Transsib für Anfänger

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Transsib für Anfänger von Georg Rehberger politisch korrekter wahrheitsgetreuer ungekürzter Reisebericht aus Russland

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Reisebericht aus Russland. Petersburg bis Sibirien.

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Transsib für Anfängervon

Georg Rehberger

politisch korrekterwahrheitsgetreuer

ungekürzterReisebericht

aus Russland

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Prolog

Mein erstes mal Russland, mein erstes Mal alleine außerhalb Euro-pas reisen, das erste Visum. Da fangen die Probleme an. Wie gut wir es doch haben: „Für deutsche Staatsbürger besteht keine Visumspflicht“, das bin ich gewohnt. Drei Mal zu einem nuschelnden Russen an den Schalter zu kriechen weniger.

In einer hübschen Münchner Villa mit deutschem Nummernziehsy-stem (leicht modifiziert zur besseren Verwirrung) residiert der russische Konsul in Süddeutschland. Das lange Warten und Zittern, ob man ja auch die richtigen Dokumente dabei hat, wird versüßt durch die Scha-denfreude, die Anderen Bittsteller scheitern zu sehen:„Ja, hättest du mal die 2,4cm Dokumentenrand eingehalten, du Anfänger!“

Es wird nie langweilig in der russischen Botschaft, und die Russen ha-ben einen Sinn für Kultur, das merkt man gleich. Besonders für Kafka, der wird hier besonders gerne inszeniert.

Der alte Mann K. an der Glasscheibe : „Das ist das Papier“. Die unsichtbare andere Seite nuschelt unverständlich. K.: „Sie müssen sich irren, das ist es. Ich habe es extra mitgebracht!“ Die unsichtbare Scheibe zischt etwas.„Ja“, zitternd kramt K. in seinen Taschen. Er schaut ängstlich in die Scheibe, als wollte er den anderen mit Mitleid überzeugen. Er findet ein Papier und schluckt. Er reicht es durch.Die Scheibe sagt: „Das ist das Falsche.“Verzweifelt drückt K. gegen die Scheibe, doch es hilft nichts. Er muss nächste Woche wieder kommen.

Im Sommer 2010 reise ich für 17 Tage nach Russland. Zuerst ein paar Tage St. Petersburg, dann Moskau und mit der Transsibirischen Eisen-bahn dann über Jekaterinburg nach Irkutsk. In Sibirien besuchen wir den Baikalsee und bleiben drei Tage. Von Irkutsk fliege ich wieder nach München und bekomme einen waschechten Kulturschock: Nach 2 Wo-chen Russland kann ich hier tatsächlich wieder alles verstehen, alles lesen und es gibt Regeln, die Sinn machen.

Russland ist nichts für Leute mit schwachen Nerven. Lesen Sie selbst.

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TAG 1

Der Münchner Flughafen empfängt mich mit roter Pornobeleuchtung über dem Rollband. Das stimuliert mich, ich tausche all mein Geld in Rubel um. Ab ins Flugzeug und mein Leidensweg beginnt:

Fette Menschen. Vor mir watschelt eine stumpige Frau den Gang entlang. Mein Gebet wird zwar erhört, aber Gott hat einen anderen Fet-ten als Ersatz besorgt, der mir die 2 Stunden 40 nach St.Petersburg zur Seite sitzt, halb auf meinem Platz. Einfach nicht bewegen, die erste Geduldsprobe meiner Reise beginnt.

Gelandet und durch kilometertiefe U-Bahn-Schächte rollgetreppt, er-reichen wir das Apartement von Anya in Sovietblock Ost. Gepäck ent-laden, Durst: In ganz Russland kann man das Wasser aus der Leitung nicht trinken, dafür gibt’s Milch – die stärkt.

Als Vorletzter stoße ich zur Gruppe, in einer alten Backfabrik nahe der Stadtmitte. Gleich hier lerne ich meinen treusten Begleiter der nächsten zwei Wochen kennen: Quas. Ein Malzgetränk mit Kräutern, leicht säuerlich und sehr erfrischend. In der erbarmungslosen Höl-le der nächsten Sonnentage werde ich meinen Freund oft brauchen. Viel Zeit bleibt nicht, da stolpert schon der vermisste Präsident von AEGEE-St.Petersburg durch die Tür, standesgemäß shitfaced.

Es ist soweit, Kosaken! Auf geht‘s zur ersten Party. Vorher werden wir noch reichlich mit Münzen beschenkt – leider nicht aus Gold, aber gut für die U-Bahn. Nach dem ersten langen Marsch erreichen wir eine Dachterassenparty, mit schöner Aussicht auf wahlweise einen Hinter-hof oder die reichlich gepiercte Punkerin aka Barkeeperin. Noch ist das lange Warten und die ungewisse Planung erschreckend für mich. Das sollte sich bald ändern.

Nachts werden in St.Petersburg zwei Vorsichtsmaßnahmen getroffen. Erstens klappt man alle Brücken hoch, so daß marodierendes Partyvolk nicht von der Hauptinsel herunterkann. Zweitens lässt man die Sonne einfach auch nachts an – so kann man sich nicht im Schatten verstecken und aus lauter Scham, vermeintlich bis zum Mittag gesoffen zu haben, geht man schon um vier nach Hause.

Ein weiterer Garant für Sicherheit ist das Taxensystem. Man fährt nämlich nicht mit richtigen Taxen, sondern winkt sich einfach ein be-

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liebiges Auto heran. Halt! Das stimmt nicht ganz. Erstens sind es keine beliebigen Autos, sondern Irre, die morgens um 5 planlos durch die Stadt fahren. Und dazu winkt man sie nicht heran, sondern die hübschen Mäd-chen präsentieren ihre Beine am Straßenrand.

Nachdem also ein Preis ausgemacht ist (für die Fahrt, für die Fahrt!), steigt man in den 30 Jahre neuen Lada und los geht’s. Leider hatten wir versäumt, den Fahrer zu fragen, ob er wirklich darauf bestehe, sei-nen Schranz-Techno-Mix auf 3000 Dezibel zu hören. Er bestand. Aber er zeigte Verständnis und bat uns an, auszusteigen. Ganz nett, so eine Fahrt in der Loveparade.

TAG 2

Der rote Faden der nächsten 15 Tage beginnt mit den ersten Worten des Tages: „Get up, we are already late!“. Zuspätkommen, eine Frage der Perspektive. Nach 3 Stunden Schlaf in Hitze, einem Käsebrot und Milch am Morgen bin ich bereit für die Summer University. Die Organi-zer größtenteils nicht: Sie hatten das Motto „party harder than your par-ticipants“ zu wörtlich genommen. Eine der Natashas hatte nach Hause getragen werden müssen. Ihre drei Gäste konnten leider weder russisch noch wussten sie die Adresse, also hatten sie die rettende Idee: Aus Na-tashas Handy hatten sie den Eintrag herausgesucht, der am ehesten nach „Mama“ aussah und riefen auf gut Glück an. Der Taxifahrer über-setzte und brachte die Crew glücklich nach Hause. Eine Ausnahmeer-scheinung, wie wir in Moskau feststellen würden.

