Trends - Ausgabe 15/2013 des strassenfeger

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  • Straenzeitung fr Berlin & Brandenburg

    1,50 EURdavon 90 CT fr

    den_die Verkufer_in

    No. 15, Juli 2013

    BlACK BoX MUSiCund die soziale Verantwortung (Seite 4)

    WHiSTlE-BloWERDaniel Domscheit-Berg im Interview (Seite 6)

    JZEF CHEMoWSKiund seine Welt voller Engel (Seite 16)

    TREndS

  • strassenfeger | Nr. 15 | Juli 20132 | InHALt

    strassen|feger Die soziale Straenzeitung strassenfeger wird vom Verein mob obdach-lose machen mobil e.V. herausgegeben. Das Grundprinzip des strassenfeger ist: Wir bieten Hilfe zur Selbsthilfe!

    Der strassenfeger wird produziert von einem Team ehrenamtlicher Autoren, die aus allen sozialen Schichten kommen. Der Verkauf des stras-senfeger bietet obdachlosen, wohnungslosen und armen Menschen die Mglichkeit zur selbstbestimmten Arbeit. Sie knnen selbst entschei-den, wo und wann sie den strassenfeger anbieten. Die Verkufer erhalten einen Verkuferausweis, der auf Verlangen vorzuzeigen ist.

    Der Verein mob e.V. fi nanziert durch den Verkauf des strassenfeger soziale Projekte wie die Notbernachtung und den sozialen Treff punkt Kaff ee Bankrott in der Prenzlauer Allee 87. Der Verein erhlt keine staatliche Untersttzung.

    Liebe Leser_innen,

    wer htte das gedacht, dass uns Brgern mittlerweile so beliebte Alltagsrituale wie telefonieren, e-Mails versenden, nachrichten twittern oder in sozialen netzwerken surfen einmal so auf die Fe fallen wrden. Und doch: das was George Orwell in seinem kon-genialen Klassiker 1984 voraussah, ist mehr als nur Wirklichkeit geworden. der groe Bruder spht uns tag und nacht aus, regis-triert alle unsere schritte und speichert, sicherheitshalber, alles Material, dessen er habhaft werden kann, ab. der eine oder andere von uns knnte ja vielleicht, unter Umstnden ein schlafender terrorist sein.

    schnffeln, absaugen, daten vorsorglich abspeichern, und wenn mglich auch noch ohne richterliche Anordnung all das ist derzeit ein uerst bedenklicher trend. das schlimme daran ist, dass sich die regierungen, die hinter all den schnffeleien stecken, sich dabei auch noch auf den schutz der demokratie berufen. die demokratie bewahren durch kriminelle Handlungen? Wie soll das bitte gehen?

    dankbar sollten wir all den mutigen Menschen sein, die wie der amerikanische soldat Bradley Manning, der WikiLeaks-Chef Julien Assange oder der ehemalige Us-Geheimdienstmitarbeiter edward snowden diese Verbrechen, denn nichts anderes sind diese taten, aufdecken. Whistleblower wie sie mssen geschtzt werden, denn sie sind die wahren demokraten. das fi ndet auch daniel domscheit-Berg, frher Vizechef bei WikiLeaks und jetzt Mitglied der Piratenpartei und Macher von OpenLeaks. er erzhlt in einem exklusiv-Interview fr den strassenfeger ber die Arbeit der Whistleblower.

    Wir berichten im titelthema-teil dieser Ausgabe auch ber vorbild-liche Ausbildungsbetriebe (s. 4), Obdachlosigkeit (s. 12) und das sparen (s. 14) allesamt trends unserer Zeit. Und: Wir stellen Ih-nen auch ein paar Knstler vor, die vielleicht nicht trendy, dafr aber Originale (s. 15 und s. 24) sind. Auerdem im Heft: ein Interview mit dem sprecher des virtuellen Whlergedchtnisses, der Internet-plattform abgeordnetenwatch.de, Gregor Hackmack (s. 18).

    Ich wnsche Ihnen, liebe Leser_innen, wieder viel spa beim Lesen!Andreas Dllick

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    TRENDSMensch verbessere dich!

    Black Box Music & soziale Verantwortung

    Daniel Domscheit-Berg, Macher der OnlinePlatt form Openleaks im Exklusiv-Interview

    Shareconomy Vom Haben zum Teilen

    Fnf Jahre Brgerentscheid Spreeufer fr alle

    CDU-Spitzenpolitiker & Bahnhofsmission am Zoo

    Geldsparen ist vllig verkehrt

    Klaus-Dieter Krause Knstler & Rebell

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    TAUFRISCH & ANGESAGTa r t s t r a s s e n fe g e rJzef Chemowski und seine Welt voller Engel

    B u n d e s t a g s w a h l 2 0 1 3Virtuelle Whlergedchtnis abgeordnetenwatch.deGregor Hackmack im strassenfeger-Interview

    B re n n p u n k tToulouser Treff en Teilhabe von Wohnungslosen

    K u l t u r t i p p sskurril, famos und preiswert!

    A k t u e l lDer Cartoonist Michael SchrterB.L.N.H.E.A.T. Kunst am Spreeknie

    S p o r tHandballer beziehen Fchse-Town

    Fe s t i v a lInselleuchten Marienwerder 2013

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    AUS DER REDAKTIONH a r t z i V - R a t g e b e rNeue 58er-Regelung?

    K o l u m n eAus meiner Schnupft abakdose

    Vo r l e t z t e S e i t eLeserbriefe, Vorschau, Impressum

  • strassenfeger | Nr. 15 | Juli 2013 trends | 3

    die Leser von Perry rhodan wissen es schon lange: Wir Menschen, so wie wir sind, stellen nicht das ende der evolution dar. dort treten so genannte Cyborgs auf, Mischwesen aus Menschen und Maschinen, die mehr leisten als ein natrlicher Mensch. In den romanen ist das science Fiction, projiziert in eine ferne Zukunft. Aber diese Pro-jektion hat uns lngst eingeholt. Cyborgs sind unter uns.

    der Mensch, so wie er auf die Welt kommt, ist ein hchst unvollkommenes Wesen und ohne die Zuhilfenahme von Werkzeugen und Attribu-ten nur sehr bedingt lebensfhig. Von Anfang an musste der Mensch nach Hilfsmitteln suchen, die ihm das berleben erleichterten und seine schw-chen kompensierten. Kleidung machte ihn von den klimatischen extremen unabhngig, schuh-werk lie ihn ohne Verletzungen weite strecken zurcklegen, ein Hammer verstrkte die Kraft sei-ner Arme und Waffen machten ihn schneller als seine Beutetiere. Immer ging es ihm um die Ver-besserung des Menschseins.

    dazu bedient er sich der unterschiedlichsten Handlungsstrnge. er entfaltet eine groe tech-nik aus Maschinen und Apparaten, er diszipli-niert seine Lebensform, um durch eine bessere ernhrung besser und lnger zu leben, spekuliert durch religise bungen auf ein ewiges Leben. Letztlich ist er mit seinem Menschsein nicht zufrieden, er will der bermensch werden. Beginnt da schon der Weg zum un- oder berna-trlichen Menschen? Wo endet dann die natr-lichkeit, was macht sie aus?

    M e d i z i n i s c h e r Fo r t s c h r i t t ?

    die Medizin ist ursprnglich angetreten, um den kranken Menschen zu heilen, ihn in seinen nor-malzustand zurckzufhren. der Herzschritt-macher in der Brust eines Patienten heilt nicht, er ist eine Maschine, die eine natrliche Funk-tion des Menschen bernimmt und sogar in ihrer Wirkweise noch bertrifft. er reagiert nicht auf Freude oder trauer, auf Liebe oder Hass. Wes-sen Herz schlgt da? sind solche Menschen schon Cyborgs? Medikamente werden nicht nur zur Bekmpfung von Krankheitsursachen oder symptomen genommen. sie sollen auch die na-trlichen Fhigkeiten des Menschen steigern. Im sport ist das doping, Betrug an anderen und an sich selbst begangen. Aber auch im Alltag wird gedopt, um die Leistungsfhigkeit ber das na-trliche Ma zu steigern. die einen werfen sich Amphetamine ein, andere Viagra. so macht man neue Menschen.

    Immer mehr medizinische Hilfsmittel wer-den von Miniaturcomputern gesteuert. Wer die programmiert, entscheidet nicht nur ber das Funktionieren der Maschine. er bertrgt auch seinen entwurf eines richtigen Lebens auf den Menschen, der diese Prothese nutzt. Wie lebt

    eine Frau mit einem Programm, das ein Mann geschrieben hat? Programme lassen sich hacken. es gibt ihn oder sie, die unser Leben nur zu gern ihrem Willen unterwerfen wollen.

    Ev o l u t i o n s e l b s t g e m a c h t

    Wenn der Mensch in seiner Unvollkommenheit das ergebnis eines evolutionren Prozesses ist, liegt der Gedanke nahe, dass dieser Prozess noch im Gange ist. Was sich so lange fortgesetzt hat, hrt nicht pltzlich auf. Weitere Verbesserungen sind denk-bar. soll man die einem zuflligen genetischen Akt berlassen, oder ist es nicht vernnftig, das Projekt neuer Mensch nun selbst in die Hand zu neh-men? Fr religise Menschen, die an einen schp-fergott glauben, wre das die snde schlechthin.

    Ev o l u t i o n a l s G e s c h f t

    Jede Art von technik verlangt erst einmal Geld zu ihrer entwicklung. so ist es dann auch selbstver-stndlich, dass damit auch wieder Geld verdient werden soll. Alle Mittel zur Optimierung eines natrlichen Menschen bedienen einen Markt, auf dem groe nachfrage herrscht. Wo diese nach-frage fehlt, wird sie knstlich geschaffen. die pharmazeutische Industrie steht immer wieder im Verdacht, angebliche Krankheiten und Funk-tionsstrungen des Menschen zu erfinden, fr die sie dann die passenden Pillen anbietet. der ritalin-Boom ist ein Beispiel dafr. eltern wollen ein besseres Kind und greifen zur Chemie. das groe Geschft beginnt.

    die Hilfsmittel, die zur Optimierung des Menschseins angeboten werden, sind sehr teuer, nicht jeder kann sich das leisten. nur die neuen bermenschen, die ihre evolution vorangetrie-ben haben, verfgen ber die notwendigen Mit-tel. Welche rolle spielen dann noch die normalen Menschen, die an ihrer natrlichen schwche und Vergnglichkeit leiden?

    Aldous Huxley hat in seinem roman schne neue Welt eine Gesellschaft entworfen, in der die Menschen medizintechnisch optimiert und pharmazeutisch konditioniert sind. sie leben in einer Welt ohne Konflikte in Kasten. Keine schne Welt.

    Mensch verbessere dich!Mittel und Wege zum ewigen (besseren?) LebenB E R I C H T : M a n f r e d W o l f f

    01 Cyborg gefunden an der East Side Gallery (Foto: Andreas Dllick VG Bild-Kunst)

    02 Terminator (Quelle: Wikepedia) 02

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  • 01 Konrad Berg, Thilo Baby Goos, Moritz Stockschlder (v. l. n. r.)

    02 BBM-Megaliner

    03 Modernes Lager von BBM

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    strassenfeger | Nr. 15 | Juli 20134 | trends

    I n fo

    Dies ist ein Auszug aus einer ein-stndigen Sendung von strassenfe-ger radio, in der Guido Fahrendholz mit Thilo Goos dem Geschftsfhrer von Black Box Music und zwei seiner Mitarbeiter sprach. Wer das komplette Interview noch einmal nachhren mchte, schreibt einfach eine E-Mail an:

    [email protected]

    und bekommt es im MP3-Format zugemailt.

    Rockn Roll ist auch, der beste Ausbildungs-betrieb zu sein. Die Firma Black Box Music ist ein Pankower Unter-nehmen mit sozialer VerantwortungI n T E R V I E W & f o T o S : G u d i o f a h r e n d h o l z

    Wer in den zurckliegenden ca. zwanzig Jahren regelmiger Kon-zertgnger und Festivalbesucher war und ist, fr den gehren sie einfach dazu, die nachtschwarz lackierten Me-galiner mit dem skull (totenkopf) auf den seitenwnden: Black Box Music (BBM) ist wieder in der stadt. die Geschichte des Un-ternehmens dauert inzwischen schon 21 Jahre. BBM das ist zuallererst der Geschftsfh-rer thilo Baby Goos. seine Visionen und seine Biografie sind untrennbar mit der Firma verbunden. die Bands seeed, die toten Ho-sen, rosenstolz und rammstein, Musi-ker wie Fritz Kalkbrenner und Marius Mller-Westernhagen, aber auch nelly Futado und sogar die Berliner Philharmoniker vertrauen bei der technische Umsetzung von Bhnenbau, Licht, Beschallung, Back stage und transport, auf Baby und seine Jungs.

