Ueber das eigenthümliche Getöse zu Nakuhs am Berge Sinai

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312 XX. Ueber das eigenthurnliche Getiise zu Nakuhs am Berge Sinai. n u s den Berichten mehrerer Reisenden ist es bekannt, dafs sich Iangs Jer Ostkiiste des Meerbusens von Suez ein niedriges Sandsteingebirge hinzieht , welches ungefiihr drei Stunden von Tor am Sinai zu einer sonderbaren Erscheinung Veranlassung giebt. Hier narnlich, wo der ungefrihr 150 Fufs hohe Bergriicken einen steilen nit gro- bem Sand bedeckten kbfall gegen die Kiiste hin darbie- tet, den man Nakuhs nennt, lrifst sich zuweilen ein auffal. lendes, sehr durchdringendes Getiise vernehmen. See t z en, der im J. 1810 zuerst auf diese Merkwiirdigkeit aufinerk- Sam geinacht hat, sagt, es gleiche anfangs dem Tone einer AeoIsharfe, werde dann spater dem eines Hohlkreisels tihnlich, und erreiche zuletzt eine solclie Starke, dafs die Erdc zu beben scheine*). In der Phantasie der Araber hat es Aehnlichkeit mit dem Tiinen des El Nukuhs’s, eines Iangen, horizontal aufgehangten Brettes, welches in den griechischen Klastern des Orients den nieist unter- sagten Gebrauch der Glocken ersetzen mufs, und eben diefs hat Veranlassung zu dem Namen jenes Orts gege- ben, so wie wohl wahrscheinlich auch zu dem Mahrchen, dafs in dem Berge ein Kloster verborgen sey. See t ze n hat es nicht unternommen eine ganz er- schopfende Erklarung yon diesem PhZnainene aufzustel- gen, halt aber unbedenklich das Ilcrabrutschen des grob- kbrnigen, von der Sonne ausgedbrrten, Sandes fur die Ursache desselben. Eine so offen dsliegende Erschei- nung, sollte mail meinen, miire nur einer h u t u n g fiihig. Indefs ist Ilr. G r a y , ein eoglischer Keiscnder, der im Jahre 1918 diese Gegend besuchte, anderer Meinling. Er sieht, wic es scheint, das RutscheIl des Sandes nicht fur die Ursache, sondern fur die Wirkung des Getoses an, *) v. Zaclr’s !do~atI. Corrcspondenz, BJ. 26. S. 395.

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XX. Ueber das eigenthurnliche Getiise zu Nakuhs am Berge Sinai.

n u s den Berichten mehrerer Reisenden ist es bekannt, dafs sich Iangs Jer Ostkiiste des Meerbusens von Suez ein niedriges Sandsteingebirge hinzieht , welches ungefiihr drei Stunden von Tor am Sinai zu einer sonderbaren Erscheinung Veranlassung giebt. Hier narnlich, wo der ungefrihr 150 Fufs hohe Bergriicken einen steilen nit gro- bem Sand bedeckten kbfall gegen die Kiiste hin darbie- tet, den man Nakuhs nennt, lrifst sich zuweilen ein auffal. lendes, sehr durchdringendes Getiise vernehmen. S e e t z en, der im J. 1810 zuerst auf diese Merkwiirdigkeit aufinerk- Sam geinacht hat, sagt, es gleiche anfangs dem Tone einer AeoIsharfe, werde dann spater dem eines Hohlkreisels tihnlich, und erreiche zuletzt eine solclie Starke, dafs die Erdc zu beben scheine*). In der Phantasie der Araber hat es Aehnlichkeit mit dem Tiinen des El Nukuhs’s, eines Iangen, horizontal aufgehangten Brettes, welches in den griechischen Klastern des Orients den nieist unter- sagten Gebrauch der Glocken ersetzen mufs, und eben diefs hat Veranlassung zu dem Namen jenes Orts gege- ben, so wie wohl wahrscheinlich auch zu dem Mahrchen, dafs in dem Berge ein Kloster verborgen sey.

S e e t z e n hat es nicht unternommen eine ganz er- schopfende Erklarung yon diesem PhZnainene aufzustel- gen, halt aber unbedenklich das Ilcrabrutschen des grob- kbrnigen, von der Sonne ausgedbrrten, Sandes fur die Ursache desselben. Eine so offen dsliegende Erschei- nung, sollte mail meinen, miire nur einer h u t u n g fiihig. Indefs ist Ilr. G r a y , ein eoglischer Keiscnder, der im Jahre 1918 diese Gegend besuchte, anderer Meinling. Er sieht, wic es scheint, das RutscheIl des Sandes nicht fur die Ursache, sondern fur die Wirkung des Getoses an,

*) v. Zaclr ’s !do~atI. Corrcspondenz, BJ. 26. S. 395.

