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BM ‚Politische Systeme‘

Repräsentation und Parlamentarismus

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Gliederung der Vorlesung

I. Was ist Politik?II. Was ist ein ‚politisches System‘?III. Warum und wie vergleicht man politische Systeme?IV. Wie läßt sich politische Macht ausüben und

bändigen? V. Welche Arten politischer Systeme gibt es?

VI. Wie wandeln sich politische Systeme? VII. Welche Strukturen und Funktionen besitzen die

zentralen Elemente moderner politischer Systeme?

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zentrale Elemente moderner politischer Systeme

politische Kultur politische

Sozialisation politische Eliten Interessengruppen Parteien Wahlsysteme,

Wahlkämpfe, Wahlverhalten

Parlament Regierung und

Verwaltung Massenmedien Föderalismus

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Gliederung des Gedankengangs

Was ist Repräsentation? Wie funktioniert zumal demokratische Repräsentation?

Wurzeln und funktionslogische Entwicklung des zeitgenössischen Parlamentarismus

Schlüssel zum Verständnis moderner Parlamente

Aufbau und interne Funktionsweisen von Parlamenten

Das Parlament im politischen Prozeß: Parlaments-funktionen und die Logik ihrer Erfüllung

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Repräsentation ‚besteht‘ aus...

Repräsentierte

Repräsentanten

Repräsentationsorgan

Repräsentations-beziehung

Reprä

senta

tionsg

lauben

Schlüsselfrage: Was geschieht zwischen

Repräsentierten und Repräsentierten?

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(Politische) Repräsentation ist ...

eine Form politischer Arbeitsteilung(politisches System selbst ist Form der gesellschaftlichen Arbeitsteilung)

eine systemische (= nicht an konkrete Einzelpersonen gebundene) mögliche Eigenschaft eines politischen Systems

eine evolutionär sehr erfolgreiche Ausgestaltungsmöglichkeit eines politischen Systems

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(irreführende) Vorstellungen von politischer Repräsentation

formal: Repräsentant ist, wer verbindlichfür andere entscheiden und handeln darf!

symbolisch: Repräsentant ist, in wemdie Repräsentierten sich erkennen!

‚deskriptiv‘: repräsentativ ist ein Organ,dessen Zusammensetzung die derRepräsentierten widerspiegelt!

interaktiv: Ob Repräsentation besteht,hängt ganz davon ab, was sich zwischenRepräsentanten und Repräsentierten ereignet!

überall richtiger Kerngedanke,

der aber bis zur

Fehlvorstellung

vorangetrieben wird

hier stets in seinem richtigen

Kern enthalten ist

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Eine Repräsentationsbeziehung besteht, wenn dreierlei gegeben ist:

Die Repräsentanten handeln im Interesse der Repräsentierten und dabei responsiv.

Repräsentanten und Repräsentierte können unabhängig voneinander handeln, so daß es jederzeit zu Konflikten zwischen ihnen kommen kann.

Es gelingt den Repräsentanten, durch Responsivität und Führung jenes Konflikpotential ziemlich befriedet zu halten.

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Responsivität - Grundlage jeder Repräsentationsbeziehung

keine a priori - Definition der ‚wahren Interessen‘ der Repräsentierten durch die Repräsentanten

aussichtsreiche Erzwingbarkeit von Responsivität der Repräsentanten durch die Repräsentierten( Wiederwahlmechanismus)

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Sicherung von Konfliktpotential - Grundlage jeder Repräsentationsbeziehung

erste Voraussetzung: praktizierte gesellschaftliche Selbstorganisation Kommunikations-, Koalitions-, Versammlungs-,

Demonstrationsfreiheit wirksame Parteien, Interessengruppen, Massenmedien wenigstens in Maßen aktive Bürgerschaft

zweite Voraussetzung: freies Mandat der Repräsentanten Abgeordnete können rein rechtlich tun, was immer sie wollen; d.h.:

Sie haben jedes Recht, sich mit ihren und ihrer Partei Wählern in Konflikte einzulassen

Aber: Bürger und Wähler können sich gegen solche unbeschränkte Handlungsfreiheit wehren, solange Abgeordnete und Parteien ihre Stellung ausschließlich freien Wahlen verdanken, wiedergewählt werden wollen und an der Leine des Wiederwahlmechanismus liegen

