Über das Verhalten des Gaswechsels bei Einem Kastrierten

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19, NOVEMBER 1927 KLIN,ISCHE WOCHENSCt-IRIFT, 6, JAHRGANG. Nr. 47 2239 UBER DAS VERHALTEN DES GASWECHSELS BEI EINEM KASTRIERTEN. Von Privatdozent Dr, SIEGFRIED FISCHER. Aus der Psychiatrischen und Nervenklinik der Universit~t Breslau (Geh, R. Prof. Dr. WOLLENBERG). Im Verlaufe unserer Gasweehseluntersuchungen an Gei- steskranken hatten wit durcti das Entgegenkommen der Herren Privatdozenten PIETRUSKY Yore gerichts~rztlichen Institut nnd HEII)RICH yon der Chirurgischen Klinik Ge- legenheit, einen Kastrierten im Verlaufe yon mehrerell Mo- naten zu beobachten. Der Zusammenhang der Ergebnisse ffir die Frage der Atiologie der Schizophrenie wird sp/iter er6rtert werden. Die Berechtigung der Ver6ffentlichung dieses Falles, dessen Beurteilung llicht eigentlich in das Ge- biet der Psychiatrie I~llt~ letter sich daraus her, dab fiber dell Gaswechsel yon m~innlichen Sp~tkastrierten bisher nur wenig Untersuchungen vorliegen, dab bet keinem dieser F/ille der Gaswechsel auch vor der I{astratioll bestimmt werden konnte, und dab schlieglich auSer dem ]~rhaltungsumsatz in dell his- her beschriebenen F/illen die spezifisch-dynamische EiweiB- wirkung (sp.-d. E.) nicht l~ngere Zeit hindnrch nnd vor allem yon Anfang an untersucht werden konnte. Znr Vorgeschichte sei erwXhnt, dab Patient, der sich in- folge perverser Triebrichtung vielfach strafbar gemacht hatte, sich zur Vornahme der Operation entschlossen hatte. Vor der Operation bot Patient auf k6rperlichem Gebiete nichts Anff~illiges, Am 28. X. 1926 wurde der erste Hoden entfernt. Vor dieser Operation hatten wir zwar keine Gelegenhei%, den Pat. zu unter- suchen. Es ist jedoch nicht anzunehmen, daB durch die'.Ent- fernung des einen Hodens eine Ver~nderung kgendwelcher ,~rt ein- Gewieht Spezif. O~ CO~ Grundumsatz dynam. Datum ccm ccm R. Qu. , Sollumsatz i EiweiB- pro ! pro [ kg i Minute [Minute [ Calofien wirkung% Entfernung des I. Hoden. J I549 3'2% 1+2~ 216 197 o,91 ~ -- Entfernlmg des 2. Hoden. 1576 218 204 0,93 ~ -- 1,4% + I9 1448 2Ol 185 ~ I~O -- 9,1% + 14 1464 202 194 0,95 I-~ -- 7,9% + 16 1458 I6. XII. 2Ol 193 0,95 ~ -- 8,3% ] + I8 1464 20. XII. 202 195 0,96 ~ -- 7,9% + I9 1447 23. XII. 2Ol 187 0,93 I~ -- 9,1% @ 24 I467 28. XlI. 203 193 0,95 ~ -- 7,7% + 22 I453 -- 8,7% + 22 IO. I. 1927 2Ol 188 0,93 I58~ 17. I. 1927 204 18o 1455 - 8,5% + 21 0,88 I. IV. 2o6 I8o 0,87 I46~6-- 9,6% + 21 16o 7 16. V. 21I 181 0,85 I49~8 -- 3,9% + 14' 1557 30. u 63, 5 223 188 0,84 1577 0% + 35 16~ 17 .VI. 65 227 199 %87 1598 , 1,5% +2o 1528 7. VII. 62 218 i72 0,79 I5~77 -- 1,8% + 24 * yore io. v. ab bis 15. V. 3real t~glieh I Tabl. Testogam 28. X. 1926 20. Xi. 1926 65 30. XI. 1926 5. X~[I. 1926 65 IO. XtI. 64 12. XlI. 64 64 64 54 54 54 54 51,5 52 jfingst yon WIEC~IOWSKI angegebellen Methode an weiBen M~usei1 bestimmt. Dabei ergab sich eine weitgehende l]ber- einsfimmung zwischen der Toxizit~t ffir weiBe M~use und der yon LORANT beobachteten Blutzucker- und sonstigen Wirksamkeit der betreifenden Darstellungsnummern beim Diabetiker. Die Mittelwerte der minimal t6dlichen Dosen ffir 20 g ,~r waren : Darstellungsnummer 316:o,56 Tablette (amMenschen unwirksam) ,, 323 : o,o5 ,, ,, 325 : o,1 ,, ,, 326: 0,I J, Die mit Wasser grfindlich extrahierte Tablettenmasse er- Wies sich klinisch in einer Menge, welehe 60 Tabletten ent- Sprach, Ms beinahe ganz unwirksam. Da Dr. LORA.