Tragverhalten imperfekter Ringflanschverbindungen von ...

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Bericht zum Tragverhalten imperfekter Ringflanschverbindungen von Windenergieanlagen verfasst von Fabio Pollicino Hamburg, März 2004 Germanischer Lloyd WindEnergie GmbH Abteilung Maschinenbau und Sicherheitstechnik / Machinery Components and Safety Department Steinhoeft 9 20459 Hamburg Germany Tel.: +49 (0) 40-31106-7057 Fax: +49 (0) 40-31106-1720 Email: [email protected] WWW: www.gl-wind.com © Germanischer Lloyd WindEnergie GmbH

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Bericht zum

Tragverhalten imperfekter Ringflanschverbindungen von Windenergieanlagen

verfasst von

Fabio Pollicino

Hamburg, März 2004

Germanischer Lloyd WindEnergie GmbH Abteilung Maschinenbau und Sicherheitstechnik / Machinery Components and Safety Department

Steinhoeft 9 20459 Hamburg Germany

Tel.: +49 (0) 40-31106-7057 Fax: +49 (0) 40-31106-1720 Email: [email protected] WWW: www.gl-wind.com

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Einleitung

Die Verbindungen der Windenergieanlagen sind in besonderem Maße den

Ermüdungsbeanspruchungen aus dem Anlagenbetrieb ausgesetzt. Eine sorgfältige

Konstruktion und Dimensionierung ist somit Voraussetzung für den Betrieb bzw. die

Sicherheit einer Anlage.

Die in diesem Bericht erwähnten Untersuchungen wurden an üblicherweise verwendeten

innenliegenden, geschraubten und planmäßig vorgespannten L-Flanschen durchgeführt (s.

Abb. 1).

Abb. 1: Turm mit Ringflanschverbindung [3]

In der Regel werden die Flansche nach dem Schweißen an die Turmwand nicht mehr

spanend nachgearbeitet. Der Schweißverzug kann dabei zu maßgebenden geometrischen

Unregelmäßigkeiten (Imperfektionen) der Anschlusskonstruktionen führen.

Des Weiteren können Abweichungen der Soll-Geometrie der Ringflansche durch den

Transport und die Montage auftreten (s. Abb. 2).

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Abb. 2: Imperfekte Ringflanschverbindung vor dem Vorspannen

Der Einfluss geometrischer Imperfektionen auf das Tragverhalten der Ringflanschverbindung

ist eine nicht zu vernachlässigende Gegebenheit.

In diesem Artikel werden nach dem Aufzeigen des Tragverhaltens der perfekten Verbindung,

dem Erwähnen der vereinfachten Berechnungsmodelle und des aktuellen Normenstandes,

die Ergebnisse der Untersuchungen zum Tragverhalten imperfekter

Ringflanschverbindungen und deren Auswirkungen dargestellt und erläutert.

Die vorliegenden Untersuchungen wurden im Rahmen einer Diplomarbeit am Institut für

Stahlbau der Universität Hannover in Verbindung mit der Germanischer Lloyd WindEnergie

GmbH (GL Wind) durchgeführt und während der Tätigkeit bei GL Wind weiter ausgearbeitet.

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Ringflanschverbindungen

Die geführten Berechnungen dienen vorwiegend der Ermittlung des nichtlinearen

Schraubenkraftverlaufes der höchstbeanspruchten Schraube in der Ringflanschverbindung.

Tragverhalten Der Schraubenkraftverlauf ist durch die Vorspannung des exzentrischen Anschlusses,

wegen des Kontakt-Klaffens in der Stoßfuge, extrem nichtlinear. Das Verhalten der

Verbindung kann durch die Reaktion der Schraubenkraft FS aufgrund der äußeren Belastung

Z (Betriebskraft) an der Turmwand beschrieben werden (s. Abb. 3).

Abb. 3: Nichtlinearer Schraubenkraftverlauf

Bei der Betrachtung der Schraubenkraftschwingbreiten ∆FS unter der Belastung ∆Z, ist die

Steigung der Schraubenkraftfunktion, bedingt durch die Vorspannung, im Anfangsbereich

noch gering. Im weiteren Verlauf steigt diese dann progressiv an. Während die

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Schwingbreite ∆Z in beiden Fällen gleich groß ist (∆Z1=∆Z2), variiert ∆FS in Abhängigkeit vom

Niveau des Zugkraftmittelwertes sehr stark (∆FS1<<∆FS2).

