehen nicht unbedingt zu einer konvergenten Lösung. Dies ist der wichtige Unterschied zur Theorie großer Verformungen. Bei dieser gehen die Schnittgrößen bzw. die Spannungen der verformten Lage in die tangentiale Steifigkeitsmatrix ein, so dass sich die geometrische Nichtlinearität auch in einer nichtlinearen Bestimmungsgleichung für die Verformungen äußert. Zu lösen ist diese nur mit Hilfe von inkrementell-iterativen Lösungsverfahren, auf die in Abschnitt 4.4 eingegangen wird. Anhand von zwei Beispielen soll gezeigt werden, welche Unterschiede sich bei Berechnungen nach der Theorie II. Ordnung und der Theorie großer Verformungen infolge des beschriebenen Zusammenhangs ergeben. Für die Berechnungen wird unbeschränkt elastisches Materialverhalten zugrunde gelegt!

Page 90: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

4 Fließzonentheorie 82

Beispiel 1: Biegeknicken

Bild 4.9 zeigt links einen Druckstab mit Vorverformung v0 und rechts daneben die Last-Verformungs-Kurven, ermittelt mit ABAQUS nach der Theorie großer Verformungen und mit KSTAB-FZ nach Theorie II. Ordnung.

Profil ~ HEA 200

PKi = 620,4 kN 0

0,5

1

1,5

2

2,5

3

0 100 200 300 400

v [cm]

P / PKi ABAQUSTh. gr. Verf.

KSTAB-FZTh. II. Ord.

Bild 4.9 Vergleich von Theorie II. Ordnung und Theorie großer Verformungen für ein Biegeknickproblem (Material unbeschränkt elastisch!)

Während sich die Theorie II. Ordnungs-Kurve asymptotisch der horizontalen Tangente in dem Wert P/PKi = 1 annähert, kann die Last bei der Theorie großer Verformungen weiter gesteigert werden. Dargestellt ist die Berechnung bis P/PKi = 3. Möglich ist die Steigerung über PKi hinaus, weil die Normalkräfte bezüglich der verformten Stabachse mit zunehmender Durchbiegung und damit Krümmung des Stabes reduziert werden. Der Zusammenhang zwischen Normalkraft und Belastung ergibt sich mit Gl. (4.8).

N = P ⋅ cos ϕZ (4.8) In Bild 4.10 ist links der Verlauf der Normalkraft über der Stablänge dargestellt, wie er sich mit ABAQUS für P/PKi = 2 ergibt. Wegen der enormen Verschiebung in axialer Richtung (s. Bild 4.10b) und der daraus resultierenden Krümmung entstehen in weiten Bereichen des Stabes positive Normalkräfte, also Zugspannungen.

Page 91: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

4.3 Geometrische Nichtlinearität 83

-1240,8

705,2

0,00

0,25

0,50

0,75

1,00x/L

N [kN]

a)

0,07 0,3974

-0,50

-0,25

0,00

0,25

0,50x/L

v / L [-]

Stabachse

b)

1,003

13,662

0

5

10

15

20

0,0 1,0 2,0 3,0

PK / PKi

P / PKi

1,0

Wechsel derEigenform

2-wellig

1-wellig

c)

Bild 4.10 a) Normalkraftverteilung für P/PKi = 2 b) Verformungsfigur für P/PKi = 2 c) Aktuelle kritische Last PK bezogen auf die ideelle kritische Last PKi im Verlauf der Laststeigerung

Durch die Reduzierung oder sogar Umkehrung der Druckspannungen in Teilen des Stabes wird der Eigenwert des Systems erhöht und stabiles Gleichgewicht kann für P > PKi erreicht werden. Um das zu überprüfen, wird in jedem Lastschritt der 1. Eigenwert des Systems ermittelt. Weil das mit ABAQUS nicht möglich ist, werden hierzu die Schnittgrößen aus der Berechnung mit ABAQUS in KSTAB-FZ eingelesen und der kleinste positive Eigenwert des Gleichungssystems

(K + ηK ⋅ G) ⋅ v = 0 (4.9) bestimmt. Das entspricht dem klassischen Vorgehen zur Ermittlung der ideellen Ver-zweigungslast PKi mit dem Unterschied, dass dabei die Schnittgrößen des Grundzustandes am unverformten System, also nach Theorie I. Ordnung bestimmt und in G (s) eingesetzt werden. Jetzt werden die Schnittgrößen eingesetzt, die sich nach Theorie großer Verformungen für die verformte Stabachse ergeben. Die resultierende kritische Last PK = ηK ⋅ P ist in Bild 4.10 rechts im Verhältnis zur idealen Verzweigungslast PKi aufgetragen. Für P/PKi = 1 liegt das Verhältnis bereits bei 1,003 und steigt aufgrund der zuvor erläuterten Effekte bei wachsender Last weiter an. Es handelt sich also um stabiles Gleichgewicht, auch wenn P > PKi ist.

Für die Baupraxis nutzbar ist dieser Bereich allerdings nicht. Zum einen, weil die Verformungen viel zu groß sind und zum anderen, weil die Annahme von unbe-schränkt elastischem Materialverhalten für Stahl nicht zutrifft. Die auftretenden Biegemomente würden bei ideal-elastoplastischem Verhalten (s. Bild 4.2) und fy = 24 kN/cm2 bereits bei P/PKi ≈ 0,9 zu einer 100 %-igen Querschnittsaus-nutzung und somit zum Versagen des Systems führen.

Page 92: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

4 Fließzonentheorie 84

Die Kenntnis und richtige Erklärung der aufgezeigten Phänomene ist für die Untersu-chung von Stabilitätsproblemen aber trotzdem von grundsätzlicher Bedeutung, weil nur so die Ergebnisse von EDV-Programmen richtig interpretiert und sicher angewendet werden können. Außerdem sind die gezeigten Effekte nicht auf das Biegeknicken beschränkt, sondern treten in ähnlicher Weise auch beim Biegedrillknicken auf, wie das zweite Beispiel verdeutlichen wird.

Beispiel 2: Biegedrillknicken

Profil ~ IPE 500

Ansatz einer parabelförmigen Vorkrümmung mit v0 = L/1000

Fz,Ki = 608,1 kN

0,0

0,5

1,0

1,5

2,0

2,5

3,0

0 0,5 1 1,5 2

ϑ [rad]

Fz / Fz,Ki

ABAQUSTh. gr. Verf.

KSTAB-FZTh. II. Ord.

Bild 4.11 Vergleich von Theorie II. Ordnung und Theorie großer Verformungen für ein Biegedrillknickproblem (Material unbeschränkt elastisch!)

In Bild 4.11 ist als typisches System ein Einfeldträger mit Einzellast Fz in Feldmitte und Lastangriff am Obergurt dargestellt. Das Profil sei ein IPE 500, der als 3-Blechquerschnitt idealisiert wird. Zur Erzielung der Torsionssteifigkeit des Walzprofiles wird mit einem erhöhten Schubmodul G* gerechnet, der sich aus Gleichung (4.10) ergibt.

!*

T,3Blech T, WalzG I = G I⋅ ⋅ (4.10)

Unter Berücksichtigung einer Vorkrümmung mit dem Stich v0 = L/1000 werden die Last-Verformungs-Kurven ermittelt. Der Verlauf der Kurven, der in Bild 4.11 rechts für die Verdrehung ϑ wiedergegeben ist, ist ähnlich zu dem der Verformung v beim Biegeknicken. Nach Theorie großer Verformungen kann auch hier die Last über die ideale Verzweigungslast hinaus gesteigert werden. Weil die Stabilitätsgefahr bei dem untersuchten System in erster Linie durch das Biegemoment My hervorgerufen wird, hat die Verdrehung ϑ, im Zusammenhang mit der in Bild 4.8 erläuterten Transformation der Biegemomente, entscheidenden Einfluss auf das Last-

Page 93: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

4.3 Geometrische Nichtlinearität 85

Verformungs-Verhalten. Durch die Verdrehung wird das Biegemoment My reduziert, so dass der Eigenwert des System immer größer als 1 ist und das System somit in stabilem Gleichgewicht bleibt, s. Bild 4.12.

0,0

0,5

1,0

1,5

2,0

2,5

3,0

0 5 10 15 20 25

Fz / Fz,Ki

my

mω mz

si = Si / Spl,i

für fy = 24 kN/cm2

1,020

0,0

0,5

1,0

1,5

2,0

2,5

3,0

0 1 2 3 4

Fz,K / Fz,Ki

1,0

Fz / Fz,Ki

Bild 4.12 Schnittgrößen nach Theorie großer Verformungen und aktuelle kritische Last, bezogen auf die ideelle kritische Last im Verlauf der Laststeigerung

Wie schon beim Biegeknicken stellen die Lasten oberhalb der ideellen Verzweigungslast aber nur theoretische Größen dar. Bei einer Bemessung nach dem Verfahren Elastisch-Plastisch ist die Grenztragfähigkeit des Systems infolge der zusätzlich zu My entstehenden Beanspruchungen Mz und Mω (s. Bild 4.12 links) bereits bei Fz/Fz,Ki ≈ 0,66 erreicht. Fälle, bei denen der erläuterte Einfluss der Verdrehung auf die kritische Last auch baupraktisch relevante Auswirkungen auf die Traglast des Systems hat, sind Stäbe mit planmäßiger Torsionsbeanspruchung. Dies haben die Untersuchungen in Kapitel 2 und speziell der in Abschnitt 2.3.2 analysierte Versuch gezeigt.

Page 94: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

4 Fließzonentheorie 86

4.4 Verfahren zur Gleichgewichtsermittlung

Zur Ermittlung des Gleichgewichtszustandes zwischen äußeren und inneren Kraftgrößen werden bei nichtlinearem Tragverhalten (geometrisch und/oder physikalisch) spezielle Verfahren benötigt. Diese bestehen in der Regel aus zwei Komponenten. Zum einen ist eine inkrementelle Aufbringung der Last erforderlich, um den nichtlinearen Gleichgewichtspfad verfolgen zu können. Die Kontrolle und Steuerung dieser Lastaufbringung kann kraft- oder weggesteuert erfolgen, wobei die Kraftsteuerung das übliche Verfahren darstellt. Als zweite Komponente wird ein Iterationsverfahren benötigt, mit dem der Gleichgewichtszustand für diskrete Stützstellen des Gleichgewichtspfades ermittelt werden kann. Die Anzahl und der Abstand der Stützstellen wird durch das Steuerungsverfahren vorgegeben und kontrolliert. Das bekannteste und gebräuchlichste Iterationsverfahren ist das Newton-Raphson-Verfahren. Ausgehend von einem Gleichgewichtszustand und der tangentialen Steifigkeitsmatrix KT für diesen Zustand wird für ein aufgebrachtes Lastinkrement das zugehörige Verschiebungsinkrement durch Lösen der System-gleichung (4.11) ermittelt. Dieser erste Schritt wird auch als Prädiktor bezeichnet.

( )TK v v p⋅ ∆ = ∆ (4.11)

Die daraus berechneten inneren Kraftgrößen werden aufgrund der Nichtlinearität nicht mit den äußeren Kraftgrößen (= aufgebrauchte Lasten) übereinstimmen. Um das verbleibende Residuum zu reduzieren, wird dieses als äußere Last aufgebraucht und ein weiteres Verschiebungsinkrement durch Lösen der Systemgleichung berechnet. Dabei wird die tangentiale Steifigkeitsmatrix entsprechend des neuen Verschiebungszustandes neu aufgebaut. Durch mehrfaches Ausführen dieses Iterationsschrittes kann das Residuum bis unter eine vorgegebene Schranke reduziert werden, so dass von einem konvergierten Gleichgewichtszustand ausgegangen werden kann. Mit Bild 4.13 wird das beschriebene Vorgehen erläutert.

Bild 4.13 Zur Gleichgewichtsiteration mit dem Newton-Raphson-Verfahren

Page 95: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

4.4 Verfahren zur Gleichgewichtsermittlung 87

Weitergehend Erläuterungen finden sich z. B. in [66] und [133]. Eine Eigenschaft des Newton-Raphson-Verfahrens ist, dass es zur Lösung konvergiert, wenn der Startvektor 0

n 1v + ausreichend nah an der Lösung liegt. Diese Bedingung kann durch die inkrementelle Lastaufbringung erfüllt werden. Wird in einem Inkrement keine Konvergenz erreicht, muss das Lastinkrement verkleinert werden. Eine zweite Eigenschaft des Verfahrens ist die hohe Konvergenzrate. Sie wird dadurch erreicht, dass in jedem Iterationsschritt die tangentiale Steifigkeitsmatrix neu aufgebaut wird. Weil das zusammen mit der vollständigen Lösung der Systemgleichung sehr rechenintensiv ist, wurden verschiedene Verfahren entwickelt, die diesen Schritt durch Approximation der tangentialen Steifigkeitsmatrix oder deren Inversen umgehen. Eines dieser Verfahren ist das modifizierte Newton-Raphson-Verfahren, welches zu der Gruppe der Quasi-Newton-Verfahren gehört. Die Modifikation besteht darin, dass in einem Inkrement die tangentiale Steifigkeitsmatrix nur im 1. Iterationsschritt ausgebaut und dann für alle weiteren Iterationen konstant beibehalten wird. Dadurch wird auf der einen Seite der Rechenaufwand stark reduziert, auf der anderen Seite wird aber die Konvergenzrate wesentlich schlechter, so dass mehr Iterationsschritte erforderlich sind. Vergleichsrechnungen mit dem Programm QST-FZ haben gezeigt, dass das Newton-Raphson-Verfahren bei materieller Nichtlinearität trotz des mehrmaligen Aufbaus der Steifigkeitsmatrix wesentlich schneller zu einem ausreichend kleinen Residuum führt als das modifizierte Newton-Raphson-Verfahren. Das liegt auch daran, dass das originale Verfahren zum Gleichgewichtszustand konvergiert, während mit dem modifizierten Verfahren keine absolut konvergente Lösung erreicht werden kann. In den Programmen QST-FZ [129], KSTAB-FZ [128] und ABAQUS [24] kommt das originale Newton-Raphson-Verfahren zum Einsatz. Im Gegensatz zu ABAQUS betrifft das bei KSTAB-FZ aber nur die Prozedur zur Berücksichtigung der materiellen Nichtlinearität. Aus den in Abschnitt 4.3 erläuterten Gründen erfolgt bei der Berechnung nach Theorie II. Ordnung keine iterative Bestimmung des Gleichgewichtszustandes, sondern nur die einmalige Lösung der Systemgleichung. Daher sollte die Lastaufbringung bei kombinierter materieller und geometrischer Nichtlinearität mit ausreichend kleinen Inkrementen erfolgen. Empfohlen wird max ∆p = 1 % der elastischen Grenzlast.

In ABAQUS steht neben dem kraftgesteuerten Newton-Raphson-Verfahren auch noch eine modifizierte Riks-Methode zur Durchführung nichtlinearer Berechnungen zur Verfügung. Dabei handelt es sich um ein bogenlängengesteuertes Verfahren. Der große Vorteil von Bogenlängenverfahren besteht darin, dass der Gleichgewichtspfad auch über Lastmaxima hinaus verfolgt werden kann. Das ist besonders hilfreich, wenn weggesteuerte Versuche nachgerechnet werden sollen, was z. B. in Kapitel 2 der Fall ist. Weitergehende Informationen zum Bogenlängenverfahren sind z. B. in [66] und [133] enthalten.

Es sei noch der Hinweis erlaubt, dass nichtlineare Berechnungen nicht zwingend zu sicheren und richtigen Ergebnissen führen. Trotz automatischer Steuerung der Lastaufbringung und vieler Kontrollfunktionen besteht immer auch die Möglichkeit, dass Berechnungen zu früh abbrechen oder einem anderen Gleichgewichtspfad folgen als dem sinnvollen. Daher sind die Ergebnisse stets sorgfältig und mit entsprechendem Sachverstand zu prüfen und zu interpretieren.

Page 96: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

4 Fließzonentheorie 88

4.5 Material- und Imperfektionsannahmen

4.5.1 Materialgesetz

Die Wahl eines geeigneten Materialgesetzes für eine Fließzonenberechnung ist ab-hängig von dem Zweck der Berechnung. Sollen z. B. Versuche nachgerechnet wer-den, so könnte es sinnvoll sein, die genaue, gemessene Arbeitslinie des verwendeten Materials zugrunde zu legen. Bei normalfesten Stählen ist in der Regel aber auch dabei ein vereinfachtes Materialgesetz ausreichend genau, wenn die Streckgrenze gemessen wird.

a)

b)

1) oder

− ⋅ ε

=−

y v uy,red

v

f Ef

E1E

fy wird dann bei εu

erreicht

Bild 4.14 Linearelastisch-idealplastiches Materialverhalten

Für die Bemessungen nach der Fließzonentheorie (Nachweisverfahren P-P) müssen die Regelungen der gültigen Normen DIN 18800 [14] und DIN EN 1993-1-1 [16] beachtet werden. In [14], Teil 1, El. (735) wird angegeben, dass für Berechnungen nach der Plastizitätstheorie linear elastisches - idealplastisches Werkstoffverhalten anzunehmen ist. Eine Verfestigung darf berücksichtigt werden, wenn sie sich auf lokal begrenzte Bereiche erstreckt. Spezielle Angaben zur Fließzonentheorie finden sich nicht, in Teil 2 wird in diesem Zusammenhang auf den Kommentar zur Norm verwiesen [76]. Dort wird ebenfalls die bilineare Spannungs-Dehnungs-Beziehung angegeben, wie sie hier in Bild 4.14a gezeigt ist, und zusätzlich eine Variante mit Verfestigung, die aus der EKS-Veröffentlichung Nr. 33 [20] stammt. Sie ist in Bild 4.15 dargestellt, allerdings ergänzt um den horizontalen Ast für σ = fu.

−ε = ε + u y

x yv

f f10

E

Bild 4.15 Linearelastisch-plastisches Materialverhalten mit Verfestigung

Page 97: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

4.5 Material- und Imperfektionsannahmen 89

In der aktuellen Fassung des Eurocode 3, DIN EN 1993-1-1 [16], wird die bilineare Beziehung nach Bild 4.14a vorgegeben. Die Fassung von 1992 sah für Fließzonen-berechnung außerdem die Möglichkeit eines sehr kleinen Verfestigungsmoduls vor, um numerische Schwierigkeiten zu vermeiden, s. Bild 4.14b. Ob diese Hilfe erforderlich ist, hängt vor allem davon ab, welcher Gleichungslöser in einem Programm verwendet wird und damit, ob Werte ≤ Null auf der Hauptdiagonalen der Gesamtsteifigkeitsmatrix verarbeitet werden können. Bei der Elimination des Gauss-Verfahrens muss z. B. durch das Hauptdiagonalelement geteilt werden, weshalb Nullwerte unzulässig sind. Statt der Verwendung eines Verfestigungsmoduls können auch entsprechende Abfragen im Programm eingebaut werden, um Nullwerte durch sehr kleine Werte (<10-12) zu ersetzen und dadurch das Problem zu umgehen, so z. B. in [128].

Bei früheren Stabilitätsuntersuchungen, die überwiegend das Biegeknicken betrafen, wurde davon ausgegangen, dass sich der Werkstoff nicht bis zur Streckgrenze elastisch verhält, sondern bereits vorher, bei der so genannten Proportionalitäts-grenze, von der Hookeschen Geraden abweicht.

Bild 4.16 Spannungs-Dehnungs-Beziehung mit Proportionalitätsgrenze [15]

Bild 4.16 zeigt eine entsprechende Spannungs-Dehnungs-Beziehung, wie sie im Blatt 2 der alten „Stabilitätsnorm“ DIN 4114 [15] angegeben ist. Wie u. a. Schulz in [117] ausführt, ist die Abweichung eine Folge von Eigenspannungen und kann deshalb auch nur an Kurzstabversuchen festgestellt werden und nicht an Materialzugproben. Wie der Name schon sagt, werden kurze Stäbe, also ganze Profile, durch zentrischen Druck belastet, um die Stauchgrenze (= Streckgrenze des Materials) zu ermitteln. Durch Eigenspannungen beginnt in einigen Querschnittsteilen das Fließen früher als in anderen, so dass die Dehnsteifigkeit E⋅A nicht schlagartig, sondern fließend abnimmt. Nur aus diesem Grund entsteht im σ-ε-Diagramm die Abweichung von der Hookeschen Geraden vor Erreichen der Streckgrenze. Daher ist für das Material-gesetz die bilineare Beziehung ohne Ausrundung zu verwenden. Evtl. vorhandene Eigenspannungen werden direkt bei der Dehnungsermittlung berücksichtigt.

Page 98: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

4 Fließzonentheorie 90

4.5.2 Eigenspannungen

Eigenspannungen sind strukturelle Imperfektionen, die infolge von örtlichen Wärme-einbringungen, z. B. durch Schweißen, oder unterschiedlichen Abkühlungsgeschwin-digkeiten, z. B. nach dem Walzprozess, in einem Bauteil entstehen. Bei stabilitätsge-fährdeten Systemen führen sie in der Regel zu einer Reduzierung der Tragfähigkeit, und müssen daher berücksichtigt werden. Ihre Messung, z. B. mit der Zerlegemethode, ist relativ aufwendig und dementsprechend teuer, weshalb sie nur im Rahmen von Forschungsarbeiten und dabei auch eher selten durchgeführt wird. Dies ist sicherlich mit ein Grund dafür, dass es zu diesem Thema kaum noch veröffentlichte Untersuchungen nach denen gibt, die im Rahmen der Entwicklung der Europäischen Knickspannungskurven entstanden sind. Man könnte auch sagen, dass das Thema damals ausreichend erforscht worden ist, aber schon Schulz schrieb 1968 in [117]: „Überblickt man nun die vorliegenden Eigenspannungsmessungen an gewalzten und geschweißten Stahlprofilen, so ist ihre Anzahl ... äußerst bescheiden“. Die daraus von Schulz vorgenommenen Auswertungen und seine theoretischen Ableitungen hinsichtlich der Verteilung und Größe von Walzeigenspannungen bilden aber die Grundlage für die Festlegung der Europäischen Knickspannungskurven (s. u. a. [2], [3], [21]) und die heute üblichen Verteilungen. Mit dieser Bemerkung soll nicht die hervorragende Arbeit von Schulz in Frage gestellt werden, sondern vielmehr angeregt werden, auf diesem Gebiet noch weitere Untersuchungen vorzunehmen, zumal der Einfluss von Eigenspannungen sehr groß sein kann (> 15 % Traglastminderung). Herzog bezeichnete 1977 in [34] die Schulzschen Eigenspannungsklassen „nach der neuen Versuchsauswertung als unzweckmäßig“.

Bild 4.17 Eigenspannungsverteilungen bei gewalzten I-Profilen, Bild 2.1 aus [117]

Page 99: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

4.5 Material- und Imperfektionsannahmen 91

Doppeltsymmetrische, gewalzte I-Profile werden in Abhängigkeit von dem Verhältnis Höhe h zu Breite b und der Flanschdicke einer Knickspannungslinie (KSL) zugeordnet. Die Zuordnung folgt den Eigenspannungsverteilungen, die nach Schulz [117] im Wesentlichen davon abhängen, ob sich zwischen der Nahtstelle Flansch/Steg und den Flanschenden und/oder der Stegmitte ein Wärmegefälle ausbildet, was wiederum mit den Querschnittsabmessungen zusammenhängt. Die 5 verschiedenen Verteilungen, die Schulz bei gewalzten Profilen beobachten konnte, s. Bild 4.17, wurden im Laufe der Zeit auf 2 reduziert, die sich z. B. in [76] finden und hier in Tabelle 4.3, Zeile 1 dargestellt sind. Untersuchungen, auf die sich die Reduktion stützt, sind dem Verfasser nicht bekannt. Insbesondere die Verteilung (c) nach Bild 4.17, die für einige HEA-, HEB- und HEM-Profile zutraf, erscheint ungün-stiger als die neuen Verteilungen. Tabelle 4.3 Eigenspannungsverteilungen für Walzprofile

Quelle h/b ≤ 1,2 h/b > 1,2

1 Erläuterungen zu DIN 18800 [76]

2 EKS Veröffentlichung Nr. 33 [20]

Zur Rechenvereinfachung werden in [20] statt parabelförmigen Verteilungen linear verlaufende Spannungszustände vorgeschlagen, s. Tabelle 4.3, Zeile 2. Die Ordinaten der Eigenspannungen sind in beiden Fällen in Abhängigkeit von der Streckgrenze formuliert, obwohl diese Abhängigkeit in Wirklichkeit so nicht gegeben scheint. Weil Eigenspannungen durch plastische Stauchungen im hohen Temperaturbereich ent-stehen und die Warmfestigkeit üblicher Baustähle etwa gleich groß ist, ist auch die Größe der Eigenspannungen nahezu gleich [117], [107]. Demnach wären die Abso-lutwerte der Eigenspannungen immer mit der Streckgrenze von S 235 zu berechnen und nicht mit der wirklichen. Leider liegen zu wenig Messungen an höherfesten Stählen vor, um zu einer gesicherten Aussage zu kommen. In Abschnitt 5.5 wird der Einfluss unterschiedlicher Eigenspannungsgrößen für Stahl S 355 untersucht.