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Befriedung des repräsentations-konstitutiven Konfliktpotentials

praktizierte und glaubhaft gemachte Responsivität der Repräsentanten

glaubhaft gemeinwohlorientiertes Entscheidungshandeln der Repräsentanten

argumentatives und werbendes Einwirken der Repräsentanten auf die Repräsentierten (‚kommunikative politische Führung‘)

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Repräsentation und Konfliktpotential

Responsivität / Führung

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Repräsentation und Demokratie

Repräsentation ... gab es längst vor der Entstehung (moderner)

Demokratie, z.B. hellenistische Bundesrepubliken Konzilien der alten Kirche Generalkapitel der christlichen Orden ‚Ständeversammlungen‘: Landstände, Reichsstände (‚Generalstaaten‘)

gilt häufig als ‚Gegenprinzip‘ zur ‚richtigen‘, d.h. identitären oder plebiszitären Demokratie

kann mit dem Demokratieprinzip verbunden werden und schafft so einen sehr leistungsfähigen Systemtyp Mittel dafür: Wiederwahlmechanismus,

Mehrheitsmechanismus

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Der ‚Wiederwahlmechanismus‘

Er verdankt sein Amt freien Wahlen.

Er möchte so gerne wiedergewählt werden.

Er ist aber abhängig von der freien Entscheidung der Wähler.

Er kann wiedergewählt werden.

Also fühlt er starken Anreiz sein Amt so führen,

daß ihn die Wähler wirklich wiederwählen

wollen.

... hat ein Amt auf Zeit.

Und darum kann er während seiner Amtszeit nicht allzu lange oder allzu weit von dem abweichen, was die Wähler zu akzeptieren bereit sind!

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Was ist ‚Parlamentarismus‘?

= Sammelbezeichnung für wichtige Strukturelemente und Funktionsweisen eines politischen Systems mit einer Vertretungskörperschaft, ...weiter Begriff:

... die eine zumindest symbolisch hervorgehobene Rolle spielt

enger Begriff: ... die aus demokratischen Wahlen entsteht und auf

praktiziertem Pluralismus beruht

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Wurzeln von Parlamentarismus

korporativer Parlamentarismusföderaler Parlamentarismusständischer Parlamentarismusliberaler Parlamentarismusdemokratischer Parlamentarismus

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korporativer Parlamentarismus

Definition: Er besteht, wo immer eine Vertretungskörperschaft Gremium der Selbstregierung oder Selbstverwaltung ist.

Beispiele:Universitätsgremien (Senat, Fachbereichsrat)Delegiertenversammlungen von Parteien und

VerbändenProvinzial- und Generalkapitel christlicher

Orden, Synoden der evangelischen Kirchen

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föderaler Parlamentarismus

Definition: Er liegt vor, wo es eine – ggfs. peri-odisch zusammentretende – Vertretungskörper-schaft gibt, die aus den realen Machtträgern oder aus Gesandten der zusammenwirkenden politischen Systeme besteht.

Beispiele:Deutscher BundesratMinisterrat der Europäischen UnionSynhedria der spätgriechischen Bundesrepubliken

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ständischer Parlamentarismus

Definition: Er liegt vor in Gestalt einer Vertretungskörperschaft, in welcher die rechtlich wie faktisch realen Machtträger eines Gebiets mit ineinander greifenden Herrschafts-befugnissen zusammentreffen.

Dabei können als ‚Stände‘ teils Territorien, teils Korporationen vertreten sein.

Beispiele: ‚altständisch‘: Land-, Provinzial- und Reichsstände ‚neuständisch‘, beruhend auf (gewählten) Vertretern:

Wirtschafts- und Sozialräte, ehemaliger Bayerischer Senat

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liberaler Parlamentarismus

Definition: Die Vertretungskörperschaft besteht aus – nicht notwendigerweise demokratisch gewählten – Repräsentanten unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen. Die Abgeordneten besitzen freies Mandat und üben Gegenmacht zur Exekutivgewalt aus.

Beispiele:englisches Parlament seit dem späten 18. Jh. französische Parlamente zwischen Revolution und

Dritter Republik ‚Abgeordnetenhäuser‘ des deutschen (Früh-)

Parlamentarismus bis zur Einführung des allgemeinen Wahlrechts

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demokratischer Parlamentarismus

Definition: Die Vertretungskörperschaft .... besteht aus frei, geheim, gleich, allgemein und unmittelbar

gewählten Abgeordneten, die ein freies Mandat ausüben, doch dabei verläßlich an die Gesellschaft und deren politische

Organisationen zurückgebunden sind (‚Demokratieprinzip‘) . Sie üben Gegenmacht zur Exekutivgewalt aus oder regieren

sogar selbst (= parlamentarisches Regierungssystem).