Der Tag beginnt mit Palästen und Kirchen, durchzogen von schöner Aussicht auf die vielen Kanäle, die blauen Adern von St.Petersburg. Mit einem Schiffchen geht‘s durch dieselben, unter unzähligen Brücken hin-durch. Einer der vielen Aberglauben in Russland schreibt vor, sich unter jeder Brücke zu küssen – auch eine nette Art des ice breakings. Beru-higt vom Schaukeln, gekühlt vom Seewind schiffen wir an der „Aurora“ vorbei, dem Symbol der Oktoberrevolution. Weiter an Gazprom vorbei, dem Symbol der Ölrevolution. Abends typisch russisch essen in der Su-shibar und dann typisch russisch WM schauen im Pub. In einem sehr, sehr stickigen Pub bei 30°C, mit jeder Menge Spaniern und nur einer

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handvoll Holländern. Die Spannung und die Luft, beides zum Schnei-den. Biergläser verharren auf dem Weg zum Mund, eine stille, Madame-Tussaud-esque Stimmung.

Nach dem Siegestanz der Spanier vor dem Pub und wahren Tränen bei den Holländern gehen wir früher als sonst nach Hause, sogar vor Öff-nung der Brücken. Ein echter Leningrader Cowboy fährt uns diesmal, macht ein paar lustige Bemerkungen auf Deutsch als er mich entlarvt hat. Zum Abschied tippt er an seinen Hut und wünscht uns „Schnaps!“.

TAG 3

Nach längerem Schlaf (4 Stunden) geht’s heute auf nach Peterhof. Das bescheidene Sommeranwesen des Zaren liegt direkt am Golf von Finnland und beherbergt etwa 8 Millionen Springbrunnen. Nach einem zermürbenden Gewaltmarsch durch die seltsam schattenlose Wäld-chenwüste erfahren wir das Programm für den Nachmittag: Schaschlik grillen! Sehr gut, denkt sich der Europäer. Das wird ein leckeres, ge-mütliches, in-der-Nähe-liegendes Grillfest. Oh, du kulturell knapp bei Kasse stehender Karnevalstourist!

Als die ersten aus der verstreuten Gruppe verdurstet am Wegrand mumifiziert liegengeblieben sind, trällert der Organizer „C‘mon guys, it‘s, like, 5 minutes more!“. Das „like“ lässt ahnen, dass ein Kontinental-drift bevorsteht. Aber der Reli-Unterricht lehrt: Am Schluss kommt die Akzeptanzphase, und da bin ich jetzt angelangt. Russland, 1:0 für dich. Und dabei ist es Sommer! Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie man hier im Winter irgendwo hinkommt. Zum Glück würde das niemand versuchen, der noch ganz ... Oh. Bonaparte und Adolf, Ihr zwei habt‘s probiert. Na dann geb ich es ebenfalls auf, und trotte meinem Zug hin-terher durch den Birkenwald.

Auf dem Weg zum mückenumschwirrten Flachwassersumpf schlep-pen wir uns an einem Fluss mit halbem Wasserstand entlang, in dem es seltsam glitzert. Verrostende Rohre liegen dort unten im Schlick, sie scheinen den Fluss entlangzulaufen. Die Vorschläge, es sei eine Abwas-serleitung, die sich den Weg zum Meer praktischerweise durch direkte Flussverseuchung spart, werden verworfen. Natürlich wirkt es wie eine

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alte, verrostende Seuchenpumpe; das muss es auch! Wer würde gerade hier den Sowjetischen Teilchenbeschleuniger vermuten, der seinerzeit auf einer Länge von 40 km hier durch diesen Fluss angelegt wurde? Bequemerweise genau so, dass man an seinem Ende Schaschlik grillen kann. Da sag‘ noch einer, die Russen verstünden nichts von Freizeitpla-nung.

Abends bleibt nach dem Martertag noch eine halbe Stunde, sich um-zuziehen. Dann schnell an der Ecke einen Pfannkuchen (typisch rus-sisch, sagt Sergey) und ab zur European Night. Wer noch nie auf einer solchen Veranstaltung war, dem sei geraten: Unbedingt hingehen, aber um Gottes Willen vorher Lebertran trinken. Lebertraining soll auch hel-fen. Die anwesenden glorreichen Nationen und Griechenland stellen sich jeweils mit repräsentativen Schnäpsen vor. Dann werden die Schnäpse gesoffen. In einem Rekordtempo, nach einer halben Stunde ist nichts mehr da, und nach weiteren dreißig Minuten ist die Luft so voller Alko-hol, dass die Europäische Luftsauberkeitsbehörde einen Tobsuchtsanfall bekommen würde, um danach kotzend über dem Lenindenkmal zu hän-gen. Leider findet unsere European Night in einem Keller statt. Leider ist es draußen abends immer noch 35°C und leider leider hat der Keller weder Fenster noch eine Klimaanlage.

Das Ergebnis ist der Alptraum der Münchner Mietervereinigung ge-gen Lärm e.V.: Vierzig stark alkoholisierte junge Leute, mit Flaggen und Partyhüten ausgestattet, die, grölend und schwankend, selig eine europäische Einigkeit leben, die selbst Schumann auf 50 Gramm LSD, sabbernd über seinem Brüsseler Schreibtisch hängend, niemals voraus-gesehen haben könnte.

TAG 4

Wir sind spät dran. Ich bleibe ruhig, ja ich fühle eine gewisse Befriedi-gung. Wir sind spät dran und es macht mir nichts mehr aus... Ein kleiner deutscher Teil von mir ist wohl gestern verdurstet und dann ersoffen. Die letzten Meter zur Heremitage hetzen wir dann doch – vor dem riesigen Palast wartet der Rest unserer Gruppe schon ungeduldig in der prallen Hitze. Die Stadtresidenz beinhaltet eines der größten Museen Europas

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und definitiv größte Bildersammlung, wenn man unserer bezaubernd schönen Führerin glauben darf. Abgesehen von der schieren Prunkkraft des Palastes und der Masse an Gold, die man hier auf Sklavenrücken hineingeprügelt hat, ist es wieder unerträglich tropisch.

Das Wetter hat zu der Hitze noch eine Prise Feuchtigkeit hinzuge-fügt. Der Tim Mälzer des Wetterspiels hat sich etwas vergriffen. Zwi-schen zwei Gruppen Chinesen vor uns und einer Gruppe Taiwaner, die uns mit ihren Schirmchen durch den Palast scheuchen, dünsten wir dermaßen, daß ich Angst um das grandiose Parkett habe. Zum Glück ist es gegen Schweißtsunamis versiegelt. Wir werden von einem Raum in den nächsten geschoben, jeder noch herrlicher, noch goldener, noch mar-morner mit noch mehr Gemälden von Generälen mit noch buschigeren Schnauzbärten. Im zehnten Zimmer erfahren wir, dass dies immer noch der Empfangsbereich des Palastes ist und tatsächlich nur dazu diente, um den anderen europäischen Bonzen zu zeigen, dass man in Russland ihr St.Moritz auf dem Zarenklo durch die fürstliche Nase zu ziehen pflegt. Ein ganzer Palast, so teuer wie Ostdeutschland, wenn man es mit Kaviar auffüllt, nur um anzugeben. Ich hätte die ganze Kohle ja in ein ordentliches Abwassersystem gesteckt, die Zaren haben es lieber das Klo runtergespült. Wenigstens lebt St. Petersburg jetzt davon.