~r die nach Glukhorment beobachteten Er- gcheinungen sehr ghnlich mit dell nach Synttaalin beobach- teten land, wurde ein Vergleich der Toxizit~it zwischen dem Wasserauszug yon Glukhormenttabletten und dem yon Syn- thalintabletten vorgenommen. Der letztere bewirkte quail- tativ dieselben Erscheinungen an der weil3en Maus wie der Glukhormellttablettenextrakt. Die mittlere t6dliche Dosis von Synthalintablettenextrakt Iiir 2og Maus entsprach O,Ol 4 Tabtette, was mit Riicksicht auI die Deklaration: I Tablette = 25 mg, o,35 mg Synthalin elltspr~iehe. Aus dem Kaltwasserauszug der Glukllormenttabletten lieB sich ebenso wie aus dem Auszug der Synthalintabletten eine krystallisierte Substanz vom Schmelzpunkt 147 ~ isolie- ten. Auch die Mischung beider Substanzen schmolz bet 147 ~ Die chemische Untersnehnng der beiden krystallisierten Substanzen ist noch nicht beendet. Vorlgnfig wurde nur fest- gestetlt, dab die geprfiften, qualitativen F~illungsreaktionen beider Snbstanzen die gleichen sind. Auch der Vergleich der pharmakologischen Wirkungen beider Substanzen ergab v611ige 13bereinstimmung. Der Blutdruck des mit Urethan narkotisierten Kaninchens wurde yon gleichen Dosen der aus Glukhormenttabletten nnd der aus Synthalintabletten dargestellten Substanzen in glei- chem AusmaB vorfibergehend herabgesetzt. In 2 Versuchen mit der aus Glukhormenttabletten darge- stellten Substanz am Kaninchen wurde der Blutzucker nach subcntaner Injektion stark herabgesetzt, wobei t{rgnlpfe auf- traten. In einem Versuch ging das Tier 21/~_ Stunden nach der Injektion yon 5o mg pro Kilogramm bet einem Stnrz des Blutzuckers yon 96 mg % auf 45 mg % nnter Krgmpfen ein. In dem anderen Versuch, in dem das Tier 25 mg pro Kilogramm er- halten hatte, zeigte der Blutzucker nach 2 Stunden einen Anstieg yon i25mg%, anf 38omg%. In der 4. Stunde be- trug der Wert noch 211 rag% und in der 6. Stunde starb das Tier nnter Kr~impfen bei einem Blutzuckerwert yon 42 mg %. Bet einem Hnnd yon 9 kg erzeugte die subcutane Injektion yon Iomg pro Kilogramm Glukhormellttablettensubstanz nach I Stunde Erbrechen und Def~ikation. Dabei traten vor- 5bergehend eigentiimliche Bewegungsst6rungen auf. Bald jedoch schien das Tier wieder munter zu sein und reagierte auf AnruI. Nichtsdestoweniger hielt das Erbrechell an, es wurde 3 Stunden beobachtet. Am ngehsten Tag wurde das Tier tot aufgefundell. Diese Erscheinungen stimmen mit den yon JU~K~ANN beschriebenen Wirkungen des Synthalins voIlkommen fiber- ein. Die Substanz, welche ans den Glukhormenttabletten iso- liert werden konnte, hat daher die gr6gte Ahnlichkeit mit der aus den kguflichen SynthaIintabletten darstelIbaren Sub- stanz bzw. mit Synthalin.