    Black Box Music steht aber auch fr ein ver-antwortungsvolles Unternehmen mit gesun-dem Wachstum, einem vorbildlichen Ausbil-dungsbetrieb mit sozialer Verantwortung und standorttreue. Warum diese gar nicht mehr so kleine, aber dennoch eingeschworene Black Box-Familie genau so auch nur funktionieren kann, darber sprach ich mit thilo Goos, mit Konrad Berg, seinem serviceleiter, und mit Mo-ritz stockschlder, Projektleiter und Lichtchef bei BBM im strassenfeger radio.

    Guido Fahrendholz: Hattest Du bei der Firmen-grndung 1992 schon eine Vision davon, wie gro Black Box Music einmal werden wird und wel-che groartigen Knstler Ihr betreuen werdet?

    thilo Goos: nee, so haben wir auch nie ge-dacht, sondern immer nur von einem Knstler zum nchsten. dann ging es ja damals im neuen Berlin auch hauptschlich um die sich entwi-ckelnde Clubszene. der Knaack-Club wurde einer unserer Meilensteine mit dem Ausbau ei-ner Konzertetage und dem erffnungskonzert der Inchtabokatables. dann folgte der rote salon in der Volksbhne, dann die Konzerte in der Volksbhne an sich, die neben den theater-betrieb eingefhrt wurden. Wir haben also erst einmal nicht an Wachstum gedacht, sondern uns um die Leute und Projekte gekmmert, die ge-rade da waren.

    Wie hast Du so kurz nach der Wende Banker davon berzeugt, Dir als angehendem Tech-nikverleiher und Veranstaltungsdienstleister Geld fr Lautsprecher, Mikrofone und Bh-nenequipment zu geben?

    tG: Aus heutiger sicht klingt das lustig, aber es ging am Anfang wirklich nicht. die haben echt gedacht, wir sind nur so ein paar spinner und wollen sich das Zeug fr Zuhause kaufen. die haben haben nicht verstanden, dass man so etwas verleihen kann. Wir mussten pri-vatfinanzierte Wege gehen, die uns eine Menge Geld gekostet haben. das bedeutete, zu sparen und Geld wegzulegen, eine Box kaufen und wie-der sparen und weglegen. Immer step by step. richtig losgegangen ist es dann erst nach den ersten erfolgen von rosenstolz in der Mitte der neunziger Jahre mit der sparkasse. Aber ei-gentlich sind wir diesem Finanzierungsprinzip bis heute treu geblieben, sicherlich nutzen wir auch Leasingvertrge und Finanzierungen, aber immer sehr behutsam und sicher.

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    strassenfeger | Nr. 15 | Juli 2013 trends | 5

    Trotz Eurer Gre wirken die internen Struktu-ren noch immer sehr familir?

    tG: das ist ein besonderes Merkmal unse-res Wachstums. Wir waren zu Beginn eine Cli-que von technikern und technikverrckten aus Prenzlauer Berg. tatschlich sind auch noch viele davon im Unternehmen, von denen ich ei-gentlich mal mein Handwerk gelernt habe. Ge-standene tontechniker der Bands Freygang, stern Meien und Prinzip. Heute sind sie die alten Fchse im Unternehmen und rund um die-sen alten Kern entstanden neue Freundschaften, so entwickelt sich bis heute Black Box Music. diese Menschen machen heute 70-80 Prozent des Unternehmens aus. Was ntzt dir das beste equipment, wenn es niemand bedienen kann. diese Leute sind das Wichtigste.

    Erstaunt haben mich eure gepflegte, handwerk-liche Tradition z. B. bei den technischen War-tungsarbeiten und im Casebau.

    Konrad Berg: Wir bereiten jeden Verleih und jede show nach. berprfen Mixer, Laut-sprecher, Leitungen usw. auf Funktionsfhigkeit und fhren die notwendige reparaturen im Haus oder auch vor Ort aus. Viele Hersteller beschrn-ken sich bei reparaturen auf den Austausch gan-zer Baugruppen, wo es eigentlich mit dem ersatz eines Bauteils getan wre. dann greifen wir eben auch noch zum Ltkolben und Ltzinn. Auch Kabel und stromstationen bauen wir inzwischen selbst.

    Inzwischen knnen Musiker und Bands in zwei Probehallen von BBM Konzerte und Tour-neen in ihren Ablufen proben?

    Moritz stockschlder: das hngt mit un-serem Umzug 2007 an den heutigen standort Pankow-Wilhelmsruh zusammen. dort wurde erst eine Halle geplant und so gebaut, dass man Bhnen mit Licht und Audiotechnik trocken aufbauen kann, Konzerte simuliert mit den

    Musiker probt, Ablufe plant, programmiert und optimiert. danach wird alles abgebaut und man geht bestmglich vorbereitet auf tour. Inzwischen sind es zwei Hallen, und in der greren von beiden werden auch schon mal Presseshows, wie die Verleihung von Goldenen schallplatten und andere events organisiert und durchgefhrt.

    Ihr wurdet 2013 als bester Ausbildungsbetrieb in Berlin, in der Kategorie Bis 50 Angestellte ausgezeichnet. Wann und warum habt ihr ange-fangen auszubilden?

    tG: das war vor etwa zehn Jahren. die Verantwortung fr die Ausbildung eines jun-gen Menschen war der schritt zu einer richtigen Firma. die Azubis haben uns dazu gezwungen, geregelte Geschftszeiten einzufhren. das gibt es ja sonst im rock n roll-Geschft gar nicht. Alle Azubis aus den nichttechnischen Berufen wie Lagerwirtschaft, Logistik, Bro und die Kaufleute bernehmen wir auch nach der abge-schlossenen Ausbildung. die techniker arbeiten ja in der regel entweder fr den Veranstaltungs-ort, fr die Musiker und die Kunden oder wenn es um unsere Veranstaltung geht, fr uns. Ge-rade auch tourneetechniker lassen sich dann ber BBM-Arbeitsvertrge gar nicht realisieren.

    das funktioniert nur in der selbststndigkeit mit Vertrgen von den Produktionsfirmen. deshalb helfen wir unseren Azubis nach der Ausbildung auch noch bei den ersten schritten in die selbst-stndigkeit und sichern uns damit qualifizierte Partner bei zuknftigen gemeinsamen Projekten. berall wo wir arbeiten, brauchen wir gut aus-gebildete Leute, noch besser wenn diese aus dem eigenen Haus kommen.

    Ein wichtiges Thema in Eurer Firma ist das so-ziale Engagement. So habt ihr den strassenfeger technisch bereits 2007 beim ersten Pressefest und in den Folgejahren bei der Verwirklichung der strassenfeger-TV-Formate untersttzt!

    tG: das kommt aus der Gemeinschaft unter Knstlern. Wenn man ein Bandprojekt gestartet hat oder ein Caf, einen Club oder einen Probe-raum erffnet, dann hat dort meist niemand et-was. die Mentalitt ist: Man lebt von der Hand in den Mund. das aber schrft auch die Verantwor-tung fr einander, dass niemand auf der strecke bleibt. diese Werte sind mir sehr wichtig. Wenn du mit Freunden am Lagerfeuer sitzt, ist es egal, wer mit dem Fahrrad kam, wer zu Fu, wer mit nem Ferrari oder wer mit einem VW-Bus. nur, der mit dem Bus hatte am meisten spa, weil er schon acht Freunde dabei hatte.

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  • 01 Daniel Domscheit-Berg

    02 Hauptquartier der NSA in Fort Meade, Maryland (Quelle: Wikipedia/www.nsa.gov)

    strassenfeger | Nr. 15 | Juli 20136 | trends

    Es wchst wie ein Krebsgeschwr immer weiter Daniel Domscheit-Berg, Macher von OpenLeaks, im exklusiven strassenfeger-InterviewI n T E R V I E W : A n d r e a s D l l i c k

    der deutsche Informatiker daniel domscheit-Berg war sprecher der Internetplattform WikiLeaks. 2010 verlie er dann im streit mit WikiLeaks-Chef Julian Assange die

    Plattform. seither arbeitet er an einer neuen trans-parenzplattform namens OpenLeaks, die kontrol-lierter vorgehen und mit Medien kooperieren soll. er ist seit 2012 Mitglied der Piratenpartei. And-reas dllick sprach fr den strassenfeger mit da-niel domscheit-Berg ber die rundumaussphung durch die Geheimdienste.

    Andreas Dllick: Wie wird man eigentlich Whistleblower?

    daniel domscheit-Berg: Vom Prinzip ist das ei-gentlich ganz einfach: Man entscheidet sich die f-fentlichkeit ber einen Missstand zu informieren, von dem man wei. Oft ist dies eine entscheidung die sich im spannungsfeld zwischen gesetzlichem Unrecht und ungesetzlichem recht bewegt.

    Whistleblowing ist momentan gerade das Top-Thema. Dank dem ehemaligen NSA-Mitarbeiter Edward Snowden wissen wir jetzt, dass die USA und Grobritannien selbst ihre engsten Ver-bndeten mit Programmen wie PRISM oder Tempora systematisch aussphen. berrascht Sie das?

    ddB: es berrascht mich nicht wirklich, nein. es ist allerdings schon etwas anderes zu ahnen, in welchem Ausma die anlasslose berwachung stattfindet, vielleicht eine vage Vorstellung zu ha-ben, und dann Fakten dazu zu bekommen.

    Wieso konnte Snowden anscheinend so einfach auf derartig geheimes Material des amerikanischen NSA und des britischen GCHQ zugreifen?

    ddB: es gibt mehr als 4.000.000 Menschen die auf als top secret eingestuftes Material der Amerikaner zugreifen knnen. das reicht dann von Geheimdienst- und Militranalysten wie snowden und Manning bis zu Menschen, die dokumente ver-

    HintergrundSeit ein paar Wochen ist die Aufregung gro: Das was wir alle geahnt haben, ist wahr. Big Brother in diesem Fall die USA und Grobritannien sphen uns nahezu flchendeckend aus. Die National Security Agency (NSA) forscht im Rahmen ihres unter US-Prsident Barack Obama in-itiierten Sphprogramms Prism auch die auslndichen Kunden von Telefon- und In-ternetfirmen aus. An dem Programm sind neun der grten Internetkonzerne und Dienste der USA beteiligt: Microsoft (u. a. mit Skype), Google (u. a. mit YouTube), Facebook, Yahoo, Apple, AOL und Paltalk. Der britische Geheimdienst Government Communications Headquarters (GCHQ) spht unter dem Codenamen Tempora im ganz groen Stil den weltweiten Te-lefon- und Internetverkehr aus. Er zapft dafr die Glasfaserkabel an, durch die der transatlantische Datenverkehr abgewi-ckelt wird. Ob ein Telefonat mit Freund oder Freundin, eine Stippvisite auf Face-book oder eine E-Mail an den Chef: Die Briten hren und lesen mit.

    Aufgedeckt wurde dieses Programm durch den Techniker Edward Snowden, einen ehemaligen CIA- und NSA-Mitarbeiter, der die Daten als Whistleblower dem briti-schen Guardian und der Washington Post zuspielte. Laut Edward Snowden ist das Ausma bei Tempora schlimmer als bei Prism. Er bezeichnete die Sphaktion als das grte verdachtslose berwachungs-programm in der Geschichte der Mensch-heit. Dabei sei die Kommunikation von Hunderten Millionen Menschen betroffen, auch die deutscher Internetnutzer. Inhalte wrden bis zu drei Tage lang gespeichert, Metadaten - also etwa IP-Adressen, Tele-fonnummern, Verbindungen und Verbin-dungszeiten - bis zu 30 Tage.

    packen und dafr solch eine einstufung benti-gen. Im endeffekt zeigt diese Zahl extrem gut, wie krank dieses ganze system ist. es wchst wie ein Krebsgeschwr immer weiter und stellt heute fast einen staat im staate dar. der einzige Vorteil an so vielen Geheimnistrgern ist wohl, dass es hoffentlich immer einen geben wird, der Alarm schlgt, wenn da etwas komplett aus dem ruder luft.

    Snowden handelte geht bei der Verffentli-chung der Geheimdaten strategisch, indem er nur scheibchenweise Informationen wei-tergegeben hat. WikiLeaks benutzt eher die Methode von Datendumps. Wenn Sie beide Anstze aus Ihrer Erfahrung beurteilen, was ist erfolgversprechender und was ist sicherer fr Informanten?

    ddB: Ich glaube das edward snowden hier die einzig mgliche strategie verfolgt. das Prob-lem mit datendumps ist, dass das was durch die Medien skandalisiert wird, oft der dump an sich

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  • strassenfeger | Nr. 15 | Juli 2013 trends | 7

    ist. nicht der Inhalt. es ist extrem schwer, komplexe Inhalte in den Medien unterzubringen, und das dann auch noch ber einen langen Zeitraum hinweg. Ohne eine Zusammenarbeit, ohne Abstimmung, ist das nicht machbar. Auch schtzt die Zusammenarbeit snowden, es ist sehr schwer seine Aktion zu diskreditieren, denn er handelt extrem besonnen und hat sich viele Gedanken dazu gemacht, wie das Ganze so ablaufen muss, dass eben nicht ein Fehler nach dem anderen passiert.