Abends verabschieden wir uns dann von der Stadt der tausend Kanä-le und der koksenden Zaren, steigen in einen Sowjetzug und düsen über Nacht nach Moskau. Unter mir haben zwei Frauen in mittlerem Alter das Vergnügen, eine AEGEE Gruppe hautnah zu erleben. Nach 20 Mi-nuten kommt die erste Beschwerde. Die Damen konnten nicht in Ruhe ihre eingelegten Gurken essen, nehme ich an. Am Ende gehen wir eben im anderen Wagen Vodkatr.. kulturelle Lektionen lernen.. Ich beginne, mich an Russland zu gewöhnen.

TAG 5

Ich erlebe meine erste Nacht im russischen Zug. Eine mit Leder be-zogene Pritsche zwingt mich zur Embryohaltung, eingezwängt kauernd und im Herumschleudern Schlaf simulierend. Die stundenlange Ein-fahrt durch Vororte macht aus der Millionenstadt Moskau eine ewig

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langgezogene Siedlung von Datschas. In den frühen Morgenstunden kommen wir an, wir steigen um, sehen die grandiosen U-Bahnstationen Moskaus und erreichen endlich Lyubas Apartement. Es liegt am „Slawi-schen Boulevard“ – more like Betonblock Boulevard.

Die ganze Reisegruppe wurde auf verschiedene Gastgeber verteilt.Lyuba bekommt 5 Jungs aus vier Ländern (Holland, Deutschland,

Ungarn und Belgien). Und weil wir Jungs sind, vertrauen wir unserem eingebauten Orientierungssinn, um sich den Weg von der U-Bahn zu un-serem Apartement zu merken. Wohin das führt werden wir noch sehen... Aber zuerst müssen wir uns mit Vincent beschäftigen, der hat sich näm-lich im Badezimmer eingesperrt und kommt nicht mehr raus. Es werden Schweizermesser gezückt und Gabeln in Schlösser gesteckt, kurz: der ganze männliche Erfindungsgeist angewendet. Nach einer Viertelstun-de schließlich ist Vincent wieder draußen. Er befreit sich zwar selber, indem er zuerst in Ruhe duscht und danach selbst das Schloss von innen öffnet; wir verbuchen es dennoch als Erfolg unseres Tüftlerkönnens. Bei Lyuba gibt es zum ersten Mal während dieser Reise (Tag 5!) ordentliches Essen, sogar mit Kaffee und frischen Kirschen. Ein Traum! Ich bin auch die eiskalte Dusche im Wohnblock nicht nur gewohnt, ich freue mich auf sie.

An unserem Treffpunkt, dem Kreml, erwarten uns null andere Teil-nehmer und 36°C Sonne. Von den saharischen Temperaturen lassen sich drei Soldaten offenbar nicht beeindrucken. In voller Montur und bewaff-net bewachen zwei Kerle eine brennende Fackel, während der dritte sich im Stehen in einem Wachhäuschen ausruht. Das ganze stellt das Mahn-mal Des Zweiten Weltkrieges dar und die Waffenträger sorgen dafür, daß kein Tourist auf die Idee kommt, die Flamme anzufingern. Nach zweimaliger Warnung haben die Soldaten das Recht, auf den Touristen zu schießen. An sich ganz logisch. Nur: warum sagt man das den Touris vorher?

Wir entscheiden uns, lieber ein bisschen dem Plan zu folgen und ein-fach ewig auf die anderen zu warten. Ich gewöhne mich daran, mit sto-ischer Miene einfach alles hinzunehmen und bin nicht überrascht, als man uns nach einer Stunde des Ausharrens vor dem Kreml nun in einer halben Stunde durchhetzen muss, weil wir ja so spät dran sind. Wir sehen drei Kirchen, die innen ein bisschen an bemalte Höhlen erinnern, nur mit mehr Priestern. Davor stehen die Zarenglocke und die Zaren-

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kanone. Mir wurde versichert, daß damit keine Zaren verschossen wur-den. Eigentlich schade. Es bleibt am Ende vom Kreml zu sagen: Er ist voller Kirchen, umgeben von einer roten Mauer. Der Rote Platz dagegen ist nicht rot. Daneben steht allerdings eine Basilika mit Eiskremtürmen außerordentlich schön in der Abendsonne.

Hungrig suchen wir alle gemeinsam in Moskaus teuerstem Einkaufs-zentrum nach einem Café. Die genervten Teilnehmer schicken sich ge-rade an, eine verfrühte Augustrevolution loszubrechen, da finden wir endlich einen Platz. Aus Frust und Durst suchen wir Jungs danach ein kühles Blondes. Die Organisatoren versichern uns „Yeah you can buy something to drink and sit somewhere here.“ Wir machen das, öffnen ge-rade unser Bier und erfahren interessanterweise „You know that drin-king alcohol in the streets is illegal here?“. Thanks! Nachts ziehen wir dann trotzdem in den Park um und begegnen einem verständnisvollen Obdachlosen. Er bietet den Mädels Pappe zum Sitzen an, man kenne das ja. Zum Abschluss rufen mir die Russinnen ein „Taxi“, also eine planlos herumfahrende Nachteule. Aber der Fahrer versichert zu wis-sen, wo ich hinwill und so startet die Odyssee.

Diesen Taxifahrer als unfähig zu bezeichnen trifft nicht einmal an-nähernd die Tatsachen. Zuerst ist es natürlich kein richtiger Taxifah-rer, der dazu weder über ein Navi verfügt, noch über eine irgendeine Karte oder gar gesunden Menschenverstand. Zweitens klingt er wie ein Eunuch, der Helium durch eine Didgeridoo-Bong gesogen hat. Seine ex-treme Fistelstimme ist also schon allein ein gewaltiges Hindernis, aber weil er ja absolut unwissend über seine aktuelle Position ist, muss er dazu ständig Passanten nach dem Weg fragen. Er kommt immer mehr in Stress, verfährt sich immer hoffnungsloser, hält an, fragt morgens um 4 Leute, die sich nicht mal mehr selber auf dem Gehweg halten können, nach dem Weg, wird von ihnen ausgelacht, fährt weiter, immer nervöser, während sein Deutscher Fahrgast immer wahnsinniger auf einen Zettel mit seiner Adresse haut und ihn anschreit: SLOVENSKA BOULVARD, SLO-VEN-SKA BOULVARD!!

Am Ende gibt er auf und lässt mich gehen. Ich finde durch ein Wun-der die richtige Station, aber jetzt kommt erst das Problem: Ich habe keine Ahnung, wie ich von hier zu Lyubas Wohnung komme! Ich hatte in der Eile und Selbstüberschätzung vergessen, mir den genauen Weg durch dieses Betonblocklabyrinth zu merken. Und jetzt, um 5 Uhr mor-

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gens, wie soll ich da meinen Pfad wiederfinden? In der Verzweiflung fra-ge ich einen rumlungernden Russen, wedele mit meinem abgegriffenen Ausdruck meiner Adresse herum und lege alle meine Hoffnung in sei-ne Hände. Und er rettet mich! Er weiß tatsächlich wohin ich muss, der Mann ist nämlich ein richtiger Taxifahrer bei seiner Pausenzigarette. Er fährt mich auch genau vor die Haustür und ich falle abgebrannt und am Ende in das richtige Bett. Moskau, oh Moskau!

