Trainerberuf

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Rhein Main Presse Mittwoch, 28. November 2012 Mittwoch, 28. November 2012 3 BLICKPUNKT MAINZ. Lange hat Chris Faust überlegt. Soll ich? Soll ich nicht? Richtig wohl war ihm nicht da- bei. „Warum nicht“, dachte sich Faust schließlich, „ich habe ja einen Beruf wie jeder andere.“ Er recherchierte und griff zum Hö- rer. Am anderen Ende: die Agen- tur für Arbeit. Die innere Unsi- cherheit, das Gefühl, offiziell ein- zugestehen, Hilfe in Anspruch zu nehmen – das lastete alles schon schwer genug auf seinen Schul- tern. Diese Last wurde aber noch schwerer als Faust von Mitarbei- ter zu Mitarbeiter geschoben wurde. Schließlich, nach mehreren Sta- tionen, habe er den Leiter der Arbeitsagentur am Hörer gehabt. „Und der teilte mir mit, dass ich nirgendwo eingruppiert werden kann, weil es mein Berufsbild nicht gibt“, sagt der heute 44-Jäh- rige. Chris Faust ist Hockeytrai- ner. Hauptamtlich. Hochqualifi- ziert, motiviert – und anerkannt. Auch deshalb kam sich der Fami- lienvater vor wie in einem fal- schen Film. Als er von seinem Verein gefeuert worden war, in seiner Branche kein seltener Vor- fall, wollte Faust sich nur arbeits- los melden. Nicht der Verlust sei- nes Jobs („Jeder Trainer wird mal vor die Tür gesetzt.“) machte ihm zu schaffen, sondern die Er- kenntnis, dass es seinen Beruf in Deutschland gar nicht gibt. Weil die Mühlen der Ämter langsam mahlen, hatte er wäh- rend des Verfahrens schon einen neuen Job an der Angel. Hätte er aber die Hilfe der Agentur für Arbeit in Anspruch genommen, „wäre ich als freischaffender Künstler eingestuft worden“. Chris Faust ist einer von rund 2000 hauptamtlichen Trainern, die in Deutschland unter schlech- ten Bedingungen arbeiten und um ihre Existenz sowie Anerken- nung kämpfen. „Wir sind wirk- lich die Volldeppen“, sagt Faust. Das Training solle im Vorder- grund stehen, „aber das wird lei- der meistens zur Nebensache mangels Unterstützung der Klub- leitung. Die Vereine denken, ein Hauptamtler löst alle Probleme und lehnen sich zurück“, sagt Faust. Gemeinsam mit anderen ehemaligen Spitzenathleten ab- solvierte der Ex-Bundesligaspie- ler an der Trainerakademie in Köln den Diplom-Trainerlehr- gang. Eine bessere und fundierte- re Ausbildung gibt es in Deutsch- land nicht. Die Absolventen, unter ihnen Olympiasieger und Weltmeister wie Biathlet Ricco Gross oder Schwimmern Dag- mar Hase, sind staatlich geprüfte Trainer. „Staatlich geprüft“, be- tont Faust, „und genau dieser Staat erkennt den Trainerjob nicht als Berufsbild an. Dieses ganze Puzzle passt nicht.“ Stattdessen kämpfen die Trai- ner mit niedrigen Löhnen, gegen eine schlechte Rechtssituation und nicht zuletzt um eine höhere Wertschätzung in der Gesell- schaft. „In anderen Ländern ha- ben Trainer den Status eines Leh- rers. Ihnen wird der rote Teppich ausgelegt – alleine schon wegen ihrer Ausbildung“, schildert Faust. „In Deutschland denken die Leute dagegen, wir liegen je- den Tag bis zwölf Uhr im Bett und sind Berufsjugendliche.“ Der Trainer als ein Beruf, der eine Ausbildung voraussetzt und Fachkenntnis verlangt – dieses Bild ist in der öffentlichen Wahr- nehmung kaum vorhanden. Im Gegenteil. „Ich bin schon entlas- sen worden, weil ein Verein fast pleite war, weil er die Sanierung seiner Heizung nicht bezahlen konnte. Oder, weil ein Klub nach einem Rechtsstreit mit einem Pächter keine Einnahmen mehr hatte“, sagt Faust. Keine Wert- schätzung, kein Stellenwert. „Plötzlich stehst Du auf der Stra- ße.“ Chris Faust hat die Kurve be- kommen. Heute managet er sei- nen Heimatverein SaFo Frank- furt und ist Sportdirektor und Headcoach des tschechischen Hockeyverbandes – damit kann der 44-Jährige leben. Für einen Kollegen, mit dem Faust zusammen die Ausbil- dungsbank gedrückt hat, hat es nicht mehr gereicht. Deshalb hat Thorsten Ribbecke die Schnauze voll. „Ich bin aus Leidenschaft Trainer geworden, wollte dem Sport etwas zurückgeben“, sagt der Leichtathletikcoach. Heute kommt ihm dieser Gedanke wie ein naiver Traum vor. Zu hart war der emotionale und finan- zielle Aufprall, den Ribbecke spü- ren musste, als er durch den All- tag aus diesem Traum gerissen wurde. „Ich konnte nicht einmal meine Familie ernähren.