    Waren die Bundeskanzlerin und der Nationale Sicherheitsrat ber diese Aussphung ihrer eigener Brger informiert?

    ddB: Wer heute so tut, als htte er von nichts gewusst, der lgt. die Frage ist eher, inwiefern Vertreter der Interessen des deutschen Volkes bewusst weniger wissen wollten, als sie htte wissen sollen oder mssen. eine weitere Frage ist, inwie-fern auch deutsche Volksvertreter Geheimhaltungspflichten aus dem Ausland unterliegen. Beides sind extrem wichtige Punkte, denn sie tangieren die souvernitt unseres Landes, und hier brauchen wir schnell Klarheit und zwar auch in der tiefe und im detail.

    Nutzt Deutschland Informationen, die aus systematischer Spionagearbeit befreundeter Geheimdienste kommen, systematisch?

    ddB: Absolut. das ist ja schon seit je her Gang und Gbe unter sogenannten Bndnispartnern. Und auch darber muss natrlich geredet werden. so weitergehen kann es je-denfalls nicht.

    Eigentlich mssten wir doch gewarnt sein: Schlielich gab es schon den Skandal um das Echelon-System. Dabei handelt es sich um ein weltweites Spionagenetz, das von Nachrichtendiensten der USA, Grobritanniens, Australi-ens, Neuseelands und Kanadas betrieben wird. Das System dient zum Abhren bzw. zur berwachung von ber Satellit geleiteten privaten und geschftlichen Telefongesprchen, Faxverbindungen und Internet-Daten. Wegen des Einsatzes zur Wirtschaftsspionage gegen europische Unternehmen wurde eine bedeutende Anlage der amerikanischen NSA im

    bayerischen Bad Aibling auf Empfehlung des parlamentari-schen Untersuchungsausschusses im Jahr 2004 geschlossen. Haben wir daraus nichts gelernt?

    ddB: das Problem ist eher das die bisherigen skandale zur nsA zu Zeiten kamen, in denen der breiten Masse der Bevlkerung die tragweite nicht bewusst war. eine Abhrsta-tion in Bad Aibling kann man wesentlich einfacher in der Was interessiert mich das, ich habe doch nichts zu verbergen-schublade ablegen als das Wissen darum, dass jede einzelne sMs oder Facebook-nachricht auf ewig mitgeschnitten und gespeichert wurde. Irgendwo kommt immer der Punkt, an dem jeder was zu verstecken hat, und ich hoffe wir sind lang-sam an dem Punkt angelangt, wo ein Groteil der Gesellschaft versteht, was hier luft, und wieso es eben kein abstraktes, sondern ein ganz greifbares Problem darstellt.

    Warum hat Snowden seine Informationen nicht ber eine Internet-Plattform verffentlicht, sondern ber die Print-meiden, den britischen Guardian und die amerikanische Washington Post?

    ddB: Ich denke, das hat viel mit strategie zu tun, und einem guten Verstndnis davon, wie Medienarbeit funktio-niert. eine solche enthllung braucht starke Partner, nach-haltige recherche und engagement. Von daher war es extrem geschickt von snowden, das so einzukippen. Wie sich das in Zukunft weiter entwickelt, wissen wir ja noch nicht. Ich hoffe immer noch, dass irgendwann mal ein Groteil der doku-mente verfgbar sein wird. Aber erstmal muss dieses sammel-monster gestoppt werden.

    Sprechen wir mal ber andere Whistleblower, z. B. Brad-ley Manning. 2010 wurde Manning unter dem Verdacht verhaftet, militrische Videos und Dokumente kopiert und als Whistleblower der Website WikiLeaks zugespielt zu haben. Darunter sind die Videoaufnahmen des Beschus-ses und Todes irakischer Zivilisten und Journalisten der Nachrichtenagentur Reuters durch einen amerikanischen Kampfhubschrauber am 12. Juli 2007 in Bagdad, die von WikiLeaks unter dem Titel Collateral Murder bearbeitet

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  • strassenfeger | Nr. 15 | Juli 20138 | trends

    und verffentlicht wurden. Warum setzen sich die demokratischen Staaten dieser Welt nicht fr ihn ein?

    ddB: Wenn ich das verstehen wrde. es gibt sicherlich rckhalt fr Manning in der Zi-vilgesellschaft, aber leider weit weniger, als er das bruchte. die Medien, und auch WL, kon-zentrierten sich zu der Zeit, als diese Aufmerk-samkeit htte geschaffen werden mssen, lieber auf die Vorwrfe und angebliche Verschwrun-gen gegen Julian in schweden.

    Letzten Endes frchtet sich die Obama-Regierung nicht vor Whistleblowern wie mir, Bradley Manning oder Thomas Drake. Wir sind staatenlos, eingesperrt, oder machtlos. Nein, die Obama-Re-gierung frchtet sich vor Euch. Sie frchtet sich vor einer informier-ten, aufgebrachten ffentlichkeit, die jene verfassungstreue Regie-rung einfordert, die ihr versprochen wurde - und das sollte sie sich auch. Edward Snowden

    Edward Snowden befindet sich nun in extremer Gefahr, denn die USA werfen ihm u. a. Dieb-stahl von Regierungseigentum und der Verrat von Informationen ber die Landesverteidi-gung vor und verlangen seine Auslieferung. Seit Tagen sitzt er nun im Transitbereich des Moskauer Flughafens fest. Er hat in etlichen Lndern um politisches Asyl angefragt, auch in Deutschland. Die Bundesregierung hat das ab-gelehnt. Mssten wir nicht alle einschlielich der Regierungen unserer Demokratien alles daran setzen, Menschen wie Snowden oder Bradley Manning zu schtzen?

    ddB: Absolut. Ich verstehe auch bis heute nicht, wieso wir es uns so schwer machen, und wieso wir berhaupt ber die schwierigkeiten

    im Asylrecht reden. Fr mich wre snowden der wichtigste Zeuge in einem Prozess der Bundes-anwaltschaft gegen die nsA und deren Helfers-helfer hier in deutschland. Fr Kronzeugen gibt es Zeugenschutzprogramme, und wenn ntig so-gar neue Identitten. Unser politischer Apparat will ihn nicht schtzen, und wir werden heraus-finden mssen warum. Zufall ist das nicht.

    Mittlerweile sind aber nicht nur die Whist-leblower im Focus der Geheimdienste und der sie beauftragenden Regierungen. Journalisten wie der Guardian-Mitarbeiter Glenn Green-wald werden als berbringer der Nachricht verurteilt. Es wird behauptet, sie wrden die nationale Sicherheit gefhrden, es wird ver-sucht sie in schlechtes Licht zu stellen. Was luft da schief?

    ddB: Vom Prinzip ist das ganz einfach. die Welt, wie wir sie bisher kannten, basiert auf exklusivitt, auf der Mglichkeit sich von allen anderen abzuschotten, sich zu bereichern auf anderer Kosten, mehr zu wissen als andere und daraus Vorteile zu ziehen. eine Welt, in der ein Prozent ein system aufgebaut hat, um sich vor den restlichen 99 Prozent zu schtzen. das In-ternet ist das Werkzeug, das dieses Paradigma beenden kann, es ist unser Werkzeug fr einen eintritt in eine inklusive Welt von teilhabe und Chancengleichheit. das system bekmpft diesen Wandel natrlich mit allen Mitteln, natrlich und auch ganz besonders jene die den stein ins rollen bringen, indem sie Fragen stellen.

    Sind Sie selbst aufgrund Ihrer Arbeit bei Wi-kileaks schon einmal ins Visier der Behrden geraten?

    ddB: nicht das es mir so direkt bewusst wre. Auf der anderen seite bekommt man so etwas ja heute auch nur noch selten mit. Auch das zeigt die aktuelle enthllung von edward snowden ja extrem plastisch.

    Apropos WikiLeaks? Was genau war der Grund fr die Trennung?

    ddB: es gab mit dem Aufstieg in den Po-phimmel in 2010 einige entwicklungen bei WikiLeaks die mir und anderen nicht gefielen. es gab keinen offenen, ehrlichen Austausch un-tereinander mehr. Julian hatte einen absoluten Fhrungsanspruch, verstie gegen viele Abma-chungen und holte neue Leute ins Boot die uns damals schon suspekt waren. Heute sind viele unserer Befrchtungen wahr geworden. Gerade vor einigen tagen erst kam raus, dass einer sei-nen engsten neuen Freunde von damals mit dem FBI arbeitete.

    Haben Sie noch Kontakt zu Julian Assange? ddB: nein, wir haben keinen Kontakt seit

    meinem Ausstieg im september 2010.

    Assange sitzt seit lngerem in der Botschaft Equadors in London fest. Viele Geldinstitute arbeiten auf Druck der USA nicht mehr mit Wi-kiLeaks zusammen. Wie lange kann WikiLeaks das durchstehen?

    ddB: soweit ich das beurteilen kann hat WikiLeaks keine Geldprobleme, ganz im Gegen-teil. der Umstand, dass Julian sich weigert, sich den Anschuldigungen in schweden zu stellen, ist aus meiner sicht die viel grere Gefahr fr das Projekt. Aus meiner sicht ist das Projekt aller-dings schon lange tot. Was auch immer davon noch brig ist, verfolgt ganz andere Ziele als zu der Zeit, als ich noch dabei war.

    Knnen derzeit geheime Dokumente berhaupt sicher an WikiLeaks bergeben werden?

    ddB: WikiLeaks betreibt keinen eigenen digitalen Briefkasten mehr, nein. Geht also nur noch persnlich oder ber Mittelsmnner. Ich wrde es keinem empfehlen.

    WikiLeaks hat oft riesige Mengen an geheimen Daten ffentlich gemacht. Kritiker sagen: Da-tendumps entwerten die Informationen. Skan-dale, die sich in solchen Riesenleaks verbergen, werden dann oft nicht gefunden?

    ddB: Genau das ist in der tat ein Problem.

    03

  • I n fo

    Weltweiter Aktionstag am Sams-tag, den 27.07.2013 Gemeinsam gegen PRISM, TEM-PORA, INDECT und das Utah Data Center!

    Solidaritt mit Edward Snowden, Bradley Manning und anderen Whistleblowern!

    Deutschland: Demonstration in Berlin am Samstag, 27.07.2013 um 14 Uhr am Kottbusser Tor

    03 Government Communications Headquarters (GCHQ) in Chelten-ham, Gloucestershire, 2004.

    (Quelle: Wikipedia/www.defenceimagery.

    mod.uk)

    04 Bradley Manning (Quelle: Wikipedia/United States Army)

    05 Assange auf dem Balkon der ecua-dorianischen Botschaft in London (Quelle: Wikipedia/Snapperjack)

    strassenfeger | Nr. 15 | Juli 2013 trends | 9

    Wir werden, als Gesellschaft, lernen mssen bei wichtigen themen viel lnger zu bohren, einen lngeren Atem zu besitzen. In einer Welt die ge-prgt ist von der Geschwindigkeit von echtzeit wird dies zu einer Kernkompetenz. Ansonsten ersticken wir irgendwann in einem Wust aus ba-nalen Informationen whrend die Welt endgltig vor die Hunde geht.

    Was war denn 2011 im Camp des Chaos Com-puter Clubs los, wie ist der aktuelle Stand?

    ddB: Auf dem Camp entfaltete sich das ganze drama um meinen Ausstieg bei WikiLe-aks, und die Grndung von OpenLeaks, eine Art trauriger Hhepunkt. Wir wollten OpenLeaks fnf tage lang online stellen, um den Hackern auf dem Camp die Mglichkeit zu geben, es auf Herz und nieren zu testen. das wollten einige wenige Mitglieder des Clubs als Versuch miss-verstanden sehen, sich des Images des Clubs zu bedienen. Auf dem Camp wurde dann mit heier nadel mein rausschmiss aus dem Club gestrickt und vollzogen. ein halbes Jahr spter wurde das auf einer auerordentlichen Mitglie-derversammlung wieder rckgngig gemacht, der Vorstand aufgelst und das Vorstandsmit-glied, das fr die Aktion damals verantwortlich zeichnete nicht wiedergewhlt.

    Wie geht es Ihrem eigenen Projekt OpenLeaks? Die Website ist nicht mehr zu erreichen?

    ddB: dem Projekt geht es soweit ganz gut, es ist allerdings leider einigen anderen Aktivi-tten mehr oder weniger zum Opfer geworden. Wir, also das team mit dem ich arbeite, sind an verschiedenen Baustellen ttig, die sich aller-dings alle in diesem spannungsfeld bewegen und als komplementr zu verstehen sind. Wir arbei-ten also immer noch an der sache, kommunizie-ren das allerdings nicht mehr proaktiv nach dem ganzen drama 2011.

    Macht es Sinn, wenn Aktivisten neue, eigene Whistleblower-Plattformen aufbauen?

    ddB: Absolut, man muss nur sehen das man es richtig macht. Und vom Prinzip ist das genau womit OpenLeaks helfen kann. Uns geht es pri-mr um den Know-how-transfer, sicherzustellen das so viele Plattformen wie mglich existieren, und auf soliden Beinen stehen.