Beispiele (für demokratischen Parlamentarismus, nicht für parlamentarische

Regierungssysteme!):englisches Unterhaus nach dem Ersten WeltkriegUS-KongressDeutscher Bundestag, deutsche Landtage

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Entwicklung des europäischen Parlamentarismus I

Ausgangspunkt: Ständeversammlungen des Hoch- und Spätmittelalters

Deren Machtgrundlage: konnten in Zeiten, als ein zentraler Staats- und

Verwaltungsapparat noch fehlte, für den jeweiligen Monarchen arbeitsteilige Herrschaftsdienstleistungen erbringen

Beispiele: Sicherung von Recht und Ordnung in ihrem Einflußbereich, Aufrechterhaltung der Infrastruktur für Verteidigung, Verkehr, Wirtschaft und Soziales

verfügten unmittelbar über Wirtschafts- und Finanzkraft. Auf diese mußte sich der Monarch zur Erfüllung seiner Aufgaben immer wieder stützen.

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Entwicklung des europäischen Parlamentarismus II

Machtaufstieg der Ständeversammlungen bei ... Zunahme von politischem Regelungsbedarf

(‚zunehmende Herrschaftsdichte‘) erheblicher Wirtschafts- und Finanzkraft der Stände,

welche sie zu attraktiven Partnern des Monarchen machte (‚Steuerbewilligungsrecht‘)

Verhandlungsgeschick der führenden Ständevertreter beim Streben nach Gegenleistungen des Monarchen für bewilligte Steuern und Abgaben

‚freiem Mandat‘ der Mitglieder der Ständeversamm-lungen, welches diese überhaupt erst handlungsfähig machte

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Entwicklung des europäischen Parlamentarismus III

Erreichter Machtgleichstand im ‚dualistischen Ständestaat‘ Weitere Entwicklungsmöglichkeiten:

Monarch macht sich von Ständeversammlungen unabhängig, indem er eigene Finanzquellen erschließt und sich mit diesen sowohl eine eigene Armee als auch eine eigene Verwaltung schafft(= Entwicklung zum ‚Absolutismus‘)

Verschiedene Formen eines institutionell und politisch-kulturell abgesicherten ‚Gleichstands‘ zwischen Monarch/Staatsoberhaupt und Ständeversammlung/Parlament(= Entwicklung hin zur konstitutionellen Monarchie oder zum präsidentiellen Regierungssystem als deren republikanischer Form)

Ständeversammlung setzt sich gegen den finanziellen und militärischen Machtaufstieg des Monarchen zur Wehr und erringt – in England durch Bürgerkrieg und parlamentarische Einsetzung des Königshauses – allmählich die Übermacht(= Entwicklung hin zum parlamentarischen Regierungssystem)

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Wovon hängt ab, wie ein Parlament konkret funktioniert?

Art des politischen Systems:Diktatur vs. (demokratischer) Verfassungsstaatwenig oder viel politische (Mit-) Gestaltungsmöglichkeiten des

Parlaments Art des Regierungssystems:

präsidentielles Regierungssystem vs. parlamentarisches Regierungssystem vs. Konkordanzsystem alter vs. neuer vs. gar kein Dualismus samt unterschiedlicher

Rolle der Opposition besondere Rahmenbedingungen:

Art und Macht ‚zweiter Kammern‘ Stabilität des Parteiensystems politische Kultur und Parlamentstradition

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präsidentielles und parlamentarisches Regierungssystem

präsidentiellesRegierungssystem

parlamentarisches Regierungssystem

‚neuer

Dualismus‘

Wahlvolk Wahlvolk

Parlament

‚alter Dualismus‘

Parlament

RegierungRegierung

Präsident

Präsident

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Ausgestaltungsmöglichkeiten des ‚neuen Dualismus‘

stabile Regierungsmehrheit durch absolute Mehrheit einer Fraktion oder durch Koalition mit Koalitionsvertrag, der Abstimmungen mit ‚wechselnden Mehrheiten‘ ausschließt Vetomacht des Koalitionspartners

instabile Regierungsmehrheit durch Koalition ohne Verbot ‚wechselnder Mehrheiten‘ keine Vetomacht des Koalitionspartners