TAG 6

Ich wache in der festen Überzeugung auf, die beste Story des Jahr-hunderts zu haben. Voll Vorfreude sehe ich meine Mitreisenden beim Frühstück an. Bald erzähl’ ich sie euch, meine unglaubliche Geschichte, denke ich. Grade setze ich an „Na, wie seid ihr nach Hause gekommen?“ da klingelt es an der Türe. Thomas wankt ins Zimmer, komplett mit Augenringen von Goodyear und Guantanamo-Look. Tja, der Kerl hat scheinbar noch ne bessere Story auf Lager – er hat... und er fängt an zu erzählen:

„Nachdem ich also dieses Mädel noch nach Hause gebracht hatte, spät-nachts und in einem U-Bahnsystem einer fremden Stadt... Ich kann ja die Schrift nicht mal lesen! Ich bin dann so um 5 los. Natürlich die falsche U-Bahn genommen. Kein Problem, man kann ja einfach aus-steigen und auf der anderen Seite in die entgegengesetzte Richtung einsteigen, ne?“ Wir nicken, „ja, gute Idee“. Thomas zieht eine Grimasse. „Tja, wie sich rausstellte, war das ne andere Linie... Jedenfalls kam ich dann nach nur einer Stunde irgendwo im Metrosystem hier an unserer Station an. Da war ich noch naiv und dachte: Jetzt haste’s geschafft! Aber ich Idiot hatte ja keine Ahnung wie man von dort zu Lyubas Apartement kommen sollte. Zum Glück hatte ich den Zettel hier“. Er holt einen verknickten Zettel hervor. Die Adresse steht darauf,

auch das Apartement. Den gleichen hatte ich letzte Nacht auf vor ver-schiedenen Leuten herumgewedelt. Ich nicke wissend.

„Also stakse ich morgens um sechs durch diese Wohnblockwüste hier.

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Aber jeder, zu dem ich gehe, sieht mich nicht. Ich mein‘, als wär ich ein Geist! Die haben durch mich durchgeschaut, als wär ich gar nicht da! Ich bin in so einen Obstladen rein, da hat grad einer Melonen ins Regal sortiert. Der hat kurz seinen Kopf gedreht... und dann weiter in aller Seelenruhe Melonen sortiert. Ich hab versucht ihm meinen Zettel zu zeigen, aber der hat mich einfach ignoriert...“

Wir sitzen auf unseren Küchenstühlen und warten, was passiert, als wäre Thomas dabei, mit einem Dreirad über einen Kirchturm zu ba-lancieren. „Aber“ fragt einer von uns und schaut Thomas fragend an, „warum hast du nicht einfach Lyuba angerufen?“ Thomas grinst.

„Hab ich ja probiert... Aber mein iPhone hatte keinen Empfang, hier im ganzen Block ist ein Sendeloch. Ich hab mir das gleiche aber auch gedacht und bin in einen anderen Laden, der grade aufgemacht hatte. Der hinter dem Tresen schien mich wenigstens zu sehen. Also zeig ich ihm mein Handy, die Nummer und gestikuliere ‚telefonieren’. Der Typ nickt so, und zeigt auf einen Apparat in der Ecke. Na endlich, denk ich, hau meine letzten Rubelmünzen da rein und tippe Lyubas Nummer. Ich warte... und das Ding macht ein komisches Geräusch. Dann fällt unten ein Zettel raus. Ich glotz nur drauf und kanns nicht glauben!“

Mittlerweile schaltet sich Lyuba, unsere Gastgeberin, selber auch ein. „Gib mal her, den Zettel“, liest den Text und fängt an zu lachen. „Weißt du, was du gemacht hast? Du hast 50 Rubel auf mein Handy geladen! Vielen Dank“ und lacht Thomas an. Wir wissen nicht ob wir losprusten sollen oder lieber den Rest der Geschichte hören wollen. Wir entschei-den uns, alles als absolut krass und unglaublich abzuheften und wei-terzuhören. „Aber Thomas“ fragt Lyuba, als sie mit Lachen fertig ist und sich die Tränen aus den Augen wischt, „wie bist du dann hierher gekommen?“

„Tja, ich bin dann auf gut Glück losgegangen. Dachte mir, so weit war’s nicht weg von der U-Bahn. Und dann kam ich sogar an das richtige Gebäude! Unten ging grade jemand raus, ich schnell rein und das richtige Stockwerk wusste ich noch. Da war auch das richtige

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Apartement! Ich läute und... höre eine wütende russische Frau. Naja, denk ich mir, das wird wohl Lyubas Oma sein, die wir bis jetzt nocht nicht gesehen hatten.“ Ein paar von uns kichern schon. Das wird gut, denke ich mir. „Dann öffnet diese wütende Frau und schreit mich auf Russisch an. Ich denk mir, ja die verwechselt mich, ich muss nur Lyuba finden, dann wird das schon passen, und deute hinter der fuchtelnden Frau in die Wohnung. Ich will da rein, ich wohne hier, sag ich ihr. Die versteht das natürlich nicht und schreit noch irgendwas, knallt mir dann die Türe zu. In dem Moment wird mir klar: das kann nicht das richtige Apartement sein! Also zieh ich mich zurück. Als ich unten aus dem Haus komme, sehe ich zwei Polizisten.“

Wir alle halten den Atem an. Jetzt ist Thomas mit seinem Dreirad auf der Kirchturmspitze angekommen. Wir haben in den letzten Tagen im-mer wieder Geschichten von der russischen Polizei gehört.... Keine guten Geschichten. Die russischen Organizer selbst haben uns gewarnt, bloß nicht in die Nähe der Polizei zu kommen. „Die nehmen euch die Papiere weg und verlangen dann Unsummen Geld von euch“.

„Und dann? Was haben die Polizisten mit dir gemacht?“ fragt einer. Thomas zuckt mit den Schultern.

„Die Alte hat oben aus dem Fenster irgendwas rausgebrüllt und auf mich gezeigt. Wahrscheinlich hat sie die gerufen und gesagt, ich bin ein Perversling... Jedenfalls haben mich die Bullen nur kurz ange-schaut und mich ausgelacht. Dann haben sie sich verzogen.“Lyuba seufzt „Da hast du noch mal Glück gehabt!“ „Ja, Glück hatte ich tatsächlich noch.“, fährt Thomas fort, „am Schluss bin ich noch mal zu so einem Kiosk um irgendwie Lyuba anzurufen, aber der Typ konnte unglaublicherweise Englisch! Und er hatte sogar ein Auto und hat mich, als er meine Story gehört hat, direkt hier vor die Tür gefahren! Unglaublich, ich dachte ich bin total verloren....“

Thomas wirkt, als hätte er den IronMan Marathon in 2 Stunden durchgezogen. Es ist 8 Uhr und wir brechen zum Tagesprogramm auf. Er bricht auf der Couch zusammen. Ich habe nicht die beste Story, merke ich, nicht mal nahe dran. Es macht mir nichts aus.