    An welchen Projekten arbeiten Sie gerade oder ist das geheim?

    ddB: Geheim nicht, nein. Ich habe nur wie gesagt aufgehrt, das offen zu kommuni-zieren, zumindest fr den Moment.

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  • strassenfeger | Nr. 15 | Juli 201310 | trends

    01 DEINS ODER MEINS? EGAL! (Quelle: Bundesministerium fr Umwelt,

    Naturschutz und Reaktorsicherheit)

    02 Dank einer von ezeep entwickel-ten Mobile Printing App ist es knftig mglich, berall und ohne nervttende Treiberinstallation zu drucken. Ob der Druckauftrag vom Smartphone, vom Tablet, vom Computer oder direkt aus dem Web startet und ganz gleich, welches Druckermodell zum Einsatz kommt mit nur einem Klick wird die Druck-Verbindung fr Mitarbeiter und Kunden freigegeben. Teilen statt besitzen so viel anwender-freundliche Shareconomy war der Jury des PREVIEW Awards eine Auszeichnung wert. (Quelle: CEBIT)

    Wer kennt sie nicht, diese Werbung fr eine Anlageberatung, wo sich zwei ehemalige Klassenkamera-den in einem Caf wiedertreffen und einer von beiden gleich die Gelegenheit nutzt sich lauthals und publikumswirksam mit Fotos von dem, was er besitzt hervor zu tun: Mein Haus, mein Auto, mein Boot... das ist schon komisch. doch wie wre es mit einer an-deren Pointe? Wenn zum Beispiel der eine dem anderen, grozgig seinen Besitz zum Ausleihen anbieten wrde: Ich leih dir mein Haus, mein Auto, mein Boot. er wre mit seiner Groz-gigkeit in jeden Fall voll im trend und in einem Leihladen, wie Leila im Prenzlauer Berg wrde man ihn sicher willkommen heien.

    teilen ist mal wieder modern und konomisch zeitgem. Martin Weitzman, Harvard-konom, vertrat die these, dass Wohlstand unter den teil-nehmern eines Marktes steigt, umso mehr geteilt wird und fasste dies unter dem Begriff shareco-nomy zusammen. schaut man sich aktuell die Idee des teilens und Ihre Verbreitung im World Wide Web an, dann knnte man fast meinen,

    dass sie das Potenzial hat unser Verhltnis zum Konsum und Besitz zu revolutionieren. einen Ansatz dazu bietet das spontane teilen ber eine smartphone-Application wie Whyownit, mit der man im Freundes- und Bekanntenkreis gezielt nach dingen fragen kann. ein paar Klicks gen-gen und schon bringt ein Freund, oder Freundin das fehlende Fahrrad oder Kchengert, das fr ein paar stunden genutzt werden kann, vorbei. Apps-entwickler Philipp Glckler entwickelte letztes Jahr diese Idee, von der mittlerweile mehr als zehntausend nutzer profitieren. tendenz stei-gend. nach eigenen Aussagen nutzt er diese App derart, dass er eigentlich nur noch Geld fr Le-bensmittel bentigt. spa und Begegnung inklu-sive. Oder, wie heit es so schn, geteilte Freude ist doppelte Freude.

    Ich selbst gehre ja eher zu denen, die sich schwer tun mit dem Verleihen. Man wei ja nie,

    ob man etwas noch mal braucht . . . Mit dem weggeben ist es bei mir nicht viel anders. Bis ich nicht mehr bentigte Kleider in die Altkleidersammlung bringe, Bcher Oxfam berlasse, oder Grundstoffe auf den recycling-Hof entsorge, dauert es. dabei ist teilen mittlerweile in fast allen Alltagsbereichen ver-einfacht. das allseits um sich greifende Carsharing ist nur ein Indiz dafr. In der Landwirtschaft hat teilen ja eine lange tra-dition. Welcher Bauer kann, bzw. will sich schon alleine einen teuren Mhdrescher leisten, zumal, wenn er den selbst nur einmal im Jahr braucht. Oder das bekannte Beispiel mit der Bohrmaschine. Fast jeder Haushalt hat eine, aber sinn macht es nicht eine zu besitzen, wenn diese statistisch gesehen nur wenige Minuten im Leben zum einsatz kommt.

    Aber teilen beschrnkt sich ja nicht nur auf Alltagsgegen-stnde, sondern erstreckt sich zunehmend auch auf Inhalte. das Versenden von e-Mail, Videos, Fotos, rezensionen und anderen Medien ber twitter oder Facebook gehrt fr viele ebenso zum Alltag, wie das gemeinsame nutzen eines daten-speichers in einer weltweit verfgbaren Cloud. Auf der Basis von Communities wird ganz anders gearbeitet, sich ausge-tauscht und gegenseitig untersttzt. dabei spielt gerade im Arbeitskontext das teilen von persnlicher erfahrung eine entscheidende rolle. An anderer stelle wird es allerdings im-mer mehr zur Anforderung. Persnliche daten und Informa-

    tionen knnen im ffentlichen und vernetzten Leben nur noch schwer zurck gehalten werden. experten weisen zu recht darauf hin, dass eine Gesellschaft sich darauf datenschutz-technisch und rechtlich neu einstellen muss.

    die shareconomy ist auch deshalb das zentrale thema der diesjhrigen CeBIt in Hannover gewesen. Innovationspro-zesse in der Wirtschaft, die bisher hinter verschlossenen t-ren stattgefunden haben, werden jetzt frh im Produktgestal-tungsprozess ffentlich gemacht. der Autobauer Ford hat zum Beispiel in Zusammenarbeit mit einem Internet-Portal potenzielle nutzer zur seniorenfreundlichen Mitgestaltung des Innenraums aufgefordert. Was und wie Ford letztlich mit den Informationen umgeht, steht auf einem anderen Blatt. die tatsache, dass Menschen und erfahrungen zusammen-kommen, um etwas zu verndern und zu teilen ist ein wich-tige entwicklung. Mein Haus, mein Auto, mein Boot knnte dann tatschlich unter meiner Mitwirkung entwickelt und fertiggestellt worden sein. Und das will ich natrlich spter auch mal haben.

    Vom Haben zum Teilen Shareconomy B E R I C H T : A n d r e a s P e t e r s

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  • 01 Spree fr alle!

    02 Demo am Stralauer Platz

    strassenfeger | Nr. 15 | Juli 2013 trends | 11

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    www.ms-versenken.org http://spreedemo2013.org www.spreeufer-fuer-alle.de

    Wer kmpft, kann verlieren aber wer nicht kmpft, hat schon verloren. Spreeufer fr alle Aktivisten kmpfen fr die Umsetzung des BrgerentscheidsB E R I C H T & f o T o S : A n d r e a s D l l i c k V G B i l d - K u n s t

    es waren zwar nur ein paar Hundert Menschen, die sich am sonnabend vor dem YAAM-Klub am stralauer Platz in Friedrichshain zu einer demons-tration einfanden. doch ihr Motto war klar auf den transparenten zu lesen: Wer kmpft, kann

    verlieren aber wer nicht kmpft, hat schon verloren. die Initiative Mediaspree versenken! hatte aufgerufen, anlss-lich des fnften Jahrestages des Brgerentscheids spreeufer fr alle in Friedrichshain-Kreuzberg auf die strae zu gehen und Flagge zu zeigen. Mit sechs Protestwagen beschallt von techno- und reggae-Klngen zogen die Aktivisten gemein-sam mit den rund 300 demonstranten vom stralauer Platz bis zur elsenbrcke und dort ber die spree und zurck zum stralauer Platz.

    die Initiative fordert die Umsetzung eines Brgerentscheids von 2008, in dem 87 Prozent der Whler gegen die Bebau-ung des spreeufers und das Investorenprojekt Mediaspree gestimmt hatten. Laut der Organisation Mehr demokratie handelt es sich damit um das bis dato erfolgreichste Brger-begehren Berlins. doch anscheinend fhlt sich der Berliner senat nicht an das Brgervotum gebunden. Weder der ein-geforderte 50 Meter breite Uferstreifen wird geschtzt, noch auf Hochhausbebauung verzichtet. Genau das kritisierten die demonstranten auf ihren transparenten denn auch.

    Auch der Organisator der demo sprach Klartext: robert Mu-schinsky (sprecher Mediaspree versenken): In den ver-gangenen fnf Jahren ist die situation schlimmer und nicht besser geworden! Insbesondere prangerte er an, dass es zwar Gesprche mit dem Bezirk gegeben habe, der senat den Be-zirk stark beschrnke. Anstatt den Brgerentscheid ernst zu nehmen und umzusetzen, lasse Wowereits senat zu, dass wei-tere Groprojekte entlang der spree gebaut werden drften. dazu zhlten der umstrittene Bau des Luxusapartmenthauses der Living Bauhaus Gruppe durch den stasispitzel Maik-Uwe Hinkel (die stasiunterlagenbehrde hat sein spitzeln mittlerweile ganz offiziell besttigt!) das auf dem ehemaligen todesstreifen an der spree, fr den der Investor die denkmal-geschtzte east side Gallery durchbrechen lie. Aber auch das neue Mercedes-Vertriebsgebude neben der O2-World und die geplanten zwei bis zu 110 Meter hohen trme der Firma Agromex in Alt-treptow.

    Von den spitzenpolitikern dieser stadt lie sich selbstredend wieder einmal niemand sehen. Weder der regierende Brgermeister Klaus Wowereit (sPd), noch sein Innensenator Frank Henkel (CdU) scheinen Brgerproteste und Brgerentscheide in der Hauptstadt ernst zu nehmen. Ganz anders dagegen Hans-Christian strbele, streitbarer Bundestagsabgeordnete der Bndnis-Grnen. er war einer der wenigen Politiker, der sich solidarisch mit den demons-tranten zeigte. er marschierte mit und rief den spree-Aktivisten vom Laster zu: Wir sehen hier das O2-Land und dort das Mercedes-Land. das war nicht so gemeint mit dem Brgerentscheid. Wir haben gesagt, das ist unser Land. Fnf Jahre nach dem entscheid sehen wir, dass das nicht so enden darf. Wir mssen auf die strae. Politiker wie strbele braucht unser Land. dann klappts auch mit der demokratie.

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  • strassenfeger | Nr. 15 | Juli 201312 | trends

    Ein riesiges Problem: Hygienecontainer fehlt!CDU-Spitzenpolitiker auf Dialogtour in der BahnhofsmissionB E R I C H T : D i e t e r P u h l | f o T o S : A n d r e a s D l l i c k V G B i l d - K u n s t

    dialogtour nannte sich der Besuch von CdU-Ge-neralsekretr Hermann Grhe und des Berliner Innensenators Frank Henkel am 10. Juli in der Bahnhofsmission am Zoo. Begleitet wurden beide von rainer Wendt, dem Vorsitzenden der

    deutschen Polizeigewerkschaft und Vertretern der Bundes- und der Landespolizei. Gut 30 Minuten waren angesetzt, um sich ber die Arbeit der ehren- und hauptamtlichen Mitarbei-ter der Bahnhofsmission zu informieren und das Gesprch mit ihnen zu suchen. Gut 30 Mitarbeiter und auch einige Freunde und Frderer der Bahnhofsmission waren anwesend, darun-ter Ingulf Leuschel, Konzernbevollmchtigter der deutschen Bahn fr Berlin. Herrmann Grhe kennt den trger der Bahn-hofsmission, die Berliner stadtmission gut, deren Zentrum am Hauptbahnhof von mehreren Besuchen her auch. Und so war die Begrung durch stadtmissionsdirektor Hans-Georg Filker sehr freundlich. Innensenator Henkel war auch recht gut ber die Arbeit informiert, er hat vor 1,5 Jahren nachts mehrere stunden die Bahnhofsmission besucht und hatte die damaligen eindrcke und Informationen gut in erinnerung.

    Mehr als 1 000 wohnungslose Menschen suchen die Jebens-strae jeden tag auf, tglich allein gut 600 die Bahnhofsmis-

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    TRdElPoinTMbel, Haushaltsgerte, Kchen, Hausrat, Wohndeko, Geschirr, Fernseh-/ Videogerte, CDs, Schallplatten, Bcher, allerlei zum Stbern, Nostalgisches und Kurioses

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  • strassenfeger | Nr. 15 | Juli 2013 trends | 13

    01 Dieter Puhl, Hermann Grhe, Frank Henkel, Hans-Georg Filker (v.l.n.r.)

    02 Lutz Rosenau fragt nach

    03 Dieter Puhl informiert ber die Arbeit der Ehrenamtler

    04 Immer wieder mssen Obdachlose vor der Bahnhofsmission am Zoo kampieren

    sion. nur ein kleiner Anteil davon stammt aus Berlin, viele aus dem Bundesgebiet, die meisten aus ganz europa, eher Osteuropa. das ist kaum zu schaffen, bei den wenigen Geldmitteln, und alle sitzen da in einem Boot, haben zu wenig Personal. berlastung, stress und auch Gefhr-dungen sind die Folge, viele Menschen knnen nicht gengend versorgt werden, auch im som-mer sterben wohnungslose Menschen auf der strae. Vielleicht muss hier umgedacht werden und es mssen Bundesmittel zur Verfgung ge-stellt werden, denn Berlin kann der Funktion als drehscheibe zwischen Ost und West kaum noch gerecht werden, so H.-G. Filker. Ob das jemand richtig gehrt hat?

    die ehrenamtlichen Helfer berichteten ber ihre Arbeit, ihre Motivation, gelste und traurige Mo-mente. einige hinterfragten diese Begegnung als Wahlkampfveranstaltung, andere luden zu einem lngeren Besuch, zur praktischen Mitarbeit ein.