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19, NOVEMBER 1927 K L I N , I S C H E W O C H E N S C t - I R I F T , 6, J A H R G A N G . N r . 47 2 2 3 9

U B E R DAS VERHALTEN DES GASWECHSELS BEI EINEM KASTRIERTEN.

V o n

Pr iva tdozen t Dr, SIEGFRIED FISCHER. Aus der Psychiatrischen und Nervenklinik der Universit~t Breslau

(Geh, R. Prof. Dr. WOLLENBERG).

I m Verlaufe unserer Gasweehse luntersuchungen an Gei- s teskranken h a t t e n wi t durcti das E n t g e g e n k o m m e n der Her ren P r iva tdozen ten PIETRUSKY Yore ger ichts~rzt l ichen In s t i t u t nnd HEII)RICH yon der Chirurgischen Kl in ik Ge- legenheit , e inen Kas t r i e r t en im Verlaufe yon mehrere l l Mo- na ten zu beobachten . Der Zusammenhang der Ergebnisse ffir die Frage der Atiologie der Schizophrenie wird sp/i ter e r6r te r t werden. Die Berech t igung der Ver6ffent l ichung dieses Falles, dessen Beur te i lung ll icht eigentl ich in das Ge- b ie t der Psychia t r ie I~llt~ letter sich daraus her, dab fiber dell Gaswechsel yon m~innlichen Sp~tkas t r ie r ten bisher nur wenig Un te r suchungen vorliegen, dab bet ke inem dieser F/ille der Gaswechsel auch vor der I{astrat iol l b e s t i m m t werden konnte , und dab schlieglich auSer dem ]~rhal tungsumsatz in dell his- her beschr iebenen F/i l len die spezif isch-dynamische EiweiB- wi rkung (sp.-d. E.) n icht l~ngere Zei t h indnrch nnd vo r a l lem yon Anfang an un te r such t werden konnte .

Znr Vorgeschichte sei erwXhnt, dab Pa t ien t , der sich in- folge perverser Tr iebr ich tung viel fach s t rafbar gemach t ha t te , sich zur Vornahme der Opera t ion entschlossen ha t te . Vor der Opera t ion bo t Pa t i en t auf k6rper l ichem Gebiete nichts Anff~illiges,

Am 28. X. 1926 wurde der erste Hoden entfernt. Vor dieser Operation hatten wir zwar keine Gelegenhei%, den Pat. zu unter- suchen. Es ist jedoch nicht anzunehmen, daB durch die ' .Ent- fernung des einen Hodens eine Ver~nderung kgendwelcher ,~rt ein-

Gewieht Spezif. O~ CO~ Grundumsatz dynam. Datum ccm ccm R. Qu. , Sollumsatz i EiweiB- pro ! pro

[ kg i Minute [Minute [ Calofien wirkung%

Entfernung des I. Hoden.

J I549 3'2% 1 + 2 ~ 216 197 o,91 ~ --

Entfernlmg des 2. Hoden. 1576

218 204 0,93 ~ - - 1,4% + I9

1448 2Ol 185 ~ I ~ O -- 9,1% + 14

1464 202 194 0,95 I - ~ -- 7,9% + 16

1458 I6. XII . 2Ol 193 0,95 ~ -- 8,3% ] + I8

1464 20. XII . 202 195 0,96 ~ -- 7,9% + I9

1447 23. XII. 2Ol 187 0,93 I ~ -- 9,1% @ 24

I467 28. XlI . 203 193 0,95 ~ -- 7,7% + 22

I453 -- 8,7% + 22 IO. I. 1927 2Ol 188 0,93 I58~

17. I. 1927 204 18o 1455 - 8,5% + 21 0,88

I. IV. 2o6 I8o 0,87 I46~6 -- 9,6% + 21 16o 7

16. V. 21I 181 0,85 I49~8 -- 3,9% + 14' 1557

30. u 63, 5 223 188 0,84 1577 0% + 35

16~ 17 .VI . 65 227 199 %87 1598 , 1,5% + 2 o

1528 7. VII. 62 218 i72 0,79 I5~77 - - 1,8% + 24

* yore io. v. ab bis 15. V. 3real t~glieh I Tabl. Testogam

28. X. 1926

20. Xi . 1926 65

30. XI. 1926

5. X~[I. 1926 65

IO. XtI . 64

12. XlI . 64

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j f ingst yon WIEC~IOWSKI angegebel len Methode an weiBen M~usei1 bes t immt . Dabei ergab sich eine wei tgehende l ]ber - e in s f immung zwischen der Toxiz i t~ t ffir weiBe M~use und der yon LORANT beobach te t en Blu tzucker - und sonstigen Wi rksamke i t der be t re i fenden Dars t e l lungsnummern be im Diabet iker .

