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»Die Mitte der Nacht ist der Anfang eines neuen Tages ...« Regionale Bündnisse wollen gegen die Depression kämpfen Hessen will nicht mehr Schlusslicht sein Auf dem Weg zu einem neuen Psychisch-Kranken-Gesetz Videos statt Bewerbungsschreiben Ein schnelles Medium für Arbeitssuchende und Arbeitgeber LEBENSRÄUME Offenbach am Main Informationen Rhein-Main-Kaleidoskop, Zitat, Notizen Fragebogen Sieben Fragen an Gudrun Mehler WOHNUNGSNOT Gesucht: Ein Platz zum Leben 2 / 2016 Treffpunkte Zeitschrift für Gemeindepsychiatrie in der Rhein-Main-Region Herausgegeben von der Bürgerhilfe Sozialpsychiatrie Frankfurt am Main e. V.

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»Die Mitte der Nacht ist der Anfang eines neuen Tages ...«Regionale Bündnisse wollen gegen die Depression kämpfen

Hessen will nicht mehr Schlusslicht sein Auf dem Weg zu einem neuen Psychisch-Kranken-Gesetz

Videos statt Bewerbungsschreiben Ein schnelles Medium für Arbeitssuchende und Arbeitgeber

LEBENSRÄUME Offenbach am Main

InformationenRhein-Main-Kaleidoskop, Zitat, Notizen

FragebogenSieben Fragen an Gudrun Mehler

WOHNUNGSNOT

Gesucht: Ein Platz

zum Leben

2/ 2016

TreffpunkteZeitschrift für Gemeindepsychiatrie in der Rhein-Main-Region

Herausgegeben von der Bürgerhilfe Sozialpsychiatrie Frankfurt am Main e. V.

Impressum

ImpressumTreffpunkteFrankfurter Zeitschrift für GemeindepsychiatrieAusgabe 2/2016

KonzeptDie Zeitschrift ist ein Forum für alle Beteiligten in derambulanten, teilstationären und stationären Psychia-trie sowie in der Sozialpsychiatrie. Die Zeitschriftberichtet über allgemeine Entwicklungen; dasbesondere Gewicht liegt auf regionalen Aspekten derRhein-Main-Region.

GründerChristof Streidl (1939-1992)

Herausgeber Bürgerhilfe Sozialpsychiatrie Frankfurt am Main e. V.Holbeinstraße 25-27, 60596 Frankfurt am Main Telefon 069 96201869, Fax 069 627705 [email protected] www.bsf-frankfurt.de

RedaktionsteamChristel Gilcher, Stephan von Nessen, Gerhard Pfannendörfer, Gerhard Seitz-Cychy, Wolfgang Zimmermann

ChefredaktionGerhard PfannendörferEichwaldstraße 45, 60385 Frankfurt am [email protected]

Druckdruckwerkstatt Rödelheim, Biedenkopfer Weg 40a60489 Frankfurt am MainTelefon 069 907498-0, Fax 069 [email protected]/frankfurter-verein/rwr/rwr.html

Layout, Satz und GestaltungBettina Hackenspiel / [email protected]

TitelseiteInsbesondere in Großstädten können viele Normal- und auch Gutverdiener kaum noch eine bezahlbareWohnung finden.Foto: Gerhard Pfannendörfer

ErscheinungsweiseDie Zeitschrift erscheint vierteljährlich.

Auflage1.000 Exemplare

EinzelpreisDie Zeitschrift kostet 5,- Euro einschließlichVersandpauschale.

AbonnementDas Jahresabonnement kostet 19,- Euro einschließlichVersandkosten. Das Abonnement kann bis zum 31. Dezember jedes Jahres gekündigt werden. Bestellungen bitte an den Herausgeber.

FörderabonnementMit einem Förderabonnement ab 30,- Euro jährlichkann die Zeitschrift unterstützt werden.

AnzeigenBürgerhilfe Sozialpsychiatrie Frankfurt am Main e. V.Holbeinstraße 25-27, 60596 Frankfurt am Main Telefon 069 96201869, Fax 069 [email protected]

Die Bürgerhilfe SozialpsychiatrieFrankfurt am Main e. V.hat sich seit ihrer Gründung im Jahr 1970 zur Aufgabe gemacht, die Situation psychischkranker Menschen in Frankfurt am Main zu verbessern und deren gleichberechtigteTeilnahme im städtischen Leben und das Miteinander in der Gesellschaft zu fördern.

Hierzu wurden von der Bürgerhilfe Sozialpsychiatrie Frankfurt am Main im Lauf derJahre viele Projekte initiiert sowie Dienste und Einrichtungen gegründet. Heute stellenwir im Süden der Stadt ein umfangreiches Hilfe-, Beratungs- und Unterstützungsange-bot im Rahmen der gemeindepsychiatrischen Versorgung der Großstadt Frankfurt amMain zur Verfügung.

Mit rund 50 angestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie ehrenamtlichenKräften betreiben wir folgende Dienste und Einrichtungen: Betreutes Wohnen, die Psy-chosoziale Kontakt- und Beratungsstelle Süd, eine Tagesstätte, ein Wohnheim und denoffenen »Treffpunkt Süd« im traditionsreichen Teplitz-Pavillon in Frankfurt am Main-Sachsenhausen. Die Dienste und Einrichtungen bieten psychisch kranken MenschenUnterkunft, psychosoziale Betreuung und Beratung sowie die Möglichkeit, ihren Tag zustrukturieren, Zeit sinnvoll zu gestalten und mit anderen Menschen ins Gespräch undin Kontakt zu kommen.

Der Psychosoziale Krisendienst, für das gesamte Stadtgebiet organisiert von der Bür-gerhilfe Sozialpsychiatrie Frankfurt am Main, sichert außerhalb der allgemeinenDienstzeiten der Beratungsstellen und sonstigen Dienste in Notlagen psychosozialeHilfe und vermittelt bei Bedarf ärztliche Hilfe. Er wendet sich an Menschen mit psychischen Erkrankungen und seelischen Behinderungen, die an einer akuten ernst-haften Störung ihrer seelischen Gesundheit leiden, sowie deren Angehörige, Freunde,Bekannte und Nachbarn.

Von Anfang an war die Öffentlichkeitsarbeit ein wichtiges und satzungsmäßiges Anlie-gen des Vereins. So existiert seit über vier Jahrzehnten die von der Bürgerhilfe Sozial-psychiatrie Frankfurt am Main herausgegebene Zeitschrift für Gemeindepsychiatrie»Treffpunkte«. Die Publikation sieht sich als Forum für alle Akteure der Sozialpsychia-trie. Die »Treffpunkte« bieten Berichte und Essays zu aktuellen sozialpolitischen The-men, diskutiert allgemeine Entwicklungen, stellt Betrachtungen zu Kunst und Kulturan, ist Plattform für Fachleute, Betroffene und Angehörige. Besonderes Gewicht liegt inder Berichterstattung auf Themen aus der Region Rhein-Main und Hessen. Dies wirduntermauert durch die Kooperation der Zeitschrift mit der Stiftung Lebensräume inOffenbach am Main, die in einer eigenen Rubrik ihre Themen vorstellt.

Die Arbeit der Bürgerhilfe Sozialpsychiatrie Frankfurt am Main wird finanziert durchLeistungsentgelte für die erbrachten Einzelangebote, durch Zuschüsse der Stadt Frank-furt am Main und des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen sowie durch Mitgliedsbei-träge und Spenden.

Der Vorstand der Bürgerhilfe Sozialpsychiatrie Frankfurt am Main e. V. setzt sich zusam-men aus Stephan von Nessen (1. Vorsitzender), Regina Stappelton (2. Vorsitzende) sowieden weiteren Vorstandsmitgliedern Gabriele Schlembach, Kirstin von Witzleben- Stromeyer, Wolfgang Schrank und Bernard Hennek. Geschäftsführer der Bürgerhilfe istGerhard Seitz-Cychy.

www.bsf-frankfurt.de

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Editorial

»Nichts mehr davon, ich bitt euch. Zu essengebt ihm, zu wohnen / Habt ihr die Blößebedeckt, gibt sich die Würde von selbst.«

Liebe Leserin, lieber Leser,

viele Menschen haben in Ballungsräumen ihre liebe Not, eine bezahlbare Woh-

nung zu finden. Die Politiker reden über dieses Problem schon lange; mit dem

Handeln tun sich die Verantwortlichen schwer. Vielfach werden auch die zuge-

gebenermaßen nicht üppig vorhandenen Handlungsspielräume nicht genutzt,

wie die zögerliche Anwendung der Mietpreisbremse oder die mangelhaften Vor-

gaben an kommunale Wohnungsbaugesellschaften zeigen. Ist es schon für Nor-

malverdiener schwer, beispielsweise in der Rhein-Main-Region eine neue Bleibe

zu finden, so liegt die Hürde für Menschen mit einer psychischen Krankheit

nochmals höher. Gemäß der Erkenntnis, es sei besser, ein Licht anzuzünden als

nur über die Dunkelheit zu klagen, hat die Bürgerhilfe Sozialpsychiatrie Frank-

furt am Main, wie einige andere Träger, beschlossen, gangbare Wege in dieser

Situation zu suchen. Vier Miethäuser hat die Organisation bereits komplett

angemietet, um sie an Klienten des Betreuten Wohnens weiter zu vermieten.

Das hört sich einfach an, bereitet aber im Alltag manche Schwierigkeiten, die in

diesem Heft beschrieben werden. Zu diesem Engagement muss jedoch weiter-

hin kommen, die Politik beharrlich zu strukturellen Maßnahmen zur Sicherung

des Grundrechts auf Wohnen zu drängen.

Gerhard PfannendörferChefredaktion »Treffpunkte«[email protected]

Friedrich Schiller, deutscher Dichter (1759-1805)

Inhalt

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Inhalt

Editorial

1 Von Gerhard Pfannendörfer

Magazin

3 »Die Mitte der Nacht ist der Anfangeines neuen Tages ...«Regionale Bündnisse wollen gegen dieDepression kämpfenVon Barbara Bornheimer

5 Hessen will nicht mehr Schlusslicht seinAuf dem Weg zu einem neuen Psychisch-Kranken-GesetzVon Edith Mayer

7 Videos statt BewerbungsschreibenEin schnelles Medium für Arbeitssuchendeund Arbeitgeber

Thema

8 My home is my castleDie Bedeutung des Wohnens und die Kunst,eine Wohnung zu findenVon Michael Konrad

12 Wohnen in Frankfurt am MainDie Doppelrolle der Bürgerhilfe Sozialpsy-chiatrie als Mieter und Vermieter

Von Gerhard Seitz-Cychy

14 Das Wohnprojekt Niederrad funktioniertEine Aktion gegen die Wohnungsnot bei psychisch kranken MenschenVon Jan Vollauf

16 Vorbereitung auf ein selbständigesLebenEin neues Projekt bietet Orientierung ineiner Gruppe von GleichaltrigenVon Klaus Dieter Joisten

Forum

18 Der MenschEin Zwischenruf von Manfred Dempf

19 Autismus verstehen lernenEin Vortrag informierte über eine spezielleKrankheitVon Vera Rothenberg

LEBENSRÄUME Offenbach am Main

21 Merchandising in der SozialwirtschaftVerkaufsförderung und Sozialarbeit – passtdas zusammen?

22 Menschen haben gerne etwas zum AnfassenWerbeartikel als kleine Aufmerksamkeitenin der Sozialpsychiatrie – Ein Gespräch mitKlaus-D. Liedke, Vorsitzender der StiftungLebensräume Offenbach am Main

Informationen

24 Rhein-Main-Kaleidoskop, Zitat, Themenhefte, Notizen

Nachgefragt: Was macht eigentlich Artur Diethelm?

Fragebogen

32 Sieben Fragen an Gudrun Mehler

Magazin

»Die Mitte der Nacht ist der Anfang eines neuen Tages ...«

Regionale Bündnisse wollen gegen die Depression kämpfen

Von Barbara Bornheimer

In Deutschland haben sich bereits über 65 regionale Bündnisse gegen Depression gebildet. Seit einiger Zeit ist auch Frankfurt am Main mit dabei.

Im Sommer 2015 wurde das Bünd-nis gegen Depression in Frankfurtam Main gegründet. Initiiert wurdees durch den neu in die Psychiatri-sche Klinik des Universitätsklini-kums Frankfurt am Main gekomme-nen Prof. Dr. Andreas Reif und seinerMitarbeiterin, der Oberärztin Dr.Christine Reif-Leonhard.

Zu den Gründungsmitgliedern zäh-len neben den Chefärztinnen undChefärzten der Frankfurt Psychiatri-schen Kliniken auch die ÄrztlicheDirektorin der Kinder- und Jugend-psychiatrischen Klinik in Frankfurtam Main, Prof. Dr. Christine Freitag,Dr. Thomas Götz vom Amt fürGesundheit der Stadt Frankfurt amMain und die Leiter der Ausbil-dungsinstitute in denen Psycholo-gen zum Psychologischen Psychothe-rapeuten in Verhaltenstherapie aus-gebildet werden. Warum ein Bünd-nis gegen Depression?

Depression ist häufig, unter den psy-chischen Erkrankungen sogar diehäufigste. Die Weltgesundheitsorga-nisation schätzt, dass Depressionenführend dafür verantwortlich sind,Lebensbeeinträchtigungen zu habenoder sogar früher zu sterben. DieKrankenkassen berichten schon seitJahren über den zunehmendenAnteil an durch Depression verur-sachten Krankheitstagen.

Dabei sind Depressionen sehr gutbehandelbar. Doch knapp 50 Prozentder Menschen mit behandlungsbe-dürftiger Depression werden inHausarztpraxen behandelt underhalten dort nur selten eine nachfachlichen Gesichtspunkten adäqua-te und ausreichende Behandlung.Deshalb lautet ein großes Ziel desBündnisses gegen Depression: Haus-ärzte weiterbilden, damit sie besserbehandeln und bei Bedarf rechtzei-tig an den Facharzt oder die Fachkli-nik überweisen.

Ein weiteres wichtiges Ziel ist, in derBevölkerung zu informieren undaufzuklären. Neben Informations-veranstaltungen sind dazu auchKino-Spots und Plakataktionengeplant.

Ein wichtiger Ansprechpartner sindauch die Betriebe, denn der betriebs-ärztliche Dienst ist nicht selten dieerste Anlaufstelle für die betroffenenMitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Mit all diesen Maßnahmen soll dieVersorgung und Behandlung vonMenschen mit Depression verbessertund die Suizidrate reduziert werden.

Bei der Auftaktveranstaltung zumBündnis gegen Depression am 21. Januar 2016 in der Deutschen Na tionalbibliothek zeigte Prof. Dr.

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Der gemeinnützigeVerein »Deutsches Bündnisgegen Depression e. V.« ver-folgt unter dem Dach der Stif-tung Deutsche Depressionshil-fe das Ziel, die gesundheitlicheSituation depressiver Men-schen zu verbessern, das Wis-sen über die Krankheit in derBevölkerung zu erweitern, Sui-ziden vorzubeugen. ZahlreicheStädte und Kommunen habensich dem Bündnis angeschlos-sen und engagieren sich auflokaler Ebene.

Das Frankfurter Bündnisgegen Depression informiertauf einer eigenen Webseiteüber seine Aktivitäten.

www.buendnis-depression.de/depression/frankfurt-main.php

Magazin

Andreas Reif, dass in der RegionNürnberg, wo eines der ersten Bünd-nisse gegründet war, im Vergleich zueiner anderen Region ohne Kampa-gnen zum Thema Depression dieSuizidrate in drei Jahren um 20 bis32 Prozent zurückging.

Prof. Dr. Ulrich Hegerl, einer der füh-renden deutschen Depressionsfor-scher, erklärte in seinem Beitragunter anderem den Unterschied zwi-schen »Burn-out« und Depression. Erwies darauf hin, wie sehr der Burn-out-Begriff überstrapaziert wird,dass man auch einfach malerschöpft sein kann: »Ich würdeauch öfter mal gerne morgens nocheine Stunde liegen bleiben ...« Ande-rerseits ist ein schwerer Burn-out

meist eine Depression und sollteauch entsprechend behandelt wer-den. Sehr anschaulich auch seineAnmerkungen zur Historie: DerBegriff Melancholie wurde schon inder Antike geprägt und beschriebursprünglich einfach ein Ungleich-gewicht der verschiedenen Körper-säfte, was dem damaligen Verständ-nis zu körperlichen und seelischenVorgängen entspricht.

Schirmherr des Frankfurter Bündnis-ses ist Henni Nachtsheim, sicherjedem durch das hessische Humor -duo »Badesalz« bekannt. Er brachtean dem Abend den Saal zum Lachen,was gerade bei dem Thema Depres-sion so wichtig ist, nämlich denHumor nicht zu vergessen. Offenbar

selbst beeindruckt davon, dass er der»Schirmherr« einer so wichtigenSache wird, berichtete er anschau-lich, um wie viel Punkte er im Anse-hen seiner alten Kumpels gestiegenist, nachdem er ihnen diese Nach-richt beim jährlichen Treffen präsen-tieren konnte. Sehr lustig war sein»Fußball-Quiz« zum Einstieg, das ereigentlich den Anwesenden (weil zu»akademikerlastig«) angeblich nichtzumuten wollte, aber dann doch fürmehrere Minuten zelebrierte. Sokonnte man trotz des eigentlichschweren und belastenden ThemasDepression beschwingt und mit ent-spannt gelockerten Bauchmuskelnnach Hause gehen.

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Die Fachärztin für Psychiatrie und PsychotherapieDr. Barbara Bornheimer ist Leitende Ärztin derVitos Klinik Bamberger Hof in Frankfurt am Main.www.vitos-hochtaunus.de

Zahlreiche Kommunalpolitiker, Künstler, Mediziner und Psychiatrie-Experten haben mit Betroffenen,Angehörigen und Helfern das Frankfurter Bündnis gegen Depression gegründet und Anfang des Jahresin einer Auftaktveranstaltung die geplanten Aktionen vorgestellt.