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Wir fahren in den Außenring Moskaus. Grüne Wiesen und Felder zie-hen sich durch das Blickfeld, Bäume spenden den nötigen Schatten. Wo ist die Metropole? Ich sehe sie nicht mehr. Nur ein paar Wohnblöcke am Horizont verraten sich. Zum Mittagessen sind wir in einem Holzhütten-artigen Restaurant, Bryan Adams läuft im TV. Bryan Adams, wirklich? Tatsächlich. Plötzlich wird mir klar: Russland ist in den 90ern. Klar, als der Westen das Jahrzehnt von Backstreet Boys, Bryan Adams (revival) und Britney Spears erleiden musste, war man in Russland noch mit der Öffnung des Landes und Gorbatschow beschäftigt. Jetzt ist der Westen auch en mode, und es dröhnt einem der Mist überall entgegen. Mein Trost ist nur, dass die Russen mit der gleichen undurchschaubaren Mie-ne auf Bryan blicken, wie auf den Sibirischen Winter. Zumindest das Geschreie der amerikanischen schoolgirls bleibt unimportierbar.

Abends geht’s nach Vodka im Club und Vodka draußen auf dem Ra-sen wieder mit der ersten Metro nach Hause – aber diesmal finde ich’s sofort.

TAG 7

Drei Stunden Schlaf. Hitze. Wir haben die erste Gruppe verpasst und gehen schlauerweise zum späteren Treffpunkt, dem Spacepark. Hier war früher Lenins Weltausstellung, komplett mit Pavillions und Gold-statuen der arbeitenden Bauernhelden. Hatte ich die Hitze schon er-wähnt? Es scheint, als habe sich die Sonne noch ein extra RedBull rein-gepumpt und strahlt als sei sie neidisch auf Tschernobyl. Zum Glück ist hier auch das Kosmonavtik Museum. Nichts als rein in das neben dem Leninmausoleum das bestgekühlte Gebäude Russlands. Das Mu-seum wurde erst vor kurzem eröffnet und birgt einige echte Schätze der Raumfahrtgeschichte. Zum Beispiel Laika. Hier ist tatsächlich das erste Lebewesen im All ausgestellt, ausgestopft und mit extra-cuteness-Faktor. Sie ist viel kleiner, als ich dachte, hat in etwa die Größe eines Terriers. In meinem deutschen Kopf war sie selbstverständlich immer ein Schäferhund.

Ein weiteres Highlight erwartet mich nach dem Museum: Zum ersten Ma(h)l in Russland zu McDonald’s gehen. Es wird auch mein letztes Mal

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sein...Die freundliche ältere Dame, ein Brummer, begrüßt uns hinter der

Kasse. Wir zeigen auf die Tafel und wiederholen mehrmals „Big Mäc. Biiiig Määäc. Da, da, Mäc!“ Endlich hat sie kapiert und nachdem wir zu einem „Menjo“ zugestimmt haben, kommt der schwierige Teil. Sie beugt sich leicht vor und schaut mir direkt in die Augen. Große Lippen schürzen sich und stoßen ein „KJETSHOUP“ hervor, dass es mir fast die Papierserviette vom Tablett weht. Ich verstehe nicht ganz, ist das eine Frage? „KJJJEEETSHOUP!!!“ Wiederholt die Dame geduldig, aber nicht weniger laut. Ob ich Ketschup möchte, übersetzt mir eine russische Organizerin. „Ah, ja... äh, ja. Danke.“ sage ich. Die Kassenwrestlerin schnaubt durch die Nüstern, lässt nicht locker: „KUOLLLA!“ Nachdem ich das fliegende Tablett abgewehrt habe lässt das Piepen in meinen Oh-ren nach. „Da, da!“ Ja, sage ich, nehmen Sie alles was Sie wollen!

Die russische Walküre beendet sichtlich erschöpft die Dämönenbe-schwörung und wendet sich dem nächsten Kunden zu. Ich höre es noch „KJEEETSHOUP!!!???!!!“ durch den Gang hallen und verdrücke meinen laschen Burger so schnell es irgend geht.

Am Abend beginnt endlich unsere Reise durch Russland. JWir be-steigen den Transsibirienexpress. Jetzt geht’s wirklich erst los. Welche Wunder wird dieses Land noch bereithalten? Es hat immer noch über 30°C, ich beschließe die Wunder auf morgen zu verschieben, falte mich auf die Lederpritsche und stelle meine Atmung auf flach.

TAG 8

Die Transsibirische Eisenbahn ist nicht offiziell als Folterinstrument anerkannt. Das ist abhängig von der Länge der Reise. Normalerweise sieht man drüber hinweg, dass man nur jedes dritte Fenster im Zug überhaupt öffnen kann, und auch dann nur eine handbreit. Die schma-len Gänge und kurzen Pritschen, gut, sie unterscheiden sich prinzipiell nicht von einem Gefängnis, aber dafür ist‘s günstig. Man kann alles aus-halten. Bei einer unmenschlichen Hitze im Waggon mit 45 schwitzen-den Menschen, keiner Möglichkeit, ein Fenster aufzumachen und der Abwesenheit von Belüftung, da überlegt man sich doch, den Zug anders

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zu nennen als nur Zug. Ich empfehle: Sauna auf Rädern. Wenn man sich nicht bewegt und möglichst wenig atmet, kann man die 50 Stunden ganz gut durchstehen.

Als Westeuropäer überrumpeln einen die Ausmaße Russlands. Die enormen Strecken sind einfach zu viel für unser Gehirn. Deshalb füh-ren unsere antrainierten Verhaltensweisen in dieser fremden Umge-bung zu absolut sinnlosen Ergebnissen. Beispiel Zeitvertreib im Zug. In Deutschland setzt man sich in den Zug, ans Fenster wenn‘s geht, und betrachtet die Landschaft. Berge, Wälder, Ebene, Häuser, Stadt. Was eben so vorbeikommt. Fährt man durch die Schweiz, fällt es schwer, sich eine Minute abzuwenden von diesem grandiosen Ausblick und man versinkt in der idyllischen Berglandschaft.

Mir ist langweilig, und ich will wissen wo ich langfahre, also schau ich aus dem Fenster was da so ist. Das mache ich auch in Russland. Aber irgendwie klappt es nicht: Ich sehe Wald, genauer Tannenbäume, ganz nah am Zug vorbeirauschen. Ja, denk ich mir, ein netter Tannenwald. Ich schaue interessiert zu, denke an den Schwarzwald zuhause. Nach einer halben Stunde werfe ich noch einen Blick aus dem Fenster. Bin mal gespannt was jetzt kommt. Wald, Tannen. Hm, großer Wald. Eine Stunde später ziehen immer noch Tannenbäume vorbei. Langsam formt sich ein Gedanke im Hinterkopf, der sich nach vorne durchdrängelt... Die ziehen hier immer die gleichen Bäume vorbei, wir bewegen uns gar nicht! Nein. So einfach ist es nicht. Russland ist einfach nur verdammt riesig und einen ganzen Tag durch Wald zu fahren ist normal. Kein anderer Passagier schaut aus dem Fenster. Warum sollte er auch? Er weiß, dass der Wald da ist, den braucht er nicht zu kontrollieren.