Die Mi t te lwer te der min ima l t6dl ichen Dosen ffir 20 g ,~r waren :

Darstellungsnummer 316:o,56 Tablette (amMenschen unwirksam) ,, 323 : o,o5 ,, , , 325 : o,1 ,, ,, 326: 0,I J,

Die m i t Wasser grfindlich ex t rah ie r t e Tab le t t enmasse er- Wies sich kl inisch in einer Menge, welehe 60 Tab le t t en ent- Sprach, Ms beinahe ganz unwirksam.

Da Dr. LORA.~r die n a c h G lukhormen t beobach te ten Er - gcheinungen sehr ghnlich mi t dell nach Synttaalin beobach- t e t en land, wurde ein Vergleich der Toxizit~it zwischen dem Wasserauszug yon G lukho rmen t t ab l e t t en und dem yon Syn- t ha l in t ab l e t t en vorgenommen . Der le tz tere bewirk te quail- t a t i v dieselben Ersche inungen an der weil3en Maus wie der G lukhorme l l t t ab l e t t enex t r ak t . Die mi t t le re t6dliche Dosis von S y n t h a l i n t a b l e t t e n e x t r a k t Iiir 2 o g Maus entsprach O,Ol 4 Tabte t te , was m i t Ri icksicht auI die Dek la ra t ion : I Tab le t t e = 25 mg, o , 3 5 mg Syntha l in elltspr~iehe.

Aus dem Kal twasserauszug der Gluk l lo rmen t t ab le t t en lieB sich ebenso w i e aus dem Auszug der Syn tha l in t ab le t t en eine krysta l l is ier te Substanz v o m Schmelzpunk t 147 ~ isolie- ten. Auch die Mischung beider Subs tanzen schmolz bet 147 ~

Die chemische Un te r snehnng der beiden krysta l l i s ier ten Subs tanzen ist noch nicht beendet . Vorlgnfig wurde nur fest- gestetlt, dab die geprfiften, qua l i t a t iven F~illungsreaktionen beider Snbs tanzen die gleichen sind.

Auch der Vergleich der pharmakologischen Wi rkungen beider Subs tanzen ergab v611ige 13bereinstimmung.

Der B lu td ruck des mi t Ure than narkot i s ie r ten Kaninchens wurde yon gleichen Dosen der aus G lukhormen t t ab l e t t en nnd der aus Syn tha l in t ab le t t en dargeste l l ten Subs tanzen in glei- chem AusmaB vorf ibergehend herabgesetz t .

In 2 Versuchen mi t der aus G lukhormen t t ab l e t t en darge- s te l l ten Subs tanz am Kan inchen wurde der B lu tzucker nach subcn taner In jek t ion s tark herabgesetzt , wobei t{rgnlpfe auf- t ra ten . I n e inem Versuch ging das Tier 21/~_ S tunden nach der In j ek t ion yon 5o m g pro K i l o g r a m m bet e inem Stnrz des Blutzuckers yon 96 mg % auf 45 mg % nn te r Krgmpfen ein. In dem anderen Versuch, in dem das Tier 25 mg pro K i l o g r a m m er- ha l t en hat te , zeigte der Blu tzucker nach 2 S tunden einen Anst ieg yon i 2 5 m g % , anf 3 8 o m g % . In der 4. S tunde be- t rug der W e r t noch 211 rag% und in der 6. S tunde s tarb das Tier nn te r Kr~impfen bei e inem Blu tzuckerwer t yon 42 mg %.

Bet e inem H n n d yon 9 kg erzeugte die subcutane In jek t ion yon I o m g pro K i l o g r a m m Glukhormel l t t ab le t t ensubs tanz nach I S tunde Erbrechen und Def~ikation. Dabei t r a t en vor- 5bergehend eigent i imliche Bewegungss t6rungen auf. Bald jedoch schien das Tier wieder m u n t e r zu sein und reagier te auf AnruI. Nichtsdes toweniger hiel t das Erbrechel l an, es wurde 3 S tunden beobachte t . A m ngehsten Tag wurde das Tier t o t aufgefundell .

Diese Ersche inungen s t immen m i t den yon JU~K~ANN beschr iebenen Wi rkungen des Syntha l ins voI lkommen fiber- ein.