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und stellt als Meinung Anderer bin, d a t das Phtinomen, wegen der Nachbarschaft der heirsen Quelle Hanim Fua-lJln wohl vulcanischer Natur seyn kihne, obgleich er sonst keine Griinde fiir diese Meinung beibringt, ulid such keine Spalten im Berge, die auf ein Aus- oder Kin- striiluen von Luft hatten deuten kiinnen, aufzufindeii ver- mocht hat. Diese Hypothese ist ungeachtet ihrer Un- wahrscheinlichkeit durch inehrere auswlrtige Journale ver- breitet worden, und uur Hr. A r a g o hat, bei einer kur- Zen Anzeige von derselben in den Ann. de chim et de phys. T. 33. p. 434, Gelegeuheit genommen, die friihere lieobachtung und Erklgrung S e e t z e n's , von denen, \vie es scheint, Hr. G r a y keine Kenntnifs besafs, in Erinne- rung zu bringen, was spiiterhin auch von Hrn. B r e w s t e r geschehen ist *).

Es ist sicher nicht ohne Schwierigkeit, und vielleicht ohne Versuche gar nicht niiiglich, mit Bestiinintheit an- zugeben, wie das Hinabrollell des Sandes aiif einer ge- neigten Ebene jenes sonderbare Getiise hervorbringen kiinnc. Dafs aber dennoch die von S c e t z e n gegebene Erklarung im Wesentlichen feststehen bleibe, und hier an ein hus- oder Einstriimen von Luft durch enge Spal- ten, oder gar an eine vulcanische Action nicht zu den- ken seg, diek wird durch die Erfahrung des Professor E h r e n b e r g bestatigt, welcher im Jahr 1523 ebenfalls den wunderbaren Ort besucht hat. Professor E h r e n - b e r g selbst ist in dein tiefen, sich steil von der Kii' ste aus erhebendcn Sandfelde his zu scinem Gipfel, wo es sicli durch Verwittern des Gesteins bestiintlig erneuert, hinaufgestiegen, und hat sich ad ' s Bestimintcs[e iiberLcugt, dah nur die Bewegiing des Sandes die TJrsache der Er- sclieiiiung ist. Jeder Pul'strill voii ihui und seincrn Be- gleiter erregte durch den in Bcwegiing gesetzteri Sand

*) Edinb. Joirrn. of Science, T. V f L p . 51. A n beideo Ortsn wird dar YhBnomen, wohl nicht mit Keclrt, ein subfrrrrsfrisches geoaoot.

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314 ciii yartielles Gerkmh, welches iiur an Dauer und 111-

tensitat von dein verschieden war, das sich spiter hiireii liefs, weiin das fortdauernde Hinaufsteigen eine griifscrc Saiidmassc zuin Hinabrutschen gcbraclit hatte. Mit eiiieiii lcisen Rauschen anfaugcnd, ging es alluiAig in ein Mur- ~ e l i i , Sumlnen und zuletzt in ein Driihnen von solclicr Heftigkeit uber, dafs man es mit einein fernen Kanonen- doniier hatte vergleichen kdnnen, ivenn es nicht anhal- tender uud gleichformiger gewesen ware. Eben so SIIC-

cessiv, wic' es entstanden war, verschmand es auch wie- der an den verschiedenen Punkten, wenn nach einiger Zeit der Sand zur Ruhc ham. Uebrigens ist es sclioii durcli S e c t z c n bekannt, dafs sich das Getose manchiiial ohnc uienschliches Hinziithun erzeiigt, sey es nun, dafs Thiere durch den Sand Iaufcn, oder Wind und herab- briickelndcs Gestein die Masse in Bewegung setzen.