“ Frust und Enttäuschung sitzen tief. So tief, dass sich Thorsten Ribbecke nicht mal vorstellen kann, in den hauptamtlichen Trainerberuf zu- rückzukehren. „Wenn, dann nur noch im Ehrenamt. Ich will un- abhängig bleiben“, sagt Ribbecke. An den Arbeitsbedingungen für Trainer in Deutschland lässt er kaum ein gutes Haar. „Wir sind die Mädchen für alles.“ Weil der 39-Jährige das Glück hat, dass seine Frau das Geschäft der El- tern übernimmt, „steige ich aus dem Beruf aus, um ihr den Rü- cken zu stärken.“ Damit bleibt ihm ein Anruf beim Arbeitsamt erspart – denn Frust hat er schon genug. Von Dennis Rink . In einer Studie hat sich die Uni- versität Tübingen mit der Situa- tion des Trainerberufs im olym- pischen Spitzensport beschäf- tigt. . Die Wissenschaftler haben 1812 Trainerinnen und Trainer sowie 616 Funktionsträger befragt. . Ein Großteil der Trainer befindet sich in einem rechtswidrigen Kettenarbeitsverhältnis. . Mehr als 50 Prozent der Hono- rartrainer verdienen weniger als 400 Euro pro Monat. . Mehr als die Hälfte der Trainer im Angestelltenverhältnis verdient brutto weniger als 3000 Euro pro Monat. . Eine differenzierte Beschrei- bung der Arbeitsaufgaben ist nicht der Regelfall.Trainer nehmen häufig Aufgaben wahr, für welche sie nicht zuständig sind. . Aus der Gruppe der Trainerinnen fühlt sich nahezu die Hälfte nicht anerkannt, ist mit der beruflichen Situation unzufrieden und durch die Arbeit stark belastet. STUDIE ZUR SITUATION DER TRAINER » Ich bin deprimiert, aber nicht resigniert. « CHRIS FAUST, Hockeytrainer Schattendasein TRAINER Trotz qualifizierter Ausbildung kämpft eine Berufsgruppe um mehr Lohn und Ansehen – auch auf dem Arbeitsamt » Ich konnte nicht einmal meine Familie ernähren. « THORSTEN RIBBECKE, ehemaliger Leichtathletikcoach ... und steht heute im Blickpunkt. Gut ausgebildet, motiviert, unter- bezahlt – rund 2000 hauptamtli- che Trainer kämpfen in Deutsch- land mit schlechten Arbeitsbedin- gungen. Aber die Branche wehrt sich. In Köln wurde mit dem Be- rufsverband der Trainer/innen im Deutschen Sport die erste Interes- senvertretung für Coaches in Deutschland gegründet. Die Prob- leme sind vielfältig. Schlechte Be- zahlung, aus dem Ruder laufende Arbeitszeiten – und obendrein ist die Berufsgruppe Trainer vom Staat noch nicht einmal anerkannt. DIE TRAINER-BRANCHE BRODELT... Fassungslos: Britta Steffen enttäuschte bei den Olympischen Spielen auf ganzer Linie. Foto: imago Mit eigenem Wissen besiegt TREND Immer mehr Coaches gehen ins Ausland / Quittung bei Olympia MAINZ (dri). Ratlosigkeit, wo man nur hinsah. Paul Bieder- mann blickte geschockt aus dem Becken auf die Anzeigetafel, Britta Steffen legte sich gefrustet mit Journalisten an – die deut- schen Schwimmer erlebten bei den Olympischen Spielen in London ein historisches Deba- kel. Steffen und Co. gewannen keine Medaille und trugen damit unfreiwillig ihren Teil dazu bei, dass das deutsche Team die Me- daillenvorgabe des Deutschen Olympischen Sportbundes deut- lich verfehlte. Geht es nach Chris Faust, war das keine Ausnahme, sondern eher die zukünftige Regel. „Das wird nur noch schlechter. Die Zeiten, das Deutschland im Me- daillenspiegel oben mitmischt, sind vorbei“, sagt der renom- mierte Hockeytrainer. Während in der öffentlichen Diskussion über die Gründe der Debakel in ehemaligen deutschen Vorzeige- Sportarten wie Schwimmen, Schießen oder Segeln auf die Athleten oder deren Trainingsbe- dingungen reduziert wurde, wur- de die Situation der Trainer, wenn überhaupt, nur zwischen den Zeilen thematisiert. Dabei sind eben jene Situation der Trai- ner und der sportliche Erfolg eng miteinander verbunden. „Wenn sich für die Trainer entscheiden- de Dinge ändern, wird sich das auch auf die Leistung der Athle- ten auswirken“, ist sich Faust si- cher. Als Erstes müsse das Be- rufsbild Trainer anerkannt wer- den, danach müssten Strukturen aufgebrochen und die Rahmen- bedingungen angepasst werden. Ex-Athlet als Sportminister? „Vielleicht brauchen wir auch einen gesonderten Sportminister. Am besten einen ehemaligen Athleten, der selbst erfolgreich war und Ahnung von der Bran- che hat.