Somit kann eine relativ geringe Änderung der Zugspannung in der Turmwand, durch den

nichtlinearen Verlauf der Schraubenkraft, zu einer großen Änderung der Lebensdauer der

Schraube führen.

Für den Nachweis der Betriebsfestigkeit ist daher neben der Kenntnis der absoluten Größe

der Schraubenkraft auch die Kenntnis der Steigung der Schraubenkraftfunktion von großer

Bedeutung.

Zusätzlich wird der Schraubenkraftverlauf durch die auftretenden Vorspannkraftverluste

beeinflusst. Diese ergeben sich durch folgende Ursachen:

- Setzen in der Kontaktfläche durch Einebnen von Oberflächenunebenheiten, - Relaxation der im Kraftfluss liegenden Teile durch zeit- und / oder

temperaturabhängiges Plastizieren, - Plastizierung des Flansches und/oder der Schraube durch Überschreitung der

Streckgrenze, - selbsttätiges Lösen der Verbindung.

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Vereinfachte Berechnungsmodelle Die näherungsweise Ermittlung der Schraubenkraft erfolgt vorwiegend nach den

vereinfachten analytischen Berechnungsmodellen:

- PETERSEN (bilineares Modell) [4],

- SCHMIDT/NEUPER (trilineares Modell) [5].

Alle diese Verfahren ermitteln das Tragverhalten der Ringflanschverbindung an einem

gedanklich herausgeschnittenen Einschrauben-Segment-Modell, basierend auf zwei

planeben vorgespannten Flanschflächen.

Die Traglast der Verbindung ist dabei unabhängig von Vorspannkraftverlusten und

Imperfektionen.

Die Betriebsfestigkeit hingegen wird in Abhängigkeit des Schraubenkraftverlaufs bestimmt.

Durch die vorgegebene äußere Belastung ∆Z wird die entsprechende

Schraubenkraftschwingbreite ∆F der Schraube ermittelt. Dabei muss die, über die lineare

Schadensakkumulationshypothese nach PALMGREN/MINER mit Hilfe eines

Belastungskollektives, berechnete Schädigung D ≤ 1 sein.

Sowohl das dreidimensionale Ringtragverhalten als auch teilweise geometrische

Abweichungen (Imperfektionen) der Flanschkontaktflächen können bei dem Segmentmodell

nicht erfasst werden. Weiterhin wird bei keinem dieser Verfahren die vorhandene überlagerte

Biegespannung ermittelt.

Für eine möglichst genaue Lebensdauervorhersage der Verbindung ist jedoch die

Berücksichtigung der überlagerten Beanspruchung aus Biegemoment und Normalkraft in der

Schraube erforderlich.

Bei der Anwendung der bisherigen Verfahren ändert ein Abweichen der Vorspannkraft vom

Sollwert den Schraubenkraftverlauf erheblich. Neben den entstehenden

Vorspannkraftverlusten durch Setzung und Relaxation, beeinflussen ebenso geometrische

Imperfektionen der Flansche den Verspannzustand und dadurch den

Schraubenbeanspruchungsverlauf maßgeblich.

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Stand der Normung Die Entwurfsfassung der neuen DIBt-Richtlinie geht detaillierter als die geltende Fassung auf

den Nachweis der Ringflanschverbindung ein [1]. Die Ringflanschverbindungen werden nach

DIN 18800-7 planmäßig vorgespannt.

Der Tragsicherheitsnachweis der Flanschverbindung darf wie für eine nicht vorgespannte

Schraubenverbindung geführt werden.

Beim Betriebsfestigkeitsnachweis der Flanschverbindung darf die Beanspruchung der

Schrauben unter Berücksichtigung der Druckvorspannung der Flansche ermittelt werden,

sofern folgende Bedingungen eingehalten werden:

- Die planmäßige Zugvorspannung jeder einzelnen Schraube ist in ausreichendem Maße

in lokale Druckvorspannung in den entsprechenden Flanschkontaktflächen umzusetzen.

- Die ausreichende Druckvorspannung ist vorhanden, wenn die Klaffungen zwischen den

zusammengebauten Flanschen bei maximal 10% der planmäßigen Vorspannung die

vom Hersteller festgelegten Grenzwerte eingehalten werden.

- Werden diese Toleranzen nicht eingehalten, sind geeignete Maßnahmen zu ergreifen (z.

B. Ausfuttern vor dem Vorspannen).

- Übersteigt die Neigung der Flanschaußenflächen den Grenzwert von 2%, so sind

geeignete Keilscheiben ausreichender Härte zu verwenden.