Page 100: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

4 Fließzonentheorie 92

Gewalzte U-Profile

Messungen von Eigenspannungen für gewalzte U-, UPE- oder UAP-Profile konnten in der Literatur nicht gefunden werden. Geht man von unterschiedlichen Abkühlgeschwindigkeiten in den einzelnen Querschnittsbereichen als Ursache der Walzeigenspannungen aus, so sind ähnliche Verteilungen wie bei den I-Profilen zu erwarten.

Bild 4.18 Annahme einer Eigenspannungsverteilung für U-Profile

Bild 4.18 zeigt eine mögliche Verteilung bei Annahme eines linearen Verlaufs im Steg und in den Gurten. Wird σE1 vorgegeben, so können σE2 und σE4 aus den Gleich-gewichtsbedingungen (4.12) bestimmt werden.

xA

y xA

z xA

xA

N dA 0

M z dA 0

M y dA 0

M dA 0ω

= σ ⋅ =

= σ ⋅ ⋅ =

= − σ ⋅ ⋅ =

= σ ⋅ω⋅ =

(4.12)

My und Mω ergeben sich automatisch zu null, da die σx-Verteilung symmetrisch bezüglich der y-Achse ist, während z- und ω-Ordinate antimetrisch verlaufen. Also bleiben 2 Bedingungen für 2 Unbekannte übrig, wenn σE3 durch die Extrapolation von σE1 und σE2 ausgedrückt wird.. Daraus ergeben sich z. B. für ein UPE 200-Profil Spannungsordinaten im Verhältnis E2 E1 2σ σ ≈ und E4 E1 4σ σ ≈ . Der Wert für σE1 soll wie üblich in Abhängigkeit von den Abmessungen h und b festgelegt werden. Anstelle von b wird dabei eine ideelle Breite b* verwendet, die sich ergibt, wenn die U-Profile gedanklich zu I-Profilen ergänzt werden, s. Gl. (4.13).

* stb 2 b2

= −

(4.13)

Page 101: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

4.5 Material- und Imperfektionsannahmen 93

In Tabelle 4.4 ist für die 3 U-Profilreihen eine entsprechende Auswertung angegeben.

Tabelle 4.4 Eigenspannungsordinaten für U-Profile

h / b* UPE UAP U σE1 [⋅ fy,S235]

≤ 1,2 ≤ 160 ≤ 100 ≤ 120 0,5

>1,2 ≥ 180 ≥ 130 ≥ 140 0,3 Es sei darauf hingewiesen, dass sich die Eigenspannungen bei U-Profilen günstig auswirken können! In Kombination mit den Spannungen aus My, Mz und Mω (s. Bild 4.19), die bei Biegetorsionsproblemen auftreten, ist es möglich, dass die Eigen-spannungen zu einer Verringerung der maximalen Spannung führen und dadurch die erreichbare Grenzlast erhöht wird. In diesen Fällen dürfen die Eigenspannungen natürlich nicht angesetzt werden.

Bild 4.19 Biege- und Wölbnormalspannungen bei U-Profilen

Page 102: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

4 Fließzonentheorie 94

4.5.3 Fließgrenzenstreuung

Bei den strukturellen Imperfektionen sind neben den Eigenspannungen die Streuung der Fließgrenze im Bauteil und über den Querschnitt zu nennen. Bild 4.20 zeigt beispielhaft die Verteilung der Fließgrenze in einem HEA 200-Profil aus S 235, die in [85] aus 14 Messungen über den Querschnitt gewonnen wurde. Wegen der geringen Blechdicke ist die mittlere Streckgrenze im Steg größer als in den Gurten. Diese Tendenz ist generell gegeben und wurde auch bei den in Bochum durchgeführten Messungen an UPE-Profilen festgestellt, s. [52].

Bild 4.20 Fließgrenzenstreuung in einem Walzquerschnitt, Bild 2 aus [85]

Die Proben aus HEB 200-Profilen [52] ergaben nur geringe Unterschiede zwischen den Gurtmessungen und der Messung in Stegmitte. Für die Proben ST1 und ST3, die aus dem Steg nahe der Ausrundungsradien entnommen wurden, konnte keine ausgeprägte Streckgrenze im σ-ε-Diagramm festgestellt werden, s. Bild 4.21.

G3 G4

G1 G2

St2

St1

St3

0

100

200

300

400

500

600

0 5 10 15 20

ε [%]

σ [N

/mm

2 ]

HEB 200 S355 Probe 251 St3

Bild 4.21 Lage der Zugproben und gemessene Werkstoffkennlinie für ein HEB 200-Profil [52]

Eine Berücksichtigung der genannten Phänomene – Streuung von fy über den Quer-schnitt und teilweise abweichende Werkstoffkennlinie – ist nur im Einzelfall mög-lich. Zum einen ist der Aufwand sehr groß und zum anderen liegen keine allgemein anerkannten Annahmen zur Verteilung der Streckgrenze vor, wie es bei den Eigen-

Page 103: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

4.5 Material- und Imperfektionsannahmen 95

spannungen der Fall ist. Weil die minimal gemessene Streckgrenze in der Regel über der ausgewiesenen Mindeststreckgrenze einer Stahlsorte liegt ist die Vernach-lässigung der Streuung für eine Bemessung unkritisch. Außerdem ist die Schwankungsbreite gegenüber der globalen Streckgrenze

y,G yA

f = f dA A⋅∫ (4.14)

relativ gering. In [52] wurden die Streckgrenzen der Gurtmessungen gemittelt und als globale Streckgrenze für das gesamte Profil verwendet.

4.5.4 Vorverformungen

Zur Erlangung einer wirklichkeitsnahen Traglast mit Hilfe einer Berechnung ist die Berücksichtigung möglicher Imperfektionen erforderlich. Neben den strukturellen Imperfektionen, die in den vorhergehenden Abschnitten behandelt wurden, sind geo-metrische Imperfektionen wie Stabvorkrümmungen oder Stützenschiefstellungen zu berücksichtigen. In Abschnitt 3.3.2 werden grundsätzliche Erläuterungen zur Form und zum richtigen Ansatz von Vorverformungen gegeben. Bei Einzelstäben ist in den meisten Fällen die Annahme einer Sinushalbwelle oder einer parabelförmigen Vor-krümmung in y- oder z-Richtung der Querschnittshauptachsen sinnvoll, s. Bild 4.22.

Biegeknicken: v0 oder w0 Biegedrillknicken: v0 Stich in Feldmitte jeweils L/1000 Vorschlag für Drillknicken: ϑ0 = (L/1000) / Profilhöhe h

Bild 4.22 Vorkrümmung von Stäben zur Untersuchung von Biegeknick- oder Biegdrillknickproblemen nach der Fließzonentheorie

Für die Größe hat sich bei Fließzonenberechnungen ein Wert von L/1000 etabliert. Dieser Wert geht auf die Untersuchungen zu den Europäischen Knickspannungskur-ven zurück [2], wo Messungen an etwa 500 Versuchsstäben durchgeführt wurden und ist durch viele weitere Messungen in den folgenden Jahren bestätigt worden.

Die gültige Norm DIN EN 10034 [17] gibt für I- und H-Profile eine Geradheitsto-leranz von L/1000 bis L/333 in Abhängigkeit von der Profilhöhe vor. Für U- und UPE-Profile sind sogar Werte bis L/200 zulässig, s. Tabelle 4.5.

Page 104: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

4 Fließzonentheorie 96

Tabelle 4.5 Geradheitstoleranzen von gewalzten Profilen

Toleranz Profil Profilhöhe

h [mm] qxx qyy

Ι und H 80 < h ≤ 180 0,3 % von L

DIN EN 180 < h ≤ 360 0,15 % von L

10034 h > 360 0,1 % von L

U und UPE h ≤ 150 0,3 % von L 0,5 % von L

DIN EN 150 < h ≤ 300 0,2 % von L 0,3 % von L

10279 h > 300 0,15 % von L 0,2 % von L

Vor dem Hintergrund des Eurocode-Konzeptes, die Bemessungsnormen auf die Pro-duktnormen abzustimmen, stellt sich die Frage, ob in Zukunft statt L/1000 die größeren Toleranzen nach den Produktnormen zu berücksichtigen sind, da nur diese gewährleistet werden.

Bei Fließzonenberechnungen an seitlich verschieblichen Systemen sind zusätzlich zu den Vorkrümmungen Vorverdrehungen der Stützen anzunehmen, wie sie prinzipiell in Bild 4.23 dargestellt sind. Die Angaben finden sich so in [76] und [20], wobei Lindner in [76] schreibt, dass aufgrund von neuen Messungen aus seiner Sicht auch 1/400 statt 1/300 als Grundwert der Vorverdrehung ausreichend wäre (s. a. Abschnitt 5.4.2).

0 1 21 r r

300ϕ = ⋅ ⋅

mit: r1 = [ ]m/5 ≤ 1

r2 = ( ) 2n/11+ n = Anzahl der anrechenbaren

Stützen in der betrachteten Ebene in einem Stockwerk

Bild 4.23 Vorverdrehung von Stäben in seitlich verschieblichen Systemen

Page 105: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

4.6 Hinweise zu FE-Programmen 97

4.6 Hinweise zu FE-Programmen

4.6.1 Verwendete Programmsysteme

Zur Durchführung der geometrisch und physikalisch nichtlinearen Traglastanalysen wurden im Rahmen dieser Arbeit 3 Finite-Elemente-Programme verwendet. Die Verwendung verschiedener Programme diente zum einen der Kontrolle und der Vergleichsmöglichkeit untereinander, zum anderen sind unterschiedliche Berechnungs- und Auswertungsoptionen vorhanden. In der Regel kommen Stabelemente zum Einsatz, weil ihre Handhabung und die Interpretation der Ergebnisse wesentlich leichter ist als bei Schalen- oder gar Volumenelementen und weil die Stabtheorie für den untersuchten Anwendungsbereich hinreichend genau ist. Wichtig ist die Verwendung von Elementen mit 7 Freiheitsgeraden, damit die bei offenen Querschnitten auftretende, Wölbkrafttorsion berücksichtigt werden kann. ABAQUS [24] bietet hierfür 2 schubweiche Stabelemente an, die sich hinsichtlich der Ansatzfunktionen unterscheiden (B31OS linear, B32OS quadratisch). Weil das Element B31OS mit 1 Integrationspunkt in der Elementmitte für die Auswertung Vorteile hat und bei entsprechend feiner Elementierung zu den gleichen Ergebnissen führt, wurde es dem Element B32OS vorgezogen. In KSTAB-FZ [128] ist ein schubstarres Stabelement mit quadratischen Ansatzfunktionen implementiert. Das Programm ist ein reines Stabwerksprogramm zur Berechnung gerader Stäbe nach der allgemeinen Biegetorsionstheorie II. Ordnung, wahlweise unter Berücksichtigung von materieller Nichtlinearität. Es basiert auf den Herleitungen von Kindmann [58], wurde von Laumann für elastische Berechnungen [51] und Eigenwertanalysen [70] programmiert und vom Verfasser für Fließzonenberechnungen weiterentwickelt [128]. Gegenüber den kommerziellen Programmen hat es den Vorteil, dass die zugrunde liegende Theorie und ihre Umsetzung genau bekannt sind, und dass es für den gewünschten Zweck beliebig modifiziert werden kann und so spezielle Analysen möglich sind.

Als Drittes wurden Berechnungen mit ANSYS [25] zu Vergleichszwecken herangezogen, die im Wesentlichen an der TU Berlin während eines gemeinsamen Forschungsprojektes [52] entstanden sind. Das verwendete Stabelement B188 ist wie bei ABAQUS ein schubweiches Element mit linearen Ansatzfunktionen.

In den folgenden Abschnitten soll auf einige Punkte hingewiesen werden, die bei der Nutzung der erwähnten Programme zu beachten sind. Wenn nichts anderes angegeben ist, beziehen sich die Erläuterungen zu ABAQUS und ANSYS auf die jeweiligen, oben erwähnten Stabelemente der Programme.

Page 106: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

4 Fließzonentheorie 98

4.6.2 Einfachsymmetrische Querschnitte

In der Formulierung der virtuellen Arbeit für gerade Stäbe (s. Tabelle 1.3) ist der folgende Anteil enthalten:

'rrW M dx′δ = δϑ ⋅ ⋅ϑ ⋅∫ (4.15)

Mit diesem Anteil wird ein Torsionsmoment erfasst, welches aufgrund der Verdrillung ϑ′ aus der Wirkung von Normalspannungen σx nach Theorie II. Ordnung entsteht. Darin ist 2

rr x MA

M r dA= σ ⋅ ⋅∫ mit ( ) ( )2 22M M Mr y y z z= − + − .

Bei Verwendung des Hauptachsensystems als Bezugssystem und der Schnittgrößen-definitionen nach Tabelle 1.2 ergibt sich daraus für Mrr die Formulierung

2rr M z y y zM N i M r M r M rω ω= ⋅ − ⋅ + ⋅ + ⋅ (4.16)

Durch den Anteil N⋅iM2 wird das Biegedrillknicken bzw. bei doppeltsymmetrischen

Querschnitten das Drillknicken infolge von Normalkräften erfasst. Mit den anderen Faktoren wird das Biegedrillknickverhalten einfachsymmetrischer oder unsymmetrischer Querschnitte bei Biege- oder Torsionsbeanspruchungen beschrieben. Bei doppeltsymmetrischen Querschnitten sind die Beiwerte ry, rz und rω (Definitionen s. Tabelle 1.3) gleich Null.

Bild 4.24 Beispiel zum Einfluss des Querschnittskennwertes rz [46]

Zur Erläuterung wird ein Beispiel aus [46] betrachtet, das in Bild 4.24 dargestellt ist. Es wird ein System mit einfachsymmetrischen I-Querschnitten untersucht, für den der Querschnittskennwert rz ungleich Null ist. Ermittelt man mit KSTAB-FZ die kritischen Biegemomente für positive und negative Randmomente, so erhält man folgende Ergebnisse:

- positives MR (Druck oben): MKi = 1542 kNm - negatives MR (Druck unten): MKi = 548 kNm

Wie zu erwarten war, ergibt sich das kleinere MKi, wenn der schmalere Gurt des Querschnitts gedrückt wird. Würde die Berechnung fälschlicherweise mit rz = 0 durchgeführt, so würde sich in beiden Fällen das gleiche MKi = 920 kNm ergeben.

Page 107: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

4.6 Hinweise zu FE-Programmen 99

Dies ist exakt der Wert, den man mit ABAQUS bei Verwendung des Stabelements B31OS für das untersuchte System berechnet, unabhängig davon, ob positive oder negative Randmomente eingegeben wurden. Das liegt daran, dass die in Gl. (4.16) unterstrichenen Anteile in der Formulierung des Elementes fehlen. Dieser Mangel wurde bereits 1998 von Guggenberger und Salzgeber [31] festgestellt und ist bis heute leider nicht behoben. Von daher sind die Stabelemente B31OS und B32OS von ABAQUS nur bedingt für Berechnungen mit einfachsymmetrischen Querschnitten geeignet. Bei U-Profilen bestehen aber z. B. keine Bedenken, weil dabei ry ungleich Null ist und nicht rz. Die obigen Erläuterungen gelten auch für das Stabelement B188 von ANSYS, weil auch dort die so genannten Wagner-Terme (unterstrichene Anteile in Gl. (4.16)) in der Elementformulierung fehlen, s. [28].

4.6.3 Berücksichtigung von Schubspannungen

Bei Fließzonenberechnungen ist es von Bedeutung, welche Fließbedingung verwendet wird und welche Spannungsanteile in die Bedingung eingehen. In der Regel wird die Vergleichsspannungsformel nach von Mises verwendet, um für Stahl den Übergang von elastischem zu plastischem Materialverhalten festzulegen. Gl. (4.17) zeigt die Formulierung für dünnwandige Querschnittsteile.

2 2v x xs y3 fσ = σ + τ ≤ (4.17)

Diese Fließbedingung wurde in den 3 verwendeten FE-Programmen zugrunde gelegt, allerdings mit folgenden Einschränkungen:

• Bei KSTAB-FZ [128] und ABAQUS [24] werden Schubspannungen nicht berechnet und gehen deswegen auch nicht in die Fließbedingung ein. σv ist also nur abhängig von σx !

• Bei ANSYS [25] gehen in die Fließbedingung neben σx nur Schubspannungen infolge des primären Torsionsmomentes Mxp ein. Schubspannungen infolge von Querkräften Vz oder Vy werden zwar berechnet, gehen aber nicht in die Fließbedingung ein. Schubspannungen aus Mxs werden nicht ermittelt.

Die o. a. Einschränkungen bezüglich der Schubspannungen sind immer im Zusammenhang mit der Problemstellung zu bewerten. Bei Biegeknick- und Biegedrillknickproblemen beispielsweise sind die Schubspannungen in der Regel von untergeordneter Bedeutung, so dass ihre Vernachlässigung in der Fließbedingung die Ergebnisse entsprechender Fließzonenberechnungen nicht verfälscht. Bei Systemen mit planmäßiger Torsionsbeanspruchung können die Schubspannungen infolge des primären Torsionsmomentes Mxp durchaus eine Rolle spielen, weshalb dann im Einzelfall entschieden werden muss, ob die Vernachlässigung noch zulässig ist. Die Untersuchungen in Abschnitt 2.3.2 zeigen aber, dass die Tragfähigkeit stark torsionsbeanspruchter Bauteile durch Berechnungen mit Stabelementen eher unterschätzt wird (auch wenn die Schubspannungen vernachlässigt werden), weil letzten Endes Lastabtragungsmechanismen wirksam werden, die mit der Stabtheorie nicht zu erfassen sind, s. a. [26].

Page 108: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

4 Fließzonentheorie 100

4.6.4 Verzweigungsprobleme

Lasten oberhalb der idealen Verzweigungslast eines Systems stellen bei ABAQUS und ANSYS keinen Abbruchgrund dar. Entscheidend ist, ob ein Gleichgewichtszustand zwischen inneren und äußeren Kräften erreicht wird und nicht, ob es sich dabei um einen stabilen oder labilen Gleichgewichtszustand handelt. Für Verzweigungsprobleme bedeutet das, dass die Belastung bis zum Erreichen der plastischen Grenzlast gesteigert wird, auch wenn diese über der Verzweigungslast liegt, sofern keine Imperfektionen oder Störlasten angesetzt werden. Zur Erläuterung zeigt Bild 4.25 eine Knickstab und daneben die Last-Verformungs-Kurven, ermittelt mit ABAQUS.

Querschnitt ~ HEA 200 (3-Blechquerschnitt) S 235, fy = 24 kN/cm2 Npl = 1241 kN NKi,z = 620 kN

0

200

400

600

800

1000

1200

1400

0 3 6

v [cm]

Fx [kN]

ohne v0

Fx,u = 1241 kN = Npl

NKi = 620 kN

mit v0 = L/1000

Fx,u= 517 kN

Bild 4.25 Knickstab und zugehörige Last-Verformungs-Kurven, ermittelt mit ABAQUS nach Fließzonentheorie (geometrisch nichtlinear)

Ohne Ansatz einer Vorverformung wird die Last bis zum Erreichen von Npl gesteigert. In diesem Fall wird in der Ausgabedatei sinngemäß die Meldung ausgegeben: „Die Systemmatrix hat einen negativen Eigenwert. Das bedeutet, dass die Systemmatrix nicht mehr positiv definit ist, z. B. weil die Verzweigungslast überschritten ist.“ In KSTAB-FZ wird die Berechnung abgebrochen, sobald die Systemmatrix vor oder während der Zerlegung ein negatives Diagonalelement aufweist. Wird die entsprechende Abfrage unterdrückt, wird die Last ebenso wie bei ABAQUS gesteigert bis Npl erreicht ist.

Durch den Ansatz einer Vorkrümmung v0 entstehen zusätzlich zur Normalkraft Biegmomente Mz im System, die immer zu einer Grenzlast unterhalb der Verzweigungslast führen. Bei Ansatz eines bilinearen Materialgesetzes nach Bild 4.13a und v0 = L/1000 ergibt sich für dieses Beispiel eine Grenzlast von Nu = 517 kN < NKi = 620 kN.

Page 109: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

5 Abminderungsfaktoren κ für Biegeknicken

5.1 Vorbemerkungen

Das grundsätzliche Tragverhalten biegeknickgefährdeter Stäbe wurde bereits in Ab-schnitt 2.2 eingehend untersucht und erläutert. In diesem Kapitel soll für Stäbe mit doppeltsymmetrischen I-Querschnitten geklärt werden, wie groß die Grenztrag-fähigkeiten bei planmäßiger Druckbeanspruchung in Abhängigkeit von den folgenden Einflussparametern sind:

- Profilgeometrie - Eigenspannungen - Statisches System - Stahlgüte

Ziel ist es, sowohl für S 235 als auch für S 355 genaue κ-Werte zur Verfügung zu stellen. Anhand dieser Werte soll festgestellt werden, wie exakt die Grenztragfähig-keit durch das κ-Verfahren (s. Abschnitt 3.2) und die bisher zugeordneten Euro-päischen Knickspannungskurven erfasst wird. Die Grundlage der Untersuchungen bilden Berechnungen nach der Fließzonentheorie II. Ordnung, die überwiegend mit dem Programm KSTAB-FZ [128] durchgeführt werden. Einzelheiten zu den Berech-nungsannahmen enthält der folgende Abschnitt. Zum Umfang der Berechnungen ist zu bemerken, dass über 7000 Fließzonenberechnungen durchgeführt wurden, deren Ergebnisse nicht alle wiedergegeben werden können. Um sie für weitere Auswertungen zur Verfügung zu stellen, sind alle Ergebnisse in [130] angegeben.

5.2 Berechnungsparameter und -annahmen

5.2.1 Parameter

Um den Einfluss der zuvor genannten Faktoren klären zu können, wurden Fließ-zonenberechnungen mit Variation der folgenden Parameter durchgeführt:

Querschnitte

Es werden Querschnitte der Walzprofilreihen IPE, HEA, HEB und HEM untersucht, weil es die gängigsten Reihen sind und damit eine große Variation der Abmessungen abgedeckt wird. Aus den Reihen werden die folgenden Profile verwendet: S 235 Eulerfall 2: alle S 235 Eulerfälle 1, 3, 4 und IPE 200 und 600 S 355 Eulerfall 2: HEA und HEB jeweils 200, 400 und 1000 HEM 200, 340 und 1000

Page 110: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

5 Abminderungsfaktoren κ für Biegeknicken 102

Systeme

Eulerfälle 1 bis 4 Stahlgüten

S 235 und S 355 Bezogene Schlankheit Kλ – Systemlänge L

Kλ wird variiert von 0,2 bis 2,4 mit ∆ = 0,2 von 2,8 bis 3,2 mit ∆ = 0,4.