“ Derzeit zeichnet sich in Deutschland aber ein gegenläufi- ger Trend ab. Immer mehr Trai- ner ergreifen die Flucht ins Aus- land und folgen den finanziellen Lockrufen potenter Verbände. „Entweder Du resignierst oder Du veränderst dein Leben und gehst ins Ausland“, bringt Faust die Situation auf den Punkt. Traurig: Die deutschen Trainer, die ins Ausland gehen machen dort mit dem Know How der deutschen Trainerausbildung je- ne Nationen fit, die das deutsche Team bei Olympia in den Schat- ten stellen und die Medaillen ab- räumen. „Das muss man sich mal vorstellen“, sagt Faust. Die- ser Aspekt ist Teil eines Teufels- kreises. Denn die Fördergelder der Verbände sind an Erfolge ge- knüpft. Fehlen die Platzierungen, werden die Zuschüsse gekürzt – und für Trainer sowie Athleten ist noch weniger Geld da. Lösungen? Schwierig. Warum? „Der Sport in Deutschland ist krank. Das System ist krank. Das muss das Land wissen“, sagt Faust. „Wir sind nicht selbstkri- tisch.“ Im Sport sei viel Politik im Spiel. „Die Verbände wollen Ru- he haben und nichts hören. Das sind alles nur Lippenbekenntnis- se.“ Das Problem ist so komplex, die Strukturen verkrustet. Einen einfachen Lösungsansatz gibt es nicht. „Wir müssen weiterden- ken und neue Wege gehen“, for- dert Faust. Jeder Weg beginnt aber bekanntlich mit dem ersten Schritt – und der muss erst ein- mal gemacht werden. Überlastet und schlecht bezahlt FORDERUNG Berufsverband unterstützt die Trainer KÖLN/MAINZ (dri). Auf dem Schreibtisch von Dafni Bouzikou stapeln sich die Anmeldungen. „Die Trainer rennen uns die Bu- de ein“, sagt Bouzikou. „Das zeigt, wie groß die Not ist.“ Ge- meinsam mit einigen Kollegen hat die 43-Jährige den Berufsver- band der Trainer/innen im Deut- schen Sport (BVTDS) ins Leben gerufen – und dabei in ein Wes- pennest gestochen. Aus ganz Deutschland bekommt die ehe- malige Co-Trainerin des Basket- ball-Bundesligisten Frankfurt Skyliners Zuspruch. Denn Be- rufsverbände für Athleten gibt es viele, für Trainer bisher keine. Das wollte Bouzikou ändern. Enormer Erfolgsdruck „Ich habe lange in diesem Beruf gearbeitet und weiß, wie wenig Wertschätzung einem Trainer in der Öffentlichkeit entgegenge- bracht wird.“ Einzige Ausnahme sei der Fußball. In anderen Sport- arten werde der Erfolg in der Re- gel nur den Athleten zugeschrie- ben, der Misserfolg hingegen den Trainern. „Zudem stehen sie unter enormem Erfolgsdruck, sind aufgrund ihrer Arbeitszeiten völlig überlastet und schlecht be- zahlt.“ Dass Bouzikous Eindrü- cke nicht nur subjektive Wahr- nehmungen einer gefrusteten Trainerin sind, untermauert eine Studie der Universität Tübingen (siehe Infokasten links). Die öffentliche Wahrnehmung und das Gehalt – das sind Kern- punkte, die der BVTDS angehen will. „Vergleicht man den Sport mit der Wirtschaft, nehmen Trai- ner in ihren Vereinen Führungs- positionen ein.“ In der Wirtschaft sei es undenkbar, dass Führungs- kräfte nie gefördert und vertreten werden. „Im Sport ist das Alltag.“ Diesen Alltag wollen Bouzikou und ihre Kollegen aufbrechen und für bessere Bedingungen sor- gen. Der Berufsverband richtet sich daher an Trainer, die in Ver- bänden oder Vereinen hauptamt- lich tätig sind. Sie sollten Dip- lom-Sportwissenschaftler oder Diplom-Trainer sein oder die A- oder B-Lizenz des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) besitzen. Auf Notstände hinweisen „Eine Schwierigkeit ist aber, dass sich viele Leute, die irgend- wo Training geben, Trainer nen- nen dürfen.“ Jenes Problem ver- wässert das öffentliche Ansehen des Berufes. „Es gibt ja auch kei- ne Hobby-Ärzte.“ Der BVTDS will auf die Notstände in der Branche hinweisen und kritisiert in diesem Zusammenhang auch die Traineroffensive des DOSB. „Passiert ist seit ihrer Gründung nicht viel“, betont Bouzikou. „Eine reine Trainervertretung hat der DOSB auch nicht.“ Bouzi- kou fordert unter anderem, dass das Führen von Verhandlungen in die Ausbildung aufgenommen wird, um den Coaches zu zeigen, wie sie mehr aushandeln kön- nen. Um seine Ziele zu erreichen, muss der Berufsverband mit star- ker Stimme sprechen. „Je mehr Mitglieder wir haben, desto mehr Einfluss können wir nehmen“, sagt Bouzikou. Wie groß das Potenzial ist, das in dem Berufs- verband steckt, verdeutlicht eine Einladung. Dafni Bouzikou darf am „Sportpolitischen Frühstück“ mit dem Hamburger Innen- und Sportsenator Michael Neumann in Berlin teilnehmen. Die Stim- me wird schon jetzt gehört. www.bvtds.de w „Vom Hausmeister bis zum Sportwart“ KRITIK Ex-Leichtathletik-Trainer fehlt Berufsdefinition MAINZ. 