Der nächste Versuch, Abwechslung zu erreichen, ist die Erkundung des Zuges. Hier gibt‘s doch irgendwo ein Bordbistro! Ja, es gibt eins, und in der Tat ist es sogar klimatisiert! Das wird unser Lager für diese Zugfahrt. Es ist kalt und es gibt Bier. Wir studieren die Karte, bestellen einmal „Meat Heaven“ und ein „Sandwich“. Die schlecht gelaunte Be-dienung bringt uns zwei kleine Teller - sollte es etwa eine Vorspeise da-zugeben? Nicht ganz. Der kleine Teller mit drei Stücken Wurst drauf ist der „meat heaven“ und dieses kleine halbe Brötchen ist das Sandwich. Unser Kumpel Angel reagiert sofort. Er hatte sich als erster perfekt in Russland integriert und erschien bereits zum Essen völlig blau. Durch das mikroskopische Mettbrötchen so geschockt, verflucht er die Bedie-

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nung, die sich verzieht und wirft ihr die Plastikblumen der Tischdeko hinterher. Er nimmt sich das Miniding, stopft es sich direkt in den Hals und würgt es am Stück herunter. Chapeau vor dieser Protestkultur!

Es lässt sich nicht sagen, ob das Zugpersonal mehr unter uns zu lei-den hat oder unter den singenden Suffrussen im nächsten Waggon.

Der Zug

ist eine lebendige Kreatur und die Prvadnitsa� sein Herr. Der per-sönliche Lebensrythmus gleicht sich dem Atem des Monsters an – Tag und Nacht passieren nur, wenn die Prvadnitsa die Ruhestun-de ausruft. Sie lässt es Licht werden, oder straft mit Dunkelheit. Uhrzeit ist unwichtig, Tageszeit existiert nicht mehr. Bei der Fahrt durch acht Zeitzonen verliert man jedes Interesse an der „richtigen“ Zeit. Lediglich der Wechsel von der Tag- zur Nachtprvadnitsa lässt im Dämmerzustand eine Ahnung der verstrichenen Tage zu. Es gibt nichts zu tun im Zug. Wenn der Akku des iPods leer ist, bleibt nur dazusitzen, zu dösen und mit dem Zug zu atmen. Ein paar Mal am Tag gibt es Freigang für �0 Minuten, wenn das Monster kurz ausruht. Schnell werden Fisch oder Wasser am Bahnsteig gekauft, dann zieht einen die Prvadnitsa wieder in den Zug. Ist einem nach Expedition, so kann man nach einem Hürdenlauf von 5 Waggons das Bordrestaurant erreichen, vorbei an ausgestreckten Käselat-schen, singenden Soldaten und Mädels in extrem knappen Hös-chen, durch die Tür, auf und zu, auf, zu, auf, zu, Restaurant. Dort regiert eine andere Herrin, die schrecklich langsame, ebenso schrecklich schlechtgelaunte Herrscherin der Klimaanlage. Nur die �. Klasse und der Speisewagen werden gekühlt. Dafür gibt‘s im Restzug Gratis-Sauna.

� Prvadnitsa:AngestelltederrussischenBahn,verantwortlichfürRuhe,OrdnungundheißesWasserineinemWaggon.IneinemseparatenZimmernebenderToilettesitztsieundkommtbeimkleinstenProblemangerauscht.

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Der Zug (forts.)

Zurück vom minimalistischen Mahl, schwitzend sitzen und Zuga-tmen à la Russe. Jeder Waggon hat seinen eigenen Geruch, der dort auch bleibt. Die Notfenster kann man nicht öffnen und lassen sich im Notfall nur mit dem Feuerlöscher einwerfen. Der hätte dann endlich einen Zweck außer die Türe zu blockieren. Wer vor dem Klo warten muss, kann die kyrillischen Instruktionen an der Wand be-wundern, die sehr nützlich wären, hätten sie irgendeinen Sinn. Man begegnet verschiedenen Spezies im Zug:Männer mit freiem Oberkörper, Kurzhaarschnitt und Goldkettchen; alte Frauen, oft blondiert; junge Mädchen (knappe Höschen). Die Spezies der Gopnik bildet eine Ausnahme in diesem Triangel. Ein Gopnik ist eine Art Penner mit Kurzhaarschnitt, aggressiver Dumm-heit und einem Geruch, den man Siezen muss.

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TAG 9

Ankunft in Jekaterinburg. Wir beziehen das erste Hotel am Platz. In diesem Fall ist es wirklich das erste, an dem wir vorbeigekommen sind. Es ist zwar brüchig, aber direkt gegenüber dem Zug.

Endlich duschen! In den Zügen gibt es ein kleines Klo und ein Wasch-becken. Duschen gibt es keine, aber man gewöhnt sich an den Geruch. Es ist eine Tatsache, dass der Geruchssinn einfach den Gestank ausblen-det; nach etwa 3 Stunden wird jeder Geruch zum Normalgeruch. Das Problem sind nur die eigenen Kleider: Wenn man endlich aus der Du-sche kommt, saubergeschrubbt und parfümiert, fragt man sich welcher Penner hier seinen seuchengetränkten Sondermüll abgeladen hat...

Jekaterinburg ist eine kleine Stadt, für Russland zumindest, es hat immer noch mehr Einwohner als München. Im Ural gelegen, war es lan-ge die Schmiede des Zarenreiches und der Sowjets. Hier wurden die T42-Panzer gebaut und bis heute rollen hier die Autos der Russen vom Band. Jekaterinburg ist unsere Zwischenstation auf dem Weg nach Sibirien. Für die Familie von Zar Nikolas II. war es die Endstation. Ihre Verban-nung auf ihr Landhaus durch Stalin ist eine Legende in Russland, je-der kennt die blutige Geschichte der Romanovs. Am Schluss wurden sie hingerichtet. Sie mussten im Hof ihres Hauses niederknien und wurden nacheinander in den Kopf geschossen.

Wir sehen die „Kirche des hl. Blutes“ und das Zarenhaus daneben, mit Reliquien und Portraits. Seit die Romanovs im Jahr 2000 von der Ortho-doxen Kirche heilig gesprochen wurden, ist dieser Ort eine Pilgerstätte und die spärlichen Reste der Zarenhabseligkeiten (Taschentuch, halbe Brille) sind echte Reliquien. Irgendwie fühlt man sich unbehaglich in dieser Kirche, und in diesem Haus. Jemand sagt treffend : „Wie soll ich eine Kirche mit Goldschmuck und Wandmalereien ernst nehmen, wenn sie nicht mal halb so alt ist wie ich?“ Erst in den späten 90ern wurden diese Gebäude errichtet. Die Gemälde und „uralten Verzierungen“ sind von 2004. Obwohl ich die Sucht nach Helden verstehe, kommt mir dieser ganze Tand wie Zirkusausstattung vor.

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TAG 10

Der Ural liegt vor uns, und damit die Grenze zwischen Europa und Asien. Ein großes Gebirge zieht sich hier in Nord-Süd-Achse durch Eurasien und teilt das riesige Gebiet in “europäisches Russland” und Asien. Seltsamerweise erwarten einen hinter der Grenze keine Chine-sen. Ich sehe keine Reisverkäufer, keine Zirkusakrobaten und keine mongolischen Horden. Hinter dem Ural sieht‘s genauso aus wie davor. Wahrscheinlich liegt es daran, dass auch diese Grenze eine willkürliche ist. Ein Herr Tatischtschew hatte im 18. Jahrhundert nicht nur zuviele sch‘s im Namen, sondern auch ein genaues Auge für Entfernungen. Er fand, der Ural liege zufällig in der Mitte des Eurasischen Kontinents, das wäre doch eine prima Grenze. Woher solle man sonst wissen, wo diese Asiaten anfangen aufzutauchen?