Magazin

Nach der Unterzeichnung der UN-Behindertenrechtskonventionbestand in Hessen dringender Hand-lungsbedarf im Bereich der Psychia-trie. Die Ablösung des veraltetenHessischen Freiheitsentziehungsge-setzes von 1952 konnte nicht längeraufgeschoben werden. Es musstedurch ein menschenrechtskonfor-mes Unterbringungsgesetz sowiedurch ein lang versprochenes Psy-chisch-Kranken-Hilfe-Gesetz(PsychHG) ersetzt werden, das in denmeisten anderen Bundesländern seitLangem umgesetzt worden ist.

Das Hessische Sozialministeriumwollte eine breite Beteiligung derÖffentlichkeit gewährleisten. Dazuwurde ein Fachbeirat Psychiatrieeinberufen, in dem alle mit der Psy-chiatrie befassten Verbände undOrganisationen vertreten waren,also auch die Verbände von Psychia-trie-Erfahrenen und Angehörigenpsychisch kranker Menschen.

Auf der ersten Sitzung im Oktober2014 trugen alle Beteiligten ihreErwartungen an das Gesetz vor. Die-se Statements wurden in die Ent-wicklung der Eckpunkte des Minis-teriums einbezogen. Sie sollten dieGrundlage für die weiteren Diskus-sionen bilden. Die Stellungnahmedes Landesverbandes Hessen derAngehörigen psychisch Kranker warweitgehend mit dem Landesverbandder Psychiatrie-Erfahrenen abge-

stimmt. Es enthielt Forderungen, dieauch noch von anderen beteiligtenVerbänden vorgebracht wurden:

Prävention: Ausbau der Sozialpsy-chiatrischen Dienste und der Ins-titutsambulanzen sowie der Kri-sen- und Notfalldienste zur Ver-meidung von Einweisungen indie Forensik

Regelungen zur Vermeidung vonGrundrechtseingriffen, u. a. zurDurchführung von Fixierungenund anderer Zwangsmaßnahmen

Aber auch: Korrektur eines – inunseren Augen – Missverständ-nisses der UN-Behindertenrechts-konvention. Sie verbietet es nicht,einen schwer gestörten Menschenvor den Folgen seiner krankheits-bedingt gefährlichen Handlungenzu bewahren. (Diese Sicht wurdevon anderen Beteiligten nichtgeteilt.)

Dokumentationspflicht beigrundsätzlich allen Grundrechts-eingriffen

Standardgerechte psychiatrischeBehandlung

Besuchskommissionen, unabhän-gige Beschwerdestellen undPatientenobleute mit Beratungs-und Kontrollfunktionen

wohnortnahe Wohnangebote,Behandlung und Versorgung

Aufbau eines kommunalenambulanten Hilfesystems, dasden Bedarf vor Ort berücksichtigt

Nach dem ersten Gesetzesentwurf,der auf viel Kritik stieß, kann man –meiner Meinung nach – mit dem jet-zigen Ergebnis zufrieden sein:

Die Sprache des Gesetzes spiegelteine menschenrechtskonformeHaltung gegenüber den betroffe-nen Menschen wider.

Besuchskommissionen und unab-hängige Beschwerdestellen wirdes geben. Sie entsprechen in Auf-gabenbeschreibung und Zusam-mensetzung weitgehend den Vor-stellungen der Befürworter.

Eine Regelung für psychiatrischeGutachten ist berücksichtigt;Zwangsmaßnahmen sind gere-gelt und müssen dokumentiertwerden.

Nicht ganz zufriedenstellend war dieRegelung für die Durchführung derFixierung. Wir befürworten nachwie vor eine ständige Sitzwache zurVermeidung ernsthafter Gesund-heitsgefahren. Außerdem hat es unsenttäuscht, dass es keine hessenweiteinheitlichen Standards für die Sozi-alpsychiatrischen Dienste geben soll.

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Hessen will nicht mehr Schlusslicht sein

Auf dem Weg zu einem neuen Psychisch-Kranken-Gesetz

Von Edith Mayer

Das geplante Hessische Psychisch-Kranken-Gesetz will den Umgangmit psychisch kranken Menschen auf eine neue rechtliche Grundlage

stellen. Ein Beirat begleitet die Gesetzgebung.

Magazin

Die viel beklagte Uneinheitlichkeitder Leistungen diese Einrichtungenin Hessen würde also bestehen blei-ben. Immerhin wird das Sozialminis-terium den hessischen Kommunen2,9 Millionen Euro zur Verbesserungdes ambulanten Hilfesystems vorOrt zur Verfügung stellen. Diese Gel-der sollen vor allem die Sozialpsychi-atrischen Dienste stärken. Nähereswird man u. a. in einer Aufgabenbe-schreibung erfahren.

Die Stärkung der Rechte der Patien-ten in Bezug auf Schutz der Grund-rechte, Kontrolle und Beschwerde-möglichkeiten sollte nach Ansichtvieler Teilnehmer im Fachbeiratnicht nur für die Forensik, sondernauch für alle Einrichtungen, insbe-sondere Heime, gelten, in denenMenschen gegen ihren Willen nach§ 1906 BGB untergebracht werden.Das Gleiche gilt für die psychiatri-sche Versorgung und Behandlung.Das betrifft Personen mit Tendenzzur Selbstgefährdung oder hohemPflegebedarf und die sogenannten»Versorgungsfälle«. Wie in derForensik soll auch hier die Behand-lung eine spätere Entlassung mög-lich machen.

Meinungen

Die Verhandlungen über das neuePsychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz inHessen gestalteten sich schwierigerals gedacht. Zu unterschiedlichwaren die Vorstellungen der betei-ligten Parteien. Sie schwankten zwi-schen dem Wunsch auf Umsetzungder Richtlinien der Gemeindepsychi-atrischen Verbünde und der Zufrie-denheit mit den bisherigen örtlichenVersorgungsstrukturen. Da das bis-herige Angebot an Hilfen auf frei-willigen Leistungen der Kommunenberuht, ist das Hilfesystem je nachFinanzkraft und Engagement für diePsychiatrie in der Kommune sehrunterschiedlich. Umfang und Quali-tät des Angebots schwankenbeträchtlich. Durch die fortschreiten-de Ambulantisierung der Behand-lung und Versorgung wird daszunehmend zum Problem.Gebraucht wird nach Meinung vieler

ein wohnortnahes ambulantesAngebot in den Bereichen Woh-nen und psychosozialer Betreu-ung

Krisen- und Notfalldienste

verordnungsfähige, vor Ort ver-fügbare ambulante psychiatri-sche Leistungen sowie Pflegeleis-tungen

Sozialpsychiatrische Dienste zurSteuerung und Koordination

Bisher hat der Fachbeirat dazu ersteinmal getagt. Stellungnahmen der

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Geplant sind hes-

senweit Besuchskom-

missionen und unab-

hängige Beschwerde-

stellen

»

«

Verbände liegen bereits in schriftli-cher Form vor. Ausführlicher undkontrovers wurden nur die Sozial-psychiatrischen Dienste und die Kri-sen- und Notfalldienste angespro-chen. Die Aufgaben des Sozialpsychi-atrischen Dienste sollten u. a. sein:

den Aufbau des kommunalen Hil-fesystems steuern und vernetzen

unabhängige Beratung der Bürgerüber Hilfsangebote

Hilfestellung für Personen undFamilien mit komplexem Hilfebe-darf und oder wenig Fähigkeit,von sich aus Hilfe zu suchen

Minimierung von Zwangsmaß-nahmen durch Prävention

Aber auch: Eingriffsmöglichkeitenbei gefährdeten Personen (Schutz)

Der Krisendienst wird eher als sozi-alpsychiatrische Leistung angese-hen. Psychiatrie-Erfahrene sollen indie Arbeit einbezogen werden. DerNotfalldienst ist eine medizinischeLeistung; er könnte an die Instituts-ambulanzen angeschlossen werden.

Edith Mayer war bis zu ihrer Pensionierung Gymnasialleh-rerin für Deutsch und Französisch in Offenbach. Seit 1988ist sie im Vorstand des Landesverbandes Hessen der Ange-hörigen psychisch Kranker aktiv.

Magazin

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Mit Videos können sich Arbeitssu-chende darstellen und potentielleArbeitgeber können sich unkompli-ziert einen schnellen persönlichenEindruck von dem Bewerber ver-schaffen. Die Videos erhöhen dieChancen merklich, zu einem Bewer-bungsgespräch eingeladen zu wer-den.

Die kurzen Bewerbungsvideos vonetwa einer Minute Dauer werdenvon dem Frankfurter SchriftstellerDramaturg, Regisseur und Bewer-bungscoach Wolf Kunik als Ein-Mann-Team produziert (www.kunik-vision.de). Nach Abstimmung desDrehtermins werden die räumlichenGegebenheiten und der Zeitplanabgestimmt. Gerechnet wird miteinem Zeitaufwand von insgesamtetwa einer Stunde für Besprechung,Drehbucherstellung, das Drehenselbst und für die Nachbesprechung.Danach wird das Video fertiggeschnitten und der Ton nachbear-beitet. In den Videos werden dauer-haft der Name und der Berufs-wunsch des arbeitssuchenden Kun-den eingeblendet, der dann einenUSB-Stick mit dem hochauflösendenVideo erhält. Auf Wunsch werdendie Videos auch auf die Internet-Plattform »vimeo« hochgeladen, miteinem personalisierten Link undPasswort versehen, den die Stellen-suchenden dann an interessierteArbeitgeber weiterleiten können.

Auftraggeber für die Videos ist inder Regel ein Jobcenter, das auch dieKosten übernimmt und die fertigenVideos an infrage kommende Unter-

nehmen schickt. Kunik hat seit 2013für zahlreiche Jobcenter entspre-chende Bewerbervideos zusammengestellt.

Durch die Zusammenarbeit mit demsüdhessischen Projekt »PerspektivePakt 50plus« sind viele Videos fürältere Stellensuchende produziertworden. Auch für Menschen miteiner Behinderung wurde schon

erfolgreich dieses Medium zur Stel-lensuche eingesetzt. Mit dem Job-center Frankfurt am Main gibt esbeispielsweise eine Kooperation mitdem Jugendjobcenter und für alleinerziehende Frauen. Die Mainarbeitin Offenbach setzt die Maßnahmezur Chancenverbesserung amArbeitsmarkt für alle Kunden unab-hängig von Geschlecht, Alter undBildung ein.

Video gehören zu den beliebtesten Elementen des Internets. Seit einigerZeit werden professionell erstellte Clips auch für die Stellenvermittlung

eingesetzt, wie ein Frankfurter Beispiel zeigt.

Videos statt Bewerbungsschreiben

Ein schnelles Medium für Arbeitssuchende und Arbeitgeber

In ruhiger Atmosphäre werden die etwa einminütigen Bewerbungsvideosgedreht, so dass ohne großes Team und einschüchternder Technik die Bewerber entspannt ihre bisherige Berufserfahrung und ihre Wünsche für eine neue Stelle vortragen können.

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Thema

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Wohnen in einem fest umgrenzten, bleibendenWohnraum ist für den größten Teil der Menschheit einGrundbedürfnis. Menschheitsgeschichtlich kam esimmer schon zu festen Ansiedlungen, höher entwickeltePrimaten wie Gorillas haben es vorgelebt. Die Zahl derNomadenvölker war immer klein.

Das Bedürfnis einer festen Ansiedlung, in der das Umfeldvertraut ist, scheint dem Menschen die notwendige Aus-gangsbasis für die Bearbeitung der Natur gewesen sein.Die gegenüber der Tierwelt frei gewordenen Hände alsBasis der Naturbearbeitung hat sein Pendant in der fes-ten Ansiedlung gefunden. Ein bekanntes Möbelhaus hatdie universelle Bedeutung des Wohnens werbetechnischauf den Punkt gebracht: »Wohnst du noch oder lebst duschon«.

Die eigene Wohnung ist hingegen eine relativ neueErrungenschaft und bei einem Teil der erwachsenenBevölkerung – wie Menschen mit Behinderung – nochnicht oder noch nicht lange umgesetzt. Die eigene Woh-nung ist eng mit dem Recht des Bürgers auf freie Entfal-tung seiner Persönlichkeit verbunden. In früherenGesellschaftsformen war das eigene Haus das Zentrumdes gesamten Lebensvollzugs. Man arbeitete dort, woman wohnte und man hatte das Haus nicht für sich, son-dern für die Generationenfolge der Familie. Auf altenBauernhäusern kann man heute noch die Inschrift lesen:»Dies Haus ist mein und doch nicht mein, wer nach mirkommt wird’s auch so sein.« Erst die Trennung vonArbeiten und Wohnen verwandelte die Wohnung in das,was wir zwischenzeitlich Privatsphäre nennen: einZusammenleben im engsten Familienkreis und seit einerGeneration vermehrt ein Alleinleben auf Dauer.

Unabhängig von der Wohnform dient die Wohnung alsRefugium der Erholung und Regenerierung und ist Aus-gangspunkt für den alltäglichen Kampf mit den gesell-schaftlichen Herausforderungen. Aus diesem Grund hat

sich vermutlich die Wohngemeinschaft als Dauerwohn-form im Gegensatz zum Single-Dasein nicht wirklichdurchgesetzt, sondern wird meist in Übergangsphasenwie dem Studium genutzt.

Psychiatrie und das Wohnen

Rechtlich ist das Individuum mittlerweile gut geschützt,sowohl als Besitzer als auch als Mieter. Die eigene Woh-nung ist ein Grundrecht, das rechtlich verankert ist undbei Bedarf über die Sozialhilfe finanziert wird. Dennochlebten Menschen mit geistigen und seelischen Behinde-rungen und schweren Beeinträchtigungen vorwiegendnicht in eigenen Wohnungen. Daher haben die VereintenNationen in der sogenannten UN-Behindertenrechtskon-vention den Grundsatz verankert, dass Menschen mitBehinderungen – unabhängig von der Schwere – dasRecht auf eine eigene Wohnung haben.

In der Geschichte der psychiatrischen Versorgung spieltedie eigene Wohnung hingegen keine Rolle. Vielmehrwurde eine künstliche Gemeinde – die Anstalt – geschaf-fen, in der psychische kranke Menschen leben konntenohne die wirkliche Gemeinde zu stören. Alexander Veltinhat das präzise beschrieben. Die Institution wurde alsAnstaltsfamilie definiert (Alexander Veltin: Die Anstalts-familie. Psychiatrie Verlag, Köln 2013). Die Irrenanstaltmit der familiären Gemeinschaft der Station wurde alsdie bedeutende Umwelt der Kranken gesehen habe.

Diese Philosophie hielt sich in Deutschland bis in Zeitennach der Psychiatrie-Enquete. Der »Anstaltsfamilie«wurde von ihren Gründern zugeschrieben, dass sie dieKranken heilt. Das Gegenteil war der Fall. Da die Anstaltoder die Langzeitstation der Klinik keine Wohnung war,stellte sie keinen Ausgangspunkt für die Reintegration indie Gemeinde dar. Die in ihr lebenden Personen mussten

My home is my castle

Die Bedeutung des Wohnens und die Kunst, eine Wohnung zu finden

Von Michael Konrad

Die eigene bezahlbare Wohnung ist für viele psychisch kranke Menschen ein Wunsch,der nicht leicht zu erfüllen ist. Warum das Verlangen nach den eigenen vier Wändenso stark ist und wie es erfüllt werden kann, versucht dieser Beitrag zu klären.

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Thema

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sich vielmehr an die künstliche Gemeindeanpassen, die Rückkehr in den natürlichenLebensraum wurde mit der Dauer des Auf-enthalts immer unwahrscheinlicher.

Wie auch immer die künstliche Gemeindetransformiert wurde, bis hin zu »fort-schrittlichen« Konzepten der Milieuthera-pie und der therapeutischen Gemein-schaft in den 1970er Jahren, der Transferin den natürlichen Lebensraum bliebschwierig. Für die Integration in dieGesellschaft ist die eigene Wohnungeine wichtige Voraussetzung. Sie istVoraussetzung für eine selbstbestimm-te Entfaltung der individuellen Persön-lichkeit und damit Ausgangspunktvon Recovery.

Aus Artikel 19 der UN-Behindertenrechtskonvention kön-nen bei konsequenter Anwendung wesentliche Impulsefür die Gemeindepsychiatrie und das Betreute Wohnenabgeleitet werden. Danach ist zu gewährleisten, dass

a)Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mitanderen die Möglichkeit haben, ihren Aufenthaltsortzu wählen und zu entscheiden, wo und mit wem sieleben, und nicht verpflichtet sind, in besonderenWohnformen zu leben;

b)Menschen mit Behinderungen Zugang zu einer Reihevon gemeindenahen Unterstützungsdiensten zu Hau-se und in Einrichtungen sowie zu sonstigen gemeinde-nahen Unterstützungsdiensten haben, einschließlichder persönlichen Assistenz, die zur Unterstützung desLebens und der Einbeziehung in die Gemeinde nötigist, um Isolation und Ausgrenzung aus der Gemeindezu verhindern;

c) gemeindenahe Dienstleistungen und Einrichtungenfür die Allgemeinheit auch für Menschen mit Behinde-rungen auf der Grundlage der Gleichberechtigung zurVerfügung stehen und ihren Bedürfnissen Rechnungtragen

Die drei Absätze definieren unterschiedliche Ansprücheim Betreuten Wohnens und sind auf verschiedenen Ebe-nen des sozialen Lebens anzusiedeln.

Inklusion fördert freie Lebensgestaltung

Mit der eigenen Wohnung wird der ehemalige Heimbe-wohner wieder zum Bürger mit uneingeschränktenRechten. Die Vorgabe der UN-Behindertenkonvention

sichert das in der bürgerlichen Demokratie verbriefteRecht auf freie Gestaltung des Lebens, das nur in Aus-nahmesituation eingeschränkt werden darf.