Die Systemlänge L wird in Abhängigkeit von Kλ und β wie folgt ermittelt:

KL =s β (5.1)

mit K K a Ky

E Is if A

= λ ⋅λ ⋅ = λ ⋅ π ⋅ ⋅

5.2.2 Annahmen

Für die Durchführung der Serienrechnungen mit dem Programm KSTAB-FZ [128] werden die folgenden Annahmen zugrunde gelegt. Zur Verifikation der Ergebnisse und der getroffenen Annahmen werden auch Berechnungen mit ABAQUS [24] vorge-nommen, deren Auswertung in Abschnitt 5.3.3 erfolgt. Materialgesetz und -kennwerte

Für die Berechnungen wird linearelastisch-idealplastisches Materialverhalten (s. Bild 4.14a) mit den folgenden Kennwerten zugrunde gelegt. S 235: fy = 24 kN/cm2 S 355: fy = 36 kN/cm2 E-Modul = 21000 kN/cm2 G-Modul = 8100 kN/cm2 Strukturelle Imperfektionen

Es werden linear verteilte Eigenspannungen nach Tabelle 4.3, Zeile 2 angesetzt. Streuungen der Streckgrenze über den Querschnitt werden nicht angenommen. Geometrische Imperfektionen

Als geometrische Imperfektion werden für die Eulerfälle 2 bis 4 parabelförmige Vor-krümmungen mit einem Stich von L/1000 in Richtung des jeweils untersuchten Aus-weichens angesetzt. Für den Eulerfall 1 wurden unterschiedliche Vorverformungsan-sätze untersucht, s. Abschnitt 5.4.2.

Page 111: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

5.2 Berechnungsparameter und -annahmen 103

Diskretisierung des Systems

Die Systeme werden jeweils mit 100 Elementen diskretisiert. Die wirksame Element-steifigkeit im Bereich von Fließzonen wird für beide Elementränder ermittelt und die minimale Steifigkeit geht in die weitere Systemberechnung ein.

Querschnittsidealisierung

Die Walzprofilquerschnitte werden, wie in Bild 5.1 gezeigt, durch 3-Blechquer-schnitte mit dem Mittellinienmodell idealisiert. Der Steg wird dabei bis zu den Gurt-mittellinien geführt, um die Walzausrundungen näherungsweise zu berücksichtigen.

Bild 5.1 Zur Idealisierung gewalzter I-Querschnitte

Tabelle 5.1 gibt einen Überblick darüber, wie gut die Querschnittswerte mit dieser Idealisierung angenähert werden (s. a. [132]). Die Abweichungen liegen mit einer Ausnahme im Mittel zwischen -2,7 % und +1,1 %. Diese geringen Abweichungen sind vertretbar, besonders vor dem Hintergrund, dass es um die Ermittlung bezogener Tragfähigkeiten κ = Nu/Npl geht (s. a. Abschnitt 5.3.3).

Tabelle 5.1 Ausgewählte Kennwerte der idealisierten Querschnitte im Vergleich zu den genauen Werten der Walzprofile

A Iy Iz Mpl,y Mpl,z

min 96,6 96,3 99,3 96,2 94,3m 98,0 97,7 99,6 97,7 95,3max 99,8 100,0 99,7 100,0 96,1min 95,4 95,7 99,6 95,4 94,9m 97,3 97,4 99,8 97,3 97,6max 99,2 99,1 99,9 99,1 98,4min 97,2 97,5 99,5 97,3 94,4m 98,6 98,8 99,8 98,7 97,4max 99,8 99,8 99,9 99,8 98,3min 100,2 100,3 99,5 100,3 94,0m 100,8 100,8 99,7 101,1 97,0max 102,2 101,6 99,8 102,6 98,0

HEA

HEB

HEM

Idealisierung / Walzprofil [%]Profilreihe

IPE

Page 112: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

5 Abminderungsfaktoren κ für Biegeknicken 104

5.3 Die Basis – Eulerfall 2

5.3.1 Profilabhängigkeit

In diesem Abschnitt soll untersucht werden, inwieweit die Grenztragfähigkeit doppeltsymmetrischer I-Querschnitte beim Biegeknicken von der Querschnittsgeo-metrie abhängig ist. Zur Verdeutlichung zeigt Bild 5.2 die Querschnitte von 4 ausge-suchten Walzprofilen, die die Unterschiedlichkeit der Abmessungen innerhalb der gängigen Profilreihen widerspiegeln.

IPE400

HEA340

HEB100

HEM1000

Bild 5.2 Profilgeometrie ausgewählter Walzprofile

Ein wichtiger Parameter, der sich aus der Profilgeometrie ergibt, ist der Faktor δ (s. Gl. (5.2)), der den Stegflächenanteil an der Gesamtquerschnittsfläche angibt (Bild 6.2 zeigt die δ-Werte der untersuchten Walzprofilreihen).

Steg

Gesamt

A=

Aδ (5.2)

Dieser Anteil ist aus zweierlei Gründen von Bedeutung. Zum einen hat er Einfluss auf die plastische Querschnittstragfähigkeit, wie z. B. die Interaktionsbeziehungen für Normalkraft und Biegung um die starke Achse in Bild 5.3 zeigen.

Bild 5.3 N-My-Interaktionsbeziehungen in Abhängigkeit vom Stegflächenanteil δ [46]

Page 113: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

5.3 Die Basis – Eulerfall 2 105

Dabei ergeben sich mit zunehmendem δ günstigere Interaktionskurven. Demgegenüber ist zu erwarten, dass sich ein größerer Stegflächenanteil ungünstig auf die bezogene Grenzlast auswirken wird, weil die Grenzlast im Wesentlichen abhängig ist von der Tragfähigkeit der Gurte und große Normalkräfte im Steg durch die Gurte stabilisiert werden müssen.

Ein anderer Faktor, der die Stabilitätsgefahr des Systems beeinflusst, ist der Träg-heitsradius i. Er beschreibt das Verhältnis zwischen Trägheitsmoment und Fläche eines Querschnitts, wie es in Gl. (5.3) angegeben ist.

Ii=A (5.3)

Je kleiner das Trägheitsmoment im Verhältnis zur Fläche ist, desto größer ist die Sta-bilitätsgefahr, was durch die Definition der Schlankheit mit

λ = sK / i (5.4) berücksichtigt wird. In Bild 5.4 sind für die 4 untersuchten Walzprofilreihen die Trägheitsradien in Abhängigkeit von der Profilnennhöhe aufgetragen. Interessanter-weise sinken die Werte für die schwache Achse bei den H-Reihen ab einer Nennhöhe von 300 wieder ab. Das bedeutet, dass die Schlankheit eines Stabes mit gleicher Knicklänge bei Verwendung eines größeren Profils wieder zunimmt.

0

5

10

15

20

25

30

35

40

45

0 200 400 600 800 1000Profilnennhöhe

iy

IPEHEAHEBHEM

0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

0 200 400 600 800 1000Profilnennhöhe

iz

IPEHEAHEBHEM

Bild 5.4 Trägheitsradien in Abhängigkeit von der Nennhöhe für 4 Walzprofilreihen

Wie sich die erläuterten Faktoren auf die bezogene Grenzlast κ = Nu/Npl auswirken, soll durch die folgenden Untersuchungen geklärt werden. Für alle Profile werden die Grenzlasten für Biegeknicken um die starke und die schwache Achse nach der Fließ-zonentheorie II. Ordnung ohne Ansatz von Eigenspannungen ermittelt. In Bild 5.5

Page 114: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

5 Abminderungsfaktoren κ für Biegeknicken 106

sind die minimalen bezogenen Grenzlasten aller Profile über der bezogenen Schlank-heit aufgetragen und zum Vergleich die Knickspannungslinien (KSL) a und b ein-gezeichnet. Mit dieser Darstellung wird die Erkenntnis aus Abschnitt 2.2.1 bestätigt, dass die Grenzlasten ohne Eigenspannungen deutlich über denen der zugeordneten Knickspannungslinien liegen und die Werte für die schwache Achse bis zu 7,7 % geringer sind als für die starke Achse (s. Tabelle 5.2, letzte Spalte).

0,0

0,2

0,4

0,6

0,8

1,0

0 0,4 0,8 1,2 1,6 2 2,4 2,8 3,2λK

κ = Nu/Npl Minimale rechnerische Grenzlast für Biegeknicken starke Achse

Minimale rechnerische Grenzlast für Biegeknicken schwache Achse

KSL a

KSL b

Bild 5.5 Minimale rechnerische κ-Werte aller Profile für Biegeknicken ohne Eigen-

spannungen und Knickspannungslinien a und b zum Vergleich (gestrichelt)

Tabelle 5.2 Statistische Auswertung der rechnerischen κ-Werte aller Profile für Biegeknicken ohne Eigenspannungen

min max m s min max m s0,2 0,982 0,983 0,982 0,000 0,13 0,987 0,990 0,988 0,001 0,24 1,0060,4 0,957 0,960 0,958 0,001 0,28 0,964 0,970 0,966 0,002 0,60 1,0070,6 0,917 0,920 0,919 0,001 0,34 0,914 0,920 0,916 0,002 0,62 0,9970,8 0,841 0,850 0,847 0,003 0,99 0,801 0,821 0,814 0,006 2,46 0,9521,0 0,716 0,727 0,723 0,004 1,55 0,661 0,685 0,677 0,008 3,60 0,9241,2 0,569 0,577 0,575 0,003 1,47 0,525 0,542 0,536 0,005 3,15 0,9231,4 0,445 0,450 0,448 0,002 1,20 0,415 0,426 0,422 0,004 2,64 0,9321,6 0,352 0,355 0,354 0,001 0,97 0,331 0,338 0,336 0,002 2,25 0,9401,8 0,283 0,286 0,285 0,001 0,82 0,268 0,274 0,272 0,002 2,15 0,9462,0 0,233 0,234 0,234 0,001 0,70 0,221 0,226 0,224 0,001 1,93 0,9522,4 0,164 0,165 0,165 0,000 0,56 0,158 0,160 0,159 0,001 1,42 0,9622,8 0,122 0,122 0,122 0,000 0,46 0,118 0,119 0,119 0,001 1,35 0,9663,2 0,094 0,094 0,094 0,000 0,39 0,091 0,092 0,092 0,000 1,10 0,970

min z min y

Biegeknicken starke Achse Biegeknicken schwache Achse

κ = Nu/Npl∆ max-min[% min]

∆ max-min[% min]

κ = Nu/Nplλk

Page 115: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

5.3 Die Basis – Eulerfall 2 107

Die statistische Auswertung in Tabelle 5.2 zeigt außerdem, dass die Unterschiede zwischen den einzelnen Profilen relativ gering sind. Die Standardabweichung variiert in Abhängigkeit von der bezogenen Schlankheit und wird für beide Achsen bei K 1,0λ = am größten. Bei dieser Schlankheit ergibt sich auch der größte Unterschied zwischen minimaler und maximaler bezogener Grenzlast. Bezogen auf die minimale bezogene Grenzlast ist der Maximalwert für die starke Achse um 1,55 % größer, für die schwache Achse um 3,6 %. Trägt man für K 1,0λ = die κ-Werte der einzelnen Profile wie in Bild 5.6 über dem zugehörigen Stegflächenanteil δ auf, so erkennt man eine fast lineare Abhängigkeit mit fallender Tendenz.

starke Achse schwache Achse

0,709

0,716

0,723

0,731

0,738

0,2 0,3 0,4 0,5

κ

δ 0,664

0,670

0,677

0,684

0,691

0,2 0,3 0,4 0,5

κ

IPEHEAHEBHEM

δ

m

1,02 m

0,98 m

Bild 5.6 Rechnerische κ-Werte aller Profile für K 1,0λ = in Abhängigkeit vom

Stegflächenanteil δ für Biegeknicken ohne Eigenspannungen

Dies bestätigt die zuvor geäußerte Vermutung, dass die Stabilitätsgefahr mit zu-nehmenden δ anwächst, weil größere Stegnormalkräfte zu stabilisieren sind. Bei den anderen bezogenen Schlankheiten zeigt sich die gleiche Tendenz ab K 0,6λ = . Für die Schlankheiten darunter kommt noch der positive Effekt der günstigeren Interaktionsbeziehung zum Tragen (s. Bild 5.3), sodass die κ-Werte mit zunehmen-dem δ nicht abfallen.

Als Fazit der Untersuchungen ohne Eigenspannungen soll folgendes festgehalten werden:

1. Die Variationsbreite der bezogenen Grenzlasten unterschiedlicher Profile ist abhängig von der bezogenen Schlankheit Kλ . Das Maximum ergibt sich bei

K 1,0λ = .

2. Die Variationsbreite ist für die schwache Achse größer als für die starke Achse.

3. Es kann eine Abhängigkeit der bezogenen Grenzlasten vom Stegflächenanteil δ gezeigt werden.

4. Die Unterschiede zwischen den minimalen und den maximalen bezogenen Grenzlasten sind so gering, dass sich hieraus nicht die Notwendigkeit unter-schiedlicher Grenzlastkurven ableiten lässt.

Page 116: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

5 Abminderungsfaktoren κ für Biegeknicken 108

5.3.2 Einfluss von Eigenspannungen und Vergleich mit den Europäischen Knickspannungslinien

Der große Einfluss von Eigenspannungen auf die Grenztragfähigkeit biegeknick-gefährdeter Stäbe hat sich bereits in Abschnitt 2.2.1 angedeutet und ist auch aus anderen Untersuchungen, wie z. B. [117], bekannt. Wie groß die Unterschiede mit und ohne Eigenspannungen im Einzelnen sind und wie genau die Grenztragfähigkeiten durch die Europäischen Knickspannungslinien erfasst werden, soll in diesem Abschnitt ermittelt werden.

Die heute üblichen Annahmen für die Verteilung und Größe von Eigenspannungen in gewalzten I-Profilen sind in Tabelle 4.3 zusammengestellt. Für die Berechnungen werden die linearen Verteilungen nach Zeile 2 gewählt, weil diese zu etwas geringeren Tragfähigkeiten führen (s. Abschnitt 2.2.1), und über die wirklich vorhandenen Eigenspannungen eine gewisse Unsicherheit herrscht, s. Abschnitt 4.5.2. Hinsichtlich der Größe der anzusetzenden Eigenspannungen werden 2 Fälle unterschieden mit dem Abgrenzungskriterium h/b ≤ 1,2 oder h/b > 1,2. Weil diese feste Abgrenzung in der Realität sicher nicht auftritt, werden im ersten Schritt für die HEB-Reihe Berechnungen mit der Eigenspannungsordinate 0,5 fy für alle Profile durchgeführt, unabhängig von Verhältnis h/b. Die Ergebnisse in Tabelle 5.3 zeigen, dass sich der größte Unterschied zwischen minimaler und maximaler bezogener Grenzlast nur unwesentlich gegenüber den Berechnungen ohne Eigenspannungen verändert (s. Tabelle 5.2). Die Variation der Profilabmessungen führt also auch mit Eigenspannungen nur zu geringen Unterschieden in der bezogenen Grenzlast, sofern für alle Profile die gleichen Eigenspannungen verwendet werden.

Tabelle 5.3 Statistische Auswertung der rechnerischen κ-Werte bei Ansatz gleicher Eigenspannungen ( σ =E 0,5 ) für alle Profile der HEB-Reihe

min max m s min max m s0,2 0,979 0,981 0,979 0,001 0,21 0,971 0,978 0,972 0,002 0,76 0,9920,4 0,939 0,946 0,941 0,002 0,76 0,890 0,915 0,896 0,008 2,77 0,9480,6 0,865 0,881 0,870 0,004 1,77 0,770 0,798 0,776 0,008 3,63 0,8900,8 0,760 0,779 0,765 0,006 2,47 0,647 0,654 0,649 0,002 1,15 0,8511,0 0,639 0,653 0,642 0,004 2,31 0,533 0,539 0,537 0,002 1,11 0,8351,2 0,517 0,523 0,518 0,002 1,20 0,433 0,442 0,440 0,003 2,26 0,8371,4 0,413 0,415 0,413 0,000 0,40 0,353 0,363 0,360 0,003 2,83 0,8541,6 0,332 0,333 0,332 0,000 0,22 0,289 0,298 0,296 0,002 2,81 0,8721,8 0,270 0,271 0,271 0,000 0,45 0,240 0,246 0,245 0,002 2,69 0,8882,0 0,223 0,224 0,224 0,000 0,45 0,201 0,206 0,205 0,001 2,44 0,9032,4 0,159 0,160 0,159 0,000 0,39 0,146 0,150 0,149 0,001 2,17 0,9212,8 0,119 0,119 0,119 0,000 0,48 0,111 0,113 0,112 0,001 1,95 0,9333,2 0,092 0,092 0,092 0,000 0,38 0,086 0,088 0,088 0,000 1,71 0,941

min z min y

Biegeknicken starke Achse Biegeknicken schwache Achse

κ = Nu/Npl∆ max-min[% min]

∆ max-min[% min]

κ = Nu/Nplλk

Page 117: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

5.3 Die Basis – Eulerfall 2 109

Neben den Auswirkungen auf die Profilabhängigkeit ist natürlich von Interesse, wie groß der Einfluss der Eigenspannungen auf die absoluten Grenzlasten ist. Daher werden in Bild 5.7 die entsprechenden Werte zueinander ins Verhältnis gesetzt, wobei jeweils die Mittelwerte der Berechnungen verwendet werden. Die Auswertung zeigt, dass die aufnehmbare Last durch die Eigenspannungen um bis zu 20,7 % verringert wird und sich die größte Reduktion für beide Achsen bei K 1,0λ = einstellt.

Für die schwache Achse ergibt sich eine wesentlich stärkere Abminderung. Die Ursachen hierfür werden in Abschnitt 2.2.1 erläutert. Im Vergleich zur starken Achse sind die Grenzlasten bei gleicher bezogener Schlankheit für die schwache Achse dadurch um bis zu 16,5 % geringer, wie die letzte Spalte in Tabelle 5.3 zeigt. Ohne Eigenspannungen lag der Unterschied nur bei 7,7 % (s. Tabelle 5.2)

88,7%

79,3%75%

80%

85%

90%

95%

100%

0,0 0,4 0,8 1,2 1,6 2,0 2,4 2,8 3,2λK

Nu mit / Nu ohne Eigenspannungen [%]

Biegeknicken starke Achse

Biegeknicken schwache Achse

Bild 5.7 Rechnerische Grenzlasten mit und ohne Eigenspannungen im Verhältnis

zueinander (jeweils die Mittelwerte aus Tabelle 5.2 und Tabelle 5.3)

Page 118: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

5 Abminderungsfaktoren κ für Biegeknicken 110

Europäische Knickspannungslinien

Nach der Klärung des grundsätzlichen Einflusses von Eigenspannungen soll im zweiten Schritt ein Vergleich mit den Europäischen Knickspannungslinien erfolgen. Dazu werden die Eigenspannungen nach Tabelle 4.3, Zeile 2 in Abhängigkeit vom h/b-Verhältnis der Querschnitte angesetzt und für alle Walzprofile der untersuchten Reihen Grenzlastberechnungen nach Fließzonentheorie II. Ordnung durchgeführt. Die Ergebnisse sind in bezogener Form in Tabelle 5.4 und Tabelle 5.5 angegeben sowie in Bild 5.8 grafisch dargestellt. Zum Vergleich mit den Knickspannungslinien werden jeweils die Minimalwerte aus allen Berechnungen (mit unterschiedlichen Querschnitten) verwendet. Aufgrund der geringen Streuung wird auf die Definition einer anderen Grenze, wie z. B. (m-2s), verzichtet.

Bild 5.8 zeigt, dass der grundsätzliche Verlauf der rechnerischen Grenzlastkurven gut mit den Knickspannungslinien übereinstimmt, zumindest ab K 0,4λ = . Für K 0,2λ = wird bei den Knickspannungslinien ein Wert von κ = 1 vorgegeben, der sich rechnerisch nicht ergibt. Das war auch bei den Berechnungen von Schulz der Fall [117]. In [21] lässt er trotzdem das volle Npl bis K 0,2λ = mit der Begründung zu, dass die Werkstoffverfestigung bei den Berechnungen nicht berücksichtigt wurde. Die aktuellen Berechnungen zeigen aber, dass die auftretenden Dehnungen noch weit unterhalb der Verfestigungsdehnung liegen ( V ymax 0,467% 10 1,143%ε = ε ≅ ε = )

und die Verfestigung somit keine Rolle spielen kann. Stichproben für K 0,1λ = führen zu dem gleichen Ergebnis. Vor diesem Hintergrund lässt sich die Anhebung von κ für K 0,2λ = nicht mit der Werkstoffverfestigung begründen.

0

0,2

0,4

0,6

0,8

1

0 0,4 0,8 1,2 1,6 2λK

κ = Nu/Npl

KSL b

KSL c

KSL a

y für σE = 0,3 (h/b > 1,2)

z für σE = 0,5 (h/b ≤ 1,2)

y für σE = 0,5 (h/b ≤ 1,2)

z für σE = 0,3 (h/b > 1,2)

Bild 5.8 Rechnerische κ-Werte (Minima aller Profile) für Biegeknicken starke (y) und

schwache (z) Achse im Vergleich mit den Knickspannungslinien (KSL)

Page 119: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

5.3 Die Basis – Eulerfall 2 111

Tabelle 5.4 Rechnerische κ-Werte aller Profile für Biegeknicken starke Achse und Vergleich mit den Werten der zugeordneten Knickspannungslinien

min max KSL a min max KSL b0,2 0,9800 0,9817 1,0000 0,17 2,04 0,9789 0,9791 1,0000 0,02 2,160,4 0,9461 0,9513 0,9528 0,55 0,71 0,9387 0,9394 0,9261 0,08 -1,340,6 0,8885 0,8984 0,8900 1,12 0,17 0,8651 0,8674 0,8371 0,26 -3,240,8 0,8016 0,8133 0,7957 1,46 -0,74 0,7600 0,7624 0,7245 0,31 -4,681,0 0,6797 0,6862 0,6656 0,96 -2,07 0,6386 0,6406 0,5970 0,33 -6,501,2 0,5450 0,5465 0,5300 0,29 -2,75 0,5167 0,5181 0,4781 0,27 -7,471,4 0,4300 0,4325 0,4179 0,59 -2,81 0,4130 0,4134 0,3817 0,09 -7,581,6 0,3424 0,3446 0,3332 0,65 -2,68 0,3324 0,3327 0,3079 0,08 -7,371,8 0,2773 0,2789 0,2702 0,57 -2,55 0,2709 0,2712 0,2521 0,14 -6,942,0 0,2283 0,2297 0,2229 0,61 -2,36 0,2237 0,2239 0,2095 0,10 -6,372,4 0,1617 0,1626 0,1585 0,54 -1,99 0,1595 0,1596 0,1506 0,08 -5,562,8 0,1204 0,1208 0,1182 0,33 -1,83 0,1190 0,1191 0,1132 0,09 -4,893,2 0,0929 0,0932 0,0915 0,35 -1,56 0,0920 0,0921 0,0880 0,09 -4,31

κ = Nu/Npl ∆ KSL-min[% min]

∆ KSL-min[% min]

κ = Nu/Npl ∆ max-min[% min]

∆ max-min[% min]

σE = 0,5 (h/b ≤ 1,2)σE = 0,3 (h/b >1,2)λk

Sieht man von den Abweichungen für K 0,2λ = ab, so liegen die rechnerischen κ-Werte für die starke Achse fast ausschließlich oberhalb der zugeordneten Knickspannungslinien a und b (s. Tabelle 5.4). Während die Knickspannungslinie a für die Profile mit h/b > 1,2 sehr zutreffend ist (maximal 2,8 % Abweichung auf der sicheren Seite), ergeben sich für die Profile mit h/b ≤ 1,2 noch deutliche Reserven gegenüber der Knickspannungslinie b. Durch Änderung des α-Faktors in Gl. (3.4) ist eine bessere Anpassung der Knickspannungslinie an die rechnerische Grenzlastkurve möglich. Nach Auswertung der Bandbreite zwischen α = 0,21 (KSL a) und α = 0,34 (KSL b) wird dazu der Faktor α = 0,26 (KSL ab) vorgeschlagen. Wie Bild 5.9 zeigt, lässt sich dadurch eine ähnlich gute Übereinstimmung mit den rechnerischen Werten erzielen, wie es bei der Knickspannungslinie a der Fall ist (s. a. Tabelle 5.4). Ein noch kleinerer α-Faktor würde die Abweichungen im oberen Schlankheitsbereich zwar weiter reduzieren, aber gleichzeitig auch zu größeren Abweichungen auf der unsicheren Seite im mittleren Schlankheitsbereich führen.