Ein teuflisches Geräusch schmatzt mich aus meinem Tagtraum. Un-ser Guide, besser Guidesse, blökt affektiert in das Busmikrofon. Und hier seht ihr den wunderschönen, traditionellen russischen Verkehr am Montag mittag. Sie will uns tatsächlich nochmal zur Heilig-Blut-Kirche schleppen, aber organisierter Widerstand macht der Folter ein Ende. Uns wiederfährt ein ähnliches Schicksal wie die Romanovs, wir werden in den Wald gefahren. Und zwar zu ihrem Kloster. Ja, die ehemalig ver-hasste Zarenfamilie und damals reichsten Aristokraten werden jetzt in einem Kloster als heilige verehrt. In einem schönen Kloster. Mit echten Holzbauten, einem Fischteich und einer langen Wand mit Fotografien der Zarenfamilie. Die Zars beim Angeln, beim Bootsausflug und beim Tennisspielen. Als würden sie die vielen Besucherblicke in ihr Freizeit-leben ahnen, schneiden die Romanovs auf jedem Bild eine fiese Fratze. Die hatten wirklich keinen Spaß im Leben.

Ganz anders als wir: Endlich raus aus Jekaterinburg und ab nach Sibirien. Jetzt kommt die lange Zugfahrt.

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Russischer Aberglaube

In Russland gibt es viele ungeschriebene Verbote, die bei einem Ver-stoß nur milde bestraft werden. Man kassiert einen abwertenden Blick, ein Kopfschütteln und allgemeine Unverständnis. Jeder Russe kennt diese Verbote, und hält sich daran, tut sie aber als Aberglaube ab, wenn man ihn danach fragt. “Nur ein alter dummer Aberglaube... Aber man weiß ja nie.”

Pfeifen führt zu Geldverlust. In einem Geschäft sollte man es tun-lichst unterlassen, es führt zum Rauswurf (und damit tatsächlich zum Geldverlust des Verkäufers)

Schmusen in der Öffentlichkeit ist nicht gern gesehen, bringt wahr-scheinlich Unglück.

Frauen, die an der Ecke eines Tisches sitzen, werden entweder einen Mann mit einem Eckhaus heiraten, oder gar nicht verheiratet werden. Was schlimmer ist, weiß ich auch nicht.

Gäste werden nur innerhalb des Hauses verabschiedet und müs-sen die Türe selbst öffnen. Wenn man ihnen die Türe aufhält, kommt das einem Rauswurf gleich.

Vodka. Beim Lieblingsgetränk gibt es natürlich Extraregeln:Frauen, die Vodka einschenken, bringen UnglückImmer aus einem Glas, nie aus der Flasche trinkenEine Flasche, einmal geöffnet, muss geleert werden und dann di-rekt unter den Tisch gestellt werden, jedenfalls darf keine leere Fla-sche auf Augenhöhe stehen!

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TAG 11

Wir fahren und fahren und fahren und fahren. Dann fahren wir ein bisschen mehr. Als hätte jemand eine gigantische Bettdecke über al-les gelegt, erstreckt sich die Steppe ins unendliche. Ein paar Strücher und die bekannten Telegrafenmasten sind der einzige Hinweis, das man nicht erblindet ist.

Omsk, Momsk, irgendwas mit -sk, das sind unsere kurzen Atempau-sen. Ich verliere die Lust, überhaupt noch auszusteigen. Der Zugkoller hat mich.

Mitternacht. Novosibirsk, Party am Bahnsteig mit DJ Thomas und den iPod speakers. Fanatisches Bewegen in sibirischer Kälte (14°C), während Tamas seine Familie hier zum ersten Mal trifft, die 6 Stunden angereist sind, um ihn 30 Minuten zu sehen und eine Essensration für 3 Jahre einzuladen. Ein seltsamer Kontrast.

TAG 12

Hügel erscheinen. Berge und Häuser tauchen an der Strecke auf. Das Wetter ist wieder warm. Die Prvadnitsa macht Stress, wir machen Party. Wir ziehen uns in den letzten Waggonteil zurück, aus dem man die Gleise unter uns durchrauschen sieht. Im „Raucherraum“, dem letz-ten verschließbaren Zimmer vor dem Klo, tanzen wir mit 20 Leuten im Schweiße unseres Angesichts. Die Prvadnitsa findet das nicht gut, ist nicht unser Freund und ruft die Polizei. Kurzer Schlaf.

TAG 13

Ankunft in Irkutsk, Stress mit Prvadnitsa wegen Bettzeug. Umladen in Bus mit Sowjet-Gay-Rainbow-Farben. Proviant kaufen und ab.

Die Barracken um den Bahnhof herum wirken wie ein Westernstädt-chen direkt aus Lucky Luke, inklusive Staubstraßen und Lebensgefahr.

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Nur dass hier die Autofahrer die blauen Bohnen problemlos ersetzen: sie fegen jeden von der Straße. Wer keine Ahnung hat, was Sibirien ist, weiß es nach zwei Stunden in Irkutsk.

Der Bus bringt uns über löchrige Straßen durch die Stadt. Ich ver-achte jeden, der hier für die Straßen verantwortlich ist. Wir verlassen die Zivilisation, vorbei an Staub, Steinen, Prärie und nach einer Weile, Hügeln ohne Bäume. Die Hügel werden höher, die Straße hört auf; wir fahren auf Kies und werden durchgerüttelt, dass sich der Eintopf von gestern wieder zum Besuch anmeldet. Ich verzeihe jedem Straßenbauer in Irkutsk und wünsche ihn augenblicklich hierher.

Wir fahren stundenlang auf Pseudostraßen, einmal überholen wir zwei Arbeiter, die schon in der dritten Generation an dieser Abzweigung ackern. Ab und zu tauchen Hütten aus dem Staub auf. Blockhütten, rosa und grün bemalt und manchmal liebevoll verziert, stehen mitten im gottverlassenen Nirgendwo. Hier leben die Buryat, mongolisch-chi-nesische Russen, bäuerliche, tiefbraungebrannte Asiaten, die an Innuit erinnern.

Ankunft – nach sechs Stunden Gezuckel und üblem Geschüttel end-lich – am Baikalsee. Das Blau leuchtet unerwartet durch den Staub, die gelbe Wüste und den Pastellhimmel. Wir erreichen die Küste eines unglaublich riesigen Sees, ein starker Wind bringt Kühle in der prallen Sonne. Wir fahren an einer hunderte Meter messenden Autoschlange vorbei, Busse und alte Ladas warten hier im Nirgendwo auf eine von zwei Miniaturfähren zur Insel Olkhon. Jede Fähre schafft vier Fahr-zeuge in zehn Minuten über den See, kommt aber erst nach einer halben Stunde zurück. Warten.

Wir sind ausgestiegen, haben uns bei der Bude Bier gekauft und sit-zen hoch auf der Klippe mit Gitarre über dem Baikalsee. Ich schlendere zum Ufer hinunter, der See zieht einen magisch an. Plötzlich tauchen fünf jugendliche Russen auf und umringen mich langsam. Mir wird flau im Magen. Sicher haben sie gesehen, dass wir Touristen sind und Geld mitbringen. Meine Gedanken drehen sich nur darum, was ich ihnen zu-erst geben sollte, Handy oder Geldbeutel.