35 Jahre lang war Herbert Czingon Trainer im Deutschen Leichtathletikver- band und gründete vor 17 Jah- ren die Trainerschule in Mainz. Im Interview mit dieser Zeitung spricht der 60-Jährige über schlechte Bezahlung, geringe Wertschätzung in der Öffent- lichkeit und warum das alles mit dem schlechten Abschnei- den des deutschen Teams bei Olympia 2012 zusammenhängt. Herr Czingon, Sie haben den Bundestrainerposten in der Schweiz übernommen und bereiten die Stabhochsprin- ger dort auf die Europameis- terschaft 2014 vor – auch eine Flucht vor den Arbeitsbedin- gungen für Trainer in Deutschland? Nein, ich hatte in meiner Zeit beim DLV keine schlechten Be- dingungen, sondern war zufrie- den. Jetzt habe ich die unver- hoffte Möglichkeit bekommen, gegen Ende meiner Laufbahn noch einmal eine andere He- rausforderung anzunehmen. Ich sehe aber schon den Trend, dass sehr erfolgreiche Trainer Angebote aus dem Ausland von aufstrebenden oder konkurrie- renden Nationen annehmen. Das ist ein interessanter Trend, wobei ich nicht sicher bin, ob das so sein muss. Ist der Trainerberuf in Deutschland für junge Men- schen noch attraktiv? Für junge Leute ist der Trai- nerberuf nicht unbedingt attrak- tiv, weil die Bezahlung schlecht und das Prestige gering ist. Selbst die festen Jobs als Bun- destrainer übersteigen nicht das Gehalt eines Studienrates am Gymnasium – und der Bundes- trainerjob ist doch die jeweils beste Position in jeder Sportart. Warum ist die Wertschätzung für Trainer in der Öffentlich- keit so gering? Häufig wird der Trainer als ge- gebener Faktor angesehen. Ver- bands- und Vereinstrainer ha- ben oft viele Aufgaben, die mit dem Arbeiten mit einer Gruppe von Athleten gar nichts zu tun haben. Die administrativen Auf- gaben reichen vom Hausmeis- ter bis zum Sportwart. Wir bräuchten eine klare Definition von Aufgaben und Zielgruppen für die Trainer. Deshalb war der Trainerberuf im alten Ostblock so hoch angesehen. Er war kla- rer definiert und greifbarer. In der Öffentlichkeit genießen nur Trainer in Mannschaftssportar- ten eine große Wertschätzung. In Einzelsportarten steht der Athlet im Mittelpunkt des Inte- resses und die Öffentlichkeit nimmt nicht wirklich war, was der Trainer leistet. Trainer, die über lange Zeit mit vielen Ath- leten Erfolge hatten, werden auch wahrgenommen. Ein Großteil verschwindet aber na- menlos in der Versenkung. Vor diesem ganzen Hinter- grund: Wenn Sie die Wahl hätten, würden Sie noch ein- mal Trainer werden? Ich würde wieder Trainer wer- den, weil ich so viel Schönes er- lebt habe. Mit jungen, talentier- ten und motivierten Sportlern zu arbeiten und Teil des Erfol- ges zu sein, war beeindruckend. Das geht aber auch nur mit Idealismus. Welche Chancen räumen Sie in diesem Zusammenhang dem neuen Berufsverband der Trainer ein? Der Trainerverband könnte unter anderem dafür sorgen, dass die Interessen der Trainer intensiver vertreten und die Arbeitsbedingungen verbessert werden. Zudem könnte der Ver- band verhindern, dass das Be- rufsbild nicht immer weiter nach unten dekliniert und die Trainerhonorierung weiter ge- senkt wird. Was muss sich ändern? Dafür gibt es kein Patentre- zept. Die Trainerförderung ist eng mit der Sportförderung ver- knüpft. Man muss überprüfen, wie die Trainerrolle definiert ist. Wir brauchen eine größere Mo- bilität bei den Anstellungsmög- lichkeiten und müssen Transpa- renz schaffen. Es wäre wichtig, wenn es eine Stelle gäbe, die als Ansprechpartner für Maßnah- men der Personalentwicklung, Weiterbildungsangebote und Wechselangebote zur Verfü- gung steht. Ich sehe eine Chan- ce, dass sich in Folge der Olym- pia-Diskussion immer mehr Trainer darüber klar werden, dass nur sie selbst ihre Interes- sen vertreten können und sonst niemand. Ich denke, dass eine bessere Berufsvertretung der Trainer zu besseren sportlichen Ergebnissen, auch bei Olympia, führen kann. Das Interview führte Dennis Rink. Der Ex-Bundestrainer Herbert Czingon sieht einen Prestige- mangel. Archivfoto: hbz / Jörg Henkel INTERVIEW Foto: imago