Die eigenen vier Wände fördern das Selbstbewusstseininsbesondere chronisch psychisch kranker Menschen inhohem Maße. In den Worten einer Klientin: »Ich fand, eswar ein guter Schritt raus aus dem Wohnheim. Ein eige-ner Hausschlüssel, ein eigener Briefkasten, ich war stolz.Das Personal wurde freundlicher. Man hatte mehr zulachen und vor allen Dingen war es wie eine kleineFamilie. Ich stelle mir manchmal vor, die Eltern schauennach einem.«

Integration verlangt Toleranz

Die Integration in die Gemeinde – also die Toleranz desUmfelds gegenüber Eigenheiten von Menschen mitBehinderung – ist durch gemeindenahe Unterstützungs-dienste zu leisten. Die Mitarbeitenden müssen ihrenFokus radikal umstellen: von der Welt in der Institutiondes Wohnheims auf das richtige Leben. Die professionel-le Unterstützung hat im Wesentlichen drei Aufgaben:

1. Sicherheit für die Klientinnen und Klienten herzustel-len

2. eine Ziel- und Hilfeplanung mit den Klientinnen undKlienten zu machen und diese gegebenenfalls anzu-passen

3. Bei Konflikten zwischen den Klientinnen und Klientensowie dem sozialen Umfeld zu moderieren. ➝

Teilhabe fordert beide Seiten

Die vollständige Teilhabe am gesellschaftlichen Lebenbetont am stärksten das Verbot der Diskriminierung: Ichkann also wegen meiner Behinderung nicht an der Teil-habe an einem bestimmten Bereich gehindert werden,ich bekomme mit der UN-Behindertenrechtskonventionaber auch keine Freikarte. Auch der Mensch mit Behin-derung muss gewisse Voraussetzungen mitbringen, uman bestimmten gesellschaftlichen Bereichen teilhaben

zu können. Inklusion bedeutet nicht, dass ein Gesangs-verein einen Menschen mit Behinderung aufnehmenmuss, der nicht singen kann.

Die Erfahrung zeigt, dass Einrichtungen in der Gemeindefür Menschen mit Behinderung nicht einfach zur Verfü-gung stehen. Es ist vielmehr ein langsamer und stetigerProzess, den Zugang zu Vereinen, kulturellen Angebotenetc. in der Gemeinde zu erschließen.

Trennung von Versorgung und Wohnen

Um den Übergang von der stationären zur ambulantenUnterstützung zu erleichtern hat beispielsweise Baden-Württemberg das 2011 verabschiedete Landesheimgesetznochmals geändert und in dem 2014 verabschiedetenWohn-, Teilhabe- und Pflegegesetz (WTPG) eine Differen-zierung des ambulant betreuten Wohnens eingeführt.Die Eingliederungshilfeleistung des ambulant betreutenWohnens wird in Baden-Württemberg als vollständigselbstverantwortetes ambulant betreutes Wohnenbezeichnet und unterliegt der Trennung von Miet- undUnterstützungsvertrag gemäß dem Wohn-, Teilhabe-und Pflegegesetz.

Als Zwischenform zwischen ambulant und stationärwurde also das »Teilweise selbstverantwortete Ambu-lant Betreute Wohnen« in Baden-Württemberg einge-führt. Dadurch werden die bestehenden Außenwohn-gruppen ordnungsrechtlich geregelt, in denen stationäreLeistungen in einer »normalen« Wohnung gewährt wer-den. In diesem Fall stellt der Einrichtungsträger die Woh-nung mitsamt der Einrichtung und finanzielle Mittel fürden Lebensunterhalt zur Verfügung, die Organisation desHaushalts obliegt jedoch den Bewohnern. Die Eigenver-antwortung bedeutet nicht, dass die Klientinnen undKlienten bei den Haushaltstätigkeiten nicht unterstütztwerden dürfen. Im Gegenteil ist hiermit eine Basisgeschaffen, die Unterstützung als Leistung und nicht alsZwang zu erbringen.

Unterschiedliche Wohnformen führen zu unterschiedli-chen Wirkungen: Die Selbstständigkeit des Wohnens ineiner eigenen Wohnung allein führt zu mehr Einsamkeitin den persönlichen vier Wänden. Diese Lebensformbedingt die verabredete Kontaktaufnahme mit den pro-fessionellen Helfern, das Vorhandensein offener Treff-punkte, die zu möglichst vielen Zeiten aufgesucht wer-den können, oder intensive Bemühungen, Kontakte zuanderen Menschen außerhalb des Hilfesystems herzu-stellen. Wohngruppen oder Wohngemeinschaften ver-hindern vollständige soziale Isolation, erfordern aber dieBereitschaft zu gegenseitiger Rücksichtnahme. DieGewährleistung von Hilfe (Versorgungsverpflichtung der

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Thema

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Handbuch zum Betreuten Wohnen

Das Betreute Wohnen ist das Rückgrat der Hilfen fürchronisch psychisch kranke Menschen und wird inganz unterschiedlichen Formen verbreitet und umge-setzt. Für den Ausbau des ambulant Betreuten Woh-nens spielen Kostengründe eine Rolle, aber auch dieErkenntnis, dass Sondereinrichtungen wie stationäreWohneinrichtungen für die Entwicklung psychischkranker und behinderter Menschen nicht hilfreichsind. Dass Wohnung und Hilfen zur Alltagsbewälti-gung unabhängig voneinander zu gewähren sind, istnicht nur die Überzeugung der Herausgeber und Auto-ren, sie zeigen auch, wie ambulante Unterstützungorganisiert werden kann. Das Handbuch zum Betreu-ten Wohnen wird eingeleitet von der Frage, wie Nutzerdas Betreute Wohnen erleben. Im zweiten Teil geht esum praktische und alltägliche Fragen, so werden dieunterschiedlichen Wohnformen und die Hilfeplanungdargestellt. Im dritten Abschnitt stehen die Herausfor-derungen durch bestimmte Personengruppen wieAbhängige, Wohnungslose oder ehemalige forensischePatienten im Mittelpunkt. Der vierte Teil nimmt dieAnforderungen an die Mitarbeiter im Betreuten Woh-nen in den Blick. Um die Integration in die Gemeindegeht es schließlich im fünften Teil des Buches. AmEnde werden schließlich die sozial- und leistungs-rechtlichen Vorgaben dargestellt, unter denen alle For-men des Betreuten Wohnens zu finanzieren und zuentwickeln sind. Die erste Auflage des Buches ist alsDruckwerk vergriffen, jedoch als E-Book noch erhält-lich (https://www.psychiatrie-verlag.de/buecher/detail/book-detail/handbuch-betreutes-wohnen-ebook.html). Der Verlag plant eineNeuauflage des Buches für den Herbst 2016.

Matthias Rosemann (Hg.), Michael Konrad (Hg.): Hand-buch Betreutes Wohnen. Von der Heimversorgung zurambulanten Unterstützung. Psychiatrie Verlag, Bonn2011. 352 Seiten. 39,95 Euro. ISBN 978-3-88414-595-1.

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Anbieter) und der Wunsch, sich seine Wohnpartner aus-suchen zu können (Selbstbestimmung der Klienten), ste-hen dann in einem naturgemäßen Widerspruch zuei-nander.

Wohnungsnot und psychische Erkrankung

Die Trennung der Leistungen für Wohnen und Unterstüt-zen bringt ein nicht zu unterschätzendes Problem mitsich. Der Wohnraum steht nicht mehr einfach zur Verfü-gung. Das von der UN-Behindertenrechtskonvention ver-briefte Recht auf eine eigene Wohnung verweist denMenschen mit Behinderung damit auf den Immobilien-markt.

Eine Person mit einer schweren psychischen Beeinträch-tigung ist kaum in der Lage, die kommunikativen Anfor-derungen einer Anmietung zu bewältigen. Daher bleibtdiese Aufgabe an den Anbietern des Betreuten Wohnenshängen. Erste Ansprechpartner sind Immobilienmakler.Mit der Zeit findet man gute Makler, die darin geübt,zwischen zwei Parteien zu vermitteln und ihren Erfolgdarin sehen, dass beide Parteien mit dem Ergebniszufrieden sind.

Eine Entwicklung, die in mittelgroßen Städten seitgeraumer Zeit in Gang ist, hilft bei der Wohnungssuche.Dienstleister und größere Arztpraxen ziehen es zwi-schenzeitlich vor, aus den Innenstädten in die mit Fahr-zeugen besser erreichbaren Außenbezirke zu ziehen.Dies schafft Wohnraum für Menschen mit Behinderung,die meist auf Innenstadtlage und öffentliche Verkehrs-mittel angewiesen sind.

Gemeinnützige Wohnbaugesellschaften sind ein geeig-neter Partner für das Finden von Wohnungen. Aber auchsie schrecken vor der Klientel psychisch kranker Men-schen meist zurück; nicht zuletzt deswegen, weil siemeist mit entsprechend stigmatisierten Personen, die

nicht professionell unterstützt wurden, viel Ärger undArbeit hatten.Wohnungsbaugesellschaften gewinnt man nur, wennman plausibel darlegen kann, dass man bei aufkommen-den Problemen zur Stelle ist und die Vermieter bei einernotwendigen Kündigung des Mietvertrags unterstützt.An dieser Stelle tritt ein erheblicher Rollenkonflikt fürdie Mitarbeitenden auf, müssen sie sich in diesem Fallnämlich gegen die Interessen ihrer Klienten entschei-den. Die konsequente Unterstützung des Vermieters istjedoch erforderlich, da der Mietvertrag nicht wegen Pro-blemen bei der psychosozialen Unterstützung, sondernnur wegen Mietrückstand oder erheblicher Störung desHausfriedens gekündigt werden kann.

Was tun?

Als Vorstufe oder Einstieg in den sozialen Wohnungsbauempfiehlt sich die Zusammenarbeit mit den jeweiligenStadtverwaltungen. Idealerweise erfolgt dies über eineInklusionskonferenz, die von der Kommune zur Umset-zung des Inklusionsanspruchs eingesetzt wird.

Wo solche Gremien nicht vorhanden sind, muss der Ein-stieg auf höherer Ebene gesucht werden, wenn nichtgleich beim Oberbürgermeister, dann zumindest bei denfür Soziales und für Bau zuständigen Dezernenten.

Die rechtliche Verpflichtung aller Kommunen auf dieUmsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention ist einguter Einstieg in eine entsprechende Zusammenarbeit.Dabei ist es weder sinnvoll als Bittsteller noch mit mora-lischen Ansprüchen aufzutreten, sondern sich vielmehrals Unterstützer für die Interessen der Kommune anzu-bieten.

Dr. Michael Konrad ist Geschäftsbereichsleiter Wohnen Ravensburg-Bodensee amZentrum für Psychiatrie Südwürttemberg, Sprecher der Trägergemeinschaft Gemein-

depsychiatrischer Verbund im Landkreis Ravensburg und Vorstandsmitglied desDachverbands Gemeindepsychiatrie. Vor 30 Jahren stieg er in die psychiatrische Ver-

sorgung mit der Wiederbelebung der Psychiatrischen Familienpflege ein, die zwi-schenzeitlich unter dem Titel »Betreutes Wohnen in Familien« firmiert. In den letzten

zehn Jahren war er vor allem mit der Ambulantisierung psychiatrischer Wohnheimebeschäftigt. Im Herbst 2016 erscheint im Psychiatrie-Verlag das gemeinsam mit

Matthias Rosemann verfasste Buch zum Betreuten Wohnen (vgl. Kasten Seite 10).

Das Thema Wohnen speziell in Ballungsräumen isteines der am meisten diskutierten Aspekte in der Kom-munalpolitik.

Bekannte Fakten sind: Die Mieten steigen unaufhörlich;bis hin zu mittleren Einkommen können sich mancheFamilien und auch Einzelpersonen bestimmte Wohnge-genden nicht mehr leisten; Sanierungen vormals preis-günstiger Wohnungen enden häufig in drastischen Erhö-hungen und damit verbundenem Hinausdrängen ein-kommensschwacher Bewohner. Neuer Wohnraum, dergeplant und gebaut wird, ist meist hochpreisig angesie-delt und eher auf gut verdienende Banker, Finanz- undandere Dienstleister ausgerichtet als auf die »graue Mas-se« der weniger verdienenden Bevölkerung oder gar vonSozialhilfe lebenden Menschen, Rentnern, Alleinerzie-henden.

»Bezahlbarer Wohnraum« las man im letzten Wahl-kampf auf vielen Plakaten und die Parteien warfen sichgegenseitig vor, nichts oder zu wenig dafür zu tun. Wasdaraus in den nächsten Jahren wird? Man muss sehen,vermutlich wird sich unter den gegebenen ökonomi-schen Bedingungen und Prioritäten - vorrangiges Zielvon Wohnungsbau und Wohnungsmarkt = Geld damitverdienen! - nicht viel ändern.

Was bedeutet das nun für das Umfeld und die Zielgruppeunserer Zeitschrift? Wie bereits öfter in den »Treffpunk-ten« beschrieben, treffen die genannten Probleme beson-

ders stark unter anderem die Menschen, die wir unter-stützen. Diese sind in der Regel nicht finanzkräftig, nichtdurchsetzungsfähig beim »Wohn-Casting«, oft auf sichallein gestellt, und bei starken psychischen Beeinträchti-gungen kaum in der Lage, eine stressige Wohnungssuchedurchzustehen, geschweige denn, dabei erfolgreich zusein.Auf dem Wohnungsamt ist momentan auch nicht viel zuholen, wie wir gerade aktuell häufig erleben, da derMarkt in Frankfurt am Main an günstigem Wohnraumeinfach zu klein ist. Das bedeutet oft jahrelange Warte-zeit selbst in höheren Vermittlungsstufen.

Seit vielen Jahren fahren wir von der Bürgerhilfe fürSozialpsychiatrie Frankfurt am Main die Strategie, selbstWohnraum für von uns betreute und unterstützte Men-schen anzubieten. Dies sehen wir gerade in den letztenJahren als kleines, aber immerhin wirkungsvolles Instru-ment, etwas gegen die (nennen wir es ruhig etwaspathetisch) »Wohnungsnot« zu tun.

Der beabsichtigte Kauf einer Immobilie ließ sich zwarnoch nicht realisieren, da entsprechend den Mietpreisenja auch die Immobilien-Preise in immer üblere Höhenentschwinden. Dafür hatten und haben wir immer wie-der komplette Mehrfamilienhäuser zur Miete angebotenbekommen, und dies auch zu bezahlbaren Preisen. Mitt-lerweile halten wir insgesamt vier Häuser im SüdenFrankfurts (siehe den nachfolgenden Artikel über dasneue Haus in Niederrad) und vermieten die einzelnenZimmer (in der Regel in Zweier- oder Dreier-WGs) an vonuns im Betreuten Wohnen unterstützte Menschen. DerAltersdurchschnitt in diesen Wohngemeinschaften istetwas niedriger als im restlichen Betreuten Wohnen(Menschen in Partnerschaft oder alleine in eigener Woh-nung), da das Modell »Wohngemeinschaft« nach wie vorbei jüngeren Menschen sehr beliebt ist.

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Wohnen in Frankfurt am Main

Die Doppelrolle der Bürgerhilfe Sozialpsychiatrie als Mieter und Vermieter

Von Gerhard Seitz-Cychy

Die Bürgerhilfe Sozialpsychiatrie Frankfurt am Main hat zwischenzeitlich vier Mehr-familienhäuser angemietet, um die Zimmer und Wohnung an Klienten aus demBetreuten Wohnen weiterzuvermieten.

Der Mensch steht im Mittelpunkt

unserer Arbeit!» «

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Gerade für viele jüngere unserer WG-Bewohner ist dasZimmer ein erster Schritt in die Selbständigkeit und einideales Lernfeld für Sozialverhalten, Toleranz, eigenesWirtschaften, Geben und Nehmen im Zusammenleben.

So bieten wir für immerhin rund 35 Personen bezahlba-ren und soliden Wohnraum an und dies inmitten demnormalen gesellschaftlichen Leben in den Stadtteilen.Dieses Modell, zu dem wir nach wie vor stehen und esauch noch für ausbaufähig halten, hat natürlich auchsein Für und Wider, sodass andere vergleichbare Organi-sationen dies für sich explizit ausschließen.

Der Aufwand einer mittleren Liegenschaftsverwaltung -Mietverträge, Abrechnungen, Hausmeister, Handwerker,Versorgung, Ordnung und Sicherheit - ist nicht unerheb-lich und mancher Euro ist nicht auf die Mieter umzule-gen, sodass unterm Strich mit diesem Modell nicht wirk-lich Geld zu verdienen ist. Dies ist auch nicht unser Ziel,jedoch muss auch ein gemeinnütziger Verein wirtschaft-lich solide arbeiten, also möglichst verlustfrei und mitkleinem Überschuss. Hier ist eine äußerst knappe Kalku-lation gefragt, die bisher immer im tolerierbaren Bereichaufging.

Eine weitere Schwierigkeit ist die rechtliche Situation,die seit einigen Jahren besagt, dass alle Betreuten Wohn-gemeinschaften ab drei Personen »Einrichtungen« imSinne des Wohn- und Betreuungsvertrags-Gesetzes sindund somit unter ganz andere Vorgaben fallen als norma-le Mietverträge. Beispielsweise ist eine Befristung desMietvertrags nicht zulässig. Dies kann zu großen Proble-men führen, wenn sich nach kurzer Zeit herausstellt,dass ein WG-Mitbewohner ganz und gar nicht zu denanderen passt und dort ein schlimmes Klima herrscht,derjenige aber nicht ausziehen will, oder sich nicht mehrvon uns betreuen lassen möchte. Glücklicherweise sindsolche Szenarien die absolute Ausnahme, aber durchausdenkbar.