Die Substanz, welche ans den G lukhormen t t ab l e t t en iso- l ier t werden konnte , h a t daher die gr6gte Ahnl ichkei t m i t der aus den kgufl ichen Syn tha I in tab le t t en dars te l Ibaren Sub- s tanz bzw. m i t Synthal in .

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getreten ist, was auch durch das Ergebnis der Stoffwechselunter- suchung best~itigt wird. Wie aus der Tabelle hervorgeht, war der Erhaltungshmsatz und die sp.-d. ]~. 3 Wochen nach der Ellt- fernung des einen Testikels noch v611ig normal. Am 3 o. XI. er- /olgte die Enffernung des zweiten Hodens. 5 Tage sp~iter (5. XII.) zeigte sich noch keine Veriinderung des Stoffwechsels. Weitere 5 Tage sp~iter, also IO Tage llach der Operation, t ra t eine Herab- setzung des Grulldumsatzes auf und gleichzeitig eine solche der sp.-d. E. W~hrend null der Erhaltungsumsatz sich mindestens his zum I. IV., also etwa 4 Monate, auf demselbell lliederen Niveau hielt, stieg die sp.-d. E., bezogen auf den Grundumsatz, alIm~ihlich an, bis sie etwa am 2o. oder 24. XII. , also 3 Wochen nach der Kastration ihre normale H6he erreicht hatte. Von diesem Zeitpunkt an t ra t keinerlei Ver~nderung ein bis etwa Mitte Mai. In dieser Zeit konnte Pat., der sich in Haft befand, nicht mehr so Niufig untersueht wet- den; bedauerlicherweise hat te er etwa 5--6 Tage vor der Unter- suchung dreimal t~glich I Tablette Testogan genommen. Ob diese Medikamente einen entscheidellden EinfluB ausgeiibt haben, kann aber bier dahillgestellt bleiben; denn nach 14 Tagen, in denen Pat. keinerlei Organprgparate erhielt, erreichtell Erhaltungsumsatz und sp.-d. E. ebenfalls vOllig normale Werte. Diese Werte gaben im wesentlichen bis jetzt, also 7~[~ Monate nach der Operation, keine Ver~nderungen mehr gezeigt.

Das Gewicht des I68 cm groBen Put, hat sich wiihrelld der ganzen Zeit nicht wesentlich verandert; die zuletzt beobachtete Gewichtsabnahme erkliirt sich aus einer in den letzten io 14 Tagen aufgetretenen Magenst6rung. Jedenfalls abet ist eine Gewichts- zunahme und ein Fet tansatz nach der Kastratioll nicht aufgetreten. Dagegen ist der Bartwuchs seit Anfang Januar wesentlich geringer geworden, so dab Put., der sich frtiher etwa jeden 2. Tag raslerte, dies jetzt nur etwa alle 14 Tage zu tun braucht. Zu erw~hllen ist ferner, dab Pat. Ende Dezember, also etwa 4 Wocben nach der Kastration, zum ersten Male fiber Wallullgen nach dem Kopfe klagte; im Lauie der Zeit wurdell diese h~.ufiger. Je tz t treten diese Beschwerden etwa 4--5mal am Tage auf. Die Libido hat sich seit der Operation noch gar nicbt bemerkbar gemacht, eine Erektion hat Pat . nicht mehr beobachtet. Die Stimmung des Pat. ist in den letzten Monaten etwas gedrfickt, er ist jetzt auch im Gegensatz zu irfiher lieber alleill als ill Gesellsehait. Dabei ist jedocb zu beri~ck- sichtigen, dab seelische Momente eine grol3e Rolle spielen, da die erwartete Begnadigung noch immer nicht erfolgt ist. Gin De- pressiollszustand liegt jedoch nicht vor.