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Rhein Main Presse Mittwoch, 28. November 2012Mittwoch, 28. November 2012 3BLICKPUNKT

MAINZ. Lange hat Chris Faustüberlegt. Soll ich? Soll ich nicht?Richtig wohl war ihm nicht da-bei. „Warum nicht“, dachte sichFaust schließlich, „ich habe jaeinen Beruf wie jeder andere.“ Errecherchierte und griff zum Hö-rer. Am anderen Ende: die Agen-tur für Arbeit. Die innere Unsi-cherheit, das Gefühl, offiziell ein-zugestehen, Hilfe in Anspruch zunehmen – das lastete alles schonschwer genug auf seinen Schul-tern. Diese Last wurde aber nochschwerer als Faust von Mitarbei-ter zu Mitarbeiter geschobenwurde.Schließlich, nachmehreren Sta-

tionen, habe er den Leiter derArbeitsagentur am Hörer gehabt.„Und der teilte mir mit, dass ichnirgendwo eingruppiert werdenkann, weil es mein Berufsbildnicht gibt“, sagt der heute 44-Jäh-rige. Chris Faust ist Hockeytrai-ner. Hauptamtlich. Hochqualifi-ziert, motiviert – und anerkannt.Auch deshalb kam sich der Fami-lienvater vor wie in einem fal-schen Film. Als er von seinemVerein gefeuert worden war, in

seiner Branche kein seltener Vor-fall, wollte Faust sich nur arbeits-los melden. Nicht der Verlust sei-nes Jobs („Jeder Trainer wird malvor die Tür gesetzt.“) machte ihmzu schaffen, sondern die Er-kenntnis, dass es seinen Beruf inDeutschland gar nicht gibt.Weil die Mühlen der Ämter

langsam mahlen, hatte er wäh-rend des Verfahrens schon einenneuen Job an der Angel. Hätte eraber die Hilfe der Agentur fürArbeit in Anspruch genommen,„wäre ich als freischaffenderKünstler eingestuft worden“.

Chris Faust ist einer von rund2000 hauptamtlichen Trainern,die in Deutschland unter schlech-ten Bedingungen arbeiten undum ihre Existenz sowie Anerken-nung kämpfen. „Wir sind wirk-lich die Volldeppen“, sagt Faust.Das Training solle im Vorder-grund stehen, „aber das wird lei-der meistens zur Nebensachemangels Unterstützung der Klub-

leitung. Die Vereine denken, einHauptamtler löst alle Problemeund lehnen sich zurück“, sagtFaust. Gemeinsam mit anderenehemaligen Spitzenathleten ab-solvierte der Ex-Bundesligaspie-ler an der Trainerakademie inKöln den Diplom-Trainerlehr-gang. Eine bessere und fundierte-re Ausbildung gibt es in Deutsch-land nicht. Die Absolventen,unter ihnen Olympiasieger undWeltmeister wie Biathlet RiccoGross oder Schwimmern Dag-mar Hase, sind staatlich geprüfteTrainer. „Staatlich geprüft“, be-tont Faust, „und genau dieserStaat erkennt den Trainerjobnicht als Berufsbild an. Diesesganze Puzzle passt nicht.“Stattdessen kämpfen die Trai-

ner mit niedrigen Löhnen, gegeneine schlechte Rechtssituationund nicht zuletzt um eine höhereWertschätzung in der Gesell-schaft. „In anderen Ländern ha-ben Trainer den Status eines Leh-rers. Ihnen wird der rote Teppichausgelegt – alleine schon wegenihrer Ausbildung“, schildertFaust. „In Deutschland denkendie Leute dagegen, wir liegen je-den Tag bis zwölf Uhr im Bettund sind Berufsjugendliche.“ Der

Trainer als ein Beruf, der eineAusbildung voraussetzt undFachkenntnis verlangt – diesesBild ist in der öffentlichen Wahr-nehmung kaum vorhanden. ImGegenteil. „Ich bin schon entlas-sen worden, weil ein Verein fastpleite war, weil er die Sanierungseiner Heizung nicht bezahlen

konnte. Oder, weil ein Klub nacheinem Rechtsstreit mit einemPächter keine Einnahmen mehrhatte“, sagt Faust. Keine Wert-schätzung, kein Stellenwert.„Plötzlich stehst Du auf der Stra-ße.“Chris Faust hat die Kurve be-

kommen. Heute managet er sei-nen Heimatverein SaFo Frank-furt und ist Sportdirektor undHeadcoach des tschechischenHockeyverbandes – damit kannder 44-Jährige leben.Für einen Kollegen, mit dem

Faust zusammen die Ausbil-

dungsbank gedrückt hat, hat esnicht mehr gereicht. Deshalb hatThorsten Ribbecke die Schnauzevoll. „Ich bin aus LeidenschaftTrainer geworden, wollte demSport etwas zurückgeben“, sagtder Leichtathletikcoach. Heutekommt ihm dieser Gedanke wieein naiver Traum vor. Zu hartwar der emotionale und finan-zielle Aufprall, den Ribbecke spü-ren musste, als er durch den All-tag aus diesem Traum gerissenwurde. „Ich konnte nicht einmalmeine Familie ernähren.“ Frustund Enttäuschung sitzen tief. Sotief, dass sich Thorsten Ribbeckenicht mal vorstellen kann, in denhauptamtlichen Trainerberuf zu-rückzukehren. „Wenn, dann nurnoch im Ehrenamt. Ich will un-abhängig bleiben“, sagt Ribbecke.An den Arbeitsbedingungen für

Trainer in Deutschland lässt erkaum ein gutes Haar. „Wir sinddie Mädchen für alles.“ Weil der39-Jährige das Glück hat, dassseine Frau das Geschäft der El-tern übernimmt, „steige ich ausdem Beruf aus, um ihr den Rü-cken zu stärken.“ Damit bleibtihm ein Anruf beim Arbeitsamterspart – denn Frust hat er schongenug.