Auch mit der Rolle als Betreuungs- und Vertrauensper-son auf der einen Seite und andererseits als Vertreter desVereins (z. B. beim Thema Ordnung und Sauberkeit) undsomit des Vermieters kommen manche unserer betreu-enden Kolleginnen und Kollegen nicht immer gutzurecht. Hier ist oft ein behutsames und diplomatischesVorgehen auch seitens der Vorgesetzten vonnöten.

Unsere Vermieter, also die Hausbesitzer, sind in der Regelhochzufrieden mit dieser Konstellation, da sie eine ver-lässliche, pünktlich zahlende Institution und festeAnsprechpartner haben (und nicht 30 Einzelpersonenmit all ihren individuellen Anliegen und Problemen), dersich auch um das Haus gekümmert. Diese Erfahrunghaben wir und unsere Vermieter in vielen Jahrengemacht.

So kann man als Resümee festhalten: Es kann keine reinwirtschaftliche Motivation sein, dieses Modell weiterzu-verfolgen, sonst müsste man es logischerweise beenden.Die beschriebenen Nachteile und Probleme überwiegenkeinesfalls die für uns und unser Klientel positiven Wir-kungen, und das muss nach unserem Selbstverständnisausschlaggebend sein.

Unser Ziel ist und bleibt: Der Mensch steht im Mittel-punkt unserer Arbeit!

Gerhard Seitz-Cychyiist Geschäftsführer der Bürger-hilfe Sozialpsychiatrie Frankfurt am Main e. V.

www.bsf-frankfurt.de

Seit über 40 Jahren bietet der Verein Bürgerhilfe Sozi-alpsychiatrie Frankfurt am Main zahlreiche Hilfen fürMenschen mit psychiatrischen Diagnosen an. Im Zugeder Erweiterung seines gemeindepsychiatrischen Ange-botes wurde im Jahr 2015 eine neue Immobilie angemie-tet, die neun weitere Plätze im ambulant Betreuten Woh-nen bietet. Somit ist der Verein nun in der Lage, insge-samt 35 Plätze in Betreuten Wohngemeinschaften anbie-ten zu können.

Das neue Haus im Frankfurter Stadtteil Niederrad beher-bergt in den oberen drei Stockwerken Wohngemein-schaften mit jeweils drei Bewohnern. Im Erdgeschossbefindet sich eine Büroetage für die betreuenden Mitar-beiter während ihrer Anwesenheitszeiten im Haus.

Für die Arbeit mit den Bewohnern unserer Wohngemein-schaften, wurde in den Räumlichkeiten des Büros zusätz-lich ein gemütlicher Raum eingerichtet, der für Bera-

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Die Küche ist, wie in fast jeder Wohngemeinschaft, der tägliche Treffpunkt der Bewohner im neuen Wohnprojektder Bürgerhilfe Sozialpsychiatrie Frankfurt am Main im Stadtteil Niederrad.

Das Wohnprojekt Niederrad funktioniert

Eine Aktion gegen die Wohnungsnot bei psychisch kranken Menschen

Von Jan Vollauf

Das neue Haus der Bürgerhilfe Sozialpsychiatrie Frankfurt am Main in Niederrad istseit rund einem Jahr im Betrieb. Die bisherige Bilanz: Die Bewohner fühlen sich wohlund bilden bereits eine gute Hausgemeinschaft.

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Zusammenleben mehrerer Menschen. Aber gerade des-wegen bietet sich die Möglichkeit alltagspraktische undsoziale Kompetenzen im geschützten Rahmen derBetreuten Wohngemeinschaft zu erproben, trainierenund anzuwenden.

Es gilt auch hier der Leitgedanke unseres Vereins: »DerMensch steht im Mittelpunkt unserer Arbeit.« Geradedas Wohlbefinden jedes einzelnen ist hierbei besondershervorzuheben, deshalb gibt es neben regelmäßigenWohngemeinschafts-Treffen, auch gemeinsame Freizeit-aktivitäten und wir freuen uns schon auf das erste Haus-grillfest im Frühling, in dem schönen Garten hinter demHaus.

tungsgespräche, wie für auch Hausversammlungenoder Treffen der Wohngemeinschaften in neutralerUmgebung genutzt werden kann. Insbesonderewegen der Nähe zu den anderen beiden Häusernin Niederrad mit Betreuten Wohngemeinschaften,ist ein neutraler Raum für Beratungsgesprächeauch mit mehreren Personen ein Gewinn für diedezentrale Versorgung unserer Klienten.

Die Erfahrung hat gezeigt, dass die Nachfragenach Wohngemeinschaftsplätzen in der Regelsehr hoch ist. Dementsprechend schnell konn-te die Vollbelegung im Haus erreicht werden.Die Anfragen erreichten uns aus verschiede-nen Richtungen. Neben dem klassischen Falldes Auszugs aus der elterlichen Wohnung,haben andere Bewohner vorher in anderenEinrichtungen gewohnt oder kommen ausdem Internat einer Bildungseinrichtung. Ineinem Fall zog es sogar eine Bewohnerinaus dem Main-Kinzig Kreis hierher. Dortsollte sie nur übergangsweise in einem Wohnheim woh-nen, jedoch blieb sie dort länger als geplant. Jetzt wohntsie wieder in ihrer alten Heimat, in der Nähe von Freun-den und Verwandten und ist sehr glücklich darüber, nunihr selbstständiges Leben in Frankfurt am Main in dieHand zu nehmen. Nach den Sommerferien freut sie sichauf den Beginn ihrer Ausbildung.

Der erste Einzug in das neue Haus fand im Mai 2015 stattund sehr zügig folgten die anderen, sodass das Haus abSeptember 2015 schon voll belegt war. Von den dreiWohngemeinschaften sind zwei Männer-Wohngemein-schaften, im obersten Stockwerk wohnen drei Frauen.Obwohl alle Wohngemeinschaften quasi zusammenge-würfelt wurden, hat sich schnell eine gute Hausgemein-schaft entwickelt und bisher gab es keine Fluktuation.

Natürlich gibt es auch hier Konflikte und Probleme zubewältigen, wie in jeder Wohngemeinschaft oder im

Jan Vollauf ist Mitarbeiter der Bürgerhilfe Sozi-alpsychiatrie Frankfurt am Main e. V. und im

Team für das Betreute Wohnen tätig.www.bsf-frankfurt.de

Das neue Wohnhausder Bürgerhilfe inNiederrad verfügtüber einen schönenGarten, der zumZusammensitzen,Grillen und Aus-spannen einlädt.

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Ende letzten Jahres war es soweit: Die ersten Bewohne-rinnen und Bewohner bezogen ihre neuen Zimmer imWohnverbund Niedwiesenstraße im Frankfurter Stadt-teil Eschersheim. Die Frankfurter Werkgemeinschaft(fwg) bietet hier eine neue Einrichtung mit Wohnbetreu-ung für junge erwachsene Menschen mit einer psy-chischen Beeinträchtigung an.

Die jungen Erwachsenen sind bei der Aufnahme zwi-schen 18 und 30 Jahre alt. Innerhalb von zwei bis vierJahren, die die Bewohnerinnen und Bewohner in der Ein-richtung und der Wohngruppe leben, soll sich deren psy-chische Gesundheit stabilisieren und verbessern. Zu die-sem Zweck werden alltagspraktische und soziale Fähig-keiten und Fertigkeiten trainiert und erlernt und eigeneLebensperspektiven im privaten und beruflichen Bereichgefunden und entwickelt.

Für junge Erwachsene ist dabei die Orientierung in einerGruppe von Gleichaltrigen wichtig – daher hat die Frank-furter Werkgemeinschaft bereits vor einigen Jahreneinen eigenen Wohnverbund für diese Zielgruppe einge-richtet. In der Niedwiesenstraße leben nun zwölf Bewoh-nerinnen und Bewohner der Wohngruppe in einem vier-geschossigen Haus, in dem noch bis vor einem Jahr Feri-enapartments vermietet wurden.

Alle Bewohnerinnen und Bewohner verfügen über einEinzelzimmer mit eigenem oder einem Tandem-Badinnerhalb der abgeschlossenen Wohneinheit. Im Erdge-schoss und Souterrain wurden Gemeinschaftsräume ein-gerichtet. Hier findet man eine Küche, Wohn- und Auf-enthaltsräume, einen Fitnessraum sowie auch das Büroder zuständigen Betreuerinnen und Betreuer. In derWohngruppe wird gemeinsam eingekauft und auch die

Vorbereitung auf ein selbständiges Leben

Ein neues Projekt bietet Orientierung in einer Gruppe von Gleichaltrigen

Von Klaus Dieter Joisten

Junge Erwachsene mit einer psychischen Beeinträchtigung haben oft Schwierig-keiten, selbstständig zu leben. Für sie gibt es nun in Frankfurt am Main einenneuen Wohnverbund, in dem die erforderlichen alltagspraktischen Fertigkeitentrainiert werden können.

Das Betreuungsteams der Frankfurter Werkgemeinschaft kümmert sich auch um die jungen Bewohnerinnen undBewohner im neuen Wohnverbund Niedwiesenstraße.

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Mahlzeiten werden oft gemeinsam zubereitet. Zur statio-nären Wohngruppe in der Niedwiesenstraße gehörenweiterhin vier Trainingsapartments im Nebenhaus. Die-se sind in sich abgeschlossene Wohneinheiten jeweilsmit einer kleinen Küche, wo die Bewohnerinnen undBewohner mehr Selbständigkeit ausprobieren und trai-nieren können um sich auf den späteren Auszug in eineeigene Wohnung gut vorzubereiten.

Gleichfalls im Nebenhaus besteht die Möglichkeit –ebenfalls für einige Zeit – in einem Apartment desambulant Betreuten Einzelwohnens zu leben. Hier über-nehmen die Bewohnerinnen und Bewohner noch mehreigene Verantwortung, beispielsweise für die eigenenFinanzen. Eine weitere Begleitung und Unterstützungdurch die Bezugspersonen des Betreuungsteams wird ineinem zeitlich geringeren, aber verbindlichen Rahmenangeboten.

Angebote zur Gestaltung des Tages vor Ort

Die Bewohnerinnen und Bewohner gehen einer eigenenTagesgestaltung außerhalb ihres Wohnorts nach. Dieskann eine Ausbildung, ein Arbeitsplatz, Schule, Studiumoder auch der Besuch von Tagesstätte oder sogenannter»externer Tagesstruktur« der Frankfurter Werkgemein-schaft sein.

Neu in der Niedwiesenstraße ist, dass es für einigeBewohnerinnen und Bewohner auch Angebote zurGestaltung des Tages vor Ort gibt. Diese sollen zu einerTagesgestaltung außer Haus hinführen und diese vorbe-reiten, gerade wenn dieses Ziel für den Einzelnen zuBeginn des Aufenthalts noch nicht oder in Krisenphasennicht erreicht werden kann.

Gute Voraussetzungen

An der guten Umsetzung eines solchen Konzepts, hat dieFrankfurter Werkgemeinschaft lange gearbeitet. Es zieltauf die Entwicklung von persönlichen Perspektiven fürdie Bewohnerinnen und Bewohner, die Möglichkeitendes flexiblen Übergangs von Begleitung und Betreuungund auf weniger Abbrüche im laufenden Förder- undBetreuungsprozess.

Nach einer langen Phase der Suche nach einem geeigne-ten Standort gelang es im Frühjahr vergangenen Jahres,die beiden Häuser in der Niedwiesenstraße zu erwerben.Modernisierung und Umbau erfolgten vergleichsweiseschnell innerhalb weniger Monate, wobei neben Maß-

nahmen zum Brandschutz vor allem die Gemeinschafts-etage neu geschaffen und eingerichtet werden musste. Die Häuser stehen in einer ruhigen Wohnstraße imStadtteil Eschersheim nahe dem Niddaufer. Die Ver-kehrsanbindung ist sehr gut: U-Bahn und S-Bahn sindinnerhalb weniger Minuten zu Fuß zu erreichen und dasStadtzentrum dadurch in 15 Minuten.

Der Betrieb des Wohnverbunds wird aus Mitteln des Lan-deswohlfahrtsverbands Hessen als überörtlicher Trägerder Sozialhilfe finanziert. Konzeption und Umsetzungdes neuen Wohnangebots in der Niedwiesenstraßeerfolgten in enger Abstimmung und mit sehr guterUnterstützung durch den Landeswohlfahrtsverband Hessen.

Zwölf Bewohnerinnen und Bewohner sind bereits ausdem »Wohnverbund Friedrich Stoltze« in die Niedwie-senstraße umgezogen. Weitere vier wurden neu aufge-nommen. Die Apartments des ambulant Betreuten Ein-zelwohnens werden nun nach und nach ebenfalls bezo-gen. Im gleichen Haus sind weitere Apartments auch freivermietet – eine gute Voraussetzung für ein lebendigesund gutes Zusammenleben in der Nachbarschaft undHausgemeinschaft.

Das Team unter Leitung von Petra Fettel besteht ausneun Betreuungs-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiternsowie einer Reinigungskraft. Einige Teammitgliederhaben schon lange im Wohnverbund Friedrich Stoltzezusammengearbeitet und sich für die Projektentwick-lung des neuen Wohnverbunds Niedwiesenstraße enga-giert.

Nach den anstrengenden und aufregenden Tagen desUmzugs vor Weihnachten, steht jetzt der Alltag in derneuen Umgebung im Fokus.

Klaus Dieter Joisten leitetden Verbund »Begleitung +

Wohnen« der FrankfurterWerkgemeinschaft e. V. (fwg).

Zu diesem Verbund gehörendie Psychosoziale Kontakt-

und Beratungsstelle, dasBetreute Wohnen sowie die

verschiedenen stationärenWohnangebote.

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Als Berufsbetreuer werde ich oft gefragt: »Gibt es einenGrundsatz für Sie bei der Arbeit oder den ›einen‹ Gedan-ken, der Sie antreibt?«

Jau, gibt es. Er lautet: Alle Menschen sind Menschen.

Aha. Nee, klar, oder? – Eigentlich schon. Aber in der Pra-xis dann doch oft nicht.

Da wird Hans Maier, wenn er eine Betreuung bekommt,dann plötzlich vom Menschen zum »Betreuungsfall«. EinFall, der möglichst effizient und erfolgreich bearbeitetwerden muss. Und Lieschen Müller wird im Kranken-haus vom Menschen zum »Blinddarm auf Zimmer 13«.Dieser Blinddarm wird dann operiert, und nicht LieschenMüller. Und wenn Ahmed Cengiz Sozialhilfe benötigt,wird er vom Menschen zum Aktenzeichen 23/2512-76554,das mit möglichst geringem Arbeitsaufwand vomSchreibtisch muss.

Menschen werden zu Sachen. Passiert laufend. Aber espassiert laufend auch noch etwas anderes: Menschenwerden zu Rollen.

Es ist ja eine urmenschliche Angewohnheit, alles Neuesofort einzusortieren, in Schubladen zu stecken, mitbereits Bekanntem zu verbinden, ohne dabei groß nach-zudenken. Nachdem jeder Mensch täglich mit tausen-dem Neuen konfrontiert wird, geht das auch gar nichtanders. Fragen Sie mal einen Autisten, wie ein Lebenohne diese Fähigkeit zum schnellen Einsortieren ist. Esist kein Spaß.

Deshalb werden auch Menschen sofort irgendwo inschon vorhandene Schubladen gesteckt. In dieser Schub-lade bleiben sie im Regelfall und kommen nie mehr raus.Weil Hans Maier eine geistige Behinderung hat, landeter in dieser Schublade und alles was er denkt, sagt undtut, geschieht aufgrund seiner Behinderung. Wenn ermal dumm daherredet, dann nur weil er behindert ist,und nicht etwa, weil er einen Hang zum Jähzorn hat.

Lieschen Müller ist dement. Also geschieht alles, was siedenkt, sagt und tut aus dieser Demenz heraus. Nur alleinaus diesem Grund lässt sie sich nicht pflegen. Das hatnichts damit zu tun, dass sie schon immer stur bis zumAbwinken war.

Ahmed Cengiz ist unter anderem ein Flüchtling. Nein –er ist nur und ausschließlich Flüchtling. Wenn er lacht,dann weil er Flüchtling ist. Wenn er schlechte Laune hat,dann weil er Flüchtling ist. Wenn er aggressiv wird: Naklar, er ist ja Flüchtling. Wenn er freundlich ist: So was,obwohl er Flüchtling ist ...

Menschen werden zu Sachen gemacht und in Rollengepresst. Sie werden entmenschlicht. Aber alle Men-schen sind Menschen. Der Betreute ist ein Mensch mitallen Facetten eines Menschen, so wie ich. Der Sachbear-beiter im Jobcenter, die Ärztin im Krankenhaus, dieAltenpflegerin, der Polizist, der Richter, die Mutter desKlienten: Alle sind Menschen. (Übrigens auch der Betreu-er!) Sie sind nicht nur Hilfsmittel in einem Verfahren, siebestehen nicht nur aus der Rolle, in denen ich ihnenbegegne. Sie sind Menschen.

Man kann es auch juristisch ausdrücken: Die Würde desMenschen ist unantastbar. Oder praktisch, wie es einbekannter Mann vor 2.000 Jahren gesagt hat: »Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.«

Ich sage lieber: Alle Menschen sind Menschen. Sogar ich.Sogar Sie.

Der Mensch

Ein Zwischenruf von Manfred Dempf

Manfred Dempf ist seit zwei Jahrzehnten als freiberuflicher Betreuer in einer Bürogemeinschaft im Allgäu tätig. ImInternet berichtet er regelmäßig in unterhaltsamer Art über seine Tätigkeit, um das Betreuungsrecht unter die Leutezu bringen. www.manfredjosef.wordpress.com

Forum

Referentin des Vortrags über Autismus am 13. Januar2016 war Prof. Dr. Dipl. Theol. Christine M. Freitag. Sie istLeiterin der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik undPsychotherapie des Kindes- und Jugendalters des Univer-sitätsklinikums Frankfurt am Main.