Page 120: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

5 Abminderungsfaktoren κ für Biegeknicken 112

0,2 2,160,4 0,380,6 0,400,8 0,751,0 -0,371,2 -1,691,4 -2,471,6 -2,881,8 -2,952,0 -2,792,4 -2,582,8 -2,323,2 -2,05

∆ KSL-min[% min]λk

0

0,2

0,4

0,6

0,8

1

0 0,4 0,8 1,2 1,6 2 2,4 2,8 3,2 λK

κ = Nu/Npl

κ für σE = 0,5 (h/b ≤ 1,2)

KSL ab (α=0,26)

Bild 5.9 Anpassung der Knickspannungslinie „ab“ an die rechnerische

Grenzlastkurve für Biegeknicken starke Achse, h/b ≤ 1,2

Für die schwache Achse zeigt sich bei beiden Knickspannungslinien (b und c) die Tendenz, dass sie im mittleren Schlankheitsbereich etwas auf der unsicheren Seite liegen (max ∆ = 2,35 %) und im hohen Schlankheitsbereich die Tragfähigkeit unterschätzen, also auf der sicheren Seite liegen (min ∆ = -4,65 %). Eine Änderung des α-Faktors würde keine Verbesserung bringen, weil dadurch die Kurve insgesamt verschoben wird. In dem einen Schlankheitsbereich würden die Abweichungen zwar kleiner, in dem anderen dafür aber größer (s. a. Bild 5.8). Angesichts der relativ geringen Abweichungen ist eine weitergehende Anpassung von Gl. (3.4) wenig sinnvoll und nicht erforderlich.

Tabelle 5.5 Rechnerische κ-Werte aller Profile für Biegeknicken schwache Achse und Vergleich mit den Werten der zugeordneten Knickspannungslinien

min max KSL b min max KSL c0,2 0,9780 0,9828 1,0000 0,49 2,25 0,9706 0,9722 1,0000 0,17 3,030,4 0,9206 0,9373 0,9261 1,81 0,59 0,8900 0,8932 0,8973 0,36 0,820,6 0,8244 0,8443 0,8371 2,42 1,54 0,7681 0,7724 0,7854 0,57 2,250,8 0,7108 0,7136 0,7245 0,40 1,92 0,6469 0,6485 0,6622 0,24 2,351,0 0,5853 0,5972 0,5970 2,03 2,00 0,5376 0,5389 0,5399 0,24 0,431,2 0,4738 0,4871 0,4781 2,80 0,91 0,4417 0,4425 0,4338 0,19 -1,791,4 0,3821 0,3926 0,3817 2,76 -0,10 0,3614 0,3627 0,3492 0,37 -3,361,6 0,3098 0,3180 0,3079 2,64 -0,62 0,2966 0,2977 0,2842 0,36 -4,181,8 0,2547 0,2608 0,2521 2,38 -1,05 0,2459 0,2464 0,2345 0,24 -4,612,0 0,2117 0,2164 0,2095 2,23 -1,05 0,2057 0,2063 0,1962 0,27 -4,652,4 0,1522 0,1551 0,1506 1,93 -1,06 0,1493 0,1496 0,1425 0,24 -4,532,8 0,1145 0,1162 0,1132 1,44 -1,18 0,1125 0,1127 0,1079 0,18 -4,113,2 0,0889 0,0902 0,0880 1,46 -0,97 0,0877 0,0879 0,0844 0,22 -3,71

∆ max-min[% min]

∆ max-min[% min]

λk

σE = 0,3 (h/b >1,2) σE = 0,5 (h/b ≤ 1,2)

κ = Nu/Npl ∆ KSL-min[% min]

κ = Nu/Npl ∆ KSL-min[% min]

Page 121: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

5.3 Die Basis – Eulerfall 2 113

5.3.3 Überprüfung und Absicherung der Berechnungsergebnisse

Es soll sichergestellt werden, dass die mit KSTAB-FZ nach Fließzonentheorie II. Ordnung ermittelten Grenzlasten richtig und ausreichend genau sind. Zu diesem Zweck werden zum einen Vergleichsrechnungen mit dem Programm ABAQUS durchgeführt und zum anderen einige der in Abschnitt 5.2.2 getroffenen Annahmen variiert, um den Einfluss auf die Grenztragfähigkeit zu überprüfen. Für ein repräsentatives Beispiel sind die Ergebnisse der entsprechenden Berechnungen in Tabelle 5.6 zusammengestellt. Der größte Unterschied ergibt sich bei Verwendung von parabolisch verteilten Eigenspannungen anstelle der linear verteilten (+2,23 %, s. Berechnung 5). Wie schon in Abschnitt 5.3.2 erläutert, wurde bewusst auf die Ausnutzung dieser „Reserven“ verzichtet, weil die Verteilung und Größe von Eigenspannungen Schwankungen unterlegen ist. Die Berechnungen mit ABAQUS führen zu minimal geringeren Grenzlasten als die mit KSTAB-FZ, was im Wesentlichen auf die Schubweichheit der Elemente zurückzuführen ist. Die genauere Idealisierung des Querschnitts in Berechnung 11 hat so gut wie keinen Einfluss auf die bezogene Grenzlast.

Als Fazit der Vergleichsrechnungen, deren Ergebnisse hier nur für ein Beispiel wiedergegeben sind, kann festgehalten werden, dass die durchgeführten Berechnungen mit den in Abschnitt 5.2.2 getroffenen Annahmen als ausreichend genau und abgesichert angesehen werden können.

Tabelle 5.6 Ergebnisse von Vergleichsrechnungen für ein repräsentatives Beispiel

Beispiel: Biegeknicken starke Achse, HEM 1000, K 1λ = , E 0,3σ =

Berechnungen mit KSTAB-FZ Nr. Änderung gegenüber Abschnitt 5.2.2 κ ∆ [%] 1 keine 0,6862 - 2 Sinushalbwelle als Vorkrümmung 0,6885 + 0,333 200 Elemente 0,6863 + 0,014 200 Elemente und Steifigkeit Elementmitte 0,6864 + 0,025 Eigenspannungen parabolisch (Tabelle 4.3, Zeile 1) 0,7015 + 2,236 Eigenspannungen parabolisch mit Ausgleich je Blech 0,6974 + 1,647 100 Fasern je Blech 0,6860 - 0,03

8 100 Fasern und 10 Lamellen (Blechdicke) je Blech (Berechnungsdauer 23 Minuten!) 0,6862 - 0,01

Berechnungen mit ABAQUS, Stabelement B31OS Nr. Änderung gegenüber Abschnitt 5.2.2 κ ∆ [%] 9 keine, aber Stabelement schubweich 0,6818 - 0,6510 200 Elemente 0,6818 - 0,65

11 Idealisierung des Querschnitts mit Erfassung der Walzausrundungen durch flächengleiche Rechtecke 0,6815 - 0,69

Page 122: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

5 Abminderungsfaktoren κ für Biegeknicken 114

5.4 Andere statische Systeme

5.4.1 Eulerfälle 3 und 4

Um die Grenztragfähigkeit für andere statische Systeme als den Eulerstab mit dem κ-Verfahren bestimmen zu können, wird anstelle des wirklichen Systems ein Eulerstab mit identischer elastischer Verzweigungslast betrachtet, weshalb das κ-Verfahren auch als Ersatzstabverfahren bezeichnet wird. Wie genau die Traglast des real vorhandenen Systems mit dieser Vorgehensweise ermittelt werden kann, soll an dieser Stelle für die Eulerfälle 3 und 4 geklärt werden (s. a. Bild 5.11). Mit den Annahmen nach Abschnitt 5.2 werden für die dort angegebenen Profile die Grenzlasten nach Fließzonentheorie II. Ordnung ermittelt. In Bild 5.10 sind die Ergebnisse im Verhältnis zu den entsprechenden Grenzlasten des Eulerfalls 2 aufgetragen.

0,99

1

1,01

1,02

1,03

1,04

0,0 0,4 0,8 1,2 1,6 2,0 2,4 2,8 3,2

z EF 4h/b>1,2z EF 4h/b<=1,2y EF 4h/b>1,2y EF 4h/b<=1,2z EF 3h/b>1,2z EF 3h/b<=1,2y EF 3h/b>1,2y EF 3h/b<=1,2

λK

Nu,EF i / Nu, EF 2 für gleiches λK

Bild 5.10 Rechnerische Grenzlasten der Eulerfälle 3 und 4 bezogen auf die des

Eulerfalls 2 (jeweils Minima)

Es zeigt sich, dass die Grenzlasten der Eulerfälle 3 und 4 fast durchweg über denen des Eulerfalls 2 liegen, die Unterschiede aber mit maximal 3,5 % sehr gering sind. Außerdem ist zu erkennen, dass die Grenzlasten für Eulerfall 4 am größten sind.

Um die Ergebnisse einordnen zu können, soll überprüft werden, wie stark die Grenzlasten von der Form der Vorkrümmung abhängig sind. Weil die Eigenformen der Eulerfälle 3 und 4 stärker von der Sinushalbwelle abweichen (s. Bild 5.11), wurden auch Berechnungen mit Ansatz der skalierten Eigenform als Vorverformung durchgeführt. Das bedeutet, dass die Form der angesetzten Vorkrümmung der 1. Eigenform entspricht und der Maximalwert identisch ist mit dem vorgegebenen Stich f0. Dabei ergeben sich kleinere Grenzlasten als bei Ansatz der Parabel. Die

Page 123: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

5.4 Andere statische Systeme 115

Grenzlasten sind dann nahezu identisch mit denen des Eulerfalls 2. Vor diesem Hintergrund erscheint es sinnvoll, für die Eulerfälle 3 und 4 die gleichen Grenzlastkurven zu verwenden wie für Eulerfall 2 und auf eine mögliche Erhöhung nach Bild 5.10 zu verzichten.

Bild 5.11 Statische Systeme der Eulerfälle 1 bis 4 mit Skizzierung der 1. Eigenform

5.4.2 Eulerfall 1

Im Vergleich zu den anderen Eulerfällen handelt es sich beim Eulerfall 1 um ein System, das seitlich nicht beidseitig unverschieblich gelagert ist, weshalb als Vorverformung auch eine Vorverdrehung des Stabes zu berücksichtigen ist. Nach [76] soll für Fließzonenberechnungen eine Vorverdrehung mit ϕ0 = 1/300 zusätzlich zur Vorkrümmung angesetzt werden, wobei dieser Wert noch mit einem Faktor in Abhängigkeit von der Systemlänge abzumindern ist, s. a. Bild 4.23. Diese Angaben beziehen sich auf seitlich verschiebliche Systeme und beruhen auf gemessenen Werten. Aufgrund eigener Auswertungen schlägt Lindner einen Grundwert von 1/400 statt 1/300 vor. Unter Zugrundelegung der 5 %-Fraktile hatte sich bei den Auswertungen ein charakteristischer Wert von ϕ0 = 1/481⋅ r1 ergeben, s. Gl. (2-2.12) in [76]. In DIN 18800-1 [16], El. 730, wurde der Grundwert auf 1/400 aufgerundet.

Für die folgenden Untersuchungen werden zunächst Vorverformungen mit einer Auslenkung von L/300⋅ r1 am Stabende angesetzt, so wie es nach Bild 4.23 vorgesehen ist. Anstatt jedoch eine lineare Vorverdrehung anzusetzen und diese mit einer Vorkrümmung (Stich L/1000) zu überlagern, wird die Eigenform des Systems (s. Bild 5.11 links) auf den angegebenen Wert skaliert und als Vorverformung verwendet. Auf diese Weise wird der größtmögliche Einfluss, der aus der Theorie II. Ordnung resultieren kann, erfasst. Die Ergebnisse der Grenzlastberechnungen, die für die Profile mit h/b > 1,2 in Tabelle 5.7 zusammengestellt sind, zeigen Folgendes:

• Die bezogenen Grenzlasten sind überwiegend geringer als die der zugeordneten Knickspannungslinien. Für die starke Achse liegen die Werte der Knickspannungslinien bis zu 4,61 % auf der unsicheren Seite, für die schwache Achse sogar bis zu 11,26 %.

• Die Grenzlasten sind in Abhängigkeit vom Profil sehr unterschiedlich. Zwischen minimaler und maximaler bezogener Grenzlast liegen bis zu 10,8 %

Page 124: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

5 Abminderungsfaktoren κ für Biegeknicken 116

Differenz. Diese großen Unterschiede ergeben sich infolge des Reduktions-faktors 1r 5 L= für L > 5m. Bei gleicher bezogener Schlankheit „profitieren“ die längeren Stäbe von dieser Regelung wesentlich stärker, weshalb bei der starken Achse die großen Profile höhere bezogene Grenzlasten erreichen als die kleinen Profile. Für die schwache Achse ist der Zusammenhang nicht so eindeutig, weil bei großen Profilen der Trägheitsradius und damit die Länge bei gleicher Schlankheit zum Teil wieder abnimmt, s. Bild 5.4.

Tabelle 5.7 Rechnerische κ-Werte für Biegeknicken Eulerfall 1, ermittelt mit skalierter Eigenform (am Ende j0 = L/300⋅r1) für ausgewählte Profile mit h/b > 1,2

min max KSL a min max KSL b0,2 0,9679 0,9706 1,0000 0,27 3,32 0,9697 0,9763 1,0000 0,68 3,130,4 0,9215 0,9387 0,9528 1,86 3,39 0,9019 0,9217 0,9261 2,20 2,680,6 0,8528 0,8934 0,8900 4,76 4,36 0,7937 0,8153 0,8371 2,72 5,460,8 0,7645 0,8182 0,7957 7,03 4,08 0,6684 0,6699 0,7245 0,23 8,381,0 0,6363 0,7005 0,6656 10,09 4,61 0,5366 0,5507 0,5970 2,62 11,261,2 0,5082 0,5633 0,5300 10,84 4,30 0,4317 0,4464 0,4781 3,42 10,761,4 0,4061 0,4456 0,4179 9,74 2,91 0,3485 0,3617 0,3817 3,78 9,531,6 0,3290 0,3552 0,3332 7,96 1,27 0,2847 0,2984 0,3079 4,84 8,161,8 0,2695 0,2868 0,2702 6,45 0,29 0,2356 0,2485 0,2521 5,49 7,012,0 0,2240 0,2360 0,2229 5,37 -0,48 0,1970 0,2084 0,2095 5,79 6,302,4 0,1601 0,1666 0,1585 4,03 -1,03 0,1437 0,1518 0,1506 5,65 4,792,8 0,1200 0,1236 0,1182 3,07 -1,45 0,1093 0,1149 0,1132 5,16 3,543,2 0,0929 0,0953 0,0915 2,54 -1,56 0,0854 0,0898 0,0880 5,19 3,12

Biegeknicken schwache AchseBiegeknicken starke Achseλk ∆ KSL-min

[% min]κ = Nu/Npl κ = Nu/Npl∆ max-min

[% min]∆ max-min

[% min]∆ KSL-min

[% min]

Die Konsequenz aus den oben erläuterten Untersuchungen wäre, dass für den Eulerfall 1 andere Knickspannungslinien als bisher zu verwenden wären, weil diese zu Tragfähigkeiten führen, die zum Teil deutlich auf der unsicheren Seite liegen. Vor dem Hintergrund aber, dass die Grenzlasten wesentlich von der Größe der Vorverformungen abhängen und Auswertungen vorliegen, nach denen geringere Vorverdrehungen als 1/300 realistisch erscheinen, werden ergänzende Berechnungen mit einer Auslenkung von L/500 am Stabende durchgeführt. Der Wert von L/500 wird gewählt, weil er sich logisch aus dem Stich der Vorkrümmung ableitet, wenn man diesen auf sK bezieht (sK/1000 = 2L/1000) und zum anderen, weil die Auswertung von Lindner [76] ϕ0 = 1/481⋅ r1 als charakteristischen Wert ergeben hatte. Auf die Abminderung mit r1 wird verzichtet, um die großen Unterschiede in Abhängigkeit von dem Profil zu vermeiden. Es wird wieder die skalierte Eigenform als Vorkrümmung angesetzt. Tabelle 5.8 enthält die bezogenen Grenzlasten sowie die Abweichungen der zugeordneten Knickspannungslinien, wobei für die starke Achse und h/b ≤ 1,2 bereits die in Abschnitt 5.3.2 vorgestellte Linie „ab“ verwendet wird. Durch die geringeren Vorverformungen kommt es zu einer deutlichen Anhebung der Grenzlasten, die jetzt zum Großteil etwas über den Knickspannungslinien liegen. Wenn also die angenommene Vorverdrehung von ϕ0 = 1/500 zutreffend ist, können

Page 125: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

5.4 Andere statische Systeme 117

die üblichen Knickspannungslinien weiterhin auch für Eulerfall 1 verwendet werden. Aufgrund der vorliegenden Untersuchungen ist eine abschließende Klärung der Frage, welche Vorverdrehungen anzusetzen sind, unbedingt erforderlich.

Tabelle 5.8 Rechnerische κ-Werte für Biegeknicken Eulerfall 1, ermittelt mit skalierter Eigenform (am Ende j0 = L/500) für ausgewählte Profile

min κ ∆ KSL a-min[% min] min κ ∆ KSL ab-min

[% min] min κ ∆ KSL b-min[% min] min κ ∆ KSL c-min

[% min]

0,2 0,9801 2,03 0,9790 2,14 0,9781 2,24 0,9708 3,010,4 0,9466 0,65 0,9396 0,29 0,9212 0,53 0,8915 0,650,6 0,8898 0,02 0,8676 0,11 0,8261 1,33 0,7709 1,870,8 0,8033 -0,94 0,7630 0,36 0,7135 1,54 0,6486 2,081,0 0,6819 -2,39 0,6406 -0,69 0,5879 1,55 0,5399 0,001,2 0,5476 -3,21 0,5186 -2,05 0,4762 0,40 0,4443 -2,381,4 0,4315 -3,16 0,4145 -2,82 0,3840 -0,61 0,3635 -3,921,6 0,3434 -2,96 0,3336 -3,23 0,3112 -1,04 0,2984 -4,751,8 0,2781 -2,83 0,2719 -3,33 0,2555 -1,35 0,2470 -5,042,0 0,2288 -2,60 0,2244 -3,10 0,2124 -1,39 0,2068 -5,152,4 0,1621 -2,19 0,1599 -2,85 0,1527 -1,38 0,1498 -4,872,8 0,1206 -2,00 0,1193 -2,55 0,1148 -1,46 0,1130 -4,483,2 0,0930 -1,70 0,0922 -2,22 0,0891 -1,24 0,0880 -4,06

λk

Biegeknicken starke Achse Biegeknicken schwache Achse

σE = 0,3 (h/b >1,2) σE = 0,5 (h/b ≤ 1,2) σE = 0,3 (h/b >1,2) σE = 0,5 (h/b ≤ 1,2)

Page 126: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

5 Abminderungsfaktoren κ für Biegeknicken 118

5.5 Einfluss der Stahlgüte

5.5.1 Grenzlasten für S 355

Die Frage, ob sich für höhere Stahlgüten die gleichen κ-Werte ergeben wie für S 235, wurde bereits von Schulz [117] gestellt und im Prinzip beantwortet. Für höhere Stahlgüten ergeben sich unter folgenden Umständen die gleichen bezogenen Grenzlasten κ = Nu/Npl wie für S 235:

1. Der Faktor j der Vorkrümmung f0 = L/j wird in Abhängigkeit von der Stahlgüte mit a,S235 aj j /= ⋅ λ λ definiert.

2. Die Eigenspannungen werden in Abhängigkeit von der Streckgrenze mit E E yfσ = σ ⋅ definiert.

Weil für die Vorkrümmung in der Regel ein fester Wert (j = L/1000) unabhängig von der Streckgrenze verwendet wird, ergeben sich bei Fließzonenberechnungen infolge des Zusammenhangs unter 1 größere bezogene Grenzlasten für höhere Stahlgüten. Wie die Auswertung in Bild 5.12 zeigt, sind die Unterschiede für S 355 aber relativ gering (max ∆ = 3,3 %).

1

1,01

1,02

1,03

1,04

0,0 0,4 0,8 1,2 1,6 2,0 2,4 2,8 3,2

z h/b>1,2

z h/b<=1,2

y h/b>1,2

y h/b<=1,2

κ (S 355 mit σE ⋅fy, S 355) / κ (S 235)

λK

Bild 5.12 Rechnerische κ-Werte für S 355 ermittelt mit σ = σ ⋅E E y,S355f im Verhältnis

zu den κ-Werten für S 235 (jeweils die Minimalwerte)

Für die entsprechenden Grenzlastberechnungen werden die Eigenspannungen mit der Streckgrenze von S 355 ermittelt, wie es unter Punkt 2 der obigen Aufzählung beschrieben ist. Wird stattdessen als Bezug die Streckgrenze von S 235 verwendet, so fallen die Unterschiede zwischen den κ-Werten wesentlich größer aus, s. Bild 5.13.

Page 127: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

5.5 Einfluss der Stahlgüte 119

1

1,02

1,04

1,06

1,08

1,1

1,12

1,14

0,0 0,4 0,8 1,2 1,6 2,0 2,4 2,8 3,2

z h/b>1,2

z h/b<=1,2

y h/b>1,2

y h/b<=1,2

κ (S 355 mit σE ⋅fy, S 235) / κ (S 235)

λK

Bild 5.13 Rechnerische κ-Werte für S 355 ermittelt mit σ = σ ⋅E E y,S235f (!)

im Verhältnis zu den κ-Werten für S 235 (jeweils die Minimalwerte)

In Tabelle 5.9 sind die minimalen rechnerischen κ-Werte angegeben, sowie daneben die Abweichungen, die sich im Vergleich mit den zugeordneten Knickspannungs-linien ergeben. Die Unterschiede sind so groß, dass eine neue Zuordnung der Knickspannungslinien für S 355 sinnvoll erscheint. In Abschnitt 5.6 werden dazu entsprechende Vorschläge gemacht.

Tabelle 5.9 Rechnerische κ-Werte für S 355 ermittelt mit σ = σ ⋅E E y,S235f (!) und Vergleich mit den Werten der zugeordneten Knickspannungslinien

min κ ∆ KSL a -min[% min] min κ ∆ KSL ab-min

[% min] min κ ∆ KSL b-min[% min] min κ ∆ KSL c-min

[% min]

0,2 0,9838 1,65 0,9832 1,71 0,9833 1,70 0,9787 2,180,4 0,9575 -0,49 0,9527 -1,09 0,9409 -1,58 0,9208 -2,550,6 0,9132 -2,54 0,8960 -3,06 0,8656 -3,29 0,8250 -4,800,8 0,8377 -5,01 0,8077 -5,19 0,7592 -4,57 0,7156 -7,471,0 0,7172 -7,20 0,6889 -7,65 0,6324 -5,60 0,6042 -10,631,2 0,5701 -7,03 0,5547 -8,42 0,5096 -6,18 0,4962 -12,581,4 0,4461 -6,33 0,4386 -8,16 0,4073 -6,28 0,4001 -12,721,6 0,3532 -5,65 0,3489 -7,48 0,3270 -5,84 0,3241 -12,301,8 0,2843 -4,94 0,2821 -6,81 0,2663 -5,36 0,2648 -11,442,0 0,2334 -4,51 0,2318 -6,16 0,2206 -5,06 0,2196 -10,672,4 0,1645 -3,66 0,1640 -5,28 0,1573 -4,26 0,1570 -9,242,8 0,1220 -3,13 0,1217 -4,48 0,1176 -3,79 0,1175 -8,183,2 0,0941 -2,76 0,0938 -3,96 0,0910 -3,28 0,0911 -7,33

λk

Biegeknicken starke Achse Biegeknicken schwache Achse

σE = 0,3 (h/b >1,2) σE = 0,5 (h/b ≤ 1,2) σE = 0,3 (h/b >1,2) σE = 0,5 (h/b ≤ 1,2)

Page 128: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

5 Abminderungsfaktoren κ für Biegeknicken 120

Die Ausnutzung der höheren Tragfähigkeiten setzt voraus, dass die Eigenspannungen in Walzprofilen aus Baustahl tatsächlich nahezu Absolutwerte sind, so wie es bisher angenommen und durch einzelne Messungen bestätigt worden ist, s. Abschnitt 4.5.2. Auch die Untersuchungen in Abschnitt 6.4 zeigen, dass von Absolutwerten aus-zugehen ist, die mit den bezogenen Werten aus Tabelle 4.3 und der Streckgrenze von S 235 zu ermitteln sind. Angesichts der deutlich höheren Tragfähigkeiten für S 355 wäre es wünschenswert, wenn es in näherer Zukunft zu weiteren Untersuchungen und einer abschließenden Beurteilung hinsichtlich der Eigen-spannungen von Walzprofilen aus S 355 kommen würde.