VonDennis Rink

. In einer Studie hat sich die Uni-versität Tübingen mit der Situa-tion des Trainerberufs im olym-pischen Spitzensport beschäf-tigt.

.DieWissenschaftler haben 1812Trainerinnen und Trainer sowie616 Funktionsträger befragt.

. Ein Großteil der Trainer befindetsich in einem rechtswidrigenKettenarbeitsverhältnis.

. Mehr als 50 Prozent der Hono-rartrainer verdienen weniger als400 Euro pro Monat.

. Mehr als die Hälfte der Trainerim Angestelltenverhältnis verdientbrutto weniger als 3000 Europro Monat.

. Eine differenzierte Beschrei-bung der Arbeitsaufgaben istnicht der Regelfall.Trainer nehmenhäufig Aufgaben wahr, für welchesie nicht zuständig sind.

.Aus der Gruppe der Trainerinnenfühlt sich nahezu die Hälfte nichtanerkannt, ist mit der beruflichenSituation unzufrieden und durchdie Arbeit stark belastet.

STUDIE ZUR SITUATION DER TRAINER

» Ich bin deprimiert, abernicht resigniert. «CHRIS FAUST, Hockeytrainer

SchattendaseinTRAINER Trotz qualifizierter Ausbildung kämpft eine Berufsgruppe

um mehr Lohn und Ansehen – auch auf demArbeitsamt

» Ich konnte nichteinmal meineFamilie ernähren. «THORSTEN RIBBECKE,ehemaliger Leichtathletikcoach

... und steht heute im Blickpunkt.Gut ausgebildet, motiviert, unter-bezahlt – rund 2000 hauptamtli-che Trainer kämpfen in Deutsch-land mit schlechten Arbeitsbedin-gungen. Aber die Branche wehrtsich. In Köln wurde mit dem Be-rufsverband der Trainer/innen im

Deutschen Sport die erste Interes-senvertretung für Coaches inDeutschland gegründet. Die Prob-leme sind vielfältig. Schlechte Be-zahlung, aus dem Ruder laufendeArbeitszeiten – und obendrein istdie BerufsgruppeTrainer vom Staatnoch nicht einmal anerkannt.

DIE TRAINER-BRANCHE BRODELT...

Fassungslos: Britta Steffen enttäuschte bei den Olympischen Spielen auf ganzer Linie. Foto: imago

Mit eigenem Wissen besiegtTREND Immer mehr Coaches gehen ins Ausland / Quittung bei Olympia

MAINZ (dri). Ratlosigkeit, woman nur hinsah. Paul Bieder-mann blickte geschockt aus demBecken auf die Anzeigetafel,Britta Steffen legte sich gefrustetmit Journalisten an – die deut-schen Schwimmer erlebten beiden Olympischen Spielen inLondon ein historisches Deba-kel. Steffen und Co. gewannenkeine Medaille und trugen damitunfreiwillig ihren Teil dazu bei,dass das deutsche Team die Me-daillenvorgabe des DeutschenOlympischen Sportbundes deut-lich verfehlte.Geht es nach Chris Faust, war

das keine Ausnahme, sonderneher die zukünftige Regel. „Daswird nur noch schlechter. DieZeiten, das Deutschland im Me-daillenspiegel oben mitmischt,sind vorbei“, sagt der renom-mierte Hockeytrainer. Währendin der öffentlichen Diskussionüber die Gründe der Debakel inehemaligen deutschen Vorzeige-Sportarten wie Schwimmen,Schießen oder Segeln auf dieAthleten oder deren Trainingsbe-dingungen reduziert wurde, wur-de die Situation der Trainer,wenn überhaupt, nur zwischen

den Zeilen thematisiert. Dabeisind eben jene Situation der Trai-ner und der sportliche Erfolg engmiteinander verbunden. „Wennsich für die Trainer entscheiden-de Dinge ändern, wird sich dasauch auf die Leistung der Athle-ten auswirken“, ist sich Faust si-cher. Als Erstes müsse das Be-rufsbild Trainer anerkannt wer-den, danach müssten Strukturenaufgebrochen und die Rahmen-bedingungen angepasst werden.

Ex-Athlet als Sportminister?