Das bem erkenswer t e s t e Ergebn is unsere r U n t e r s u c h u n g dt i rf te die Ta t sache sein, dab zwischen dem 6. u n d io. Tage nach der Ver schne idung der G r u n d u m s a t z und gleiehzeit ig die sp.-d. E. sich senken, und dab die Ver i inderungen sich innerha lb einiger 3/ionate bzw. einiger Wochen zurt ickbilden. Die v e r m i n d e r t e Oxyda t ionsenerg ie nach K a s t r a t i o n wurde schoI1 yon LoEwY und I~ICHTER61 ECKSTEIN und GRAFE 1, I~ORENTSCHEWSKY 3 U.a . bei Tieren nachgewiesen. Im Gegensa tz dazu f anden LOTHJE ~, PLAUT nlid TIM~IS, die letz- t e r en a l lerdings nu r nach R6n tgenbes t r ah lung , keine he rab- gese tz te Oxyda t ion . Die B e o b a c h t u n g e n an Menschen (ZuNa~Z ~0, PLAU2 und TIMMS, LIEBESNYa) e rs t recken sich vor- wiegend auf Frauen, nut yon LOEwY und I~AMINER 5 und LIEBESNY 4 s t a m m e n Mitteilunger~ fiber U n t e r s u c h u n g e n an M~innern. Die Ergebn i sse s ind auch hier wechselnd. Viel- leich~ ist ein Tell der Abwe ichungen auf den Ze i t raum zurtick- zufiihren, der seit der Verschne idung vergangen war, ein Punk t , auf den auch PLAUT und TIMM hinweisen. Aber Iraglos spielen auge rdem individuel le Differenzen eine groBe Rolle. L o E w u und KAMINER k o n n t e n noch ~/~ j a h r nach der K a s t r a t i o n S tSrungen im Stoffwechsel nachweisen, was bei unse r em P a t i e n t e n n ich t m e h r gelang.

Die Minderung der sp.-d. E. wird n ich t als unmi t t e lba re Ursache der Ke imdr t i s enen t f e rnung angesehen werden k6nnen; es is t v ie lmehr wahrscheinl ich, daB, wenn die A n n a h m e PLAIJTS und LIEBESNYS bezilglich des Ein i lusses der H y p o p h y s e auf die sp.-d. E. zu tZecht bes teh t , sekundXr die H y p o p h y s e be- einfluBt ist . Auch in dem Falle 1ROLLYS~ ergab sich eine Herab- serzung der s p . - d . E . , w~hrend LIEBESNY eine Ste igerung land. KLA~TEN~ hingegen l and bei ova r i ek tomie r t en F rau en nu t h e r a b g e s e t z t e n G r n n d u m s a t z bei fas t vol ls t~ndig un- ver~tnderter sp.-d, E. Auch bier also s ind die ve r sch iedens ten Ergebnisse zu verze ichnen .

DaB eine Mas t nach K a s t r a t i o n mi t fo lgender Minderung der Oxyda t ionsenerg ie n ich t au fzu t r e t en b rauch t , beweis t unser Fal l aufs neue. Es b r a u c h t also weder das Feh len des

Ke imdr t i s enhormons nocll ein he rabgese t z t e r G r u n d u m s a t z einen F e t t a n s a t z zur Folge zu haben .

ZusammenJassend erg ib t sich : I. Die he rabgese t z t e Oxyda t ionsenerg ie nach K a s t r a t i o n k a n n sich, wie in un- serem Falle, in einer gleichzeit ig .e insetzenden H e r a b s e t z u n g des Grundumsa t ze s u n d der sp.-d. E. zeigen.

2. Diese Ver / inderungen kSnnen sich innerha lb einiger Wochen bzw. Monate zuri ickbilden.

3. Ein F e t t a n s a t z b r au ch t weder nach K a s t r a t i o n noch bei Abs inken der Oxyda t ionsenerg ie aufzu t re ten .

L i t e r a t u r : 1 ECKSTEIN und GRAFt, Zeitschr. f. physiol. Chem. 1o7. 1919. -- 2 KLAFTEN, Monatsschr. f. Geburtsh. u. Gyll/ikol. 74. I926. -- a KORENTSCHAWSI~Y, Zeitschr. f /exp. Patbol. I6. I914. -- 4 LIEBESNY, Klin. Wochenschr. 1925, S. 156. -- 5 LoEwY und KAMINER, ]Berlin. ldin. Wochellscbr. 41. 1916. -- 6 LoEwY und kRICHTER, Zentralbl. f. Physiot. I6. -- ~ LOTt~JE, Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. 48, 5 o. i9o2/o 3. -- s PI, AU~ und TIM~, Kiln. Wochenschr. 1924, S. 1664. -- a ROLl.z, Dtsch. med. W'ochenschr. 3 z, 32. I 9 2 1 . - l~ ZuNzz, Arch. f. Oyll~tkol. 96 und 99. I912/13. -- Zu dem Ganzell vgl. v. B:ERGMANN ulld STROEBE, Die Kastration ill Oppenheimers Handbuch der Biochemie.