5.5.2 Tragfähigkeitsunterschiede für höhere Stahlgüten

In diesem Abschnitt soll kurz dargestellt werden, welche Tragfähigkeitsunterschiede sich ergeben, wenn das gleiche System mit unterschiedlichen Stahlgüten hergestellt wird. Der Vorteil, der sich aus einer höheren Streckgrenze und eventuell zusätzlich günstigeren κ-Werten ergibt, führt nicht im gleichen Verhältnis zu einer höheren Grenzlast, weil auch eine erhöhte Schlankheit zu berücksichtigen ist, s. Gl. (5.5).

( ) yK y K,S235

y,S235

ff fλ = ⋅ λ (5.5)

Um die resultierenden Traglastunterschiede auswerten zu können, sind in Bild 5.14 die Grenzlasten für S 355 und S 235 im Verhältnis zueinander dargestellt und zwar in Abhängigkeit von der bezogenen Schlankheit Kλ für S 235. Die entsprechenden Grenzlasten werden mit den angegebenen Knickspannungslinien ermittelt, wobei 2 Varianten untersucht werden. Bei der 1. Variante werden für beide Stahlsorten die gleichen Knickspannungslinien verwendet (im Bild die gestrichelten Linien). Bei der 2. Variante werden für S 355 die in Abschnitt 5.6 vorgeschlagenen, günstigeren Knickspannungslinien zugrunde gelegt (im Bild die durchgezogenen Linien). Mit den günstigeren Linien ergeben sich für S 355 und eine mittlere Schlankheit von

K,S235 1λ = beispielsweise Grenzlasten, die zwischen 20 und 30 % größer sind als für S 235. Bei Verwendung der gleichen Knickspannungslinien für beide Stahlsorten sind die Grenzlasten bei der selben Schlankheit für S 355 maximal 17,3 % größer als für S 235.

Page 129: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

5.5 Einfluss der Stahlgüte 121

1

1,1

1,2

1,3

1,4

1,5

0 0,4 0,8 1,2 1,6 2

NRd, S 355 / NRd, S 235 y-y, h/b > 1,2S 355 a0 / S 235 a

z-z, h/b ≤ 1,2S 355 b / S 235 c

y-y, h/b > 1,2 (a)

z-z, h/b ≤ 1,2 (c)

z-z, h/b > 1,2 (b)

z-z, h/b > 1,2S 355 ab / S 235 b

y-y, h/b ≤ 1,2S 355 a / S 235 ab

λK S235

fy, S 355 / fy, S 235 = 1,5

y-y, h/b ≤ 1,2 (ab)

Bild 5.14 Grenzlasten für S 355 und S 235 im Verhältnis zueinander,

ermittelt mit den angegebenen Knickspannungslinien

Mit der Auswertung in Bild 5.14 kann man direkt erkennen, in welchen Fällen der Einsatz von S 355 zu einer sinnvollen Erhöhung der Grenzlasten führt. Die gleiche Auswertung für die Stahlgüte S 460 zeigt Bild 5.15. Die Zuordnung der Knickspannungslinien erfolgte nach den Angaben der DIN EN 1993-1-1 [16], die in Tabelle 3.4 wiedergegeben sind. Dabei wirkt sich die deutlich günstigere Einstufung für die schwache Achse besonders stark aus (KSL a0 statt b und KSL a statt c).

1

1,2

1,4

1,6

1,8

2

0 0,4 0,8 1,2 1,6 2

NRd, S 460 / NRd, S 235

z-z, h/b > 1,2S 460 a0 / S 235 b

z-z, h/b ≤ 1,2S 460 a / S 235 c

y-y, h/b > 1,2S 460 a0 / S 235 a

y-y, h/b ≤ 1,2S 460 a / S 235 ab

λK S235

fy, S 460 / fy, S 235 = 1,92

Bild 5.15 Grenzlasten für S 460 und S 235 im Verhältnis zueinander,

ermittelt mit den angegebenen Knickspannungslinien

Page 130: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

5 Abminderungsfaktoren κ für Biegeknicken 122

5.6 κ-Werte und Zuordnung von Knickspannungslinien

Als Ergebnis aus den Untersuchungen und Erkenntnissen der vorangegangenen Abschnitte sollen in diesem Abschnitt die rechnerisch ermittelten κ-Werte für S 235 und S 355 zusammengestellt und die Grenzen für deren Anwendung angegeben werden. Daran anschließend erfolgt eine teilweise neue Zuordnung von Knick-spannungslinien, damit die diskreten κ-Werte mit Hilfe von Gl. (3.4) auch analytisch genauer erfasst werden können. In Tabelle 5.10 sind die zuvor ermittelten κ-Werte für S 235 und S 355 wiedergegeben. Es handelt sich dabei jeweils um die Minimalwerte aus den Berechnungen mit unterschiedlichen Profilen für Eulerfall 2 (s. Tabelle 5.4, Tabelle 5.5 und Tabelle 5.9). Für S 355 wurden dabei die Eigenspannungen nach Tabelle 4.3 mit der Streckgrenze von S 235 angesetzt (s. Abschnitt 5.5.1). Durch die Fließzonenberechnungen ist die Anwendung der Werte nach Tabelle 5.10 für gewalzte I-Profile mit tg

≤ 40 mm und Stegflächenanteile von δ = 0,207 bis δ = 0,460 abgesichert. Aufgrund der Auswertungen bestehen aber keine Bedenken, die Werte auch für Profile mit Stegflächenanteilen bis δ = 0,550 zu verwenden.

Tabelle 5.10 Rechnerisch ermittelte κ-Werte für S 235 und S 355

h/b >1,2 h/b ≤ 1,2 h/b >1,2 h/b ≤ 1,2 h/b >1,2 h/b ≤ 1,2 h/b >1,2 h/b ≤ 1,2

0,2 0,9800 0,9789 0,9780 0,9706 0,9838 0,9832 0,9833 0,97870,4 0,9461 0,9387 0,9206 0,8900 0,9575 0,9527 0,9409 0,92080,6 0,8885 0,8651 0,8244 0,7681 0,9132 0,8960 0,8656 0,82500,8 0,8016 0,7600 0,7108 0,6469 0,8377 0,8077 0,7592 0,71561,0 0,6797 0,6386 0,5853 0,5376 0,7172 0,6889 0,6324 0,60421,2 0,5450 0,5167 0,4738 0,4417 0,5701 0,5547 0,5096 0,49621,4 0,4300 0,4130 0,3821 0,3614 0,4461 0,4386 0,4073 0,40011,6 0,3424 0,3324 0,3098 0,2966 0,3532 0,3489 0,3270 0,32411,8 0,2773 0,2709 0,2547 0,2459 0,2843 0,2821 0,2663 0,26482,0 0,2283 0,2237 0,2117 0,2057 0,2334 0,2318 0,2206 0,21962,4 0,1617 0,1595 0,1522 0,1493 0,1645 0,1640 0,1573 0,15702,8 0,1204 0,1190 0,1145 0,1125 0,1220 0,1217 0,1176 0,11753,2 0,0929 0,0920 0,0889 0,0877 0,0941 0,0938 0,0910 0,0911

λk

S 235 S 355

starke Achse schwache Achse starke Achse schwache Achse

Was die analytische Erfassung der rechnerischen κ-Werte durch Gl. (3.4) betrifft, so konnte festgestellt werden, dass gegenüber den bisher zugeordneten Knickspannungs-linien teilweise noch Reserven vorhanden sind. Das gilt bei S 235 für das Biegeknicken um die starke Achse, wenn h/b ≤ 1,2 ist und bei S 355 für alle Bereiche. Aus diesem Grund wird für die genannten Fälle in Tabelle 5.11 eine geänderte Zuordnung der Knickspannungslinien vorgeschlagen und dabei auch eine neue Knickspannungslinie „ab“ mit α = 0,26 verwendet. Für Tabelle 5.11 gelten die selben Anwendungsgrenzen wie für Tabelle 5.10 (s. o.).

Page 131: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

5.6 κ-Werte und Zuordnung von Knickspannungslinien 123

Tabelle 5.11 Empfehlung von Knickspannungslinien für den Biegeknicknachweis gewalzter I-Profile mit dem κ-Verfahren

starke Achse schwache Achse

h/b > 1,2 h/b ≤ 1,2 h/b > 1,2 h/b ≤ 1,2

S 235 a ab 1) b c

S 355 a0 a ab 1) b

DIN 18800-2 (zum Vergleich) a b b c

1) Knickspannungslinie „ab“ mit α = 0,26.

Zur abschließenden Beurteilung der Zuordnung in Tabelle 5.11 sind in Tabelle 5.12 die prozentualen Abweichungen angegeben (minimal und maximal), die sich mit den empfohlenen Knickspannungslinien bezogen auf die rechnerischen κ-Werte ergeben. Die Auswertung wurde sowohl mit Bezug auf die minimalen als auch mit Bezug auf die maximalen κ-Werte aus Berechnungen mit unterschiedlichen Profilen vor-genommen.

Tabelle 5.12 Maximale Abweichungen der κ-Werte der Knickspannungslinien nach Tabelle 5.11 von den rechnerisch ermittelten κ-Werten für K 0,4λ ≥

min max min max min max min max

S 235

Maximum -3,70 0,11 -3,37 0,29 -3,73 1,25 -5,21 1,88Minimum -3,21 0,65 -3,33 0,36 -1,46 1,55 -5,15 2,08Maximum -3,38 0,15 -3,09 0,44 -3,35 1,51 -4,91 2,11Minimum -2,81 0,71 -2,95 0,75 -1,18 2,00 -4,65 2,35Maximum -4,72 0,33 -4,26 0,69 -4,98 0,14 -6,51 1,31Minimum -4,52 1,04 -4,15 0,73 -2,73 0,78 -6,45 1,38Maximum -5,51 0,56 -5,00 0,56 -5,97 -0,51 -7,49 0,94Minimum -5,28 1,15 -5,00 0,58 -3,79 0,42 -7,41 1,00

S 355

Maximum -0,98 1,04 -4,76 0,01 -3,62 -0,15 -5,06 1,45Minimum -0,48 1,87 -4,72 0,01 -1,42 0,86 -5,00 1,46

1) aus den Berechnungen mit unterschiedlichen Profilen

KSL b KSL c

KSL a0 KSL a KSL ab KSL b

KSL a KSL ab

starke Achseh/b > 1,2 h/b ≤ 1,2

Eulerfall 2

Eulerfall 1

Eulerfall 2

Eulerfall 3

Eulerfall 4

schwache Achseh/b > 1,2 h/b ≤ 1,2

Bezugs-wert 1)

∆ κKSL - κFZT [% κFZT]

Page 132: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

6 Geometrische Ersatzimperfektionen für Biegeknicken

6.1 Vorbemerkungen

Der Zweck geometrischer Ersatzimperfektionen sowie Grundsätze zu deren Fest-legung wurden bereits in Abschnitt 3.3 erläutert. In diesem Kapitel sollen anhand von numerischen Untersuchungen und analytischen Lösungen Regeln zum Ansatz geometrischer Ersatzimperfektionen beim Biegeknicken mit reiner Drucknormalkraft gefunden und bisherige Annahmen überprüft werden. Dazu wird das Nachweis-verfahren Elastisch-Plastisch zu Grunde gelegt. Auf Regeln für das Verfahren Elastisch-Elastisch wird aus den in Abschnitt 3.3.2 erläuterten Gründen verzichtet.

6.2 Analytische Lösung für Eulerfall 2

6.2.1 Herleitung der Bestimmungsgleichungen

An dieser Stelle soll für den in Bild 6.1 dargestellten Eulerstab eine analytische Lösung abgeleitet werden, um die erforderliche Größe der geometrischen Ersatzimperfektionen bestimmen zu können.

Bild 6.1 Eulerstab mit geometrischer Ersatzimperfektion

Dabei wird von einer Vorkrümmung in Form einer Sinushalbwelle ausgegangen, so dass sich das maximale Biegemoment nach Theorie II. Ordnung wie in Gl. (2.1) ergibt. Durch Einsetzen der Beziehungen

K a0

iLfj j

λ ⋅λ ⋅= = (6.1)

und pl

Ki 2K

NN =

λ (6.2)

entsteht daraus die Formulierung

II K a2

Kpl

i 1M N Nj 1 N

λ ⋅ λ ⋅= ⋅ ⋅

− ⋅ λ (6.3)

Page 133: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

6.2 Analytische Lösung für Eulerfall 2 125

Für dieses Moment und die zugehörige Normalkraft soll der Faktor j gerade so ermittelt werden, dass sich bei Anwendung des Nachweisverfahrens E-P eine festgelegte Grenznormalkraft Nu einstellt. Die hierzu erforderlichen Bedingungen zum Nachweis der plastischen Querschnittstragfähigkeit und zur Beschreibung des Querschnitts werden im Folgenden zusammengestellt.

Querschnitt

Wie in Kapitel 5 wird auch hier der Querschnitt als 3-Blechquerschnitt idealisiert, s. Bild 5.1. Mit der Definition des Faktors δ nach Gl. (5.2) ergeben sich die Trägheitsradien des Querschnitts zu

( )2

y gy

I ai 3 2

A 12= = − δ ⋅ (6.4)

und

( )2

zz

I bi 1A 12

= = − δ ⋅ (6.5)

Querschnittstragfähigkeit

Zum Nachweis der plastischen Querschnittstragfähigkeit werden die Bedingungen des Teilschnittgrößenverfahrens verwendet, s. z. B. [46], Tabelle 10.5. Durch Verwendung der Abkürzungen

pl,s plN N= δ ⋅ und ( )pl,g pl

1N N

2− δ

= ⋅ (6.6)

für die plastischen Grenznormalkräfte des Steges und der Gurte lassen sich die Nachweisbedingungen für die starke und schwache Achse wie in Tabelle 6.1 formulieren.

Tabelle 6.1 Bedingungen zum Nachweis der plastischen Querschnittstragfähigkeit

Interaktion N / Npl < δ N / Npl ≥ δ

N - My ≤ − δ − ⋅ ⋅ δ

2g

y plpl

a1 NM 2 NN 4

( )≤ − ⋅ gy pl

aM N N

4

N - Mz ( )≤ − δ ⋅ ⋅z plbM 1 N4

( ) − δ ≤ − ⋅ − δ ⋅ ⋅ − δ

2pl

z plN N bM 1 1 N

1 4

Page 134: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

6 Geometrische Ersatzimperfektionen für Biegeknicken 126

Mit Hilfe dieser Nachweisbedingungen können die j-Werte der geometrischen Ersatzimperfektionen so bestimmt werden, dass sich als Grenzlast der vorgegebene Wert Nu = κ⋅Npl ergibt. Nach Einsetzen dieser Grenzlast und der Gln. (6.3) bis (6.5) in die Bedingungen der Tabelle 6.1 sowie kurzer Zwischenrechnung erhält man die in Tabelle 6.2 angegebenen Lösungen für j. Die Formulierungen berücksichtigen keinerlei Beschränkung der plastischen Grenzbiegemomente. Soll für die schwache Achse als Grenzmoment Mpl,red = 1,25 Mel verwendet werden, so sind die j-Werte nach Tabelle 6.2 mit dem Faktor 1,5/1,25 = 1,2 zu multiplizieren, damit sich die gleichen Grenzlasten ergeben.

Tabelle 6.2 Bestimmung des Faktors j der Vorkrümmung f0 = L/ j für das Verfahren E-P

κ < δ κ ≥ δ

starke Achse

− δ= ⋅ α

κ− δ − δ2

84 3j2

− δ= ⋅ α

− κ

21 3j1

schwache Achse = ⋅ α

− δ

43j

1

( )( ) ( )

− δ= ⋅ ⋅ α

− δ − δ − κ − δ

2

2 2

4 13j1 1

mit κ ⋅ λα = ⋅ λ

− κ ⋅ λK

a2K1

; λ = πay

Ef

Page 135: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

6.2 Analytische Lösung für Eulerfall 2 127

6.2.2 Auswertung

Die Herleitungen in Abschnitt 6.2.1 zeigen, dass die Größe der geometrischen Ersatzimperfektionen außer von der vorgegebenen Grenzlast Nu auch noch abhängig ist von der bezogenen Schlankheit Kλ , dem Stegflächenanteil δ sowie der Bezugs-schlankheit λa. Letztere zeigt die Abhängigkeit von der Stahlgüte auf, die in Abschnitt 6.4 für S 355 ausgewertet wird. Dass der Stegflächenanteil eine Rolle spielt, war bereits bei der Ermittlung der κ-Werte deutlich geworden, s. a. Abschnitt 5.3.1. Bild 6.2 zeigt für die 4 untersuchten Walzprofilreihen die Stegflächenanteile in Abhängigkeit von h/b, wobei die δ-Werte für den idealisierten 3-Blechquerschnitt ermittelt wurden.

0,200

0,250

0,300

0,350

0,400

0,450

0,500

0,8 1,2 1,6 2,0 2,4 2,8 3,2 3,6h/b

Steg

fläch

enan

teil

δ

IPEHEAHEBHEM

Bild 6.2 Stegflächenanteil δ in Abhängigkeit von den Abmessungen h/b für

verschiedene Walzprofilreihen (Werte für 3-Blechquerschnitte)

Für die weitere Auswertung ist von Bedeutung, in welchem Bereich die δ-Werte jeweils für h/b ≤ 1,2 und h/b > 1,2 liegen, weil für diese Fälle unterschiedliche Grenzlasten gelten. In Tabelle 6.3 sind die Grenzwerte von δ zusammengestellt und die Werte angegeben, die der weiteren Auswertung zu Grunde gelegt werden sollen. Um diese Auswahl sinnvoll zu treffen, wurden die δ-Werte aller gängigen Walzprofilreihen berücksichtigt.

Tabelle 6.3 Grenzwerte von δ und Auswahl für die weitere Auswertung

h/b >1,2 h/b ≤ 1,2 h/b >1,2 h/b ≤ 1,2 h/b >1,2 h/b ≤ 1,2min δ 0,223 0,207 0,221 0,207 0,220 0,200max δ 0,460 0,241 0,547 0,290 0,550 0,290

Auswahl für dieAuswertungIPE, HEA, HEB, HEM alle Reihen

Page 136: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

6 Geometrische Ersatzimperfektionen für Biegeknicken 128

Als Grenzlasten, mit denen die geometrischen Ersatzimperfektionen bestimmt werden sollen, werden konsequenterweise die rechnerisch ermittelten Werte nach Abschnitt 5.3.2 verwendet (Minimalwerte der Tabelle 5.4 und Tabelle 5.5) und nicht die Werte der Europäischen Knickspannungslinien. Das ist besonders für das Biegeknicken um die starke Achse mit h/b ≤ 1,2 von Bedeutung, weil hier die rechnerischen Werte deutlich über denen der Knickspannungslinie liegen. Durch Auswertung der Bestimmungsgleichungen in Tabelle 6.2 erhält man die j-Werte, die bei den geometrischen Ersatzimperfektionen mit dem Stich f0 = L/j anzusetzen sind, damit sich nach dem Verfahren E-P exakt die vorgegebenen Grenzlasten ergeben, s. Tabelle 6.4.

Tabelle 6.4 Ermittlung des Faktors j für das Nachweisverfahren E-P und die rechnerisch nach Fließzonentheorie ermittelten κ-Werte (Eulerfall 2, S 235)

δ=0,22 δ=0,55 δ=0,2 δ=0,29 δ=0,22 δ=0,55 δ=0,2 δ=0,29 δ=0,22 δ=0,55 δ=0,2 δ=0,290,2 875 754 833 804 535 410 402 380 445 342 335 3170,4 710 612 624 602 326 258 233 222 272 215 194 1850,6 603 520 484 467 257 215 185 178 214 179 154 1480,8 570 491 427 412 252 230 185 181 210 191 154 1511,0 569 490 423 408 264 273 204 202 220 227 170 1691,2 573 494 434 418 292 343 231 233 243 286 192 1941,4 577 509 447 432 325 409 260 268 271 341 217 2231,6 579 531 463 446 354 460 288 301 295 383 240 2511,8 584 555 472 456 383 504 314 332 320 420 262 2772,0 585 574 474 462 403 530 335 355 336 442 279 2962,4 586 598 485 483 432 568 368 390 360 474 307 3252,8 604 626 496 498 457 602 385 409 381 502 321 3413,2 604 631 500 505 463 609 395 419 386 508 329 349min 569 490 423 408 252 215 185 178 210 179 154 148DIN - -300 250 250 200

λk

starke Achse

h/b > 1,2 h/b ≤ 1,2

schwache Achse

h/b > 1,2 h/b ≤ 1,2mit Mpl,red

h/b ≤ 1,2h/b > 1,2mit Mpl

Vergleicht man die Minimalwerte (= maximale Vorkrümmung) mit den Vorgaben der gültigen DIN 18800-2 [14], so ergeben sich für die starke und schwache Achse unterschiedliche Schlussfolgerungen für die Größe der geometrischen Ersatz-imperfektionen. Die Vorgaben für die starke Achse sind deutlich zu groß, während sie für die schwache Achse eher zu gering sind. Außerdem ist zu erkennen, dass die Annahme des gleichen Wertes für das Biegeknicken starke Achse mit h/b ≤ 1,2 und das Biegeknicken schwache Achse mit h/b > 1,2 wie bei den Knickspannungslinien nicht sinnvoll ist. Das verdeutlicht auch die grafische Darstellung in Bild 6.3. Daraus ist zu erkennen, dass der Verlauf in Abhängigkeit von Kλ grundsätzlich verschieden ist für die starke und schwache Achse. Nach Erreichen des Minimums bei K 0,8λ ≈ bleibt j für die starke Achse fast konstant. Für die schwache Achse stellt sich das Minimum etwa bei K 0,6λ = ein, wobei danach wieder eine starke Zunahme erfolgt.

Page 137: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

6.2 Analytische Lösung für Eulerfall 2 129

0

200

400

600

800

1000

0,0 0,4 0,8 1,2 1,6 2,0 2,4 2,8 3,2λK

j y h/b >1,2 δ=0,22

y h/b ≤ 1,2 δ=0,2

y h/b >1,2 δ=0,55

y h/b ≤ 1,2 δ=0,29

z h/b >1,2 δ=0,22z h/b >1,2 δ=0,55

z h/b ≤ 1,2 δ=0,29 z h/b ≤ 1,2 δ=0,2

Bild 6.3 Faktor j in Abhängigkeit von Kλ und δ für Biegeknicken starke (y) und

schwache Achse (z, mit Mpl,red)

Aus Bild 6.3 ist außerdem zu erkennen, dass sich die Variationen des δ-Faktors für den Fall „Biegeknicken schwache Achse und h/b > 1,2“ besonders stark auswirkt. Dadurch, dass sich die Kurven für δ=0,22 und δ=0,55 schneiden, ist es schwierig, eine von δ abhängige Formulierung für j zu finden.