Der Begriff Autismus leitet sich aus dem Griechischen ab(autos = selbst, ismos = Zustand) und bezeichnet eine tief-greifende Entwicklungsstörung, die durch herabgesetztesInteresse an sozialen Kontakten sowie herabgesetztesVerständnis sozialer Situationen gekennzeichnet ist.Meistens liegen auch sprachliche Auffälligkeiten vor.

Jungen und Männer sind von autistischen Störungendrei- bis viermal häufiger betroffen als Mädchen undFrauen. Die Krankheit tritt weltweit in allen sozialenSchichten auf. Die Prävalenz von Autismus liegt beieinem Prozent über die Lebensspanne. Es existiert einehohe Komorbiditätsrate (psychiatrisch, neurologisch; z. B.50 % geistige Behinderung). Die Krankheit ist bei Erwach-senen oft nicht diagnostiziert; andererseits befinden sichnach heutiger Erkenntnis unter den Patienten, die früherals schizophren diagnostiziert wurden, sicher einigeAutisten. Folgende Verhaltensweisen können auf eineAutismus-Spektrum-Störung hinweisen:

Tiefgreifende Beziehungs- und Kommunikationsstö-rung, das Kind wendet sich also von seiner Umwelt abund knüpft kaum oder gar keine sozialen Kontakte,nicht einmal zu den eigenen Eltern; es vermeidetsowohl Blick- als auch Körperkontakt

Der Betroffene zieht sich zurück und lebt in seinereigenen Welt, zu der andere wenig Zutritt haben.

Das Kind entwickelt Stereotypien, es macht alsoimmer wieder dieselben, oft sinnlosen Dinge in immergleicher Art und Weise.

Das Kind macht ständig merkwürdige, abnorme Bewegungen.

Das Kind entwickelt teilweise aggressive Verhaltens-weisen seinen Mitmenschen oder sich selbst gegen-über.

Das Kind gibt keine Antworten auf Fragen, sondernwiederholt diese lediglich (Echolalie); es zeigt deut -liche Defizite in der Sprachentwicklung.

Wenn man das Kind ruft, wirkt es wie taub. Auf ande-re, oft harmlose und völlig alltägliche Geräusche rea-giert es dagegen mit heftigen Abwehrreaktionen.

Der Betroffene lehnt Veränderungen jeglicher Art ab.

Das Kind hat verschiedene Störungen bei der Nah-rungsaufnahme (z. B. Kauprobleme) und starre Vor -lieben für bestimmte Speisen.

Bereits vorhandene Fähigkeiten bilden sich zurück.

(Weitere Informationen: www.neurologen-und-psychia-ter-im-netz.org/kinder-jugend-psychiatrie/erkrankun-gen/autismus-spektrum-stoerung-ass/diagnostik.)

Komorbiditäten wie ADHS, emotionale Störung (Angst-störung und Depression), soziale Phobie, oppositionellesSozialverhalten, Zwangsstörung, Enuresis, Obstipation,selektives Essverhalten, Schlafstörung, Epilepsie sindunterschiedlich häufig vorhanden.

Für die medikamentöse Therapie: (Evidenzgrad 2) werdenfür die komorbiden Störungen das Neuroleptikum Risper-don o. 5-3.5mg/die als Monotherapie, das atypische Neu-roleptikum Aripiprazol 5-15mg/die als Monotherapie, neuGuanfacin und Melatonin bei Schlafstörungen einge-

Über Diagnostik und Therapie von Autismus-Spektrum-Störungen infor-mierte ein Vortrag in der Kinder- und Jugendpsychiatrie im Klinikum der

Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main.

Autismus verstehen lernen

Ein Vortrag informierte über eine spezielle Krankheit

Von Vera Rothenberg

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setzt. Der Therapieerfolg ist schlechter als bei reinenKrankheitsbildern. Dies gilt besonders für die antidepres-sive Medikation mit Serotonin-Wiederaufnahmehem-mern, wie z. B. Citalopram.

Kernsymptomatik des Autismus nach ICD10/DSM4 (denbisherigen Diagnose–Manualen) sind soziale Interaktion,Kommunikation oder Sprachstörung, stereotypes Verhal-ten und Sonderinteressen (z. B. Sinneseindrücke), Alters-spezifität.

Die Symptome müssen schon in früher Kindheit vorhan-den sein, können allerdings auch erst dann auffallen,wenn soziale Anforderungen höher werden, beispielswei-se beim Eintritt in den Kindergarten oder bei der Einschu-lung. Empfehlenswert ist die Diagnosestellung spätes-tens im Grundschulalter vor Eintritt der Pubertät, weildas Angebot der Gruppentherapie bei einem Adoleszen-ten erfahrungsgemäß auf wenig Gegenliebe stößt. DieDiagnostik umfasst Erkennung die Abgrenzung gegen-über Störungen wie Epilepsie, ADHS, Angst-, Zwangs- undTicstörungen, Störungen des Sozialverhaltens, depressiveEpisoden, muss aber auch neben einem Autismus vor-handene Krankheitsentitäten erkennen (Komorbidität).Auch Hör- und Sehstörungen müssen ausgeschlossenwerden.

In den Fällen, wo stereotypes Verhalten fehlte, so diag-nostizierte man bisher einen atypischen Autismus. Inden zukünftigen Diagnose-Manualen (DSM5 = Diagnosti-sches und Statistisches Handbuch psychische Störungen)und nach den ADOS-Toddler Modulen wird in den Fällen,wo kein stereotypes Verhalten vorliegt, keine Autismus-diagnose mehr gestellt, selbst wenn soziale Interaktion-und Kommunikationstörungen oder Sprachstörungenvorliegen. Die Kernsymptomatik wird dann sein: gestörtesoziale Kommunikation und Interaktion, stereotypes Ver-halten einschließlich sensorischer Besonderheiten undSonderinteressen.

Tendenziell wird die Häufigkeit der Diagnose sinken. Diesist in Anbetracht der momentanen Ausweitung der Diag-nose erwünscht. Auch sollte die Diagnose nur noch von

spezialisierten Experten gestellt werden. Die neuen Diag-nosetools verlangen eine fundierte Ausbildung in dieserHinsicht. Allerdings gibt es in Deutschland zur Zeit alleinin Köln und Freiburg solche Zentren.

Die Uniklinik Frankfurt am Main, die im Deutschen Zen-trum für Entwicklungspsychiatrie ein Autismusprojektfür Kinder aufbaut, rüstet sich, ein Zentrum für Autismusim Erwachsenenalter aufzubauen. Die finanziellen Mittelmüssen allerdings langfristig erst noch beschafft werden.

Dr. Vera Rothenberg istÄrztin für Innere Medizinund Homöopathie miteigener Praxis in Frank-furt am Main.

Frankfurter Autismus Elterntraining (FAUT-E) in acht Sitzungen. Es steht allen

Interessierten offen, unabhängig vom Wohnort.Dort finden Eltern Beratung und therapeutischeUnterstützung. Das Behandlungskonzepts ist veröf-fentlicht im Kohlhammer-Verlag 2015 unter demNamen »Psychoedukative Elterngruppe«. Dadurchkönnen auch Eltern, die weiter weg wohnen, sich imSelbststudium informieren und lernen. Das Erlernendes sozialen Umgangs mit der Krankheit innerhalbder Familie senkt Stressfaktoren und damit denAuffälligkeitsgrad der Symptome. Wartezeit derzeitmax. sechs Monate, nur in Ausnahmefällen länger.

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Frühförderung (soziales Lernen in derGruppe) erstreckt sich über zwei Jahre.

Deshalb werden nur in Ausnahmefällen Patientenaus der weiteren Umgebung aufgenommen, weilabzusehen ist, dass die Belastung zweimal proWoche nach Frankfurt am Main zu kommen, nichtzu leisten ist. Oft haben die Familien ja noch andereTermine bei Ergotherapeuten, Logopäden o. Ä.

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Zwei spezielle Angebote der Frank-furter Uniklinik bei Autismus

www.kgu.de/kliniken-institute-zentren/einrichtungen-des-klinikums/kliniken/zentrum-der-psychischen-gesundheit/klinik/

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Die Befürworter von Merchandising im sozialen Bereichsehen darin ein Gebot der Stunde zur Aufwertung vonImage und gelungener Teilhabe von Menschen mit Beein-trächtigung. Kritiker wollen das Geld direkt beim Kundeneinsetzen. Was tun? Die Stiftung Lebensräume in Offen-bach stellt sich dem Thema.

Erfrischendes Marketing in der Sozialwirtschaft zur Ver-kaufsförderung von sozialen Dienstleistungen gehörtbereits heute für einige Trägerverbände zum Alltagsge-schäft. Sie kommen nicht umhin, immer neue Projekte undMaßnahmen Menschen mit Beeinträchtigungen nahezu-bringen – auch die Gemeinschaft für mehr Teilhabe zu sen-sibilisieren.

In Deutschland leben 9,3 Prozent der Bevölkerung mit einerBeeinträchtigung, insgesamt zehn Millionen Menschen.Davon haben 7,5 Millionen einen Grad der Behinderungvon 50 oder mehr und gelten damit nach dem Gesetzgeberals »schwerbehindert«. 40 Prozent oder drei Millionenbefinden sich im erwerbsfähigen Alter von 15 bis 65 Jahren.Die betroffenen Menschen legen Wert darauf, dass dieBehinderung eine soziale ist und die Gesellschaft sie bei-spielsweise an der Teilhabe am Arbeitsleben behindert, siemit ihrer Gehörlosigkeit oder Sehbeeinträchtigung vomLeben in der Gemeinschaft ausgeschlossen werden. Men-schen mit Beeinträchtigung – körperlich, geistig oder psy-chisch – wünschen sich offene Ansprache und Normalitätbei ihrer Informationsrecherche und Aufnahme benötigterHilfeleistungen. Sie wollen so gesehen werden, wie sie sindund die Hilfsangebote in Zeiten von Internet und Werbe-kampagnen mit Druckerzeugnissen und Videospots alsetwas Alltägliches vermittelt bekommen. Doch für dieBranche ist ein offensives Bewerben ihrer Leistungen nochkeine Selbstverständlichkeit. Sie gerät schnell in Verdacht,mit Geld um sich zu werfen, ist verunsichert. Ratgeber undnützliche Werbeartikel – häufig von der Pharma- und

Hilfsmittelindustrie unterstützt – werden von Hilfesu-chenden und deren Angehörigen als unheilvolles Bünd-nis zugunsten der Konzerne gewertet. Doch die Sozial-branche kann auch selbst aktiv werden. Ein aktuellesBeispiel aus der Praxis:

Die »Lebensräume Rehabilitationsgesellschaft«, eine hun-dertprozentige Tochter der Stiftung Lebensräume, leistetSozialarbeit bei der beruflichen Integration und Ausbil-dung. Seit August 2015 ist sie mit der Agentur für Arbeitund den Jobcentern MainArbeit und Pro Arbeit in der Regi-on Offenbach durchführender Projektpartner des dreijähri-gen Bundesprogramms »zur intensivierten Eingliederungund Beratung von schwerbehinderten Menschen«. Einoffensives Marketing zur Gewinnung von Arbeitgebern istfester Bestandteil, finanzielle Mittel dafür eingeplant. Web-site mit Stellenbörse und Portraits (Chef des Monats, Mitar-beiter des Monats), Plakate – auch als Lesezeichengedruckt –, Flyer und Anzeigen wurden kurzfristig umge-setzt, engagierte Firmen und Mitarbeiter mit Schwerbehin-derung aktiv einbezogen, die Leistung der Sozialarbeitherausgestellt, Normalität gestalterisch vollendet mit For-men und Farben transportiert (www.allinklusiv-jobs.de).Mit diesem Marketingprojekt nimmt Lebensräume bundes-weit eine Vorreiterwolle unter den Wohlfahrtsverbändenein. Vergleichbares gibt es noch nicht.

Soziale Dienstleistungen zu bewerben und den Nutzen fürdie Kundschaft herauszustellen, wurde auch Lebensräumenicht in die Wiege gelegt. Das Unternehmen musste hartdaran arbeiten, Überzeugungsarbeit nach innen und außenleisten. Umso erstaunlicher, was der freie Wohlfahrtsträgermit 200 Mitarbeitern in zehn Jahren zustande gebracht hat– und in der Öffentlichkeit bewirken konnte. Was hat ergemacht? Dreimal wurde der Internetauftritt gründlich indie Hand genommen, von einem ursprünglich unterneh-mensorientierten Auftritt zu einem modernen Kundenpor-

Merchandising in der Sozialwirtschaft Verkaufsförderung und Sozialarbeit – passt das zusammen?

Lebensräume

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Herr Liedke, warum produzieren Sie Werbeartikel für dieSozialpsychiatrie?

Klaus-D. Liedke: Psychosoziale Dienstleistungen lassensich sehr schwer vermitteln, sie haben nichts Anfassba-res. Sozialarbeit kann nur durch konkretes Tun erfahrenwerden. Das Haptische eines Werbeartikels, beispielswei-se einer Pillendose mit Lebensräume-Aufkleber, soll dasAnfassen verkörpern und im Erstkontakt mit betroffenenMenschen oder Geschäftspartnern das schwer Begreifba-re optisch sichtbar und haptisch spürbar machen.

Welche Artikel produzieren Sie, wie werden sie einge-setzt? Was ist Ihnen dabei wichtig?

Klaus-D. Liedke: Kochschürzen und Mützen mit aufge-sticktem Logo, Schlüsselanhänger aus wertigem Gewebe,eine Leichtmetall Schokoladendose mit Banderole undeingelegtem Leporello der Mitarbeiter, ein Buch mit Text-Bildreportagen aus dem Alltag unserer Kunden, nützlicheKlebeblöcke, zuletzt eine Pillendose mit Beipackzettel, aufdem unsere Angebote beschrieben sind. Die 600 Döschenwaren schnell vergriffen. Eingesetzt werden die Artikelals kleine Aufmerksamkeit zu Weihnachten bei Mitarbei-tern und Kunden. Wichtig ist mir dabei, dass die Produkteeinzigartig gestaltet sind – wir haben hier die renom-mierte Hochschule für Gestaltung. Gestalterisch auch indem Sinne, wie wir unsere Sozialarbeit mit Sorgfalt pla-nen und gestaltend mit den Menschen im Alltag umset-

Menschen haben gerne etwas zum AnfassenWerbeartikel als kleine Aufmerksamkeiten in der Sozialpsychiatrie – Ein Gespräch

tal mit Magazincharakter entwickelt. Mit einem inhaltlichund gestalterisch anspruchsvollen Kacheldesign wurdenzentrale Angebote mit Zielgruppen und Leistungen poin-tiert beschrieben, zwanzig Kundenportraits entwickelt, dieSeite im Responsive-Design für die Mobilanwender mitSmartphone und Tabletts umgesetzt (www.lebsite.de).

Im voranschreitenden Zeitalter von Internet und SocialMedia haben grafische Gestaltung und Programmiertech-nik ungeahnte Möglichkeiten erreicht. Gestaltung ist keinSchnick-Schnack mehr, sondern Träger von Botschaft,Inhalt und Zielen. Zwar verfügen heute Sozialunternehmenüber Website und Druckerzeugnisse wie Flyer und Broschü-ren. Dennoch beschreiben sie meist sehr formal und maß-nahmenorientiert ihre Angebote und Dienstleistungen fürdie potentielle Kundschaft. Gute Bilder, Kundenportraitsund Grafiken werden noch sehr zurückhaltend eingesetzt.Erfüllt wird häufig das Pflichtprogramm, das Gesetzgeber,Förderstellen oder Leistungsträger verlangen, um potentiel-le Kunden über die Hilfeleistungen zu informieren undsomit der Zugang zum Hilfesystem für die Nutzer herge-stellt und Teilhabe ermöglicht wird. Doch reicht das für dieBetroffenen und das Image der Sozialarbeit?

Menschen haben Freude an schönen Dingen, nehmen ger-ne etwas in die Hand, freuen sich über Genussvolles – gera-de Menschen mit Beeinträchtigung, die zu oft von gesell-schaftlicher Teilhabe ausgeschlossen sind, sich nicht alsnormales und nützliches Mitglied der Gemeinschaft erle-ben können. Da kann beim Erstkontakt eine Pillendose mitTic Tac und Firmenlogo für beide Seiten ein wohltuenderTüröffner für den Gesprächseinstieg sein, auch Beeinträch-tigung und Krankheit fern vom Image der Behindertenhil-

fe erfrischend transportieren. Obendrauf werden auf demBeipackzettel die Anwendungsmöglichkeiten von psycho-sozialer Arbeit originell beschrieben, erwünschte Wirkun-gen und Nebenwirkungen aufgezeigt. Ist doch mal wasanderes – nicht wahr? Oder würden Sie lieber die flacheSchokoladendose mit einem Leporello der Mitarbeiterbevorzugen?

Zugegeben: Der 6-spaltige Flyer –gefalztes A4 Format– istder Sozialarbeit seit 40 Jahren vertraut, mit ihm machtman nichts falsch, er kann in jede Hand- oder Rocktascheverstaut werden. Aber mal ehrlich: Das Standardprodukt istauch nicht für ein Taschengeld zu haben, auch ein Selbstge-bastelter kostet Zeit und Gehirnschmalz. Origineller könnteda schon ein zweiseitiges Lesezeichen sein – Bild, Botschaft,Zitat, Kontakt – mehr nicht.

Es ist wichtig, den potentiellen Kunden nicht mit fachli-chen Informationen zu erschlagen, sondern ihn vor allemauf der emotionalen Ebene pointiert und verständlichanzusprechen. Gelingt das, sitzt der Mensch im Boot, erkann die benötigte Hilfe schneller annehmen, besser nut-zen und damit seine Teilhabechancen erhöhen.