Der Sand von Nukulrs ist grobliirnig und bestelit ails sehr reinen, Krystallfragmcnten Ehnlichcn, durciisich- tigen Quankhmern, die + bis + Linien im Durcliinesscr haben, zuweilen noch griifser, aber iw Ganzeii sehr gleich- fiirmig siud; eine Probe davon hat Prof. E h r e n b e r g in der K. Mineraliensammlnng hieselbst niedergelegt. Diese Grobkfirnigkeit des Sandes, vcrbiinden mit seiuer grofsen Trockeiiheit und der iirtlicheii Gestaliuiig dcs Eergriik- kens, der hier ein gcgen das RIeer hin offnes amphitliea- tralisches Tlinl bildet, ist unstreitig die TJrsaclie, dafs Phiinomenc, wie das eben beschriebenc, bisher nicht wei- ter bekanut geworden sind. Das 'I'iinen, wclches sicli, nach Aussage der Eingebornen, in den Graiiitfelsen nrn Orinoco bei Sonnenaufgang hiircii liifst (v. H n 11) b o 1 d t, Helot. hist., T. P'I p. 377.); das sogenannte Lauten det Xergglocke, dessen J a c o b s in Zach's 1noii;itlich. Cor- respondenz, Bd. 27. S. 4lS., erwviilint, sind hinsiclitlicli ilirer Eiitstehung offenbar Erscliciiiungeii gaiiz aiiderer Art. Ersteres wid , nach dcr Verniulliiiiig cles IIrn. v o 11

11i~nihol i i t , von dcul Ein- id ihsstriimcu VOLI LufI

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315 durch Spalten in dein Felsen erzeugt *>, und rom .Letz- t e r m braucht niir gesagt zu merden, dafs es durch cincn in schiefer Richtung gegen einen trockncn Rasenbotleii ge\Torfenen und auf diescn in Spriiii$m bcrgabw;sr.ts flie- gendcn Stein hcrrorgcrufcn wird , 11111 cinzuscben, dafs es nur eine sehr enlfcrnle helinliclikeit init dcin PIiiino- mene r o n Nakulis besifzt. Dagegcn sol1 sich, wie Prof. E h r e n b e r g von einern alten erfahrnen Schiffcr erfuhr, an cinein in dcr Klilie von El Bitan, einige Stunden niirdlicli von Nakuhs, gelegiien Kiisteiipunkte einmal ehi ahnliches Getiise liaben verncliinen lassen. (P.>

*) Ganz neuerlicli liat ein H e r r Dr. R o u 1 i n vcrsuclit e ine an- dere Erkliirung aufzustcllen. ills derselbe niirulicli einen am l i nk rn L f e r des Orinoco liegendcn Granitfelsen, d e r von den 3lissionarien Custiffo genannt wird, tintrrsuchte, vernalrm e r be; aufilligem Anstohen an einen losen Blork zu scincm grofsen Er- staunen einen aiitialtrnden T o n , dem vergleiclrbar, welclier ent- s lcht , w e n n man rnit den r i n g e r n auf den Resonanzboden eines Pianofortes scll.igt. Bei nsherer Besichtigung fand sich, dafs dieser Block, den e r anfangs fiir solid gelialten hat te , oben nl i t e iner Kappe von 2 bis 3 2011 Dicke bedeckt w a r , die drirch Verwit tcrung einer Feldspathsctricht niir n o r h in de r N i n e m i t den1 Uebrigen zusaninienhielt, und dadurcti ganz die Gestalt e ine r Glocke erhaltcn Iiatte. D e r Fe l sen Castillo zcigt, nach IIrn. K., das Eigentliiiruliclie , difs er von einer Menge paralleler Schicliten durchzogcn w i r d , worin sicti d i e Elemente drs Granits gctrennt und iiber einander gelagert haben, so dals Quarz, in einer Rliich- tigkeit yon 2 bis 5 2011, den obern Tticil e inoimmt, dann f i n e 8 bis 9 Linien dicke Lage Glimmer folgt; u n d eiidlicli uiiten der Fcldspath cine Scliiclit von 8 bis 12 2011 3I;iclrtigkeit bildct. Dieser E’eldspatli verwittert n u n du rch die W i r k u n g de r Atmo- sp l i i r e , und dadurch entstelien tiefe purcl icn ini Felsen, welclie endlich ganze Platten ablijsen, u n d so aiich den tiinenden Stein erzeugten. IIr. R. vermutliet, dafs e in ilrnli~.lier Cmstancl die Sage von den ‘I’iinen des benaclrbarten und ganz eben so be- sckd’enen Felsens von Curiclrunu veranlafst lrnbc, und sielrt s ich in dieser JIeinung dadurch best j rkt , dafs d i e Nissionarien d i e tiinenden Stcine Luxas dc rnusicu nennen, das W o r t J ~ x a a b e r eine Steinplatte bedeute , und solclie Platten hier n u r durclr E\foIiation d e s Granits entstelien liiinnen (Bullet. uriiwrs. Sect. I . T. XZ. p . 51.)