Um überhaupt zu einer sinnvollen Festlegung für j kommen zu können, sind die bisherigen Auswertungen noch nicht ausreichend. Man kennt zwar die Werte von j, mit denen sich exakt die vorgegebenen Grenzlasten ergeben, aber wie groß die Unterschiede in der Grenzlast sind, wenn von diesem Werten abgewichen wird, ist auf Grund der nichtlinearen Zusammenhänge in Gl. (6.3) und Tabelle 6.1 unklar. Um in diesem Punkt weitere Erkenntnisse zu gewinnen, werden die j-Werte mit den Bedingungen aus Tabelle 6.2 nicht nur für die genauen Grenzlasten ermittelt, sondern zusätzlich auch für 3 weitere Grenzlastniveaus bestimmt (+3 %, -3 % und -10 %). Bild 6.4 zeigt die entsprechende Auswertung für die starke Achse. Um die Interpretation zu vereinfachen werden nur die jeweiligen Minimalwerte von j dargestellt (j = min j(δ)) und nicht je 2 Kurven für beide δ-Werte. Für den jeweils anderen Grenzwert von δ ergeben sich also immer größere j-Werte (= kleinere Vorkrümmungen). Mit dieser Auswertung wird ersichtlich, dass die nach DIN 18800 [14] vorgegebenen Werte (gestrichelte Linie) zu Grenzlasten führen, die zwischen 3 und etwa 12 % unterhalb der wirklichen Grenzlasten liegen, also deutlich auf der sicheren Seite. Aus diesem Grund sind in Bild 6.4 a) und b) auch Vorschläge zur Anhebung des konstanten j-Wertes eingetragen. Eine zusätzliche Anpassung an den ansteigenden Verlauf der Kurve für κ erscheint überflüssig, weil die Auswirkungen auf die Grenzlast im hohen Schlankheitsbereich gering sind.

Page 138: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

6 Geometrische Ersatzimperfektionen für Biegeknicken 130

0

200

400

600

800

1000

0,0 0,8 1,6 2,4 3,2λK

j

300

0,9 κ

500

0,97 κ

1,00 κ

1,03 κ

0

200

400

600

800

1000

0,0 0,8 1,6 2,4 3,2λK

j

2500,9 κ

4000,97 κ

1,00 κ

1,03 κ

a) h/b > 1,2 b) h/b ≤ 1,2

Bild 6.4 Faktor j in Abhängigkeit von Kλ und unterschiedlichen Grenzlastniveaus für Biegeknicken starke Achse (j = min j(δ))

Das ist bei der schwachen Achse anders, wie die Auswertung in Bild 6.5 zeigt. Hier steigt zum einen der Wert für j im hohen Schlankheitsbereich wesentlich stärker an (vgl. a. Bild 6.3) und zum anderen sind die resultierenden Grenzlastunterschiede größer.

0

100

200

300

400

500

0,0 0,8 1,6 2,4 3,2λK

j

0,9 κ

250

0,97 κ

1,00 κ

1,03 κ jmod

0

100

200

300

400

500

0,0 0,8 1,6 2,4 3,2λK

j

0,9 κ200

0,97 κ

1,00 κ

1,03 κ

jmod

a) h/b > 1,2 b) h/b ≤ 1,2

Bild 6.5 Faktor j in Abhängigkeit von Kλ und unterschiedlichen Grenzlastniveaus für Biegeknicken schwache Achse mit Mpl,red (j = min j(δ))

Page 139: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

6.2 Analytische Lösung für Eulerfall 2 131

Der konstante Wert für j führt dann bei K 2λ = zu Grenzlasten, die über 10 % auf der sicheren Seite liegen, während im unteren Bereich Überschreitungen bis zu etwa 3 % auf der unsicheren Seite auftreten, wenn die Vorgaben der Norm [14] verwendet werden (s. a. Tabelle 6.4). Zur Reduzierung der Abweichungen im oberen Schlankheitsbereich bietet sich eine bilineare Formulierung zur Festlegung des j-Wertes an. Diese Alternative mit einem Anstieg ab K 0,8λ = ist ebenfalls in Bild 6.5 eingetragen (zur Definition von jmod s. Tabelle 6.5).

Für die in Bild 6.5 dargestellte Auswertung wurde eine Beschränkung des plastischen Grenzmomentes auf Mpl,red = 1,25 Mel berücksichtigt, so wie es nach DIN 18800-2 vorgeschrieben ist. Soll auf diese Beschränkung verzichtet werden, ist das möglich, wenn größere geometrische Ersatzimperfektionen angesetzt werden. Die Auswertung in Bild 6.6 zeigt, dass die Grenzlasten sonst teilweise deutlich auf der unsicheren Seite liegen. Vorgeschlagen wird daher eine Reduktion des konstanten j-Wertes um jeweils 50, damit das volle Mpl als Grenzmoment verwendet werden kann. Zusätzlich ist auch wieder eine bessere Anpassung an die Kurven durch einen bilinearen Verlauf möglich, s. Bild 6.6.

0

100

200

300

400

500

0,0 0,8 1,6 2,4 3,2λK

j

2000,9 κ

2500,97 κ

1,00 κ

1,03 κ

jmod

0

100

200

300

400

500

0,0 0,8 1,6 2,4 3,2λK

j

150 0,9 κ200

0,97 κ

1,00 κ

1,03 κ

jmod

a) h/b > 1,2 b) h/b ≤ 1,2

Bild 6.6 Faktor j in Abhängigkeit von Kλ und unterschiedlichen Grenzlastniveaus für Biegeknicken schwache Achse mit Mpl (j = min j(δ))

In Tabelle 6.5 sind die Werte für j zusammengestellt, die nach den Auswertungen zum Eulerfall 2 und Stahl S 235 für den Biegeknicknachweis nach direkter Theorie II. Ordnung mit Ansatz geometrischer Ersatzimperfektionen (Verfahren E-P) empfohlen werden. Um zu einer abschließenden Beurteilung zu kommen, werden mit diesen Werten die Grenzlasten nach dem Verfahren E-P ermittelt und mit den Grenzlasten nach Fließzonentheorie II. Ordnung verglichen.

Page 140: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

6 Geometrische Ersatzimperfektionen für Biegeknicken 132

Tabelle 6.5 Empfehlungen zur Größe geometrischer Ersatzimperfektionen beim Biegeknicken (Vorkrümmung mit dem Stich f0 = L / j)

j

h/b > 1,2 h/b ≤ 1,2 starke Achse 500 400

schwache Achse mit Mpl,red 250 200

schwache Achse mit Mpl 200 150

Verbesserungsmöglichkeit für die schwache Achse und K 0,8λ > :

KK

mod

K

j 200 für 0,8 3,2j 2,4

j 200 für 3,2

λ+ ⋅ < λ <=

+ λ ≥

Tabelle 6.6 enthält die vollständige Auswertung für die starke Achse, wobei die Grenzlasten in bezogener Form, also als κ-Werte angegeben sind. Als Ergebnis zeigt sich, dass die Abweichungen bezogen auf die Fließzonenberechnungen zwischen 3,26 % auf der sicheren Seite und 0,39 % auf der unsicheren Seite liegen. Damit ergeben sich nahezu identische Abweichungen wie bei den Knickspannungslinien, s. Tabelle 5.12.

Tabelle 6.6 Bezogene Grenzlasten Verfahren E-P und Vergleich mit den Werten nach Fließzonentheorie II. Ordnung, starke Achse, j nach Tabelle 6.5

κFZT κFZT

δ=0,22 δ=0,55 δ=0,22 δ=0,55 δ=0,2 δ=0,29 δ=0,2 δ=0,290,2 0,966 0,970 0,980 -1,48 -1,00 0,957 0,958 0,979 -2,24 -2,090,4 0,925 0,935 0,946 -2,19 -1,18 0,908 0,911 0,939 -3,26 -2,950,6 0,870 0,885 0,888 -2,12 -0,41 0,843 0,847 0,865 -2,57 -2,060,8 0,784 0,804 0,802 -2,21 0,30 0,750 0,756 0,760 -1,28 -0,581,0 0,663 0,682 0,680 -2,50 0,39 0,631 0,636 0,639 -1,23 -0,441,2 0,532 0,546 0,545 -2,40 0,20 0,508 0,512 0,517 -1,66 -0,911,4 0,421 0,429 0,430 -2,09 -0,25 0,405 0,408 0,413 -1,92 -1,291,6 0,336 0,340 0,342 -1,79 -0,71 0,325 0,327 0,332 -2,11 -1,561,8 0,273 0,274 0,277 -1,61 -1,08 0,265 0,266 0,271 -2,08 -1,632,0 0,225 0,225 0,228 -1,41 -1,24 0,220 0,220 0,224 -1,85 -1,572,4 0,160 0,160 0,162 -1,15 -1,31 0,157 0,157 0,159 -1,68 -1,642,8 0,119 0,119 0,120 -1,15 -1,39 0,117 0,117 0,119 -1,58 -1,613,2 0,092 0,092 0,093 -1,00 -1,26 0,091 0,091 0,092 -1,43 -1,49

min -2,50 -1,39 -3,26 -2,95max -1,00 0,39 -1,23 -0,44

h/b ≤ 1,2

κE-P

h/b > 1,2∆ κE-P-κFZT

[% κFZT]κE-P

∆ κE-P-κFZT

[% κFZT]λk

Page 141: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

6.2 Analytische Lösung für Eulerfall 2 133

Für die schwache Achse werden in Tabelle 6.7 (j) und Tabelle 6.8 (jmod) nur noch die Abweichungen der bezogenen Grenzlasten angegeben und zwar jeweils für Mpl,red und Mpl. Zur unsicheren Seite ergibt sich ein Maximalwert von 3,42 %, was für den begrenzten Schlankheitsbereich, in dem die unsicheren Abweichungen auftreten, noch tolerabel ist. Auf der sicheren Seite ergeben sich wesentlich größere Unterschiede. Sie betragen bis zu 16,1 %, wenn mit den festen j-Werten nach Tabelle 6.5 gerechnet wird. Abweichungen bis etwa 12 % waren nach den Auswertungen in Bild 6.5 und Bild 6.6 zu erwarten. Die weitere Steigerung ergibt sich durch den Einfluss des δ-Faktors, s. a. Bild 6.3. Mit Verwendung des modifizierten j-Wertes jmod lässt sich die Differenz zu den Grenzlasten nach Fließzonentheorie auf maximal 7,27 % reduzieren, wie Tabelle 6.8 zeigt. In den meisten Fällen sind die Unterschiede noch wesentlicher geringer. Tabelle 6.7 Vergleich der bezogenen Grenzlasten Verfahren E-P mit den Werten nach

Fließzonentheorie II. Ordnung, schwache Achse, j nach Tabelle 6.5

δ=0,22 δ=0,55 δ=0,2 δ=0,29 δ=0,22 δ=0,55 δ=0,2 δ=0,290,2 -2,51 -1,45 -2,99 -2,68 -2,70 -1,60 -3,64 -3,300,4 -2,47 -0,27 -1,91 -1,27 -2,90 -0,64 -3,36 -2,680,6 -0,49 2,83 1,83 2,77 -1,25 2,10 -0,68 0,270,8 -0,18 2,62 2,55 3,42 -1,29 1,37 -0,90 -0,101,0 -1,60 -3,44 -0,62 -0,39 -2,86 -5,12 -4,37 -4,261,2 -4,42 -10,59 -4,66 -5,21 -5,63 -12,02 -8,22 -8,911,4 -6,61 -13,74 -7,65 -8,78 -7,71 -15,00 -10,91 -12,181,6 -7,78 -14,79 -9,38 -10,89 -8,79 -15,93 -12,36 -13,971,8 -8,50 -15,05 -10,34 -11,88 -9,42 -16,10 -13,09 -14,702,0 -8,58 -14,66 -10,65 -12,08 -9,43 -15,63 -13,21 -14,702,4 -8,22 -13,58 -10,54 -11,78 -8,96 -14,44 -12,77 -14,082,8 -7,82 -12,59 -9,82 -10,94 -8,48 -13,37 -11,82 -13,023,2 -7,10 -11,42 -9,06 -10,07 -7,69 -12,13 -10,88 -11,96

min -8,58 -15,05 -10,65 -12,08 -9,43 -16,10 -13,21 -14,70max -0,18 2,83 2,55 3,42 -1,25 2,10 -0,68 0,27

λk

∆ κE-P - κFZT [% κFZT]mit Mpl,red

h/b > 1,2 h/b ≤ 1,2 h/b > 1,2 h/b ≤ 1,2

mit Mpl

Page 142: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

6 Geometrische Ersatzimperfektionen für Biegeknicken 134

Tabelle 6.8 Vergleich der bezogenen Grenzlasten Verfahren E-P mit den Werten nach Fließzonentheorie II. Ordnung, schwache Achse, jmod (!) nach Tabelle 6.5

δ=0,22 δ=0,55 δ=0,2 δ=0,29 δ=0,22 δ=0,55 δ=0,2 δ=0,290,2 -2,51 -1,45 -2,99 -2,68 -2,70 -1,60 -3,64 -3,300,4 -2,47 -0,27 -1,91 -1,27 -2,90 -0,64 -3,36 -2,680,6 -0,49 2,83 1,83 2,77 -1,25 2,10 -0,68 0,270,8 -0,18 2,62 2,55 3,42 -1,29 1,37 -0,90 -0,101,0 0,82 -0,29 2,83 3,16 0,17 -1,13 0,25 0,501,2 -0,01 -5,31 1,50 1,15 -0,17 -5,50 -0,08 -0,481,4 -0,92 -7,17 0,25 -0,58 -0,73 -6,94 -0,55 -1,411,6 -1,26 -7,27 -0,39 -1,53 -0,84 -6,79 -0,68 -1,821,8 -1,43 -6,86 -0,66 -1,86 -0,88 -6,22 -0,61 -1,812,0 -1,14 -5,96 -0,53 -1,63 -0,52 -5,22 -0,25 -1,342,4 -0,44 -4,30 -0,06 -0,90 0,24 -3,48 0,44 -0,382,8 0,02 -3,12 0,69 -0,01 0,68 -2,29 1,26 0,593,2 0,66 -1,93 1,27 0,71 1,29 -1,15 1,85 1,32

min -2,51 -7,27 -2,99 -2,68 -2,90 -6,94 -3,64 -3,30max 0,82 2,83 2,83 3,42 1,29 2,10 1,85 1,32

λk

∆ κE-P - κFZT [% κFZT]mit Mpl,red mit Mpl

h/b > 1,2 h/b ≤ 1,2 h/b > 1,2 h/b ≤ 1,2

6.3 Numerische Auswertung für die anderen Eulerfälle

6.3.1 Eulerfälle 3 und 4

Die Untersuchungen in Abschnitt 5.4.1 haben gezeigt, dass sich nach der Fließzonentheorie II. Ordnung für die Eulerfälle 3 und 4 etwas größere Grenzlasten als für Eulerfall 2 ergeben, s. Bild 5.10. Vor diesem Hintergrund ist zu überprüfen, welche geometrischen Ersatzimperfektionen bei Anwendung des Verfahrens E-P zu berücksichtigen sind, damit sich sichere Grenzlasten ergeben. An dieser Stelle wird aber davon abgesehen, die j-Werte anzugeben, die erforderlich sind, damit sich genau die nach der Fließzonentheorie ermittelten Grenzlasten auch bei Anwendung des Verfahrens E-P einstellen. Diese Werte wurden numerisch mit dem Programm KSTAB-FZ [128] ermittelt und sind in [130] enthalten. Die prinzipiellen Verläufe in Abhängigkeit von Kλ und δ sind ähnlich wie die in Bild 6.3, aber die Werte sind etwas größer, also günstiger. Wichtiger als die Kenntnis der j-Werte für die genauen Grenzlasten ist jedoch die Kenntnis der Grenzlastunterschiede, die sich ergeben, wenn feste j-Werte vorgegeben werden. Daher sind in Tabelle 6.9 die jeweils minimalen und maximalen Abweichungen zusammengestellt, die sich bei Ansatz der in Tabelle 6.5 genannten Vorverformungen einstellen.

Page 143: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

6.3 Numerische Auswertung für die anderen Eulerfälle 135

Tabelle 6.9 Abweichungen der Grenzlasten nach dem Verfahren E-P (j nach Tabelle 6.5) von denen der Fließzonentheorie II. Ordnung für die Eulerfälle 3 und 4

Achseh/b

δ 0,22 0,55 0,2 0,29 0,22 0,55 0,2 0,29 0,22 0,55 0,2 0,29

Eulerfall 3 mit jmin -5,4 -2,8 -6,2 -5,6 -10,3 -18,2 -13,0 -14,7 -11,4 -19,5 -16,1 -17,9max -1,0 -1,2 -1,5 -1,5 -4,1 -2,1 -4,4 -3,6 -4,4 -3,0 -6,0 -5,5

Eulerfall 3 mit jmod

min - - - - -6,1 -10,6 -6,3 -5,5 -7,3 -10,3 -8,2 -7,6max - - - - 0,4 -2,1 0,6 0,0 1,0 -1,4 1,1 0,6

Eulerfall 4 mit jmin -4,8 -2,3 -5,6 -5,0 -10,2 -17,5 -12,5 -14,2 -11,1 -18,7 -15,4 -17,2max -1,2 -1,4 -1,7 -1,7 -3,6 -1,1 -2,7 -1,9 -3,9 -1,9 -5,3 -4,9

Eulerfall 4 mit jmod

min - - - - -5,2 -10,1 -5,3 -4,6 -6,1 -9,8 -7,0 -6,3max - - - - 0,0 -1,1 0,4 -0,1 0,6 -1,7 0,9 0,4

≤ 1,2

z mit Mpl

∆ κE-P - κFZT [% κFZT]y

> 1,2 ≤ 1,2

z mit Mpl,red

> 1,2 ≤ 1,2 > 1,2

Verglichen mit den Werten für Eulerfall 2 sind die Abweichungen zur sicheren Seite größer und zu unsicheren Seite kleiner, was bedeutet, dass etwas größere j-Werte angenommen werden könnten. Auf eine weitere Anpassung wird hier aber verzichtet. Bei Verwendung der modifizierten j-Werte für die schwache Achse bewegen sich die Abweichungen in demselben Rahmen wie bei den Knickspannungslinien (s. Tabelle 5.12).

Page 144: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

6 Geometrische Ersatzimperfektionen für Biegeknicken 136

6.3.2 Eulerfall 1

Nach den gültigen Normen [14] und [16] muss bei seitlich verschieblichen Systemen als geometrische Ersatzimperfektion eine Vorverdrehung des Stabes berücksichtigt werden, wie sie in Bild 4.23 dargestellt ist. Dabei ist ein Grundwert von ϕ0 = 1/200 zu verwenden. In bestimmten Fällen ist zusätzlich zur Vorverdrehung noch eine Vorkrümmung des Stabes anzusetzen. Die genannten Regelungen sollen hier nicht angewendet werden, weil sie eher für Stabwerke gedacht sind (s. a. Erläuterungen in Abschnitt 5.4.2). Stattdessen wird, wie bei den Berechnungen nach Fließzonen-theorie, die skalierte Eigenform des Systems als geometrische Ersatzimperfektion angesetzt, so wie es in Bild 6.7 gezeigt ist.

Bild 6.7 Geometrische Ersatzimperfektion für Eulerfall 1

In Bild 6.8 sind die numerisch ermittelten j-Werte, die sich für diese geometrische Ersatzimperfektion aus den nach Fließzonentheorie II. Ordnung berechneten Grenz-lasten ergeben, in Abhängigkeit von Kλ aufgetragen. Die Berechnungen wurden für die 11 ausgesuchten Profile durchgeführt (s. Abschnitt 5.2.1), so dass der Einfluss der unterschiedlichen δ-Werte wieder sehr gut zu erkennen ist für die Profile mit h/b > 1,2.

0

200

400

600

800

1000

0 0,8 1,6 2,4 3,2

j

500

400

Profile mit h/b > 1,2

Profile mit h/b ≤ 1,2

λK 0

100

200

300

400

500

0 0,8 1,6 2,4 3,2

j

200150

Profile mit h/b ≤ 1,2

λK

Profile mit h/b > 1,2

400450

a) starke Achse b) schwache Achse mit Mpl

Bild 6.8 Faktor j in Abhängigkeit von Kλ und unterschiedlichen Profilen für Eulerfall 1

Page 145: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

6.3 Numerische Auswertung für die anderen Eulerfälle 137

Aus den Darstellungen ist außerdem zu erkennen, dass sich die in Tabelle 6.5 vorgeschlagenen j-Werte wahrscheinlich auch auf den Eulerfall 1 anwenden lassen, wenn als Stich f0 = 2L/j = sK/j angesetzt wird. Zur genauen Bewertung werden wiederum die Grenzlasten mit den vorgeschlagenen j-Werten berechnet und mit den Grenzlasten nach Fließzonentheorie verglichen (s. Tabelle 5.8). Die Auswertung in Tabelle 6.10 zeigt, dass die Abweichungen im gleichen Bereich liegen wie bei Eulerfall 2. Die angenommenen Vorverformungen führen also zu guten Überein-stimmungen.

Tabelle 6.10 Abweichungen der Grenzlasten nach dem Verfahren E-P (j nach Tabelle 6.5) von denen der Fließzonentheorie II. Ordnung für Eulerfall 1

Achseh/b

δ 0,22 0,55 0,2 0,29 0,22 0,55 0,2 0,29 0,22 0,55 0,2 0,29

jmin -2,9 -1,6 -3,4 -3,0 -8,9 -15,4 -11,1 -12,5 -9,7 -16,4 -13,6 -15,1max -1,1 0,1 -1,6 -0,8 -0,6 2,6 2,3 3,2 -1,5 1,9 -1,0 -0,1

jmod

min - - - - -2,5 -7,7 -3,0 -2,7 -3,0 -7,5 -3,7 -3,3max - - - - 0,4 2,6 2,3 3,2 1,0 1,9 1,5 0,9

≤ 1,2

z mit Mpl

∆ κE-P - κFZT [% κFZT]y

> 1,2 ≤ 1,2

z mit Mpl,red

> 1,2 ≤ 1,2 > 1,2

Statt der skalierten Eigenform kann auch eine Kombination aus Vorverdrehung und Vorkrümmung angesetzt werden, wie sie in Bild 6.9 dargestellt ist. Die rechnerischen Grenzlasten liegen mit dieser Variante (Sinushalbwelle als Vorkrümmung) zwischen 0,02 % und 0,51 % unterhalb der Werte mit der skalierten Eigenform.

Bild 6.9 Alternative geometrische Ersatzimperfektion für Eulerfall 1

Page 146: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

6 Geometrische Ersatzimperfektionen für Biegeknicken 138

6.4 Stahlgüte S 355

Die erforderliche Größe geometrischer Ersatzimperfektionen ist durch die Bezugsschlankheit λa mit der Streckgrenze verknüpft (s. Tabelle 6.2), so dass vom Grundsatz her für unterschiedliche Stahlgüten auch unterschiedliche geometrische Ersatzimperfektionen zu verwenden sind. Für S 355 wären demnach Vorkrüm-mungen anzusetzen, die um den Faktor 1,225 ( = 36 24 ) größer sind als für S 235. Dies gilt allerdings unter der Voraussetzung, dass in beiden Fällen von den gleichen erreichbaren Grenzlasten ausgegangen wird. Wie die Untersuchungen in Abschnitt 5.5.1 gezeigt haben, sind diese in etwa gleich groß, wenn die Eigenspannungen mit Bezug auf die Streckgrenze von S 355 angesetzt werden (s. Bild 5.12). In Bild 6.10 sind die resultierenden Abweichungen dargestellt, die sich ergeben, wenn die geometrischen Ersatzimperfektionen nach Tabelle 6.5 angenommen und nicht vergrößert werden. Für die starke Achse sind die Unterschiede zwischen den Grenzlasten nach dem Verfahren E-P und der Fließzonentheorie noch relativ gering. Für die schwache Achse liegen die Werte des Verfahrens E-P aber bis zu 7,9 % auf der unsicheren Seite. Eine Reduktion der j-Werte nach Tabelle 6.5 um jeweils 50 für die schwache Achse würde die Abweichungen auf maximal 1,2 % zur unsicheren Seite verringern.