Statt mich abzustechen und in den grundlosen See zu werfen, fragen sie mich lieber, ganz neugierig und gänzlich ohne gemeines Gebaren, wo ich denn herkomme. Sie sind selten aus dieser Wüste herausgekom-men und unsere Ankunft fasziniert die jungen Russen: Aus ganz Europa

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kommen wir? Was man denn so in Deutschland verdient und was ich so für Musik höre?

Wir teilen einen gewissen Geschmack, wie sich zeigt und so stehe ich am tiefsten See der Welt und höre Rammstein aus einem Handy, mit Russen, die kein Englisch können.

Irgendwann kommt doch unsere Fähre und wir ruckeln über die In-sel. Wir erreichen nach weiteren zwei Stunden durch hügelige Land-schaft unsere Hütten. Von den Strapazen erledigt, genießen wir noch die Banja, eine 4-Mann-Sauna nur für uns. Ein gigantischer Sonnenun-tergang am See. Party auf der Veranda und endlich, endlich: Schlaf.

Zeit(gefühl) in Russland

Während in Deutschland Entfernungen in Kilometern oder in Stun-den Autofahrt gemessen werden, gewöhnt man sich in Russland daran, nur noch in Tagen zu denken. Eine Sechs-Stunden-Busfahrt wird von „geplante Unternehmung“ nach einer 3-Tage-Zugfahrt durch das Russenreich zum Ausflug. Sechs Stunden? Das ist ja nicht einmal ein halber Tag.

TAG 14

Frühstück (Brei, Tee und Brot) an einer langen Bank. Nach einer solchen Reise über mehr als 8000 Kilometer müsste ich eigentlich er-schöpft sein, nach dieser Nacht gerädert. Ich fühle mich auch so, bis ich vor die Türe trete. Dann atme ich ein.

Der Baikal begrüßt mich. Wäscht über mein Gesicht kriecht durch die Nase füllt mein Lunge, als ich ausatme bin ich komplett regeneriert. Ich sehe die riesigen Berge im Nebel, die Grenze des Sees am Horizont verschwimmen, spüre den frischen Wind vom See. Ich habe das Gefühl, zum ersten Mal in meinem Leben wach zu sein. Das hält uns nicht da-von ab, Dummheiten zu begehen und wir springen in den 12°C warmen See. Das ist die Jahreshöchsttemperatur. Die Sonne brennt allerdings

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weiterhin unermüdlich, so wird einem nicht kalt. Da sind wir nun, jun-ge Europäer, im absoluten Nirgendwo, nahe der Mongolischen Grenze, stehen am größten See der Welt am Strand und tun das einzig Logische: Wir packen den Volleyball aus.

TAG 15

Heute steht „Exkursion“ auf dem Programm. Aber keine langweilige

Schulexkursion, kein Museum und kein Stadtgetümmel. Nein, auf Olk-hon wird etwas angeboten, das slightly more awesome ist: In Jeep-Bus-sen über die Insel heizen! Die Busse sind klein und sehen wackelig aus. Schaut man aber genauer hin, sieht man die unverwüstliche Sowjet-En-gine und die sibirischen Ralleyreifen. Spätestens, wenn man im Bus hal-tegriffe an der Decke findet, weiß man Bescheid.

Unser Fahrer ist gleichzeitig Ralleyprofi und Besitzer des einzigen Clubs hier, Robinson. So bekommen wir frei Haus eine Achterbahnfahrt über wirklich krasse Pisten, Stock, Stein, Sand und viele Wurzeln, hoch und runter. Jedes Ralleyspiel ist ein müder Abklatsch dagegen. Dazu kommt eine geniale Playlist, gute Musik und eine top Anlage. Bus-party während Ralleyfahrt.

Wir halten ab und zu an großartigen Aussichtspunkten. Wir stehen auf Klippen, hoch wie Berge, schauen durch den Nebel zum Baikal. Die grüne Insel im riesigen Blau, einfach atemberaubend. Der Baikalsee ist nicht nur das größte Frischwasserreservoir der Welt, mit 600 Kilome-ter länge, 300 Km Breite und einer Tiefe von 1300 Metern. Der Baikal, und besonders die große Insel Olkhon ist auch aus anderen Gründen berühmt. Angeblich laufen hier verschiedene Kraftlinien zusammen und bilden eines der fünf schamanischen Zentren der Welt. Kleine Stein-gebilde und Reste von Ritualen weisen uns immer wieder darauf hin. Achja, und das Zarengold liegt angeblich auch im Baikal. Da ist es gut aufgehoben.

Nachdem wir den ganzen Tag über die Insel gedüst sind, begleiten wir abends unseren Fahrer in seinen Club. Überrascht stellen wir fest: Bau-ernkneipen sind überall auf der Welt genau gleich. Ich stoße mich auf dem Heimweg noch an einer Kuh, die einfach auf der Straße schläft. Der volle Mond leuchtet uns den Weg nach Hause, über die staubige Straße, zwischen Saloon und Barbershop.

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TAG 16

Ausruhen und genießen. Die frische Baikal-Luft erweckt uns wieder. Langsam freue ich mich auf mein richtiges Zuhause, auf dem richtigen Kontinent und in der richtigen Zeitzone.

Vorher haben wir noch einen Matrjoschka-Workshop, bemalen Holz-puppen am Strand und saugen den Sonnenuntergang auf. Wir heizen die Banja an und nehmen den Vodka mit. Bei einem guten Gespräch über Wahrscheinlichkeiten werden unsere Körper sauber und unsere Hirne taub. Die letzte Party am Lagerfeuer winkt uns zum Abschied.

TAG 17

Rückreise von Olkhon. Ewiges Warten auf die Fähre. Abschied in Ir-kutsk, Hostel mit Taxi erreicht, extrem gut versteckt. Prinzipiell ist es bloß eine kleine Wohnung mit 3 Zimmern, mit einem Schild „Hostel“ innen (!) an der Türe. Gemütlich eingerichtet, Propagandaposter und bequeme Couch. Wir treffen ein junges Schweizer Pärchen. Sie wollen in die Mongolei, Pferde kaufen und 5 Wochen herumreiten, in der Steppe, selbstversorgt. Können nicht reiten und nicht fischen, wollen es aber lernen.

Wir gehen essen in ein Mongolisches Steakhouse, trinken zum letzten Mal Bier im Park und fallen zum letzten Mal erschöpft in ein russisches Bett. Irkutsk ist eigentlich ganz schön, wenn man hinter den Barracken die richtigen Gebäude sieht. Aber im gottverdammten Nirgendwo ist es trotzdem

Epilog

Bei der Heimreise ein interessanter Kulturschock: Im Flugzeug (Air Berlin ab Moskau) erfahre ich plötzlich, was die westliche Kultur wirk-lich ausmacht: Erklärungen (!), verständliche Durchsagen, Piloten, die übers Wetter und Skifahren plaudern... Schön, wieder da zu sein.

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Steile Klippen über dem tiefsten See der Welt

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Die Sonne versinkt im Baikal

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Ewige Landschaft aus dem Zugfenster gesehen.

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Rollendes Ungetüm: Der Transsib

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RussischesU-Bahn-System

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U-Bahn in Moskau. Oder doch ein Palast?

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Bestes Getränk 2010: Quas.

Gazprom und die Kirche