Ansprechende wie nützliche Werbeartikel beleben dieBranche und können betroffenen Menschen den Zugang zubenötigten Hilfeleistungen erleichtern. Kleine Aufmerk-samkeiten stellen Normalität her, erzeugen ein positivesGefühl, nehmen der Behindertenhilfe die Schwere. DieSozialwirtschaft könnte insgesamt an Fahrt aufnehmen,ihre Vermarktung auf originelle Weise optimieren, Leich-tigkeit transportieren und für die Kunden deutlich mehrbewirken.

mit Klaus-D. Liedke, Vorsitzender der Stiftung Lebensräume Offenbach am Main

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zen. Kugelschreiber sind auch gut, hat aber jeder und ausdiesem Grund nicht besonders geeignet.

Kritiker sehen das Geld besser in der direkten Sozialarbeitbeim Menschen aufgehoben. Was antworten Sie denen?

Klaus-D. Liedke: Die Gesamtkosten sind mit circa zehnEuro pro Artikel gering. Insbesondere, wenn man sie indas Verhältnis der 50.000 Euro setzt, die ein Mitarbeiterjährlich dem Unternehmen kostet. Die Artikel liegensichtbar in den Einrichtungen, Foyers und Besprechungs-räumen, werden auch gezielt weitergegeben. Letzteresnoch etwas verhalten. Der Sozialarbeiter fühlt sich mitdem Flyer sicherer, Werbeartikel sind noch ein unge-wohntes Medium. Auch gerät man schnell in den Ver-dacht, dass man mit Geld um sich wirft. Das ist aber nichtso. Es ist mir immer wichtig, dass die Dinge weiterver-wendet werden können: Die Schokoladendose für Stifteund USB-Stick, die Pillendose mit Tic tac für die eigenenTabletten. Und der Beipackzettel erläutert auf originelleWeise die Anwendung mit erwünschten Wirkungen undNebenwirkungen unserer Sozialarbeit. Der Nutzen istalso um ein Vielfaches höher als die Kosten. Auch darf esmal genussvoll sein – wie mit unserer Schokoladendose.

Was empfehlen Sie der Branche, wo soll die Reise hinge-hen?

Klaus-D. Liedke: Sozialarbeit wird nicht umworben, siesoll auch nicht im klassischen Marketingsinne beworbenwerden. Aber wie erreicht man mit Sozialarbeit geradedie Menschen, die sie am meisten brauchen? Wir sind als

Branche in der Pflicht, für diese Menschen die größtmög-liche Teilhabe am Leben in der Gesellschaft herzustellen:Wohnen, Arbeit, Freizeit, Kultur. Um das zu bewirken,müssen neben den Kunden auch Geschäftspartner wieArbeitgeber und Wohnungseigentümer erreicht werden.Meine Erfahrung zeigt, dass Menschen gerne etwas zumAnfassen haben. Ein sinnvolles Social Marketing kanndazu beitragen, Normalität herzustellen, der Branche dieSchwere zu nehmen, mit Farben und Formen etwas Spie-lerisches und damit Leichtigkeit in das Thema zu brin-gen. Ich möchte die Branche ermutigen, wertige Auf-merksamkeiten - kleine »Give aways« -, als Türöffner ein-zusetzen, als Gesprächsgegenstand zu nutzen – auch imSinne der Imagepflege.

Social Marketing also ein Gebot der Stunde?

Klaus-D. Liedke: Unbedingt. Die Sozialarbeit muss ihrImage pflegen. Sie darf sich nicht abhängen lassen vonder gesellschaftlichen Entwicklung. Wir müssen nachoben steuern, die Sozialarbeit als gesellschaftliches Bin-deglied betrachten, sie muss nicht ausschließlich dasImage der Kranken transportieren. Normalität herstellenund den anderen lassen wie er ist. Sich auch nichtabstempeln lassen, besser eigene Stempel entwickeln mitansprechenden Websites und haptischen Werbeartikeln.Nicht kommerziell, aber als Marketingfan.rungen, selbst-ständiger zu werden.«

Johann Kneißl I www.allemunde.de

Kontakt: Stiftung LebensräumeOffenbach am MainKlaus-D. LiedkeStarkenburgring 3163069 Offenbach am MainTelefon 069 [email protected]

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Frankfurter Psychiatriewoche 2016 terminiertDie 28.Frankfurter Psychiatriewoche findet in der Zeit vom 8.bis 16. September 2016 statt. Die Eröffnungsveranstaltung istam Donnerstag, den 8. September 2016. Dem Organisations-team der Psychiatriewoche 2016 gehören an: Barbara Born-heimer, Gerlinde Heusser, Andrea Kempf und Gurdrun Mehler.www.psychiatrie-frankfurt-am-main.de

Neuer Flyer zum Betreuten WohnenDas Betreute Wohnen ist eine ambulante Hilfeleistung fürMenschen mit einer psychischen Erkrankung. Das Angebotrichtet sich an Menschen, die in ihrer eigenen Wohnungleben. Außerdem stehen Plätze in Betreuten Wohngemein-schaften und Einzel-Appartements zur Verfügung. Rahmen-bedingungen, Ansprechpersonen und Adressen des BetreutenWohnens bei der Bürgerhilfe Sozialpsychiatrie Frankfurt amMain fasst ein neuer Flyer zusammen.www.bsf-frankfurt.de

Beratungs-Nachwuchs gesuchtDie »Allgemeine Sozialberatung St. Josef Bornheim« suchtVerstärkung. Seit mehr als sechs Jahren bieten die katholi-sche Pfarrgemeinde St. Josef und der Caritasverband Frank-furt einmal wöchentlich Beratungen an. Dort können Bürgerzwanglos Informationen, Rat und Hilfe bei allen Fragen undProblemen des Alltags holen. Regelmäßig montags um 16 Uhrfinden Ratsuchende im Gemeindehaus in der Berger Straße135 Ansprechpartner, die ein offenes Ohr für sie haben. Nunsucht das Team weitere Nachwuchskräfte. Wer sich für einesolche Beratungstätigkeit interessiert, sollte ein offenes undfreundliches Wesen haben. Eine hauptamtliche Beraterinvom Caritasverband Frankfurt und das ehrenamtliche Teamsorgen für die fachliche Einarbeitung und Unterstützung derInteressenten.Telefon 069 254931-20 (Annette Beutin)

Mutter-Kind-Tagesklinik feiert EinjährigesDie Mutter-Kind-Tagesklinik in der Vitos Klinik BambergerHof im Frankfurter Nordend konnte im ersten Jahr ihresBestehens rund 50 Müttern mit psychischen Erkrankungenhelfen. Es gibt Frauen, die während der Schwangerschaft oderin der Zeit nach der Entbindung eine psychische Erkrankungentwickeln. Diese kann unterschiedliche Symptomen zeigen,die einzeln oder kombiniert miteinander auftreten. Dazu kön-nen beispielsweise Erschöpfungszustände, Trauer, Versagens-ängste und Schuldgefühle. Oft ist dadurch die Mutter-Kind-Beziehung beeinträchtigt. Mit der Mutter-Kind-Tagesklinik

stehen nun in Frankfurt am Main fünf tagesklinische Plätzefür psychisch kranke Mütter zur Verfügung. Während sichdie Frauen in der Einrichtung ganz auf ihre Therapie konzen-trieren können, werden ihre Kinder im Alter bis zu zwei Jah-ren nebenan im Spielzimmer betreut.www.vitos-hochtaunus.de

Angststörungen im FokusIn der Vortragsreihe »Mach mich nicht krank!« des Amts fürGesundheit und der Stadtbücherei in Frankfurt am Maingeht es am 8. Juni 2016 ab 19.30 Uhr um Angststörungen. VonA bis Z erzählt Annette Pehnt in ihrem »Lexikon der Angst«von Zwängen, Neurosen und Idiosynkrasien. Die medizini-sche Sicht vertritt Prof. Dr. Andreas Reif, Klinik für Psychia-trie, Psychosomatik und Psychotherapie des Universitätskli-nikums Frankfurt am Main. Die Moderation hat Dr. LuciaSchmidt von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Die Ver-anstaltung findet in der Zentralbibliothek der StadtbüchereiFrankfurt am Main (Hasengasse 4) statt. Der Eintritt ist frei.Telefon 069 212-38170 (Sabine Prasch)

Selbsthilfegruppe für SuizidgefährdeteDie Selbsthilfe-Kontaktstelle Frankfurt plant unter dem Titel»Mut zum Leben« die Gründung einer Selbsthilfegruppe fürMenschen mit Suizidgedanken oder nach Suizidversuch. Esgehe darum, aus der Isolation mit Suizidgedanken und Sui-zidversuchen herauszukommen und zu sehen, dass auchandere das Leben in dieser Situation meistern. Die Gruppewird in der ersten Zeit fachlich begleitet.www.selbsthilfe-frankfurt.net

Ausstellung der Künstlergruppe des SozialwerksMain Taunus

Am 27. Januar 2016 fand der Auftakt zur dritten Ausstellungder Künstlergruppe des Sozialwerk Main Taunus e. V. statt.Die Künstlergruppe besteht bereits seit vier Jahren und ver-steht sich als wöchentlicher Treff für Menschen mit undohne psychische Erkrankung, um unter Anleitung einerKünstlerin zu malen und ihre künstlerischen Fähigkeiten zuentwickeln. Die Ausstellung im Versicherungsamt der StadtFrankfurt am Main kann noch bis Sommer zu den Öffnungs-zeiten des Versicherungsamtes (Sandgasse 6, Nähe Hauptwa-che) besucht werden.www.smt-frankfurt.de

Studenten hören Studenten zuSeit über zwanzig Jahren gibt es Zuhörtelefone von und fürStudenten in Deutschland. Auch in Frankfurt am Main hörenFreiwillige nachts ehrenamtlich Studenten zu, die sich mitihren Sorgen an sie wenden. Aufgabe der freiwilligen Zuhö-rer ist, Studenten ihr Ohr zu leihen, wenn sie von Prüfungs-ängsten, Einsamkeit und anderen Problemen berichten. Rat-

rhein-main-kaleidoskop

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»Treffpunkte«: Wie sieht Ihr Alltag heute aus?

Diethelm: Mehrmals in der Woche habe ich Logopädieund Physiotherapie, was einige Zeit beansprucht. Zudembekomme ich Besuche von Freunden und ehemaligen Kol-legen; auch halte ich Kontakt zu meinen drei erwachse-nen Kindern. Und dann ist da ja noch »Perspektiven« …

»Treffpunkte«: Der Verein, den sie mitgegründet habenund dessen 1. Vorsitzender Sie noch immer sind. Gibt es daneue Projekte?

Diethelm: Das Alltagsgeschäft läuft natürlich immer wei-ter. »Perspektiven« bietet ja in Frankfurt am Main und imHochtaunuskreis zahlreiche ambulante und teilstationäreDienste für psychisch kranke Menschen an. Was uns wievermutlich alle Trägervereine bedrückt, ist die Wohnungs-not gerade dieses Personenkreises. Wir suchen da derzeitgangbare Wege, um zumindest einen kleinen Beitrag fürein menschenwürdiges und bezahlbares Wohnen für psy-chisch kranke Menschen zu leisten.

»Treffpunkte«: Gibt es sonst noch etwas, was in demeigentlich gut ausgebauten sozialpsychiatrischen Versor-gungssystem in Frankfurt am Main fehlt?

Diethelm: Es fehlen Krisenbetten, also die Möglichkeit fürpsychisch kranke Menschen, die es zuhause, in ihrerWohngemeinschaft oder auch in der Klinik nicht mehraushalten, für einige Zeit in einer anderen Umgebungunterzubringen, wo sie zur Ruhe kommen und neue Krafttanken können.

»Treffpunkte«: Haben Sie einen Rat für die noch aktivenin der Psychiatrie-Szene?

Diethelm: Weitermachen, immer weitermachen. Jedermuss lernen zu entdecken, was sein Traum vom Lebenund von der Arbeit ist – und den dann zu verwirklichensuchen.

Was macht eigentlich...?Der Facharzt für Neurologie, Psy-chiatrie und Psychotherapie wareiner der prägenden Gestalten derSozialpsychiatrie in Frankfurt amMain in den letzten Jahrzehnten.Von 1989 bis 2010 leitete Dr. ArturDiethelm den Bamberger Hof, die»Klinik ohne Betten« und kämpftefür seine Erhaltung. Kurz nach sei-ner Pensionierung erlitt er einenschweren Schlaganfall, gegen des-sen Auswirkungen er, seiner Naturnach, unablässig ankämpft.

schläge oder therapeutische Tipps werden während derGespräche nicht gegeben, außerdem bleiben Anrufer undZuhörer anonym. Das Frankfurter Zuhörtelefon ist montags,mittwochs und freitags von 21.00 bis 1.00 Uhr erreichbar:Telefon 069 79817238.www.nightlineffm.com

Neue Studiengänge zur psychiatrischen PflegeDie Fachhochschule Frankfurt am Main (University ofApplied Sciences) bietet ab Juni 2016 erneut die berufsbeglei-tende Weiterbildung mit dem komplizierten Namen »Staat-lich anerkannte/-r Fachpfleger/-in für Psychiatrische Pflege«an. Das Ziel der Weiterbildung ist es, den Teilnehmendeneigenständige pflegerische Handlungskompetenzen in allenpsychiatrischen und psychosozialen Bereichen und unter-schiedlichen Situationen zu vermitteln. Auch die HochschuleFulda hat einen Bachelor-Studiengang »Psychiatrische Pfle-ge« eingerichtet. Er umfasst rund eintausend Stunden prakti-sche Ausbildung in Bereichen wie Kinder- und Jugendpsy-chiatrie, Gerontopsychiatrie, forensische Psychiatrie undSuchthilfe. Der Studiengang ist nicht kostenpflichtig. Interes-senten benötigen eine Hochschulzulassung und eine abge-schlossene Ausbildung in einem Pflegeberuf, etwa derGesundheits- und Krankenpflege, der Gesundheits- und Kin-derkrankenpflege, der Altenpflege oder der Heilerziehungs-pflege. Berufspraktiker ohne Hochschulzulassung könnennach einer Prüfung aufgenommen werden.www.frankfurt-university.dewww.hs-fulda.de

»So geht’s (nicht) weiter …«Manche Klienten mit psychischen Erkrankungen in sozial-psychiatrischen Diensten werden von Experten als »schwie-rig« erlebt. Das in Studium oder Ausbildung erworbeneGrundwissen über psychische Erkrankungen reicht dann oftnicht mehr aus, den steigenden Ansprüchen in Behandlungund Beziehungsgestaltung gerecht zu werden, ohne auszu-brennen oder abzustumpfen. Ausgehend von konkreten Bei-spielen werden in einem Seminar der Deutschen Gesellschaftfür Soziale Psychiatrie offene Fragen zu Krankheitsbildern,ihren Therapiemöglichkeiten, Behandlungsgrenzen und Pro-bleme in der Beziehungsgestaltung praxisbezogen reflektiert.Das aktuelle (sozial-) psychiatrisch-psychotherapeutischeWissen soll so mit den konkreten Fragen und Aufgaben ver-knüpft und Lösungsansätze neu gesucht werden. Das Semi-nar findet am 23. und 24. September 2016 in Frankfurt amMain statt.www.dgsp-ev.de/kurzfortbildungen.html

Vitos schafft Stelle zur Anwerbung von ÄrztenUm einem Ärztemangel in seinen psychiatrischen Einrich-tungen vorzubeugen, hat der Vitos-Konzern eigens eine Stelle

Artur Diethelm

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zur Anwerbung von Ärzten im In- und Ausland geschaffen.Die Stelle ist bei Vitos Haina angesiedelt. Von dort aus küm-mert sich die Soziologin Sarah Junghans darum, Ärzte zugewinnen. Ein Schwerpunkt ist Griechenland. Vitos ist alsTochterunternehmen des Landeswohlfahrtsverbandes Hessenhauptsächlich in der Behandlung von Erwachsenen, Kindernund Jugendlichen in psychiatrischen Kliniken und Klinikenfür forensische Psychiatrie tätig. Angesichts der steigendenZahl psychischer Erkrankungen erhöhe sich auch der Bedarfan Fachärzten für Psychiatrie.www.vitos.de

Sigmund-Freud-Institut wird Zentrum für Psychoanalyse

Aus dem Sigmund-Freud-Institut im Frankfurter Westend istnach Fertigstellung des Erweiterungsbaus ein Zentrum fürPsychoanalyse geworden. Alle fünf in Frankfurt angesiedel-ten psychoanalytischen Einrichtungen sind nun unter einemDach vereint, bleiben jedoch eigenständig. Die räumlicheNähe soll die Zusammengehörigkeit stärken und eine nochintensivere Zusammenarbeit ermöglichen.www.sfi-frankfurt.de