BEITR~GE ZUR PERNIZI(JSEN ANAMIE DER RATTEN. Von

E. HAAM, E. LAUDA und G. SORGE. Aus der II. medizinischen Klinik in Wien (Vorstand: Prof. Dr. N. ORTNER) und dem Institut ftlr spezielle Pathologie und experimentelle Medizin der Universit~it

Catania (Vorstand: Prof. M. ASCOLI).

W,ihrend LAUDA in Untersuchungen an Ratten der II. medizini- schen Universit&tsMinik in Wien nach Splenektomie regelm~iBig das Auftreten einer schwereii, meist t6dlich verlaufenden An~.mie beobachtete, konnte SORGE &hnliehe an~mische Folgezust&nde nach Splenektomie an Batten des Institutes ft~r spezielle Pathologie und innere Medizin in Catania niemals beobachten. \u seinerzeit gezeigt, konnte das Auftreten der An~mie bei dem Wiener iRatten- material auf ein endogenes, nach der Splenektomie virulent werden- des, eine hi~molytische An~mie erzeugeiides Virus zurflckgeffihrt werden. MAYER, BORCHARDT und KIKUTH konnten nachweisen, dab dieser Erreger eine Bartonellenart (Bartonella muffs rat t i Mayer) sei, ein Befund, der yon LAUDA und LAUDA und MARKUS best~itigt werden konnte. Es schien Bun auBerordentlich wahrschein- Iich, dab die Diskrepanz der Befunde an den Bat ten yon Wien und Catania durch die Verseuchung, bzw. Niehtverseuchung der Rattell mit diesem u seinell Grulld habe. Zur Kl&rung des Sach- verhaltes wurdeu daher auf Anregung des~Herrn Prof. M. ASCOLI die Versuche an Ratten, die yon beiden Inst i tuten gegenseitig aus- getausr worden waren, wiederholt, fiber deren F~rgebnisse kurz berichtet werden soil.

I n Wien durchgeji~hrte Versuche an italienischen Batten.

Die aus Catania fibersandten Bat ten wurden zwecks Vermeidung einer Laboratoriumsinfektiou zum Tell in dem fibersandten t(iifig gelassen, zum Tell in vorher sterilisierten Gl~sern untergebracht; als Streu dieiite hier reine Holzwolle. S~.mtliche Tiere wurden aus- schlieBIieh mit frischer gekochter Milch und WeiBbrot ern~thrt. Da sich sp~iter zwischen den Rattell in den Gl~sern und im KAfig Untersehiede llicbt ergaben, so k6nnen die Versuehsergebnisse beider Gruppen gemeinsam besprochen werden.

Neun Rat ten wurden unter aseptischen Kautelen ulld nacb Aufnahme eines Blutbefundes splenektomiert. S~mtliche Tiere flberstandell die Splenektomie gut und zeigten in der Folgezeit keinerlei Krankheitserscheinungen. Durch 3o Tage wurde t~gtich, sparer nur jeden zweiten Tag, ein Blutbefulld erhoben. In keillem Falle wnrde eille wesentliehe Abnahme der Erythroeytenzahl gefundeii. In den Ausstrichen konllten niemals die dutch die Aniimie bedingten morphologischen Ver~nderungen an dell :Erythro- cyten, sowie das Auftreten roll ]3artonellen beobachtet werden. Die ]3eobaehtungsdauer betrug insgesamt 2 Monate. Die ]?;rgebnisse dieser Untersuchungen stimmen mit den yon SORGE seinerzeit mit- geteilten vollkommell iiberein.

Eine Ratte, welche die Splenektomie dureh 5 Wochen gut fiber- standei1 butte (ohne Zeiehen der Angmie und ohne ]3artonellell- befund im Ausstrieh), wurde gleichzeitig mit einer milzhaltigen Rutte der gleichen Zucht mit Organbrei einer an der ,,infekti6senn An~mie der Rat ten" schwer erkrankten splenektomierten W'iener Ratte subcutan nnd intraperitoneal geimpft. Am 3. Tag nach der Impfung wurde im zirkulierenden Blur des Passagetieres der Parasit der Krankheit, die ]3artonella muris rat t i MAYRR, gefunden, am 6. Tag bestand eine schwere An~mie mit alien charakteristischell