„Vielleicht brauchen wir aucheinen gesonderten Sportminister.Am besten einen ehemaligenAthleten, der selbst erfolgreichwar und Ahnung von der Bran-che hat.“Derzeit zeichnet sich in

Deutschland aber ein gegenläufi-ger Trend ab. Immer mehr Trai-ner ergreifen die Flucht ins Aus-land und folgen den finanziellenLockrufen potenter Verbände.„Entweder Du resignierst oderDu veränderst dein Leben undgehst ins Ausland“, bringt Faustdie Situation auf den Punkt.Traurig: Die deutschen Trainer,

die ins Ausland gehen machendort mit dem Know How derdeutschen Trainerausbildung je-ne Nationen fit, die das deutscheTeam bei Olympia in den Schat-ten stellen und die Medaillen ab-räumen. „Das muss man sichmal vorstellen“, sagt Faust. Die-ser Aspekt ist Teil eines Teufels-kreises. Denn die Fördergelderder Verbände sind an Erfolge ge-knüpft. Fehlen die Platzierungen,werden die Zuschüsse gekürzt –und für Trainer sowie Athletenist noch weniger Geld da.Lösungen? Schwierig.Warum?

„Der Sport in Deutschland istkrank. Das System ist krank. Dasmuss das Land wissen“, sagtFaust. „Wir sind nicht selbstkri-tisch.“ Im Sport sei viel Politik imSpiel. „Die Verbände wollen Ru-he haben und nichts hören. Dassind alles nur Lippenbekenntnis-se.“ Das Problem ist so komplex,die Strukturen verkrustet. Eineneinfachen Lösungsansatz gibt esnicht. „Wir müssen weiterden-ken und neue Wege gehen“, for-dert Faust. Jeder Weg beginntaber bekanntlich mit dem erstenSchritt – und der muss erst ein-mal gemacht werden.

Überlastet undschlecht bezahlt

FORDERUNG Berufsverband unterstützt die Trainer

KÖLN/MAINZ (dri). Auf demSchreibtisch vonDafni Bouzikoustapeln sich die Anmeldungen.„Die Trainer rennen uns die Bu-de ein“, sagt Bouzikou. „Daszeigt, wie groß die Not ist.“ Ge-meinsam mit einigen Kollegenhat die 43-Jährige den Berufsver-band der Trainer/innen im Deut-schen Sport (BVTDS) ins Lebengerufen – und dabei in ein Wes-pennest gestochen. Aus ganzDeutschland bekommt die ehe-malige Co-Trainerin des Basket-ball-Bundesligisten FrankfurtSkyliners Zuspruch. Denn Be-rufsverbände für Athleten gibt esviele, für Trainer bisher keine.Das wollte Bouzikou ändern.

Enormer Erfolgsdruck

„Ich habe lange in diesemBerufgearbeitet und weiß, wie wenigWertschätzung einem Trainer inder Öffentlichkeit entgegenge-bracht wird.“ Einzige Ausnahmesei der Fußball. In anderen Sport-arten werde der Erfolg in der Re-gel nur den Athleten zugeschrie-ben, der Misserfolg hingegen denTrainern. „Zudem stehen sieunter enormem Erfolgsdruck,sind aufgrund ihrer Arbeitszeitenvöllig überlastet und schlecht be-zahlt.“ Dass Bouzikous Eindrü-cke nicht nur subjektive Wahr-nehmungen einer gefrustetenTrainerin sind, untermauert eineStudie der Universität Tübingen(siehe Infokasten links).Die öffentliche Wahrnehmung

und das Gehalt – das sind Kern-punkte, die der BVTDS angehenwill. „Vergleicht man den Sportmit der Wirtschaft, nehmen Trai-ner in ihren Vereinen Führungs-positionen ein.“ In derWirtschaftsei es undenkbar, dass Führungs-kräfte nie gefördert und vertretenwerden. „Im Sport ist das Alltag.“Diesen Alltag wollen Bouzikou

und ihre Kollegen aufbrechenund für bessere Bedingungen sor-gen. Der Berufsverband richtetsich daher an Trainer, die in Ver-bänden oder Vereinen hauptamt-lich tätig sind. Sie sollten Dip-lom-Sportwissenschaftler oderDiplom-Trainer sein oder die A-oder B-Lizenz des DeutschenOlympischen Sportbundes(DOSB) besitzen.

Auf Notstände hinweisen

„Eine Schwierigkeit ist aber,dass sich viele Leute, die irgend-wo Training geben, Trainer nen-nen dürfen.“ Jenes Problem ver-wässert das öffentliche Ansehendes Berufes. „Es gibt ja auch kei-ne Hobby-Ärzte.“ Der BVTDSwill auf die Notstände in derBranche hinweisen und kritisiertin diesem Zusammenhang auchdie Traineroffensive des DOSB.„Passiert ist seit ihrer Gründungnicht viel“, betont Bouzikou.„Eine reine Trainervertretung hatder DOSB auch nicht.“ Bouzi-kou fordert unter anderem, dassdas Führen von Verhandlungenin die Ausbildung aufgenommenwird, um den Coaches zu zeigen,wie sie mehr aushandeln kön-nen.Um seine Ziele zu erreichen,

muss der Berufsverband mit star-ker Stimme sprechen. „Je mehrMitglieder wir haben, desto mehrEinfluss können wir nehmen“,sagt Bouzikou. Wie groß dasPotenzial ist, das in dem Berufs-verband steckt, verdeutlicht eineEinladung. Dafni Bouzikou darfam „Sportpolitischen Frühstück“mit dem Hamburger Innen- undSportsenator Michael Neumannin Berlin teilnehmen. Die Stim-me wird schon jetzt gehört.