    Und dann kam Lutz und es kam reichlich Bewe-gung in das treffen. Lutz rosenau ist seit zwei Jahren Pensionr, fast vier Jahre arbeitet er nun aber schon ehrenamtlich in der Bahnhofsmission Zoo, frher zwei Mal im Monat, nun etwa ein Mal in der Woche, wenn er in Berlin ist. solange er noch berufsttig war, lie sein Job nicht mehr einstze zu Lutz war frher Mitglied des obe-ren Fhrungskreises bei siemens undarbeitete in Berlin als Produktions- und standortleiter, ein stressiger, zeitintensiver Job. Lutz hat sich in die einrichtung, ihre Aufgaben, vor allen dingen aber in ihre Gste eingelebt. Und gelegentlich schlgt seine Managergenetik durch, das ist auch gut so, denn Lutz ist ein guter netzwerkar-beiter, hat schon Gott und die Welt angeschleppt, sehr zum Wohle der einrichtung und der Gste.

    Grhe und Henkel fragten ausdrcklich nach Knackpunkten, schwachstellen. Lutz wollte sich da nicht lumpen lassen: Wir haben hier ein

    riesiges Problem in der Jebensstrae, den seit zwei Jahren fehlenden Hygienecontainer; und dieses Problem stinkt zum Himmel! Fr die be-troffenen Menschen, die ihre notdurft seitdem im Freien verrichten und das hat nichts mehr mit Menschenwrde zu tun und fr die Anrai-ner der Jebensstrae, die hier jeden tag arbeiten und unter dem beienden Gestank und den Ver-unreinigungen leiden. Lang anhaltender, lauter Applaus! Frank Henkel reagierte nach kurzer schrecksekunde moderat, versprach in Zeiten knapper Haushaltslage kein Geld, aber immer-hin, sich zu kmmern. Zur erinnerung, das tat der regierende Brgermeister Klaus Wowereit an selber stelle vor geraumer Zeit auch. Keine Ver-nderung seitdem.

    Wir sind gespannt, Herr Henkel, und wir ver-trauen. Letztendlich dem Himmel. Und bei dem Geruch in der Jebensstrae, wird es ja vielleicht auch dem zu viel?!

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  • strassenfeger | Nr. 15 | Juli 201314 | trends

    Q u E l l E

    (Henry Ford, 1863-1947) zitiert nach Web, Henry Ford Quotes, Brainy Quote

    Geldsparen ist vllig verkehrtWie unser kriminelles Geld-system den Wortsinn des Sparens verflscht hatB E R I C H T : B e r n h a r d t

    der sterreichische Wirtschaftsprofes-sor Franz Hrmann schreibt in seinem Buch das ende des Geldes, 2011, Unser gegenwrtiges Finanzsystem ist ein reines Betrugsmodell. es beruht auf min-destens zwei Betrugsfllen. erstens reden herr-schende Meinung und Politik den ahnungslosen Brgern ein, Geld sei wertstabil und ein Wertspei-cher. das hat noch nie gestimmt und ist logisch ausgeschlossen, weil die Waren, die man am Markt fr das Geld kaufen kann und die seine Kaufkraft ausmachen, durch Zeitablauf schrittweise ihren substanzwert durch Verderbnis verlieren. sie sind nur begrenzt haltbar. Man denke z. B. an nahrungsmittel. Folglich muss auch das Geld, das an ihre stelle tritt, seinen substanzwert, seine Kaufkraft, schrittweise mit der Zeit verlieren. eine schleichende Inflation sowie Whrungszu-sammenbrche, die durchschnittlich alle 50 Jahre stattfinden, sind die Folgen mit einem mehr oder weniger vollstndigen Verlust der Gelderspar-nisse. Zweitens soll nach Ansicht dieser Kreise, vor allem des Bankensektors, Geld arbeiten und weiteres Geld hervorbringen, verdienen, kn-nen in Form von Zinsen, dividenden, spekulati-onsgewinnen usw. Auch dies ist eine Lge. Geld hat noch nie gearbeitet. Arbeiten knnen nur Men-schen: Unternehmer, Forscher, Freiberufler, usw.; vor allem aber Arbeitnehmer.

    Nur gut, dass die Brger nicht unser Banken- und Whrungs-system verstehen, sonst htten wir schon morgen frh eine Revolution

    Abgerundet wird dieser schwindel durch das Privileg der Geschftsbanken, gleichsam aus dem nichts sogenanntes Buch- oder Giralgeld zu schpfen, das an sich nur auf dem Konto steht und das man von dort auf andere Konten ber-weisen kann, das man aber, wenn man es bar am Bankschalter oder am Geldautomaten abhebt, in Geldscheine der Zentralbank umwandeln kann.

    die Banken schpfen also quasi aus dem nichts groe Geld-mengen, mit denen sie weiteres Geld produzieren, whrend der normalbrger seinen rcken krumm machen muss, um den Lebensunterhalt zu verdienen; manche fr einen euro in der stunde.

    Leider folgen die meisten Brger den Aufrufen von Banken und regierungen, Geld zu sparen und es bei Banken, spar-kassen, Versicherungen und anderen Kapitalsammelstellen einzulegen. Hier kommt nun der Bedeutungswandel des Wortes sparen ins spiel. Ausweislich des Herkunftswr-terbuches duden nr. 7, 1963, hatte sparen ursprnglich den sinn, bewahren, unversehrt erhalten, schonen, (was sich der heutigen nachhaltigkeit nhert); ein sinn, der in anderen germanischen sprachen bis heute fortlebt. daraus ist besonders im deutschen die Bedeutung fr spter zurck-legen; nicht gebrauchen; weniger ausgeben entstanden, die seit dem 16. Jahrhundert (unter dem einfluss des Geldsys-tems; der Verfasser) blich wird und heute vorherrscht und zu dem uns bekannten Geldsparen fhrt. es macht aber einen groen Unterschied aus, ob man nachhaltig wirtschaf-tet, d. h. die realen sachen schont und pfleglich behandelt (sparen im alten sinne), oder ob man berschsse produziert, die man fr seinen Unterhalt zunchst nicht bentigt, mit de-nen man aber leistungslos weiteres Geld einnehmen will (sparen im heute blichen sinn).

    Geld im herkmmlichen sinn zu sparen, zu schonen, ist vllig falsch. Man muss es umlaufgesichert und zinslos flieen lassen. Fr grere Anschaffungen legt man es zinslos bei einer Geschftsbank ein, die es ebenfalls zinslos an einen Kre-ditnehmer allenfalls gegen eine Verwaltungs- und Versiche-rungsgebhr weitergibt. einzelheiten wird man bei einem neuen Geldsystem noch regeln mssen; z. B. um zu vermei-den, dass die Banken den anteiligen Wertverfall des Geldes tragen mssen, wenn sie nicht sogleich einen Kreditnehmer finden. Inflationsverluste wird es bei einer richtig verwalte-ten Whrung nicht geben. die Verbraucherpreise werden bei einem zinsfreien Geldsystem um 40 Prozent sinken, bei Im-mobilien um 70 Prozent. Alle steuern vom einkommen kn-nen abgeschafft werden. der staat erzielt seine einnahmen insoweit aus der Umlaufsicherung des Geldes wie im Hoch-mittelalter. es gbe einen wesentlichen Brokratieabbau. die Menschen brauchten nur noch an vier tagen der Woche zu arbeiten. Arbeits- und Obdachlosigkeit wren unbekannt.

    Sparschwein (Quelle: strassenfegerarchiv)

  • strassenfeger | Nr. 15 | Juli 2013 trends | 15

    Karik

    atur

    : OL

    Gesprche mit Klaus-dieter KrausePortrt eines aufmpfigen Knstlers und unnachgiebigen RebellenB E R I C H T : D e t l e f f l i s t e r

    Ich sitze in der Galerie dachschiff in der rosentha-ler str. 59 jenem Mann gegenber, um den es hier ge-hen soll: K. d. Krause. Wir sitzen auf zwei Holzkisten. Alles macht einen leicht verstaubten eindruck, wirkt aber trotzdem irgendwie urgemtlich. die Galerie hat

    etwas. sie ist auf ihre Art und Weise und durch ihre Atmo-sphre inspirierend. An der Wand hngen verschiedene Bilder von Krause, der diese Galerie auch gleichzeitig als Wohnung nutzt. die Bilder sind in dunklen Farben gehalten und strah-len etwas Finsteres aus. Man sieht darauf z. B. in dunkle Zel-len eingesperrte Menschen, die ziemlich krank und schwach aussehen, Figuren, aus denen Gedrme und eiter quellen, und die drohend ihre Fuste heben, und auch teufel, die Menschen ins Feuer stoen und mit spitzhacken traktieren. Krause erklrt mir, dass Kunst und Politik miteinander ver-bunden seien und dass er die Kunst nutze, um politische und gesellschaftliche Missstnde aufzuzeigen. regeln seien dann fr ihn nicht mehr akzeptabel, wenn sie den Menschen in sei-ner Freiheit und Kreativitt einschrnken wrden. Aus seinen erzhlungen hrt der Zuhrer deutlich heraus: K. d. Krause ist ein rebell! Ich mchte dies an zwei Fllen demonstrieren, die ich persnlich erlebt habe.

    S z e n e 1 :

    K. d. Krause befindet sich auf einer Podiumsdiskussion in der Hochschule der Knste. es geht darum, wie man nachwuchs-knstler frdert und ihnen eine Chance ermglichen kann, ihre Kunst ffentlich zu prsentieren. K. d. Krause beteiligt sich an der diskussion in einer Weise, die so nicht erwartet wird, die schlichtweg, vorsichtig gesagt, darauf aus zu sein scheint, die diskussionsteilnehmer vorzufhren und sie lcherlich zu machen. er bringt sehr polemische redebeitrge und stellt die Legitimation der Podiumsteilnehmer in Frage. Ich gewinne den eindruck, dass es darum geht, den sinn dieser Art diskussio-nen anzuzweifeln, die inhaltlich ausschlielich von, wie er sagt, oben bestimmten Autoritten gefhrt werden. die Meinung der in der Kunstszene aktiven Menschen wrde nicht interes-sieren, stellt er fest und fragt sich, in wie fern eine solche Veran-staltung fr nachwuchsknstler ntzlich sein knne.

    S z e n e 2 :

    In seiner Fernsehsendung im Offenen Kanal Berlin beschf-tigt sich Klaus-dieter Krause mit der diskriminierung des staatsbrgers durch die Verwaltung und prangert dies an. regelmig ernennt er den Verwaltungsfaschisten des Mo-nats. er whlt aus an ihm gemeldeten Fllen, bei denen es die Verwaltung besonders arg getrieben hat, denjenigen aus, der diesen titel seiner Meinung nach verdient hat. natrlich erscheint, obwohl immer alle Kandidaten eingeladen werden, niemand in der sendung, um die Auszeichnung in empfang zu nehmen und ber die entsprechende entscheidung zu disku-tieren. dann platzt irgendwann die Bombe: der sendeverant-wortliche K. d. Krause erhlt eine sechsmonatige sperre vom OKB, gegen die er vor dem entsprechenden Verwaltungsge-richt klagt und im Prozess unterliegt. nach der sperre macht er stur im alten stil weiter. In einem Gesprch mit dem Leiter des Offenen Kanals wird ihm das recht zu gestanden, Missstnde in den Verwaltungen auch weiterhin zu kritisieren, wenn er auf den titel Verwaltungsfaschist des Monats verzichten wrde. Hierzu erklrt er sich nicht bereit. nach einigem hin und her kommt es zu einer lebenslangen sperre.

    Auf meine Frage, was er mit seinem Verhalten bezweckte, erhalte ich folgende Antwort: es gehe ihm darum Missstnde und diskriminierungen in unserem staat aufzuzeigen und ffentlich anzuprangern und durch sein Handeln druck zu erzeugen. dies sei durch gewhnliches und etabliertes Verhal-ten nicht mglich, weil die betreffenden Personen darauf nicht reagieren und ihr Verhalten keinesfalls verndern wrden. nur durch diese Art der Handlung knne die ffentlichkeit auf Fehlhandlungen aufmerksam gemacht und dazu aufgefordert werden, sich gegen Verwaltungsbeamte, die Menschen durch ihre entscheidungen diskriminieren und sowohl seelisch als auch oft materiell in not bringen, zu wehren. Wir seien schlie-lich mndige Brger und htten das recht, uns, wenn ntig, zu wehren, wenn die von uns per Wahl bestimmten Volksver-treter oder Amtspersonnen nicht unsere Interessen vertreten wrden. Ziviler Ungehorsam und Widerstand seien sehr wohl Mittel der Gegenwehr fr den mndigen Brger. K. d. Krause sieht sich als jemand, der sich verpflichtet fhlt, dort, wo es ntig ist, Widerstand zu schren.