EX-IN Hessen und Forum Schmiede ausgezeichnetDie Vereine EX-IN Hessen aus Marburg und Forum Schmiedeaus Taunusstein wurden mit dem Walter-Picard-Preis ausge-zeichnet. Der mit insgesamt 5.000 Euro dotierte Preis wirdalle zwei Jahre für besonders nachahmenswertes ehrenamtli-ches Engagement oder professionelle Projekte in der hessi-

schen Gemeindepsychiatrie vergeben. Er wurde 2001 insLeben gerufen und ist nach dem verstorbenen SozialpolitikerWalter Picard aus Offenbach benannt. Picard war einer derInitiatoren der Psychiatrie-Enquête, die ab 1975 maßgeblichzur Verbesserung der psychiatrischen Versorgung in Deutsch-land beigetragen hat. Das Forum Schmiede ist aus einer 1990gegründeten Selbsthilfegruppe hervorgegangen. Seit 2001organisiert sie jahreszeitbezogene Märkte in Taunusstein-Hahn. Dort werden selbst gemachte Produkte aus der Holz-werkstatt, Kerzen, Marmelade, Handarbeiten, Pappmaché-Werke und Arbeiten aus dem Fotolabor angeboten. Danebenwerden ein Café, eine Bücherstube und ein Flohmarkt-Läd-chen betrieben, um Kontakte und sinnvolle Beschäftigung zuermöglichen. Mit den Einnahmen finanziert der Verein Fahr-dienste, Essensmarken und Eintrittskarten für Kulturveran-staltungen für bedürftige Mitglieder. EX-IN Hessen ist Teildes gleichnamigen Bundesvereins, der Name steht für Expe-rienced Involvement, übersetzt: »Beteiligung Erfahrener«.Vorbilder waren vergleichbare Initiativen in Skandinavienund England. Männer und Frauen, die selbst in der Psychia-trie waren, werden als sogenannte Genesungsbegleiter in derGesundheitsversorgung eingesetzt. Sie durchlaufen zuvoreine einjährige Ausbildung, in der sie lernen, welche psy-chischen Krankheitsbilder es gibt, sie reflektieren ihre eigeneKrankengeschichte und absolvieren Praktika in zwei psychi-atrischen Einrichtungen. Im Fokus steht dabei, soziale Aus-grenzung abzubauen, indem psychisch Erkrankte über ArbeitAnerkennung und ihren Platz in der Gesellschaft finden.www.lwv-hessen.de

Psychiatriereform in Frankfurt am Main hat eine lange Geschichte

Dr. Wolfgang Pittrich, der ehemalige Vorsitzende der Bürgerhilfe Sozialpsychiatrie Frankfurt am Mai, hatte in den»Treffpunkten« 4/2015 die Geschichte der Psychiatriereform in Frankfurt am Main nach dem Zweiten Weltkrieg nach-gezeichnet. Die lange geforderte Erweiterung der klinischpsychiatrischen Versorgungskapazität in Frankfurt am Mainsei, so der Autor, im Jahr 1995 am Markuskrankenhaus realisiert worden. Dazu schickte uns Gottfried Cramer von derKlinik Hohe Mark folgende Richtigstellung:

»Das Markuskrankenhaus ist erst ab den Jahren 1997/98 in die psychiatrische Versorgung der Stadt Frankfurt am Maineingestiegen. Davor gab es Übergangslösungen, z. B. mit der Klinik Hohe Mark, die bis zur baulichen Fertigstellung derAbteilungspsychiatrie am Markuskrankenhaus kurzzeitig den Frankfurter Norden versorgte. Die vollständige Realisie-rung der Psychiatriereform in Frankfurt am Main erfolgte zum 1. Januar 2000 mit dem Wechsel der sozialpsychiatri-schen Versorgung vom Jugend- und Sozialamt zum Gesundheitsamt der Stadt Frankfurt am Main. Dies geschah aufBasis des 1999 erarbeiteten Konzepts zur ›Umstrukturierung der kommunalen Psychiatrie in Frankfurt am Main.‹ Derletzte Baustein hierfür war ein Feststellungsbescheid des Landes Hessen vom 6. Dezember 1999, in welchem die KlinikHohe Mark mit Fertigstellung ihrer Akutpsychiatrie ›Haus Taunus‹ im Gesamtpaket der Frankfurter Lösung ihren end-gültigen Versorgungsbereich ab 1. Januar 2000 erhielt.«

PEPP gestopptDie Vergütung stationärerpsychiatrischer Leistungensoll sich künftig stärker anden Qualitätsvorgaben desGemeinsamen Bundesaus-schuss, an Leitlinien und derEinhaltung von Personal-standards orientieren.Dadurch ergeben sich tief-greifende Änderungen amKonzept eines Pauschalisier-ten Entgeltsystems für Psy-chiatrie und Psychosomatik(PEPP), das bereits in rund 150der knapp 240 psychiatri-schen Fachkliniken einge-setzt wird und das 2017eigentlich flächendeckendhätte eingeführt werden sol-len. Das künftige Vergü-tungssystem solle stattdes-sen den tatsächlichenBehandlungsbedarf ange-messen abbilden; das solleüber krankenhausindividuel-le bedarfs- und leistungsge-rechte Budgets erfolgen. Diedafür erforderlichen Bewer-tungsrelationen sollen aufGrundlage der Kosten in Kal-kulationskrankenhäusernberechnet werden. Dafür sol-len die Kalkulationskranken-häuser die Psychiatrie-Perso-nalverordnung zu 100 Pro-zent einhalten müssen. DiePsych-PV solle weiter gelten,bis der GBA neue Personal-mindeststandards festgesetzthabe, sagte Bundesgesund-heitsminister Gröhe. DieKrankenhäuser sollen zudemdie Möglichkeit erhalten,schwerst erkrankte, stationärbehandlungsbedürftigePatienten in akuten Krank-heitsphasen durch mobilemultiprofessionelle Behand-lerteams zuhause zu betreu-en. So sollen Behandlungs-

brüche und Einschnitte indas Alltagsleben der Patien-ten vermieden werden. Die»Krankenhausbehandlungohne Bett« soll aus der Kran-kenhausvergütung bezahltwerden und nicht zu Lastender vertragsärztlichen Bud-gets gehen. Das System derPsychiatrischen Institutsam-bulanzen soll davon nichtberührt werden.www.bmg.bund.de

Neue medizinischeLeitlinie DemenzenNur die Hälfte der Demenz-kranken werden in der Ver-sorgung als solche erkannt,noch weniger erhalten eineBehandlung nach den medi-zinischen Standards. Nachmehr als fünf Jahren Arbeitstellen Neurologen und Psy-chiater die vollständig über-arbeitete »Leitlinie Demen-zen« vor. 23 Fachgesellschaf-ten, Berufsverbände undOrganisationen von Medizi-nern, Therapeuten, Pflege-personal und Patientenhaben sich auf Regeln für dieDiagnostik und die Behand-lung geeinigt. Das Recht desPatienten auf Nichtwissenbleibt bestehen: Die Frühdi-agnostik kann nur nach vor-heriger Aufklärung durcheinen ausgewiesenen Exper-ten, mit Einwilligung desPatienten und mit der ent-sprechenden Betreuung nachDiagnosestellung erfolgen.www.dgppn.de/publikationen/s3-leitlinie-demenzen.html

Fachtagung »Wohnenmit Ausblick« geplantDer Paritätische Wohlfahrts-verband plant eine Fachta-gung zum Thema Woh-nungsnot bei psychisch kran-ken Menschen. Die Veran-staltung am 6. Oktober 2016in Berlin soll die verschiede-nen Facetten des Themasunter dem Titel: »Wohnenmit Ausblick! Aktuelle Nöte,

politische Optionen, prakti-sche Lösungen« vorstellenund nach praktischen Lösun-gen suchen.www.paritaet.org

Neue Broschüren fürMenschen mit Behinde-rung im Job und derenArbeitgeberDas Integrationsamt desLandschaftsverbandes Rhein-land hat drei seiner Broschü-ren inhaltlich überarbeitetund neu aufgelegt. In denPublikationen »Menschenmit seelischer Behinderungim Arbeitsleben«, »Derbesondere Kündigungsschutzfür schwerbehinderte Men-schen« sowie »Handlungs-empfehlungen zum Betriebli-chen Eingliederungsmanage-ment« sind umfangreicheInformationen und Tipps fürMenschen mit Behinderungund deren Arbeitgeber ent-halten. Die Schriften sind imInternet als PDF-Datei oder ingedruckter Form kostenloserhältlich.www.publikationen.lvr.de

Heidelberg erstelltTeilhabeplan für psychischkranke MenschenDie Stadt Heidelberg möchteihre Angebote und Struktu-ren für Menschen mit chro-nischer psychischer Erkran-kung und seelischer Behin-derung ausbauen und quali-tativ weiterentwickeln. Dazuwird jetzt ein Teilhabeplanerstellt. Wesentliche Baustei-ne für eine wohnortnahegemeindepsychiatrische Ver-sorgung seien bereits vor-handen. Der Planungsprozesswerde voraussichtlich zweiJahre dauern. Am Ende sollenpraxisorientierte Handlungs-empfehlungen stehen, diesowohl konzeptionelle alsauch quantitative Aussagenzu den einzelnen Versor-gungsbereichen und Ange-botsformen treffen. Sie wer-den die Grundlage bilden fürden weiteren Diskussions-prozess und die zukünftigenpolitischen Entscheidungenin der Stadt Heidelberg.www.heidelberg.de

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Notizen

Unser psychiatrischer tagAll

Gesehen in Frankfurt am Main-Bornheim

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Prägende Persönlich-keiten der Psychiatrie imOnline-ArchivNach zwei Jahren Entwick-lungszeit ist das »Biographi-sche Archiv der Psychiatrie«online. Zum Start waren 130biographische Einträge rundum prägende Persönlichkei-ten aus der Geschichte derPsychiatrie zu finden. Entwi-ckelt wurde das neuartigeOnline-Archiv an der Hoch-schule Niederrhein unter derLeitung von Professor Dr.Burkhart Brückner am Fach-bereich Sozialwesen. Finan-ziell möglich wurde das Pro-jekt durch das Förderpro-gramm für die Geistes- undGesellschaftswissenschaftendes Landes Nordrhein-West-falen. In dem Online-Archivwerden einerseits Persönlich-keiten aus der Wissenschaftvorgestellt, andererseitsberücksichtigt es aber auchPatienten und ihre Angehöri-gen. Der zeitlich frühesteArtikel in dem Online-Archivhandelt von der englischenMystikerin Margery Kempeaus dem Spätmittelalter.Aber der Schwerpunkt liegtauf Personen aus dem 19.und 20. Jahrhundert. Ein wei-teres Kriterium: Aufgenom-men werden in der Regel seitmindestens zwei Jahren ver-storbene Personen. Zu denprominentesten der imArchiv geführten Personengehören Vincent van Gogh,Sigmund Freud, Karl Jaspers,Carl Rogers und Emil Kraepe-lin. Sichtweisen von Betroffe-nen dokumentieren unteranderem Artikel über denBriten James Carcasse ausdem 17. Jahrhundert, dendeutschen Autor FriedrichKrauß aus dem 19. Jahrhun-dert oder Anna Pauline Bleu-ler, eine Schwester desSchweizer Arztes Eugen Bleu-ler, der 1911 den Ausdruck»Schizophrenie« prägte undAngehöriger war.www.biapsy.de

Seminar für Helfendein der FlüchtlingsarbeitDie Berufsgenossenschaft fürGesundheitsdienst undWohlfahrtspflege bietet fürehren- und hauptamtlicheMitarbeitende in der Flücht-lingshilfe eine kostenloseeintägige Veranstaltung zumUmgang mit belastendenSituationen an. Das Seminar»Gemeinsam Lösungen fin-den« richtet sich an alle inder Berufsgenossenschaftversicherten Organisationen,die mit Flüchtlingen arbei-ten. Seminartermine könnenflexibel vereinbart werden.Während des Seminars ent-wickeln und erproben dieTeilnehmenden gemeinsamLösungsstrategien zur Bewäl-tigung und Vermeidung vonStress. Sie werden angeregtund gestärkt, für ihre Arbeitin der Flüchtlingshilfe kon-krete individuelle Ideen undStrategien zum Stressmana-gement zu entwerfen undumzusetzen. Eine wichtigeRolle spielen die Reflexionund der Austausch vonErfahrungen.www.bgw-online.de

Psychisch schwer Kranke sind häufig vomArbeitsmarkt ausgeschlos-senMenschen mit schweren psy-chischen Erkrankungen sindin Deutschland überdurch-schnittlich häufig vonArbeitslosigkeit betroffen.Die breiten Angebote zurberuflichen Rehabilitationkommen noch nicht ausrei-chend bei den betroffenenMenschen an. Dies geht auseiner aktuellen Expertise zurArbeitssituation von schwerpsychisch Kranken hervor,die die Deutsche Gesellschaftfür Psychiatrie, Psychothera-pie, Psychosomatik und Ner-venheilkunde und die StadtBerlin vorgestellt haben.Danach sind schwere psy-chische Erkrankungen mit

erheblichen negativen Aus-wirkungen auf die Arbeits-und Erwerbssituation derBetroffenen verbunden, soein Ergebnis der Expertise.Obwohl die meisten arbeitenmöchten, ist die Arbeitslosig-keit bei den Betroffenenüberdurchschnittlich hoch.Von den Patienten mit einerschizophrenen Störunggehen zum Beispiel europa-weit lediglich 10 bis 20 Pro-zent einer regelmäßigenErwerbstätigkeit nach, einbeträchtlicher Teil arbeitetunter beschützten Bedingun-gen. Psychische Erkrankun-gen sind heute der Haupt-grund für eine frühzeitigeVerrentung. Auch jungeErwachsene sind betroffen:Die Diagnose einer schwerenpsychischen Erkrankung istoft mit dem Abbruch derAusbildung verbunden.www.dgppn.de

Betreiber eines Ärzte-bewertungsportals haterhöhte PrüfpflichtenDer Bundesgerichtshof hatdie Prüfpflichten von Betrei-bern eines Ärztebewertungs-portals konkretisiert: Danachmüssen sie bei Beschwerdenüber anonyme Bewertungenvom Bewertenden genaueInformationen und Belegeüber einen behauptetenBehandlungskontakt anfor-dern und soweit zulässigdem betroffenen Arzt über-mitteln.www.bundesgerichtshof.de

Durchführung einerGefährdungsbeurteilungpsychischer BelastungenDie Gefährdungsbeurteilungvon psychischen Belastun-gen bei der Arbeit ist seit dreiJahren im Arbeitsschutzge-setz (ArbSchG) festgeschrie-ben. Auch Kleinbetriebe (biszehn Beschäftigte) müssenseither das Ergebnis derGefährdungsbeurteilung, dievon Arbeitgeber festgelegten

Maßnahmen des Arbeits-schutzes und das Ergebnisderen Überprüfung doku-mentieren. Mittlerweile gibtes mehrere Handbücher zurGefährdungsbeurteilung psy-chischer Belastungen, kurz»Psychische Gefährdungsbe-urteilung« oder »GB-Psych«.Ein neues Positionspapier derDeutschen Gesellschaft fürArbeitsmedizin und Umwelt-medizin stellt übergeordneteEmpfehlungen zur effektivenDurchführung der Gefähr-dungsbeurteilung psy-chischer Belastungen vor.Insbesondere richten sich dieEmpfehlungen an Arbeitsme-diziner und Betriebsärztesowie betriebliche Verant-wortliche, die den Auftragerhalten haben, zur Konzep-tion und praktischen Durch-führung einer GB-Psych imUnternehmen beizutragen.Die Hinweise Empfehlungensind online verfügbarwww.dgaum.de

Alle drei Sekundenerkrankt weltweit einMensch an DemenzNeue Zahlen zur Epidemiolo-gie von Demenzen hat dieDachorganisation »Alzhei-mer’s Disease International«in London herausgegeben.Laut dem Welt-Alzheimer-Report hat es im letzten Jahrweltweit 9,9 Millionen Neu-erkrankungen geben - alledrei Sekunden erkrankt alsoein Mensch neu an einerDemenz. 46,8 Millionen Men-schen leiden im Augenblickan der Erkrankung. 2030wird ihre Zahl auf 74,7 Millio-nen und 2050 auf mehr als131,5 Millionen steigen. Diemeisten Menschen mitDemenz leben derzeit in Ost-asien, nämlich 9,8 Millionen,in Westeuropa sind es 7,4Millionen, in Südasien 5,1Millionen und in Nordameri-ka 4,8 Millionen.www.alz.co.uk

Mehr Arbeitsplätze inIntegrationsunternehmenangestrebtDer Landeswohlfahrtsver-band Hessen will die Zahlder Arbeitsplätze in Integra-tionsprojekten um ein Fünf-tel steigern. So sollen inner-halb von fünf Jahren bis zu150 neue Arbeitsplätze fürschwerbehinderte Männerund Frauen in Hessen entste-hen. Dafür werden die finan-ziellen Leistungen, mit denendas Integrationsamt solcheArbeitsplätze nach derSchwerbehinderten-Aus-gleichsabgabeverordnung (§27 SchwbAV) fördert, bis 2019nahezu verdoppelt. Eine ent-sprechende Vereinbarunghaben der Erste Beigeordnetedes Landeswohlfahrtsverban-des Hessen, Dr. Andreas Jür-gens, und Martin Berg, derVorsitzende der Landesar-beitsgemeinschaft der Inte-grationsbetriebe Hessen e. V.unterzeichnet.www.lwv-hessen.de

Auch Glück kann dasHerz brechenDas Syndrom des «gebroche-nen Herzens» (Takotsubo-Syndrom TTS) ist eine akute,meist durch emotionalenoder physischen Stress aus-gelöste Erkrankung. Auchpsychiatrische oder neurolo-gische Leiden spielen einebedeutende Rolle. Neue Aus-wertungen im Rahmen einerweltweiten Studie habennun erstmals gezeigt, dassdie Erkrankung auch nacheinem freudigen Erlebnisauftreten kann. Die bisheri-gen Erkenntnisse, dass vorallem Frauen nach der Meno-pause an TTS erkranken,bestätigten sich auch in die-ser Auswertung. Sowohl inder «Happy-Heart»- wie inder «Broken-Heart»-Gruppemachten Frauen 95 Prozentder Erkrankten aus, wobeidas Durchschnittsalter bei 65Jahren in der «Happy-

Heart»- und bei 71 Jahren inder «Broken-Heart»-Gruppelag.www.takotsubo-registry.com

Millionen Deutschehaben chronische SchmerzenEtwa 3,25 Millionen Men-schen in Deutschland leideneiner Studie zufolge an chro-nischen Schmerzen. Bundes-weit handele es sich bei rundvier Prozent aller diagnosti-zierten Krankheiten umchronische Schmerzen, wieaus dem »Arztreport 2016«der Barmer GEK hervorgeht.Der Bericht basiert auf denDaten von rund 8,6 Millio-nen Versicherten der Kran-kenkasse. Schwerpunkt derdiesjährigen Studie ist dasThema »Alter und Schmerz«.Die Barmer GEK legte ihrenReport zum zehnten Mal vor.www.barmer-gek.de