Beim Betriebsfestigkeitsnachweis darf die Vorspannkraft der Schrauben mit 70% der

planmäßigen Schraubenvorspannkraft angesetzt werden (u. U. 90%).

Dem Nachweis ist die nichtlineare Schraubenkraftfunktion Fs=f(Z) zugrunde zu legen. Bei der

Ermittlung der Schraubenkraftfunktion sind die bei der Ausführung tolerierten

Flanschklaffungen als Imperfektionen zu berücksichtigen.

Bei der Verwendung genauerer Berechnungsmodelle sind nach DIBt-Richtlinie die

Imperfektionen so zu erfassen, dass der Schraubenkraftverlauf keine horizontale

Anfangstangente aufweist. Eine quantitative Forderung zur Berücksichtigung der

Imperfektionen bzgl. der Schraubenbeanspruchung ist in der DIBt-Richtlinie nicht aufgestellt.

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Imperfekte Ringflanschverbindungen

Grundsätzlich werden folgende geometrische Imperfektionen im Ausgangszustand, d. h. vor

dem Verspannen der Ringflansche, unterschieden (s. Abb. 4):

- Turmseitige Winkelklaffung (kT)

- Flanschseitige Winkelklaffung (kF)

- Parallelklaffung (kP)

- Kombinationen daraus

Abb. 4: Mögliche Imperfektionsarten an Ringflanschverbindungen © Germanischer Lloyd WindEnergie GmbH 8 / 15

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Bei der Winkelklaffung handelt es sich um eine Spaltöffnung der Kontaktebene der beiden

Flanschstöße. Diese Klaffung kann turmseitig kT oder flanschseitig kF auftreten.

Die Parallelklaffung stellt einen Bereich der Flanschstöße dar, in denen kein Kontakt

herrscht. Dieser Bereich wird als begrenzt über den Umfang des Rohrturmes angenommen.

Durch das Erfassen der Imperfektionen anhand von FE-Modellen ist es möglich eine sichere aber auch wirtschaftliche Bemessung und Prüfung durchzuführen. Erst durch die bekannten Schraubenbeanspruchungsverläufe kann eine abgesicherte Einschätzung der Betriebsfestigkeit für eine angenommene Lebensdauer (von z. B. 20 Jahren) getroffen werden.

Die Berechnungen wurden vorwiegend anhand von 180°-FE-Modellen unter Nutzung von

Symmetrierandbedingungen geführt. Die hier dokumentierten Ergebnisse beschränken sich

auf die turmseitige- und die Parallel-Klaffung, da diese kritischer als die flanschseitige

Klaffung sind.

Zum Vergleich des Einflusses der Imperfektionen auf den Schraubenkraftverlauf ist jeweils

der Schraubenkraftverlauf der perfekten Verbindung abgebildet.

Die Berechnungen wurden auf der Grundlage der folgenden Ringflanschgeometrie geführt

(s. Abb. 5):

Abb. 5: Perfektes Ringflanschmodell (Schnitt)

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Turmseitige Klaffung Die Schraubenkraftverläufe der Ringflanschverbindung mit der turmseitigen Klaffung im

Ausgangszustand, also vor dem Verspannen, weisen einen deutlichen Unterschied zur

klaffungsfreien Verbindung auf.

Ein Vergleich zwischen dem Schraubenkraftverlauf des imperfekten Segment- und 180°-

Modells zeigt ein günstigeres Verhalten des 180°-Modells bezüglich der

Schraubenbeanspruchungszunahme (s. Abb. 6). Das 180°-Modell erfasst neben der

Krempelsteifigkeit der Verbindung auch die Ringtragwirkung.

Die Beanspruchungsverläufe der turmseitigen Klaffung von 3mm entsprechen qualitativ den

am Segment berechneten. Quantitativ wirkt sich das 180°-Modell durch die realistischere

Modellierung günstiger auf die Schraubenbeanspruchungen aus. Das Segmentmodell

überschätzt den Schraubenkraftverlauf der imperfekten Verbindung.

Das vereinfachte Berechnungsmodell nach Schmidt / Neuper unterschätzt hingegen

größtenteils die Steigung der Schraubenkraftfunktion und somit die Schädigung der

Schraube.

Abb. 6: Vergleich der Schraubenkraftverläufe am Segment- und 180°-Modell bei turmseitiger Klaffung

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Parallelklaffung Die Parallelklaffung ist eine besondere Form der geometrischen Imperfektion. Bei dieser ist

ein Teilbereich der Flanschverbindung im Ausgangszustand über den Umfang vollständig,

parallel geöffnet. Die maximale Klaffung (kP) nimmt über einen begrenzten Umfang von z. B.