Minderheitsregierung mit festem ‚Tolerierungspartner‘ faktische Vetomacht des Tolerierungspartners

Minderheitsregierung ohne festem ‚Tolerierungspartner‘ unübersichtliche taktische Lage

abnehmende Regierungsstabilität und Problemlösungsfähigkeit des Systems zu

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Proporzdemokratie

Wahlvolk

Parlament

Regierung

überparteiliches Staatsoberhaupt ohne echt politische Rolle

Parteien sind porportional

zur Zahl ihrer Parlaments-mandate in

der Regierung

keine Opposition

weder ‚alter‘ noch ‚neuer‘

Dualismus!

häufig angereichert um

plebiszitäre Elemente

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Opposition in verschiedenen Systemtypen

im Konkordanzsystem: diffus (‚Das Volk ist die Opposition!‘) oder: ‚Bereichsopposition‘

im Alten Dualismus: individualistisch und fallbezogen

im Neuen Dualismus: klar strukturiert und systematisch kompetitiv oder kooperativ oder

fallbezogen Achtung: Je weniger wirksam die parlamentarische Opposition agieren kann, um so wünschenswerter sind plebiszitäre Elemente, um das Regierungssystem responsiv zu halten!

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Funktionen der Opposition

Kontrolle der Regierungsmehrheit inner- und außerparlamentarisch geleistet durch vor allem durch öffentliche Kritik

Bereitstellung von Alternativen Sachalternativen, Programmalternativen, Personalalternativen

Thematisierung von Problemen, welche die Regierung lieber liegenlassen würde (‚Initiativfunktion‘), v.a. durch ... öffentlichkeitswirksame symbolische Aktionen Nutzung plebiszitärer und quasi-plebiszitärer Elemente, etwa

Unterschriftensammlungen Integration derer, welche die Regierung und ihre Politik ablehnen,

doch ... der Regierungsmehrheit Schranken ihrer Gestaltungsmacht setzen können darauf hoffen dürfen, eines Tages selbst oder mittels ihrer Parteien wieder

(mit-) regieren zu können

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Parlament und Regierung: typologische Begriffe

Legislative = eine parlamentarische Versammlung, die nicht das Recht und die Pflicht hat, die Regierung ins Amt zu bringen oder im Amt zu halten

Parlament = eine parlamentarische Versammlung, welche das Recht und die Pflicht hat, die Regierung ins Amt zu bringen und im Amt zu halten

Gubernative = ein Parlament, dessen Mehrheit stark den Regierungsprozeß prägt

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Wie macht man ein Parlament funktionstüchtig?

Sicherung der Arbeitsfähigkeit durch Einsetzung von Ausschüssen, Unterausschüssen usw.

Sicherung des Zusammenwirkens der so entstandenen Einzelgremien durch übergreifende Steuerungs-strukturen, z.B. Ältestenrat

Sicherung der Handlungsfähigkeit der politischen Gruppierungen durch deren Zusammenschluß in ‚Clubs‘, Fraktionen usw.

Systematische Verschränkung innerfraktioneller mit innerparlamentarischer Willensbildung durch weitere Steuerungsstrukturen, z.B. Runde der Parlamentarischen Geschäftsführer

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Der Aufbau eines Parlaments

Steuerungsstrukturen

Plenum

Fraktionen,unterteilt in

Arbeitsgruppen

Ausschüsse

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Parlamentarische Steuerungsstrukturen

Präsident und Stellvertreter ‚Sitzungspräsident‘Präsidium bzw. Ältestenrat ‚Vorsitzendenkonferenz‘ bzw. Runde der

(ersten) Parlamentarischen GeschäftsführerKoalitionsrunden (formell und informell) informelle Runden, vor allem innerhalb der

Fraktionen informelle Begegnungen aller Art

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Das Plenum

Ort der gesamtstaatlich verbindlichen Abstimmungen und Wahlen

Arena der für die Öffentlichkeit bestimmten politischen Konfrontation

Stätte symbolischer Akte

Nur im Ausnahmefall einer nicht zuvor schon abgeschlossenen innerfraktionellen Entscheidungsfindung: Forum der politischen Willensbildung

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Die Ausschüsse

Ort der parlamentarischen Arbeit am Gesetz Forum der fachpolitischen

Auseinandersetzung der Fraktionen Stätte der oppositionellen Regierungskontrolle

meist proportional zu den Fraktionen besetzt mitunter Einrichtung von Unterausschüssen Ausschußvorsitze entweder proportional zur

Fraktionsstärke oder bei Mehrheitsfraktion gemeinsame Präsenz von Parlamentariern,

Ministerialbeamten und Regierungsmitgliedern

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Arbeitsgruppen, oft spiegel-bildlich zu den Ausschüssen

Die Fraktionen

Fraktionsvollversammlung

regionale, soziale und politische Gruppierungen

(erweiterter) Fraktionsvorstand

(geschäftsführender) Fraktionsvorstand

Führung

Einfluß

Wahlen

‚Fraktionszwang‘?