-10

-7,5

-5

-2,5

0

2,5

5

7,5

10

0,0 0,8 1,6 2,4 3,2

1234

λK

∆ κE-P - κFZT [% κFZT]

h/b>1,2 δ=0,22h/b>1,2 δ=0,55h/b≤1,2 δ=0,2h/b≤1,2 δ=0,29

-10

-7,5

-5

-2,5

0

2,5

5

7,5

10

0,0 0,8 1,6 2,4 3,2

1234

h/b>1,2 δ=0,22h/b>1,2 δ=0,55h/b≤1,2 δ=0,2h/b≤1,2 δ=0,29

λK

∆ κE-P - κFZT [% κFZT]

a) starke Achse b) schwache Achse mit Mpl,red

Bild 6.10 Abweichungen der Grenzlasten nach dem Verfahren E-P mit j nach Tabelle 6.5 von denen der Fließzonentheorie II. Ordnung ( σ = σ ⋅E E y,S355f )

Page 147: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

6.4 Stahlgüte S 355 139

Es ist weiterhin von Interesse, welche Unterschiede sich ergeben, wenn die Grenzlasten der Fließzonenberechnungen mit Eigenspannungen bezogen auf die Streckgrenze von S 235 als Vergleichsmaßstab zu Grunde gelegt werden. Bild 5.13 zeigt, dass die Grenzlasten dann wesentlich größer sind als die von S 235. Daher werden die Abweichungen auch mit Bezug auf diese Grenzlasten berechnet und in Bild 6.11 dargestellt. Für die starke Achse liegen die Grenzlasten nach dem Verfahren E-P jetzt durchweg auf der sicheren Seite und für die schwache Achse maximal 1,44 % auf der unsicheren Seite. Die Abweichungen zur sicheren Seite liegen in dem Bereich, wie es bei S 235 der Fall ist, s. Tabelle 6.7 und Tabelle 6.8.

-7,5

-5

-2,5

0

2,5

0,0 0,8 1,6 2,4 3,2 λK

∆ κE-P - κFZT [% κFZT]

Mit j bzw. jmod nach Tabelle 6.5

j jmod

1

2

34

h/b>1,2 δ =0,22h/b>1,2 δ =0,55h/b ≤ 1,2 δ =0,2h/b ≤ 1,2 δ =0,29

1

2

34

a) starke Achse

-17,5

-15

-12,5

-10

-7,5

-5

-2,5

0

2,5

0,0 0,8 1,6 2,4 3,2 λK

∆ κE-P - κFZT [% κFZT]

-17,5

-15

-12,5

-10

-7,5

-5

-2,5

0

2,5

0,0 0,8 1,6 2,4 3,2 λK

∆ κE-P - κFZT [% κFZT]

b) schwache Achse mit Mpl,red c) schwache Achse mit Mpl

Bild 6.11 Abweichungen der Grenzlasten nach dem Verfahren E-P von denen der Fließzonentheorie II. Ordnung ( σ = σ ⋅E E y,S235f (!))

Page 148: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

6 Geometrische Ersatzimperfektionen für Biegeknicken 140

Zum Abschluss werden die wichtigsten Erkenntnisse noch einmal zusammengefasst:

• Wenn für S 355 die selben κ-Werte wie für S 235 zugrunde gelegt werden, sind für S 355 größere Vorverformungen anzusetzen als für S 235 (Faktor y,S 355 y,S 2351,225 f f= , s. Tabelle 6.2).

• Die Fließzonenberechnungen haben für S 355 wesentlich größere Grenzlasten als für S 235 ergeben, wenn die Eigenspannungen mit Bezug auf die Streckgrenze von S 235 nach Tabelle 4.3 angesetzt werden. Werden diese höheren Grenzlasten zugrunde gelegt, können für S 355 die gleichen Vorverformungen wie für S 235 verwendet werden.

6.5 Festlegung der geometrischen Ersatzimperfektionen

Die Untersuchungen in den vorhergehenden Abschnitten haben gezeigt, dass die Regelungen nach DIN 18800-2 [14] für geometrische Ersatzimperfektionen beim Biegeknicken mit reiner Drucknormalkraft in den meisten Fällen zu konservativen Grenzlasten führen, die zum Teil weit auf der sicheren Seite liegen. Aus diesem Grund wurden anhand von zahlreichen Auswertungen teils neue und teilweise modifizierte Werte und Regeln zum Ansatz der geometrischen Ersatzimperfektionen entwickelt, die zu wirtschaftlicheren Ergebnissen führen, s. Tabelle 6.11. Für das Biegeknicken um die starke Achse konnten die j-Werte deutlich erhöht werden. Für die schwache Achse wurden die Vorgaben beibehalten, weil damit die Überschreitungen zur unsicheren Seite bereits an der Toleranzgrenze liegen (maximale Überschreitung 3,42 % mit Mpl,red). Zur besseren Anpassung im hohen Schlankheitsbereich besteht die Möglichkeit, den j-Wert zu modifizieren und dadurch die Abweichungen gegenüber den Fließzonenberechnungen deutlich zu reduzieren. Neben den Regelungen, die für die schwache Achse eine Begrenzung des plastischen Grenzmomentes erfordern (Mpl,red ≤ 1,25 Mel), wurden auch Werte ergänzt, die das vollplastische Moment Mpl als Grenzmoment zugrunde legen. Die j-Werte sind dabei jeweils um 50 geringer als mit Mpl,red. DIN EN 1993-1-1 [16] schreibt keine Beschränkung des Grenzmomentes vor und enthält trotzdem die größeren j-Werte, die in DIN 18800-2 [14] für Berechnungen mit Mpl,red angegeben werden. Die Untersuchungen in Abschnitt 6.2.2 haben aber gezeigt, dass die erreichbaren Grenzlasten mit dieser Regel bis zu 10 % auf der unsicheren Seite liegen.

Die Regelungen der Tabelle 6.11 gelten sowohl für S 235 als auch für S 355. Letzteres allerdings unter dem Vorbehalt, dass die für die Fließzonenberechnungen angenommenen Eigenspannungszustände noch weiter abgesichert werden, s. Abschnitt 5.5.1 und Abschnitt 4.5.2.

Page 149: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

6.5 Festlegung der geometrischen Ersatzimperfektionen 141

Tabelle 6.11 Zum Ansatz geometrischer Ersatzimperfektionen für den Biegeknicknach-weis gewalzter I-Profile nach dem Ersatzimperfektionsverfahren (E-P)

j

h/b > 1,2 h/b ≤ 1,2

starke Achse 500 400

schwache Achse mit Mpl,red 250 200

schwache Achse mit Mpl 200 150

Verbesserungsmöglichkeit für die schwache Achse und K 0,8λ > :

KK

mod

K

j 200 für 0,8 3,2j 2,4

j 200 für 3,2

λ+ ⋅ < λ <=

+ λ ≥

Eulerfall 1 Eulerfälle 2 bis 4

Page 150: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

7 Zusammenfassung

Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Ermittlung der Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl unter Berücksichtigung des nichtlinearen Tragverhaltens und von Stabilitätseinflüssen. Darüber hinaus werden Nachweisverfahren und -methoden hinsichtlich ihrer Eignung zur Erfassung des Tragverhaltens und der sicheren Ermittlung der Tragfähigkeit untersucht. Für das Biegeknicken gewalzter I-Profile unter planmäßiger Druckbeanspruchung werden genaue Grenztragfähigkeiten für unterschiedliche Stahlgüten ermittelt und davon ausgehend geometrische Ersatzimperfektionen abgeleitet sowie Abminderungsfaktoren κ festgelegt.

Das geometrisch und physikalisch nichtlineare Tragverhalten von Stäben aus Baustahl wird in Kapitel 2 anhand theoretischer und experimenteller Untersuchungen eingehend analysiert. Es wird gezeigt, dass das Eigenwertversagen des teil-plastizierten Systems in vielen Fällen die Versagensursache darstellt, wenn der Querschnitt ganz oder teilweise durch Druckspannungen beansprucht ist. Durch das nichtlineare Werkstoffverhalten von Stahl kommt es nach Überschreiten der Fließdehnungen zur Ausbreitung von Fließzonen im Stab. Die damit einhergehende Reduktion der Steifigkeit führt auch zu einer Verringerung der kritischen Last des Systems. Sinkt diese so weit ab, dass sie gleich der aufgebrachten Belastung ist, so kommt es zum instabilen Versagen des teilplastizierten Systems bevor an irgendeiner Stelle die plastische Querschnittstragfähigkeit ausgenutzt ist. Bei geringer Stabilitäts-gefahr wird dagegen das Querschnittsversagen als maßgeblicher Versagenszustand erreicht. D. h. die plastische Querschnittstragfähigkeit kann zu 100 % ausgenutzt werden und statisch bestimmte Systeme werden aufgrund dessen kinematisch.

Die Untersuchungen in Kapitel 2 beschränken sich nicht nur auf die Stabilitätsfälle Biegeknicken und Biegedrillknicken sondern behandeln auch Stäbe mit planmäßiger Torsionsbeanspruchung. Bei Stäben mit offenen Querschnitten ergibt sich in der Regel die Besonderheit, dass sie hinsichtlich der Torsionsbeanspruchung statisch unbestimmt sind, auch wenn es sich ansonsten um statisch bestimmte Systeme handelt, denn die Abtragung der Torsionsbeanspruchung erfolgt gemischt durch die Wölbkrafttorsion und die St. Venantsche Torsion. Daraus ergeben sich zum Teil deutliche Tragreserven, weil von der Wölbkrafttorsion in die St. Venantsche Torsion umgelagert werden kann, sobald sich die Steifigkeiten durch die Ausbreitung von Fließzonen entsprechend verändert haben. Bei kombinierten Beanspruchungen aus Biegung und Torsion kann das Eigenwertversagen diese Umlagerung verhindern.

Die sichere und möglichst genaue Ermittlung der Grenztragfähigkeit von Stäben unter Berücksichtigung der nichtlinearen Tragphänomene ist das Ziel von Nachweisverfahren und -methoden. Die genaueste Erfassung des Tragverhaltens und der Tragfähigkeit ermöglicht eine geometrisch und physikalisch nichtlineare Berechnung nach der Fließzonentheorie. Eine Bemessung mit dieser Methode ist dem Verfahren Plastisch-Plastisch zuzuordnen, weil das nichtlineare Materialverhalten von Stahl sowohl bei der Ermittlung der Querschnittstragfähigkeit als auch bei der Berechnung der Zustandsgrößen berücksichtigt wird. Die sichere

Page 151: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

7 Zusammenfassung 143

Anwendung der Fließzonentheorie setzt weit reichende Erfahrung voraus und ist wegen des numerischen Aufwandes nur mit Hilfe entsprechender FE-Programme möglich (z. B. [24], [25] oder [128]). Aus diesem Grund werden in Kapitel 4 die Grundlagen des Verfahrens erläutert und Hinweise zur Verwendung von FE-Programmen gegeben. Dabei wird auch auf Unterschiede eingegangen, die sich aus der unterschiedlichen Erfassung der geometrischen Nichtlinearität bei der Theorie II. Ordnung und der Theorie großer Verformungen ergeben. Dies ist vor allem für Stäbe mit planmäßiger Torsionsbeanspruchung von Bedeutung. Die Ausführungen in Kapitel 4 enthalten zudem Erläuterungen zu Imperfektionsannahmen, die für eine Bemessung erforderlich sind. Dabei hat sich gezeigt, dass der Kenntnisstand zu Walzeigenspannungen noch nicht ausreichend ist, insbesondere was Profile aus S 355 betrifft.

Von großer Bedeutung für die Bemessungspraxis sind vereinfachte Nachweis-verfahren die mit einem geringeren Aufwand als die Fließzonentheorie eine sichere und genaue Bemessung für baupraktisch relevante Anwendungsfälle ermöglichen. Sowohl die κ-Verfahren als auch das Ersatzimperfektionsverfahren mit direkter Anwendung der Theorie II. Ordnung sind solche vereinfachten Verfahren. Die κ-Verfahren spielen traditionell eine große Rolle, weil sie eine Schnittgrößenermittlung nach Theorie I. Ordnung vorsehen und dadurch besonders für eine Handrechnung geeignet sind. Die direkte Anwendung der Theorie II. Ordnung mit Ansatz geometrischer Ersatzimperfektionen und separatem Nachweis der Querschnittstragfähigkeit findet aber immer mehr Verbreitung, weil entsprechende EDV-Programme zur Schnittgrößenermittlung zur Verfügung stehen und diese, als Ersatzimperfektionsverfahren bezeichnete Vorgehensweise gegenüber den κ-Verfahren eine Reihe von Vorzügen bietet. Dazu gehört vor allem, dass das geometrisch nichtlineare Tragverhalten bei der Anwendung der Methode erkennbar wird. In Kapitel 3 werden die beiden genannten Verfahren explizit vorgestellt, wobei auch auf die einzelnen Vor- und Nachteile eingegangen wird.

Zusammen mit Kapitel 4 bilden diese Ausführungen die Grundlage für die Untersuchungen in den Kapiteln 5 und 6. Darin geht es um den Nachweis der Tragsicherheit beim Biegeknicken von gewalzten I-Profilen unter planmäßiger Druckbeanspruchung. Zunächst werden in Kapitel 5 für unterschiedliche Profile, Eigenspannungen, statische Systeme und Stahlgüten die bezogenen Grenzlasten κ = Nu/Npl durch Berechnungen nach der Fließzonentheorie ermittelt und dadurch der Einfluss der genannten Parameter auf die Tragfähigkeit und das Tragverhalten geklärt. Als Resultat werden sowohl für S 235 als auch für S 355 genaue κ-Werte angegeben, die zum Teil eine deutlich wirtschaftlichere Bemessung als bisher ermöglichen. Um die Werte auch mit der analytischen Formulierung der bekannten Knickspannungslinien nutzen zu können, wird eine neue Knickspannungslinie ab (α = 0,26) vorgeschlagen und eine modifizierte Zuordnung zu den Knickspannungs-linien vorgenommen. Die Zuordnung wird hier noch einmal in Tabelle 7.1 angegeben. Bei Verwendung der neuen Knickspannungslinie ab ergeben sich für S 235 bis zu 6,6 % höhere Grenzlasten als mit der bisher gültigen Linie b. Für S 355 liegen die maximalen Erhöhungen der Grenzlasten durch die neu zugeordneten Knickspannungslinien zwischen 6,6 und 11,5 %. Die genaueste Bemessung wird in

Page 152: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

7 Zusammenfassung 144

jedem Fall mit den rechnerischen κ-Werten nach Tabelle 5.10 erreicht, da die analytischen Formulierungen der Knickspannungslinien in der Regel etwas unterhalb dieser Werte liegen (für Eulerfall 2 maximal 5 %, s. Tabelle 5.12).

Tabelle 7.1 Zuordnung von Knickspannungslinien für den Biegeknicknachweis gewalzter I-Profile mit dem κ-Verfahren

starke Achse schwache Achse

h/b > 1,2 h/b ≤ 1,2 h/b > 1,2 h/b ≤ 1,2

S 235 a ab 1) b c

S 355 a0 a ab 1) b

DIN 18800-2 (zum Vergleich) a b b c

1) Knickspannungslinie „ab“ mit α = 0,26.

Ausgehend von den rechnerischen κ-Werten werden in Kapitel 6 geometrische Ersatzimperfektionen abgeleitet, die bei der Anwendung des Ersatzimperfektions-verfahrens mit Schnittgrößenermittlung nach Theorie II. Ordnung zum Nachweis der Tragsicherheit anzusetzen sind. Die analytische Lösung für den Eulerfall 2 zeigt, dass die geometrischen Ersatzimperfektionen von der bezogenen Schlankheit Kλ , dem Stegflächenanteil δ sowie der Streckgrenze fy abhängig sind. Durch Auswertungen für den relevanten Parameterbereich werden sowohl die genauen Vorkrümmungen für die starke und schwache Achse ermittelt als auch die Grenzlastunterschiede festgestellt, die sich mit den gültigen Regelungen nach [14] und [16] ergeben. Für die starke Achse sind die festgelegten Werte deutlich zu konservativ, weil die damit errechneten Grenzlasten bis zu 12 % unterhalb der wirklichen Grenzlasten liegen. Aus diesem Grund werden neben den genauen Werten in Abhängigkeit von Kλ auch neue Festwerte vorgeschlagen, die hier noch einmal in Tabelle 7.2 angegeben sind. Mit den neuen Werten kann die maximale Abweichung um fast 10 Prozentpunkte auf 2,5 % gesenkt werden. Für die schwache Achse ergibt sich die Schwierigkeit, dass die Grenzlastunterschiede sehr stark in Abhängigkeit von der bezogenen Schlankheit variieren. Daher wird neben den festen Werten auch eine Reduktionsmöglichkeit in Abhängigkeit von Kλ vorgeschlagen, durch die die Abweichungen erheblich verringert werden. Eine wichtige Ergänzung für die schwache Achse ist außerdem die Festlegung von Werten, mit denen auf die bisher erforderliche Begrenzung von Mpl verzichtet werden kann. Dies stellt besonders für computerorientierte Berechnungen einen erheblichen Vorteil dar.

Zum Abschluss der Untersuchungen in Kapitel 6 wird die Anwendbarkeit der neuen Regeln für S 355 überprüft. Aufgrund der genauen κ-Werte, die für S 355 größer sind als für S 235, können die Werte nach Tabelle 7.2 auch für S 355 verwendet werden.

Page 153: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

7 Zusammenfassung 145

Tabelle 7.2 Zum Ansatz geometrischer Ersatzimperfektionen für den Biegeknicknach-weis gewalzter I-Profile nach dem Ersatzimperfektionsverfahren (E-P)

j

Vorschlag DIN 18800-2 (zum Vergleich)

h/b > 1,2 h/b ≤ 1,2 h/b > 1,2 h/b ≤ 1,2

starke Achse 500 400 300 250

schwache Achse mit Mpl,red 250 200 250 200

schwache Achse mit Mpl 200 150 keine Angaben

Verbesserungsmöglichkeit für die schwache Achse und K 0,8λ > :

KK

mod

K

j 200 für 0,8 3,2j 2,4

j 200 für 3,2

λ+ ⋅ < λ <=

+ λ ≥

Eulerfall 1 Eulerfälle 2 bis 4

Page 154: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

Literatur

[1] Bamm, D.: Näherungsweise Berücksichtigung der Schubspannungen bei der Ermittlung von Traglasten gerader dünnwandiger offener Profile. Disser-tation, Technische Universität Berlin 1974.

[2] Beer, H., Schulz, G.: Die Traglast des planmäßig mittig gedrückten Stabes mit Imperfektionen. VDI-Zeitschrift 111 (1969), Nr. 21, S. 1537-1541, Nr. 23, S. 1683-1687 und Nr. 24, S. 1767-1772

[3] Beer, H.: Knickuntersuchungen der Europäischen Konvention der Stahlbauverbände, 58. DASt-Sitzung, Köln 1969

[4] Beier, J.: Traglastuntersuchungen zum Biegedrillknicken. Lehrstuhl für Stahl-und Verbundbau, Ruhr-Universität Bochum (erscheint in Kürze)

[5] Beverungen, G.: Geometrisch nichtlineare Berechnung des Spannungs- und Stabilitätsproblems räumlich gekrümmter Stäbe, TWM Nr. 74-8, Ruhr-Universität Bochum, 1974

[6] Bornscheuer, F. W.: Systematische Darstellung des Biege- und Verdrehvorgangs unter besonderer Berücksichtigung der Wölbkrafttorsion, Stahlbau 21 (1952), Heft 1, S. 1-9

[7] Bruhns, O., Lehmann, Th.: Elemente der Mechanik II, Elastostatik. Vieweg-Verlag, Braunschweig 1994

[8] BT II: FE-Programm zur Biegetorsionstheorie II. Ordnung. Friedrich und Lochner GmbH, Version 04/98, Stuttgart/Dresden

[9] Celigoj, C.: Der Einfluß von Vorverformungen und Eigenspannungen auf die Traglast von dünnwandigen, gabelgelagerten Trägern mit offenem Querschnitt. Bauingenieur 53 (1978), S. 305-308

[10] Celigoj, C.: Die Traglast von dünnwandigen gabelgelagerten Träger mit offenem Querschnitt. Eine numerische Behandlung des Stabilitätsproblemes ohne Verzweigung des Gleichgewichtes. Stahlbau 48 (1979), H. 3, S. 69-75, H. 4, S. 117-121

[11] Chwalla, E.: Die Stabilität zentrisch und exzentrisch gedrückter Stäbe aus Baustahl. Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften, Wien, 1928

[12] Chwalla, E.: Theorie des außermittig gedrückten Stabes aus Baustahl. Stahlbau 7 (1934), H. 21, S. 161-165, H. 22, S. 173-176, H. 23, S. 180-184

[13] Deutscher Stahlbau-Verband: Stahlbau Handbuch, Band 2: Stahlkonstruktionen 2. Auflage 1985, Stahlbau-Verlagsgesellschaft, Köln

[14] DIN 18800 (11/90): Stahlbauten Teil 1: Bemessung und Konstruktion Teil 2: Stabilitätsfälle, Knicken von Stäben und Stabwerken

[15] DIN 4114 (07/52): Stabilitätsfälle (Knickung, Kippung, Beulung) Blatt 1: Vorschriften Blatt 2: Richtlinien

Page 155: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

Literaturverzeichnis 147

[16] DIN EN 1993-1-1 (07/2005): Bemessung und Konstruktion von Stahlbauten Teil 1-1: Allgemeine Bemessungsregeln und Regeln für den Hochbau

[17] DIN EN 10034: I- und H-Profile aus Baustahl. Grenzabmaße und Formtoleranzen. 03/1994

[18] Ding, K.: Zur Bemessung vorverformter einfeldriger und mehrfeldriger Träger nach der Biegetorsionstheorie II. Ordnung. Dissertation, Schriften-reihe des Lehrstuhls für Stahl- und Verbundbau, Band 2, Ruhr-Universität Bochum 1996

[19] DRILL: Programmsystem Biegedrillknicken. Institut für Stahlbau und Werk-stoffmechanik der Technischen Hochschule Darmstadt, Version K06-2000

[20] ECCS-CECM-EKS, Publication No. 33: Ultimate Limit State Calculation of Sway Frames with Rigid Joints, Brüssel, 1984

[21] ECCS-IABSE-SSRC-CRCJ: Second International Colloquium on Stability, Introductory Report, Liege, 1977

[22] Euler, L.: Sur la force des colonnes, Memoires Academic Royale des Sciences et Belle Lettres, 1759

[23] Farwell, C. R., Galambos, T. V.: Nonuniform Torsion of Steel Beams in Inelastic Range. Journal of the Structural Division, ASCE, Vol. 95, No. ST12, pp. 2813-2829, December 1969

[24] FEM Programmsystem ABAQUS, Version 6.3, Hibbit, Karlsson and Sorensen Inc., Pawtucket, R.I., USA

[25] FEM Programmsystem ANSYS, Version 6.3, Inc., Canonsburg, USA [26] Frickel, J.: Zur Torsionsbeanspruchung von Stäben unter Berücksichtigung

der geometrischen und physikalischen Nichtlinearität. Fortschritt-Berichte VDI, Reihe 4, Nr. 191, VDI-Verlag, Düsseldorf 2003

[27] Friemann, H.: Biegedrillknicken: Traglastnachweis nach E-DIN 18800 im Vergleich mit genauen Lösungen, Kurt-Klöppel-Gedächtnis-Kolloquium, THD Schriftenreihe Wissenschaft und Technik Band 31, S. 285-334, TH Darmstadt, 1986