90° harmonisch ab.

Bei der Parallelklaffung ist im Vergleich zum perfekten Modell ein früherer Anstieg des

Schraubenkraftverlaufs festzustellen. In Abhängigkeit der Größe der Klaffung im

unverspannten Zustand steigt der Schraubenkraftverlauf entsprechend progressiv an (s.

). Abb. 7

Abb. 7: Schraubenkraftverläufe bei unterschiedlichen Parallelklaffungsgrößen am 180°-Modell

Aus den Schraubenkraftverläufen der Parallelklaffung von 0,5mm und 1mm wird deutlich,

dass sich zu Beginn der Zugbeanspruchung kaum Änderungen in der Zunahme der

Schraubenkräfte ergeben. Dies bedeutet, dass sich auch kaum die Kontaktverhältnisse in

der Trennfuge ändern. Eine größere Änderung der Kontaktverhältnisse und das damit

verbundene Klaffen der Verbindung ist bei einer Zuglast von etwa 120kN zu erkennen. Im

Vergleich zur perfekten Verbindung klafft diese erst bei etwa 180kN.

Der Flansch mit einer Ausgangsklaffung von 3mm klafft hingegen bereits bei einer sehr

geringen Zuglast. Die Ausgangsklaffung wurde zuvor durch das Aufbringen der Vorspannung

vollständig geschlossen.

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Die berechneten Parallelklaffungen und aufgestellten Vergleiche machen den Einfluss dieser

Imperfektionsform auf den nichtlinearen Schraubenkraftverlauf deutlich. Die Parallelklaffung

wirkt sich bereits bei geringen Imperfektionsgrößen maßgeblich auf die

Schraubenbeanspruchung aus. Durch das progressive Ansteigen der Beanspruchung hat die

Parallelklaffung generell einen negativen Einfluss auf den Betriebsfestigkeitsnachweis.

Das dargestellte trilineare Modell nach Schmidt / Neuper zeigt durch die größere

Anfangssteigung, dass bei dem gewählten Beispiel Imperfektionsgrößen bis ca. 1mm bei der

Ermittlung der Betriebsfestigkeit abgedeckt werden.

Flanschseitige Klaffung Die geometrische Imperfektion mit der flanschseitigen Klaffung wirkt sich im Allgemeinen

positiv auf den Schraubenkraftverlauf bezüglich des Betriebsfestigkeitsnachweises aus. Der

Anstieg der Schraubenbeanspruchung liegt dabei unterhalb der einer perfekten Verbindung.

Schlussfolgerung Der Schraubenkraftverlauf einer imperfekten, vorgespannten Ringflanschverbindung ändert

sich bezüglich der einer perfekten, vorgespannten Verbindung in Abhängigkeit der

Imperfektionsart und –größe. Der Grund für die unterschiedlichen Verläufe der

Schraubenkräfte kann anhand der Druckkörper in der verspannten Flanschverbindung

verdeutlicht werden.

Dass die Schraubenkraft bereits unter geringeren Zugbeanspruchungen in der imperfekten

Ringflanschverbindung ansteigt, im Vergleich zu einer perfekten Verbindung, weist auf

unterschiedliche Druckkörperausbildungen in den Flanschen hin.

In einer perfekten Ringflanschverbindung mit zwei planebenen Flanschflächen in der

Trennfuge bildet sich nach dem Vorspannen dieser Verbindung ein annähernd

symmetrischer Druckkörper um die Schraubenachse aus.

Vorhandene geometrische parallele- oder turmseitige Klaffungen im Ausgangszustand

bewirken beim Vorspannen der Ringflansche ein überwiegendes Verlagern des

Druckkörpers zur Flanschinnenseite. Dabei kann sich bei großen Ausgangsklaffungen nur

ein geringer bzw. extrem verlagerter Druckkörper ausbilden, da ein Teil der Vorspannung zur

Verformung des Flansches aufgebracht wird (s. Abb. 8).

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Das Verlagern des Druckkörpers zur Flanschinnenseite findet in der perfekten Verbindung

mit zunehmender Zugbeanspruchung in der Turmwand statt. Bei bestimmten imperfekten

Verbindungen ist der Druckkörper bereits nach dem Vorspannen zur Flanschinnenseite hin

verlagert. Eine Beanspruchung der Turmwand auf der weniger ausgeprägten

Druckkörperseite verursacht somit ein früheres Klaffen der Verbindung als beim perfekten

Ringflansch.