    Klaus-Dieter Krause (Quelle: Wikipedia)

  • strassenfeger | Nr. 15 | Juli 201316 | tAUFrIsCH & AnGesAGt a r t s t r a s s e n fe g e r

    01 Johann-Wolfgang von Goethe lebt als Bienenstock in Brusy-Jaglie

    02 Jzef Chemowski vor seinem Atelier in der Scheune, 2012

    03 Posaunenengel

    04 Ein Cherub steht neben der Scheu-nentr

    Brusy. eine polnische Kleinstadt in der sdkaschubei am rande der tucheler Heide. dort, im drflichen Ortsteil Ja-glie, liegt das Gehft von Jadwiga und Jzef Chemowski: ein wahres Juwel. schon an der einfahrt grt ein prchtiger Bildstock, mit religisen und volkstmlichen Motiven reich ver-ziert. Am Zaun hat sich ein Posaunenengel pos-tiert. In seiner nhe dreht sich ein groes rad, an dem kleine Metallbehlter hngen. es ist die Maschine zum einfangen der elemente. Im Hof verharrt der heilige Ambrosius, schutzpatron der Imker, als mannshoher geschnitzter Bienenstock, mit den Jahren fast vollstndig mit Moos bewach-sen, mit grner Patina. so ist nun mal die na-tur, meinte Jzef Chemowski, der selbst auch Imker war. Kunst muss mit der natur im ein-klang leben. dass seine Wind und Wetter aus-gesetzten skulpturen irgendwann morsch wer-den und zerfallen, fand er vllig normal.

    P u l s i e re n d e s U n i v e r s u m

    In Jzef Chemowskis Zaubergarten stehen un-zhlige in Holz geschnitzte engel und teufel, B-ren und Bergleute, Heilige und ruber, Buerin-nen und Bauern in kaschubischen trachten. sie stehen im schatten der Obstbume. durch ste und Bltter schimmert sonne, die springende Lichtpunkte auf nasen und Augen der skulptu-ren wirft. Im sommer summen Bienen, die in den Bienenstcken wohnen; das storchnest auf dem telefonmast ist auch voller Leben. den Garten, das Haus, die scheune, also sein ganzes Ambi-ente, hat der lange Zeit als sonderling, spinner und trumer belchelte Autodidakt in ein Ge-samtkunstwerk verwandelt. Jzef, ein vielseitig begabter, offener und neugieriger Mensch, zeich-nete, schnitzte, malte auf Glas, Leinwand, Holz und spanplatte seine Farben mischte er sich selbst aus eigelb, Quark, Milch, Bltter und Bl-ten. er war Philosoph, erfinder, Astronom und theologe. er dachte viel ber die Welt nach, ver-folgte und kommentierte in seinen Werken das Zeitgeschehen. Zugleich versuchte er, sich dem ewigen Geheimnis der existenz zu nhern: der schpfer der erde ist das Universum, welches vom ersten Augenblick an mit Leben ohne An-fang und ohne ende pulsiert und immer lebendig ist. das ist die Harmonie des seins auf der erde.

    Po e t e n u n d K o m e t e n

    Persnlichkeiten und Probleme, mit denen Jzef Chemowski sich beschftigte, stellte er in poly-chromen skulpturen, auf l- und Hinterglasbil-dern dar. er schnitzte erfinder (Alfred nobel) und Poeten (Heinrich Heine und Wolfgang von Goethe), malte Kometen (Hyakutake), den ter-rorangriff auf das Word trade Center, den Fall der Berliner Mauer, szenen aus dem Alltag,

    Heilige, Gottvater, Madonnen, Christusse und immer wie-der engel. seine Werke versah er hufig mit Kommentaren in verschiedenen sprachen: Kaschubisch, Polnisch, deutsch, Lateinisch, englisch, Franzsisch und Kurdisch. Mit seinem in Malm lebenden kurdischen schwiegersohn hatte Jzef ein polnisch-kurdisches Wrterbuch verfasst. Auf Leinwand und Papier hielt er das dorfleben fest. er malte Bildstcke und alte Huser seiner Heimat, um sie nach dem bevorstehenden Verfall und Abriss vor dem Vergessen zu retten. er sammelte Zeugnisse der deutsch-polnischen Vergangenheit der Kaschu-bei. er schrieb und illustrierte traktate wie das Geheimnis der Welt der Welten, das Buch der engel, die Apoka-lypse, Adam und eva, religionen und Universum, die seine berlegungen zu ethischen, philosophischen und theo-logischen Fragen beinhalten. das waren fr ihn Bereiche, die man nicht ergrnden und nicht erklren kann. sie mssen also auch fr die nchsten Generationen ein Geheimnis blei-ben, denn es irrt der Mensch, solang er denkt. nur die natur hat immer recht.

    d r a c h e n f l i e g e r u n d C h e r u b i m

    der am 26. Februar 1934 im Haus nr. 17 in Brusy-Jaglie ge-borene Jzef Chemowski baute spielzeuge und Musikinst-rumente. er hatte einen Architekturwettbewerb gewonnen, einen drachenflieger und ein Fahrrad mit drei Autoreifen konstruiert, er arbeitete an einem Perpetuum mobile. er ver-suchte, immer etwas neues und Interessantes zu machen, um fr sich selbst und die anderen nicht langweilig zu werden. er schnitzte und malte schon als Kind. In seiner Familie hatte

    Jzef Chemowskiund seine Welt voller Engel T E X T & f o T o S : u r s z u l a u s a k o w s k a - W o l f f

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  • strassenfeger | Nr. 15 | Juli 2013 tAUFrIsCH & AnGesAGt | 17 a r t s t r a s s e n fe g e r

    I n fo

    Jzef Chemowskis Privatmuseum im Dom (Haus) Nr. 17, PL 89-632 Brusy-Jaglie kann tglich ohne Anmeldung besichtig werden. Die mit 300 Exponaten grte Samm-lung der Kunstwerke von Jzef Chemowski besitzt das Muzeum Zachodniokaszubskie w Bytowie (Das Westkaschubische Museum in Bytw) ul. Zamkowa 2, 77-100 Bytw

    www.muzeumbytow.pl/zbiory/dzial-etnograficzny/sztuka-ludowa-kaszub-i-pomorza/

    das vor ihn niemand getan. Als erwachsener schlug er sich mit verschiedenen Jobs durch, da es ihm nicht gegnnt war, eine schule zu ende zu besuchen und einen Beruf zu erlernen. er war Land- und straenarbeiter, eisenbahner, Kinokarten-verkufer, er arbeitete als Interviewer in einem Meinungs-forschungsinstitut. Parallel dazu bewirtschaftete er seinen kleinen Bauernhof, wobei sich schon immer seine Frau, Pani Jadwiga, mit der er seit 1960 verheiratet war, um die prakti-schen dinge des Lebens kmmerte. Als Knstler lie Jzef sich nicht einschchtern, obwohl einige seiner skulpturen, Lech Wasa und der Gewerkschaft solidarno gewidmet, als Bedrohung der ffentlichen Ordnung eingestuft und nach der einfhrung des Kriegsrechts im dezember 1981 von den Militrbehrden beschlagnahmt und verhaftet wurden. Lange Zeit ein Geheimtipp unter ethnologen und sammlern, wurde er seit Mitte der 1990er Jahre zunehmend als einer der bekanntesten polnischen Volksknstlern gefeiert, mit Preisen, Auszeichnungen und Ausstellungen bedacht, interviewt, be-schrieben und gefilmt. Wozu auch seine einzigartigen engel-scharen, vor allem die Cherubim und die seraphim sowie das 55 Meter lange und ein Meter breite lgemlde die Apoka-lypse nach Jzef Chemowski, 1994 zum ersten Mal im nord-rhein-westflischen stadtlohn gezeigt, beigetragen haben.

    M a n n o d e r Fr a u ?

    Jzefs engel haben strenge Gesichtszge und einen ernsten Blick, denn sie warnen die Menschheit vor dem Ansto, der die niedertrchtigste snde ist, und unsere Welt zum Unter-gang bringt. es ist eine vernderte Welt, in der die traditionen verwischen, die Gleichgltigkeit den Geist in Besitzt nimmt, berall Chaos, egoismus, Hass und Verzweiflung herrschen. eine Welt, in der tdliche Langeweile die einen auffrisst, Ar-mut die anderen dezimiert und alle unglcklich sind. Jzef Chemowski war zwar ein glubiger Mensch, doch Gott, wie er ihn verstand, hatte viele namen: Hinduismus, Orthodoxie, Buddhismus, Katholizismus, Judaismus, Islam und Protestan-tismus. damit nicht genug: In einer Frauenbste mit auffal-lend mnnlichen Gesichtszgen stellte Jzef eine Frage, auf die er keine Antwort in der Bibel fand:

    Allmchtiger Herr. Allwissender Herr. Allgegenwrtiger Herr. Vollkommener Herr. Herr, nur Du weit, wie Du aussiehst Du hast den Menschen zu Deinem Ebenbild erschaffen. Wir wissen nicht: Frau oder Mann?

    S i a m e s i s c h e E n g e l u n d Te u fe l s g e i g e n

    so war Jzef Chemowski: ein Auenseiter und Zweifler, der seine drfliche Umgebung hufig verblffte und noch hufi-ger entsetzte. ein freier Mensch, der sich nicht scheute, gegen den strich zu denken und zu handeln. er hatte keine Angst vor lokalen Politikern und Pfarrern, die ihn lange Zeit nicht zur Kenntnis nehmen wollten oder misstrauisch beugten. er sprach und schrieb auf Kaschubisch, als es ffentlich nicht be-nutzt werden durfte oder sollte. das war weder Provokation noch demonstration, sondern konsequente Haltung. Auch knstlerisch lie sich Jzef nicht einzwngen. seine Fanta-sie und experimentierfreude kannten keine inhaltlichen und formalen Grenzen. er schuf siamesische engel und Paare, deren Kpfe aus einem Baumstamm wachsen, skulpturen in Form von Flgelaltren, skulpturen mit eigebauten beweg-lichen schubladen, kinetische skulpturen, spieluhrkrippen,

    Kissenbilder, dreidimensionale Hinterglasbilder, Bild- und Bienenstcke, teufelsgeigen, fahrende und fliegende Objekte. der zuerst nur von Fach-leuten, Freunden und sammlern besuchte Ort am rande von Brusy, wo sich Jzef seine Welt geschnitzt und gemalt hat, zog immer mehr Men-schen an. reisegruppen aus Polen, deutschland und anderen europischen Lndern steuerten ge-zielt das Haus nr. 17 in Jaglie an. Um ein einzig-artiges Museum zu sehen, drauen und drinnen. Kunst und Leben im Freien und unter dach.

    d i e H a r m o n i e d e s S e i n s

    Mein Mann und ich lernten Jzef Chemowski An-fang Mai 1993 in Kln kennen, als er im rahmen des Kaschubischen tages seine skulpturen in der damaligen polnischen Botschaft zeigte. das war der Anfang einer langen Freundschaft. Wir waren von Jzefs Bescheidenheit, Ausstrahlung und Kreativitt begeistert. es ist uns gelungen, Ausstellungen seiner vielseitigen Arbeiten in mehreren westdeutschen stdten wie stadtlohn (1994, 1997), Herbstein (1994), Bad nenndorf (1996), siegburg (1997) und 2005 in Bad Oeyn-hausen zu organisieren. Jzef und seine Kunst sind seit zwanzig Jahren teil unseres Lebens. Ob wir in Ostwestfalen oder wie jetzt in Berlin woh-nen, sind wir von seinen gesammelten Werken umgeben. Was bleibt, ist Kunst und erinnerung. nachdem Jzef Chemowski am Vormittag des 6. Juli einen schwcheanfall in seinem Garten er-litten hat, starb er kurz darauf im Krankenhaus. doch seine faszinierende Kunstwelt wird weiter-hin zugnglich sein. dafr sorgt Pani Jadwiga: sie wird alle, die es sehen wollen, durch das Le-benswerk ihres Mannes fhren.

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  • strassenfeger | Nr. 15 | Juli 201318 | tAUFrIsCH & AnGesAGt B u n d e s t a g s w a h l 2 0 1 3

    Brger fragen Politiker antwortenDas virtuelle Whlergedchtnis abgeordnetenwatch.de macht Politiker transparentI n T E R V I E W : A n d r e a s D l l i c k

    Andreas Dllick: Wen werden Sie denn am 22. September whlen?

    Gregor Hackmack: das habe ich noch nicht entschieden. In jedem Fall werde ich mich mit Hilfe von abgeordnetenwatch.de ber meine Wahlkreiskandidierenden informieren und dann hoffentlich den oder die beste finden.