Psychopharmaka sindnicht für jeden die besteLösungBehandlungen mit Psycho-pharmaka können nur dannihr volles Potenzial entfalten,wenn zusammen mit derBehandlung auch dieUmwelt und das Verhaltender Patienten stimuliert wer-den. Zu diesem Schlusskommt ein interdisziplinäresForschungsteam aus klini-schen Psychologen, Psycho-biologen, Neurowissen-schaftlern und Psychiatern.In einer Zusammenschauvon über 150 Arbeiten analy-sierten die WissenschaftlerErkenntnisse aus Placebostu-dien, Untersuchungen zurNeuroplastizität und Tierstu-dien. Die Ergebnisse sindkürzlich in der Online-Ausga-be der englischsprachigenFachzeitschrift »Neurosci-ence and BiobehavioralReviews« erschienen. Psycho-pharmaka lindern die Symp-tome bei Störungen wieDepression oder Schizophre-

nie häufig, aber sie tun esnicht immer. Es gibt immerstärkere Hinweise darauf,dass es eine Reihe von Umge-bungsbedingungen gibt, diedie Wirksamkeit günstigbeeinflussen. So zeigen Stu-dien zur Wirkung von Psy-chopharmaka, dass Placebo-Reaktionen oft sehr hochsind, manchmal wirken sieebenso gut wie Medikamen-te. Detailliertere Analysender Placebo-Reaktion zeigen,dass die Erwartungen derPatienten an die Behand-lung, ihre bisherigen Erfah-rungen mit dem Medika-ment und die therapeutischeBeziehung wichtige Umge-bungsbedingungen sind, dieeinen Einfluss auf die Wir-kung haben.www.journals.elsevier.com/neuroscience-and-biobehavioral-reviews

Krankenkasse mussKosten für PsychotherapieübernehmenEin gesetzlich Versicherterhat Anspruch auf Erstattungder Kosten für eine selbstbezahlte psychotherapeuti-sche Langzeittherapie, wenner die Therapie aufgrund derEinschätzung seiner Thera-peutin für erforderlich haltendurfte und die Krankenkasseüber einen entsprechendenLeistungsantrag nicht inangemessener Frist entschie-den hat. Dies hat das Bundes-sozialgericht in einem neuenUrteil entschieden. Diebeklagte Krankenkasse lehn-te den Antrag des Klägers aufÜbernahme der Kosten für 25Sitzungen psychotherapeuti-sche Leistungen als Langzeit-therapie erst nach knappsechs Wochen ab, ohne ihnüber die Einholung eines

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Die Schauspielerin Diana Rigg als EmmaPeel in der britischen Fern-sehserie »Mit Schirm,Charme und Melone«

»Das Leben ist zumLeben da.«

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Auf die innere Stimme hörenNicht was die Dinge objektiv und wirklichseien, sondern was sie für uns, in unsererAuffassung seien, mache uns glücklichoder unglücklich, erkannt schon derFrankfurter Philosoph Arthur Schopen-hauer. Im Alltag erleben wir oft Stressund Dauerbelastung und wir merken,dass etwas falsch läuft ohne uns darüberRechenschaft abzulegen. Doch Selbst-achtsamkeit kann man lernen und sieträgt viel zur psychischen Gesundheit bei.

Die »Treffpunkte« 3/2016 erscheinen am16. August 2016. Mit einem Jahresabonne-ment von 19,- Euro sichern Sie sich diesofortige Zustellung des jeweils neuestenHeftes.

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Treffpunkte 3/2016

Bürgerhilfe SozialpsychiatrieFrankfurt am Main e. V., Holbeinstraße 25-2760596 Frankfurt am Main

Telefon 069 96201869Fax 069 [email protected]

Ausgabe 4/2015: 27. Frankfurter PsychiatriewocheLeitthema der letztjährigen Frankfurter Psychiatriewoche war der Versucheiner Bilanz von 40 Jahren Reformgeschichte der psychiatrischen Versorgungin Deutschland. Die Meinungen schwankten von der Feststellung, dass vieleserreicht wurde bis zu dem Befund, dass noch bei weitem kein allgemeinakzeptabler Zustand erreicht sei.

Ausgabe 1/2016: Angehörige psychisch KrankerDie Profis in den Diensten und Einrichtungen der Psychiatrie können irgend-wann nach Hause gehen; die Angehörigen psychisch kranker Menschen abersind immer im Dienst, wie ein Betroffener eindrücklich darlegt. Zusammen-schlüsse von betroffenen Angehörigen können dabei eine hilfreiche Stützesein, denn Angehörige leiden zumindest so viel wie die erkrankten Familien-mitglieder selbst.

Ausgabe 3/2015: Arbeitswelt und psychische KrankheitDie Forderung noch »Teilhabe am Arbeitsleben« ist richtig und noch langenicht verwirklicht. Doch die Arbeitgeber und Kollegen, die gegebenenfalls die-ses Recht mit umsetzen sollen, werden oft allein gelassen. Viele fühlen sichdann hilflos, wenn es bei psychisch kranken Mitarbeitern zu Krisen kommt.Soll also Inklusion erfolgreich in der Arbeitswelt verwirklicht werden, brauchtes konkrete, auf die Situation bezogene Lösungen.

Im nächsten Heft:

»Treffpunkte«Die »Treffpunkte« sind ein Forum für alle in der ambulanten,teilstationären und stationären Psychiatrie sowie in der Sozi-alpsychiatrie. Die Zeitschrift berichtet über allgemeine Ent-wicklungen; das besondere Gewicht liegt auf regionalenAspekten der Rhein-Main-Region.

Der Jahresbezugspreis für ein Einzelabonnement der »Treffpunkte« beträgt 19,- Euro einschließlich Versandkosten.

Wer die Zeitschrift besonders unterstützen möchte, kann sichzu einem Förderabonnement entschließen: Ab 30,- Euro imJahr wird jede Ausgabe ins Haus geliefert. Die Ausgaben sindeinzeln zum Heftpreis von 5,- Euro erhältlich.

Gutachtens zu informieren.Der Kläger verschaffte sichdie Leistung für 2.200 Euroselbst und verlangte Erstat-tung, die ihm die Vorinstan-zen zuerkannten. Die Kran-kenkasse legte Revision ein,die das Bundessozialgerichtjetzt zurückgewiesen hat. DerKläger habe Anspruch aufErstattung von 2.200 Euro.Az.: B 1 KR 25/15 R

Neue Praxishilfe stelltHilfen im Job vorDie Praxishilfe »Psychischkrank im Job. Was tun?« wur-de ergänzend zu den gleich-namigen Seminaren entwi-ckelt. Jetzt ist eine überarbei-tete und erweiterte Neuauf-lage erschienen. Die Broschü-

re bietet Erstinformationenzu psychischen Erkrankun-gen. Die Selbsthilfe hat hier-zu das »H-I-L-F-E-Konzept«entwickelt, das in der Bro-schüre eingehend erläutertwird. Dieses Konzept bildetauch die Grundlage für dieSeminare für betrieblicheExperten, Führungskräfteund interessierte Mitarbeiter.Als »Erste-Hilfe«-Maßnahmekann das Konzept dazu bei-tragen, den VerantwortlichenSicherheit im Umgang mitder sensiblen Thematik zugeben und im konkreten FallMitarbeiter und Mitarbeite-rinnen in Krisensituationenzu unterstützen.www.psychiatrie.de/familienselbsthilfe

Krankenkasse fördertSelbsthilfe-Projekte inHessenDie Techniker Krankenkasse(TK) in Hessen hat Selbst-hilfeorganisationen im Landim vergangenen Jahr mitüber 125.000 Euro unter-stützt. Zum Jahresbeginn2016 wurde die Selbsthilfe-förderung der gesetzlichenKrankenkassen mit Inkraft-treten des Präventionsgeset-zes weiter aufgestockt. 2016wird die TK auf Landesebeneüber 176.000 Euro für die För-derung der Selbsthilfe zurVerfügung stellen. Die Stär-kung der Selbsthilfe sei einrichtiger Schritt. Selbsthilfe-gruppen und Selbsthilfeorga-nisationen seien für viele

Menschen eine wertvolleUnterstützung, um Krankhei-ten besser bewältigen zukönnen, so Dr. Barbara Voß,Leiterin der TK-Landesvertre-tung in Hessen. Bundesweitstellt die TK für das Jahr 2016insgesamt über 9,8 MillionenEuro an Fördermitteln zurVerfügung. Hessische Lan-desorganisationen der Selbst-hilfe können bei der Landes-vertretung der TK in Hesseneinen Antrag auf Förderungihrer Projekte stellen.www.tk.de/lv-hessen

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Informationen

Täglich erreichbar unter

069 - 6113 75

Montag bis Freitag 17:00 bis 01:00 Uhr

Samstag, Sonntag und an allen Feiertagen09:00 bis 01:00 Uhr2

Telefonische Beratung, Unterstu tzung und Hilfestellung in psychischen Krisen und Notlagen,

Vermittlung ärztlicher Hilfe und Anlaufstelle außerhalb der normalen Öffnungszeiten der Dienste

des sozialpsychiatrischen Hilfesystems. Finanziert vom Gesundheitsamt der Stadt Frankfurt

Mitglied im Frankfurter Netzwerk Suizidprävention

Der Psychosoziale Krisendienst wird organisiert von den Ambulanten Diensten der Bürgerhilfe Sozialpsychiatrie Frankfurt e.V.

Darmstädter Landstraße 104 · 60598 Frankfurt am Main · 069 - 68 60 19 93 · [email protected]

www.bsf-frankfurt.de

www.krisendienst-frankfurt.de

Krisendienst Frankfurt

BETREUUNGSVEREIN Frankfurt am Main e.V.

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Fragebogen

1. Was ist gut an der psychosozialen Versorgung in Frankfurt am Main?

Es ist gut, dass es viele differenzierte Angebote gibt; auch die Vernetzung der Anbieter untereinander fin-de ich sehr fruchtbar. Soweit ich bisher Einblick habe, bietet Frankfurt am Main von der integrierten Ver-sorgung bis hin zum Umgang mit sehr schwierigem Klientel in Multiproblemsituationen passgenaueAngebote. Auch dass immer wieder neue Problemfelder in den Fokus rücken und sich daraus neue Initiati-ven bilden wie beispielsweise das Frankfurter Netzwerk für Suizidprävention (FRANS).

2. Was müsste in der psychosozialen Versorgung in Frankfurt am Main dringend verbessert werden?

Eine Verbesserung aus meiner Sicht wäre eine Aufhebung der Sektorisierung der Krankenhäuser und derzuständigen Psychiatrischen Institutsambulanzen, um diese wohnortnah zu gestalten oder auch beste-henden Vertrauensverhältnissen den Vorrang zu geben. Ebenso wäre ein Ausbau der aufsuchenden psy-chiatrischen und therapeutischen Hilfen dringend nötig.

3. Welches psychosoziale Angebot ist viel zu wenig bekannt?

Um diese Frage beantworten zu können fehlt mir noch der Gesamtüberblick und ich kann hier nichts Spezielles benennen.

4. Welchem Buch wünschen Sie viele Leserinnen und Leser?

Dem Buch von Paulo Coelho »Veronika beschließt zu sterben«. Es ist eines meiner Lieblingsbücher überdie Psychiatrie und über die Absurditäten des Lebens. Sehr gefühlvoll und voller Überraschungen.

5. Welchen Film haben Sie zuletzt gesehen?

Als einen der letzten Filme habe ich »Die Kunst Schuhe zu binden« gesehen. Es ist ein Film über denUmgang mit behinderten Menschen, sehr gefühlvoll, lustig und einfach außergewöhnlich. Ein großerTraum wird durch die Panik- und Angstattacke eines Gruppenmitglieds erst mal zerstört. Aber es gibt einschönes Ende.

6. Sie haben plötzlich einen Tag frei – was würden Sie gerne machen?

Ich würde die Seele baumeln lassen und mir durch Wellness etwas Gutes tun.

7. Die Märchenfee erscheint – Ihre drei Wünsche?

Die berühmten drei Wünsche: erstens dass kein Mensch mehr gezwungen wäre, aus seiner Heimat zu flie-hen, zweitens dass ich so viele Wünsche frei hätte, wie ich wollte und drittens dass Hunger und Armutbesiegt wären.

Gudrung MehlerGudrun Mehler arbeitet seit mehr als zwanzig Jahren in der Wohnungslosenhilfe und in der Begleitung und Betreuung vonMenschen mit Mehrfachdiagnosen. Seit drei Jahren ist sie beim Caritasverband Frankfurt in der Leitung des Betreuten Wohnens fürMenschen in besonderen Lebenslagen tätig, in diesem Rahmenauch zuständig für psychisch kranke Menschen. Die Diplom-Sozial-pädagogin hat eine Ausbildung in klientenzentrierter Gesprächs -führung und ist Systemische Sozialtherapeutin.

Sieben Fragen an

Keine Ausgabe verpassen – Treffpunkte abonnieren !

Ja, ich abonniere ab sofort die Treffpunkte und bitte umregelmäßige Zusendung an folgende Adresse:

_______________________________________________Name

_______________________________________________Straße

_______________________________________________PLZ/Ort

Das Jahresabonnement kostet 19 Euro für vier Ausgaben undkann zum Ende jeden Jahres schriftlich gekündigt werden.

Ich zahle nach Erhalt der Rechnung

Ich möchte die Treffpunkte mit einem Förderabonnementunterstützen und zahle jährlich _______ Euro(bitte Wunschbetrag ab 30 Euro eintragen)

Ich möchte mich nicht selbst um die Überweisungkummern und stimme deshalb zu, dass die Abo-Gebuhrvon meinem Konto per SEPA-Lastschrift abgebucht wird.(In diesem Fall senden wir Ihnen in Kurze wegen der neuen SEPA-Last-schrift-Bestimmungen eine weitere Information zu.)

__________ _________________________________Datum Unterschrift

Die Burgerhilfe setzt für die Treffpunkte jedes Jahr hohe Eigenmittel ein,da sie als kleine Zeitschrift – wie viele Printmedien in der heutigen Zeit – nichtkostendeckend erscheinen kann. Helfen Sie mit, dass die Treffpunkte nochlange ein lesenswertes Forum für alle Akteure der sozialen Psychiatrie bleiben.

Wir würden uns freuen, wenn auch Sie sich entschließen,weniger als 20 Euro gut anzulegen:

Gegen die Tyrannei der NormalitätDie 21. Frankfurter Psychiatriewoche zwischen Baby-Blues und Quetsche-Fest

Treffpunkte

Herausgegeben von der Bürgerhilfe Sozialpsychiatrie Frankfurt am Main e. V.

4

Jahre

s-Abonnement19€ für vier Ausgaben

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Ihre Abonnements-Bestellkarte schicken Sie bitte ausreichend frankiert an die Burgerhilfe Sozialpsychiatrie Frankfurtam Main e.V., Holbeinstraße 25-27, 60596 Frankfurt am Main.

Gerne nehmen wir Ihre Abo-Bestellungen auch telefonisch (069-96201869) oder per eMail ([email protected])entgegen. Sie erhalten dann umgehend eine schriftliche Bestätigung.

Widerrufsbelehrung:Diese Bestellung kann ich ohne Angabenvon Grunden innerhalb von zwei Wochenschriftlich widerrufen. Zur Wahrung derFrist genugt die rechtzeitige Absendungdes Widerrufs.

Datenschutz::Wir versichern, dass die angegebeneAdresse ausschließlich fur Zwecke desVertriebs der Zeitschrift verwendet wird.

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Samuel Langhorne Clemens (1835-1910)Amerikanischer Schriftsteller, besser bekannt als Mark Twain

Die WerkstattDie druckwerkstatt Rödelheim ist eine Einrichtung zur beruflichen und sozialen Integration seelisch behinderterMenschen. Träger ist der Frankfurter Verein für sozialeHeimstätten e.V.

Gemeinsam mit den Mitarbeitern bearbeitet die Werkstatt –gemäß dem Prinzip „Förderung durch Arbeit“ – die Kunden-aufträge.

Produkte und DienstleistungenAls moderne Druckerei ist die druckwerkstatt Rödelheimein Systemanbieter des grafischen Gewerbes. Unser erfahrenes Team deckt alle Fachbereiche ab –angefangen von der Beratung über die Satzherstellungund die Gestaltung bis hin zum Druck.

DruckvorstufeIn der Druckvorstufe arbeitet unsere Einrichtung mit modernen Scan- und DTP-Systemen. Sie erstellt, prüft und bearbeitet Druckdaten und belichtet diese im Anschluss auf Druckplatten mittels neuester CTP-Technik.

Digital- und OffsetdruckKleinere Auflagen sowie Andrucke werden im Digitaldruckgefertigt. Für den Offsetdruck stehen uns eine Zwei- und Vierfarbendruckmaschine zur Verfügung.

WeiterverarbeitungAlle Druckprodukte werden mit Hilfe modernster Technikverarbeitet – dazu zählen auch Buchbindearbeiten undKfz-Beschriftungen. Weiterhin können u.a. Faltschachtelnauf dem Schneideplotter produziert werden.

Wir bieten unseren Kunden zusätzlich Versand-Dienstleistungen sowie Portooptimierung an.

MailingIm Mailingbereich werden Daten und Unterlagen von einerVielzahl geübter und geschulter Mitarbeiter verarbeitet.Der Bereich beinhaltet den Postversand, nachträgliche Personalisierung sowie Konfektionierungen aller Art.

QualitätEin ständig aktualisiertes Qualitätsmanagementsystemhilft bei der Aufrechterhaltung einer gleichbleibend gutenQualität unserer Arbeit.

Frankfurter Verein für soziale Heimstätten e.V.

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