Bei der flanschseitigen Klaffung hingegen bildet sich der Druckkörper vorwiegend auf der

Flanschaußenseite aus. Bei einer Zugbeanspruchung der Turmwand muss dieser

Druckkörper erst zur Flanschinnenseite verlagert werden bevor es zu einem ausgeprägten

Schraubenbeanspruchungsanstieg kommt.

Abb. 8: Druckkörper perfekter und imperfekter Ringflanschverbindungen

Nach dem Vorspannen der imperfekten Flanschverbindungen ergeben sich unabhängig von

der Klaffungsart zusätzliche Eigenspannungen in der Turmwand. Die Untersuchungen dieser

Biegespannungen im Turmblech sind jedoch nicht Bestandteil dieses Berichtes.

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Zusammenfassung

An Ringflanschverbindungen können aus fertigungs-, transport- und montagetechnischen Gründen geometrische Abweichungen (Imperfektionen) auftreten. Diese haben einen maßgebenden Einfluss auf den nichtlinearen Schraubenbeanspruchungsverlauf und somit auch auf die Betriebsfestigkeit der Ringflanschverbindung.

In den imperfekten Ringflanschen kommt es durch die Ausgangsgeometrie der Verbindung

zu einer Verlagerung oder sogar zu einer Abminderung des Druckkörpers im vorgespannten

Flanschstoß. Durch die Vorspannung wird je nach Imperfektionsart und –größe eine

überwiegend einseitig ausgeprägte Druckspannung erzeugt. Diese verminderte

Druckspannung auf der durch die Turmwand beanspruchten Flanschseite verursacht ein

früheres und steileres Ansteigen der Schraubenbeanspruchungsfunktion (bei der

turmseitigen- und der Parallel-Klaffung).

Auf die Imperfektionen an Ringflanschverbindung von extrem- und dynamisch

hochbeanspruchten Windenergieanlagen ist somit bei zukünftigen Untersuchungen ein

besonderes Augenmerk zu legen, um einen abgesicherten Betriebsfestigkeitsnachweis

führen zu können.

Vereinfachte Berechnungsmodelle decken Imperfektionen nur bis zu einem gewissen Grad

durch deren teilweise konservativen Ansätze ab.

Die rechnerische Erfassung der Schraubenbeanspruchungen imperfekter

Flanschverbindungen kann bislang nicht ohne erheblichen zeitlichen Aufwand vorgenommen

werden. In der Praxis sind daher entsprechende präventive Maßnahmen vorzunehmen.

Die Imperfektionen sind während und nach den Schweißvorgängen zu begrenzen. Eine

überwachte bzw. verbesserte Produktion ist daher unerlässlich. Weiterhin sind transport- und

montagetechnische Vorkehrungen zur Begrenzung von Deformationen der Bauteile

notwendig.

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Literatur

[1] DIBt-Richtlinie: Richtlinie für Windenergieanlagen, Einwirkungen und Standsicherheitsnachweise für Turm und Gründung

Kapitel 12.1, Entwurfsfassung März 2004

[2] Pollicino, F.: Untersuchungen zum Tragverhalten imperfekter Ringflanschverbindungen Diplomarbeit, August 2002 [3] Dalhoff, P.; Dombrowski, A.; Lehmann, D.: Berechnung großer Flanschverbindungen von

Windenergieanlagen

VDI Tagung, Kassel, 1998

www.gl-wind.com, Veröffentlichungen

[4] Petersen, C.: Nachweis der Betriebsfestigkeit exzentrisch beanspruchter Ringflanschverbindungen

Stahlbau 67 (1998), Heft 3, S. 191-203.

[5] Schmidt, H.; Neuper, M.: Zum elastostatischen Tragverhalten exzentrisch gezogener L-Stöße mit vorgespannten Schrauben

Stahlbau 66 (1997), Heft 3, S. 163-168.

[6] Seidel, M.: Zur Bemessung geschraubter Ringflanschverbindungen von Windenergieanlagen

Institut für Stahlbau, Dissertation, Heft 20, Universität

Hannover, 2001.

[7] Schmidt, H.; Jakubowski, A.: Ermüdungssicherheit imperfekter vorgespannter Ringflanschstöße in windbeanspruchten turmartigen

Stahlbauten

Universität Essen , Abschlußbericht 2001

[8] Kleineidam, P.: Untersuchungen zum Systemtragverhalten von Ringflanschverbindungen

Institut für Stahlbau, Universität Hannover, 1999.