    Ich nehme mal an, Sie haben derzeit alle Hnde voll zu tun, schlielich steht die Bun-destagswahl an!?

    GH: Ja, wir mussten abgeordnetenwatch.de fr die Bundestagswahlen um 2000 Kandidaten ergnzen. Hinzu kommen dann noch die Land-tagswahlen in Bayern und Hessen. Allein die re-cherche aller Kandidaten ist eine Menge Arbeit.

    Was genau macht abgeordnetenwatch.de? Und wie knnen Brger und Politiker von Ihrer Ar-beit profitieren?

    GH: Auf abgeordnetenwatch.de knnen smtliche Abgeordnete auf Bundes- und euro-paebene sowie auf Landesebene in zehn Bundes-

    lndern und 60 stdte und Gemeinden online befragt werden. Auerdem dokumentieren wir das Abstimmungsverhalten und nebenttigkei-ten. damit schaffen wir transparenz und ver-schaffen Brgern Gehr in der Politik.

    Und wie schaut es bei kandidatenwatch.de aus?GH: Kandidatenwatch.de war der frhere

    name fr abgeordnetenwatch.de zu den Wahlen. Ab dem 23. Juli 2013 knnen auf abgeordneten-watch.de zu den Wahlen alle Brgerinnen und Brger ganz unkompliziert durch eingabe Ihrer Postleitzahl ihre Wahlkreiskandidaten finden und ffentlich einsehbar befragen. Alle Fragen und Antworten bleiben auch nach den Wahlen ffentlich gespeichert. damit geht kein Wahlver-sprechen verloren.

    Es gibt immer wieder Politiker und Parlamen-tarier, die es nicht so genau nehmen mit ihrer Transparenz und mit der Rechenschaftslegung gegenber den Whlern. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

    GH: das stimmt. Leider umgehen einige Abgeordneten die schon jetzt zu laxen regeln fr mehr transparenz. das schlimme ist, es gibt so gut wie keine strafen bei Versto gegen die regeln.

    Die CDU-Stadtverordneten in Wiesbaden ha-ben Ende 2011 damit gedroht, Ihr Brgerbetei-ligungsportal zu verklagen. Was wurde daraus und kann es in einer Demokratie wie Deutsch-land sein, dass Politiker sich Brgerfragen schon einmal vorbeugend verbitten?

    GH: Bei uns ist nie eine Klage eingegangen.

    Gibt es auch positive Beispiele?GH: Ja, die meisten Abgeordneten begren

    abgeordneten.de als weiteren Kommunikations-kanal mit ihren Whler_innen. die Piratenpartei hilft sehr aktiv bei der Verbreitung von abgeord-netenwatch.de auf kommunaler ebene.

    Ein anderes Thema bei Parlamentariern ist Kor-ruption. Politikerbestechung ist in Deutschland straffrei. Sie wollen das ndern?

    GH: Ja, allerdings. es ist eigentlich unglaub-lich. Anders als in 167 anderen Lndern ist die Be-stechung von Abgeordneten in deutschland quasi

    Was ist abgeordnetenwatch.de?Das Portal abgeordnetenwatch.de ist das virtuelle Whlergedchtnis. Es ist der di-rekte Draht von Brger_innen zu den Ab-geordneten und Kandidierenden. Brger fragen Politiker antworten ist der Kern des Portals. Der ffentliche Dialog schafft Transparenz und sorgt fr eine Verbindlich-keit in den Aussagen der Politiker. Denn alles ist auch Jahre spter noch nachlesbar. Dane-ben werden auf abgeordnetenwatch.de das Abstimmungsverhalten der Abgeordneten und ihre Nebenttigkeiten ffentlich. Be-trieben wird das Portal vom gemeinntzi-gen Parlamentwatch e.V.

    2004 waren es zunchst die Hambur-ger_innen, die ihre Abgeordneten in der Brgerschaft auf abgeordnetenwatch.de ffentlich befragen konnten. Zwei Jahre spter, am 8. Dezember 2006, ging abge-ordnetenwatch.de fr den Bundestag an den Start. Im September 2008 folgte das Europaparlament. Von den Bundestagsab-geordneten und den deutschen EU-Parla-mentariern haben sich bis zu den Wahlen 2009 gut 90 Prozent auf den Dialog mit den Brger_innen eingelassen.

    Initiativen wie abgeordnetenwatch.de machen Politiker empfnglicher fr ge-sellschaftliche Probleme und Bedrfnisse und sorgen damit auch fr einen Legitimi-ttsgewinn der Entscheidungen selbst, so die Prsidentin des Bundesverfassungsge-richts a.D. und Schirmherrin des Projekts, Prof. Dr. Jutta Limbach. Bei allem Respekt gegenber der parlamentarischen Ent-scheidungshoheit gilt schlielich: alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Mit mo-natlich fast 400.000 Besucherinnen und Besuchern sowie gut vier Mio. Seitenabru-fen ist abgeordnetenwatch.de das grte politische Dialogportal Deutschlands. (Quelle: www.abgeordnetenwatch.de/)

    Andreas Dllick sprach mit Gregor Hack-mack, dem Gesamtkoordinator und Presse-verantwortlichen von abgeordnetenwatch.de ber die Bundestagswahl, positive und negative Beispiele unter Politikern, wenn es um Brgernhe und Transparenz geht, und ber Korruption. 01

  • strassenfeger | Nr. 15 | Juli 2013 tAUFrIsCH & AnGesAGt | 19 B u n d e s t a g s w a h l 2 0 1 3

    01 Gregor Hackmack durchleuchtet Parlamentarier (Quelle: abgeordnetenwatch.de)

    02 So gut gefllt ist der Plenarsaal des Bundestags selten (Foto Deutscher Bundestag / Lichtblick/Achim Melde)

    Brger fragen Politiker antwortenDas virtuelle Whlergedchtnis abgeordnetenwatch.demacht Politiker transparentI n T E R V I E W : A n d r e a s D l l i c k

    nicht strafbar. Wir haben daher eine Petition gestartet und einen Gesetzentwurf ausgearbeitet. der Bundesrat hat daraufhin eine nderung des strafgesetzbuches beschlossen. der Bundestag hingegen hat mit stimmen von CdU/CsU und FdP die nde-rung abgelehnt. Korruption in der deutschen Politik ist damit weiterhin tr und tor geffnet.

    Arbeiten Sie eigentlich mit LobbyControl Initiative fr Transparenz und Demokratie zusammen?

    GH: Wir stehen im engen Austausch und arbeiten in den Feldern transparenz bei nebeneinknften und Parteispenden eng zusammen.

    Wie fi nanziert sich abgeordnetenwatch?GH: Hauptschlich aus Frderbeitragen und spenden.

    Wie knnen die Brger abgeordnetenwatch untersttzen?GH: Brger knnen abgeordnetenwatch.de im Freun-

    des- und Kollegenkreis bekannt machen, unseren kostenlosen newsletter informieren, aktiv bei der recherche untersttzen oder natrlich uns mit einer spende untersttzen.

    Was wnschen Sie sich fr Ihre wichtige Arbeit fr die Zu-kunft?

    GH: Ich wnsche mir viele engagierte Brgerinnen und Brger, die abgeordnetenwatch.de nutzen, um sich in der Politik Gehr zu verschaffen. Auerdem hoffe ich, dass sich Brger durch abgeordnetenwatch.de ermutigt fhlen, selbst als Abgeordnete zu kandidieren. denn demokratie lebt vom Mitmachen.

    I n fo

    www.abgeordnetenwatch.de/ www.lobbycontrol.de/

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    B U n d E STAG SWA H l 2 0 1 3Die Wahl zum 18. Deutschen Bundestag ndet am 22. September 2013 statt . Der strassenfeger interviewt dazu im Vorfeld in loser Folge die Spitzenkandidaten der Parteien, Gewerkschaft er, Wahlforscher

    und Brger

  • strassenfeger | Nr. 15 | Juli 201320 | tAUFrIsCH & AnGesAGt B re n n p u n k t

    01 Obdachloser in Paris (Quelle: http://de.academic.ru/)

    02 Toulouse - Straenszene (Quelle: Wikipedia/ XFalkx)

    Es ist verdammt vieles gleich Toulouse war eine Reise wertDas Toulouser Treffen Grundtvig-Partnerschafts-programm Teilhabe von WohnungslosenB E R I C H T : J a n M a r k o w s k y

    Wohnungslose sind eine rasant wach-sende Gruppe. die BAG Woh-nungslosenhilfe rechnete im no-vember 2011 mit einer Zunahme an Wohnungslosen in deutschland bis 2015 um zehn bis 15 Prozent. Auch in anderen Lndern sieht das nicht besser aus. Besonders krass sind die Verhltnisse in Ungarn und in spanien.

    G r u n d t v i g Pa r t n e r s c h a f t s p ro g r a m m Te i l h a b e v o n Wo h n u n g s l o s e n

    der Obdachlosenhilfeverein Unter druck- Kul-tur von der strae e.V. ist Partner im europi-schen Austauschprogramm zur teilhabe von Wohnungslosen. das erste treffen fand Mitte Januar in Berlin statt. Aktivisten aus Budapest, Glasgow, toulouse und Belgien lernten dabei die Arbeit von Unter druck kennen. ende Mai war ich fr einige tage zum Gegenbesuch in toulouse und habe mir einrichtungen der Wohnungslosen-hilfe und die stadt angesehen und mich an dis-kussionen beteiligt. treffen in Brssel, Glasgow und Budapest folgen noch.

    d i e S t a d t To u l o u s e

    toulouse liegt auf einem Hgel an der Garonne im sdwesten Frankreichs und gehrt mit ber 440.000 einwohner zu den grten stdten des Landes. Mit den Vorstdten leben etwa 800.000 Menschen in und um toulouse. In der frhen neuzeit wurde am anderen Ufer ein spital er-richtet, spter hat sich die stadt auch an diesem Ufer entwickelt. Kanle bringen Wasser und Grn in die stadt. toulouse ist die Hauptstadt der region Midi-Pyrnes, hat eine Universitt und ist wegen der Luft- und raumfahrtindust-rie eine dynamische stadt. die meisten Huser sind aus roten Ziegeln. In straenzgen mit ro-ten Ziegelhusern erscheinen ganz unvermittelt Betonbauten der 60 er und 70 er Jahre. In der historischen Innenstadt gibt es neben den Patri-zierhusern auch kleinere Gebude. sie bilden verwinkelte Gsschen.

    U n s e r B e s u c h s p ro g r a m m

    Ich habe zunchst ein Familienzentrum besucht, 25 Familien leben dort in Appartements. die Kche kann von den Fami-lien genutzt werden. Am Wochenende ldt das Zentrum zum Flohmarkt und da werden neben trdel auch selbst produ-zierte speisen zu Gunsten der einrichtung verkauft. dann habe ich mir eine einrichtung fr alleinstehende Mnner mit 25 einzelzimmern angeschaut, aber auch eine mit 80 Pltzen in Zweibettzimmern. Hier war in der Mitte eine Wand, so dass etwas Privatsphre vorhanden war. der Aufenthalt dort ist nicht befristet. Wer sich zu einer bestimmten Zeit nicht meldet, verliert den Platz. Freie Pltze werden dem rtlichen notruf fr Obdachlose gemeldet. dann war ich auch in ei-nem Frauenhaus mit 25 Pltzen. Husliche Gewalt ist auch in Frankreich ein thema.

    Hhepunkt unserer Informationsreise war der Besuch einer schule, die frher ungenutzt von Mitarbeitern der Wohnungslosenhilfe fr 20 schwer suchtkranke Wohnungs-lose besetzt wurde. ein Pfleger, der gemeinsam mit anderen Mitarbeitern straensozialarbeit macht, berichtete, dass die schwer kranken Wohnungslosen keine Chance auf Unter-bringung hatten und drohten, auf der strae zu krepieren. diese einrichtung wurde nach Auseinandersetzungen mit der stadtverwaltung jetzt legalisiert. Gemeinsamkeit wird gro geschrieben. die Bewohner untersttzen die Mitarbei-ter nach besten Krften.