[28] Glitsch, T.: Zur Tragfähigkeit torsionsbeanspruchter Träger mit doppelt- oder einfachsymmetrischen Querschnitten. Lehrstuhl für Stahlbau, TU Berlin (erscheint in Kürze)

[29] Greiner, R., Kaim, P.: Erweiterung der Traglastuntersuchungen an Stäben unter Druck und Biegung auf einfach-symmetrische Querschnitte. Stahlbau 72 (2003), H. 3, S. 173-180

[30] Greiner, R., Lindner, J.: Die neuen Regelungen in der europäischen Norm EN 1993-1-1 für Stäbe unter Druck und Biegung. Stahlbau 72 (2003), H. 3, S. 157-171

[31] Guggenberger, W., Salzgeber, G.: Geometrisch und materiell nichtlineare Berechnung von Stabstrukturen mit ABAQUS – Möglichkeiten, Einschränkungen und Verbesserungsvorschläge, 8. Österr. ABAQUS Anwendertreffen, 1998

Page 156: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

Literaturverzeichnis 148

[32] Hanenkamp, W.: Zentrische Knickversuche an Stahlstützen - HISTAR -, Bericht Nr. A-21/91, Institut für Konstruktiven Ingenieurbau, Ruhr-Universität Bochum, 1992

[33] Heil, W.: Traglastermittlung von räumlich belasteten Durchlaufträgern mit offenem dünnwandigem Querschnitt bei beliebigem Werkstoffgesetz. Dissertation, Schriftreihe 3, Karlsruhe 1979

[34] Herzog, M.: Die Größe der Eigenspannungen in Walz- und Schweißprofilen nach Messungen. Stahlbau 46 (1977), H. 9, S. 283-287

[35] Herzog, M.: Neue Traglastberechnung für schlanke Stahlstützen unter ausmittigem Druck mit Hilfe des plastischen Drehwinkels. Stahlbau 64 (1995), S. 295-299

[36] Höss, P., Heil, W., Vogel, U.: Bemessung von Einfeld- und Durchlaufträgern aus rundkantigem U-Stahl (DIN 1026) nach dem Traglastverfahren. Forschungsbericht P 174, Studiengesellschaft Stahlanwendungen e.V., Düsseldorf 1991

[37] Hübel, H.: Bemerkungen zur Ausnutzung plastischer Querschnitts- und Systemreserven. Stahlbau 72 (2003), H. 12, S. 844-851

[38] Jezek, K.: Die Festigkeit von Druckstäben aus Stahl. Springer Verlag, Wien, 1937

[39] Jezek, K.: Die Tragfähigkeit des exzentrisch beanspruchten und des querbelasteten Druckstabes aus einem ideal-plastischen Stahl. Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften, Wien, 1934

[40] Jezek, K.: Näherungsberechnung der Tragkraft exzentrisch gedrückter Stahl-stäbe. Stahlbau 8 (1935), H. 12, S. 89-96

[41] Kappus, R.: Drillknicken von Stäben mit offenen Profil, Jahrbuch der deutschen Luftfahrtforschung, 1937, S. 200-204

[42] Kappus, R.: Drillknicken zentrisch gedrückter Stäbe mit offenem Profil im elastischen Bereich, Luftfahrtforschung 14, 1937, S. 444-457

[43] Kappus, R.: Zentrisches und exzentrisches Drehknicken von Stäben mit offenem Profil, Stahlbau 22 (1937), S. 6-12

[44] Kármán, v., T.: Untersuchungen über die Knickfestigkeit. Mitteilungen über Forschungsarbeiten auf dem Gebiet des Ingenieurwesens, VDI, H. 81, 1910

[45] Kindmann, R., Ding, K.: Alternativer Biegedrillknicknachweis für Träger aus I-Querschnitten. Stahlbau 66 (1997), Heft 8, S. 488-497

[46] Kindmann, R., Frickel, J.: Elastische und plastische Querschnittstragfähigkeit. Grundlagen, Methoden, Berechnungsverfahren, Beispiele. Berlin: Verlag Ernst & Sohn, 2002

[47] Kindmann, R., Frickel, J.: Grenztragfähigkeit von häufig verwendeten Stab-querschnitten für beliebige Schnittgrößen. Stahlbau 68 (1999), H. 10, S. 817-828

[48] Kindmann, R., Frickel, J.: Grenztragfähigkeit von I-Querschnitten für belie-bige Schnittgrößen. Stahlbau 68 (1999), H. 4, S. 290-301

Page 157: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

Literaturverzeichnis 149

[49] Kindmann, R., Laumann, J.: Computerorientierte Lösung von Stabilitätsproblemen. Festschrift Prof. Hartmann – 60 Jahre. Shaker Verlag, Aachen 2004

[50] Kindmann, R., Laumann, J.: Ermittlung von Eigenwerten und Eigenformen für Stäbe und Stabwerke. Stahlbau 73 (2004), H. 1, S. 26-36

[51] Kindmann, R., Laumann, J.: Tragfähigkeit und Stabilität von Stäben bei zweiachsiger Biegung mit Normalkraft und Wölbkrafttorsion - FE-Programm KSTAB. Lehrstuhl für Stahl- und Verbundbau, Ruhr-Universität Bochum, 2005

[52] Kindmann, R., Lindner, J., Sedlacek, G., Wolf, C., Glitsch, T., Stangenberg, H.: Untersuchungen zum Einfluß der Torsionseffekte auf die plastische Querschnittstragfähigkeit und die Bauteiltragfähigkeit von Stahlprofilen. Forschungsbericht P 554, Forschungsvereinigung Stahlanwendungen e.V., Düsseldorf 2004

[53] Kindmann, R., Muszkiewicz, R.: Biegedrillknickmomente und Eigenformen von Biegeträgern unter Berücksichtigung der Drehbettung. Stahlbau 73 (2004), H. 2, S. 98-106

[54] Kindmann, R., Muszkiewicz, R.: Verzweigungslasten und Eigenformen seitlich gestützter Biegeträger unter Berücksichtigung der Drehbettung. Stahlbau 71 (2002), H.10, S. 748-759.

[55] Kindmann, R., Wolf, C.: Ausgewählte Versuchsergebnisse und Erkenntnisse zum Tragverhalten von Stäben aus I- und U-Profilen. Stahlbau 73 (2004), H. 9, S. 683-692

[56] Kindmann, R., Wolf, C.: Wirtschaftliche Bemessung biege- und torsionsbeanspruchter Bauteile, Seminarunterlage Ingenieurakademie West, Düsseldorf, 2005

[57] Kindmann, R.: Biegedrillknicken von Trägern mit offenen, dünnwandigen Querschnitten – Tragverhalten und Tragfähigkeit. Festschrift W. B. Krätzig, Ruhr-Universität Bochum 1992, S. B83-B89

[58] Kindmann, R.: Traglastermittlung ebener Stabwerke mit räumlicher Bean-spruchung. Dissertation, TWM Nr. 81-3, Institut für konstruktiven Ingenieur-bau, Ruhr-Universität Bochum 1981

[59] Kindmann, R.: Tragsicherheitsnachweise für biegedrillknickgefährdete Stäbe und Durchlaufträger. Stahlbau 62 (1993), H. 1, S. 17-26

[60] Kindmann, R.: Vergleich verschiedener Berechnungsformeln zur Ermittlung von MKi. Festschrift J. Lindner, 1997

[61] Klöppel, K., Unger, K.: Eine experimentelle Untersuchung des Kippverhaltens von Kragträgern im elastischen und im plastischen Bereich im Hinblick auf eine Neufassung des Kippsicherheitsnachweises der DIN 4114. Stahlbau 40 (1971), H. 11, S. 321-329, H. 12, S. 375-383

[62] Klöppel, K., Winkelmann, E.: Experimentelle und theoretische Unter-suchungen über die Traglast von zweiachsig außermittig gedrückten Stahl-stäben. Stahlbau 31 (1962), H. 2, S. 33-47, H. 3, S. 78-87, H. 4, S. 109-119

Page 158: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

Literaturverzeichnis 150

[63] Krahwinkel, M.: Zur Beanspruchung stabilisierender Konstruktionen im Stahlbau, Fortschritt-Bericht VDI, Reihe 4 Nr. 166, Düsseldorf VDI Verlag 2001

[64] Krätzig, W. B., Basar, Y.: Tragwerke 3, Theorie und Anwendung der Methode der Finiten Elemente. Springer-Verlag, Berlin 1997

[65] Kraus, M.: Computerorientierte Berechnungsmethoden für beliebige Stabquerschnitte des Stahlbaus. Shaker Verlag, Aachen 2005

[66] Kuhl, D., Meschke, G.: Finite Elemente Methoden II, Vorlesungsmanuskript, Lehrstuhl für Statik und Dynamik, Ruhr-Universität Bochum, 2002

[67] La Poutre, D. B., Snijder, H. H., Hoenderkamp, J. C. D., Bakker, M. C. M., Bijlaard, F. S. K., Steenbergen, H. M. G. M.: Strength and stability of channel sections used as beam. Forschungsbericht Dezember 1999, Technische Universiteit Eindhoven

[68] La Poutre, D. B., Snijder, H. H., Hoenderkamp, J. C. D.: Lateral torsional buckling of channel shaped beams – Experimental Research. Proceedings of the Third International Conference on Coupled Instabilities in Metal Structures CIMS 2000, Portugal, Lissabon, 21.-23. September 2000

[69] Laumann, J.: Feder- und Schubfeldsteifigkeiten abstützender Konstruktionen, Lehrstuhl für Stahl- und Verbundbau, Ruhr-Universität Bochum, 2005

[70] Laumann, J.: Zur Berechnung der Eigenwerte und Eigenformen für Stabilitätsprobleme des Stahlbaus. Fortschritt-Berichte VDI, Reihe 4, Nr. 193, VDI-Verlag, Düsseldorf 2003

[71] Lindner, J., Gietzelt, R.: Imperfektionsannahmen für Stützenschiefstellungen. Stahlbau 53 (1984), S. 97-101

[72] Lindner, J., Gietzelt, R.: Zweiachsige Biegung und Längskraft – ein ergänzter Bemessungsvorschlag. Stahlbau 54 (1985), H. 9, S. 265-271

[73] Lindner, J., Gietzelt, R.: Zweiachsige Biegung und Längskraft – Vergleiche verschiedener Bemessungskonzepte. Stahlbau 53 (1984), H. 11, S. 328-333

[74] Lindner, J., Kurth, W.: Biegedrillknickversuche an querbelasteten Walzträgern. Bauingenieur 53 (1978), S. 373-377

[75] Lindner, J., Kurth, W.: Zum Biegedrillknicken von Stützen aus StE 690. Stahlbau 51 (1982), H. 12, S. 366-372

[76] Lindner, J., Scheer, Schmidt, H.: Erläuterungen zur DIN 18800 Teil 1 bis Teil 4. Beuth Kommentare, Verlag Ernst & Sohn, Berlin 1998

[77] Lindner, J.: Der Einfluß von Eigenspannungen auf die Traglast von I-Trägern. Stahlbau 43 (1974), H. 2, S. 39-45 und H.3, S. 86-91

[78] Lindner, J.: Näherungen für die Europäischen Knickspannungskurven. Bautechnik 55 (1978), H. 10, S. 344-347

[79] Lindner, J.: Näherungsweise Ermittlung der Traglasten von auf Biegung und Torsion beanspruchten I-Trägern. Dissertation, Technische Universität Berlin 1970

[80] Lindner, J.: Näherungsweise Ermittlung der Traglasten von auf Biegung und Torsion beanspruchten I-Trägern. Bautechnik 48 (1971), H. 5, S. 160-170

Page 159: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

Literaturverzeichnis 151

[81] Lindner, J.: Traglastkurven für I-Träger, die durch außermittige Querlasten beansprucht werden. Stahlbau 43 (1974), H. 12, S. 307-313

[82] Maier, W., Weiler, P.: Bemessungshilfen für den Nachweis von Stabquer-schnitten im plastischen Zustand nach DIN 18800, November 1990. Forschungsbericht 2/1997, Deutscher Ausschuss für Stahlbau

[83] Maier, W., Weiler, P.: Grenzschnittgrößen im plastischen Zustand. Stahl-bau 66 (1997), H. 3, S. 143-151

[84] Maquoi, R., Rondal, J.: Analytische Formulierung der neuen Europäischen Knickspannungskurven, Acier, Stahl, Steel, 1/1978

[85] Matthey, P.-A., Haag, J.: Experimentelle Untersuchungen an Breitflanschprofilen unter Druck und zweiachsiger Biegung. Stahlbau 59 (1990), H. 5, S. 135–140

[86] Meister, J.: Berechnung der Traglast von auf Biegung und Torsion bean-spruchten, gabelgelagerten Durchlaufträgern. Stahlbau 48 (1979), H. 8, S. 250-253

[87] Meister, J.: Nachweispraxis Biegeknicken und Biegedrillknicken. Einführung, Bemessungshilfen, 42 Beispiele für Studium und Praxis. Berlin: Verlag Ernst & Sohn, 2002

[88] Meister, J.: Zur Berechnung der elastisch-plastischen Traglast von auf Biegung und Torsion beanspruchten Durchlaufträgern. Dissertation, Universi-tät Karlsruhe 1977

[89] Merziger, G., Wirth, T.: Repetitorium der höheren Mathematik. Feldmann Verlag, Hannover 1991

[90] Millner, H. R., Gent, A. R.: Ultimate Load Calculations for Restrained H-Columns under Biaxial Bending. Civil Engineering Transactions, Institution of Engineers, pp. 35-44, Australia 1971

[91] Müller, C.: Zum Nachweis ebener Tragwerke aus Stahl gegen seitliches Ausweichen. Dissertation, Heft 47, Schriftenreihe Stahlbau, RWTH Aachen, Shaker Verlag, Aachen 2003

[92] Muszkiewicz, R.: Zum Einfluss der Drehbettung auf das Biegedrillknicken. Fortschritt-Berichte VDI, Reihe 4, Nr. 174, VDI-Verlag, Düsseldorf 2001

[93] Nasdala, L., Hohn, B., Schröder, K.: FE-Untersuchungen zur Interaktion von Biegdrillknicken und plastischem Querschnittsversagen bei Durchlaufträgern. Stahlbau 74 (2005), H. 5, S. 319-330

[94] Nishida, S., Fukumoto, Y.: Ultimate Load Behaviour of Beams with Initial Imperfections. Journal of the Structural Division, ASCE, Vol. 111, No. ST6, pp. 1288-1305, June 1985

[95] Ofner, R.: Traglasten von Stäben aus Stahl bei Druck und Biegung. Dissertation, Heft 9, Institut für Stahlbau, Holzbau und Flächentragwerke, TU Graz, 1997

[96] Osterrieder, P., Werner, F., Kretzschmar, J.: Biegedrillknicknachweis Elastisch-Plastisch für gewalzte I-Querschnitte. Stahlbau 67 (1998), H. 10, S. 794-801

Page 160: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

Literaturverzeichnis 152

[97] Petersen, C.: Stahlbau. 3. Auflage 1994, Vieweg-Verlag, Braunschweig [98] Petersen, C.: Statik und Stabilität der Baukonstruktionen. Vieweg-Verlag,

2. Auflage, Braunschweig/Wiesbaden 1982 [99] Razzaq, Z., Galambos, T. V.: Biaxial Bending of Beams with or without

Torsion. Journal of the Structural Division, ASCE, Vol. 105, No. ST11, pp. 2145-2162, Nov. 1979

[100] Razzaq, Z., Galambos, T. V.: Biaxial Bending Tests with or without Torsion. Journal of the Structural Division, ASCE, Vol. 105, No. ST11, pp. 2163-2175, Nov. 1979

[101] Roik, K., Carl, J., Lindner, J.: Biegetorsionsprobleme gerader dünnwandiger Stäbe. Verlag Ernst & Sohn, Düsseldorf 1972

[102] Roik, K., Kindmann, R.: Berechnung stabilitätsgefährdeter Stabwerke mit Berücksichtigung von Entlastungsbereichen. Stahlbau 51 (1982), H. 10, S. 310-318

[103] Roik, K., Kindmann, R.: Das Ersatzstabverfahren - Eine Nachweisform für den einfeldrigen Stab bei einachsiger Biegung mit Druckkraft. Stahlbau 50 (1981), H. 12, S. 353-358

[104] Roik, K., Kindmann, R.: Das Ersatzstabverfahren - Tragsicherheitsnachweise für Stabwerke bei einachsiger Biegung und Normalkraft. Stahlbau 51 (1982), H. 5, S. 137-145

[105] Roik, K., Kuhlmann, U.: Beitrag zur Bemessung von Stäben für zweiachsige Biegung mit Druckkraft. Stahlbau 54 (1985), H. 9, S. 271-280

[106] Roik, K.: Biegedrillknicken mittig gedrückter Stäbe mit offenem Profil im unelastischen Bereich. Stahlbau 25 (1956), H. 1, S. 10-17, H. 2, S. 32-35

[107] Roik, K.: Vorlesungen über Stahlbau - Grundlagen. Verlag Ernst & Sohn, 2. Auflage, Berlin/München 1983

[108] Rothert, H., Gensichen, V.: Nichtlineare Stabstatik. 1. Auflage 1987, Springer Verlag

[109] Rubin, H.: Das Tragverhalten von I-Trägern unter N-, My- und Mz-Beanspruchung nach Fließzonentheorie I. und II. Ordnung unter Berücksichtigung der Torsionseinflüsse. Stahlbau 70 (2001), H. 11, S. 846-856

[110] Rubin, H.: Grundlage für N-My-Mz-Interaktionsbeziehungen von I-Querschnitten – Bernoulli oder Mω = 0? Stahlbau 69 (2000), H. 10, S. 807-812 Zuschriften: Stahlbau 70 (2001), H. 4, S. 298-302

[111] Rubin, H.: Interaktionsbeziehungen für doppeltsymmetrische I- und Kasten-Querschnitte bei zweiachsiger Biegung und Normalkraft. Stahlbau 47 (1978), H. 5, S. 145-151 und H. 6, S. 174-181

[112] Rubin, H.: Interaktionsbeziehungen zwischen Biegemoment, Querkraft und Normalkraft für einfachsymmetrische I- und Kasten-Querschnitte bei Biegung um die starke und für doppeltsymmetrische I-Querschnitte bei Biegung um die schwache Achse. Stahlbau 47 (1978), H. 3, S. 76-85

Page 161: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

Literaturverzeichnis 153

[113] Salzgeber, G.: Nichtlineare Berechnung von räumlichen Stabtragwerken aus Stahl. Dissertation, Heft 10, Institut für Stahlbau, Holzbau und Flächentragwerke, TU Graz, 2000

[114] Scheer, J., Bahr, G.: Interaktionsdiagramme für die Querschnittstraglasten außermittig längsbelasteter, dünnwandiger Winkelprofile. Bauingenieur 56 (1981), S. 459-466

[115] Scheer, J., Nölke, H.: Anmerkungen zur Fließgelenk-Rotation in Stabtragwerken. Stahlbau 72 (2003), H. 7, S. 517-526

[116] Schulz, G.: Der Einfluß von Querlasten auf die Traglast schlanker, imperfektionsbehafteter Druckstäbe aus Baustahl. Stahlbau 40 (1971), H. 4, S. 111-118

[117] Schulz, G.: Traglastermittlung von planmäßig mittig belasteten Druckstäben aus Baustahl unter Berücksichtigung von geometrischen und strukturellen Imperfektionen, Dissertation, TH Graz, 1968

[118] Steup, H.: Stabilitätstheorie im Bauwesen, Verlag Ernst & Sohn, Berlin 1990 [119] Unger, B.: Einige Überlegungen zur Zuschärfung der Traglastberechnung von

normalkraft-, biege- und torsionsbeanspruchten Trägern mit Hilfe der Spannungstheorie II. Ordnung. Stahlbau 44 (1975), H. 11, S. 330-335

[120] Vogel, U., Heil, W.: Traglast-Tabellen. Tabellen für die Bemessung durchlau-fender I-Träger mit und ohne Normalkraft nach dem Traglastverfahren (DIN 18800 Teil 2). 3. Auflage 1993, Verlag Stahleisen

[121] Vogel, U.: Calibrating Frames – Vergleichsberechnungen an verschieblichen Rahmen. Stahlbau 54 (1985), H. 10, S. 295-301

[122] Vogel, U.: Praktische Berücksichtigung von Imperfektionen beim Tragsicherheitsnachweis nach DIN 18800, Teil 2 (Knicken von Stäben und Stabwerken). Stahlbau 50 (1981), H. 7, S. 201-205

[123] Vogel, U.: Über die Anwendung des Traglastverfahrens im Stahlbau. Stahlbau 38 (1969), H. 11, S. 329-338

[124] Wagenknecht, G.: Beitrag zur Berechnung von Systemen aus geraden dünn-wandigen Stäben mit offenem veränderlichen Querschnitt nach Spannungs-theorie 2. Ordnung. Dissertation, TWM Nr. 74-8, Ruhr-Universität Bochum 1974

[125] Werner, G.: Experimentelle und theoretische Untersuchungen zur Ermittlung des Tragverhaltens biege- und verdrehbeanspruchter Stäbe mit I-Querschnitt. Dissertation, Universität Stuttgart 1974

[126] Wimmer, H., Ettinger, R.: Traglastberechnung von schlanken Verpreßpfählen in weichen bindigen Böden. Bautechnik 81 (2004), H. 5, S. 353-356

[127] Wolf, C., Frickel, J.: QST-TSV-2-3. Programm zum Nachweis der plastischen Querschnittstragfähigkeit mit dem Teilschnittgrößenverfahren, Lehrstuhl für Stahl- und Verbundbau, Ruhr-Universität Bochum, 2005

[128] Wolf, C., Kindmann, R.: KSTAB-FZ. FE-Stabwerksprogramm für geometrisch und physikalisch nichtlineare Berechnungen, Lehrstuhl für Stahl-und Verbundbau, Ruhr-Universität Bochum, 2005

Page 162: Tragfähigkeit von Stäben aus Baustahl : nichtlineares ... · Die erhebliche Vergrößerung der Biegemomente gegenüber einer linearen Schnittgrößenberechnung (Theorie I. Ordnung)

Literaturverzeichnis 154

[129] Wolf, C., Kindmann, R.: QST-FZ. Programm zur dehnungsorientierten Ermittlung der plastischen Querschnittstragfähigkeit, Lehrstuhl für Stahl- und Verbundbau, Ruhr-Universität Bochum, 2005

[130] Wolf, C.: Grenztragfähigkeiten für das Biegeknicken – Berechnungen nach der Fließzonentheorie und Näherungsverfahren, Lehrstuhl für Stahl- und Verbundbau, Ruhr-Universität Bochum, 2006

[131] Wolf, C.: Grenzbiegemomente von Winkelprofilen. RUBSTAHL-Bericht N-2006, Lehrstuhl für Stahl- und Verbundbau, Ruhr-Universität Bochum, 2006

[132] Wolf, C.: Zur Idealisierung von Walzprofilen durch 2- und 3-Blechquerschnitte. RUBSTAHL-Bericht N-2006, Lehrstuhl für Stahl- und Verbundbau, Ruhr-Universität Bochum, 2006

[133] Wriggers, P.: Nichtlineare Finite-Element-Methoden. Springer Verlag, Berlin 2001

[134] Yoschida, H., Imoto, Y.: Inelastic Lateral Buckling of Restrained Beams. Journal of Engineering Mechanics, ASCE, Vol. 99, No. EM2, pp. 343-366, April 1973

[135] Yoschida, H., Maegawa, K.: Lateral Instability of I-Beams with Imper-fections. Journal of the Structural Division, ASCE, Vol. 110, No. ST8, pp. 1875-1892, August 1984

[136] Zurmühl, R., Falk, S.: Matrizen und ihre Anwendung für angewandte Mathe-matiker, Physiker und Ingenieure. Teil 1 und 2, Springer-Verlag 1984

[137] Zurmühl, R.: Praktische Mathematik für Ingenieure. Springer Verlag Berlin/ Heidelberg/New York 1965