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Arbeitsgruppen / Arbeitskreise

zentrale Stätte parlamentarischer Arbeitarbeitsteilige innerfraktionelle WillensbildungVorbereitung aller AusschußtätigkeitVorbereitung aller Beschlüsse der

FraktionsvollversammlungStätte wirksamer Regierungskontrolle, vor

allem im Fall regierungstragender Fraktionen im parlamentarischen Regierungssystem

zentrale Ausbildungs- und Auslesestätte für den parlamentarischen Führungsnachwuchs

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Fraktionszwang?

Was hält eine Fußballmannschaft oder ein Team von Profiradfahrern zusammen und sichert eine gemeinsame taktische Linie? ‚Mannschaftszwang‘? ‚Mannschaftsdisziplin‘? ‚Mannschaftssolidarität‘?

Was hält im parlamentarischen Regierungssystem wohl eine Fraktion zusammen? ‚Fraktionszwang‘? ‚Fraktionsdisziplin‘? ‚Fraktionssolidarität‘?

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Wie entsteht Fraktionsdisziplin?

Arbeitsteilung mit immer wieder überprüftem Vertrauen in die Sachkompetenz und politische Urteilskraft der Kollegen

jederzeitige Möglichkeit interner Einflußnahme und Kritik in Arbeitsgruppen und Fraktionsvollversammlung

innerfraktionelles ‚Geben und Nehmen‘ führt meist zu Kompromissen

üblicherweise Fortsetzung interner Diskussion, bis Konsens oder klare Mehrheitsmeinung erreicht sind

falls kein Konsens: Abstimmung in Fraktion samt Erwartung, daß die unterlegene Minderheit der Mehrheit folgt

falls letzteres für Minderheit inakzeptabel: Befolgung der Spielregeln für schadlosen Dissens

nur wenige Entscheidungen berühren ‚Gewissensfragen‘!

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Wichtigkeit von Fraktionen

groß im parlamentarischen Regierungssystem: Wo einander Regierungsmehrheit und Opposition konkurrierend gegenüberstehen, ist Politik eine ‚Mannschaftssportart‘!

gering in den Legislativen des präsidentiellen Regierungssystems: Ohne Wettstreit von Regierungsmehrheit und Opposition, braucht es keine konkurrierenden ‚Mannschaften‘!

gering in Minimalparlamenten: Wo ein Parlament nichts zu sagen hat, gibt es für Parlamentarier ohnehin keinen Grund, sich nach politischen Gesichtspunkten zusammenzuschließen!

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Das ‚freie Mandat‘ ...

ermöglicht es dem Abgeordneten, gegenüber Bürgern, Parteien, Verbänden und auch Kollegen jederzeit ‚nein‘ zu sagen

zwingt andere dazu, um seine Stimme zu werben gibt ihm dadurch persönliches Gewicht – insbesondere dann,

wenn es bei knapper Mehrheit gerade auf seine Stimme ankommt

stellt den Abgeordneten nicht von den Folgen seiner eigenverantwortlich unternommenen Handlungen frei

wirkt sich in der Regel so aus, daß der Abgeordnete in seinem rechtlich gesicherten Freiraum genau das tut, was er – als Mitglied oder regionaler Führer seiner Partei – ohnehin tun will, erschließt ihm aber jederzeit Konfliktpotential.

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Damit sollte klar sein,

was Repräsentation ist

in welcher Verbindung sie zur Demokratie steht

was Parlamente sind,

wo dieser Institutionentyp herkommt und warum er machtvoll wurde

wie Parlamente aufgebaut sind und funktionieren

weiter mit: ‚Parlamente und ihre Funktionen‘

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Einführungskurs‚Politische Systeme‘

Noch Fragen? -

Bitte!

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Letzte Folie: Wovon hängt ab, wie ein Parlament funktioniert