    Ich wurde auch ber das notruftelefon informiert. Unter der nummer 115 knnen sich Obdachlose jeden tag kostenlos ber mgliche Hilfsangebote erkundigen. Aller-dings knnen die Mitarbeiter nur fr jeden zehnten Anruf ein Angebot machen. die Quote hat sich in den letzten zwei Jahren dramatisch verschlechtert. die Zahl der Menschen ohne Wohnung steigt auch in toulouse besorgniserregend. Bei temperaturen ab 0 Grad Celsius ffnen dort notber-nachtungen. Aber nur fr nchte mit Frost. das sind in toulouse etwa 30 tage im Jahr.

    o b d a c h l o s e n r t e s i n d e i n e g u t e S a c h e

    2002 hat die regierung in Paris einrichtungen der Wohnungs-losenhilfe verpflichtet, Obdachlosenrte zu bilden. diese rte werden in einrichtungen und fr das Land gewhlt und haben Konsultationsrecht. einer von ihnen ist Jean, er ist sowohl fr

  • strassenfeger | Nr. 15 | Juli 2013 tAUFrIsCH & AnGesAGt | 21 B re n n p u n k t

    sein Wohnheim als auch fr Frankreich gewhlt worden. er berichtete mir, dass er in einer Ver-sammlung der Bewohner als rat gewhlt wurde und von seinen Mitbewohnern bei Problemen angesprochen wird. er erzhlte mir auch, dass sich der nationale rat mit einem Forderungska-talog auf Verhandlungen mit dem Minister vor-bereitet. Beim nchsten treff in Paris wird die er-fllung abgefragt. Aber: die regierung ist nach dem Gesetz nicht verpflichtet, die Forderungen zu erfllen. doch Jean versicherte mir, dass er den zustndigen Minister nach den Grnden der nichterfllung fragen wird.

    A u f A r b e i t s t re f fe n g e h t s u m Te i l h a b e b z w. Wo r k fa re

    Zurck zum Familienzentrum: dort gab es whrend unseres Aufenthalts mehrere Inforun-den und eine diskussion. dabei sollte eine gemeinsame definition zur Partizipation Woh-nungsloser gefunden werden. die delegation aus Glasgow hatte ein toolkit fr die selbste-valuation der einrichtungen der Wohnungslo-senhilfe erarbeitet. An der erarbeitung des Kits, so wurde uns versichert, waren Wohnungslose beteiligt. die regionalregierung untersttzt das Vorhaben. die Verhltnisse sind im Hartz

    IV-deutschland ganz anders. Workfare ist das Gegenteil von teilhabe. Wer der Wirtschaft nicht nutzt, wird aussortiert. die Arbeitsgele-genheiten sind auch nicht selbst bestimmte Ar-beit. nicht von ungefhr sprechen Kritiker hier von Zwangsarbeit. die Verhltnisse von Unter druck-Kultur von der strae e.V. sind nicht ty-pisch fr deutschland, nicht einmal typisch fr Berlin. die chronisch unterfinanzierten Kommu-nen sind in deutschland fr die sozialausgaben verantwortlich. die Verhltnisse in deutsch-land sorgen nicht fr ein Klima von Inklusion und Partizipation wohnungsloser Menschen. es stellte sich rasch heraus, dass eine gemeinsame definition so schnell nicht zu finden ist.

    M e i n Fa z i t

    die reise hat sich gelohnt. steigende Zahlen wohnungsloser Menschen und unzureichendes Hilfsangebot fr die Menschen ohne Wohnung kennen wir aus Berlin auch. Wohnungsmangel ist ein internationales Phnomen. der einheitli-che kostenfreie notruf ist eine wichtige Hilfe fr die auf der strae lebenden Menschen. die ge-setzliche Pflicht zur Beteiligung der nutzer sollte bernommen werden. Obdachlosenrte sind eine guter Weg.

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    strassenfeger | Nr. 15 | Juli 201322 | tAUFrIsCH & AnGesAGt K u l t u r t i p p s

    skurril, famos und preiswert!Kulturtipps aus unserer RedaktionZ u S A M M E n S T E l l u n G : l a u r a

    04 THEATER

    Edith Schrder in Linie 8das BKA-theater lsst es richtig krachen: Bei edith schrder in Linie 8 verzcken Ades Zabel, Biggy van Blond, Bob schneider, nicolai tegeler und stefan Kuschner das Publikum mit bester Unterhaltung! Wie Gentrifikation real funktioniert, zeigt Hatice zgr, als sie an-mutig um ihre Wohnung kmpft. Bob schnei-der bangt als Jutta um ihre Kneipe und stellt Champagner fr die Gottschalks kalt, die sich fr ediths Wohnung nach der Luxussanierung interessieren. La schrder muss raus und zieht mit ihrem Plunder ins Bahnwrterhuschen am Hermannplatz, whrend Biggy van Blond vorbergehend der raffgier erliegt. der saal steht Kopf, wenn Kuschners Harald Glckler ber die Bhne tuckt und edith dem BVG-schaffner Bernd alias nicolai tegeler an die Wsche geht. Wird die wagemutige truppe die Immobilienhaie in die Flucht schlagen?

    Am 31. Juli, um 20 UhrEintritt: zwischen 14 Euro und 24 EuroTickets: 030-2022007 oder [email protected]

    BKA-Theater, Mehringdamm 34, 10961 Berlin

    Info: www.bka-theater.de Bild: www.adeszabel.de

    03 LESUNG

    Vision & WahnVision & Wahn heit es im Periplaneta Literaturcaf, der Lesebhne von und mit thomas Manegold, Marion Alexa Mller, robert rescue und Gsten. Vision & Wahn sucht immer Gastautoren und Musiker. es werden Werke aus eigener Feder dargeboten. Lesen, singen und auch jede andere Art der Perfor-mance sind willkommen. Gelesen wird meistens in zwei Blcken von 30 bis 40 Minuten. Jede Ausgabe von Vision & Wahn hat ein speziel-les thema: Heiliger stuhl, Begleitservice, nacktbadestrandpromenade, stiller Brter, Vgelfutter oder schwedische Gardinen...

    Am 5. August, ab 20 Uhr Eintritt frei!Periplaneta Literaturcaf, Bornholmer Str. 81a, 10439 Berlin

    Info & Bild: www.periplaneta.com

    02 KONZERT

    Patricia VonneMehr als acht Jahre nach dem erscheinen ihres debut-Albums hat sich Patricia Vonne als Musikerin etabliert. die in san Antonio geborene, englisch und spanisch sprechende und singende Knstlerin verhehlt ihre tex-Mex-Wurzeln keineswegs. Whrend ihrer europa-tournee gibt es nun die u.a. im White trash Fastfood Gelegenheit, Patricia Vonne live zu entdecken. Mit einer stimme, die vom te-xas Music Magazine als stark, sinnlich, geschmeidig und endlos hrbar bejubelt wurde, kreiert die sngerin und Komponistin einen lebhaften Mix aus rock, Country und Blues, kombiniert mit den Corridas und rancheras aus ihrem mexikanischen erbe. das Ganze wird durch ihre temperamentvolle Bhnenprsenz frisch und exotisch zugleich noch verstrkt. Und wenns der song hergibt, greift die grazile sngerin auch noch zu den Kastagnetten.

    Am 31. Juli, 22 Uhr Eintritt: 5Kontakt: 030 50348668

    White Trash Fastfood, Schnhauser Allee 6-7, 10119 Berlin

    Info: www.whitetrashfastfood.com Bild: www.patriciavonne.com

    01 VARIET

    Multi Culti ShowCulti Multi - einen akrobatischer Ausflug in die schillernde Welt des Variets im facettenreichen Kultur-mix einer Grostadt prsentiert der Comedian und entertainer Murat topal. der ehemalige Kreuzber-ger Zivilpolizist mit neukllner Migrations-Hintergrund und heu-tige Comedian prsentiert wahr-haftig erlebte Geschichten auf der Bhne im Wintergarten Variet. er schleust sich mit viel sachkenntnis humorvoll in die verschiedensten Milieus der Grostadt ein, findet sich dabei in skurrilen erlebniswel-ten wieder, ermittelt kreuz und quer im Grostadtdschungel. dabei kombiniert er raffiniert im stil von Mission Impossible. Parallel dazu erklingt Musik von sade bis tarkan, von Hip Hop bis trance und begleitet die charismatischen Akrobaten aus aller Welt. Aus dem artistischen Aufeinandertreffen der nationalitten ergeben sich Faszination und reibereien ebenso wie Humor und respekt. Alle wollen ihre eigene Kultur ausle-ben und tragen damit gleichzeitig dazu bei, dass daraus eine ganz eigene neue Kultur entsteht im schmelztiegel der Metropole.

    31. Juli - 4. August, 20 Uhr. Am 4. August auch um 18 Uhr.Eintritt von 29,90 Euro bis 59,90 Euro Tickets: 030 588433 oder unter www.wintergarten-berlin.de/de/ticket-print/die-culti-multi-show.html

    Wintergarten Variet, Potsdamer Str. 96, 10785 Berlin

    Info & Bild: www.wintergarten-berlin.de

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    VoRSCHlAGEnSie haben da einen Tipp? Dann senden Sie ihn uns an:[email protected]

    Je skurriler, famoser und preiswerter, desto besser!

    strassenfeger | Nr. 15 | Juli 2013 tAUFrIsCH & AnGesAGt | 23 K u l t u r t i p p s

    06 AUSSTELLUNG

    Footprints in the sand?die Fotoausstellung und visuelle dokumentation Footprints in the sand? (Fuspuren im sand?) ist in diesem Jahr wie-der im Foyer des rathauses schneberg zu Gast. Unter der Produktion, Leitung und Kuration von Prof. donald Muld-row Griffith vom Fountainhead tanz thtre zeichnen die ausgestellten Werke ein Bild der Aktivitten von Menschen verschiedener kultureller, ethnischer, religiser und sozio-konomischer Hintergrnde. die Ausstellung unter dem titel ...Vision Become reality... ist teil eines Prozesses, der die existenz und Beitrge von einzelnen und Gruppen zu den Gesellschaften dokumentiert, in denen sie und wir leben, damit diese davor bewahrt werden, Footprints in the sand? zu werden. dargestellt wird die Geschichte des Fountain-head tanz thtre, das seit 1980 in Berlin und weltweit interdisziplinre Kunst- und Kulturprojekte realisiert.

    Noch bis zum 31. August Eintritt frei! Di - So 10 Uhr - 18 Uhr, Do 10 - 22 Uhr, Montags geschlossen

    Rathaus Schneberg, John-F.-Kennedy-Platz 1, 10825 Berlin

    Info & Bild: www.black-international-cinema.com

    08 KINO

    Filmrauschder Filmrauschpalast das Kino in der Kulturfabrik ist ein unabhngiges Pro-grammkino in selbstverwaltung ambitionierter Berliner Projektionist_innen und das einzige Kino in Moabit. Im Filmrauschpalast laufen hauptschlich neuere Filme mit kulturellem Anspruch. Passend zu den aktuellen Werken versucht das Kino, frhere Filme derselben regisseure vorzufhren; manchmal werden einfach Klassiker prsentiert, nach Mglichkeit in Originalversionen. der Filmrauschpalast ist das einzige Kino in Berlin mit persnlicher Ansage, hat gemtliche Offkino-sitze und kommt ohne kommerzielle Werbung vor dem Film aus. Und manchmal gibt es Cineastisches sogar fr umsonst: ber die sommermonate wird im Hinterhof freitags und samstags eine Auenleinwand bespielt: Open Air-Kino Umsonst und drauen. das tagesaktuelle Programm gibts unter unter 030 - 3944344 zu erfragen oder ist ber den newsletter erhltlich.

    2. & 3. August, 22 Uhr Eintritt frei!Kontakt: 030 - 3944344

    Filmrauschpalast, Lehrter Str. 35, 10557 Berlin

    Info & Bild: www.filmrausch.de

    05 FEST

    Summer in the citysummer in the city ist das sommerfest fr den Kurfrs-tendamm. dabei prsentieren sich noch bis Mitte August die Prachtstraen der Welt als Partnerboulevards des Kurfrs-tendamms zum dritten Mal mit Musik, Kunsthandwerk und kulinarischen Angeboten. die Besucher erwarten an den landestypischen Marktstnden auf dem Breitscheidplatz aus-gewhlte spezialitten wie edle Whiskysorten aus new York, Wein und Kse aus Paris oder Fish & Chips aus London, die das Flair der befreundeten Prachtstraen transportieren sollen. neben dem kulinarischen Angebot ldt ein abwechs-lungsreiches Bhnenprogramm zum Verweilen ein. die Besucher treffen auf der Flaniermeile auf schnellzeichner, Artisten, straenmusiker, Kleinknstler und vieles mehr.

    2. -18. August Eintritt frei! So - Do 10 - 22 Uhr, Fr & Sa 10- 24 Uhr

    Breitscheidplatz, an der Kaiser-Wilhelm-Gedchtniskirche10789 Berlin

    Info: www.summer-in-the-city.web-bb.de Bild: www.agcity.de

    07 F ILM

    Balkon-Kinodas kostenlose Open-Air-Kino-event Balkonkino bringt unter dem Motto Hollywood in Hel-lersdorf erneut an vier sommer-abenden groe Leinwandstars auf den Cecilienplatz. der liegt direkt am U-Bahnhof Kaulsdorf nord. Am 26. Juli gibt es den franzsi-schen erfolgsfilm Ziemlich beste Freunde, am 2. August skyfall , den Agententhriller mit daniel Craig, am 9. August die charmante franzsische Komdie Willkom-men bei den schtis und am 16. August die deutsche Komdie What A Man von und mit Mat-thias schweighfer. Vor dem Film-start um 19 Uhr werden Livemusik und Leckeres vom Grill zum klei-nen Preis offeriert. Besucher kn-nen sich selber einen Platz vor der Lei