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„Vom Hausmeisterbis zum Sportwart“

KRITIK Ex-Leichtathletik-Trainer fehlt Berufsdefinition

MAINZ. 35 Jahre lang warHerbert Czingon Trainer imDeutschen Leichtathletikver-band und gründete vor 17 Jah-ren die Trainerschule in Mainz.Im Interview mit dieser Zeitungspricht der 60-Jährige überschlechte Bezahlung, geringeWertschätzung in der Öffent-lichkeit und warum das allesmit dem schlechten Abschnei-den des deutschen Teams beiOlympia 2012 zusammenhängt.

Herr Czingon, Sie haben denBundestrainerposten in derSchweiz übernommen undbereiten die Stabhochsprin-ger dort auf die Europameis-terschaft 2014 vor – auch eineFlucht vor den Arbeitsbedin-gungen für Trainer inDeutschland?Nein, ich hatte in meiner Zeit

beim DLV keine schlechten Be-dingungen, sondern war zufrie-den. Jetzt habe ich die unver-hoffte Möglichkeit bekommen,gegen Ende meiner Laufbahnnoch einmal eine andere He-rausforderung anzunehmen.Ich sehe aber schon den Trend,dass sehr erfolgreiche TrainerAngebote aus dem Ausland vonaufstrebenden oder konkurrie-renden Nationen annehmen.Das ist ein interessanter Trend,wobei ich nicht sicher bin, obdas so sein muss.

Ist der Trainerberuf inDeutschland für junge Men-schen noch attraktiv?Für junge Leute ist der Trai-

nerberuf nicht unbedingt attrak-tiv, weil die Bezahlung schlechtund das Prestige gering ist.Selbst die festen Jobs als Bun-destrainer übersteigen nicht dasGehalt eines Studienrates amGymnasium – und der Bundes-trainerjob ist doch die jeweilsbeste Position in jeder Sportart.

Warum ist die Wertschätzungfür Trainer in der Öffentlich-keit so gering?Häufig wird der Trainer als ge-

gebener Faktor angesehen. Ver-bands- und Vereinstrainer ha-ben oft viele Aufgaben, die mitdem Arbeiten mit einer Gruppevon Athleten gar nichts zu tunhaben. Die administrativen Auf-gaben reichen vom Hausmeis-ter bis zum Sportwart. Wirbräuchten eine klare Definitionvon Aufgaben und Zielgruppenfür die Trainer. Deshalb war derTrainerberuf im alten Ostblockso hoch angesehen. Er war kla-rer definiert und greifbarer. Inder Öffentlichkeit genießen nurTrainer in Mannschaftssportar-ten eine große Wertschätzung.In Einzelsportarten steht derAthlet im Mittelpunkt des Inte-resses und die Öffentlichkeitnimmt nicht wirklich war, was

der Trainer leistet. Trainer, dieüber lange Zeit mit vielen Ath-leten Erfolge hatten, werdenauch wahrgenommen. EinGroßteil verschwindet aber na-menlos in der Versenkung.

Vor diesem ganzen Hinter-grund: Wenn Sie die Wahlhätten, würden Sie noch ein-mal Trainer werden?Ich würde wieder Trainer wer-

den, weil ich so viel Schönes er-lebt habe. Mit jungen, talentier-ten und motivierten Sportlernzu arbeiten und Teil des Erfol-ges zu sein, war beeindruckend.Das geht aber auch nur mitIdealismus.

Welche Chancen räumen Siein diesem Zusammenhangdem neuen Berufsverbandder Trainer ein?Der Trainerverband könnte

unter anderem dafür sorgen,dass die Interessen der Trainerintensiver vertreten und dieArbeitsbedingungen verbessertwerden. Zudem könnte der Ver-band verhindern, dass das Be-rufsbild nicht immer weiternach unten dekliniert und dieTrainerhonorierung weiter ge-senkt wird.

Was muss sich ändern?Dafür gibt es kein Patentre-

zept. Die Trainerförderung isteng mit der Sportförderung ver-knüpft. Man muss überprüfen,wie die Trainerrolle definiert ist.Wir brauchen eine größere Mo-bilität bei den Anstellungsmög-lichkeiten und müssen Transpa-renz schaffen. Es wäre wichtig,wenn es eine Stelle gäbe, die alsAnsprechpartner für Maßnah-men der Personalentwicklung,Weiterbildungsangebote undWechselangebote zur Verfü-gung steht. Ich sehe eine Chan-ce, dass sich in Folge der Olym-pia-Diskussion immer mehrTrainer darüber klar werden,dass nur sie selbst ihre Interes-sen vertreten können und sonstniemand. Ich denke, dass einebessere Berufsvertretung derTrainer zu besseren sportlichenErgebnissen, auch bei Olympia,führen kann.

Das Interview führteDennis Rink.

Der Ex-Bundestrainer HerbertCzingon sieht einen Prestige-mangel. Archivfoto: hbz / Jörg Henkel

INTERVIEW

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